Allgemeines Priestertum: Zur Metaphorisierung des Priestertitels im Frühjudentum und Neuen Testament 3161532341, 9783161532344

Die Lehre vom Allgemeinen Priestertum ist seit der Reformationszeit fester Bestandteil protestantischer Ekklesiologie un

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Allgemeines Priestertum: Zur Metaphorisierung des Priestertitels im Frühjudentum und Neuen Testament
 3161532341, 9783161532344

Table of contents :
Cover
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Zum Begriff „Allgemeines Priestertum“
2 Gemeinde ohne Priester
3 Eckpunkte der Forschungsgeschichte
4 Zum Aufbau der Untersuchung
5 Zur Metaphorisierung kultischer Begriffe
5.1 Zur Forschungsgeschichte
5.2 Zu den neueren Metapherntheorien
5.3 Zur Kultmetaphorik im Neuen Testament
Kapitel I: Priester und Priesterschaften in der griechisch-römischen Antike
1 Definition
2 Der priesterliche Status
3 Priesterliche Funktionen
3.1 Mittler- und Stellvertreterfunktion
3.2 Experten für den Bereich des Heiligen
3.3 Die politische Rolle des Priestertums
4 Voraussetzungen, Ausbildung und Aufnahme
5 Sozialformen
6 Kollektive und individuelle Kultausübung
7 Ergebnis
Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit
Exkurs 1: Das historisch-kritische Bild der Geschichte des israelitischen Priestertums
1 Die Struktur des Priestertums in der Zeit des zweiten Tempels
1.1 Größe und Organisation
1.2 Hierarchie
1.3 Sozialprestige
1.4 Berufstätigkeit
2 Der religiöse Status des Priesters
2.1 Die Voraussetzungen zum Priesteramt
2.1.1 Priesterliche Abstammung
2.1.2 Korrekte Eheverhältnisse
2.1.3 Körperliche Unversehrtheit
2.1.4 Ergebnis
2.2 Der Priester im heiligen Raum
2.2.1 Etymologische Fragen
2.2.2 Die Struktur der kultischen Wirklichkeit
2.2.3 Deutungsversuche
2.2.4 Die „Herstellung“ von Heiligkeit
2.2.5 Der priesterliche Ornat
2.2.6 Die räumliche Dimension kultischer Distinktionen
2.2.7 Ergebnis
2.3 Die Funktionen des priesterlichen Dienstes
2.3.1 Der Priester als Mittler
2.3.2 Der Priester als Hüter und Ausleger des Gotteswillens
2.3.3 Der Priester als Rechtspfleger
2.4 Ergebnis
3 Die Kritik der priesterlichen Kultpraxis
3.1 Die prophetische Kritik am Priestertum in vorexilischer Zeit
3.2 Die prophetische Kritik am Priestertum in nachexilischer Zeit
4 Das Priestertum im Licht eschatologischer Hoffnungen
4.1 Metaphorisierung der Tempeltheologie
4.2 Ex 19,5f.
4.3 Jes 61,5f.
4.4 Jes 66,21
4.5 Jer 33,21f.
4.6 Ez 40–48
4.7 Sach 3,1–10
4.8 Mal 3,3
4.9 Ergebnis
5 Ergebnis
5.1 Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit
5.2 Das israelisch-jüdische Priestertum im Vergleich zur hellenistisch-römischen Umwelt
Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel in frühjüdischer Zeit
1 Die Geschichte und Kritik des jüdischen Priestertums in der Epoche des zweiten Tempels
1.1 Die Geschichte des nachexilischen Priestertums bis 70 n.Chr.
1.2 Die Kritik am Jerusalemer Priestertum in frühjüdischen Schriften
1.2.1 Das Testament Levis
1.2.2 Die Qumranschriften
1.2.3 Die Psalmen Salomos
1.2.4 Die Assumptio Moses
1.2.5 Ergebnis
2 Tempeltheologien und Tempelkritik in der Epoche des zweiten Tempels
2.1 Der Tempel in der Vielfalt frühjüdischer Perspektiven
2.1.1 Aspekte alttestamentlicher Tempeltheologie
2.1.2 Der Tempel als „universales Bethaus“
2.1.3 Der Tempel als Ausdruck jüdisch-monotheistischer Exklusivität
2.1.4 Der Tempel als Abbild des Kosmos
2.1.5 Der Tempel als Abbild des Gartens Eden
2.1.6 Bedeutung und Bedrohung des Tempels vor 70 n.Chr.
2.2 Die jüdischen Alternativtempel zum zweiten Tempel
2.2.1 Der samaritanische Tempel auf dem Garizim
2.2.2 Der oniadische Tempel in Leontopolis
2.2.3 Ergebnis
2.3 Tempelkritik und die Hoffnung auf einen eschatologischen Tempel
2.3.1 Das Buch Tobit
2.3.2 Das Jubiläenbuch
2.3.3 Die Zehnwochenapokalypse
2.3.4 Die Tiersymbolapokalypse
2.3.5 Die Qumranschriften
2.3.6 Die Sibyllinen
2.3.7 Targum Sach 6,12f. und Jes 53,5
2.3.8 Ergebnis
2.4 Die Kritiklosigkeit gegenüber dem Herodianischen Tempel
3 Ergebnis
Kapitel IV: Der priesterliche Kult in den Strömungen des Frühjudentums
1 Die Sadduzäer und das Priestertum
2 Das Priestertum in den Qumranschriften
2.1 Der priesterliche Einfluss auf den yaḥad
2.2 Der yaḥad als metaphorischer Tempel
2.3 Priesterliche Titel in den Qumranschriften
2.4 Die Funktion der Priester in den Qumranschriften
2.5 Der priesterliche Messias
2.6 Allgemeines Priestertum in Qumran?
2.7 Ergebnis
Exkurs 2: Priester in Qumran und die frühchristliche Gemeinde
3 Das Priesterbild der Levi-Tradition
3.1 Die priesterliche Levi-Tradition
3.2 Levi und das ideale Priestertum
3.2.1 Das aramäische Levi-Dokument
3.2.2 Jub 30,1–32,9
3.2.3 Das Testament Levis
3.2.4 Die Träger der priesterlichen Levi-Tradition
3.3 Ergebnis
4 Die Haltung des Pharisäismus zum Priestertum
4.1 Der Pharisäismus vor 70 n.Chr.
4.2 Der Pharisäismus und das Priestertum
4.3 Ergebnis
5 Prophetische Gestalten und Erneuerungsbewegungen vor dem Jüdischen Krieg
5.1 Johannes der Täufer
5.2 Prophetische Erneuerungsbewegungen
5.2.1 Der samaritanische Prophet
5.2.2 Theudas
5.2.3 Der Prophet aus Ägypten
5.2.4 Weitere Zeichenpropheten
5.2.5 Ergebnis
5.3 Jesus bar Ananias
5.4 Ergebnis
6 Das Priestertum im Werk von Flavius Josephus
6.1 Josephus: Priester, Aristokrat, Hasmonäer
6.2 Das Wesen des Priestertums
6.3 Geschichtsdeutung aus priesterlicher Perspektive
6.4 Das Priestertum als ideale Herrschaftsform
6.5 Ergebnis
7 Das Diasporajudentum und das Priestertum
7.1 Die Synagoge und das Priestertum
7.2 Das Priestertum im Werk Philos
7.2.1 Moralisierung
7.2.2 Spiritualisierung
7.2.3 Universalisierung
7.2.4 Sozialisierung
7.2.5 Spiritualisierung und Universalisierung des Tempels
7.2.6 Ergebnis
8 Ergebnis
Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum in den synoptischen Evangelien
1 Jesustraditionen zum Thema „Priester“ und „Tempel“
1.1 Die Heilung des Aussätzigen (Mk 1,44parr)
1.2 Jesu Vollmacht zur Sündenvergebung (Mk 2,1–12)
1.3 Versöhnung vor Opfer (Mt 5,23f.)
1.4 Jesus und die Tempelsteuer (Mt 17,24–27)
1.5 Jesu Lehrtätigkeit im Tempel
1.6 Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,29–37)
1.7 Jesus und die prophetische Kultkritik
1.8 Jesus und die Hohepriester
1.9 Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern (Mt 21,33–46parr)
1.10 Ergebnis
2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu
2.1 Das Tempelwort (Mk 14,58par)
2.1.1 Überlieferungsgeschichtliche Beobachtungen
2.1.2 Die ursprüngliche Form des Tempelwortes
2.1.3 Die Bedeutung des Tempelwortes
2.2 Die Tempelaktion Jesu (Mk 11,15–17parr)
2.3 Ergebnis
Exkurs 3: Der Tempel im lukanischen Geschichtswerk
3 Die synoptische Tradition vom gespaltenen Vorhang
3.1 Die Bedeutung des Vorhangs
3.2 Die Bedeutung der Spaltung des Vorhangs
3.3 Ergebnis
Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus
1 Das kultische Weltbild in der paulinischen Theologie
1.1 Die Bedeutung von Heiligkeit und (Un)Reinheit
1.2 Kultisches Denken als räumliches Denken
1.3 Kultisches Denken als antikes, interkulturelles Gemeingut
2 Kultische Metaphern bei Paulus
2.1 1Thess 3,13–5,23
2.2 1Kor 1,2; 1,30; 6,11
2.3 1Kor 9,13
2.4 Röm 3,25f.
2.5 Röm 5,1f
2.6 Röm 12,1
2.7 Phil 4,18
2.8 Röm 15,16
2.8.1 Zur kultischen Begrifflichkeit in Röm 15,16
2.8.2 Zur Vermeidung des Priesterbegriffs in Röm 15,16
2.8.3 Zur heilsgeschichtlichen Dimension des Apostolats in Röm 15,16
2.8.4 Zur ekklesiologischen Dimension der Heiligung in Röm 15,16
2.8.5 Zur interkulturellen Dimension von Röm 15,16
2.9 Der Kultus und die paulinischen Ämterbezeichnungen
2.10 Ergebnis
3 Die Tempelmetaphorik bei Paulus
3.1 1Kor 3,16f.
3.2 1Kor 6,19
3.3 2Kor 6,16
3.4 Paulus und der Jerusalemer Tempel
3.5 Ergebnis
4 Ergebnis
Kapitel VII: Die Gemeinde als königliche Priesterschaft nach 1Petr 2,4–10
1 Die Situation der Adressaten des 1. Petrusbriefes
Exkurs 4: Zur Verfasserfrage des 1. Petrusbriefes
2 Struktur und Gliederung von 1Petr 2,4–10
2.1 Kontextanalyse
2.2 Textstruktur
2.2.1 Beobachtungen
2.2.2 Alternativen
2.2.3 Ergebnis
2.3 Textimmanente Bezüge
2.4 Syntaktische und semiotische Beobachtungen
3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5)
3.1 „Zu ihm herzutretend“
3.2 Der lebendige Stein
Exkurs 5: Zur Traditionsgeschichte der Stein- und Felsmetapher
3.3 Die lebendigen Steine
3.4 Die Auferbauung als geistliches Haus
3.5 Die heilige Priesterschaft
3.5.1 Zur Begriffsgeschichte von ἱεράτευμα
3.5.2 Zur Referenzgröße von ἱεράτευμα in 1Petr 2,5.9
3.5.3 Zur Bedeutung der „Heiligkeit“ der Priesterschaft
3.6 Die Darbringung geistlicher Opfer
4 Das Λίθος-Florilegium (V. 6–8)
4.1 Traditionsgeschichtliche Überlegungen
4.2 Jesus Christus, der erwählte Grundstein
4.3 Jesus Christus, der verworfene Grundstein
4.4 Jesus Christus, der Stein des Anstoßes
4.5 Jesus Christus, der Stein der Scheidung
5 Das Gottesvolk-Florilegium (V. 9–10)
5.1 Traditionsgeschichtliche Überlegungen
5.2 Das auserwählte Volk
5.3 Die königliche Priesterschaft
5.3.1 Zur Bedeutung von βασίλειον
5.3.2 Zur Bedeutung von ἱεράτευμα
5.4 Das heilige Volk
5.5 Das Volk des Eigentums
5.6 Die Bestimmung der Gemeinde
5.7 Die Berufung der Gemeinde
5.8 Das Volk Gottes
Exkurs 6: Die Bedeutung Israels im Licht von 1Petr 2,5.9f.
6 Ergebnis
7 1Petr 2,4–10 im Rahmen der frühchristlichen Identitätsformation
8 Allgemeines Priestertum in 1Petr 2,4–10?
Kapitel VIII: Die herrschenden Priester in der Johannesapokalypse
1 Die vorausgesetzte Situation der Adressaten der Johannesapokalypse
2 Apk 1,5–6
2.1 Kontext, Form, Textkritik, Genese, Struktur
2.1.1 Das Präskript
2.1.2 Form
2.1.3 Die Struktur
2.1.4 Textursprung und -genese
2.2 Die Doxologie (Apk 1,5b-6)
2.3 Die Einsetzung zum Königtum und zu Priestern
3 Apk 5,9–10
3.1 Das neue Lied (Apk 5,9–10)
3.2 Königtum und Priester (Apk 5,10)
3.3 Zwischenergebnis
3.4 Priester mit Herrschaftsfunktion
3.4.1 Herrschende Priester im Alten Testament?
3.4.2 Herrschende Priester in der paganen Antike und im Frühjudentum?
3.4.3 Die Herrschaft der Heiligen
4 Apk 20,4–6
4.1 Das Millennium
4.1.1 Die Ereignisfolge von Ez 37–48 und Apk 20f.
4.1.2 Zwischenreiche in der jüdischen Apokalyptik
4.1.3 Die 1000 Jahre im Licht jüdischer Weltzeitspekulationen
4.1.4 Symbolisches oder literal-realistisches Verständnis?
4.1.5 Die theologische Bedeutung eines messianischen Zwischenreiches
4.1.6 Ergebnis
4.2 Die Teilhaber an der tausendjährigen Herrschaft Christi
4.2.1 Zur Satzkonstruktion von Apk 20,4
4.2.2 Leben und Herrschen mit Christus
4.2.3 Weitere Teilhaber des Millenniums?
4.3 Die Priester und ihre Herrschaft
4.3.1 Herrschaft als Ausdruck der Freiheit
4.3.2 Herrschaft als Ausdruck restituierten Menschseins
4.4 Ergebnis
5 Apk 21,1–22,5
5.1 Apk 21,3f.
5.2 Apk 21,22
5.3 Apk 22,3–5
5.3.1 Die ewige Herrschaft der Knechte
5.3.2 Die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch
6 Ergebnis
Kapitel IX: Rückblick und Ausblick
1 Rückblick
1.1 Priesterschaft, Tempel und Kult in frühjüdischer und neutestamentlicher Zeit
1.2 Die Metaphorisierung des Priestertitels im Frühjudentum und Neuen Testament
1.3 Allgemeines Priestertum?
2 Ausblick
2.1 Die „Israelisierung“ der Alten Kirche
2.2 Die Reformation und das Allgemeine Priestertum
2.3 Die theologiegeschichtliche Entwicklung im Licht des Neuen Testaments
Literaturverzeichnis
1 Quellen
1.1 Bibelausgaben
1.2 Literatur des antiken Judentums
1.2.1 Apokryphen, Pseudepigraphen und Verwandtes
1.2.2 Schriften vom Toten Meer
1.2.3 Philo und Josephus
1.2.4 Rabbinisches Judentum
1.3 Literatur des frühen Christentums
1.3.1 Neutestamentliche Apokryphen
1.3.2 Apostolische Väter
1.3.3 Apologeten
1.3.4 Kirchenväter und christliche Schriftsteller
1.3.5 Weitere christliche Schriften
1.4 Gnostische Literatur
1.5 Pagane Literatur
1.5.1 Sammelwerke von Quellenschriften
1.5.2 Einzelschriften
1.6 Inschriften
1.7 Papyri
2 Hilfsmittel
2.1 Philologische Hilfsmittel
2.2 Lexikalische Hilfsmittel
2.3 Computergestützte Hilfsmittel
3 Kommentare
3.1 Kommentare zum Alten Testament
3.2 Kommentare zur Apokryphen und Pseudepigraphen
3.3 Kommentare zu den Evangelien
3.4 Kommentare zu den Paulusbriefen
3.5 Kommentare zum 1. Petrusbrief
3.6 Kommentare zur Johannesapokalypse
3.7 Kommentare zu sonstigen ntl. Büchern
4 Monographien, Aufsätze, Artikel
Stellenregister
1. Altes Testament
Genesis
Exodus
Leviticus
Numeri
Deuteronomium
Josua
Richter
1. Samuel
2. Samuel
1. Könige
2. Könige
Jesaja
Jeremia
Jeremia LXX
Ezechiel
Hosea
Joel
Amos
Obadja
Jona
Micha
Habakuk
Zephania
Haggai
Sacharja
Sacharja LXX
Maleachi
Psalmen
LXX-Psalter (nach Zählung der LXX)
Hiob
Proverbien
Threni (Klagelieder)
Esther
Daniel
Esra
Nehemia
1. Chronik
2. Chronik
2. Literatur des antiken Judentums
2.1 Apokryphen
1. Esdr(as)
1. Makkabäerbuch
2. Makkabäerbuch
3. Makkabäerbuch
Add(enda) Est(her)
Baruch
Judith
Sapientia Salomos
Sirach
Tobit
2.2 Pseudepigraphen
Apokalypse Abrahams
Apokalypse Sedrachs
Ar(amäisches) Lev(i-Dokument)
Aristeasbrief
Ascensio Jesajae
Ass(umptio) Mos(is)
(2. Baruch) Syr(ische)Bar(uchapokalypse)
(3. Baruch) gr(iechischeBar(uchapokalypse)
4. Esr(abuch)
(1.) äth(iopisches) Hen(ochbuch)
(2.) sl(awisches) Hen(ochbuch)
Jos(eph und) As(eneth)
Jub(iläenbuch)
Kopt(ische) Apok(alypse) El(ias)
Lib(er) Ant(iquitatum Biblicarum) (Pseudo-Philo)
4. Makkabäerbuch
Ps(almen) Sal(omos)
(Oracula) Sib(yllina)
Or(atio) Man(asse)
Test(ament) Hiob(s)
Testamente der Zwölf Patriarchen
Theodoret
Vit(a) Ad(ae et Evae)
Vit(ae) Proph(etarum)
2.3 Schriften vom Toten Meer
Damaskusschrift (CD)
Gemeinderegel (1QS)
Gemeinschaftsregel (1QSa)
Regel der Segenssprüche (1QSb)
Kriegsregel (1QM)
Hodajot (1QH)
Pesher Habakuk (1QpHab)
Micha-Kommentar (1Q14)
Jesaja-Rolle (1QIsA)
Texte aus Höhle 2
Florilegium (4Q174)
Halachischer Brief (4QMMT) (= 4Q394–399)
Weitere Texte aus Höhle 4
Tempelrolle (11QT)
Weitere Texte aus Höhle 11
2.4 Jüdisch-hellenistische Autoren
Philo von Alexandrien
Flavius Josephus
2.5 Rabbinische Literatur
Mischna
Talmud Bavli
Talmud Yerushalmi
Midraschim & Targumim
3. Neues Testament
Matthäusevangelium
Markusevangelium
Lukasevangelium
Johannesevangelium
Apostelgeschichte
Römerbrief
1. Korintherbrief
2. Korintherbrief
Galaterbrief
Epheserbrief
Philipperbrief
Kolosserbrief
1. Thessalonicherbrief
2. Thessalonicherbrief
1. Timotheusbrief
2. Timotheusbrief
Titusbrief
Hebräerbrief
1. Petrusbrief
2. Petrusbrief
Jakobusbrief
Judasbrief
1. Johannesbrief
2. Johannesbrief
3. Johannesbrief
Johannesapokalypse
4. Frühchristliche und altkirchliche Schriften und Autoren
Act(a) Thom(ae)
Ambr(osius)
Aphraates
Aristides
Ath(anasius)
Aug(ustinus)
Barn(abasbrief)
1(.)Clem(ensbrief)
2(.)Clem(ensbrief)
Clem(ens) Al(exandrinus)
Const(itutiones) Ap(ostolorum)
Cyprian
Did(ache)
(Syrische) Didasc(alia Apostolorum)
Diogn(et)
Ebionäerevangelium
Epiphan(ius von Salamis)
Eus(ebius von Caeasarea)
Ev(angelium) Barth(olomaei)
Ev(angelium) Petr(i)
Ev(angelium) Thom(ae)
Gregor von Nyssa
(Hirt des) Herm(as)
Hier(onymus)
Hipp(olytus)
Ign(atius von Antiochien)
Iren(aeus)
Joh(annes) Chrys(ostomos)
Just(inus) Mart(yr)
Lac(tantius)
Mart(yrium) Pol(ycarpi)
Min(ucius) Fel(ix)
Od(ae) Sal(omonis)
Orig(enes)
Polykarp
Ps(eudo)-Clem(entinische) Hom(ilien)
Ps(eudo)-Clem(entinische) Recogn(itionen)
Tert(ullianus)
Traditio Apostolica
5. Pagane Schriften und Autoren
Aetius Amidenus
Aischyl(os aus Eleusis)
Aristoph(anes aus Athen)
Aristot(eles)
Augustus
Cass(ius) Dio
Cic(ero)
Demosth(enes)
C(orpus) H(ermeticum)
Diod(orus Siculus)
Dion Chrys(sostomos)
Dion(ysios) Hal(icarnasseus)
Epict(et)
Eurip(ides)
H(ero)d(o)t(os)
Hom(eros)
Iambl(ichos)
Isok(rates)
Liv(ius)
Ov(idius)
Paulus Aeginta
Paus(anias)
Plat(on)
Plin(ius) mai(or)
Plin(ius minor)
Plut(arch)
Pol(ybios)
Porph(yrios)
Sen(eca) mai(or)
Sen(eca minor)
Soph(okles)
Strabo
Suet(onius)
Tac(itus)
Theophr(astos)
Vergil
Xenophanes
Xenophon
6. Inschriften
C(orpus) I(nscriptionum) G(raecarum)
I(nscriptiones) Chios
I(nscriptiones) Kalch(edon)
(I)nsciptiones) Kos
Lindische Tempelchronik
L(ois) S(acrées de L’)A(sie) M(ineure)
L(ois) S(acre de) C(ités) G(recques)
S(upplementum) E(pigraphicum) G(raecum)
7. Papyri
C(orpus) P(apyrorum) J(udaicorum)
Oxyrhynchus-Papy(POxy)
8. Schriften Martin Luthers
Autorenregister
Sach- und Personenregister

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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) Tobias Nicklas (Regensburg)

331

Volker Gäckle

Allgemeines Priestertum Zur Metaphorisierung des Priestertitels im Frühjudentum und Neuen Testament

Mohr Siebeck

Volker Gäckle, geboren 1964; Studium der Theologie in Tübingen und Marburg; 2005 Promotion; seit 2006 Direktor des Theologischen Seminars der Liebenzeller Mission; seit 2011 Professor an der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL) und deren Rektor.

e-ISBN PDF 978-3-16-153235-1 ISBN 978-3-16-153234-4 ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio­ nal­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb. de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Sys­temen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­­ papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Jörg Frey dem Lehrer, Förderer und Freund

Vorwort Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Fassung meiner im Dezember 2013 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Zürich angenommenen Habilitationsschrift. Die Realisierung dieses Projektes wäre ohne die hervorragende Begleitung und Betreuung von Prof. Dr. Jörg Frey nicht möglich gewesen. Es ist die Verbindung von seinem überaus fachkundigen exegetischen und theologischen Rat, seinem Verständnis für persönliche Lebenssituationen und seine Großzügigkeit im Blick auf die eigenen theologischen Wege und Entscheidungen, welche die Arbeit mit ihm so angenehm und gewinnbringend macht. Er hat auch das Erstgutachten erstellt und das Werk in die WUNT-Reihe aufgenommen. In großer Dankbarkeit für die mittlerweile 14 Jahre der exegetischen, theologischen und wissenschaftlichen Begleitung möchte ich dieses Buch ihm widmen. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Samuel Vollenweider, der das Zweitgutachten verfasst hat. Seine große Expertise vor allem im Blick auf die griechisch-römische Mitwelt der von mir behandelten Texte hat mir wichtige Anstöße für die Überarbeitung geliefert. Zu danken habe ich weiter den Freunden und Kollegen Kirchenrat Dr. Fritz Röcker, Prof. Dr. Andreas Käser und Dr. Thomas Eisinger, die das Manuskript gelesen und mir wertvolle Hinweise sowohl in philologischer, exegetischer, theologischer als auch formaler Hinsicht gegeben haben und mir eine große Hilfe bei der Korrektur und Erstellung der Druckfassung waren. Dank schulde ich auch meinen Studierenden und wissenschaftlichen Hilfskräften Hannah Rentschler, Lena Beinker, Priscilla Knoll und Stefanie Uhlig für Ihre Hilfe bei der Korrektur und Erstellung der Register, sowie der Assistentin der IHL-Hochschulleitung Frau Marion Roos, die sich von der Literaturrecherche und -besorgung bis zu Korrekturprozessen in vielfältiger Weise verdient gemacht hat. Ein herzlicher Dank gilt auch Herrn Dr. Henning Ziebritzki und Frau Jana Trispel vom Verlag Mohr Siebeck für die so angenehme und unkomplizierte Zusammenarbeit. Auch die Kolleginnen und Kollegen in der Missionleitung der Liebenzeller Mission und an der Internationalen Hochschule Liebenzell, die meine Forschungen

VIII

Vorwort

mit Interesse begleitet und mit Freiräumen gefördert haben, sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Der größte Dank gebührt natürlich meiner Frau Bettina und unseren Kindern Christian, Daniel und Ann-Kristin, die sich nicht nur bei Korrekturvorgängen und der Erstellung der Register engagiert haben, sondern das Entstehen dieses Buches über all die Jahre mit viel Geduld, Verständnis und Ermutigung begleitet und auch nicht selten ertragen haben. Für ihre Liebe und Entbehrungsbereitschaft sind Worte nicht genug. Ein Dank der besonderen Art gilt an dieser Stelle auch meinen beiden Eltern Oskar und Pauline Gäckle, die die Fertigstellung dieser Arbeit nicht mehr erlebt haben. Ohne ihre Liebe und Förderung wäre ich nicht, was ich bin. Schließlich möchte ich am Ende die Wohltaten des Gottes nicht unbezeugt lassen, der auch mich berufen hat in diese „königliche Priesterschaft“ und damit „von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (1Petr 2,9). Dass dieses Werk ohne größere gesundheitliche Beeinträchtigungen und neben den Verpflichtungen in Hochschule und Familie gelingen konnte, wäre ohne die gnädige Gabe von Körper- und Geisteskraft nicht möglich gewesen. Es ist mein Wunsch, dass dieses Buch seinen Ruhm vermehrt. Calw, im Juni 2014

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Volker Gäckle

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................. VII Einleitung ..................................................................................................1 1 Zum Begriff „Allgemeines Priestertum“ .................................................1 2 Gemeinde ohne Priester ..........................................................................2 3 Eckpunkte der Forschungsgeschichte ......................................................3 4 Zum Aufbau der Untersuchung ...............................................................7 5 Zur Metaphorisierung kultischer Begriffe ...............................................9 5.1 Zur Forschungsgeschichte.................................................................9 5.2 Zu den neueren Metapherntheorien ................................................. 13 5.3 Zur Kultmetaphorik im Neuen Testament ....................................... 15 Kapitel I: Priester und Priesterschaften in der griechisch-römischen Antike ................................................................ 19 1 Definition ............................................................................................. 20 2 Der priesterliche Status ......................................................................... 21 3 Priesterliche Funktionen ....................................................................... 23 3.1 Mittler- und Stellvertreterfunktion .................................................. 23 3.2 Experten für den Bereich des Heiligen ............................................ 26 3.3 Die politische Rolle des Priestertums .............................................. 29 4 Voraussetzungen, Ausbildung und Aufnahme ....................................... 32 5 Sozialformen ........................................................................................ 36 6 Kollektive und individuelle Kultausübung ............................................ 39 7 Ergebnis ............................................................................................... 40

X

Inhaltsverzeichnis

Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit ...................... 43 Exkurs 1: Das historisch-kritische Bild der Geschichte des israelitischen Priestertums .............................................................. 45 1 Die Struktur des Priestertums in der Zeit des zweiten Tempels ............ 54 1.1 Größe und Organisation .................................................................. 54 1.2 Hierarchie ....................................................................................... 55 1.3 Sozialprestige ................................................................................. 57 1.4 Berufstätigkeit ................................................................................ 57 2 Der religiöse Status des Priesters .......................................................... 58 2.1 Die Voraussetzungen zum Priesteramt ............................................ 59 2.1.1 Priesterliche Abstammung ..................................................... 59 2.1.2 Korrekte Eheverhältnisse ....................................................... 60 2.1.3 Körperliche Unversehrtheit .................................................... 62 2.1.4 Ergebnis ................................................................................ 63 2.2 Der Priester im heiligen Raum ........................................................ 64 2.2.1 Etymologische Fragen ........................................................... 65 2.2.2 Die Struktur der kultischen Wirklichkeit ................................ 66 2.2.3 Deutungsversuche.................................................................. 70 2.2.4 Die „Herstellung“ von Heiligkeit ........................................... 73 2.2.5 Der priesterliche Ornat .......................................................... 74 2.2.6 Die räumliche Dimension kultischer Distinktionen ................ 75 2.2.7 Ergebnis ................................................................................ 77 2.3 Die Funktionen des priesterlichen Dienstes ..................................... 78 2.3.1 Der Priester als Mittler .......................................................... 79 2.3.2 Der Priester als Hüter und Ausleger des Gotteswillens........... 81 2.3.3 Der Priester als Rechtspfleger ................................................ 84 2.4 Ergebnis ......................................................................................... 84 3 Die Kritik der priesterlichen Kultpraxis ................................................ 86 3.1 Die prophetische Kritik am Priestertum in vorexilischer Zeit .......... 87 3.2 Die prophetische Kritik am Priestertum in nachexilischer Zeit ........ 91 4 Das Priestertum im Licht eschatologischer Hoffnungen ........................ 95 4.1 Metaphorisierung der Tempeltheologie ........................................... 95

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XI

4.2 Ex 19,5f. ......................................................................................... 97 4.3 Jes 61,5f. ...................................................................................... 105 4.4 Jes 66,21 ....................................................................................... 107 4.5 Jer 33,21f...................................................................................... 109 4.6 Ez 40–48 ...................................................................................... 110 4.7 Sach 3,1–10 .................................................................................. 112 4.8 Mal 3,3 ......................................................................................... 114 4.9 Ergebnis ....................................................................................... 115 5 Ergebnis ............................................................................................. 116 5.1 Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit ............................ 116 5.2 Das israelisch-jüdische Priestertum im Vergleich zur hellenistisch-römischen Umwelt ................................................... 118 Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel in frühjüdischer Zeit 121 1 Die Geschichte und Kritik des jüdischen Priestertums in der Epoche des zweiten Tempels .................................................... 122 1.1 Die Geschichte des nachexilischen Priestertums bis 70 n.Chr. ...... 122 1.2 Die Kritik am Jerusalemer Priestertum in frühjüdischen Schriften ................................................................ 132 1.2.1 Das Testament Levis ........................................................... 133 1.2.2 Die Qumranschriften ........................................................... 135 1.2.3 Die Psalmen Salomos .......................................................... 139 1.2.4 Die Assumptio Moses .......................................................... 140 1.2.5 Ergebnis .............................................................................. 141 2 Tempeltheologien und Tempelkritik in der Epoche des zweiten Tempels .......................................................................... 142 2.1 Der Tempel in der Vielfalt frühjüdischer Perspektiven.................. 143 2.1.1 Aspekte alttestamentlicher Tempeltheologie ........................ 143 2.1.2 Der Tempel als „universales Bethaus“ ................................. 145 2.1.3 Der Tempel als Ausdruck jüdisch-monotheistischer Exklusivität ......................................................................... 146 2.1.4 Der Tempel als Abbild des Kosmos ..................................... 148 2.1.5 Der Tempel als Abbild des Gartens Eden ............................. 149

XII

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2.1.6 Bedeutung und Bedrohung des Tempels vor 70 n.Chr. ......... 151 2.2 Die jüdischen Alternativtempel zum zweiten Tempel ................... 154 2.2.1 Der samaritanische Tempel auf dem Garizim ....................... 155 2.2.2 Der oniadische Tempel in Leontopolis ................................. 157 2.2.3 Ergebnis .............................................................................. 160 2.3 Tempelkritik und die Hoffnung auf einen eschatologischen Tempel .............................................................. 161 2.3.1 Das Buch Tobit .................................................................... 161 2.3.2 Das Jubiläenbuch ................................................................. 162 2.3.3 Die Zehnwochenapokalypse ................................................ 164 2.3.4 Die Tiersymbolapokalypse .................................................. 165 2.3.5 Die Qumranschriften ........................................................... 167 2.3.6 Die Sibyllinen...................................................................... 169 2.3.7 Targum Sach 6,12f. und Jes 53,5 ......................................... 170 2.3.8 Ergebnis .............................................................................. 172 2.4 Die Kritiklosigkeit gegenüber dem Herodianischen Tempel .......... 172 3 Ergebnis ............................................................................................. 175 Kapitel IV: Der priesterliche Kult in den Strömungen des Frühjudentums ............................................................................. 179 1 Die Sadduzäer und das Priestertum ..................................................... 180 2 Das Priestertum in den Qumranschriften ............................................. 185 2.1 Der priesterliche Einfluss auf den yaḥad ....................................... 190 2.2 Der yaḥad als metaphorischer Tempel .......................................... 194 2.3 Priesterliche Titel in den Qumranschriften .................................... 197 2.4 Die Funktion der Priester in den Qumranschriften ........................ 200 2.5 Der priesterliche Messias .............................................................. 201 2.6 Allgemeines Priestertum in Qumran? ............................................ 203 2.7 Ergebnis ....................................................................................... 205 Exkurs 2: Priester in Qumran und die frühchristliche Gemeinde ......... 206 3 Das Priesterbild der Levi-Tradition ..................................................... 207 3.1 Die priesterliche Levi-Tradition .................................................... 208

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XIII

3.2 Levi und das ideale Priestertum .................................................... 210 3.2.1 Das aramäische Levi-Dokument .......................................... 210 3.2.2 Jub 30,1–32,9 ...................................................................... 212 3.2.3 Das Testament Levis ........................................................... 214 3.2.4 Die Träger der priesterlichen Levi-Tradition ........................ 216 3.3 Ergebnis ....................................................................................... 216 4 Die Haltung des Pharisäismus zum Priestertum .................................. 217 4.1 Der Pharisäismus vor 70 n.Chr. .................................................... 218 4.2 Der Pharisäismus und das Priestertum .......................................... 221 4.3 Ergebnis ....................................................................................... 227 5 Prophetische Gestalten und Erneuerungsbewegungen vor dem Jüdischen Krieg .................................................................... 228 5.1 Johannes der Täufer ...................................................................... 229 5.2 Prophetische Erneuerungsbewegungen ......................................... 235 5.2.1 Der samaritanische Prophet ................................................. 236 5.2.2 Theudas ............................................................................... 237 5.2.3 Der Prophet aus Ägypten ..................................................... 237 5.2.4 Weitere Zeichenpropheten ................................................... 238 5.2.5 Ergebnis .............................................................................. 239 5.3 Jesus bar Ananias ......................................................................... 241 5.4 Ergebnis ....................................................................................... 242 6 Das Priestertum im Werk von Flavius Josephus .................................. 242 6.1 Josephus: Priester, Aristokrat, Hasmonäer .................................... 243 6.2 Das Wesen des Priestertums ......................................................... 245 6.3 Geschichtsdeutung aus priesterlicher Perspektive ......................... 247 6.4 Das Priestertum als ideale Herrschaftsform ................................... 249 6.5 Ergebnis ....................................................................................... 250 7 Das Diasporajudentum und das Priestertum ........................................ 250 7.1 Die Synagoge und das Priestertum ................................................ 253 7.2 Das Priestertum im Werk Philos ................................................... 259 7.2.1 Moralisierung ...................................................................... 261 7.2.2 Spiritualisierung .................................................................. 262

XIV

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7.2.3 Universalisierung................................................................. 264 7.2.4 Sozialisierung ...................................................................... 264 7.2.5 Spiritualisierung und Universalisierung des Tempels ........... 266 7.2.6 Ergebnis .............................................................................. 267 8 Ergebnis ............................................................................................. 269 Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum in den synoptischen Evangelien .................................................................... 277 1 Jesustraditionen zum Thema „Priester“ und „Tempel“ ........................ 280 1.1 Die Heilung des Aussätzigen (Mk 1,44parr) ................................. 280 1.2 Jesu Vollmacht zur Sündenvergebung (Mk 2,1–12) ...................... 281 1.3 Versöhnung vor Opfer (Mt 5,23f.) ................................................ 283 1.4 Jesus und die Tempelsteuer (Mt 17,24–27) ................................... 284 1.5 Jesu Lehrtätigkeit im Tempel ........................................................ 285 1.6 Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,29–37) .......... 285 1.7 Jesus und die prophetische Kultkritik............................................ 286 1.8 Jesus und die Hohepriester............................................................ 286 1.9 Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern (Mt 21,33–46parr) ........................................................................ 287 1.10 Ergebnis ..................................................................................... 289 2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu.................................................... 290 2.1 Das Tempelwort (Mk 14,58par) .................................................... 290 2.1.1 Überlieferungsgeschichtliche Beobachtungen ...................... 290 2.1.2 Die ursprüngliche Form des Tempelwortes .......................... 292 2.1.3 Die Bedeutung des Tempelwortes ........................................ 296 2.2 Die Tempelaktion Jesu (Mk 11,15–17parr) ................................... 299 2.3 Ergebnis ....................................................................................... 307 Exkurs 3: Der Tempel im lukanischen Geschichtswerk ....................... 310 3 Die synoptische Tradition vom gespaltenen Vorhang .......................... 313 3.1 Die Bedeutung des Vorhangs ........................................................ 315 3.2 Die Bedeutung der Spaltung des Vorhangs ................................... 316 3.3 Ergebnis ....................................................................................... 319

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XV

Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus .................................................. 321 1 Das kultische Weltbild in der paulinischen Theologie ......................... 322 1.1 Die Bedeutung von Heiligkeit und (Un)Reinheit ........................... 323 1.2 Kultisches Denken als räumliches Denken .................................... 324 1.3 Kultisches Denken als antikes, interkulturelles Gemeingut ........... 324 2 Kultische Metaphern bei Paulus .......................................................... 325 2.1 1Thess 3,13–5,23 .......................................................................... 325 2.2 1Kor 1,2; 1,30; 6,11 ...................................................................... 328 2.3 1Kor 9,13 ..................................................................................... 330 2.4 Röm 3,25f. .................................................................................... 331 2.5 Röm 5,1f....................................................................................... 336 2.6 Röm 12,1 ...................................................................................... 340 2.7 Phil 4,18 ....................................................................................... 345 2.8 Röm 15,16 .................................................................................... 347 2.8.1 Zur kultischen Begrifflichkeit in Röm 15,16 ........................ 347 2.8.2 Zur Vermeidung des Priesterbegriffs in Röm 15,16 ............. 351 2.8.3 Zur heilsgeschichtlichen Dimension des Apostolats in Röm 15,16 ........................................................................... 353 2.8.4 Zur ekklesiologischen Dimension der Heiligung in Röm 15,16 ........................................................................... 356 2.8.5 Zur interkulturellen Dimension von Röm 15,16 ................... 356 2.9 Der Kultus und die paulinischen Ämterbezeichnungen ................. 357 2.10 Ergebnis ..................................................................................... 358 3 Die Tempelmetaphorik bei Paulus ...................................................... 361 3.1 1Kor 3,16f. ................................................................................... 361 3.2 1Kor 6,19 ..................................................................................... 364 3.3 2Kor 6,16 ..................................................................................... 367 3.4 Paulus und der Jerusalemer Tempel .............................................. 370 3.5 Ergebnis ....................................................................................... 373 4 Ergebnis ............................................................................................. 376

XVI

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Kapitel VII: Die Gemeinde als königliche Priesterschaft nach 1Petr 2,4–10 .............................................................................. 385 1 Die Situation der Adressaten des 1. Petrusbriefes ............................... 386 Exkurs 4: Zur Verfasserfrage des 1. Petrusbriefes ............................... 392 2 Struktur und Gliederung von 1Petr 2,4–10 .......................................... 397 2.1 Kontextanalyse ............................................................................. 397 2.2 Textstruktur .................................................................................. 399 2.2.1 Beobachtungen .................................................................... 399 2.2.2 Alternativen ......................................................................... 400 2.2.3 Ergebnis .............................................................................. 402 2.3 Textimmanente Bezüge ................................................................ 403 2.4 Syntaktische und semiotische Beobachtungen ............................... 403 3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5) ............. 405 3.1 „Zu ihm herzutretend“ .................................................................. 406 3.2 Der lebendige Stein ...................................................................... 407 Exkurs 5: Zur Traditionsgeschichte der Stein- und Felsmetapher ........ 408 3.3 Die lebendigen Steine ................................................................... 414 3.4 Die Auferbauung als geistliches Haus ........................................... 416 3.5 Die heilige Priesterschaft .............................................................. 420 3.5.1 Zur Begriffsgeschichte von i`era,teuma .................................. 421 3.5.2 Zur Referenzgröße von i`era,teuma in 1Petr 2,5.9 .................. 422 3.5.3 Zur Bedeutung der „Heiligkeit“ der Priesterschaft ............... 424 3.6 Die Darbringung geistlicher Opfer ................................................ 425 4 Das Li,qoj-Florilegium (V. 6–8).......................................................... 429 4.1 Traditionsgeschichtliche Überlegungen ........................................ 430 4.2 Jesus Christus, der erwählte Grundstein ........................................ 432 4.3 Jesus Christus, der verworfene Grundstein .................................... 433 4.4 Jesus Christus, der Stein des Anstoßes .......................................... 434 4.5 Jesus Christus, der Stein der Scheidung ........................................ 435 5 Das Gottesvolk-Florilegium (V. 9–10) ................................................ 437 5.1 Traditionsgeschichtliche Überlegungen ........................................ 437 5.2 Das auserwählte Volk ................................................................... 440

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XVII

5.3 Die königliche Priesterschaft ........................................................ 441 5.3.1 Zur Bedeutung von basi,leion .............................................. 441 5.3.2 Zur Bedeutung von i``era,teuma .............................................. 444 5.4 Das heilige Volk ........................................................................... 446 5.5 Das Volk des Eigentums ............................................................... 448 5.6 Die Bestimmung der Gemeinde .................................................... 448 5.7 Die Berufung der Gemeinde ......................................................... 452 5.8 Das Volk Gottes ........................................................................... 453 Exkurs 6: Die Bedeutung Israels im Licht von 1Petr 2,5.9f. ................ 455 6 Ergebnis ............................................................................................. 459 7 1Petr 2,4–10 im Rahmen der frühchristlichen Identitätsformation ....... 463 8 Allgemeines Priestertum in 1Petr 2,4–10? .......................................... 466 Kapitel VIII: Die herrschenden Priester in der Johannesapokalypse ....... 471 1 Die vorausgesetzte Situation der Adressaten der Johannesapokalypse . 473 2 Apk 1,5–6 ........................................................................................... 477 2.1 Kontext, Form, Textkritik, Genese, Struktur ................................. 477 2.1.1 Das Präskript ....................................................................... 477 2.1.2 Form .................................................................................... 478 2.1.3 Die Struktur ......................................................................... 480 2.1.4 Textursprung und -genese .................................................... 481 2.2 Die Doxologie (Apk 1,5b-6) ......................................................... 486 2.3 Die Einsetzung zum Königtum und zu Priestern ........................... 490 3 Apk 5,9–10 ......................................................................................... 495 3.1 Das neue Lied (Apk 5,9–10) ......................................................... 496 3.2 Königtum und Priester (Apk 5,10) ................................................ 501 3.3 Zwischenergebnis ......................................................................... 502 3.4 Priester mit Herrschaftsfunktion ................................................... 506 3.4.1 Herrschende Priester im Alten Testament?........................... 507 3.4.2 Herrschende Priester in der paganen Antike und im Frühjudentum? .................................................................... 508 3.4.3 Die Herrschaft der Heiligen ................................................. 511

XVIII

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4 Apk 20,4–6 ......................................................................................... 514 4.1 Das Millennium ............................................................................ 516 4.1.1 Die Ereignisfolge von Ez 37–48 und Apk 20f. ..................... 520 4.1.2 Zwischenreiche in der jüdischen Apokalyptik ...................... 522 4.1.3 Die 1000 Jahre im Licht jüdischer Weltzeitspekulationen ......................................................... 528 4.1.4 Symbolisches oder literal-realistisches Verständnis? ........... 531 4.1.5 Die theologische Bedeutung eines messianischen Zwischenreiches .................................................................. 536 4.1.6 Ergebnis .............................................................................. 538 4.2 Die Teilhaber an der tausendjährigen Herrschaft Christi ............... 539 4.2.1 Zur Satzkonstruktion von Apk 20,4 ..................................... 539 4.2.2 Leben und Herrschen mit Christus ....................................... 545 4.2.3 Weitere Teilhaber des Millenniums? .................................... 546 4.3 Die Priester und ihre Herrschaft .................................................... 547 4.3.1 Herrschaft als Ausdruck der Freiheit .................................... 549 4.3.2 Herrschaft als Ausdruck restituierten Menschseins .............. 552 4.4 Ergebnis ....................................................................................... 553 5 Apk 21,1–22,5 .................................................................................... 554 5.1 Apk 21,3f. .................................................................................... 556 5.2 Apk 21,22 ..................................................................................... 560 5.3 Apk 22,3–5 ................................................................................... 563 5.3.1 Die ewige Herrschaft der Knechte ....................................... 564 5.3.2 Die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch ..................... 565 6 Ergebnis ............................................................................................. 567 Kapitel IX: Rückblick und Ausblick ...................................................... 573 1 Rückblick ........................................................................................... 573 1.1 Priesterschaft, Tempel und Kult in frühjüdischer und neutestamentlicher Zeit ................................................................ 573 1.2 Die Metaphorisierung des Priestertitels im Frühjudentum und Neuen Testament ................................................................... 582 1.3 Allgemeines Priestertum? ............................................................. 593

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XIX

2 Ausblick ............................................................................................. 596 2.1 Die „Israelisierung“ der Alten Kirche ........................................... 596 2.2 Die Reformation und das Allgemeine Priestertum......................... 604 2.3 Die theologiegeschichtliche Entwicklung im Licht des Neuen Testaments ........................................................................ 612 Literaturverzeichnis ............................................................................... 615 1 Quellen ............................................................................................... 615 1.1 Bibelausgaben .............................................................................. 615 1.2 Literatur des antiken Judentums .................................................... 615 1.2.1 Apokryphen, Pseudepigraphen und Verwandtes................... 615 1.2.2 Schriften vom Toten Meer ................................................... 618 1.2.3 Philo und Josephus .............................................................. 618 1.2.4 Rabbinisches Judentum........................................................ 619 1.3 Literatur des frühen Christentums ................................................. 621 1.3.1 Neutestamentliche Apokryphen ........................................... 621 1.3.2 Apostolische Väter .............................................................. 622 1.3.3 Apologeten .......................................................................... 623 1.3.4 Kirchenväter und christliche Schriftsteller ........................... 623 1.3.5 Weitere christliche Schriften................................................ 626 1.4 Gnostische Literatur ..................................................................... 626 1.5 Pagane Literatur ........................................................................... 627 1.5.1 Sammelwerke von Quellenschriften ..................................... 627 1.5.2 Einzelschriften ..................................................................... 627 1.6 Inschriften .................................................................................... 632 1.7 Papyri ........................................................................................... 632 2 Hilfsmittel .......................................................................................... 632 2.1 Philologische Hilfsmittel .............................................................. 632 2.2 Lexikalische Hilfsmittel ................................................................ 633 2.3 Computergestützte Hilfsmittel ...................................................... 634 3 Kommentare ....................................................................................... 634 3.1 Kommentare zum Alten Testament ............................................... 634

XX

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3.2 Kommentare zur Apokryphen und Pseudepigraphen ..................... 635 3.3 Kommentare zu den Evangelien .................................................... 635 3.4 Kommentare zu den Paulusbriefen ................................................ 635 3.5 Kommentare zum 1. Petrusbrief .................................................... 637 3.6 Kommentare zur Johannesapokalypse ........................................... 637 3.7 Kommentare zu sonstigen ntl. Büchern ......................................... 638 4 Monographien, Aufsätze, Artikel ........................................................ 638 Stellenregister ....................................................................................... 679 Autorenregister ...................................................................................... 737 Sach- und Personenregister .................................................................... 747

Einleitung 1 Zum Begriff „Allgemeines Priestertum“ Die Lehre vom Allgemeinen Priestertum ist seit der Reformationszeit fester Bestandteil protestantischer Ekklesiologie. Bis in die Gegenwart bildet diese Lehre einen wesentlichen Ausgangspunkt für Fragen nach dem Verständnis sowohl von der Würde des Glaubenden als auch von Dienst, Amt und Ordination im protestantischen Verständnis. Erst 2006 hat dazu die VELKD eine Empfehlung ihrer Bischofskonferenz unter dem Titel „Ordnungsgemäß berufen“ veröffentlicht,1 in der verschiedene Fragen im Horizont der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung durch haupt-, neben- oder ehrenamtliche Christen und Gemeindeglieder thematisiert werden. Grundlage für die in der Empfehlung entfalteten Leitlinien sind Luthers Aussagen zum Allgemeinen Priestertum, die im Gegenüber zum Grundsatz der ordnungsgemäßen Berufung nach CA XIV entfaltet werden. Fragt man weiter nach dem Entstehungskontext dieser Lehraussagen, so stößt man auf die reformatorischen Auseinandersetzungen, die sowohl dem Begriff „Allgemeines Priestertum“, der so freilich weder im Alten noch im Neuen Testament belegt ist, als auch der damit bezeichneten Sache eine theologiegeschichtliche und kontroverstheologische Bedeutung ersten Ranges verliehen haben.2 Diese Auseinandersetzungen sind bis in die Gegenwart hinein – man lese nur den VELKD-Text – geprägt von der Frage, wer mit welcher Würde und unter 1

„Ordnungsgemäß berufen“. Eine Empfehlung der Bischofskonferenz der VELKD zur Berufung zu Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung nach evangelischem Verständnis, VELKD-Texte 136/2006. Konkret geht es um Fragen, wie der kirchliche Auftrag vor dem Horizont finanzieller Sparzwänge weiterhin flächendeckend wahrgenommen werden kann, die Fähigkeiten und Begabungen nicht-ordinierter Christen stärker genutzt werden können, sowie um Recht und Reichweite des Dienstes von Prädikantinnen und Prädikanten, Gemeindepädagoginnen und -pädagogen, Theologinnen und Theologen nach der Ersten Theologischen Dienstprüfungen (Vikariat) und nach der Zweiten Theologischen Dienstprüfung, wenn diese nicht in den haupt- und nebenamtlichen Dienst übernommen werden. 2 Eine etwas ausführlichere Darstellung der theologieschichtlichen Entwicklung findet sich am Ende dieser Monographie in einem theologie- und wirkungsgeschichtlichen „Ausblick“ →IX.2.

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Einleitung

welchen Voraussetzungen legitimiert war bzw. ist, bestimmte Funktionen innerhalb der Gemeinde bzw. Kirche auszuüben. Die biblische Begründung dieses Allgemeinen Priestertums geht seit Luther bis in den besagten VELKD-Text hinein zurück auf die einschlägigen Basistexte in 1Petr 2,5.9 und Apk 1,5f.; 5,9f. und 20,6.3 Es ist diese Funktion, als dicta probantia für das Allgemeine Priestertum zu dienen, der diese Texte seit der Reformation ihre theologische Prominenz verdanken. Damit wurden sie jedoch über Jahrhunderte hinweg als Grundlage für Antworten auf eine theologische Fragestellung verwendet, die nicht die Fragestellung ihrer Entstehungssituation war und die diese Texte deshalb auch weder beantworten konnten noch wollten. Der zeit-, geistes- und theologiegeschichtliche Horizont, in dem diese Texte entstanden sind, war ein völlig anderer als jener der Reformationszeit. Entsprechend schwer haben es diese Texte bis heute, das zu sagen, was sie in ihrer Zeit sagen wollten und auch bis in unsere Tage hinein jenseits der theologiegeschichtlichen Auseinandersetzungen sagen können.

2 Gemeinde ohne Priester Die besagten Verse führen uns zunächst einmal in die faszinierende Welt des antiken Priestertums als einem grenzen- und kulturübergreifenden Phänomen der antiken Welt. In dieser Institution spiegelt sich bis heute ein anthropologisches Bedürfnis nach Vermittlung in der Beziehung des Menschen zur Wirklichkeit des Göttlichen. Dieses Bedürfnis scheint auf dem Eindruck oder der Vorstellung zu basieren, dass eine unmittelbare Begegnung mit Gott bzw. der Gottheit ohne die Vermittlung durch einen Experten bzw. einen um die Geheimnisse der Gottheit(en) Wissenden nicht gelingen kann. Ein Charakteristikum der frühchristlichen Gemeinden liegt nun darin, dass sich in einer in religiöser Hinsicht fast ausschließlich priesterlich organisierten Welt eine Bewegung ohne Kult „heraus-gebildet“ hat, die offensichtlich ganz bewusst und begründet auf die Institution eines Priestertums bzw. einer „Expertenkaste“ mit priesterlichen Funktionen verzichtete und damit de facto auch auf eine Vermittlung des Gottesverhältnisses des Einzelnen wie der sozialen Gruppe (Gemeinde). Aus der Retrospektive von zwei Jahrtausenden christlicher und nachchristlicher Theologie- und Religionsgeschichte ist die Bedeutung dieses Schrittes nicht mehr auf den ersten Blick zu erfassen. Aber in einer kultisch formatierten Welt war der Verzicht einer Gemeinschaft auf Kult, Opfer und Priester durchaus begründungs- und reflexionsbedürftig. 3

„Ordnungsgemäß berufen“, VELKD-Texte 136 (2006), 7.

3 Eckpunkte der Forschungsgeschichte

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Überraschend aus religionsphänomenologischer Sicht ist auch die Konsequenz mit der sich diese „Re-Formation“ vollzog. Es sind in den verfügbaren Quellen noch nicht einmal Ansätze zur Installation eines Priesteramtes erkennbar, im Gegenteil. Sämtliche bekannten Amtsbezeichnungen der ersten Christenheit hatten unkultischen und rein funktionalen Charakter.4 Dies ist umso erstaunlicher, als selbst das Judentum, das nach der Katastrophe des Jüdischen Krieges und der Tempelzerstörung gezwungenermaßen auf den Kult verzichten musste, sein hereditär konstituiertes Priestertums nicht einfach auflöste. Diese Studie soll nun die Entwicklungen nachzeichnen, denen der Begriff des Priesters bzw. der Priesterschaft in der Epoche des zweiten Tempels bis zu seiner Metaphorisierung im Neuen Testament unterworfen war. So sehr die bis heute virulenten kontroverstheologischen Fragen der Reformationszeit im Blick bleiben, so wenig können sie den Fokus dieser Untersuchung bilden. Im Mittelpunkt steht die Frage, was es bedeutete, wenn in der zweiten Hälfte des 1. Jh. n.Chr. Christen in Kleinasien ohne jegliche formale priesterliche Qualifikation als „Priester“ bzw. „Priesterschaft“ identifiziert wurden und wie es im Licht der jüdischen (Religions-) Geschichte seit dem Exil dazu kommen konnte. Während es in der Forschung der letzten Jahrzehnte eine ganze Reihe von Beiträgen gab, die sich auf einzelne Texte und Aspekte dieser Geschichte beziehen, steht eine Gesamtdarstellung – sieht man einmal von den zahlreichen Lexikonartikeln zum Stichwort „Priester/Priesterschaft/ Priestertum“ einmal ab – noch aus. Diesem Desiderat will die vorliegende Untersuchung begegnen.

3 Eckpunkte der Forschungsgeschichte 3 Eckpunkte der Forschungsgeschichte

In einer Haltung der Dankbarkeit sollen an dieser Stelle die wichtigsten Arbeiten zu diesem Thema genannt werden, wohlwissend dass die Abgrenzung durch den Superlativ stets ein riskantes Unterfangen ist. Eine inhaltliche Auseinandersetzung und Diskussion mit den jeweiligen Entwürfen findet in den Fußnoten an Ort und Stelle statt. Von grundlegender Bedeutung ist die Arbeit von H. Wenschkewitz über „Die Spiritualisierung der Kultusbegriffe“ aus dem Jahre 1932.5 Wenn auch die problematische Kategorie der „Spiritualisierung“ in den folgenden Jahrzehnten viel berechtigte Kritik erfahren hat (→E.5.1), so stellt

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Vgl. SÄNGER, Amt, 623.634–636.639–642.649.655. Die Spiritualisierung der Kultusbegriffe Tempel, Priester und Opfer im Neuen Testament (Angelos, Beiheft 4), 1932. 5

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seine Untersuchung doch eine erste Grundlage für die weitere Forschung dar. In einer Konzentration von Wenschkewitz‘ Thema der Spiritualisierung der Kultbegriffe auf das (Allgemeine) Priestertum hat L. Cerfaux 1939 über 34 Seiten die Entwicklung des Theologumenon nachgezeichnet.6 Ausgehend von Ex 19,6 verfolgt Cerfaux das Thema über das Judentum (Septuaginta, Philo, Josephus, palästinisches Judentum), den 1. Petrusbrief,7 die Johannesapokalypse, den Hebräerbrief, die Evangelien bis zu den Zeugen der Alten Kirche (Justin, Tertullian, Cyprian, Didaskalia und die Apostolischen Konstitutionen). Besonders zu erwähnen sind an dieser Stelle auch die beiden monumentalen Werke von P. Dabin über „Le sacerdoce royal des fidèles dans le Livres Saints“ (1941) und „Le sacerdoce royal des fidèles dans la tradition ancienne et moderne“ (1950), der im ersten Band die biblischen Belege und im zweiten Band das Verständnis des Priestertums der Glaubenden von der Alten Kirche bis in seine Gegenwart nachzeichnet. Dabins über 70 Jahre alter erster Band ist m.W. das einzige Werk, das der vorliegenden Untersuchung im weitesten Sinne als Vorbild dienen könnte. Viele der in der folgenden Studie untersuchten Belege kommen auch bei Dabin mehr oder weniger ausführlich zur Sprache, allerdings weniger mit einem exegetisch-historischen als vielmehr mit einem dogmatischen Interesse. Dabin unternimmt auf 483 Seiten den Versuch, das römischkatholische Verständnis des allgemeinen und des besonderen Priestertums im Blick auf die entsprechende Amts- und Sakramentstheologie biblisch zu untermauern. So beginnt er z.B. im ersten Kapitel mit einer Entfaltung der atl. Ursprünge des dreifachen Amtes Christi und beschließt dasselbe mit einer Reflexion über die „participation laïque“ an diesem Amt. Es folgt in den Kapiteln II–VIII eine breite Darlegung über das atl. Priestertum, wobei neben dem von Ex 19,6 bekannten „Königreich von Priestern“ v.a. das levitische Priestertum behandelt wird, das als Vorbild des besonderen Priestertums des Amtes dient.8 Entsprechend ist die Untersuchung nicht historisch-chronologisch angelegt, sondern orientiert sich mehr an dogmatischen Fragestellungen. Der zweite Hauptteil behandelt das ntl. Zeugnis und widmet sich zunächst den einschlägigen Belegen des 1. Petrusbriefes, der paulinischen Konzeption „du nouveau peuple théocratique“ und der Johannesapokalypse (in dieser Reihenfolge!). Es folgt in Kapitel IV ein interessanter aber exegetisch eigenartiger Vergleich des „sacerdoce royal“ und des „royaume de Dieu“ anhand 6

L. CERFAUX, Regale Sacerdotum, in: Revue des Sciences Philosophiques et Théologiques 28 (1939), 5–39. Zugänglich auch in: Recueil L. CERFAUX. Études d’Éxégèse et d’Histoire Religieuse de Monseigneur Cerfaux, Bd. II, Gembloux 1954, 283–315. Drei Jahre zuvor erschien die Dissertation von E. NIEBECKER, Das allgemeine Priestertum der Gläubigen, Paderborn 1936, die sich allerdings nach einem äußerst knappen biblischen Einführungsteil auf die theologiegeschichtliche Entwicklung der Lehre im Kontext der katholischen Dogmatik beschränkt. 7 Zur Erhellung von 1Petr 2,4–10 zieht CERFAUX auch einige paulinische Belege wie Eph 2,18–22; Phil 3,3 und Röm 12,1 heran. 8 Vgl. z.B. Kapitel V: „Actes cultuels des laïques“, oder Kapitel VII: „Le sacerdoce fonctionnel, dans sa relation avec le sacerdoce universel“.

3 Eckpunkte der Forschungsgeschichte

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der synoptischen Evangelien. Wie dogmatisch bestimmt die gesamte Arbeit ist, wird dann in den Kapiteln V–VII evident, wo es um „L’Alliance de la Cène“ als „rite d’institution du nouveau sacerdoce royal“ (Kap. V), sowie um „L’initiation individuelle du sacerdoce royal“ und „La consécration en hosties personelles“ im Blick auf die christlichen Laienbrüder (oblats chrétiens) geht. Dabins Werk ist schwer einzuordnen. So sehr auf der einen Seite der kreative Zugang und der weite Horizont Dabins beeindrucken, die es ihm ermöglichen, biblische Belege miteinander ins Gespräch zu bringen, die nach strengen exegetischen Regeln nur wenig miteinander zu tun haben, so irritiert gleichzeitig der kaum stattfindende Dialog mit der exegetischen Fachliteratur und die unbekümmerte Orientierung an Fragestellungen der römisch-katholischen Glaubenslehre, für deren Beantwortung die biblischen Texte eine reine Belegfunktion zu haben scheinen.

Nachdem in den 50er Jahren kleinere Beiträge von E. Kindler und J. Blinzler entstanden,9 erschienen in den 60er bzw. 70er Jahren zwei große Monographien zu den ntl. Texten aus 1Petr 2,4–10 und den Priesterbelegen der Johannesapokalypse (1,6; 5,10; 20,6), die bis heute als Ausgangspunkt für alle weiteren Forschungen gelten müssen. Es ist zum einen die Münsteraner Dissertation von J.H. Elliott über „The Elect and the Holy“10 aus dem Jahr 1966, der sich in seiner Detailexegese den Versen aus 1Petr 2,4–10 angenommen und trotz aller Anfragen im Detail eine Vielzahl bis heute gültiger Ergebnisse vorgelegt hat. Vieles davon findet sich auch in seinem monumentalen Kommentar zum 1. Petrusbrief in der Anchor-Kommentarreihe aus dem Jahr 2000 wieder.11 Nicht weniger gründlich und noch wesentlich umfänglicher war die Würzburger Dissertation von E. SchüsslerFiorenza über „Priestertum und Herrschaft nach der Johannesapokalyse“12 (erschienen unter dem Titel „Priester für Gott“) über die Priesterbelege der Johannesapokalypse. Auch viele Beobachtungen aus ihrer minutiösen Arbeit haben bis heute Gültigkeit oder müssen zumindest ernsthaft diskutiert und in Erwägung gezogen werden. Für die Texte aus der Johannesapokalypse liegt mit der Arbeit von H. Roose über das Motiv der „Eschatologischen Mitherrschaft“13 eine weitere Untersuchung vor, die sich zwar einem anderen Motiv der ntl. Eschatologie widmet, sich aber notwendigerweise auch mit den Priesterbelegen der Johannesapokalypse beschäftigt. In jüngerer Zeit gab es verschiedene Arbeiten aus dem angelsächsichen Raum, die jedoch bislang nur wenig Beachtung gefunden haben. J.B. Wells 9 E. KINDER, „Allgemeines Priestertum“ im Neuen Testament, in: SThKAB 5, Berlin 1953, 5–23; J. B LINZLER, IERATEUMA, in: Episcopus. Studien über das Bischofsamt, Regensburg 1949, 49–65. 10 The Elect and the Holy. An exegetical examination of 1Peter 2,4–10 and phrase „basileion hieroteuma“ (NT Suppl. 12), Leiden 1966. 11 1Peter (AncBC 37B), New York 2000. 12 Priestertum und Herrschaft nach der Apokalypse (NA N.F. 7), Münster 1970. 13 Eschatologische Mitherrschaft. Entwicklungslinien einer urchristlichen Erwartung (NTOA), Göttingen 2004.

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beschäftigte sich in ihrer im Jahr 2000 erschienen Dissertation über „God’s Holy People“14 ausgehend von Ex 19,5–6 mit der Heiligkeit des Gottesvolkes und fokussiert ihre Untersuchung dabei auf den Heiligkeitsbegriff und das Priestertum. Obwohl die Arbeit ihren eindeutigen Forschungsschwerpunkt im Alten Testament hat (Ex 19,5–6, Heiligkeit im Pentateuch, Priestertum, Jesaja, Ezechiel, Gen 12,1–4), zieht die Autorin ihre Linien bis ins Neue Testament und entfaltet sie exemplarisch – und in der notwendigen Kürze – anhand von 1Petr 2,4–10. Die Arbeit von C. Bulley mit dem Titel „The Priesthood of Some Believers“ aus dem Jahr 2000 hat einen stark theologiegeschichtlichen und kontroverstheologischen Ansatz und ist von der Frage geprägt, ob die Anwendung priesterlicher Ideen und Sprache auf den Stand der Ordinierten sich in irgendeiner Weise von ihrer Anwendung auf die Kirche als Ganze unterscheidet und ob bereits im Neuen Testament Gemeindeleiter als Priester verstanden wurden.15 Nach einem sehr knappen, 50 Seiten starken und notwendigerweise oberflächlichen Durchgang durch nahezu alle in irgendeiner Weise relevanten ntl. Belege, besteht der Hauptteil der Untersuchung aus einer Analyse der Apostolischen Väter und der altkirchlichen Autoren bis ca. 300 n.Chr. im Blick auf die Fragen nach dem allgemeinen und besonderen Priestertum. Zu der auch von Wenschkewitz bearbeiteten Thematik über die Verwendung der atl. Kultbegriffe zur Beschreibung der ntl. Heilswirklichkeit bei Paulus ist mittlerweile eine Fülle von Arbeiten erschienen, deren Besprechung eine eigene Monographie füllen würde. In der vorliegenden Arbeit wurden v.a. die Untersuchungen von A. Hogeterp16, W. Strack17 und M. Vahrenhorst18 berücksichtigt. Schließlich ist noch M. Himmelfarbs „A Kingdom of Priests“ von besonderer Bedeutung.19 Sie vertritt in ihrer Studie die These, dass das Judentum in der Epoche des zweiten Tempels von der Grundspannung zwischen der Priesterschaft einerseits und religiösen Gruppierungen andererseits geprägt war. Während der Status der Priester auf deren Abstammung (ancestry) beruhte und damit sowohl hereditär als auch offenbarungstheologisch legitimiert war, bemühten sich verschiedene Religionsparteien die 14 J.B. W ELLS, God’s Holy People. A Theme in Biblical Theology (JSOTSup 305), Sheffield 2000. 15 C. B ULLEY, The Priesthood of Some Believers. Developments from the General to the Special Priesthood in the Christian Literature in the first three Centuries, Carlisle, 2000, 18f. 16 Paul and God's Temple. A Historical Interopretation of Cultic Imagery in the Corithian Correspondence, Leuven 2006. 17 Kultische Terminologie in ekklesiologischen Kontexten in den Briefe des Paulus (BBB 92), Weinheim 1994. 18 Kultische Sprache in den Paulusbriefen (WUNT 230), Tübingen 2008. 19 M. HIMMELFARB, A Kingdom of Priests. Ancestry and Merit in Ancient Judaism, Philadelphia 2006.

4 Zum Aufbau der Untersuchung

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je länger je mehr als defizitär empfundene Kultpraxis der ersteren durch ein gehobenes Ethos, kultische Reinheit und verschiedene Formen religiöser Leistungen (merit) zu kompensieren. Auch wenn Himmelfarbs Antithese „ancestry – merit“ gelegentlich zu schematisch wirkt, bildet ihre Grundthese, dass die vielfältigen Reaktionen und Gruppenbildungen in frühjüdischer Zeit Kompensationsbemühungen für die defizitär empfundene Kultpraxis des Jerusalemer Priestertums sind, eine wesentliche Grundlage dieser Arbeit. Aus diesem knappen Überblick wird rasch deutlich, dass es seit P. Dabins konfessionell orientierter Arbeit aus dem Jahr 1941 keine umfassende Untersuchung zur Thematik des Allgemeinen Priestertums im biblischen Horizont mehr gab. Überhaupt wurde m.W. abgesehen von kleineren Beiträgen und Aufsätzen noch nie eine streng exegetische Gesamtdarstellung unternommen. Hinzu kommt ein weiteres Desiderat: Fast alle Arbeiten, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, verstehen den Priesterbegriff im Horizont der priesterlichen Funktionen, weniger des priesterlichen Status. Dies mag damit zusammenhängen, dass uns sowohl in den paganen als auch in den atl. und frühjüdischen Texten in der Regel nur Reflexionen über die priesterlichen Ämter und Aufgaben überliefert sind und es so gut wie nie zu Ausführungen über den Status des Priesters vor Gott kommt, der jedoch allen Ämtern und Funktionen zugrunde liegt. In der Folge wird in aller Regel auch bei den einschlägigen Priesterbelegen im 1. Petrusbrief und der Johannesapokalypse sofort und unreflektiert nach den Funktionen gefragt, welche die Glaubenden als Priester nun übernehmen. Dieser Kurzschluss soll im Folgenden durch die in Kapitel II erörterte Frage nach dem religiösen Status des Priesters vermieden werden. Die vorliegende Studie nimmt in diesem Zusammenhang auch die Fragen der bereits im Alten Testament beginnenden und im Frühjudentum sich entwickelnden Metaphorisierung von Kultbegriffen in den Blick, die für das ntl. Theologumenon vom Allgemeinen Priestertum so grundlegend ist.

4 Zum Aufbau der Untersuchung 4 Zum Aufbau der Untersuchung

Der Aufbau der Untersuchung folgt im Groben der historisch wahrscheinlichen Chronologie: Nach einer allgemeinen phänomenologischen Orientierung über Priester und Priestertümer in der antiken mediterranen Welt (Kapitel I), die auch den paganen Kontext der ntl. Briefliteratur erhellen soll, nimmt diese Studien ihren chronologischen Ausgangspunkt beim jüdischen Priestertum, wie es seinen Zeitgenossen in der Epoche des zweiten Tempels vor Augen stand und welches den „bildspendenden Kontext“ der

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Metaphorisierung des Priesterbegriffs in den letzten zwei Jahrhunderten vor dem Jüdischen Krieg bildet. Kapitel II beleuchtet nach einem Überblick über die Struktur, die Organisation und den religiösen Status des jüdischen Priestertums auch die atl. Kritik am Priestertum sowie die eschatologischen Hoffnungen auf ein erneuertes, reformiertes und gereinigtes Priestertum. In Kapitel III wird dann die vielfältige und vielstimmige frühjüdische Kritik an Kult, Priestertum und Tempel dargestellt, die uns in den Schriften jener Epoche überliefert worden sind. Anschließend werden in Kapitel IV die verschiedenen Haltungen der frühjüdischen Religionsparteien, Gruppierungen und Strömungen bzw. deren Reaktionen auf die als defizitär und insuffizient empfundene Kultpraxis der Jerusalemer Priester nachgezeichnet. Für die Frage nach der Haltung Jesu zu Priestern und Priestertum seiner Tage (Kapitel V) erweist sich sein Verhältnis zum Tempel als entscheidend, weil es so gut wie keine eindeutigen Quellen zu Jesu Sicht des zeitgenössischen Priestertums gibt. Diese muss vielmehr aus seiner Haltung zum Tempel rekonstruiert werden. Die Metaphorisierung der atl. Kultbegriffe beginnt bereits im Alten Testament und entfaltete sich im Frühjudentum im Schrifttum der Qumrangemeinschaft, v.a. aber bei Philo von Alexandrien. Sie lässt sich ansatzweise auch bei Jesus belegen, findet aber im Kontext der frühen Christenheit in umfänglicher Weise erstmals bei Paulus statt. Diesem Thema widmet sich das Kapitel VI. Möglicherweise wird der Leser im Rahmen oder Anschluss dieses Kapitels Ausführungen zur Kultmetaphorik des Hebräerbriefes bzw. zum dort im Mittelpunkt stehenden Hohepriestertum Christi vermissen, zumal dieses ebenfalls eine Metaphorisierung des Priestertitels darstellt. Die Konzentration der Untersuchung auf das „Allgemeine“ Priestertum ist jedoch ein Ausschlusskriterium für dieses Thema, das eine eigene Untersuchung erfordern würde.20 Gleiches gilt für den Gebrauch von Kultmetaphern in anderen ntl. Traditionen. Die Verwendung kultmetaphorischer Sprachformen in ntl. Schriften ist in dieser Untersuchung nur insofern von Interesse, als sie zur Erhellung der Metaphorisierung und Verallgemeinerung des Priesterbegriffs im 1. Petrusbrief und der Johannesapokalypse dient. Schließlich kommen die Kapitel VII und VIII auf eben diese Texte zu sprechen, auf die das Theologumenon vom Allgemeinen Priestertum gegründet wird, nämlich 1Petr 2,4–10 und Apk 1,5f.; 5,9f. und 20,6 sowie weitere Apk-Belege im Umfeld dieses Themas. Ein abschließender Ausblick und die Zusammenfassung versuchen, die Ergebnisse in eine Beziehung zu den theologiegeschichtlichen Fragen zu stellen, ohne diese freilich in extenso behandeln zu können. 20

An dieser Stelle sei auf die ausführliche Monographie von G. GÄBEL, Kulttheologie, verwiesen.

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5 Zur Metaphorisierung kultischer Begriffe 5 Zur Metaphorisierung kultischer Begriffe

Der ntl. Wissenschaft bereitet es bis heute erhebliche Schwierigkeiten, eine adäquate Beschreibung und Bezeichnung des Vorgangs zu finden, der sich im Frühjudentum und im Neuen Testament mit der kultischen Terminologie des Tempels, der Opfer und des Priesters ereignet hat und bei dem diese Kultbegriffe und Sprachformen auf neue Sinnbereiche übertragen wurden. Die Ursprünge dieses sprachlichen Vorgangs liegen nach heutigem Stand der Forschung in späten atl. Texten und im Frühjudentum, als man nach der Katastrophe des babylonischen Exils und später nach dem Untergang Jerusalems und des Tempels nach neuen Interpretamenten des Glaubens unter radikal veränderten Bedingungen suchte. Bereits in den atl. Propheten und Psalmen, später in den Apokryphen und Pseudepigraphen finden sich erste zaghafte Ansätze eines metaphorischen Gebrauchs. In der jüdisch-hellenistisch Literatur Philos und des Diasporajudentums ist dann eine zunehmende Tendenz wahrnehmbar, Kultusbegriffe zu moralisieren, zu allegorisieren, zu spiritualisieren und sie nur noch als uneigentliches Gleichnis für eine geistige Wirklichkeit zu verstehen. 5.1 Zur Forschungsgeschichte In der Forschungsgeschichte wurde dieses Sprachphänomen bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhundert hinein häufig als „Spiritualisierung“ beschrieben. Der wichtigste Beitrag ist die bereits erwähnte Untersuchung von H. Wenschkewitz über „Die Spiritualisierung der Kultusbegriffe“ aus dem Jahr 1932. Die „Spiritualisierung der Kultusbegriffe“ versteht Wenschkewitz als einen „Vergeistigungsvorgang“, 21 der zwar bereits im Alten Testament beginnt, dessen wesentliche Entwicklungsstufen jedoch erst im damals noch so genannten „Spätjudentum“ (heute würde man eher von „Frühjudentum“ bzw. dem „Judentum in der Zeit des zweiten Tempels“ sprechen), im rabbinischen Judentum, in der stoischen Philosophie und bei Philo von Alexandrien liegen, deren Spuren er dann in der Verkündigung Jesu, in den paulinischen Briefen, im Hebräerbrief, in der Johannesapokalypse, dem johanneischen Schrifttum und im 1. Petrusbrief nachverfolgt.22 So nimmt es auch nicht Wunder, dass Wenschkewitz den Spiritualisierungsprozess des frühen Christentums von der Stoa beeinflusst sieht: „Mit dem Augenblick, wo das Christentum griechischen Boden betritt, sehen wir auch, wie es sich der stoischen 21

WENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 6. W ENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 9, unterscheidet dabei zwischen einer „naiven“ Art der Spiritualisierung, die er in den atl. Propheten und Psalmen, sowie in der apokryphen und pseudepigraphischen Literatur und auch innerhalb der christlichen Gemeinde wiederfindet, und einer „reflektierten“ Form, die er bei Philo von Alexandrien und in der Stoa entdeckt: „Bei Philo treffen wir eine planmäßige Umdeutung des äußeren Kultus in einen inneren, wobei alles Äußere zum Symbol für Zuständlichkeiten der frommen Seele wird. […] In der Stoa steht die Umdeutung im Dienste einer rationalistischen Ethik.“ 22

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Ansätze bemächtigt. Man fühlte in diesen Formen etwas Verwandtes, aber man gestaltete sie zugleich dem eigenen Geist entsprechend um.“23 Wenschkewitz‘ Urteile sind noch ganz von den Kategorien und Maßstäben des deutschen Idealismus geprägt, wie z.B. einer Hochschätzung geistiger Frömmigkeitsformen, der ethischen Leistung, einer „relativen Freiheit vom Kultus“ bzw. sogar einer „gebrochenen Stellung zu ihm“ und einer die Spiritualisierung fördernden „rationalistisch gestimmten Umgebung“. 24 Die klassischen Unterscheidungen von Körper und Geist, Materiellem und Ideellem werden unter Heranziehung des Evolutionsgedankens zu Grundkategorien für die Entwicklung entsprechender Werturteile. Wenschkewitz‘ Deutung des Phänomens auf dem Hintergrund einer Hellenisierung der jungen Christenheit ist mittlerweile durch die Qumranfunde widerlegt, denn dort finden sich ganz analoge sprachliche Prozesse, die mit dem „griechischen Geist“ ganz unzweideutig nichts zu tun haben. Wenschkewitz‘ Verhaftung in idealistischen Wertmaßstäben darf freilich nicht den Blick dafür verstellen, dass er eine Reihe wesentlicher Beobachtungen gemacht hat, die auch noch 80 Jahre später in vielfacher Hinsicht Gültigkeit beanspruchen können.

Trotz der verbreiteten Rezeption des Begriffs der „Spiritualisierung“25 machte sich schon früh ein gewisses Unbehagen mit dieser Bezeichnung bemerkbar. Ein Hauptproblem liegt in der philosophischen Prägung des Begriffs, mit dem häufig die Bedeutung „immateriell“, „innerlich“, „geistig“, „himmlisch“, oder gar „symbolisch“, „unwirklich“ und „uneigentlich“ verbunden wurde und wird. Bereits 1951 reklamierte Ph. Seidensticker,26 dass es sich bei der ntl. Verwendung der Kultbegriffe nicht um eine Spiritualisierung im griechisch-hellenistischen Sinn handelt, denn „mit der Umdeutung der Kultbegriffe auf die Person Jesu Christi ist ihr wesentlich23

WENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 165. W ENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 8f. Umgekehrt kann er dann, ebd., auch pejorativ von „den im Kultus Befangenen“ sprechen. In ähnlicher Weise kommt die Geringschätzung des Kultes bereits vorher bei R. KITTEL, Psalmen, XXXVIIIf. zum Ausdruck: „In ihm [sc. dem geistlichen Lied als Höhepunkt der Psalmenpoesie] spricht sich die Seele unabhängig von aller gottesdienstlichen Zeremonie und ohne jede priesterliche Vermittlung ganz unmittelbar ihrem Gott gegenüber aus.“ Der Kultus ist, wo er in einzelnen dieser Lieder anklingt, „innerlich überwunden und nur noch Symbol höherer rein geistiger Güter oder rein äußerlicher Hilfsmittel, sie zu erlangen.“ Noch früher finden sich auch bei H. GUNKEL, Einleitung, 278, analoge, vom Evolutionsgedanken geprägte Werturteile: „… in der Schule der Propheten haben sie [sc. die Psalmisten von Ps 40; 50; 51; 69 mit ihrer Ablehnung der Opfer] es gelernt, von dem Opferdienst, in dem ihre Dichtung bisher aufgewachsen war, sich loszusagen: die Seele tritt, von den Banden des Kultus befreit, vor ihren Gott.“ Oder ebd. 29f.: Die Psalmisten haben „von ihren erhabenen Vorbildern [sc. den Propheten] gelernt ..., den äußeren Gottesdienst gering zu schätzen.“ Für derartige Urteile stehen freilich weniger die Texte des Alten Testaments Pate als der von Hegel inspirierte Geist des 19. Jh. 25 Vgl. u.a. CERFAUX, Regale Sacerdotum, 303; WEISS, Paulus, 360 („geistige Wirklichkeiten“); GÄRTNER, Temple, 18.84; MCKELVEY, New Temple, 42–57.122.131.180; COPPENS, Spiritual Temple, 54; HAACKER, Röm, 253.304f.; J OBES, 1Peter, 151. 26 Lebendiges Opfer (Röm 12,1). Ein Beitrag zur Theologie des Apostels Paulus, Dissertation Münster 1951, erschienen ebenfalls in Münster 1954. 24

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kultischer Inhalt nicht abgetan und ausgelöscht, sondern nur des materiellen Gewandes entkleidet und neu aufgefüllt worden. Dies geschah durch die Hineinnahme der allgemein anerkannten Kultbegriffe in die neue Heilswirklichkeit des Gottmenschen Christus, welche die absolute Geltung des Kreuzesopfers begründet“.27 Nachdem Seidensticker zunächst den Begriff der „Entmaterialisierung“ verwendet, plädiert er dann aber für die Bezeichnung „Christologisierung“.28 Während jedoch der erste Begriff nach wie vor im hellenistischen Geist-Materie-Dualismus verhaftet ist und kaum das Anliegen der ntl. Autoren trifft, ist der letzte Begriff zu unscharf, da er nur allgemein konstatiert, dass im Zusammenhang der Christusoffenbarung eine Bedeutungsveränderung der besagten Begriffe eintritt. Kritisch zum Begriff der „Spiritualisierung“ im Blick auf die Verwendung der Kultbegriffe bei Paulus äußerte sich auch 1954 K. Weiß. Seines Erachtens ist der Begriff nur dort geeignet, „wo der Spiritualisierende die Kultakte als solche ausübt, an den Kulteinrichtungen Dienst tut oder am Kultdienst teilnimmt“, denn es handelt sich bei dem Begriff „nicht um eine äußere, sondern um eine innere Loslösung von den kultischen Vorgängen und Objekten“.29 Im paulinischen Gebrauch der Kultbegriffe sieht er dagegen eine „heils- oder endgeschichtliche Verwirklichung des Kultus“.30 Auch H.-J. Hermisson überschrieb seine 1961 eingereichte Berliner Dissertation zunächst mit dem Titel „Die Spiritualisierung der Kultusbegriffe im Alten Testament“ und lehnte sich damit eng an den Titel von H. Wenschkewitz an. In der Veröffentlichung seiner Dissertation erscheint der Begriff der Spiritualisierung dann jedoch nur noch im Untertitel und in Anführungszeichen gesetzt.31 In seiner Arbeit verwendet Hermisson in

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SEIDENSTICKER, Lebendiges Opfer, 203. SEIDENSTICKER, ebd., 203f.: „Wir ziehen es daher vor, statt von einer Spiritualisierung der Kultusbegriffe von ihrer Christologisierung zu sprechen, um dieser absoluten Einmaligkeit innerhalb der Kultusgeschichte gerecht zu werden.“ 29 K. WEISS, Paulus – Priester der christlichen Kultgemeinde, in: ThLZ 6 (1954), 361. 30 W EISS, a.a.O., 362; vgl. auch a.a.O., 361: „Es ist ein für Paulus unvollziehbarer Gedanke, daß das von ihm verkündete Evangelium in irgendeinem Stücke ärmer sein könnte als die väterliche Religion; sondern in ihr haben alle von Gott in seinem und für sein Volk angelegten Heilsgaben ihre Verwirklichung. […] In der Sicht des Paulus ist die jüdische Gemeinde und ihr Kult nicht eines und der Apostolat, die christliche Gemeinde und ihre Lebensäußerungen ein zweites, … sondern [es handelt sich] um eine einmal von Gott gewirkte unaufhebbare Wirklichkeit. Fragt man: welches ist das im Kultgesetz konstituierte Priesteramt? so lautet die Antwort: der christliche Apostolat. Fragt man: welches sind die dort von Gott gewollten Opfer? so lautet die Antwort: die Glaubenswerke, die Liebesmühen und die Bewährung der Christenheit in der Hoffnung.“ 31 H.-J. HERMISSON, Sprache und Ritus im altisraelitischen Kult. Zur „Spiritualisierung“ der Kultbegriffe im Alten Testament, Neukirchen-Vluyn 1965. 28

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Abgrenzung zu „Spiritualisierung“ den Begriff der „Entdinglichung“,32 der Seidenstickers Begriff der „Entmaterialisierung“ nahe kommt und das Phänomen ebenfalls von der Kategorie der Substanz her lösen will. Alle diese Begriffe stehen latent im Verdacht, der alten religionsgeschichtlichen Verzerrung des Judentums als einer Religion der Materie und des Christentums als einer Religion des Geistes verhaftet zu sein. In den späten 60er und frühen 70er Jahren erreichte der Begriff der „Substitution“ eine gewisse Verbreitung.33 In der Tat eignet sich der Begriff sowohl zur Interpretation der Trennung des in den Qumranschriften erwähnten yaḥad vom Jerusalmer Tempel und Kult34 als auch für das rabbinische Schrifttum, da die Tora und ihr Studium in vielerlei Hinsicht an die Stelle des zerstörten Heiligtums und seines Opferkultes trat. Gleichzeitig zeigen diese Beispiele auch die Problematik, wenn ein Begriff, der sowohl die Motivation einer jüdischen Religionspartei im 2. Jh. v.Chr. und die Verhältnisse nach 70 n.Chr. mehr oder weniger adäquat beschreibt, auf die frühe Christenheit in der Zeit zwischen 30 und 70 n.Chr. mit ihren völlig anderen Voraussetzungen übertragen wird. Es lässt sich nirgendwo belegen, dass sich die frühen Gemeinden als Substitution des Jerusalemer Tempels und seiner Priester verstanden hätten. Die Geschichte, Motive und Verhältnisse waren zu verschieden. Neben den genannten Begriffen wurden in den letzten Jahrzehnten noch zahlreiche weitere Termini für die Beschreibung des Phänomens vorgeschlagen, wie z.B. „Sublimation“35, „Entsakralisierung“36, „Umdeutung“37, „Transfer“38, „Kulttypologie“39, „Somatisierung“ bzw. „Ethisierung“ sowie 32 HERMISSON, Sprache, 60ff.; vgl. 63: „Durch diese ‚Entdinglichung‘ wird das theologische Gewicht auf das nun für sich bedeutsame Wortelement gelegt, das freilich schon immer – unreflektiert und ungeschieden – für das Opfer konstitutiv war.“ 33 Der Begriff der „Substitution“ ist in der Regel mit dem der „Spiritualisierung“ eng verbunden, vgl. MCKELVEY, New Temple, 42–57, taucht aber auch bei KLINZING, Umdeutung, 221, auf, der den Begriff „Spiritualisierung“ ablehnt. 34 SCHIFFMAN, Community, 272–274, beschreibt mit diesem Begriff das Anliegen des yaḥad, das hinter der Einrichtung eines Alternativkultes steht. BROOKE, Miqdash Adam, 297, betrachtet für dieses Unternehmen sowohl die Begriffe „spiritualisation“ als auch „substitution“ als geeignet. 35 MOULE, Sanctuary, 36. 36 H. SCHÜRMANN, Marginalien, 307f., schlug in Zurückweisung des Begriffs der „Spiritualisierung“ neben dem Begriff der „Entsakralisierung“ auch noch die Begriffe der „Eschatologisierung“, „Pneumatisierung“ und den schon bei SEIDENSTICKER belegten Begriff der „Christologisierung“ für diesen Prozess vor. 37 KLINZING, Umdeutung, 146. 38 SCHÜSSLER-FIORENZA, Cultic Language, 161, spricht von „transference“. 39 Vgl. STRACK, Terminologie, 69–71, der sich der terminologischen Problematik sehr bewusst ist, a.a.O., 8f., den Begriff der Spiritualisierung zurecht in einem längeren Exkurs kritisiert, a.a.O., 375–380, aber letztlich den Vorgang überhaupt nicht begrifflich fasst.

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„Verbalisierung bzw. Kerygmatisierung“40 und „Eschatologisierung“41, ohne dass eine befriedigende Lösung erreicht werden konnte und sich einer dieser Begriffe hätte durchsetzen können. An den vorgeschlagenen Termini wird die Aporie deutlich, in der sich die Forschung befindet. Entweder tragen die Bezeichnungen eine von zwar ähnlichen, aber doch anderen Sprachphänomenen her gewonnene Terminologie für den Gebrauch kultischer Begriffe an das Neue Testament heran und verfehlen dabei gerade das Proprium des ntl. Begriffsgebrauchs – dies dürfte für die Begriffe der „Spiritualisierung“, „Sublimierung“, „Entmaterialiserung“, „Entdinglichung“ und „Substitution“ gelten –, oder sie sind in einem Maße neutral und unprofiliert, dass das Phänomen letztlich unqualifiziert bleibt. Dies trifft für die Begriffe der „Christologisierung“, der „Umdeutung“, des „Transfers“ oder der „Übertragung“ zu. Es scheint, dass eine Lösung nur als eine Annäherung an ein begrifflich schwer bestimmbares Sprachphänomen möglich ist. Ich habe mich im Rahmen dieser Untersuchung dafür entschieden, den fraglichen Vorgang mit dem Begriff der „Metaphorisierung“ zu beschreiben,42 weil mir diese Bezeichnung im Horizont der neueren Metapherntheorien43 der geeignetste Begriff für dieses Phänomen zu sein scheint. 5.2 Zu den neueren Metapherntheorien In der aristotelischen Tradition wurde die Verwendung von Metaphern als ein Übertragungsphänomen bestimmt: „Die Metapher ist die Übertragung eines Wortes, das (eigentlich) der Name für etwas anderes ist, entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung oder von einer Art auf eine (andere) Art oder gemäß einer Analogie“ (Arist Poet 1457b),44 wobei das „eigentliche Wort“ (verbum proprium) durch ein „uneigentliches“ ersetzt wird. Eine Metapher kann demnach nur präexistent vorhandene „Ähnlichkeiten“ zwischen dem bildspendenden und bildemp40

RADL, Kult, 64–68. Er bemüht sich den einzelnen paulinischen Belegen individuell gerecht zu werden und schlägt daher für das in Röm 12,1; 1Kor 6,19f.; Phil 2,18 und 4,18 sichtbare Phänomen die Begriffe „Somatisierung“ bzw. „Ethisierung“ vor und für Röm 15,16; 1Kor 3,10–17 und 9,13 die Begriffe „Verbalisierung“ bzw. „Kerygmatisierung“. Die vorgeschlagenen Begriffe vermögen zwar jeweils einzelne Aspekten des sprachlichen Transformationsvorgangs zu beleuchten, taugen jedoch nicht, um das gesamte Phänomen zu kategorisieren. 41 MOO, Rom III, 890: „Paul assumes an eschatological transformation of the OT cultic ministry …“ 42 Vgl. hierzu die Beiträge von DE LACEY, Function, 391–409; B ÖTTRICH, Tempel, 411–425; SIEGERT, Tempel, 135f., und HOGETERP, God’s Temple, 19. 43 Vgl. zum Folgenden v.a. die Sammelbände von HAVERKAMP (Hg.), Theorie der Metapher, und DERS. (Hg.), Die paradoxe Metapher, sowie die Beiträge von R. ZIMMERMANN, Metapherntheorie, 108–133; DERS., Paradigmen, 1–18. 44 Übersetzung nach SCHMITT.

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fangenden Bereich beschreiben, diese aber nicht herstellen. Auch nach Cicero und Quintilian, den beiden wichtigsten römischen Metapherntheoretikern, bringt die Metapher „keinerlei semantische Neuerung“ und ist nicht in der Lage, „Neues über die Wirklichkeit auszusagen“.45 Im Rahmen dieser Substitutions- bzw. Vergleichstheorie ist die Metapher vor allem ein „Ornament der Rede“46. Sie dient dazu „to embellish what we know – not to add to what we know“.47 Gegenüber dieser Engführung und Marginalisierung des Metaphernbegriffs wuchs im 20. Jh. im Rahmen des lingual turns ein zunehmendes Unbehagen, denn häufig lässt sich ein metaphorisch beschriebenes Objekt gar nicht vollständig in unmetaphorische Begriffe überführen. Vielmehr kommt es nach der Interaktionstheorie von I.A. Richards48 und M. Black49 zu einer Wechselwirkung bzw. „prädikativen Interaktion“ zwischen dem metaphernfähigen Sprachzeichen (focus) und dem Kontext (frame), so dass durch eine Metapher nicht nur eine präexistent bestehende Realität ausgesagt wird, sondern auch eine neue Realität kreiert wird.50 Die sprachkreative Funktion einer Metapher liegt gerade in ihrem „kalkulierten Kategorienfehler“51 und ihrer „kalkulierten Absurdität“52. Die Suche nach einer neuen Kohärenz durch den der Metapher inhärenten Sinnüberschuss lässt neue Sprach- und Erkenntnisformen entstehen, die sich ohne Metapher so nicht ergeben würden. Metaphern helfen uns, Erfahrungen zu kategorisieren, zu verstehen und zu erinnern.53 Sie ermöglichen es, „eine Art von Erfahrung in Begriffen einer anderen Art von Erfahrung“ zu konzeptualisieren.54 Auf diesem Wege drücken Metaphern etwas aus, was vorher noch nicht ausgedrückt werden konnte und auf anderem Wege auch nicht ausgesagt werden könnte. „Durch ihre sprachkreative und innovatorische Funktion können sie neue Dimensionen der Wirklichkeit erschließen, für die es bislang kei-

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R ICŒUR, Biblische Hermeneutik, 285; MÜLLER, Pflanzung, 11. R ICŒUR, Biblische Hermeneutik, 285; DERS., Lebendige Metapher, 25f.; vgl. STIVER, Philosophy, 113f. 47 STIVER, Philosophy, 113. 48 R ICHARDS, Philosophy, 87–138. 49 B LACK, Metapher, 55–79; ders., More about Metapher, 19–43. 50 ZIMMERMANN, Paradigmen, 6; STIVER, Philosophy, 115; LAKOFF/J OHNSON, Leben, 167. 51 P. RICŒUR, Lebendige Metapher, 188. 52 Vgl. STRUB, Absurditäten. 53 R ICŒUR, Lebendige Metapher, 28, spricht in diesem Zusammenhang von einer „heuristischen Funktion“, „weil die Metapher die Wirklichkeit neu beschreibt“. 54 LAKOFF/J OHNSON, Leben, 136, ähnlich 177; vgl. auch ebd., 135: „Da so viele der für uns wichtigen Konzepte entweder abstrakt oder in unserer Erfahrung nicht klar umrissen sind (Emotionen, Ideen, Zeit usw.) brauchen wir zu diesen Konzepten einen Zugang über andere Konzepte, die wir in eindeutigeren Begriffen verstehen …“ 46

5 Zur Metaphorisierung kultischer Begriffe

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ne Reflexionsformen gegeben hat.“55 Sie enthüllen Aspekte der Wirklichkeit, die vorher nicht sichtbar waren und ermöglichen uns die sprachliche Benennung dieser neu entdeckten Wirklichkeit.56 Ricœur spricht in diesem Zusammenhang von einer „ontologischen Verhemenz“.57 Von daher kann im Blick auf Metaphern nicht mehr von einer „uneigentlichen Rede“, einer „vorläufigen Annäherung“ oder einer „rhetorischen Illustration“ gesprochen werden, sondern die Metapher erweist sich vielmehr als „ursprüngliche und unersetzbare Sprachform“.58 Dabei enthalten Metaphern immer einen Rückbezug auf bereits Bekanntes, verbunden mit dem Potential, die erinnerte Wirklichkeit in eine neue Wirklichkeit zu transformieren: „Metaphern erinnern, um Neues zu sagen und sie erneuern, um Altes zu bewahren.“59 5.3 Zur Kultmetaphorik im Neuen Testament Wenn wir daher im Folgenden z.B. im Frühjudentum und im Neuen Testament über „Opfer“ in Form ethischen Handelns, bei Paulus über die Gemeinde als „Tempel Gottes“ bzw. den einzelnen Christen als „Tempel des Heiligen Geistes“ und später dann im 1. Petrusbrief über die Gemeinde als „heilige bzw. königliche Priesterschaft“ oder in der Johannesapokalypse über einzelne Christen als „Priester“ reflektieren, erweist sich die überkommene Kategorie der Spiritualisierung als ungeeignet. Dagegen entfaltet der metaphorische Gebrauch der Kultbegriffe im Neuen Testament in der Wechselwirkung mit dem Kontext der christlichen Existenz, auf den sie angewendet werden, eben jenes sprachkreative Potential, um eine bis dato noch nicht aussagbare Erfahrung, wie z.B. die Erfahrung der Gegenwart Gottes im Kontext des urchristlichen Gemeindegottesdienstes oder die im Glauben an Christus geschenkte Gottesunmittelbarkeit und -zugehörigkeit in eine neue Sprachform zu kleiden.60 Während dem Begriff der Spirituali55 ZIMMERMANN, Paradigmen, 13. Vgl. hierzu auch H. B LUMENBERG, Paradigmen, 23: Metaphern sind bei den „prinzipiell unbeantwortbaren Fragen, deren Relevanz einfach darin liegt, dass sie nicht eliminierbar sind, weil wir sie nicht stellen, sondern als im Daseinsgrund gestellt vorfinden“, unausweichlich. 56 J.M. SOSKICE, Metaphor, 57f. spricht daher von einer wirklichkeitserschließenden Funktion: „A good metaphor may not simply be an oblique reference to a predetermined subject but a new vision, the birth of a new understanding, a new referential access. A strong metaphor compels new possibilities of vision.“ 57 R ICŒUR, Lebendige Metapher, 241. 58 ZIMMERMANN, Paradigmen, 5.8; vgl. auch ebd., 14: Metaphorik ist nicht mehr nur rhetorisches Beiwerk der eigentlichen Sache, sondern ist selbst „eine besondere Weise eigentlicher Rede und eine in besonderer Weise präzisierende Sprache.“ 59 B UNTFUSS, Tradition, 227. 60 Dieses Phänomen hat jenseits der neueren Metapherntheorien bereits PH. SEIDENSTICKER , Lebendiges Opfer, 326f. gesehen: „Angesichts der einmaligen Lage des Neuen Bundes ist es sinnlos, nach einem ‚Opfer- oder Priesterbegriff‘ im NT zu fragen. Die

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Einleitung

sierung bzw. Vergeistigung immer das aristotelische Metaphernverständnis im Sinne von etwas Uneigentlichem61 und letztlich auch Pejorativem im Vergleich mit der univoken Aussage anhaftet, wird der ntl. Gebrauch kultischer Metaphern zu einem sprachschöpferischen Akt, um eine im Christusgeschehen neu erfahrene Wirklichkeit, die eben noch nicht präexistent vorhanden und damit auch beschreibbar gewesen wäre, aussagen zu können. Die metaphorischen Prädikationen dienen somit der Identitätsfindung der jungen christlichen Gemeinden.62 Ohne diesen Prozess der Metaphernbildung wäre die frühchristliche Gemeinde nur begrenzt in der Lage gewesen, die ihr widerfahrene Offenbarung sowie ihre Identität und ihr Selbstverständnis zu beschreiben und ihrer nicht-christlichen Mitwelt sowohl in missionarischer wie in ethisch abgrenzender Weise entgegenzutreten. Dabei findet gerade mit den kultischen Begriffen eine bewusste Erinnerung und Anknüpfung an die Bildspender statt, mit der wichtige Begriffsinhalte, wie z.B. die Wirksamkeit des Opfers oder die Präsenz Gottes im Tempel, auf den neuen Erfahrungskontext, den sog. bildempfangenden Bereich,63 übertragen werden. Wenn Paulus und die anderen ntl. Autoren Kultmetaphern verwenden, geht es deshalb nicht um eine Substitution des mit dem bildspendenden Ursprungsbegriff bezeichneten Gegenstandes, sondern um die mimetische Abbildung eines als neu erlebten, bildempfangenden Erfahrungskontextes, bei dem ein zentraler Inhalt des Bildspenders erweitert und transformiert, jedoch nicht negiert wird.64 Die in dieser Untersuchung vertretene These ist nun, dass es sich bei der Gemeinde im ganz eigentlichen Sinn um einen „Tempel Gottes“ handelt, auch wenn die ursprüngliche Bedeutung des Bildspenders diese neue Wirklichkeit noch nicht abbilden konnte und der bildspendende Begriff verwendeten Kultwörter fangen immer nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit ein, die ausgesagt werden soll. […] Die alten Begriffe und Vorstellungen versagen, in ihrer Verwendung für die ntl Gegebenheiten müßten sie samt und sonders in Anführungszeichen gesetzt werden.“ 61 Vgl. als Beispiel für viele STRECKER, Literaturgeschichte, 182: „Da das Bild spannungsvoll im Dienst der Sache steht, kann die Metapher als uneigentliche Rede verstanden werden.“ In neuerer Zeit erfährt die „uneigentliche Rede“ allerdings wieder eine neue Fürsprache bei W. ABRAHAM, Linguistik, 227–267. 62 MÜLLER, Pflanzung, 117: „Mittels der Metaphorik gelingt es Paulus, das unanschauliche Selbstverständnis einer frühchristlichen Gemeinde ins Bild zu heben und damit der Orientierung dieser Gruppe zu dienen.“ 63 Die Bezeichnungen stammen von W EINRICH, Sprache, 297. Alternative Nomenklaturen wären „Wort und Kontext“ (ebenfalls W EINRICH), „Bildsphäre und Sprachsphäre“ (STÄHLIN), „Thema und Rhema“ (KALLMEYER), „tenor and vehicle“ (RICHARDS), „focus and frame“ bzw. „principal subject and subsidiary subject“ (B LACK), vgl. ZIMMERMANN, Metapherntheorie, 119. 64 Die ntl. Akteure und Autoren stellen die Zentralität, Gültigkeit und Wirksamkeit des Jerusalemer Kultes ja nicht in Frage, →V.2.3→VI.3.4→VI.4→IX.1.

5 Zur Metaphorisierung kultischer Begriffe

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diesen Sinngehalt noch nicht hatte. Es soll gezeigt werden, dass vor diesem Hintergrund auch der 1. Petrusbrief die Gemeinde im ganz eigentlichen Sinn als „geistliches Haus“ und als „heilige Priesterschaft“ ansprechen und die Johannesapokalypse von allen Christen als „Priestern für Gott“ reden kann, weil sich in der Metaphorisierung des Begriffs ein sprachschöpferischer und wirklichkeitserhellender Akt ereignet.

Kapitel I

Priester und Priesterschaften in der griechisch-römischen Antike Die Aufgabe dieses Kapitels ist es, den zeit- und religionsgeschichtlichen Rahmen darzustellen, in dem sich die einleitend beschriebene Entwicklung vom atl.-jüdischen Priestertum der nachexilischen Epoche des zweiten Tempels hin zum priesterlichen Verständnis der christlichen Gemeinde bzw. des einzelnen Christen im Sinne eines Allgemeinen Priestertums vollzog.1 Dieses priesterliche Selbstverständnis entwickelte sich im Kontext der hellenistisch-römischen Kultur und es wird rasch deutlich werden, dass die ntl. Reflexion über kultische und priesterliche Sachverhalte in keiner Weise eine jüdische bzw. judenchristliche Binnenkommunikation darstellte, sondern bei allen Unterschieden im Detail kulturübergreifend verstanden werden konnte. Man musste sich in der mediterranen Welt nicht erst über das Judentum und seine priesterliche Gesetzgebung kundig machen, um die Welt und die Sprache des Kultus, des Tempels und der Opfer nachvollziehen zu können. Denn Priester und Priesterschaften sind ein Phänomen, das in fast allen uns bekannten Kulturen der alten Welt und unabhängig von ihrer politisch-sozialen Konstitution zu finden ist,2 wobei die kulturellen und ethnischen Ausprägungen im Einzelnen sehr unterschiedlich sein können.

1 Grundlage der Darstellung sind neben den einschlägigen Einleitungswerken von B URKERT, Religion, und ZAIDMAN/SCHMITT-P ANTEL, Religion, für die griechische Religion, sowie RÜPKE, Religion, und BEARD/NORTH/PRICE, Religions of Rome, Bd. I, für die römische Religion, und MUTH, Einführung, für beide Kontexte, auch die einschlägigen Lexikonartikel sowie weitere Monographien und Artikel zu Einzelfragen. 2 Eine Ausnahme bilden u.a. die früharabischen Stämme sowie die nomadischen Stammesreligionen. Im Nomadentum konnte sich ein institutionelles Priestertum aufgrund der Mobilität kaum ausbilden. Das bedeutet freilich nicht, dass es hier keine rituellen Opfer und einen formalisierten Kult gegeben hätte, aber es ist kein Priesterwesen belegt, vgl. HARAN, Art. Priests, 1069.

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

1 Definition Die Vielgestaltigkeit des Phänomens verbunden mit der Tatsache, dass kein antiker Autor uns eine Reflexion über Sinn und Wesen des Priestertums als solchem hinterlassen hat bzw. wir in den verfügbaren Quellen eine solche nicht finden,3 macht eine allgemeine religionsgeschichtliche Bestimmung nicht einfach. Potenziert wird diese Problematik durch die häufig zu beobachtende Übertragung von Deutungskategorien, die am Priesterbegriff des römischen Katholizismus gewonnen wurden, auf andere Religionen und Kulturen.4 Entsprechend vielfältig sind in der einschlägigen Lexikonliteratur die Definitionen, die sich religionsphänomenologisch am Vergleich ähnlicher Ausdrucksformen und Funktionen des Priestertums in unterschiedlichen Kulturen und Kontexten orientieren.5 Einen gewissen Mainstream formuliert W. Klein. Er definiert Priester als „Religionsführer, die sich vornehmlich durch besondere Kraft [...] und ihre Mittleraufgabe zwischen Gottheit und Menschheit als Kultvorsteher von der Masse der 3 Diese Fehlanzeige im Blick auf eine deutende Reflexion religiöser Kulte und ihrer Bestandteile ist geradezu typisch für die gesamte antike Literatur. Thematisiert wurde in der Regel nur das Besondere, das Außerordentliche und das in Frage Gestellte, nicht jedoch das selbstverständlich und kritiklos Bestehende. Entsprechend erwähnen die Quellen oftmals lediglich die Anwesenheit eines bestimmten Priesters bei einem Fest oder Anlass, jedoch nichts über seine Funktion und nur selten etwas über seine rituellen Handlungen und erst recht nichts über deren Sinn und Bedeutung. 4 Vgl. FRIEDLI, Art. Priestertum, 1645: „Die Inhalte, welche heute üblicherweise im Religionsvergleich mit dem Priestertum [...] verbunden werden, sind oft von der Christentumsgesch., insbes. dem röm. Katholizismus, auf andere Rel. und Kulturen global übertragen worden. Es ist jedoch wenig sinnvoll, die vielgestaltigen Erscheinungsformen und deren ideologisch-‚theol.’ Selbstverständnisse transrel. und essentialistisch zu definieren.“ Jedoch auch abgesehen vom modernen bzw. römisch-katholischen Verständnis des Priestertums besteht die Gefahr, dass bei der Analyse verschiedener antiker Kulturen Vorstellungen auf ein bestimmtes Priestertum und dessen religiöse Funktion übertragen werden, die diesem in der betreffenden Kulturform gar nicht anhaften, und umgekehrt andere Vorstellung dabei übersehen werden, vgl. B EARD/NORTH, Priests, 3. OXTOBY, Art. Priesthood, 7394f., will deshalb grundlegend zwischen westlichen Priestertümern, zu denen er auch die jüdisch-christlichen zählt, und den nicht-westlichen Priestertümern unterscheiden. 5 Vgl. FRIEDLI, Art. Priestertum (RGG4), 1644; HONIGSHEIM, Art. Priestertum (RGG³), 570; KLEIN, Art. Priester (TRE), 379; P AUS, Art. Priester (LThK³), 557; OXTOBY, Art. Priesthood (EncRel), 7394f. Die Phänome und Funktionen sind vielfältig. Neben dem fast überall zentralen Opferritual treten von Fall zu Fall die Rezitation heiliger Texte, die Weihe oder Konsekration bestimmter Gegenstände oder Speisen, die Erteilung von Orakeln, Ordalen und des Segens, die Bewahrung und Vermittlung der Lehre, die ethische Unterweisung, das Bewahren, Kopieren und Kommentieren heiliger Schriften und nicht zuletzt der Schutz des Kultheiligtums und seiner Inhalte. Für den antiken Nahen Osten bietet der Sammelband von K. W ATANABE (Hg.), Priests and Officials, wertvolle Einzelstudien.

2 Der priesterliche Status

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Anhänger einer Religion unterscheiden. Generell gilt für Priester, daß sie den Laienanhängern einer Religion in einer Sonderstellung gegenüberstehen. Priestertum konstituierendes Merkmal ist, daß Priester Religionsführer aufgrund einer besonderen Kraft (mana) oder Gnade sind ...“6 In dieser Definition spielen ebenso wie in jeder anderen zwei Kategorien eine wesentliche Rolle, die uns im weiteren Verlauf immer wieder begegnen werden. Es ist zum einen die Frage nach der Funktion von Priestern und zum anderen die Frage nach ihrem Status gegenüber Gott/der Gottheit bzw. den nichtpriesterlichen Anhängern des jeweiligen Kultes oder der Religion.

2 Der priesterliche Status 2 Der priesterliche Status

Der besondere Status der Priester ergibt sich aus ihrer qualitativ anders definierten Stellung zur Gottheit bzw. den Gottheiten. Ihre Mittlerfunktion weist ihnen eine Position zwischen der Gottheit und dem gewöhnlichen Laien bzw. dem ganzen Stamm, dem Volk oder dem Staat zu. Stets repräsentiert der Priester die Kultgemeinde vor der Gottheit, doch gelegentlich ist auch die umgekehrte Repräsentationsvorstellung belegt, wonach der Priester auch die Gottheit vor dem Volk vertritt. Am prägnantesten kommt diese Repräsentationsvorstellung in der Gestalt des römischen flamen Dialis zum Ausdruck, des höchsten Priesters des Jupiter und neben dem pontifex maximus und dem rex sacrorum einer der bedeutendsten römischen Priester überhaupt.7 Nach römischer Vorstellung konnte sich das göttliche numen8 in bestimmten Persönlich6 KLEIN, Art. Priester, 379. Auch die Autoren des von M. B EARD und J. NORTH 1990 herausgegebenen Sammelbandes „Pagan Priests“ eint die Überzeugung, dass die „Vermittlung zwischen den Göttern und Menschen“ die entscheidende Funktion des Priestertums ist; vgl. a.a.O., 8. Allerdings ist bereits hier anzumerken, dass die priesterliche Mittlerfunktion keine exklusive war. In zahlreichen Kulturen konnten auch Privatpersonen und Familienhäupter im privaten Rahmen priesterliche Aufgaben wie z.B. das Opfer und die Rezitation von Gebeten und rituellen Formeln übernehmen, ohne dass dies die Rolle der Priester in Frage gestellt hätte. 7 Vgl. hierzu BEARD/NORTH/PRICE, Religions, 130–132. Die Repräsentationsvorstellung steht möglicherweise auch beim ranghöchsten römischen Priester, dem rex sacrorum, ebenso im Hintergrund wie beim pontifex maximus, MUTH, Religion, 208; DERS., Wesen, 326f. 8 Eine wesentliche Grundlage der römischen Religion war der Glaube, dass sich die Götter durch sinnlich wahrnehmbare Willensäußerungen und erkennbare Zeichen der Menschenwelt kund tun. Dieser Glaube kulminiert im Begriff des numen, MUTH, Religion, 204. Es bedeutet im Ursprung eigentlich ein Nicken (nuere) der Gottheit, meint im weiteren Sinn aber die Vorstellung einer wirksamen Willensäußerung der Gottheit im menschlichen Bereich. Wesentlich für den Glauben an das numen ist weiter die Überzeugung, dass sich göttliches Wirken analog zu menschlichem Wirken vollzieht. Damit ist kein der alten griechischen Göttervorstellung analoges anthropomorphes Götterbild vorausgesetzt, wohl aber ein anthropomorph vorgestelltes Handeln und Wirken der Götter.

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

keiten vergegenwärtigen, weshalb sich die Römer auch bestimmte Priester während der Ausübung des Kultes als Repräsentanten der Gottheit, also als eine Art „Gottpriester“, vorstellen konnten. Als persönliche Vergegenwärtigung des Gottes Jupiter war er dem profanen Leben enthoben und von zahllosen archaischen Taburegeln bestimmt, die schon damals offensichtlich kaum mehr verstanden wurden, aber eben als göttlich galten. So hatte er als Repräsentant des Jupiter ein göttliches, „joviales“ Leben zu führen, in das selbst seine Ehe und seine Kinder mit einbezogen waren.9 Ähnliches lässt sich auch für die römischen Vestalinnen sagen, deren Existenz im Hinblick auf Askese und Keuschheit göttliches Leben widerspiegeln sollte. „Sie waren gleich dem flamen Dialis Repräsentantinnen der Gottheit unter den Menschen.“10

Der priesterliche Status eines Repräsentanten ist häufig mit der Vorstellung einer besonderen Heiligkeit und eines besonderen Kraftbesitzes verbunden, die dem Priester aufgrund seines Amtes, nicht aufgrund seiner Lebensführung anhaften. Die dem Priester in bestimmten Lebensbereichen häufig auferlegte Askese ist deshalb als Folge seines besonderen Status zu bewerten, nicht als seine Voraussetzung. Aufgrund der Heiligkeit seines Amtes hatte der Amtsinhaber nicht nur in Israel, sondern z.B. auch in Griechenland den Kontakt mit Blut und Tod tunlichst zu vermeiden, was den Kontakt mit Wöchnerinnen oder einem Trauerhaus einschließt. Auch das Einhalten von Speisegeboten, das Fasten bzw. der Gebrauch bestimmter Speisen ist belegt.11 Insbesondere die Keuschheit spielte in vielen Kulten eine wichtige Rolle, weshalb in bestimmten Kulten insbesondere Jungfrauen als Priesterinnen fungieren konnten. Eine besonders strenge Form der Keuschheit war in Rom den sechs vom pontifex maximus ernannten und beaufsichtigten Vestalinnen auferlegt, die in erster Linie am runden Vestatempel auf dem Forum Romanum ihren 30 Jahre dauernden priesterlichen Dienst versahen. In der römischen Öffentlichkeit waren sie hoch angesehen, solange sie ihrem strengen Keuschheitsgelübde treu blieben. Die Strafe für den Treuebruch war dagegen drakonisch: Die unkeusche Vestalin wurde im Priestergewand lebendig in ein unterirdisches Gemach beim Collinischen Tor eingemauert oder vom Tarpejischen Felsen gestürzt. 12 Bemerkenswerter Weise findet sich auch das Verbot von Bädern während bestimmter Zeiten. Burkert schließt daraus, dass der „Kontrast zur Alltäglichkeit“ wichtiger war als die Sauberkeit im hygienischen Sinn.13 MUTH, Religion, 205: „Numen verrät eine stärker phänomenalistische Erlebnisweise des Göttlichen als deus und als die meisten Götternamen und weist auf ein schließendes Denken hin. Im Sinne dieser Vorstellung bringt auch die Wortbildung einiger der ältesten römischen Gottesbezeichnungen zum Ausdruck, daß die Römer das Numen der Götter in deren Handeln und Mithelfen bei menschlicher Tätigkeit erkennen zu können vermeinten.“ 9 Vgl. MUTH, Religion, 208; DERS., Wesen, 327. 10 MUTH, Wesen, 327. Nach Hom Il 16,605, wurde der Zeus-Priester namens Laogonos „wie ein Gott … geehrt im Volk“, Übersetzung nach SCHADEWALDT. 11 B URKERT, Griechische Religion, 133. 12 Zur Diskussion um die religionsgeschichtliche Interpretation des Einmauerns bzw. lebendig Begrabens siehe MUTH, Religion, 209, Anm. 559 und 306f., Anm. 805. 13 B URKERT, Griechische Religion, 133.

3 Priesterliche Funktionen

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In diesen Regelungen und Vorstellungen wird ein Verständnis spürbar, das im Priester einen idealen, gottgemäßen Menschen sieht. Dieser übernahm stellvertretend für das Volk die Rolle des gottähnlichen Menschen, die der gewöhnliche Mensch im alltäglichen Leben nicht verwirklichen konnte. Weil der gesamte Alltag, ja das gesamte Leben der Priester stellvertretend für die Gesellschaft einen sakralen Charakter annahm, waren der Einzelne und die Gesellschaft als Ganze wiederum von dieser Rolle für das profane Alltagsleben entlastet.14 Somit erfüllte das Priestertum in entwickelten Gesellschaften durch sein stellvertretendes Sein und Amtieren vor der/den Gottheit/en eine gewisse Desakralisierungsfunktion für die Gesellschaft. Wenn wir am Ende dieser Untersuchung im 1. Petrusbrief und der Johannesapokalypse die Prädikation von Christen als „heilige Priesterschaft“ (1Petr 2,5) bzw. „Priester für Gott“ (Apk 1,6) analysieren, dann wird uns dieser Hintergrund noch beschäftigen.

3 Priesterliche Funktionen 3 Priesterliche Funktionen

Aus dem besonderen Status des idealen Menschen, der in seinem Sein den Göttern entspricht, ergeben sich auch die priesterlichen Funktionen. Denn wer könnte besser mediatorisch, interzessorisch, interpretierend oder ratgebend tätig werden, als der aus der Masse des Volkes hervorgehobene und in seinem Sein in den Nahbereich der Götter und des Heiligen gerückte priesterliche Mensch? Für den priesterlichen Dienst lassen sich die folgenden Hauptfunktionen unterscheiden, wobei es im Einzelfall zahlreiche Erweiterungen oder Differenzierungen geben kann. 3.1 Mittler- und Stellvertreterfunktion Ihren prägnantesten Ausdruck findet die Mittlerfunktion in der Kultausübung im Kontext eines Heiligtums15 und hier wiederum im Opferakt, der in allen bekannten antiken Kulturen als zentraler Bereich des Priesterdienstes heraussticht.16 Dabei war es in den seltensten Fällen der Priester selbst, der die Tötung des Tieres vorzunehmen hatte. Für den Tötungsakt gab es in der Regel eigene, nicht-priesterliche Spezialisten. So fiel z.B. in Rom 14

SABOURIN, Priesthood, 224. In der Örtlichkeit des Heiligtums bzw. Tempels scheint der entscheidende Unterschied von priesterlicher zu privater Kultausübung zu liegen. Denn Opfer und andere rituelle Übungen waren in aller Regel jedermann freigestellt. Lediglich im Rahmen fest umrissener Heiligtümer oder Tempel war der Kult und das Opfer dem Priester vorbehalten; vgl. SABOURIN, Priesthood, 1.4; HARAN, Art. Priests, 1071f. 16 BEARD/NORTH, Pagan Priests, 13; HARAN, Art. Priests, 1069. 15

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

das gesamte Opfer in den Aufgabenbereich der Magistrate. Der Priester hatte jedoch auch dort die korrekte Durchführung der Opfer zu gewährleisten und mit entsprechenden Riten und Gebeten zu begleiten.17 Dies erforderte in nahezu allen Kulturen eine besondere Ausbildung, da die religiösen Rituale in der Regel hoch spezialisiert und je nach Kasus ausdifferenziert waren und sich beispielsweise in Griechenland von Polis zu Polis unterscheiden konnten.18 Die exakte Beachtung der Regeln der tradierten Rituale war ein wesentliches Element griechischer Religiosität und Frömmigkeit, die in Ermangelung einer positiven Ethik sich vor allem auf das Vermeiden von Fehlern konzentrierte.19 Weil sich der gemeinsame Glaube vor allem anderen in gemeinsamen tradierten Ritualen20 und überkommenen Glaubensvorstellungen ausdrückte,21 wurde Unglaube umgekehrt als die Missachtung dieser Rituale und Glaubensvorstellungen definiert. Deshalb musste bei der Kultausübung „zum Wohle aller auf das peinlichste vermieden werden, daß auch nur der geringste Fehler unterläuft, der den ganzen Vorgang ungültig machen, ja ihn zum Unheil verkehren könnte.“22 Auch die römische religio besteht weder im Götterbild oder Göttermythos23 noch in bestimmten Einstellungen oder Überzeugungen, sondern im exakten Vollzug des Ritus, der zeremoniellen Handlung:24 „Für den Römer ist religio zu allererst Kultvollzug, ist cultus deorum, ... und das ist wiederum ... nichts anderes als eine sorgfältige Erfüllung 17 Vgl. z.B. Plat Polit 290C: „Ebenso [ist] dann auch das Geschlecht der Priester erst kundig, wie die bestehende Meinung sagt, von unserer Seite Geschenke an Opfern für die Götter nach ihrem Sinne zu schenken und von ihrer Seite uns durch Gebete den Besitz des Guten zu erflehen.“ Übersetzung nach F. SCHLEIERMACHER in: Platon, Werke in acht Bänden. 18 Entsprechend bestimmt P AUS, Art. Priester, 557, die Priester als „Fachleute bzw. Fachkräfte für den prakt. Umgang mit räumlich u. zeitlich fixierten rel. Riten“. 19 DÖRRIE, Überlegungen, 3: „[T]rotz nachhaltiger Abwehr von Verstößen ist es kaum je zu einer Reflexion darüber gekommen, wie denn die wünschbare, die im Positiven gültige Haltung des ‚Frommen’ beschaffen sein müßte.“ 20 Zur exakten Einhaltung der Riten finden sich ab dem 8. Jh. v.Chr. in Stein gemeißelte Aufzeichnungen von Ritualgesetzen. Hier wurde öffentlich gemacht, was beispielsweise in den orientalischen Religionen das z.T. esoterische Wissen der Priesterkasten war, vgl. ZAIDMAN/SCHMITT-P ANTEL, Religion, 30. 21 DÖRRIE, Überlegungen, 3: „[W]er alles, was im Gesetz vorgeschrieben ist, redlich und pünktlich ausführt, verdient es, nicht nur als ein Gerechter, sondern als ein Frommer gelobt zu werden.“ 22 DÖRRIE, Überlegungen, 4. 23 Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass viele römische Götter niemals bildlich dargestellt wurden. Die Abbildung einer Gottheit und damit verbunden auch ihre bildliche Vorstellung waren in Rom weit weniger bedeutsam als in Griechenland. Gleiches lässt sich auch vom Göttermythos sagen. Anders als bei den griechischen Göttern interessierten sich die Römer nicht für die „Biographie“ ihrer Götter. Entsprechend konnten – abgesehen von einigen Rudimenten – auch keine Göttermythen entstehen, wie sie für die griechische Religion so charakteristisch sind, MUTH, Religion, 214– 216, sowie B EARD/NORTH/PRICE, Religions, 10f. 24 Vgl. Cic Nat deor 1,116; siehe auch 1,3.14.

3 Priesterliche Funktionen

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des Kultgesetzes.“25 Römische Religiosität ist somit im Kern ein Arrangement mit den Göttern, das auf menschlicher Seite den exakten Kultvollzug verlangt, den die Götter mit entsprechenden Wohltaten belohnen. Das Verhältnis Gott - Mensch war ein durch und durch juristisch normiertes und fand im römischen Pontifikalrecht seinen adäquaten Ausdruck. Eine persönliche Frömmigkeit war nicht ausgeschlossen, aber entscheidend war der möglichst exakte Nachvollzug der von den pontifices formulierten Rituale, Gebete und Kulthandlungen und die regelkonforme Vergegenwärtigung der Gottheiten im Kult mit dem Ziel, ihr Wohlwollen, die pax deorum, zu erhalten und sie nicht zum Zorn zu reizen. Die innere Anteilnahme des Einzelnen, eine leidenschaftliche Hingabe oder gar eine Liebe zur verehrten Gottheit kamen dabei als Kriterien überhaupt nicht in den Blick. Noch nicht einmal bei den Priestern wurde derartiges erwartet.26

In dieser Rolle des Experten für den heilvollen Kontakt mit der Gottheit vertritt der Priester die Laien vor der Gottheit. Auch umgekehrt sind die Priester häufig für die Kommunikation göttlicher Botschaften und Weisungen zuständig: „Sie übermitteln gegebenenfalls den göttlichen Willen (z.B. durch Orakel und Mantik), heiliges Wissen oder sind Verwalter göttlicher Gnadengaben (z.B. im Sakrament, Segenserteilung). Insofern ist der Priester Stellvertreter Gottes.“27 Eine zentrale Mittlerfunktion ist auch die Spendung des göttlichen Segens im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung oder auch die Verfluchung der Feinde einer Gemeinschaft, Polis oder eines Staates.28 Zum priesterlichen Mittlerdienst gehören im weiteren bzw. abgeleiteten Sinne auch rituelle Waschungen, die Verlesung heiliger Texte, Tanz, Weihehandlungen, Wahrsagerei, Beschwörungen, das Hüten, die Instandhaltung und die Pflege des Kultobjektes (z.B. der Kultstatue[n]) oder des Kultortes, sowie die administrative und finanzielle Organisation des Kultes.29 Gelegentlich sind auch heilende, richtende, verwaltende und katechetische Funktionen belegt.30 Anders als bei den Amtsträgern der christlichen Kirchen hatten die Priester der Antike in der Regel keine seelsorgerlichen Aufgaben. Es gab weder formale Beziehungen zwischen Priestern und Kultteilnehmern, noch eine Verantwortung für das „religiöse Wohl“ einer Kultgemeinde, oder eine priesterliche Präsenz bei lebenszyklischen rites de passage wie Ge-

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W LOSOK, Religions- und Gottesbegriff, 39; vgl. Cic Nat deor 1,117; 2,8. MUTH, Religion, 218; vgl. auch 352: „So peinlich genau sich die Römer über die Erfüllung kultischer Verpflichtungen kümmerten, so sehr erschien ihnen eine innere Anteilnahme, religiöse Inbrunst, Gottesliebe, echte Hingabe an das göttliche numen unwesentlich, ja es befremdeten sie solche Gefühls- und Willenskategorien.“ 27 KLEIN, Art. Priester, 380. 28 Vgl. z.B. auch Bileam in Num 22–24. 29 ZAIDMAN/SCHMITT-P ANTEL, Religion, 51. 30 KLEIN, Art. Priester, 380. 26

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

burt, Hochzeit oder Tod.31 Ihre mediatorische Funktion richtete sich in der Regel auf das Allgemeinwesen einer Polis oder eines Staates. Für die römischen Kulte ist die mediatorische Funktion der Priester umstritten. 32 So sah bereits Wissowa in den römischen Priestern keine Mediatoren zwischen Gott und Mensch bzw. Volk, weil der Opferkult im engeren Sinne in den Verantwortungsbereich der Magistrate fiel und die Erfragung des Götterwillens zum Zuständigkeitsbereich des Senats gehörte.33 In der Tat kam dem Senat offiziell die Hauptrolle in der Mediation zu, insofern er über die Einführung neuer Staatskulte, die Bewertung der Prodigien und die staatlichmenschliche Reaktion auf dieselben entschied und entsprechende Maßnahmen veranlasste.34 Diese Rolle wurde auch nie angezweifelt. Die Frage ist jedoch, ob nicht auch die administrative und fachmännische Kontrolle über die Form menschlichen Gottesdienstes und umgekehrt die Deutung des göttlichen numen eine Form der Mediation ist. Entsprechend sieht Beard anders als Wissowa in der Mediation die wesentliche Funktion der römischen Priestertümer.35 Zwar hatten die pontifices keine direkte Kommunikation mit den Göttern zu leisten, aber ihre Aufgabe bestand doch darin, zwischen der öffentlichen Sphäre des Senats als Zentrum der Mediation und der privaten Welt der Bürger mit ihren religiösen Lebensfragen eine „Brücke zu bauen“.36 Gegenüber dem Senat erfüllten sie somit eine Aufsichtspflicht und religiöse Beratungsfunktion in umstrittenen Fragen und Angelegenheiten.37

3.2 Experten für den Bereich des Heiligen In der antiken Welt ist die Unterscheidung der Zustände des Heiligen und Profanen sowie des Reinen und Unreinen allgegenwärtig.38 Sie strukturiert gewissermaßen die vorfindliche Welt, verleiht einer chaotisch erscheinenden Wirklichkeit Ordnung und Regeln. Dabei kann die Dimension des Heiligen sowohl Menschen als auch Orte, Dinge oder Zeiten umfassen, die aus

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Nach SABOURIN, Priesthood, 24.225, bildet die Priesterschaft im neueren Hinduismus hier eine Ausnahme hinsichtlich der Begleitung lebenszyklischer Anlässe. 32 In der neueren Religionswissenschaft wird die Kategorie der „Mittlerschaft“ zwischen Göttern und Menschen als Beschreibung für nichtjüdische und nichtchristliche antike Priesterschaften momentan als unbrauchbar in Frage gestellt, vgl. J. RÜPKE, Fasti sacerdotum, Bd. 3, 1408f.; TÜBINGEN W ORK GROUP, Priesthoods, 82.90.92. Allerdings widerraten sowohl die Argumente von B EARD, Priesthood, 29f., als auch die eben gemachten Ausführungen einer zu raschen Preisgabe dieser Deutungskategorie. 33 W ISSOWA, Religion, 479f. 34 BEARD, Priesthood, 31f. 35 BEARD, Priesthood, 29f. 36 B EARD, Priesthood, 36ff; GORDON, Republic, 181. Dabei ging es u.a. um Bestattungszeremonien, Gräberpflege, Totenkult, Feiertagsobservanzen. Etymologisch steht der Begriff pontifex allerdings nicht mit dem Brückenbau zwischen Mensch und Gott in Verbindung, sondern leitet sich wohl von der Opferpraxis auf der Sublicianischen Brücke ab, wo jährlich in den Iden des Mai menschliche Figuren (argei) von den Priestern in den Tiber geworfen wurden, SABOURIN, Priesthood, 42. 37 Vgl. NORTH, Diviners, 51f. 38 Vgl. neuerdings LIU, Purity, 12–32.

3 Priesterliche Funktionen

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dem Profanen, Allgemeinen, Alltäglichen herausgehoben und „ausgesondert“ werden.39 In der so verstandenen Wirklichkeit wächst dem Priester eine soziale und sinnstiftende Funktion zu: Einer häufig chaotisch und anomisch erscheinenden Wirklichkeit verleiht der Priester und die von ihm vertretene Religion durch den liturgischen Vollzug der Riten und Kulte eine gewisse Ordnung und Sinnhaftigkeit. Er gilt als Experte für den Umgang mit überlegenen und gleichzeitig unkontrollierbaren Mächten und Kräften, die fördernd oder bedrohend den Lauf der Natur und des Lebens beeinflussen können. In Griechenland und Rom berührte sich hier die priesterliche Funktion mit jener der „Exegeten“ und „Seher“,40 von denen sie sich in der Regel jedoch funktional abgrenzten. Dass diese Grenzen unscharf und fließend waren, wird an den mit dem Orakelwesen in Verbindung stehenden Priestern, z.B. jenen in Delphi41 oder Epidauros, deutlich. Die Priester hatten hier entweder selbst den Götterwillen durch das Losorakel, den Beschau von Tiereingeweiden, die Beobachtung des Verhaltens von Opfertieren, des Vogelflugs oder des Opferfeuers zu ermitteln oder die in enthusiastischer Erregung geäußerten Orakelsprüche der delphischen Phyten zu „interpretieren“, wobei der eigentliche Orakelspruch gegenüber seiner „Interpretation“ in den Hintergrund treten konnte. In Rom wurde dieses „hermeneutische“ Amt zunächst von den drei, später den 15 (unter Caesar sogar 16) Auguren übernommen. 42 Ihre Aufgabe war es, den Willen der Götter durch die Interpretation bestimmter Zeichencodes aus der Natur zu deuten.43 Inso39

Die Heiligkeit irdischer Personen, Gebäude, Orte oder Gegenstände bildet dabei die Heiligkeit der jeweiligen Gottheiten ab. Gewissermaßen dehnt sich die Heiligkeit der Götter auf ihren Besitz aus: Entsprechend können geweihte Feste, Hom Od 21,259, Weihrauch, Xenophan Fr. 1,7, Haine, Hom h. in Mercurium 187, der Altar, Aischyl Suppl 223, die heilige Flamme, Eurip El 812, und natürlich der heilige Bezirk und das (Tempel-)Heiligtum selbst heilig sein; vgl. VAHRENHORST, Sprache, 82. 40 Während die „Exegeten“ sich nach GARLAND, Priests, 81f., als religiöse Experten des modus operandi verstanden, die in Zweifelsfällen Expertisen für die Ausführung bestimmter tradierter Rituale gaben, spezialisierten sich die „Seher“ auf die Interpretation irritierender Phänomene, die als göttliche Vorzeichen verstanden wurden und die sie aufgrund ihres umfassenden Arkanwissens zu deuten beanspruchten. 41 Vgl. auch J AMES, Priestertum, 43–49. 42 Vgl. hierzu B EARD/NORTH/PRICE, Religions, 21–24. 43 Vgl. Cic Leg 2,8,20. Ein analoges Phänomen stellen die sog. haruspices dar, etruskische Seher aristokratischer Herkunft, die in bedrohlichen Situationen v.a. durch die Eingeweideschau geopferter Tiere, die sog. haruspicina, die Zukunft deuteten. Grundsätzlich überprüften bei allen Tieropfern die haruspices die Eingeweide, hauptsächlich die Leber, um daraus zu ersehen, ob die Gottheit das Opfer angenommen hatte. Am Ende der Republik wurden die haruspices in ein Kollegium von 60 Priestern (ordo haruspicium LX) zusammengefasst mit einem sumus haruspex an der Spitze. Trotz erheblichem Misstrauen seitens der Öffentlichkeit wurden sie vom Senat und leitenden Beamten immer wieder zur Deutung irritierender Phänomene, die als Ausdruck des Götterzornes galten, herangezogen, vgl. JAMES, Priestertum, 65–67; B EARD/NORTH/PRICE, Religions, 19f.

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

fern waren sie als einzige Gruppe unter den römischen Priesterkollegien direkte Mediatoren zwischen den Göttern und dem Volk.44 Im Rahmen weitgehend geheim gehaltener mantischer Praktiken („Auguraldisziplin“) beobachteten sie Himmelszeichen (v.a. Blitz und Donner), den Vogelflug (auspicium im engeren Sinn), das Schreien bestimmter Vögel oder den (bisweilen manipulierten) Appetit heiliger Hühner, um die Stimmung der Gottheit bezüglich aktueller Fragestellungen und Angelegenheiten zu erforschen.45 Im Hintergrund stand die Überzeugung, dass sich der Wille der Götter in der Natur vorabbildet. Wie die pontifices waren auch die augures eine Art Unterausschuss des Senats. Sie hatten diesen in religiösen Fragen zu beraten, wobei sich jedoch der Senat die Letztentscheidung vorbehielt.

Es war eine wichtige Aufgabe des priesterlichen Dienstes, diese sakral strukturierte Wirklichkeit und ihre Regeln den Kultteilnehmern zu kommunizieren und auf ihre Einhaltung so weit wie möglich zu achten bzw. den Bereich des te,menoj, des heiligen Bezirkes, vor Unreinheit und Entweihung zu schützen.46 Die Grundbedingung für den Eintritt in ein Heiligtum war wie auch im atl.-jüdischen Kult (→II.2.2) ein Zustand kultischer Reinheit und Heiligkeit.47 Der Tempelbesucher musste der Qualität des Ortes, ja in gewissem Sinn auch der Qualität des jeweiligen Gottes entsprechen und seinerseits a``gno,j48 sein. „Heiligkeit“ war in der gesamten antiken Welt ein Status, der die Voraussetzung für die Begegnungs- und Berührungsfähigkeit mit der Realität des „Heiligen“ bildete. Die einzelnen Standards konnten in Griechenland von Heiligtum zu Heiligtum variieren, aber analog zur mosaischen Kulttora kreisten sie um Geburt, Sexualität, Speisen, Krankheit und Tod.49 Lediglich die Menstruation wird ausschließlich in der Tora als verunreinigender Faktor betrachtet (vgl. Lev 15). Als verunreinigend galten auch ethische Verfehlungen, wobei sowohl im gesamtantiken Kontext wie in der mosaischen Kulttora die Verhältnis-

44 Nur sie hatten die Autorität, einen Tempel auf Erden zu gründen und zu diesem Zweck ein bestimmtes Stück Land zu „inaugurieren“, d.h. es in ein bestimmtes Verhältnis zu den Göttern zu setzen. Von diesem inaugurierten Ort aus konnten sie dann Ausschau nach bestimmten Götterzeichen halten, so BEARD, Priesthood, 39f. 45 Vgl. auch J AMES, Priestertum, 61–65. 46 In Griechenland hatte der Priester jedoch aufgrund seiner in der Regel kurzen, meist nur einjährigen Amtszeit faktisch kaum die Autorität, die Gültigkeit der sakralen Gesetze in Konfliktfällen allein durchzusetzen und entsprechende Sanktionen zu verhängen. Dies musste letztlich in der boulh,, dem höchsten Gremium einer Polis, geschehen; ZAIDMAN/SCHMITT-P ANTEL, Religion, 54. 47 VAHRENHORST, Sprache, 80–86; LIU, Purity, 25–32. 48 VAHRENHORST, Sprache, 81ff., macht darauf aufmerksam, dass man in den leges sacrae den in der LXX dominierenden Begriff a[gioj nicht findet. Stattdessen ist die Bezeichnung a``gno,j die Regel, die sich aber semantisch von ihrem LXX-Äquivalent kaum unterscheidet. 49 VAHRENHORST, Sprache, 97–104.

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bestimmung zwischen physisch bedingter und ethisch qualifizierter Unreinheit höchst schwierig ist.50 Die Herstellung von Reinheit bzw. Heiligkeit wurde in der Regel in den leges sacrae, die in Inschriften am Eingang eines Heiligtums angebracht waren, beschrieben.51 In der Regel wurde kultische Reinheit wie in Israel so auch in der gesamten antiken Welt über die Elemente Wasser52, Zeit53 und Opfer hergestellt. Durch Waschungen, die Einhaltung bestimmter Fristen und gelegentlich durch kleinere Opfer konnte ein Zustand der Reinheit erzeugt werden, der den Kultteilnehmer in einen Status der Heiligkeit und damit in eine Entsprechung zur jeweiligen Gottheit versetzte. Hinzu kamen häufig auch die Forderung nach ethischer und geistiger Reinheit, d.h. die Erwartung einer frommen Gesinnung des Pilgers,54 denn nur unter diesen Voraussetzungen konnte die Begegnung mit der Gottheit gelingen. Auf diesem Hintergrund wird verständlich, dass in der Regel auch von den Priestern ein besonderes Maß an Kultfähigkeit verlangt wurde, die aber nur selten ethisch definiert war. So wurde erwartet, dass sie gesund und unversehrt sowie kultisch völlig rein sind.55 Auch in diesen Erwartungen spiegelt sich die bereits oben angedeutete Vorstellung vom Priester als idealem, gottähnlichem Menschen wider. 3.3 Die politische Rolle des Priestertums Da in der antiken Welt keine Trennung von religiösem und politischem Leben existierte und auch nicht gedacht werden konnte, war das priesterliche Amt auf das Engste mit dem politischen Leben verflochten und in dasselbe eingebettet. Oxtoby unterscheidet vier Grundformen des priesterlichen Verhältnisses zur politischen Macht:56 (1) Der Priester als Hofpriester: Hier steht der Priester ganz im Dienste der politischen Institutionen und hat ihr Wirken und Entscheiden durch seine Fähigkeiten und sein Fachwissen zu unterstützen.

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Nirgendwo in der antiken Literatur ist eine Definition von Reinheit oder Unreinheit zu finden. Rein ist ein Mensch in der Regel dann, wenn er sich nicht verunreinigt hat. Ethisch rein und kultfähig ist ein Besucher z.B. dann, wenn er kein unschuldiges Blut vergossen hat oder als Beamter sich bei seiner Amtsführung nichts zu Schulden kommen ließ. 51 Vgl. z.B. LSCG 145 A 9; dort werden die Dinge benannt, „die in den heiligen Gesetzen aufgeschrieben sind, über das Opfer, die heilige Reinheit und die Reinigung.“ Zu den leges sacrae vgl. VAHRENHORST, Sprache, 73–113. 52 LSAM 12,6; 14,3; 18,12; 51,9; LSCG Suppl 54,3; 91,17; LSCG 55,4; 97 A 30. 53 Z.B. LSAM 12; LSCG 139; LSCG Suppl 54; SEG 28,421. 54 Vgl. z.B. Plat Leg 716E-717A; Iambl VP 16,68.70. 55 Vgl. LSCG 166,8ff. und 163,12ff. 56 OXTOBY, Art. Priesthood, 7397f.

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

Es ist evident, dass den Priestern durch ihre hermeneutischen und interpretatorischen Fähigkeiten vereinzelt ein immenses Machtvolumen zugewachsen ist. Dies wurde bereits exemplarisch an den römischen Auguren deutlich (→I.3.2). Es ist deshalb ein vielsagender Zug des politischen Systems in Rom, dass religiöses Wissen, kultisch-religiöse Aufgaben und Funktionen sowie die religiöse wie politische Macht institutionell zwischen den einzelnen Priesterkollegien, den Magistraten und dem Senat aufgeteilt waren. In die religiösen Prozeduren waren sowohl Priester wie Nicht-Priester involviert. Der cultus deorum und überhaupt der offizielle Umgang mit der Welt der Götter war somit keine Domäne einer autonomen Priesterkaste, sondern ein Raum öffentlich aufgeteilter Macht, in dem die Priesterkollegien häufig die Rolle politischer Berater bzw. eines „Unterausschusses“ des Senats einnahmen. 57 So ging die Initiative für religiöse Aktivitäten immer von den Magistraten aus. Sie holten die Auspizien vor Versammlungen oder Kriegen ein, sie führten öffentliche Gelöbnisse, Spiele oder Opfer zur Erfüllung der Gelöbnisse durch, während die Priester die exakte und korrekte Durchführung dieser Zeremonien überprüften, sowie die Gebete und Formeln sprachen. Auch das religiöse Wissen selbst war in republikanischer Zeit zwischen den einzelnen Priesterschaften so diversifiziert, dass damit eine Fragmentierung religiöser Macht und Autorität vorgegeben war.58 Hinzu kamen bestimmte Verbote der Ämterhäufung. So war es z.B. dem rex sacrorum verboten, weitere Ämter, oder den flamines minores, Magistratsaufgaben zu übernehmen.59 Allerdings blieb auch diese Gewaltenteilung nicht unberührt von den politischen Umwälzungen und „… as time went on the priestly offices … might have become tempting prizes for the aristocratic leaders of the day – who gradually brought priesthoods within the sphere of a political career.“60

(2) Der König als Priester: Hier übernimmt der König selbst die kultische Mittlerrolle zwischen Gottheit und Religionsgemeinschaft. Dieses Modell ist bereits für die äyptischen, mesopotamischen, sumerischen und assyrischen Priesterschaften belegt.61 Dort wurden viele Priesterpfründe im Sin-

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B EARD/NORTH/PRICE, Religions, 27.29f. Eine ausführliche Behandlung des Verhältnisses der römischen Priester(schaften) zum römischen Staat findet sich neuerdings in dem Sammelband Priests and State in the Roman World, hg. von J.H. RICHARDSON und F. SANTANGELO. 58 BEARD, Priesthood, 42f.; sowie B EARD/NORTH/P RICE, Religions, 99–108. NORTH, Diviners, 67.70, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in der römischen Geschichte anders als beispielsweise in Griechenland, vgl. z.B. den mantis Agias bei Paus 3,11,5–8, große Propheten oder heilige Männer unbekannt sind. Die Aufsplitterung der Zukunftsdeutung in unterschiedliche Gruppen und Kollegien verhinderte nicht nur eine Akkumulation der Macht, sondern auch den Aufstieg von charismatischen Einzelpersonen. 59 B EARD/NORTH/PRICE, Religions, 106. Dem flamen Dialis war es verboten, mehr als zwei aufeinanderfolgende Nächte abwesend vom eigenen Bett zu sein, was eo ipso die Übernahme eines militärischen Amtes ausschloss. 60 BEARD/NORTH/PRICE, Religions, 28. 61 Vgl. SABOURIN, Priesthood, 46–64.78–95, sowie ebd., 225: „Kingship was a sacred institution in Mesopotamia: even though generally speaking the kings were not deified, they were the vice-regents of the deity, sacred intermediaries uniting humanity and the gods. In Sumer the city state dynast very likely functioned as supreme priest, while the

3 Priesterliche Funktionen

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ne einer Auszeichnung an die königliche Familie und andere Mitglieder der Oberschicht vergeben. Der ägyptische Pharao galt in der Theorie als der einzige legitime Priester, dem der Umgang mit den Göttern oblag. Diese Aufgabe delegierte er freilich an seine Priesterschaft.62 Atl. könnte man als Beispiele Melchisedek (nach Gen 14,18–20 König und Priester), David bei der Einholung der Bundeslade (2Sam 6,1–23) oder Salomo bei der Tempelweihe (1Kön 8,22.54f.62f.; vgl. Ps 110,4) anführen. Auch für die Caesaren im kaiserzeitlichen Rom wurde seit der Ernennung von Augustus zum pontifex maximus die Doppelfunktion als Priester und Regent zur Regel. (3) Der Priester als König: In seltenen Fällen erlangten Priester politische Herrschaftspositionen, wie z.B. im Frühjudentum die hasmonäische Dynastie, die aus einem einfachen Landpriestertum stammte (vgl. 1Makk 10,20; 14,25–49). Von dem Hasmonäer Jonathan wird berichtet, dass er ab 152 v.Chr. neben der königlichen auch die hohepriesterliche Würde beanspruchte. Dieses „Modell“ scheint jedoch nirgends institutionell verankert gewesen zu sein, sondern auf akzidentiellen Entwicklungen zu beruhen. Von daher ist die Begriff „Modell“ für dieses Phänomen eher unangemessen. (4) Der Priester als Kritiker: Oxtoby sieht hier das Priestertum in der Rolle eines kritischen Gegenübers zu den politischen Funktionsträgern. Doch auch für diese Kategorie kann er lediglich Ausnahmefälle wie den Zadokiden Onias IV., der in Leontopolis einen jüdischen Alternativtempel gründete, oder den für die Essener so wichtigen „Lehrer der Gerechtigkeit“ anführen.63 Eine institutionalisierte Kontroll- und Aufsichtsfunktion gegenüber den herrschenden Institutionen im Sinne der modernen Gewaltenteilung ist nirgends eindeutig belegt.64 In der Regel erfüllte das Priestertum im Sinne des ersten Modells eine politische Stabilisierungsfunktion, insofern es den politischen und wirtschaftlichen status quo rituell „legitimierte“. Entsprechend dieser Rollenbestimmung wurde eine Beteiligung politischer Amtsinhaber an priesterli-

Assyrian king was unquestionably the first priest of the realm …“; vgl. auch H. FRANKKingship, und DAVIES, Priesthood, 152. 62 BERGMAN, Art. kohen, 64f.; SABOURIN, Priesthood, 79.226. Analoge Verhältnisse lassen sich wohl auch in Mesopotamien belegen, RINGGREN, Art. kohen, 66. 63 Vgl. hierzu CD A 1,11; 6,11; B 20,1.14.28; und 1QpHab 1,13; 2,2; 5,10; 7,4; 8,3; 9,9f.; 11,4f. u.ö., sowie L.T. STUCKENBRUCK, Teacher of Righteousness, 75–94. 64 Eine solche Rolle wurde häufig für das babylonische Priestertum angenommen, vgl. SABOURIN, Priesthood, 50. A. KUHRT, Nabonidus, 154f., bezeichnet dieses Bild des babylonischen Priestertums jedoch als die „creation of a european perspective“. FORT,

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

chen Funktionen abgesehen vom atl.-frühjüdischen Schrifttum auch nirgends problematisiert.65

4 Voraussetzungen, Ausbildung und Aufnahme 4 Voraussetzungen, Ausbildung und Aufnahme

Für das Verständnis des Priestertums sind in der Regel die Zugangsmöglichkeiten zu diesem Amt von großer Bedeutung. Dabei fällt zunächst auf, dass eine außerordentliche spirituelle Begabung (z.B. Geistersehen, Traumaktivität, Ekstasefähigkeit)66 des Priesters in den meisten Kontexten erwünscht, aber in aller Regel keine unabdingbare Voraussetzung für das Amt war. Platon nennt als Voraussetzungen für das Priesteramt die körperliche Unversehrtheit (o``lo,klhroj), die Unbeflecktheit von Schuld (fo,nou a``gno,j) und die Abstammung von einem Bürger der jeweiligen Polis (gnh,sioj).67 In der allgemeinen Grundfunktion einer Mittlertätigkeit zwischen Gott und Mensch „kann ursprünglich jedermann priesterlich handeln“.68 Entsprechend konnte z.B. in Griechenland ein Amtsinhaber bei Abwesenheit auch von einer Person ohne Amt vertreten werden.69 65

Vgl. BEARD/NORTH, PRIESTS, 12: „We can see this development partly in the context of the fusion between religion and politics, so typical of the ancient world: as the emperor appropriated to himself the major political functions in the state, so necessarily he took over the major priestly function.“ 66 SABOURIN, Priesthood, 9: „If the candidate can ‚see’ the spirits, if they speak to him in dreams, he is reckoned to have been chosen by the gods, since priests are generally believed to be assisted by their own tutelary deities, spirits, or demons. It is also a common conviction among the primitives that gods communicate with their chosen ones in dreams, imparting them the formulas and the power to cure, and occasionally revealing to them the secrets of the future.“ 67 Plat Leg 759c. KRAUTER, Bürgerrecht, 95, führt zwei Inschriften aus Kleinasien an, IKalch 10 und 12 aus Kalchedon, die das passive Wahlrecht zur Voraussetzung für das Amt machen. Zur Diskussion, inwiefern das Bürgerrecht als Voraussetzung zu gelten hat, vgl. KRAUTER, Bürgerrecht, 94ff. 68 P AUS, Art. Priester, 558f.: „Das persönl. Überzeugt- u. Ergriffensein v. der Anwesenheit u. Wirksamkeit der numinosen Realität bei der Ausübung der mittler. Ritualtätigkeit u. in ihr selber tritt hinter der wissenden, gekonnten, fachl. Durchführung der rit. Funktion im zwangfreien Dienst an der Gottheit u. den Menschen zurück, welche die od. der mit dem ‚Priestertum’ Betraute im eigenen Namen, im Namen eines anderen od. einer Gruppe v. Menschen vollzieht. Die Ausführung der speziellen kult. Ritualhandlungen hängt v. der dem P[riester] durch die betreffende soz. Gruppe verliehenen Kompetenz ab.“ 69 KRAUTER, Bürgerrecht, 85, verweist auf eine Inschrift über einen gentilizischen Herakleskult auf Chios, ICh 5, Z. 9–12, vom Ende des 4. Jh. v.Chr., wo es heißt: „… der Opfernde soll sich beim Priester melden; wenn aber der Priester nicht da ist, soll einer der Gentilangehörigen stellvertretend als Priester fungieren.“ In einer anderen Inschrift aus Chios, ICh 4, Z. 7–13, wird im Falle der Abwesenheit des Priesters der Opfernde selbst zur Opferhandlung legitimiert.

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Ähnlich stellt sich die Situation in Rom dar. Neben der körperlichen Unversehrtheit und einer freien Geburt – bis etwa 300 v.Chr. war sogar eine patrizische Abstammung unerlässlich – konnte auch die Bedingung treten, dass Vater und Mutter noch am Leben waren, sowie eine Fülle komplizierter Regelungen bei ganz besonderen Priesterämtern wie dem flamen Dialis und den Vestalinnen.70

Die Legitimationsgrundlage des priesterlichen Dienstes war in der Regel ein bestimmter Initiationsritus oder Weiheakt (z.B. Salbung), durch den der Initiant in einen neuen Status, ein neues Amt und damit auch in eine neue soziale Gruppe eingeführt und von seinem bisherigen sozialen Umfeld unterschieden wurde. Die Rekrutierung des Priesternachwuchses erfolgte in den einzelnen Kulturen höchst unterschiedlich. Es lassen sich die vier Kategorien der Vererbung, der Wahl, der Verlosung und in einigen wenigen Fällen in Kleinasien und auf den ägäischen Inseln in hellenistischer Zeit auch des Erwerbs bzw. der Versteigerung eines Priesteramtes unterscheiden.71 Im Hinduismus (Brahmanenkaste), in Ägypten72, in Babylonien73 und im Judentum (Zadokiden und Leviten) finden sich bestimmte Priestergeschlechter und in Griechenland sind alte Familien belegt, denen das Privileg der Priesterbestellung obliegt. In der griechischen po,lij war der lokale no,moj entscheidend, d.h. das jeweilige Brauchtum einer Stadt. Prinzipiell konnte in Griechenland jeder Priester werden,74 sofern er im Besitz des Bürgerrechts war und keine Behinderung oder äußere Versehrtheit aufwies.75 Priesterliche Funktionen konnten auch von Laien, Familienvätern und Königen ausgeübt werden, ohne dass diese Personen damit gleich als Priester gegolten hätten.76 Das Priesteramt war hier keine profilierte Lebensform, sondern in der Regel lediglich ein Neben- und Ehrenamt. Dementsprechend wurde das Priesteramt von einigen Aus-

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Zu den Belegen vgl. KRAUTER, Bürgerrecht, 134, Anm. 425–428. B URKERT, Griechische Religion, 160; MUTH, Religion, 247; SABOURIN, Priesthood, 38f.; MILGROM, Lev 1–16, 52f. Zu den Belegen vgl. KRAUTER, Bürgerrecht, 94, Anm. 220–223. 72 In Ägypten findet sich mindestens seit der 19. Dynastie eine hereditäre Priesterschaft, vgl. dazu DAVID, Ancient Egyptians, 135–137. 73 Vgl. RENGER, Untersuchungen 58, 110–188, und 59, 104–239. 74 Isokr Or 2,6; Demosth Prooem 55. 75 MUTH, Religion, 247; B URKERT, Griechische Religion, 163. Vgl. auch DERS, a.a.O., 157: „Der Gott läßt prinzipiell jeden zu, der nur den Nomos respektiert, – d.h. der lokalen Gemeinschaft sich einzuordnen willens ist ...“ Schon Herodot, 1,132,3, wunderte sich, dass die Perser bei jedem Opfer einen Magier hinzuziehen mussten. In Griechenland konnte grundsätzlich jeder ein Opfer darbringen, sofern er die Mittel dazu hatte. Entsprechend konnten im privaten Bereich auch Familienoberhäupter priesterliche Funktionen wahrnehmen. 76 KLEIN, Art. Priester, 381. 71

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

nahmen abgesehen auch nicht lebenslänglich verliehen, sondern zeitlich befristet.77 Das Amt war auch stets an den Dienst für eine bestimmte Gottheit gebunden, so dass es streng genommen keinen Priester an sich gab, sondern immer nur „Priester des Apollon Pythios“ oder „Priesterin der Athena Polias“ usw.78 So unreglementiert der Zugang zum Priesteramt im Grundsatz auch war,79 so sehr entwickelte sich im Alltag einer größeren politischen Gemeinschaft doch ein gewisses „Kandidatenprofil“. Bei größeren Kultveranstaltungen benötigte man eine entsprechende Autoritätsperson mit wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Leitung des Opfers. In späterer Zeit „ist wohl ziemlich jeder ansehnliche Vollbürger das eine oder das andere Mal zur aktiven Teilnahme an dem staatlichen Gottesdienste herangezogen worden“.80 In den größeren griechischen Städten wurde das Amt faktisch unter den angesehenen Familien verteilt,81 im Königtum von Sparta oblag der Opfervollzug dem König. Aufgrund der deutlich weiter entwickelten Struktur des römischen Priestertums waren auch die „Zugangsvoraussetzungen“ zum Priesteramt in Rom fester umrissen: Ein entsprechendes Amt erhielten nur „freigeborene, nicht vorbestrafte oder mit körperlichen Gebrechen behaftete römische Bürger“.82 In zahlreichen sakralrechtlichen Bestimmungen wurde hier exakt geregelt, wem das ius sacrificandi zustand.83 In der Regel stammten die Amtsinhaber aus dem Kreis der führenden Senatoren bzw. der römischen nobilitas. 84 Damit lagen die Priesterämter in den Händen derselben Männer, welche auch im Raum von Politik, Recht, Militärwesen und Kriegsführung den Ton angaben. Nach Cicero beruhte die Stärke Roms in dem Grundsatz, „denselben Männern sowohl den Kult der unsterblichen Götter als auch alle wichtigen Entscheidungen in die Hand zu geben“.85 Anders als in den griechischen Poleis hatten diese das Amt auf Lebenszeit inne. Von einer besonderen Ausbildung zum Amt wird nichts erwähnt. Insofern waren römische Priester 77

B URKERT, Griechische Religion, 160f.; DIGNAS, Art. Priestertum, 1650. Die meisten Priesterämter wurden für die Dauer eines Jahres vergeben, ZAIDMAN/SCHMITTP ANTEL, Religion, 50. 78 B URKERT, Griechische Religion, 158. 79 In Athen galt nach 450 v.Chr. bzw. der Demokratisierung aller neuen Kulte lediglich die physische Unversehrtheit und gute Gesundheit als Zugangsvoraussetzung für das Priesteramt. 80 W ILAMOWITZ-MOELLENDORF, Glaube I, 35. 81 MUTH, Religion, 147; SABOURIN, Priesthood, 39. In diesen Fällen wurden die Priesterämter nach bestimmten Regeln unter den Mitgliedern der entsprechenden Familien verteilt, manchmal auch auf Lebenszeit. In Athen waren z.B. die ältesten und angesehensten Kulte „gentil“, d.h. die Priesterschaft war reserviert für eine besondere aristokratische Adelsgruppe. So war z.B. der Familie der Eteoboutaden das Priesteramt für die Athena Polias vorbehalten, ZAIDMAN/SCHMITT-P ANTEL, Religion, 50; GARLAND, Priests, 77. 82 MUTH, Religion, 291. Die Vestalinnen wurden dagegen für eine Amtsperiode von 30 Jahren ernannt, konnten jedoch freiwillig vorzeitig zurücktreten. 83 Vgl. Liv 10,23,9f., sowie KRAUTER, Bürgerrecht, 132. 84 BEARD/NORTH/PRICE, Religions, 103.192–196. 85 Cic Dom 1, Übersetzung nach FUHRMANN. Allerdings ist hinzuzufügen, dass in der Regel streng darauf geachtet wurde, dass einzelne Familien keine Monopolstellung gewannen. Als allgemeine Regel galt, dass keine Familie (gens) mehr als ein Amt in einem Priesterkollegium zur gleichen Zeit besetzte und kein Individuum mehr als ein Priesteramt übernahm, B EARD/NORTH/PRICE, Religions, 103.

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„von Haus aus“ keine religiösen Experten, was aber nicht ausschloss, dass sie zu solchen werden konnten.86

Bemerkenswert ist die durchgängige Anforderung der physischen Unversehrtheit. Diese steht mit der Vorstellung vom Priester als dem idealen, gottähnlichen Menschen in Verbindung und ist im antiken Analogieprinzip begründet. Wer sich im heiligen Bezirk bzw. im Tempel den Göttern nahen will, der muss dem Ideal der göttlichen Vollkommenheit und Makellosigkeit wenigstens nahe kommen. Auch die Ausbildung weist eine erhebliche Bandbreite auf: Während sich in manchen Fällen die Ausbildung auf die Befähigung zur korrekten Kultausübung beschränkt,87 werden Priester andernorts im umfassenden Sinn zu Trägern der Weisheit, Philosophie und des Wissens ausgebildet, um entsprechende Führungsaufgaben in einem Gemeinwesen übernehmen zu können.88 Zur Ausbildung gehört neben der Wissensvermittlung vielerorts auch die spirituelle und physische Vorbereitung durch Reinigungsriten, Waschungen, sexuelle Enthaltsamkeit, Meditation usw. Das in einer Priesterschaft tradierte Wissen verlieh dieser eine herausgehobene Position im Gesamtgefüge einer antiken, häufig illiteraten Zivilisation. Nicht selten nahm das tradierte Wissen die Form einer Arkandisziplin an, verbunden mit besonderen Formeln oder gar einer eigenen, nur Priestern verständlichen Sprache.89

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BEARD/NORTH/PRICE, Religions, 27. Dazu können freilich von Fall zu Fall erhebliche Kenntnisse nötig werden: Neben dem rite vollzogenen Opfer mussten auch Gebete und Akklamationen angemessen rezitiert und eine von Symbolik gefüllte Liturgie rhetorisch und gestisch in rechter Weise inszeniert werden. Es bedurfte kalendarischer Kenntnisse über den Umgang mit Zeiten, Festen und Fristen. Gelegentlich waren auch astronomische, astrologische, veterinäre und mantische Kenntnisse notwendig. 88 J AMES, Priestertum, 36: „Der Medizinmann muss in seinem Beruf erfolgreich sein, während der Priester ein Fachwissen in der heiligen Gelehrsamkeit haben muss, und zwar in allem, was zum Priesteramt, seinem Ritual, seiner Mythologie, seinem Recht, seiner Lehre und seiner Organisation gehört. Der Schamane und der Zauberer mögen Individualisten sein, der Priester aber übt seine Funktionen, da er für die Aufrechterhaltung der rechten Verwandtschaft zwischen der Gemeinschaft und ihren Göttern verantwortlich ist, in seiner körperschaftlichen Befähigung aus.“ 89 SABOURIN, Priesthood, 6f. Gelegentlich wechselten Priester in einigen Kulturen sogar ihre Namen, um den mit dem Statuswechsel sich vollziehenden Identitätswandel zu dokumentieren. 87

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

5 Sozialformen 5 Sozialformen

So verschieden die Priestertümer waren, so unterschiedlich waren auch die Sozialformen, in denen sich diese ausprägten. Hier werden auch die Unterschiede zwischen griechischen und römischen Priestertümern am markantesten greifbar. In Griechenland entwickelte sich, verglichen mit anderen antiken Hochkulturen, eine besondere Form des Priestertums. Überspitzt formuliert lässt sich die griechische Religion als eine „Religion ohne Priester“ beschreiben, weil sie kein Priestertum im Sinne einer „geschlossenen Gruppe mit fester Tradition, Ausbildung, Weihe und Hierarchie“ kennt.90 Das Priesteramt ist kein bestimmter, dauerhaft verliehener Status eines Einzelnen. Vielmehr ist der Priester das Organ eines Gemeinwesens,91 ohne dass er auch nur annähernd die politische Bedeutung der Reichspriester im orientalischen, babylonischen und altägyptischen Raum erlangte. Ausführliche Hinweise gibt hierzu der berühmte Abschnitt in Platons Gesetzen: „Wir wollen demnach sagen, daß für die heiligen Örtlichkeiten Tempelhüter, Priester und Priesterinnen aufgestellt werden müssen […] Wo für Personen beiderlei Geschlechts das Priestertum ein Familienerbstück ist, soll man hieran nichts ändern. Im andern Falle … wenn niemand oder nur etliche wenige vorhanden sind, bei denen die Sache noch nicht feststeht, hat man neue Priester und Priesterinnen aufzustellen, um die Tempel der Götter zu beaufsichtigen. […] Was also nun den Priester betrifft, so überläßt man es dem Gotte selbst, dafür zu sorgen, daß das geschieht, was ihm wohlgefällig ist. Somit läßt man das Los walten und gibt die Sache dem göttlichen Zufall anheim. Doch unterwirft man im einzelnen Falle den durch das Los Bestimmten einer Prüfung, ob er fürs erste ohne körperliche Gebrechen und ehelich geboren ist; sodann muß er möglichst aus einer unbescholtenen Familie stammen, muß selber von jeglicher Blutschuld und allen ähnlichen Sünden gegen die Religion frei sein, wie denn auch Vater und Mutter ein ähnliches Leben geführt haben müssen. […] Jedes priesterliche Amt hat nur eine unerstreckliche Dauer von einem Jahre. Auch darf für uns eine Person nicht unter sechzig Jahren zählen, die nach den heiligen Gesetzen ihr Amt in religiösen Dingen würdig und rein verwalten will. Und dies sollen die gesetzlichen Bestimmungen über die Priesterstellen sein“ (Plat Leg 759A-D).92

Eine geschlossene, landesweite und hierarchisch gegliederte Priesterschaft ist in Griechenland unbekannt. Das Priestertum existierte in Griechenland nur begrenzt als ein von der konkreten Ausprägung abstrahierbares Berufsbild, sondern das Amt und der Status der Priester waren stets an bestimmte Heiligtümer und Kulte gebunden.93 Die Bedeutung des einzelnen

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B URKERT, Griechische Religion, 157; ähnlich SABOURIN , Priesthood, 35f. W ILAMOWITZ-MOELLENDORF, Glaube I, 35. 92 Übersetzung nach EYTH. 93 ZAIDMAN/SCHMITT-P ANTEl, Religion, 50; SABOURIN, Priesthood, 36.225. 91

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Priesters blieb daher auch eine lokale und politisch begrenzte, was jedoch ein hohes Sozialprestige nicht ausschloss.94 In Rom entwickelte sich, anders als in der von einer Pluralität von Kulten und Priestertümern geprägten Kultur Griechenlands, eine klar geordnete Priesterstruktur, von der die einzelnen Kultformen in Zusammenarbeit mit den staatlichen Organen selbst festgelegt wurden.95 Für das römische Priestertum sind die beiden Prinzipien der Aufgabendifferenzierung96 und der Kollegialität charakteristisch. Ein römischer sacerdos war in aller Regel Mitglied eines Priesterkollegiums und die priesterlichen Aufgaben wurden auf das Exakteste zwischen diesen Kollegien aufgeteilt.97 Lediglich die nicht im Kollektiv agierenden flamines waren nicht nur für einen einzigen Tempel zuständig, sondern übten neben bestimmten Kultvollzügen eine allgemeine Beratungs- und Überwachungsfunktion aus. Vorrang in der hierarchisch strukturierten Priesterschaft hatten die vier sog. „großen“ Priesterkollegien, die quattour amplissima collegia sacerdotum, nämlich die pontifices,98 die augures, die XVviri sacris faciundis (auch sacerdotes Sibyllini genannt) und die duoviri, später decemviri sacris faciundis genannt.99 Im frühen 2. Jh. v.Chr. entstand noch ein weiteres, völlig neues dreiköpfiges Priesterkollegium, nämlich das der triumviri epulones, das später auf sieben Mitglieder erweitert wurde und für die religiösen Rituale bei den öffentlichen Spielen zuständig war, einer Aufgabe, die ursprünglich zum Kompetenzbereich der pontifices gehörte. Diesen hohen Priesterkollegien kam neben dem Kult94 Entsprechend sind in den Quellen auch eine Reihe bestimmter Privilegien, wie Ehrensitze im Theater, besondere Rollen an Festtagen, eine exquisite Amtstracht etc. erwähnt, vgl. DIGNAS, Art. Priestertum, 1650. 95 Vgl. dazu die ausführlichen Beiträge von J. SCHEID, PRÊTRES, und SCHUMACHER, Priesterkollegien. 96 Aufgrund der exakten Aufgabenverteilung stellen B EARD/NORTH/P RICE, Religions, 20f., den in der Literatur üblichen Begriff einer römischen „Priesterhierarchie“ in Frage. Zwar kam dem pontifex maximus eine begrenzte Disziplinarfunktion zu, aber es gab keine wirkliche Oberautorität über die verschiedenen Priesterkollegien. Vielmehr waren die priesterlichen Aufgaben so differenziert auf die einzelnen Kollegien und auch politischen Institutionen verteilt, dass ein System mit einer austarierten Macht- und Funktionsbalance zwischen Priesterkollegien, Magistraten und dem Senat entstand. 97 Als ein epochales Werk zu den römischen Priestern müssen J. RÜPKES dreibändige Fasti sacerdotum, betrachtet werden. Der Autor führt darin alle bekannten Priester und Priesterschaften in prosopographischen Einzelstudien auf. Ein Auszug aus diesem opus magnum wurde publiziert unter DERS., Römische Priester. 98 Die Struktur dieses Kollegiums war komplexer als die aller anderen, da dem Kollegium der pontifices neben dem rex sacerdotum auch die drei flamines maiores und die zunächst zwölf später zahlreicheren flamines minores, sowie die sechs virgines Vestales angehörten, vgl. BEARD/NORTH/PRICE, Religions, 18f.24–26. 99 Aug Res gest 7. Ein Problem stellt bei diesem Priesterkollegium die wechselnde Zahl der Priester und damit auch der wechselnde Titel des Kollegiums in den Quellen dar. Während es sich anfänglich um „zwei Männer für heilige Handlungen“ handelte, erhöht sich die Zahl später auf drei, sieben, zehn und schließlich 15. Sie waren die Hüter der Sibyllinischen Bücher.

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vollzug auch eine umfassende rechtliche Beratungs- und Aufsichtsfunktion in nahezu allen religiösen Angelegenheiten zu.100 Von nachrangiger Bedeutung war dagegen das Kollegium der zwanzig fetiales, die v.a. für die Rituale bei der Entscheidung über und dem Beginn eines Krieges zuständig waren.101 Darüber hinaus gab es unter Aufsicht des sacerdotes Sibyllini stehende Einzel- und Sonderpriester für fremde, in Rom neu eingeführte Kulte.102 Ranghöchster Priester aller Kollegien war de facto der an der Spitze der pontifices stehende pontifex maximus, der für den geregelten Ablauf des Kultwesens verantwortlich war. Der rex sacrorum, bisweilen auch rex sacrificulus genannt, war nach dem pontifex maximus der zweithöchste römische Priester. Er wurde vom pontifex maximus auf Lebenszeit ernannt und war ihm auch hinsichtlich der „Geschäftsführung“ unterstellt. Er hatte aber vor ihm und in der gesamten Priesterhierarchie den Ehrenprimat, was v.a. im Vorsitz bei der vom pontifex maximus einberufenen Volksversammlung einen sichtbaren Ausdruck fand. Anders als die meisten seiner Kollegen übte er als Priester kein Ehrenamt aus und durfte auch kein öffentliches Amt annehmen, sondern musste sein Leben mitsamt dem seiner Gattin, der regina sacrorum, der sakralen Berufung unterordnen.103 Die pontifices hatten die Funktion der Bewahrer und der „Archivare“ sowohl des göttlichen wie des menschlichen Rechts. Sie hatten auf die exakten Wortlaute für alle religiösen und rechtlichen Akte zu achten. Daher kam ihnen auch eine Art beratende Assistenzfunktion für die Magistrate zu. Sie assistierten den Beamten und Behörden sowohl bei kultischen wie juristischen Aufgaben, indem sie z.B. festgelegte Gebets-, Gelübde- und Weiheformeln rezitierten, bei Sühneriten zur Besänftigung zürnender Gottheiten oder auch an vorbeugenden Maßnahmen gegen den Zorn der Götter mitwirkten.104 Darüber hinaus waren die pontifices auch für den römischen Kalender, die Überwachung von Adoptionen und andere Angelegenheiten des Familienrechts und für die Führung der römischen Jahrbücher zuständig, in denen alle als relevant betrachteten Ereignisse verzeichnet wurden.105

Obwohl oder vielleicht auch gerade weil in Rom das Priesteramt üblicherweise ein Ehrenamt (honos) war, das seine Träger nur als „Freizeitpreister“ ausübten, haftete ihm ein hohes Sozialprestige an.106 So war bis etwa 300 v.Chr. das Priesteramt Patriziern vorbehalten, erst danach konnten auch Plebejer Zutritt zu diesem Amt erlangen.107 Frauen und v.a. Jungfrauen in priesterlichen Funktionen oder gar Ämtern sind in der mediterranen Antike in zahlreichen Kulturen und Kulten, u.a. auch in Griechenland und Rom belegt, wie z.B. die römischen Vestalinnen. Jedoch war das Priesteramt in aller Regel eine männliche Domäne, 100

Vgl. Dion Hal Ant 2,73,2f. Vgl. MUTH, Religion, 299; Beard/North/Price, Religions, 26f. 102 Vgl. zum Ganzen MUTH, Religion, 291f. 103 MUTH, Religion, 295. 104 MUTH, Religion, 293; Beard/North/Price, Religions, 24f. 105 B EARD/NORTH/PRICE, Religions, 26: „The pontifices, in short, linked the past with the future by law, remembrance and recording.“ 106 ELM, Art. Priestertum, 1651. 107 BEARD, Priesthood, 19. Lediglich die Würde des rex sacrorum, der drei flamines maiores und der Salii blieb den Patriziern vorbehalten, MUTH, Religion, 291. 101

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weibliche Priesterinnen waren die Ausnahme. Wichtiger ist aber, dass keine gemischtgeschlechtlichen Kulte belegt sind. Das bedeutet, dass das Geschlecht des Kultpersonals nicht belanglos, sondern jeweils im Wesen des Kultes begründet war, ohne dass wir darüber eine Reflexion in den Quellen finden.

6 Kollektive und individuelle Kultausübung 6 Kollektive und individuelle Kultausübung

Trotz der Mittlerfunktion des Priesters ist in der mediterranen Welt der Antike eine „private“ Frömmigkeitsausübung nicht aus- sondern vielmehr eingeschlossen. Die Gottesbeziehung des Einzelnen kann dabei völlig unterschiedlichen Charakter haben. Sowohl in der hellenistischen wie in der römischen Welt ist es dem Einzelnen freigestellt, selbst und an jedem beliebigen Ort individuelle Opfer für sich und seine Familie darzubringen.108 Ein Hausaltar war in der Regel genuiner Bestandteil eines antiken Haushaltes, kleine Trank- und Speiseopfer ein üblicher Ritus bei den Mahlzeiten. Die Frage nach der Verhältnisbestimmung dieser „privaten“ Opfer und Kultvollzüge zu den kollektiven bzw. offiziellen der hellenistischen Polis oder des römischen Staates ist offen. Zwar kannte man in Griechenland die Unterscheidung zwischen öffentlichen bzw. allgemeinen (damosi,a | bzw. koinh/|) Kulthandlungen auf der einen und privaten Kulthandlungen (ivdi,a |) eines Einzelnen (ivdiw,thj) oder eines Vereins auf der anderen Seite. Allerdings weist S. Krauter darauf hin, dass die Begriffe „öffentlich“ und „privat“ in der Antike völlig anders gefüllt sind als in der Moderne und im Einzelfall die Unterscheidung bzw. Einteilung nicht leicht fällt.109 Auch in Rom werden in ganz ähnlicher Weise wie in Griechenland die beiden Kategorien der sacra publica und der sacra privata unterschieden. In der groben Unterscheidung werden die ersteren aus öffentlichen Mitteln finanziert und für das Volk bzw. die Stadt durchgeführt, während die letzteren für einzelne Menschen, Familien oder Geschlechter vollzogen werden. Allerdings wurden sacra publica in der Regel völlig ohne Beteiligung der Öffentlichkeit oder lediglich im elitären Kreise einer kleinen Oberschicht durchgeführt und umgekehrt standen auch private Kultfeiern unter der Aufsicht und Überwachung der Priester, die beratend oder korrigierend eingreifen konnten.110

Deutlich ist lediglich, dass man im hellenistisch-römischen Raum eine Restriktion des privaten Opfervollzugs oder eine Kultzentralisation auf einen Opferort wie im Alten Testament nicht kannte. Diese „Liberalität“ 108 Dies scheint freilich auch in der Frühzeit Israels der Fall gewesen zu sein, vgl. Gen 22,9; 31,54; 46,1; Ex 17,15; 18,12; 24,4f.; Ri 6,20–28; 13,15–23; 1Sam 6,14f.; 1Kön 1,9; 18,30–38. 109 KRAUTER, Bürgerrecht, 54f. 110 Vgl. KRAUTER, Bürgerrecht, 115f.

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war die Grundlage für die Entstehung und v.a. die Verbreitung der zahlreichen Mysterienkulte und der mit ihnen verbundenen religiösen Individualisierung. Die privaten und kommunalen/staatlichen Kultformen stehen vielmehr unverbunden nebeneinander, was aber außerhalb Israels offensichtlich nirgendwo als Problem empfunden wurde. Die Kategorie eines „Allgemeinen Priestertums“ ist auf dieses Phänomen nicht anwendbar. So sehr es um eine priesterlich-kultische Handlung ging, die z.B. ein pater familias bei einem Opfer für seine Familie vornahm, so wenig wurde damit der Anspruch auf einen priesterlichen Status erhoben oder die Konkurrenz zu bestimmten Priestern zum Ausdruck gebracht.

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(1) Das Wesen Gottes bzw. der Götter bestimmte auch das Wesen des Kultes und seiner bzw. ihrer kultischen Verehrung. Folglich ist auch das Profil des jeweiligen Priestertums ein Spiegel der Götterbilder und Glaubensvorstellungen. Aus den Wesenszügen der jeweiligen Gottheit erklären sich die besonderen Akzentsetzungen des priesterlichen Kultes und aus der starken oder geringen Betonung bestimmter Elemente lassen sich umgekehrt auch wieder Rückschlüsse auf das Profil der Gottheit(en) ziehen. (2) Das Priesteramt in der antiken Welt muss vom priesterlichen Status her verstanden werden. Es ist der Status, der die Funktionen bestimmt, nicht umgekehrt. Bei seiner Investitur wurde dem Priester der Status eines idealen, gottähnlichen Menschen verliehen, der ihn aus der Menge des Volkes heraushob, in den Nahbereich der Götter und des Heiligen rückte, ihn zur Interaktion mit der Gottheit und zur Mediation zwischen Göttern und Menschen qualifizierte. Diese mediative Rolle war maßgeblich durch die Repräsentationsfunktion der Kultgemeinde vor Gott bzw. den Göttern und evtl. auch umgekehrt der Gottheit vor der Kultgemeinde bestimmt. In der Rolle des idealen, gottgemäßen und gottnahen Menschen übernahm der Priester für die Gesellschaft als Ganze wie für den Einzelnen eine Entlastungs- und Desakralisierungsfunktion: Weil der Priester stellvertretend für alle anderen einen idealen Status hatte und ein sakrales Leben führte, konnte die Gemeinschaft sich den Notwendigkeiten des alltäglichen Lebens zuwenden. Der besagte Status konnte sowohl zeitlich befristet wie unbefristet sein und war in aller Regel mit einem hohen Sozialprestige verbunden. Seine Verleihung war in der Regel nicht an besondere, z.B. genealogische Voraussetzungen seitens des Amtsinhabers geknüpft, konnte aber gewisse Verpflichtungen nach sich ziehen. Faktisch wurde das Priesteramt jedoch fast immer unter der lokalen Nobilität vergeben. Der besondere Status des

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Priesters konnte mit dem Attribut der „Heiligkeit“ umschrieben werden, wobei die persönliche Frömmigkeit im Sinne eines innigen Gottesverhältnisses oder die ethisch-moralische Glaubwürdigkeit kaum eine Rolle spielte. Ganz allgemein war die Heiligkeit des Priesters durch einen Kontrast zum Alltäglichen und Profanen normiert, die mehr in überkommenen Ritualen als in einer persönlichen Haltung zum Ausdruck kam. (3) Vor allem in Rom, aber auch in Delphi, ist der Priesterdienst mit einer Deutungsfunktion verbunden, die nahezu prophetischen Charakter hat. Dem Priestertum bzw. dem priesterlichen Amt wuchs in einer Kultur ohne heilige Schrift bzw. ohne einen schriftlich fixierten Normenkodex durch seine stark interpretierende Funktion eine immense Bedeutung und Machtfülle zu, die immer wieder reglementiert werden musste. (4) Im Vergleich mit dem atl.-jüdischen Priestertum sticht in Griechenland die verhältnismäßig geringe Normierung des Priesteramtes ebenso ins Auge, wie die fast beliebige Vielfalt der Priestertümer analog zur Vielfalt der Kultstätten und Tempel. Nur sehr selten lässt sich in Griechenland ein erbliches Priestertum belegen. Das Priestertum war weder ein Beruf, noch eine eigene Kaste. Hier war die priesterliche Würde ein „Ehrenamt“ im eigentlichen Sinn des Wortes, das in der Regel der urbanen Elite vorbehalten war. Während es im Judentum immer wieder Konflikte um die Vergütung des Priesterdienstes und die Versorgung der Priesterschaft gab, wurde im hellenistisch-römischen Raum eher umgekehrt auch das finanzielle Engagement des aus reichen Familien stammenden Priesters erwartet, der sich auf diese Weise die prestigeträchtige Priesterwürde „erwerben“ musste.111 Das Amt war auch nicht von vornherein für bestimmte Personen tabu, auch wenn sich faktisch eine gewisse Sozialauslese durchsetzte. Es konnten jedoch auch, anders als in Israel, militärische und politische Funktionsträger die Priesterwürde erlangen, ja diese war in Rom z.T. sogar mit bestimmten politischen Funktionen verknüpft. (5) Im Licht der These, dass die jeweiligen Priestertümer eine Funktion der verschiedenen „Theo-Logien“ sind, überrascht beim Vergleich des Priestertums in der hellenistisch-römischen Welt mit dem atl.-jüdischen Priestertum – wie sich im nächsten Kapitel noch zeigen wird – zunächst die Fülle der Gemeinsamkeiten. So unterschiedlich der jeweilige Glaube sich auch darstellt, so sehr erstaunt die große Homogenität, die alle antiken Priestertümer auszeichnet. Überall finden sich Tempel, um die herum häufig heilige Bezirke angelegt waren, es finden sich heilige Gesetze (leges sacrae), die kultische (Un)Reinheit definierten und mit entsprechenden Sanktionen für die Verletzung dieses heiligen Rechts drohten. Auch diese leges sacrae weisen über die mediterranen Kulturen hinweg überraschend viele Ähnlichkeiten auf, angefangen von den allgemeinen Bestimmungen 111

SANDERS, Judaism, 49.

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Kapitel I: Priester in der griechisch-römischen Antike

von „rein“ und „unrein“ über die verschiedenen Fristen und Reinigungsriten bis hin zu den Sanktionen bei Zuwiderhandeln. (6) An zentraler Stelle finden sich überall im mediterranen Raum blutige Tieropfer, die unter exakt festgelegten Riten und begleitet von Gebeten und bestimmten Formeln dargebracht wurden. Und wir finden nicht zuletzt überall einen Stand religiöser Experten für den Raum des Kultes bzw. des Heiligen. Überhaupt ist das kultische Raumdenken, das besonders heilige Sphären von profanen Bereichen unterscheidet, ein allgemeines Phänomen der alten Welt. Insofern bedurfte die Erwähnung kultischer Handlungen bzw. des priesterlichen Dienstes in den Schriften des Neuen Testaments kaum einer besonderen Erläuterung für Leser anderer Kulturkreise. So unterschiedlich die Detailregelungen auch sein mochten und so unterschiedlich die „TheoLogien“ und Frömmigkeitsformen auch waren, so interkulturell waren die Grundzüge antiker Kulte und des priesterlichen Dienstes. Es ging immer um die heilvolle und nun buchstäblich „räumliche“ Begegnung mit der göttlichen Welt und Wirklichkeit, ja um ein stellvertretendes In-BerührungKommen des Priesters mit Gott oder den Göttern. (7) Im Vergleich mit dem jüdischen Priestertum in der Zeit des zweiten Tempels fällt die geringe Zahl kritischer Stimmen zu Priestern und Priestertümern ins Auge. Abgesehen von der Brandmarkung und Bestrafung einzelner Regelverstöße und dem lustvollen Spott im Rahmen satirischer Werke scheinen pagane Priester(tümer) weit weniger im Fokus öffentlicher Kritik gestanden zu haben als dies in frühjüdischer Zeit beim Jerusalemer Priestertum der Fall war. Die Gründe dafür dürften in der nahezu grenzenlosen Pluralität von Gottheiten und Kulten liegen. Bei Spannungen oder unterschiedlichen Auffassungen über den korrekten Kultvollzug konnte problemlos ein alternativer Kult mit Tempel und Priesterschaft gegründet werden. Überhaupt wurde Verschiedenheit nicht als Problem aufgefasst, solange sie einen bestimmten Rahmen nicht überschritt. Hier waren die Verhältnisse in Israel mit einem exklusiven, zentralisierten Kult und einem schriftlichen, jedermann zugänglichen Regelkodex deutlich anders und spannungsträchtiger. (8) Von einem Allgemeinen Priestertum in der griechisch-römischen Antike kann nicht gesprochen werden. Man könnte höchstens von einer „allgemeinen Priesterfähigkeit“ in dem Sinne reden, dass in den griechischen Städten in aller Regel jeder erwachsene, gesunde und unversehrte Bürger prinzipiell als zum Priesterdienst befähigt galt und potentiell Priester werden konnte. Eine Aufhebung des Gegenübers von Priester und Volk war damit jedoch nicht verbunden. Das reihum vergebene Priesteramt an einzelne Bürger war noch lange kein „Priestertum aller“.

Kapitel II

Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit M. Himmelfarb hat in einem jüngeren Beitrag auf den schlichten und in seiner Bedeutung nicht immer angemessen gewürdigten Umstand aufmerksam gemacht, dass die zahlreichen und konfliktträchtigen Diskussionen um das jüdische1 Priestertum und den Jerusalemer Tempel, die in den drei folgenden Kapiteln Gegenstand der Untersuchung sind, auf der Grundlage einer nunmehr vorliegenden Tora erfolgten,2 wobei nach wie vor umstritten ist, welchen Umfang und welche Gestalt diese hatte und wann genau sie ihre kanonische Form fand. Die allgemeine Kenntnis dieser Tora wurde 1 In den vergangenen Jahren wurde v.a. in der angelsächsischen Judentumsforschung darüber diskutiert, ob „Judentum/jüdisch“ eine adäquate Bezeichnung für die Epoche des zweiten Tempels in Israel/Palästina ist. Im Hintergrund steht die Frage, wie sich sprachlich die Differenz zwischen Religionszugehörigkeit (jüdisch?) und der geographischen Bestimmung von Einwohnerschaft (judäisch?) ausdrücken lässt. Während im Deutschen im Begriff „jüdisch“ wenigstens noch „Juda“ anklingt, ist im englischen „jewish“ noch nicht einmal das der Fall. Es war v.a. S. MASON, der sich im Rahmen der großen Kommentarreihe zu den Schriften von Flavius Josephus vehement für die Übersetzung „Judean War“ bzw. „Judean Antiquities“ als Alternative zu „Jewish War“ bzw. „Jewish Antiquities“ eingesetzt hat, vgl. S. MASON, Flavius Josephus. Zur Debatte vgl. die Beiträge von D.R. SCHWARTZ, ‚Judean‘ or ‚Jew‘?; P.F. ESLER, Ioudaioi; DERS., Identity; DERS., Hebrews. Da die Debatte noch lange nicht abgeschlossen, geschweige denn ein Konsens in Sicht ist, wird in dieser Studie die herkömmliche Bezeichnung „(Früh)Judentum/ (früh)jüdisch“ verwendet. 2 H IMMELFARB, Kingdom, 23ff., verweist dabei u.a. auf Neh 13,4–9, wo Nehemia den Ammoniter Tobija, einen Verwandten des Hohepriesters Eljaschib, aus der ihm eingeräumten Tempelkammer wirft. Dies konnte der Nicht-Priester Nehemia nur auf der Grundlage des vorliegenden „Buches des Mose“ tun, vgl. Neh 13,1–3, das ihm offensichtlich die Autorität gegenüber dem Hohepriester verlieh. Der autoritative Text der öffentlich gelesenen und auf diese Weise proklamierten Tora, vgl. Neh 8,1ff. verlieh diesem frommen Gouverneur die Vollmacht, als „Laie“ zum Kritiker des Hohepriesters zu werden, vgl. HIMMELFARB, Priests, 25: „Nehemia, a lay man with no claim to priestly authority, was able to appeal to the text to justify what in an earlier day would have been understood by one and all as a usurpation of the high priest’s prerogative.“ Dasselbe Phänomen lässt sich auch bei Texten beobachten, die selbst wohl aus priesterlichem Hintergrund stammten, wie 4QMMT, das Wächterbuch (äthHen 1–36) und das aramäische Levi-Dokument. Auch sie äußern ihre Kritik am priesterlichen Handeln nicht auf der Basis priesterlicher Standestraditionen, sondern auf der Grundlage der Tora, a.a.O., 28.

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

somit für die Epoche des zweiten Tempels zu einem zentralen Kennzeichen jüdisch-nationaler Identität.3 Nunmehr konnte sich jeder Jude ein eigenes Urteil über die Torakonformität des priesterlichen Dienstes bilden und bei begründeten Zweifeln selbstbewusst auf dieses Grundlagendokument des Judentums verweisen.4 Bedenkt man, dass in frühjüdischer Zeit zahlreiche Gruppierungen die priesterliche Integrität und den korrekten Kultvollzug als Grundlage für das Wohl und Wehe des gesamten Volkes betrachteten, wird die Brisanz dieser verbreiteten Urteilsfähigkeit deutlich. Aus diesem Grund würde es hier wenig Sinn machen, die Geschichte des Priestertums im Alten Testament nachzuzeichnen, in deren Erforschung die atl. Wissenschaft in den vergangenen 150 Jahren so viel Arbeit und Mühe investiert hat. Denn das in der Forschung entworfene Bild von der Entstehung des atl. Priestertums ist ein völlig anderes als jenes, das Nehemia und seinen Zeitgenossen bei der Verlesung der mittlerweile normativen Tora zur Zeit des zweiten Tempels vor Augen stand. Um die wachsende Kritik am Priestertum in jener Zeit und die schon in verschiedenen atl. Texten erhoffte, ja ersehnte (eschatologische) Reformation, Erneuerung oder gar Transformation, sowie die einsetzende Metaphorisierung des Priestertums zu verstehen, gilt es den hinter dem Phänomen des jüdischen Priesters stehenden religiösen Status zu erfassen. Während sich die atl. Wissenschaft auf das Intensivste mit der Rekonstruktion der Geschichte des Priestertums, dem Verhältnis, Konflikt und der Konkurrenz zwischen Aaroniden, Zakodiken und Leviten sowie der Beschreibung priesterlicher Funktionen und Regelungen beschäftigt hat, wurde der Frage nach dem Verständnis des priesterlichen Status verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit zu Teil.5 Dies mag auch daran liegen, dass wir über den religiösen Status eines Priesters in keinem atl. Text informiert werden. Es verhält sich auch bei dieser Frage so, wie bei vielen offenen Fragen der Altertumsforschung: In den Quellen werden gewöhnlich nur ein Soll-Zustand beschrieben, die äußeren Vollzüge geregelt, Normabweichungen erwähnt, diskutiert und stigmatisiert, sowie Konflikte überliefert. Die sinnstiftende Begründung von Tempeln, Priestern und Opfern galt dem antiken Menschen als „selbst-verständlich“ und wird auch in den paganen Quellen so gut wie nie thematisiert (→I.1, Anm 3). Eine wesentliche These dieser Studie ist, dass die massive Kritik, mit der sich das Jerusalemer Priestertum v.a. in der Epoche des zweiten Tempels konfrontiert sah, auf einer Bedrohung des priesterlichen Status und in der Folge auf einem Zweifel an der Wirksamkeit der priesterlichen Han3 H IMMELFARB, Kingdom, 27, mit Verweis auf D.M. GOODBLATT, Elements of Ancient Jewish Nationalism, Cambridge 2006, 43–48. 4 Vgl. auch HIMMELFARB, Kingdom, 162. 5 Im Folgenden beziehe ich mich hierzu u.a. auf die kurzen Beiträge von CHEUNG, Priest, 265–269, und DAVIES, Priesthood, 149–169.

Exkurs 1: Das historisch-kritische Bild

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delns beruhte. Im Gegensatz dazu ist die Metaphorisierung des Priestertitels im Neuen Testament in der Neu-Stiftung priesterlichen Seins durch das in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi offenbarte Heilsgeschehen begründet. In diesem Kapitel soll auf der Basis eines hier sachgemäßen „kanonischen Zugangs“ nach einem einleitenden Überblick über die Struktur und das Profil des jüdischen Priestertums in einem zentralen zweiten Teil nach diesem priesterlichen Status vor Gott gefragt werden, der bereits in der Darstellung der paganen Priestertümer eine wesentliche Rolle spielte (→I.2).6 Der Zugang zu diesem Statusverständnis wird über die priesterliche Heiligkeitstheologie, sowie über die Voraussetzungen und Funktionen des priesterlichen Dienstes gewonnen. Die hier erarbeiteten Ergebnisse bilden dann die Grundlage für die Darstellung der vor- und frühnachexilische Kritik am Priestertum im dritten Teil und der eschatologischen Hoffnungen des Alten Testaments im Blick auf das Priestertum in einem abschließenden vierten Teil. Vor dem Hintergrund dieser Konzeption kann im Blick auf das historisch-kritische Bild ein knapper Exkurs genügen. Exkurs 1: Das historisch-kritische Bild der Geschichte des israelitischen Priestertums Exkurs 1: Das historisch-kritische Bild „Eine Geschichte des alttestamentlichen Priestertums zu entwerfen ist wegen der Unsicherheit von Alter, Herkunft, Entstehung und Komposition der Quellen und der vielfach unklaren und widersprüchlichen Nachrichten über das Auftreten und Wirken von Priestern schwierig.“7 Diese einleitende Bemerkung von Henning Graf Reventlow zu seinem TRE-Artikel über das atl. Priestertum bringt das Problem der historischen Annäherung auf den Punkt: Angesichts der kaum entwirrbaren Quellenlage ist es der atl. Forschung bisher nicht gelungen, ein überzeugendes und konsensfähiges Bild von der Geschichte des atl. Priestertums zu gewinnen. Von daher ist die Entstehungsgeschichte des atl. Priestertums bis heute unlösbar mit der Forschungsgeschichte zu dieser Geschichte verwoben. Als Ausgangspunkt dieser Forschungsgeschichte muss nach wie vor der epochale Entwurf Julius Wellhausens gelten, den er 1878 in seinen „Prolegomena zur Geschichte Israels“ vorstellte. Wellhausens Rekonstruktion der Geschichte Israels nahm seinen Ausgang bei der Diskrepanz zwischen dem „gewaltigen Apparat des Kultus“8 während Isra6 Grundlage der Darstellung sind neben den einschlägigen Lexikonartikeln auch die Einführungen bei SCHÜRER/VERMES, History II, 237–308; SANDERS, Judaism; M ILGROM, Lev 1–16, 52–57; GUSSMANN, Priesterverständnis, 31–197; STERN, Aspects, 561–579, und v.a. J. SCHAPER, Priester und Leviten; vgl. aber auch W ELLHAUSEN, Prolegomena; B AUDISSIN, Geschichte; KAUFMANN, Religion of Israel; DE VAUX, Ancient Israel; GUNNEWEG, Leviten; CODY, History; HARAN, Temple; NELSON, Faithful Priest; MILLER, Origins. 7 REVENTLOW, Art. Priester, 383. Ähnlich skeptisch äußert sich auch H.-J. FABRY in einem jüngeren Beitrag, Jesus Sirach und das Priestertum, 268: „Das Alte Testament ist offensichtlich nicht mehr in der Lage, die Herkunft der Ahnherren der Priesterschaft exakt zu markieren.“ 8 WELLHAUSEN, Prolegomena. 124.

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

els Wüstenzeit und den dezentralisierten, relativ ungeregelten und schlichten Verhältnissen während der Richterzeit, wo von ortsfesten Kulthöhen unter freiem Himmel,9 verschiedenen Privatheiligtümern10 und einer freien Berufung von Nicht-Leviten zum Priesteramt11 die Rede ist.12 Als Beispiel für den Gegensatz zwischen dem hochentwickelten Kult der Wüstenzeit und der ungleich schlichteren Praxis nach der Landnahme diente der Ephraimiter Samuel, der jede Nacht neben der Lade schlief (1Sam 3,3), während nach der mosaischen Gesetzgebung sich doch nur der Hohepriester13 einmal jährlich am YomKippur in ihre Nähe wagen durfte.14 Auf dem Hintergrund seines evolutiven Geschichtsbildes kam Wellhausen zu dem Ergebnis, eben jene Richterzeit als die Geburtstunde des israelitischen Gottesdienstes zu betrachten.15 Am Anfang des israelitischen Priestertums im Land Kanaan stand demnach das noch unpriesterliche Opfer von Sippenoberhäuptern, die in dem Maße an Bedeutung gewannen, in dem einzelne Familien an bestimmten Heiligtümern ihren Einfluss vergrößerten, so z.B. das Haus Elis in Silo (1Sam 1,3), dessen Nachkommen später in Nob wieder in priesterlicher Funktion zu finden sind (1Sam 21,2; 22,9.11).16 Ein weiteres Indiz sah Wellhausen in Ezechiels verweigerter Zulassung von Leviten für priesterliche Aufgaben im Jerusalemer Tempel (Ez 44,6–16). Wellhausen zog daraus zum einen die Schlussfolgerung, dass die Trennung des Heiligen vom Profanen nicht im Wesen des Tempeldienstes selbst gelegen habe, wie die Zulassung von heidnischen Tempeldienern (Ez 44,6–9) beweise.17 Zum anderen habe Ezechiel die Leviten auf den Status von Tempelsklaven herabgestuft, obwohl sie vorher Priesterfunktionen wahrgenommen hatten. Ezechiel habe durch die Konstruktion „moralischer“ Gründe zugunsten des exklusiven Priestertums der Zadokiden die Leviten stigmatisiert, obwohl der Unterschied beider Gruppen in Wahrheit nicht moralischer, sondern zufälliger Natur gewesen sei, insofern die Zadokiden am Jerusalemer Heiligtum dienten und die Leviten an den ländlichen Höhenheiligtümern (2Kön 23,9). Im Grunde hätten Ezechiel und seine Schule die Unterscheidung von Priestern und Leviten erst eingeführt, die später bei P als „seit ewigen Zeiten“ bestehend vorausgesetzt wird.18

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1Sam 9,14.19; 1Kön 3,4; vgl. 1Kön 12,31. Erwähnt werden das Heiligtum des Ephraimiters Micha in Ri 17,5, das Heiligtum in Dan, Ri 18,30; vgl. 1Kön 12,29, und das Heiligtum der Familie Elis in Silo, 1Sam 1,3; 2,12–17. In der frühen Königszeit werden Lokalheiligtümer in Rama, 1Sam 7,17, Gibeon, 1Kön 3,4f.; 1Chr 16,39f., und Bethel, 2Kön 17,28f.; 23,19, erwähnt. 11 Vgl. 1Sam 2,18; 3,1 mit 1,1; 1Sam 21f.; 2Sam 8,17f.; vgl. auch 1Kön 12,31. 12 WELLHAUSEN, Prolegomena, 125ff. 13 Der deutsche Begriff „Hohepriester“ wird im Rahmen dieser Studie nach den Regeln der neuen Rechtschreibung in seinem ersten Wortteil nicht mehr gebeugt. 14 WELLHAUSEN, Prolegomena, 128. 15 WELLHAUSEN, Prolegomena, vgl. auch a.a.O., 137: „Mit den erkennbaren Stufen der historischen Entwicklung die Schichten des Pentateuchs in Parallele zu stellen, gelingt hier im ganzen leicht.“ 16 Auch DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 72, geht von einer Ausprägung kultischer Funktionen des Priesters erst in der Königszeit aus und verweist dabei auf 2Chr 26,18, wo der König Ussia (748–740 v.Chr.) wegen seines Eingriffs in priesterliche Aufgaben getadelt wird. 17 WELLHAUSEN, Prolegomena, 120. 18 WELLHAUSEN, Prolegomena, 122.136. 10

Exkurs 1: Das historisch-kritische Bild

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Aufgrund dieser Beobachtungen charakterisierte Wellhausen die differenzierten Regelungen des mosaischen Priestergesetzes mitsamt dem aaronidischen Priestertum als eine spätere, nachexilische Fiktion.19 Damit war die sog. Priesterschrift und mit ihr ein neues Bild der Geschichte Israels geboren. Mit der Bestimmung des fiktionalen Charakters des aaronidischen Erbpriestertums und seiner chronistischen Genealogie in 1Chr 5,27–41; 6,35–38; Esr 7,1–5 (vgl. 1Chr 9,11; Neh 11,11) trat in Wellhausens Rekonstruktion der Jerusalemer Oberpriester Zadok und die von ihm begründete Dynastie an den Beginn des israelitischen Erbpriestertums (1Kön 2,35; vgl. 2Sam 8,17; 15,24–29; 17,15; 19,12).20 Nach Wellhausen hat dann die nachexilische Priesterschrift die Stellung des Priestertums allgemein gestärkt und den Vorrang des zadokidischen Priestertums mit einer fiktiven genealogischen Ableitung von Aaron („Aarons Söhne“) gegenüber den Leviten zementiert.21 Die Priesterschrift habe auch die Figur des Hohepriesters eingeführt, der hier eine ungleich größere Rolle spiele als der Oberpriester in den vorexilischen Schriften.22 Diese gegenüber der Königszeit erheblich ausgeweitete Machtposition sei nur in einer Zeit denkbar, in der Israel kein selbstständiges Staatsgefüge war, wofür nach Wellhausen in erster Linie die Zeit nach dem Exil in Frage kommt. Wellhausens Neukonzeption der Geschichte des atl. Priestertums und letztlich der Geschichte Israels im Ganzen hat sich in der Forschung zum Alten Testament durchgesetzt und bildet in ihrem Grundgerüst bis heute die Grundlage atl. Forschung, auch wenn es immer wieder kritische Stimmen gab und gibt.23

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WELLHAUSEN, Prolegomena, 122f. WELLHAUSEN, Prolegomena, 123f. 21 WELLHAUSEN, Prolegomena, 142. 22 WELLHAUSEN, Prolegomena, 145f. 23 Widerspruch erfuhr WELLHAUSEN in der 1889 erschienen großen Untersuchung von W.W. GRAF V. B AUDISSIN über „Die Geschichte des alttestamentlichen Priesterthums“. Er konnte und wollte weder W ELLHAUSENS nachexilischer Datierung der Priesterschrift, a.a.O., 274.278f., noch der These von der Fiktivität des aaronidischen Priestertums, a.a.O., 275, und der zadokidischen Rekonstruktion der aaronidischen Genealogie folgen, sondern hielt sowohl die Person Aarons wie die Abstammung Zadoks von demselben für historisch, a.a.O., 22–25.223f. Durchsetzen konnte er sich damit freilich nicht. In jüngerer Zeit kritisierte M. HARAN, Art. Priests, 1071f., der zur Schule Y. KAUFMANNS gehört, an WELLHAUSENS Entwurf die fehlende Unterscheidung von „Altar“ und „Tempel“ und die mangelnde Identifikation der priesterlich handelnden Familien. Gegenüber WELLHAUSEN betont er zum einen, dass in Tempelheiligtümern in der Tat nur Priester zum Kultdienst zugelassen gewesen seien, nicht jedoch an den zahlreichen Altären, die über das Land verteilt standen und zu denen auch die Höhenheiligtümer zu rechnen seien. Hier sei der Opferdienst nicht reglementiert gewesen; vgl. ebd., 1072: „Thus, the historical reality was that at individual altars every man of Israel was entitled to perform cultic activities, whereas in the temples the right to officiate as priests was reserved for specific families which generally traced their lineage to the tribe of Levi.“ Zum anderen macht HARAN darauf aufmerksam, dass die Familien bzw. Priester, die im Kontext der altisraelischen Heiligtümer erwähnt werden, durchgängig mit dem Stamm Levi verbunden waren. Dies gilt für die Familie Elis, 1Sam 2,,27f.; 14,3; 21,2; 22,9.19, ebenso wie für das Heiligtum in Dan, Ri 17,7.12f.; 18,3.18–20.30f., und auch für Zadok, dessen levitische Abkunft in 2Sam 15,24 angedeutet wird und dessen Nachfahren noch Ezechiel als „Söhne Levis“ anspricht, Ez 40,46; 43,19; 44,15. Vom Stamm Levi aber waren wie20

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

Zustimmung erfährt Wellhausens Rekonstruktion zumindest in ihren Grundzügen auch noch über 100 Jahre später von J. Schaper, der in seiner Habilitationsschrift aus dem Jahr 2000 den ausführlichsten Überblick über die Geschichte des Priestertums in jüngerer Zeit vorgelegt hat. Demnach ist die Dichotomie von Priestern und Leviten keine Entwicklung der Frühzeit Israels, sondern ein Ergebnis vorexilischer Prozesse im Zusammenhang der josianischen Kultreform. Durch Josias Abschaffung der zahlreichen Lokalheiligtümer und die Kultzentralisation im Jerusalemer Tempel wurden die jahwistischen Höhenpriester (2Kön 23,9), die schon Wellhausen mit den Leviten (Dtn 18,6–8) identifizierte,24 ihrer eigentlichen Funktion – und damit auch ihrer Existenzgrundlage – beraubt.25 Gleichzeitig wurde ihnen von der zadokidischen Priesterschaft Jerusalems die „monotheistische Integrität“ abgesprochen.26 Folglich wurden sie nicht als gleichwertig anerkannt und zu einer subalternen Funktion als „Priester zweiter Klasse“ degradiert.27 Das dtn. Priestergesetz (Dtn 18,1–8; vgl. 17,9; 33,8–11), das keine Unter-

derum ca. ein Viertel Aaroniden; vgl. Jos 21,4–8: die aaronidischen Sippen bekommen 13 von insgesamt 48 levitischen Städten. Schließlich datiert J. MILGROM, ebenfalls im Anschluss an Y. KAUFMANN, in seinem voluminösen Leviticus-Kommentar, Lev 1–16, 3–13, P nicht nur vorexilisch, sondern spätestens ins 8. Jh. v.Chr. Er weist 22 klassische P-Begriffe nach, die im Vergleich mit Ezechiel vorexilisch sein müssen und sieht das Deuteronomium von P abhängig, nicht umgekehrt, vgl. a.a.O., 9: „There is not one demonstrable case in which P shows the influence of D … The reverse situation, however – that D is dependent on P (and H) – is manifest in many instances.“ Treffen M ILGROMS Analysen zu, dann muss auch die an W ELLHAUSENs Forschungen orientierte „Geschichte des atl. Priestertums“ neu geschrieben werden. 24 SCHAPER, Priester und Leviten, 80ff. 89. Diese Identifikation wurde jedoch von GUNNEWEG, Leviten, 81.118–126.188–203, und HARAN, Art. Priests, 1084, bestritten. Nach GUNNEWEG habe der Unterschied zwischen Priestern und Leviten bereits vor der josianischen Reform bestanden. Das Dtn war nach GUNNEWEG ein levitisches Restaurationsprogramm, das eine „theoretische Levitisierung der Priester“ verfolgte. Dagegen basieren HARANs Einwände auf seiner Unterscheidung von „Altar“ und „Tempel“. Weil der Opferkult an den Altären prinzipiell jedermann offen gestanden habe, während der Dienst an Tempelheiligtümern prinzipiell Familien levitischer Abstammung oblag, kann es sich bei den Priestern der Höhenheiligtümer nicht um Leviten gehandelt haben. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass ihnen der Zugang zum Opferdienst am Jerusalemer Zentralheiligtum verweigert wurde. 25 SCHAPER, Priester und Leviten, 79f.82; REVENTLOW, Art. Priester, 384. 26 FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 203: „Diese Hermeneutik des Verdachts sollte sie für den Priesterdienst irregulär machen“. 27 Freilich ist auch die Frage nach dem historischen Auftreten der Zadokiden umstritten. Während SCHAPER, Priester und Leviten, 80; OTTO, Art. Zadok/Zadokiden, 1775, und REVENTLOW, Art. Priester, 384, sie erst in josianischer Zeit als die maßgebliche Priestergruppe am Jerusalemer Tempel identifizieren und Zadok für eine fiktive, nachträglich stilisierte Gestalt halten, gehen sie nach FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 202; DERS., Zadok, 440, bereits auf die historische Figur des (ehemals jebusitischen?) Zadok zurück, 2Sam 8,17; 1Chr 16,39, wobei auch er mit Rückprojektionen rechnet. Zadok erscheint in der Thronnachfolgeerzählung Davids als homo novus und wird neben Abjathar Hofpriester unter König David, 2Sam 8,17; 15,24–29.35; 17,15; 19,12; 20,25. Nachdem Abjathar in Ungnade fiel, wurde Zadok alleiniger Oberpriester am Tempel

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scheidung von Priestern und Leviten kennt und in dem die Begriffe austauschbar sind,28 ist auf diesem Hintergrund eine Reaktion auf die Degradierung der Leviten.29 Es stellt nach Schaper eine kultisch-rechtliche Verordnung dar, die auf der Fiktion basiert, dass am Jerusalemer Tempel levitische Priester amtierten, was vor der josianischen Kultreform nie der Fall gewesen sei. Die Verfasser hätten durch die „theoretische Levitisierung des Priestertums“ einen „ideologischen, rechtlichen und praktischen Ausgleich“ für die ihrer Existenzgrundlage beraubten Leviten intendiert.30 Der Plan sei jedoch an der zadokidischen Priesterschaft gescheitert, was in 2Kön 23,9 reflektiert werde. R. Albertz sieht in den Zadokiden die vorexilischen Träger des Jerusalemer Tempel- und Staatskultes und, als königliche Beamte der davidischen Dynastie, die Hauptvertreter der Tempelund Königstheologie.31 Sie konnten den drohenden Verlust ihrer Privilegien und ihres Einflusses durch eine Allianz mit den Davididen um Josia nicht nur abwehren, sondern aufgrund der Abschaffung der Höhenheiligtümer sogar beträchtlich steigern.32 Nach

Salomos, 1Kön 2,26f.35; 1Chr 16,39. REVENTLOW, Priester, 383f.; FABRY, Art. Zadok, 440f.; ders., Zadokiden und Aaroniden, 202, u.a. sehen in ihm den Oberpriester des jebusitischen Stadtheiligtums Jerusalems, der seinen Einfluss nach der Eroberung der Stadt durch David erfolgreich verteidigen konnte und nun im neuen Kult die alte Funktion ausübte. Dagegen sieht ihn HARAN, Art. Priests, 1072, vgl. DERS., Temple, 80–82, in der levitischen Abstammungslinie, da er keinen Grund erkennen kann, die Notiz „und alle Leviten, die bei ihm waren“ in 2Sam 15,24 als eine nachträgliche Levitisierung Zadoks zu verstehen; vgl. zum Problem auch F.M. CROSS, Canaanite Myth, 207–215. 28 Vgl. Dtn 17,9; 18,1; 27,9.14; 31,9.25; der gewöhnliche Terminus im Deuteronomium lautet hier ~YIwIl.h; ~ynih]Koh;. Nach J.G. MCCONVILLE, Law, 139, sei sich der Vf. des Deuteronomiums der Unterschiede zwischen Priestern und Leviten durchaus bewusst gewesen, er habe sie lediglich nicht deutlich markiert. Für GUNNEWEG, Leviten und Priester, 128, hat das Deuteronomium die Leviten zu Schlüsselfiguren stilisiert, welche ein Ideal des Volkes Gottes darstellen sollen. Vgl. auch W ELLS, People, 122: „The relation of the Levite to Israel in Deuteronomy is such as to be an ideal representation of how the whole people should stand both to Yhwh and to the land.“ 29 Dem widerspricht MAIER, Priester, 82–85, entschieden. Generell sieht er den in der Forschung stark hervorgehobenen Gegensatz zwischen Priestern und Leviten als eine Verzeichnung der historischen Verhältnisse. 30 SCHAPER, Priester und Leviten, 90; ähnlich W ILLI, Leviten, 91: „Wer in Jerusalem Priesterdienst versah, oder wer überhaupt einer Priesterfamilie angehörte, ob in der Heimat oder in der Diaspora, der berief sich nun auf ‚Levi‘. [...] Diese Sprachregelung erscheint ambivalent. Einerseits mag sie als weitere Usurpation levitischen Erbes durch die ohnehin schon bevorrechteten Priester wirken. Andererseits verlieh sie den nichtpriesterlichen Trägern levitischer Traditionen einen gewissen geistigen und moralischen Rückhalt.“ 31 ALBERTZ, Religionsgeschichte II, 447f. 32 SCHAPER, Priester und Leviten, 91–94. Er vermutet hinter diesen Konfliktparteien dieselben Kreise, die bereits in der Thronnachfolgegeschichte Davids in Form der „Jerusalemer Partei“ um Salomo und den homo novus Zadok, 1Kön 1,43–48, mit der „HebronPartei“ um Adonija und dem Eliden Abjathar, 1Sam 22,20, um die Vormachtstellung konkurrierten. Ähnlich F ABRY, Zadokiden und Aaroniden, 202, der für die davidische Zeit einen kulturpolitischen Konflikt zwischen einer „jerusalemer-kanaanäischen Königsideologie“, für die der Name Zadok stand, und einer „konservativ tribal orientierten altisraelitischen Königskonzeption“, für die der Name Abjathar stand, vgl. 2Sam 8,17 u.ö., in

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

Schapers Rekonstruktion wurden die Zadokiden nach der Reform durch eine genealogische Fiktion als „levitische Priester“ bezeichnet und damit im Rahmen des althergebrachten Priestertums legitimiert (Ez 43,19; 44,15). Faktisch erhielten sie damit das Monopol auf alle priesterlichen Funktionen in Juda und Jerusalem.33 Dies änderte sich in dramatischer Weise durch die Ereignisse, die zur Exilierung der jüdischen Führungsschicht führte. Während neben der zadokidischen Priesterschaft auch die Jerusalemer Leviten ins Exil mussten, blieben nach Schapers Analyse die jahwistischen Landleviten und die Abjathariden von der Deportation verschont.34 Sie waren die Profiteure der babylonischen Umverteilung des Landbesitzes und möglicherweise waren sie es auch, die im zerstörten Jerusalemer Tempel einen Kult aufrecht erhielten.35 Nach der Exilszeit36 musste es zwischen eben diesen nichtzadokidischen Priestern und den heimkehrenden Zadokiden zu Spannungen kommen, weil diese den Anspruch auf ihre alten Privilegien geltend machten. Einen Ausdruck dieser Geltungsansprüche stellt der von H. Gese als „Zadokidenschicht“ bezeichnete Teil des Ezechielbuches dar (im Kern v.a. Ez 44,6–31).37 Ihre scharfe Kritik richtete sich v.a. gegen die im exilszeitlichen

Erwägung zieht. Aus diesem Urkonflikt und dem siegreichen Ende für Zakok sei dann die Spannung zwischen der zadokidischen Jerusalemer Priesterschaft und den nachgeordneten Aaroniden entstanden, vgl. FABRY, ebd.: „Die Nachordnung Abjathars zielt über seine Herleitung von den Eliden letztlich auf eine Nachordnung Aarons und der Aaroniden. Dieser kritische Code wird weiter implementiert in der Zeichnung Aarons als Gegenspieler Moses (Ex 32; Num 12) und der Verfluchung der aaronidischen Eliden (1Sam 2,27–36).“ 33 SCHAPER, Priester und Leviten, 118; ebenso FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 203. 34 SCHAPER, Priester und Leviten, 162f. 35 SCHAPER, Priester und Leviten, 163–168, mit Hinweis auf Jer 41,5; Bar 1,1–14; Thr 1,4; Ps 74,8. Damit schließt sich SCHAPER an die 1956 von J UDGE, Aaron, 70–74, vorgestellte These an, wonach die Priester, die den Jerusalemer Kult während der Exilszeit aufrecht erhielten, Abjathariden waren. 36 FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 202, sieht bereits in der Exilszeit Zeichen für ein verändertes Bild. Das Schweigen der priesterlich geprägten Literatur über Zadok und die Zadokiden – mit Ausnahme der Zadokiden-Schicht Ezechiels! –, sowie die massive Aufwertung der Figur Aarons und damit der aaronidischen Priester, Ex 28f.; Lev 8–10; Num 16–18, sind für ihn ein deutliches Zeichen neuer Machtverhältnisse. Den damit postulierten Dissens zwischen Ezechiel und der priesterlichen Literatur kann jedoch auch FABRY nicht erklären, ebd., 202. 37 GESE, Verfassungsentwurf, 67; vgl. auch ALBERTZ, Religionsgeschichte II, 446– 459. Nach ALBERTZ, ebd., 452f. haben „die Zadokiden alle nicht-zadokidischen Priester, die dem Jerusalemer Tempel durch die josianische Kultzentralisation zugewachsen waren, mit dem Begriff ‚Leviten’ bezeichnet. Sie billigten damit der um ihre Rechte kämpfenden Konkurrenzgruppe ihre Zugehörigkeit zum Kultpersonal zu, degradierten sie zugleich aber zum clerus minor.“ Während die heiligen Kulthandlungen im innersten Bereich des Tempels den Priestern vorbehalten waren, Ez 40,46b; 43,19; 44,15f.; 48,11, wurde den Leviten der sog. „Hausdienst“ in den äußeren Vorhöfen zugewiesen, der u.a. Türhüterdienste und das Schlachten der privaten Laienopfer, Ez 44,11, umfasste. Eine andere Sicht vertritt dagegen MAIER, Priester, 90f., der in Ez 44 lediglich den Versuch der Zadokiden sieht, als Eleazar-Pinchas-Nachkommen ihre angestammten Privilegien und Positionen zu wahren.

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Juda am Tempel tätigen Leviten. Das Ergebnis dieses Konflikts war eine Neuverteilung der priesterlichen Aufgaben: Nach Ez 44,6–16 durften die Leviten am Tempel nur noch untergeordnete Aufgaben ausüben. Vom Altardienst waren sie ausgeschlossen. Schaper vermutet in der Konkurrenz der Landleviten, Abjathariden und Aaroniden auf der einen und der Zadokiden auf der anderen Seite den Schlüssel für das Verständnis der Auseinandersetzungen um Tempel, Priestertum und Hohepriesteramt38 in der nachexilischen und achämenidischen Epoche.39 Die nun offen zu Tage tretende Kluft zwischen Priestern und Leviten40 hat vorexilische Ursprünge, wurde wohl bereits am Tag der Tempelweihe (515 v.Chr.) bestätigt (Esr 6,18) und lässt sich auch aus den Heimkehrerlisten bei Esr/Neh gut erkennen (Esr 2,36–39.40).41 In der Ära Nehemias und Esras identifiziert Schaper in den Leviten die eigentlichen Verbündeten Nehemias und Esras in der Tempelhierarchie. So legt Esra größten Wert darauf, dass auch Leviten mit aus dem Exil nach Israel ziehen (Esr 8,15–20), und später achtet er auf eine paritätische Ämter- und Aufgabenverteilung zwischen Priestern und Leviten (Esr 8,33f.; Neh 13,13). Auffallend ist weiter die offensichtliche Nichtbeteili38

Über die Erbfolge des Hohepriesteramts in achämenidischer Zeit nach Josua gibt eine Notiz in Neh 12,10f.; vgl. 12,22f. sowie Jos Ant 11f., Auskunft; vgl. hierzu VANDERKAM, Joshua, 43–111. DERS., a.a.O., 85–99, diskutiert auch die Frage der Vollständigkeit der nehemianischen Erbfolgeliste. Das Problem ergibt sich aus dem Umstand, dass für einen Zeitraum von über 200 Jahren lediglich sechs Hohepriester angeführt werden. Nach ausführlicher Abwägung der Möglichkeiten einer Haplographie kommt VANDERKAM aber zu dem Schluss, dass die Liste vertrauenswürdig ist, die Amtszeiten zwar sehr lange aber nicht unwahrscheinlich sind. 39 SCHAPER, Priester und Leviten, 188. Als entscheidendes religionspolitisches Instrument der Spätzeit der achämenidischen Herrschaft vermutet er die Umschreibung priesterlicher und levitischer Genealogien im Chronikbuch und in Teilen der Priesterschrift. Die Traditionsgeschichte dieser Genealogien ist ein Reflex auf die Geschichte der Kultushierarchie: Der „Umbau“ von Genealogien war „eine höchst wichtige Methode zur Erstellung von kohärenten und scheinbar widerspruchsfreien Darstellungen priesterlicher und levitischer Abstammungsverhältnisse [...] und [diente] damit zugleich der Legitimierung der zur Zeit der Abfassung vorherrschenden Kulthierarchie und ihrer Pläne ...“, a.a.O., 269. Als Beispiele führt SCHAPER die aaronidische Abstammung Esras, Esr 7,5; vgl. Neh 10,39; 12,47, die Projektion des Hohepriestertums in vorexilische Zeit, 1Chr 5,27–41, und die Integration der Zadokiden in die aaronidische Genealogie, 1Chr 5,34; vgl. 24,1–3; sowie 18,16; 27,17, an. Allerdings hat jüngst MAIER, Priester, 79, vor einer allzu starken Betonung der Differenzen zwischen Priestern und Leviten bzw. zwischen „levitischen Priestern“, Aaroniden und Zadokiden gewarnt. Aus seiner Sicht sollte die einende Kraft gemeinsamer Interessen, die beide Gruppen als Kultpersonal hatten, nicht unterbewertet werden. 40 Vgl. auch KUGLER, Art. Priests (EDEJ), 1096. Die Trennung lässt sich über die Statthalterschaft Nehemias, Neh 11,36, bis in die spätpersische Zeit hinein verfolgen, vgl. Num 1,53; 3,25; 8,26; 18,3–5 u.ö. 41 STERN, Aspects, 596, führt die geringe Zahl der zurückkehrenden Leviten auf zwei Umstände zurück: Einmal konnten die Priester viel hoffnungsvoller auf die Restauration der Verhältnisse in Judäa blicken als die Leviten, da ihnen dabei eine Führungsrolle zukommen würde. Zum anderen dürften von vornherein viel weniger Leviten nach Babylon deportiert worden sein, weil sie auch in der vorexilischen Gesellschaft keine führende Rolle inne hatten.

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

gung der Priester bei der Verlesung des Gesetzes (Neh 8) und die bedeutende Rolle der Leviten bei diesem Akt. Ihnen kam die Aufgabe der Übersetzung und Auslegung zu (Esr 8,7.11). Mit dieser Funktionsübertragung entwickelten sich die Leviten mehr und mehr von einem clerus minor zu Interpreten des Religions- und Staatsgesetzes, d.h. zu einer theologischen und juristischen Expertengilde.42 Sie etablierten sich als „Herausgeber“ der Tora und könnten überspitzt formuliert als die ersten Masoreten bezeichnet werden. Dieser Wandel im Aufgabenfeld und Selbstverständnis der Leviten stellt eine der bedeutendsten intellektuellen und religiösen Revolutionen im perserzeitlichen Juda dar.43 In späterer Zeit verschwinden die Leviten dagegen nahezu völlig aus den Augen der Geschichtsschreibung. In den Hauptquellen für die hellenistische und hasmonäische Epoche tauchen sie kaum mehr auf. Bei Ben Sira und im 1. Makkabäerbuch werden sie nicht mehr erwähnt, selbst nicht in Kontexten, wo man ihre Beteiligung erwarten würde. Es findet sich keine herausragende Persönlichkeit mehr, die levitischer Abkunft gewesen wäre.44 Auch in der großen Jerusalemer Versammlung in der Herrschaftszeit des Hasmonäers Simeon bleiben die Leviten unerwähnt. „This silence reflects the relative decline of the Levites as a social class in the Hellenistic period in contrast to the priests.“45 Möglicherweise gingen die Leviten in der neuen Bewegung des Pharisäismus auf, 46 mit der sie eine große Schnittmenge an Interessen und Kompetenzen verband, v.a. das Interesse an der Schriftgelehrsamkeit und die hermeneutische Kompetenz der Schrift- bzw. Toradeutung.47 Ein weiterer wichtiger Baustein der nachexilischen Geschichte des Priestertums war das Amt des Hohepriesters, das in der Wertschätzung des Propheten Sacharja auf einer Stufe mit dem Gouverneur der persischen Provinz Juda zu stehen scheint.48 Schaper 42 W ILLI, Leviten, 91f.: „Für sie kam in der Tat alles darauf an, daß der Kult am Jerusalemer Tempel nicht irgendwie, sondern ‘gemäß der Tora Moses‘ – des Leviten der Leviten! – oder eben ‚wie geschrieben steht‘, geschah. Denn ihre Legitimation beruhte nicht mehr wie einst auf einem Priesterdienst im Vollsinn, sondern auf der Pflege der Überlieferung, auf der Anwendung des Wortes und auf der Auslegung der Schrift“ (kursiv bei W.). 43 SCHAPER, Priester und Leviten, 261f.265.305; vgl. auch H IMMELFARB, Kingdom, 7f. Nach 2Chr 34,13 stellten die Leviten Soferim und Beamte, die sich offensichtlich zu einer eigenen Berufsgruppe formierten. Das Chronikbuch lässt sich von daher nach SCHAPER als eine Art Manifest verstehen, mit dem die Leviten ihren Anspruch, Schriftausleger der Tora zu sein, untermauerten. 44 Die wenigen namentlich bekannten Leviten in den Jahrzehnten vor dem Jüdischen Krieg beschreibt STERN, Aspects, 598f. Unter ihnen findet sich auch Joseph Barnabas, Act 4,36. 45 STERN, Aspects, 597. STERN, ebd., erklärt diesen Niedergang mit der zunehmenden Kontrolle der Priester über die Verteilung des Zehnten, die ursprünglich ein Privileg der Leviten war. Zur „levitischen Krise“ vgl. auch LABAHN, Licht, 152–155. 46 Für diese Option sprechen sich u.a. SCHAPER, Priester, 300–308, und LABAHN, Licht, 155–159, aus. Angedeutet wird diese Möglichkeit bereits bei HENGEL, Judentum, 144f. 47 Vgl. Jos Bell 1,110; 2,162; Ant 17,41; Vit 191.197f. 48 Vgl. Sach 3,1–10; 4; 6,8–15. Zur erstmaligen Erwähnung eines Hohepriesters namens Josua vgl. auch Hag 1,1.12.14; 2,2.4 und 2Kön 25,18–21, wo von einem „Oberpriester“ die Rede ist; ferner Esr 2,2; 3,2; 5,2; 10,18; sowie VANDERKAM, Joshua, 18–42, und POLA, Priestertum, 62–264.

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schließt sich dem erreichten Forschungskonsens an, dass dieses Amt seine eigentliche Prägung erst in exilischer bzw. nachexilischer Zeit bekam, 49 wiewohl es nicht ohne vorexilische Vorgänger war, denn schon vorexilisch wurde die Jerusalemer Priesterschaft von einem primus inter pares geleitet.50 Aus diesem knappen Überblick lässt sich unschwer die einleitend zitierte Bemerkung Graf Reventlows zur Problematik einer Geschichte des atl. Priestertums nachvollziehen. Die Zahl der hypothetischen Prämissen und Rekonstruktionen, verbunden mit den ungewissen Quellenverhältnissen lässt eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich allzu weitreichender Schlussfolgerungen angeraten sein. Zu viele Fragen bleiben ungelöst, wie z.B. die überraschende Spannung der von Gese postulierten ezechielischen Zadokidenschicht zu der ihr eigentlich nahestehenden Priesterschrift mit ihrer Aaronisierungstendenz. Hypothetisch bleiben auch die Schlichtungsund/oder Domestizierungsversuche durch genealogische Konstruktionen. Überhaupt ist das Verhältnis von Zakodiken, Aaroniden und Leviten so komplex, facettenreich und vielschichtig, dass sich mit jedem Lösungsversuch neue Fragen auftun.51

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Die Verwendung des Titels für vorexilische Priester in 2Chr 34,9 und Num 35,25.28.32 erklärt DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 75, durch eine Rückprojektion oder Redaktion. Dagegen sehen HARAN, Art. Priests, 1074f., und MILGROM, Lev 17–22, 1813, im hohepriesterlichen Amt bereits eine vorexilische Institution, deren Wurzeln bis in die Richterzeit zurückreichen. Demnach war bereits Eli am Tempel in Shiloh eine Art Hoherpriester. Dass Ezechiel den Hohepriester nicht erwähnt, führt HARAN auf den Umstand zurück, dass zu seiner Zeit das Amt in den Wirren der babylonischen Eroberung schon nicht mehr existierte. 50 Während der Königszeit waren die Priester königliche Beamte, die durch einen Oberpriester, vaOrh' !heKo; vgl. 2Kön 25,18; 2Chr 19,11; 26,20; 31,10, oder einfach !heKoh; in 1Kön 4,2; 2Kön 11,9; 12,8; 2Kön 16,10f.; 2Kön 22,10.12.14, repräsentiert wurden, vgl. DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 74. In der Aufwertung des vorexilischen Oberpriesters zum frühnachexilischen Hohepriester sieht P OLA, Priestertum, 280, einen traditionsgeschichtlich vorbereiteten Prozess, der lange vor dem Exil begann. 51 Vgl. nur die einleitenden Bemerkungen von FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 201: „Glaubt man sich einer Lösung nahe, dann tauchen plötzlich Ergebnisse auf, die den Resultaten zuwiderlaufen. Glatt geht der Befund nirgends auf, wenn man den Versuch macht, Zadokiden und Aaroniden voneinander zu trennen und ihnen je ein eigenes Profil zuzuweisen. Als eine große Unbekannte mit ganz amorphen Konturen geraten dabei immer die Leviten ins Blickfeld, die sich jeder Differenzierung entziehen.“

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

1 Die Struktur des Priestertums in der Zeit des zweiten Tempels 1 Struktur in der Zeit des zweiten Tempels

1.1 Größe und Organisation Die Größe der Jerusalemer Priesterschaft52 wird zu Beginn der Epoche des zweiten Tempels in 1Chr 9,13 mit 1.760 Priestern angegeben. In einem von Josephus (Ap 1,188) überlieferten Zitat von Ps.-Hekataios aus dem 2. Jh. v.Chr. wird die Zahl der Priester, die den Zehnten erhielten, noch mit 1.500 beziffert. Der in der zweiten Hälfte des 2. Jh. v.Chr. entstandene Aristeasbrief gibt die Zahl der gleichzeitig am Tempel dienenden Priester mit 700 an (Arist 95), was wahrscheinlich auf die Wochenabteilungen zu beziehen ist.53 Bei einer Zahl von 24 Priesterabteilungen käme man dabei allerdings auf 16.800 Priester. Dies würde ein gewaltiges Anwachsen des Priestertums im 2. Jh. voraussetzen. Entsprechend schätzt Sanders die Gesamtzahl der Priester im 1. Jh. n.Chr. auf 18–20.000.54 Wenn man mit Hengel/Deines von 200.000 erwachsenen männlichen Einwohnern im Israel des 1. Jh. n.Chr. ausgeht, dann wäre aber zu jener Zeit jeder zehnte Mann Priester gewesen.55 Eine letzte Klarheit über die Priesterzahlen ist nicht mehr zu erreichen, zumal diese sich auch während der Jahrhunderte zwischen den beiden Tempelzerstörungen erheblich erhöht zu haben scheinen. Aber eine Zahl von mehreren tausend Priestern in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende ist nicht unmöglich. Wahrscheinlich wurde aufgrund dieser Menge das System der Kultdienstwoche mit einer Rotation von 24 Priesterabteilungen eingeführt,56 die zweimal jährlich je eine Woche57 zuzüglich besonderer Feiertage Dienst am Tempel verrichteten.58 Dieses System erfüllte auch eine wichtige soziale Funktion, weil es allen Priestern eine gleichberechtigte Partizipation am Kultdienst und damit auch an den Opfergaben ermöglichte.59 52

Zum Folgenden vgl. GUSSMANN, Priesterverständnis, 93f. Die Zahl erscheint nicht unrealistisch auf dem Hintergrund einer Notiz bei Josephus, wonach Herodes kurz vor Beginn des Tempelbaus noch 1000 neue Priestergewänder anfertigen ließ, Jos Ant 15,390. 54 SANDERS, Judaism, 78f.170, im Rückschluss aus Jos Ap 2,108. 55 HENGEL/DEINES, Common Judaism, 429, Anm. 100, bewerten diese Zahl dementsprechend skeptisch, ebd., 468f. 56 Siehe GLESSMER, Kultordnung. 57 Der lunar-solare Kalender, der für den Tempel galt, hatte 48 Wochen. 58 1Chr 24,1–19; vgl. Jos Ant 7,365–367 und mSuk 5,6; zur Terminologie, den Priesterdienstlisten, Dienstrichtlinien und zur kalendarischen und sozialen Funktion des Priesterdienstzyklus vgl. GUSSMANN, Priesterverständnis, 94–97. 59 Den diensthabenden Priestern (und ihren Familien) standen gewisse Teile des Opfertieres zu, vgl. Phil SpecLeg 1,145. Neben bestimmten Fleischteilen war dies v.a. auch das Fell des Brandopfertieres, vgl. Lev 7,8; Jos Ant 3,227; Phil SpecLeg 1,151, sowie die 53

1 Struktur in der Zeit des zweiten Tempels

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Die zahlreichen nachexilischen Diskussionen um Priestergenealogien und -hierarchien sind auch auf diesem Hintergrund zu lesen. 1.2 Hierarchie Hierarchisch lassen sich spätestens in nachexilischer Zeit drei grobe Kategorien unterscheiden:60 An der Spitze stand der Hohepriester bzw. seit Herodes dem Großen die hohepriesterlichen Familien, aus deren Mitte der Amtsinhaber von den jeweiligen Machthabern bestimmt wurde. Das hohepriesterliche Amt wurde durch Erbfolge in der Familie der Zadokiden weitergegeben und hatte eine Vertretungsfunktion für das gesamte Volk.61 In den letzten beiden Jahrhunderten des zweiten Tempels stand der Hohepriester an der Spitze einer mehrere tausend Mitglieder umfassenden Priesterschaft. Ihm stand auch die Leitung der Gerusia bzw. des Synhedriums zu. Das heiligste Ritual des Kultes waren ihm allein vorbehalten:62 Nur ihm war es gestattet, am großen Versöhnungstag das Allerheiligste zu betreten und die Zeremonie zu vollziehen, um durch einen Blutritus Sühne für Tempel und Volk zu erwirken (Lev 16). Nicht eindeutig ist seine Rolle im Zusammenhang mit der Verbrennung der „Roten Kuh“. In einigen Texten ist ihm der Ritus exklusiv vorbehalten,63 in anderen Texten kann diesen Ritus dagegen auch ein gewöhnlicher Priester vollziehen.64 Grundsätzlich konnte sich der Hohepriester auf Wunsch an allen Kulthandlungen beteiligen, was er in der Regel jedoch nur an hohen Feiertagen tat.65 Abgesehen vom großen Versöhnungstag durfte er bei seinen gottesdienstlichen Aufgaben den hohepriesterlichen Ornat tragen, der aus dem Ephod (Schulterkleid), dem Brustschild mit zwölf Edelsteinen und dem Kopfbund mit dem goldenen Stirnblatt (Ex 28; 39; Sir 45,6–13) besteht.

Neben dem Hohepriester amtierte diesem nachgeordnet der Tempelhauptmann, der strathgo.j tou/ i``erou/, der für die Ordnung im Rahmen des Tempelbezirks zu sorgen hatte, Befehlshaber der „Tempelpolizei“ war und der ab der herodianischen Zeit gewöhnlich auch aus hohepriesterlichen Familien stammte. Gleiches gilt für das dritthöchste Amt, dem des Tempelschatzmeisters. Dieser war für die Verwaltung der Finanzen, die ordent-

tabellarische Aufstellung der Priestereinkünfte nach Phil SpecLeg 1,132–141 und Jos Ant 4,69–75 bei GUSSMANN, Priesterverständnis, 123. Das Gros der Priestereinkünfte stammte jedoch aus dem Zehnten, der in Form von Korn, Wein, Öl und Primitialabgaben von Rindern, Schafen und anderen landwirtschaftlichen Produkten bezahlt wurde. 60 Vgl. hierzu auch GUSSMANN, Priesterverständnis, 86–88. 61 Zum hohepriesterlichen Amt: HOSSFELD/SCHÖLLGEN, Art. Hoherpriester, 4–58; J EREMIAS, Jerusalem, 167–181; SANDERS, Judaism, 319–327; SCHÜRER /VERMES, History II, 227–236.275f.; SCHWARTZ, Art. Hohepriester, 1836; SIEVERS, Art. Hoherpriester, 221–223; STERN, Aspects, 600–612. 62 Vgl. zu den (weiteren) hohepriesterlichen Aufgaben GUSSMANN, Priesterverständnis, 99; DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 75. 63 Jos Ant 4,79–81; Phil SpecLeg 1,268. 64 Num 19; mPar 3f. 65 Jos Bell 5,230.

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

liche Handhabung der heiligen Geräte und die kostbaren Priestergewänder zuständig. An zweiter Stelle der Hierarchie folgten die 24 Abteilungen der Priesterdienstgruppen, wobei sich auch innerhalb der Priesterstämme, -sippen und -familien interne Hierarchien ausbildeten.66 Eine weitere Differenzierung ergab sich wahrscheinlich auch aus dem Wohnort der Priester. In Jerusalem wohnhafte Priester konnten ihr Amt ungleich homogener mit ihrem alltäglichen Beruf verbinden als auf dem judäischen Lande oder in Galiläa wohnhafte Priester.67 An dritter Stelle rangierten die Leviten, die ebenfalls in 24 Levitenstämme eingeteilt waren (mTaan 4,2) und deren spannungsvolles Verhältnis zu den Priestern im obigen Exkurs zur Geschichte des atl. Priestertums ausführlich thematisiert wurde.68 Hinzu kommt eine soziale Fragmentierung: In der Spätphase des zweiten Tempels standen einigen wenigen sehr reichen und aristokratischen Priesterfamilien wesentlich ärmere Priesterschichten gegenüber, die bis zur Armutsgrenze hinab reichten.69 Die sozialen Spannungen innerhalb der Priesterschaft dürften dabei ein Abbild der gesamten Gesellschaft gewesen sein. Alle drei Hierarchien standen wiederum den Laien gegenüber.70 Theologisch untermauert war diese Hierarchie durch eine Ordnung abgestufter Heiligkeit und Reinheit, die auch in der architektonischen Struktur des Tempels ihren Ausdruck fand (→II.2.2.6). Begründet wurde diese Hierarchie rein genealogisch: Die jeweilige Abstammung entschied über den 66

So betont beispielsweise Josephus, dass er aus der ersten Priesterordnung „Joarib“ stammt, zu der auch die Hasmonäer zählten, Jos Vit 1f. 67 Nach Neh 11,10–18 wohnten in frühnachexilischer Zeit 1192 Priester und 284 Leviten in Jerusalem. 68 Zu den levitischen Aufgaben zählte v.a. die Unterstützung und Assistenz der Priester bei deren kultischen Pflichten, Ez 44,13, Sicherheits- und Ordnungsaufgaben, 2Chr 19,11; 34,13; Ez 44,10–14; vgl. 1Chr 23,4; Esr 2,40; 7,7; 10,23; Neh 10,29, Musik und Gesang, niedere Tempeldienste, 1Chr 9,14–34; 2Chr 29,25–36; 23,4f.; Esr 2,36–63; Neh 7,39–60.72; mMid 1,1; 2,5; Jos Ant 20,216–218, Administrations- und Bildungsaufgaben, Esr 8,18; Neh 8,7f.; 2Chr 17,7–9; 35,3; Dtn 24,8. V.a. durch den Kompetenzbereich der Bildung erwarben sich die Leviten, denen der einflussreiche, prestigeträchtige und lukrative Opfer- und Kultdienst verwehrt war, sozusagen „unter der Hand“ einen großen Einfluss, der sich wirkungsgeschichtlich in ntl. Zeit im Pharisäismus und Schriftgelehrtentum bemerkbar machte. 69 Die Verarmung niederer Priester hatte ihre Ursache in ihrer deutlich geringeren Partizipation an der Tempelsteuer und den Opfergaben. Jos Ant 15,390 berichtet, wie Herodes I. 1000 Priester mit priesterlichen Leinengewändern ausstattete, damit sie am Tempelbau mithelfen konnten. Offensichtlich waren sie vorher nicht im Besitz solcher eigentlich obligatorischen Kleider, weil sie sich diese wahrscheinlich nicht leisten konnten. 70 Zu den Standesunterschieden vgl. auch Jos Ant 20,205–207.216–218; Bell 2,321; Vit 197. Zur Unterscheidung der Priester von den Laien vgl. Jos Ant 3,181; 4,248; 14,300; Bell 4,182; 5,18; 6,271; sowie STEGEMANN/STEGEMANN, Sozialgeschichte, 58f.

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(Heiligkeits)Status und damit auch über das Sozialprestige (Lev 21,8; vgl. Sir 7,29–31). 1.3 Sozialprestige Das Sozialprestige des Priestertums war wie in allen antiken Kulturen auch in Israel stets sehr hoch und scheint nach dem Exil kontinuierlich gewachsen zu sein. Schon in der atl. Überlieferung erscheinen Priester häufig auf einer Ebene mit Königen, Prinzen, Ältesten und Aristokraten.71 Die alte Erzählung von Micha, der einen jungen Leviten als eine Art Hauspriester anstellt (Ri 17,7–13) und ihn, obwohl er deutlich jünger gewesen sein dürfte, „Vater“ nennt, zeigt den dadurch erzielten Prestigegewinn. Auch die Episode um den Aufstand der Korachiten (Num 16) reflektiert die soziale Attraktivität dieses Amtes. Im Briefwechsel des hasmonäischen Hohepriesters und Königs Simon mit Sparta wird das Priestertum als besondere Bevölkerungsgruppe dem jüdischen Volk voran- und damit gewissermaßen auch gegenübergestellt (1Makk 12,6; 14,20; vgl. auch 14,28) und auch Josephus bezeichnet seine priesterliche Abkunft 200 Jahre später als ein „Zeichen des angesehensten Geschlechts (ge,noj lampro,thtoj)“ (Vit 1). Auf diesem Hintergrund kommt auch M. Stern zum Fazit, dass „towards the close of the Second Temple period, the priesthood constituted the prestigious and elite class in Jewish society“.72 1.4 Berufstätigkeit Eine insbesondere für die ntl. Zeit wichtige Frage betrifft die Rolle der Priester außerhalb ihres Tempeldienstes. Denn der in der Spätzeit des zweiten Tempels gewöhnlich auf zwei Wochen jährlich zuzüglich der großen Pilgerfeste begrenzte Dienst am Tempel konnte natürlich nicht das Auskommen der gewöhnlichen Priester und ihrer Familien sichern. Womit beschäftigten sich Priester in den jeweils 23 Wochen nach bzw. vor ihrer „Dienstwoche“? Die nicht in Jerusalem ansässigen Priester übten in der Regel „profane“ Berufe in Handel, Handwerk und Landwirtschaft aus. Eine weitere Form priesterlicher Existenzsicherung war der Landbesitz.73 Die in Jerusalem ansässigen Priester waren außerhalb ihrer Kultdienstzeiten mit strukturellen (Tempelordnung und -reinheit, Gerichtswesen), ökonomischen (Tempelaufsicht, Bankwesen, Schatzkammern) oder handwerklichen (Bau und Instandhaltung) Aufgaben am Tempel beschäftigt.74 71

Vgl. Jer 1,18; 2,26; 4,9; 8,1; 13,13; 18,18; 32,32; 34,19; Mi 3,11; Thr 1,19; 2,6; 4,15; Neh 2,16. 72 STERN, Aspects, 582. 73 Vgl. Hekataios in Diod Sic 40,3,7; Jos Vit 422; sowie STERN, Aspects, 587. 74 Vgl. Dtn 17,8–13; 21,5f.; Jos Ant 15,390; sowie HENGEL/DEINES, Common Judaism, 55f.

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

Nach einer Vermutung von E.P. Sanders waren die meisten Priester und Leviten in der Epoche um die Zeitenwende als Schreiber tätig.75 Als lese-, schreib- und torakundige Schrift- und Rechtsexperten wären sie in ihren Heimat- und Wohnorten geradezu prädestiniert gewesen für alle Aufgaben, die eine solche Qualifikation erforderten. Demnach hätten sie ihr traditionelles Aufgabenprofil als Lehrer und Richter76 beibehalten, wenn auch nicht unangefochten durch Pharisäer und Essener.77 In den zwei Jahrhunderten vor dem Jüdischen Krieg hätten die Priester und die aus dem Neuen Testament bekannten Schreiber als örtliche Magistrate die geistige und geistliche Führungsrolle in den jüdischen Städten und Dörfern behauptet.78 Das Problem dieser These ist ihre Verifizierbarkeit. Sanders weist selbst auf die äußerst dürftige Evidenz hinsichtlich der Identität der ntl. Schreiber hin.79 Die dünne Quellenlage führt er freilich auch gegen die Vertreter eines „Priestertums im Niedergang“ ins Feld. Sein Hauptargument bleiben die (von Sanders auch für die ntl. Zeit postulierten) priesterlichen Bildungsvoraussetzungen, die sie für das Amt des Schreibers qualifizierten.

2 Der religiöse Status des Priesters 2 Der religiöse Status des Priesters

Bereits in der Darstellung des römischen Priestertums wurde deutlich, dass den Priestern in unterschiedlicher Weise eine gottähnliche Identität und der Status eines idealen, gottgemäßen Menschen zugesprochen wurde, die sie dazu legitimierte und befähigte, sich im heiligen Raum den Göttern zu nahen. In diesem Abschnitt soll die These entwickelt und begründet werden, dass auch in den biblischen Quellen der religiöse Status des Priesters von der stellvertretende Restitution des integren, idealen, gottnahen und gottähnlichen Menschen getragen ist. Dieses Verständnis kommt bereits bei den Voraussetzungen des priesterlichen Amtes zum Ausdruck, noch mehr aber in den Ordnungen und Reglementierung des priesterlichen Dienstes80 im heiligen Raum. Der Priester bekommt demnach während seines zeitlich befristeten Dienstes im Raum des Heiligen ein neues, heiliges Sein verlie75

SANDERS, Judaism, 170–182; vgl. auch KUGLER, Art. Priests (EDEJ), 1098. REVENTLOW, Art. Priester, 387, zieht in Erwägung, dass Esra der erste Repräsentant der aus hellenistischer Zeit als besondere Berufsgruppe am Tempel bekannten „Schreiber“ sein könnte. 76 Vgl. Dtn 17,18; 31,9; Esr 7,6; Neh 8,9–12; 13,13; 2Chr 19,5–11; Sir 45,17. 77 SANDERS, Judaism, 173f. 78 Die Schreiber in ntl. Zeit waren nicht nur für religiöse und halachische Rechtsfragen zuständig, sondern auch für die sorgfältige Dokumentierung von Rechts-, Handelsund Verwaltungsangelegenheiten. 79 SANDERS, Judaism, 174f.177. 80 Der „Dienst“ vor Gott ist geradezu ein Grundbegriff für das Wesen des Priestertums. Priester sind „Diener Gottes“, Jes 61,6; Jer 33,21f.; Joel 1,9.13; 2,17 u.a., ihr Wirken im Heiligtum wird als „heiliger Dienst“ beschrieben, Ex 28,43; 29,30 u.a., sie stehen vor Gott, um ihm zu „dienen“, Dtn 10,8; 17,12; 18,5.7; Ez 40,46; 43,19; 44,15.

2 Der religiöse Status des Priesters

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hen, das ihn in die Lage versetzt, Gott nahen, ihm in seiner Gegenwart dienen und mit ihm Gemeinschaft pflegen zu können. Diese zeitlich befristete Identität der Integrität, Gottesnähe und Gottesähnlichkeit bestimmt wiederum die Funktionen des Priesters, nicht umgekehrt: Der Priester ist erst aufgrund der beschriebenen Identität in der Lage, mediatorisch, interzessorisch, interpretierend und richtend tätig zu werden. 2.1 Die Voraussetzungen zum Priesteramt 2.1.1 Priesterliche Abstammung Im Unterschied zur weit überwiegenden Mehrzahl der hellenistischen Kulte und zum römischen Kult ist das atl.-jüdische Priesteramt nicht durch Wahl, Auslese, Kompetenz oder Ernennung, sondern durch Erwählung und in der Konsequenz durch Abstammung begründet.81 Weil das atl.-jüdische Priesteramt ebenso wie das Königtum auf dem Erwählungshandeln Gottes beruht,82 ist die Zugehörigkeit zum erwählten Stamm bzw. Geschlecht von höchster Bedeutung. Über Zugang oder Ablehnung entscheidet der rechtsgültige Nachweis eines patrilinearen priesterlichen Stammbaumes, der zumindest dem Anspruch nach auf Aaron zurückgehen muss.83 Schon im chronistischen Geschichtswerk werden solche Stammbaumverzeichnisse für die Priesterdienstordnungen erwähnt (2Chr 31,16–18).84 Konnte ein Priester seinen Stammbaum nicht einwandfrei nachweisen, musste er beim Altardienst abgewiesen und aus der Priesterschaft ausgeschlossen werden, was in der Regel mit einer sozialen Degradierung einherging und der Stammbaumwissenschaft eine erhebliche Brisanz verlieh.85 Ein auf Kompetenz, Ethos oder Frömmigkeit gegründeter Eintritt in das Priesteramt oder der Aufstieg vom Leviten zum Priester oder vom Priester zum Hohepriester war daher von vornherein ausgeschlossen.86 Entspre81

Vgl. Jos Ap 1,31; 2,186.193; vgl. Ant 20,226. Vgl. z.B. Num 16,5.7; 17,20; 18,7; 1Sam 2,28; Ps 105,26; Jub 30,18; TestLev 5,2, sowie in negativer Hinsicht 1Kön 12,31; 13,33. 83 Die patrilineare bzw. „agnatische“ Deszendenz ist auch in Verbindung mit der Weitergabe von Tradition, Weisheit und v.a. kultischem Wissen zu sehen: Der Vater wies seinen Sohn in den Dienst ein. 84 Zu Stammbaumverzeichnissen vgl. auch Mt 1,1–16, sowie Lk 2,36; Lk 3,23–38; Röm 11,1; Phil 3,5; mYev 4,13; mTaan 4,5; yTaan 68a.52–57 u.ö. 85 Esr 2,62 und Neh 7,64 reflektieren solche Ausschlüsse vom Priesteramt. Jos Ant 11,71 erwähnt für die Zeit Esras eine Zahl von 525 Zurückgewiesenen. Der Grund war die Ehe mit Frauen, deren Herkunft nicht in den Genealogien der Priester und Leviten nachgewiesen werden konnte. 86 Exakt dies war der wesentliche Unterschied zwischen dem Priestertum und den nach 70 n.Chr. dominierenden Rabbinen, bei denen Begabung, Eignung und Frömmigkeit, jedoch nicht die Abstammung zu den elitebildenden Faktoren gehörten, vgl. dazu H IMMELFARB, Kingdom, 164–170. 82

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chende „Karriereansprüche“ spiegeln sich im Alten Testement lediglich in der Erzählung von der Korach-Rebellion (Num 16,1–17,15) und werden dort als verwerflich qualifiziert. Das hereditär konstituierte und mit hohem Sozialprestige ausgestattete Priesterum scheint abgesehen von der Korach-Rebellion bis in die frühjüdische Zeit hinein völlig unangefochten gewesen zu sein. Dies spricht dafür, dass die hereditäre Verfassung des israelitisch-jüdischen Priestertums zur priesterlichen Identität gehörte. Diese Identität wurde somit nicht durch Kompetenz, Leistungsfähigkeit, Verdienste, Ethos oder Frömmigkeit begründet, sondern durch göttliche Erwählung und Verfügung. Aus diesem Grund bedurfte es auch keines Rekrutierungs-, Berufungs- oder Auswahlverfahrens, weil die Abstammung aus einer priesterlichen Familie und die damit verbundene Heiligkeit und Reinheit als göttliche Qualifikation galt. Selbst als die Institution des Priestertums im 2. Jh. v.Chr. in ihre schwerste Krise kam und schließlich im Jahr 70 n.Chr. mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels ihren zentralen Wirkungs- und Funktionsraum verlor, wurde ihre hereditäre Verfassung nie in Frage gestellt. Vielleicht abgesehen von einigen radikalen zelotischen Hasardeuren wurde das Prinzip der Abstammung von allen Strömungen des Frühjudentums fraglos akzeptiert.87 M. Himmelfarb sieht in der Spannung zwischen „ancestry and merit“, also zwischen einem auf Abstammung gegründeten Erbpriestertum und einer auf „Leistung“ bzw. „Verdienst“ gegründeten Frömmigkeit den Grundkonflikt des Judentums in der Zeit des zweiten Tempels.88 Das Grundproblem sieht sie im beschriebenen Prinzip des auf Abstammung gegründeten Priestertums, weil dieses Kriterium „does little to promote holiness“.89 Während Forderungen, Verheißungen, aber auch Strafen an den Gehorsam des ganzen Volkes und damit an das Prinzip „merit“ gebunden waren, basierten die Privilegien des Priestertums auf dem Prinzip „ancestry“. Zwar ist die Grundspannung zwischen „ancestry and merit“, die Himmelfarb als Movens nahezu aller Konflikte in der Epoche des zweiten Tempels postuliert, in dieser Absolutheit zu schematisch und reduktionistisch, aber sie hat damit zweifellos ein soziologisches Moment von großer Bedeutung wahrgenommen, das aber gerade die verbreitete Akzeptanz des hereditären Prinzips trotz der offensichtlichen Defizite unterstreicht.

2.1.2 Korrekte Eheverhältnisse Als wesentlich für die priesterliche Identität wurden offenbar auch korrekte Eheverhältnisse betrachtet. De iure musste ein einfacher Priester eine Jungfrau aus dem Gottesvolk oder die Witwe eines Priesters heiraten (Ez 87

Dies gilt auch für den yaḥad, der sich zwar zur Etablierung eines alternativen Kultes genötigt sah, am hereditären Prinzip des priesterlichen Amtes jedoch festhielt. 88 HIMMELFARB, Kingdom, 1.3.8, und passim. 89 H IMMELFARB, Kingdom, 3. Allerdings schätzt MILGROM, Lev 1–16, 53, das System des Erbpriestertums nicht als schwächer ein im Vergleich mit einem „Laienpriestertum“, das nicht minder korruptionsanfällig ist.

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44,22; Philo SpecLeg 1,108; Jos Ant 3,277). Selbst Proselytinnen wurden in der Regel abgelehnt. Verboten war es vice versa eine deflorierte, vergewaltige oder geschiedene Frau oder eine Prostituierte zu heiraten (Lev 21,7.14).90 Die Braut eines Hohepriesters musste eine jüdische Jungfrau sein (Lev 21,13–15; Philo SpecLeg 1,110; Somn 2,185; Jos Ant 3,276f.), nach der Septuaginta und nach Philo darüber hinaus auch noch Priestertochter.91 Es entspricht diesen Vorgaben, dass nach Josephus (Vit 1; Ap 1,29–36) die Stammbäume der Priester und ihrer Frauen schriftlich festgehalten und im Tempelarchiv verwahrt wurden.92 Somit musste mindestens in der Spätzeit jener Epoche ein Priester vom Jerusalemer Tempelarchiv einen genealogischen (genealogei/n = „die Herkunft erzählen“) Nachweis seiner 90

STERN, Aspects, 582: „As a result, a rigorous system of genealogical purity had to be enforced, one that made it possible to investigate the lineage of priests, and ensure that all marriages had been with suitable classes.“ Entsprechend wichtig war es auch für die priesterlichen Eliten, ihr genealogisch begründetes Privileg immer wieder gegen anderweitige, sich auf Bildung, Ethos oder Frömmigkeit berufende Ansprüche zu verteidigen, insbesondere nach der Tempelzerstörung. Ein sowohl hinsichtlich Inhalt wie Bedeutung wachsendes Instrument zur Verteidigung dieser Privilegien waren restriktive, d.h. endogame Heiratsregelungen, v.a. unter den hohepriesterlichen Familien, vgl. dazu STERN, Aspects, 582f. Dies förderte die Solidarität innerhalb der Priesterfamilie. Nach der Tempelzerstörung wurden diese Regelungen noch verschärft, um das durch den Verlust des Heiligtums entstandene Identitätsproblem über die Abstammung wenigstens teilweise zu kompensieren, vgl. mBik 1,5; mYev 6,2; 9,1–6; mKet 4,8f.; mSot 4,1; 8,3; mQid 4,1–7; vgl. auch GUSSMANN, Priesterverständnis, 153–155. 91 Nach 70 n.Chr. wurde sogar diskutiert, ob sie die Geschlechtsreife schon erreicht haben durfte oder nicht, mYev 6,4. 92 Nach Josephus, Ap 1,30–36; vgl. Ant 11,71, musste die Abstammung der Braut mittels archivarischer Belege nachgewiesen werden, um – laut Josephus – das priesterliche Geschlecht „unvermischt und rein“ zu erhalten: „Denn sie [sc. die Vorväter] setzten nicht nur von Beginn an dafür die Tüchtigsten und die mit dem Dienst für Gott Beschäftigten ein, sondern sie sorgten auch dafür, dass die Herkunft der Priester unvermischt und rein blieb. Denn einer, der das Priesteramt innehat, muss mit einer demselben Stamm angehörenden Frau Kinder zeugen und darf [bei ihr] weder auf Geld noch auf sonstige Werte sehen, sondern er muss ihre Abstammung prüfen, indem er sich aus den Archiven die Ahnenreihe geben lässt und viele Zeugen aufbietet. Und so halten wir es nicht allein in Judäa, sondern wo immer eine Gruppe unseres Volkes ist, wird gleichfalls die genaue Regel bezüglich der Eheschließung von Priestern bewahrt [...] Wenn aber ein Krieg ausbrach, [...] so stellen die Priester, die noch übrig geblieben sind, wieder neue [Ahnenreihen] aus den Archivbeständen her und prüfen die noch verbliebenen Frauen. Denn sie lassen die in Gefangenschaft geratenen nicht mehr (zur Ehe) zu, da sie den Verdacht haben, es sei, wie es häufig geschehen ist, zum Geschlechtsverkehr mit einem Fremdstämmigen gekommen. [...] Die Hohepriester bei uns sind seit 2000 Jahren namentlich als Söhne ihres jeweiligen Vaters in den Dokumenten verzeichnet. Wer irgendeine der besagten [Vorschriften] übertreten hat, der darf weder den Altardienst versehen noch an einer anderen Zeremonie teilnehmen.“ Vgl. zur Kultunfähigkeit durch zweifelhafte Heirat auch Jos Ant 13,292.372.

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Braut erstellen lassen,93 um nicht die Legitimität seines eigenen Amtes in Frage zu stellen.94 Ziel war nach Josephus der Erhalt der „unvermischten“ Homogenität der Priesterschaft.95 Auf einer tieferen Ebende dürfte auch hinter diesen Anforderungen der Gedanke der Integrität, Unversehrtheit und Vollkommenheit stehen. Die Priester sollten entsprechend ihrer hierarchischen Stellung auch in den Eheverhältnissen einem Modell entsprechen, das sich nicht nur an kultischen oder ethnischen, sondern letztlich auch an geschöpflichen Idealen orientierte. Waren alle Voraussetzungen erfüllt, wurden junge Priester im Alter von etwa 20 Jahren im Rahmen einer siebentägigen Zeremonie mit Reinigungsbad, Investitur mit den heiligen Gewändern, einer Reihe von Opfern und der Besprengung mit Blut und Öl in den Tempeldienst eingeweiht und in ihr Amt eingeführt.96 2.1.3 Körperliche Unversehrtheit Kongruent zu diesen Angaben ist, dass nach der priesterlichen Überlieferung neben einer legitimierenden Genealogie gewissermaßen als sekundäre Kriterien noch die Zeugungsfähigkeit und körperliche Unversehrtheit (Lev 21,1–10.16–23) als Voraussetzungen für das Priesteramt erwartet wurden. Die Zeugungsfähigkeit ist bei jedem genealogischen System essentiell, weil sie sicherstellt, dass der ererbte Status auch der nächsten Generation weitergegeben werden kann und die streng abgegrenzte „Priesterkaste“ nicht ausstirbt. Dagegen sind die für moderne Ohren rational nicht verständlichen Anforderung der körperlichen Unversehrtheit irritierend: „Rede zu Aaron: Jemand von deinen Nachkommen bei ihren Generationen, an dem ein Makel ist, darf nicht herannahen, um das Brot seines Gottes darzubringen; denn jedermann, an dem ein Makel ist, darf nicht herannahen, sei es ein blinder Mann oder ein lahmer oder einer mit gespaltener Nase oder der ein Glied zu lang hat, oder ein Mann, der einen Bruch am Fuß oder einen Bruch an der Hand hat, oder ein Buckliger oder ein Zwerg oder der einen weißen Flecken in seinem Auge hat oder der die Krätze oder Flechte oder der zerdrückte Hoden hat“ (Lev 21,17–20).97

93 Vgl. hierzu auch mQid 4,4. Demnach muss ein Priester die matrilineare Ahnenfolge der Braut und ihrer Eltern vier Generationen zurückverfolgen, wenn die Braut eine Priestertochter ist, und fünf Generationen, wenn die Braut Tochter eines Leviten oder Israeliten ist. 94 Vgl. zum Ganzen GUSSMANN, Priesterverständnis, 153–158.269–287. 95 Ant 11,140f. 96 Esr 3,8; 1Chr 23,24.27; 2Chr 31,17; vgl. dagegen Num 4,3.23.30.43; Jos Ant 15,51; TestLev 12,5. Der Dienst endete spätestens mit 50 Jahren, Num 4,3.23.30.43. 97 Revidierte Elberfelder Übersetzung.

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Dieser für den neuzeitlichen Leser diskriminierend wirkende „Makelkatalog“, der in einer Parallelität zu den ganz ähnlichen Anforderungen an die Opfertiere steht (vgl. Lev 22,22–24),98 muss von dem im folgenden Abschnitt (→II.2.2.3) noch näher zu beschreibenden und in vielen antiken Priesterkonzeptionen belegten Grundsatz der kultischen Analogie her verstanden werden.99 So wie die Reinheits- bzw. Unreinheitsregelungen im Rahmen der Analogie zum Wesen Gottes verstanden werden müssen, der weder geboren wird, noch stirbt und der auch nicht isst oder sexuell aktiv ist, so wird auch die Forderung nach körperlicher Unversehrtheit erst im Horizont der Analogie zur Integrität und Vollkommenheit Gottes verstehbar.100 Weil Jahwe vollkommen und unversehrt ist, muss auch der ihm dienende Priester einem Ideal der Vollkommenheit und Integrität entsprechen bzw. diesem wenigstens nahe kommen.101 Im Hintergrund steht offensichtlich die Konzeption des Priesters als Modell des idealen und integren Menschen,102 der als gottnaher, gottähnlicher, gottzugehöriger und deshalb heiliger Mensch auch in seiner körperlichen Konstitution gleichnishaftes Abbild des göttlichen Wesens sein soll.103 2.1.4 Ergebnis In den Voraussetzungen des priesterlichen Dienstes spiegelt sich der Grundgedanke des integren Menschen wieder. Entsprechend wird der priesterliche Status durch einen Erwählungsakt Gottes konstituiert, der einen Stamm bzw. eine Familie zum Dienst erwählt und berufen hat. Diese 98

Vgl. hierzu auch MILGROM, Lev 17–22, 1838f., der den Grund für die Forderung nach körperlicher Unversehrtheit sowohl des Priesters wie des Opfers in Senecas Begründung vermutet, wonach der Makel eines Opfers als Zeichen für ein böses Omen steht und davon auch die entsprechenden Anforderungen an den Priester ableitet. Schließlich zieht Seneca der Ältere das Fazit: „Apparet non esse propitios deos sacerdoti quem ne servati quidem servant“, Sen mai Contr 4,2. 99 Zu analogen Regelungen und Gesetzen in den Nachbarkulturen des alten Israel vgl. den Exkurs bei MILGROM, Lev 17–22, 1841–1844. 100 Eine interessante Parallele findet sich in 1QSa 2,4–9 und 4Q270 Frg. 9 15,15–17, wo die körperliche Unversehrtheit der leitenden Männer in der Versammlung mit der Anwesenheit von Engeln begründet wird. Auch hier scheint ein Analogieschluss vorzuliegen, wonach die amtierenden Funktionsträger dem makellosen Wesen der Engel weitestgehend entsprechen sollten. 101 DOUGLAS, Reinheit, 70–74/Purity, 63–67, weist in diesem Zusammenhang auch auf die Verbindung zwischen Heiligkeit und Ganzheit, Vollständigkeit und Makellosigkeit hin. Dabei wird die körperliche Unversehrtheit in einer Entsprechung zur Heiligkeit Gottes und des Heiligtums gesehen, weshalb auch die dargebrachten Opfer dem Kriterium der Makellosigkeit unterlagen, vgl. z.B. Lev 22,22–24. 102 In Dan 1,4 und 2Sam 14,25 ist körperliche Makellosigkeit auch bei Nicht-Priestern ein Ideal, das sie für gehobene Aufgaben qualifiziert, und in Mal 2,5 wird das priesterliche Amt mit „Leben und Shalom“ in Verbindung gebracht. 103 DAVIES, Priesthood, 156f.

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hereditäre, auf eine Verfügung Gottes zurückgehende Verfassung des israelitisch-jüdischen Priestertums schließt den Eintritt in das Priesteramt auf den Grundlagen von Kompetenz, Leistungsfähigkeit, Verdienste, Ethos oder Frömmigkeit von Vornherein aus. Der priesterliche Status ist prinzipiell ein verliehener und kein erworbener. Gleichwohl muss der Priester diesem Status sowohl im Blick auf sein Eheverhältnis als auch im Blick auf seine körperliche Unversehrtheit entsprechen. Hinter diesen Kriterien steht der priesterliche Status des idealen, vollkommenen und gottähnlichen Menschen, der aufgrund seiner graduell hohen Integrität berechtigt ist, Gott zu nahen. 2.2 Der Priester im heiligen Raum Neben dem Opfer gehörte ganz generell der Dienst am heiligen Ort der Offenbarung und Präsenz Jahwes zum Auftrag des Priesters. Die Priester werden in Ex 19,22 als Menschen charakterisiert, „die sich Jahwe nähern“ (hw'hy.-la, ~yviG'Nih;; vgl. auch Ez 42,13; 43,19; Lev 10,3) und im unmittelbaren Präsenzbereich Gottes ihren Dienst tun. Weil solchen Orten nicht nur in Israel, sondern in der ganzen antiken Welt eine bestimmte Dignität bzw. Heiligkeit eignet (vgl. Gen 28,17a; Ex 3,5; Jos 5,15), wird auch vom Menschen, der sich diesem Ort nähert bzw. an ihm dient, ein bestimmter Status der Heiligkeit und ein dementsprechendes Verhalten erwartet, damit die Begegnung mit Jahwe und der Vollzug der priesterlichen Handlungen im Heiligtum gelingen kann.104 Diesem Status der Heiligkeit und Reinheit muss der Priester bis hinein in seine persönliche Lebensführung in umfassender Weise Rechnung tragen. In den atl. Texten lassen sich verschiedene Nuancierungen im Blick auf den Heiligkeitsbegriff feststellen. Während in den priesterlichen Texten, v.a. im Heiligkeitsgesetz in Lev 17–26, Heiligkeit ein Zustand ist, der durch beständige kultische Reinigungs- und Heiligungsriten geschützt bzw. immer wieder neu hergestellt werden muss, ist Heiligkeit im Deuteronomium eine im Zuge der Erwählung Israels durch Jahwe verliehene, nicht konditionierte Qualität, der Israel in seinem ethischen Verhalten zu entsprechen hatte. Da diese Nuancen in der frühjüdischen und ntl. Wirkungsgeschichte dieser Texte nie als Gegensatz empfunden wurden, die Dimension der Heiligkeit an sich jedoch sowohl für die Geschichte des Priestertums im Frühjudentum wie für die Metaphorisierung des Priestertitels im 1. Petrusbrief und in der Johannesapokalypse von besonderer Bedeutung ist, soll sie im Folgenden kanonisch behandelt werden.

104 Vgl. Ex 30,17–21; 40,30–32; Lev 21,1–6.16–21; Ez 44,21.25. Zu Beispielen für ein illegitimes und deshalb misslungenes, ja tödliches Sich-Nähern vgl. Lev 10,1ff.; Num 16; 2Sam 6,7.

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2.2.1 Etymologische Fragen Die Etymologie der gemeinsemitischen Wurzel von vdq wird nach wie vor diskutiert,105 wobei die Wiedergabe mit „scheiden/trennen“ bzw. „abgesondert/abgetrennt sein (vom Profanen)“106 wohl nur eine phänomenologische Beschreibung aufgrund der kultisch bedingten Konsequenzen ist.107 In den letzten Jahrzehnten hat sich mehr und mehr die Einsicht durchgesetzt, dass die etymologischen Ursprünge nicht maßgebend für die Begriffsbedeutung im Alten Testament sind.108 J.B. Wells plädiert dafür, „Heiligkeit“ als einen Relationsbegriff zu verstehen, der eine Zugehörigkeit ausdrückt: „On the basis that vdq refers in the first place to Yhwh, it is a simple step to use the term to refer to those things which belong to Yhwh uniquely, even though this is not necessarily a permanent state … The use of vdq and its derivatives is extended to all places, things and persons, in so far as they belong, or have come to belong, to Yhwh. Thus their holiness is relational and directional.“109 In ganz ähnlicher Weise schlägt H. Seebass die Erklärung „In-Berührung-Kommen“ (mit Gott) als Grundbedeutung vor.110 Damit trägt auch er der Beobachtung Rechnung, dass „Heiligkeit“ weniger eine bestimmte Eigenschaft beschreibt als vielmehr eine Zugehörigkeit oder Beziehung.111 Heiligkeit ist damit ein Ausdruck für die Berührungs-, Begegnungs- und Kontaktfähigkeit von Menschen, Orten, Dingen und Zeiten mit Gott.112

105

Vgl. hierzu MÜLLER, Art. vdq, 589–609; LEVINE, Language, 241–256; DERS., Leviticus, 256f.; R INGGREN/KORNFELD, Art. vdq, 1179–1204; J ENSON, Graded Holiness, 40– 55; W RIGHT, Art. Holiness, 237–249; J OOSTEN, People, 123f.; SCHWARTZ, Holiness, 47– 49. 106 So VAN DER LEEW, Phänomenologie, 32f.; KORNFELD, Art. vdq, 1181; SCORALICK/R ADL, Art. Heilig, 87. 107 W ILLI-P LEIN, Opfer, 49: „Der mit der Wurzel vdq ausgedrückte Begriff der Heiligkeit scheint also, ganz allgemein gesprochen, Numinoses oder Göttliches zu bezeichnen, also ähnlich wie das lateinische ‚sacrum‘ etwas, was nicht zur Gesellschaft der Menschen gehört.“ 108 Vgl. z.B. W ELLS, People, 17f. 109 WELLS, People, 97 (kursiv bei W.). 110 SEEBASS, ThBLNT 2 I, 887: „Nicht das Trennende, das Aussondernde ist das Primäre, sondern positiv das In-Berührung-Kommen, das ganz selbstverständlich bestimmte Verhaltensweisen erzwingt. […] Das Heilige ist demnach einerseits ein vorethischer Terminus, andererseits aber ein Ethos-setzender Begriff.“ 111 Vgl. auch W ILLI-P LEIN, Opfer, 51: „Heiliges ist, was in den Bereich des Heiligen oder Göttlichen gehört.“ 112 SCHWARTZ, Holiness, 47ff., weist darauf hin, dass es noch eine zweite Etymologie des Begriffs gibt, die von der ersten völlig unabhängig zu sehen ist. Danach bedeutet vdq schlicht „rein“ bzw. „gereinigt“, vgl. etwa Ex 19,10.22; Num 11,18; Jos 3,5; 7,13; Dtn 23,15; 1Sam 16,5; 2Sam 11,4; Jes 66,17; Hi 1,5.

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2.2.2 Die Struktur der kultischen Wirklichkeit Wie in allen antiken Kulturen galt auch das atl. und frühjüdische Priestertum als „heilig“, wobei die Bestimmung dieses Status durch die spezifisch atl. Distinktionen von „heilig“ und „profan“ sowie „rein“ und „unrein“ geprägt war (vgl. Lev 10,10; Ez 44,23).113 Diese Unterscheidungen sind konstitutiv für die kultische Wirklichkeit, die im Rahmen eines Heiligtums, konkret der Stiftshütte bzw. des Tempels, auch eine lokale Verortung finden konnten.114 Die Kategorien von Unreinheit und Heiligkeit im Sinne kultisch-ritueller Begriffe entwickelten sich sukzessive und in gewisser Hinsicht auch zu moralischen Kategorien.115 Die physische Unreinheit unterschied sich von der ethisch qualifizierten dadurch, dass sie nicht mit Verboten reglementiert wurde, was bei allgemeinen Lebensvollzügen wie Geburt, Menstruation, Samenerguss, legitimer Sexualität oder Tod sinnlos gewesen wäre. Es ist allerdings nicht immer ganz eindeutig, in welchem Verhältnis rituelle und moralische Unreinheit zueinander stehen und wie sich beides auf die Entweihung des Heiligtums auswirkt.116 Im Groben lassen sich folgende Unterschiede ausmachen:117 Die Quelle der rituellen Unreinheit ist natürlich und mehr oder weniger unvermeidbar

113 Die zentralen Texte sind hier einerseits die Reinheitstora (Lev 11–15) und das sog. „Heiligkeitsgesetz (Lev 17–26), vgl. hier im Blick auf die Priesterschaft v.a. Lev 21. Vgl. zu den folgenden Ausführungen M ILGROM, Art. Heilig und profan, 1530–1532; DERS., Dynamics, 29–31; VAHRENHORST, Sprache, 2–5.17–35; sowie LIU, Purity, 12–25. 114 Vgl. M ILGROM, Dynamics, 29; nahezu identisch DERS., Concept, 72: „Persons and objects are defined by four possible states: holy, common, pure and impure. Two of them can exist simultaneously: pure things may be either holy or common; common things may be pure or impure. […] They [sc. the holy and and impure] seek to extend their influence and control over the other two categories, the common and the pure. In contrast to the holy and impure, the common and pure are static. They cannot transfer their state; they are not contagious.“ 115 Mit dieser Behauptung ist allerdings vorsichtig umzugehen. Wir dürfen nicht das moderne, westlich geprägte Verständnis von „Heiligkeit“, das von der Kumulation intensivster Frömmigkeit mit höchsten ethischen Standards geprägt ist, auf den kultischen Heiligkeitsbegriff übertragen. B.J. SCHWARTZ, Holiness, 49, macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass „used in the Hebrew Bible […] the root qdš does not convey any value judgment at all.“ 116 Vgl. SANDERS, Judaism, 71: „The purity laws [...] were not primarily moral laws: impurity might be acquired when one transgressed a law, but most forms of impurity essentially had to do not with transgression but with changes of status. Purity laws affected daily life relatively little; their principal function was to regulate access to the temple ...“ Vgl. hierzu auch KLAWANS, Impurity, 21–42, und P OLA, Heiligkeit, 32–37, der mit Hinweis auf Ps 24,3–5; Lev 19,2f. und andere Belege für die ethische Relevanz der Heiligkeitserfahrung plädiert. 117 Vgl. hierzu KLAWANS, Purity, 53–56, und FRYMER-KENSKY, Pollution, 399–406.

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(Geburt, Sexualverkehr, Körperausflüsse wie Menstruationsblut118 oder Samen, Krankheit, Tod).119 Rituelle Unreinheit gilt konsequenterweise auch nicht als Sünde. So sollen Priester zwar darauf achten, nicht durch den Kontakt mit Leichen und Tod verunreinigt zu werden (Lev 21,1–4), sie dürfen jedoch durchaus mit anderen Unreinheiten in Kontakt kommen und haben sich dann eben den üblichen Reinigungsriten zu unterziehen. Die eigentliche Herausforderung des Priesters ist daher nicht die Vermeidung ritueller Unreinheit, sondern vielmehr das peinlich genaue Achten auf den aktuell bestehenden (Un)Reinheitsstatus und die daraus sich ableitenden rituellen und kultischen Befugnisse bzw. Restriktionen (vgl. Lev 10,10; Ez 44,23).120 Dem Priester kommt damit eine volkspädagogische Funktion zu, die im Rahmen des kultischen Denkens von höchster Bedeutung ist. Denn es gehört zu seiner Pflicht, auch andere vor einer unheilvollen Begegnung mit der Gegenwart des Göttlichen zu bewahren. Folglich hatten die Priester den jeweiligen Reinheitsstatus und damit die Kultfähigkeit des einzelnen Gottesdienstteilnehmers zu begutachten, zu kontrollieren und ihn im Zweifelsfall zu seinem eigenen Wohl und zum Wohl der ganzen Gemeinde vor dem Besuch des Tempelheiligtums abzuhalten (vgl. Lev 13,3ff.), ohne dass dies mit einer moralischen Stigmatisierung verwechselt werden darf. Desweiteren kann rituelle Unreinheit eine zeitlich befristete Ansteckung für Menschen mit sich bringen, die sich rituell unreinen Personen oder Gegenständen nähern bzw. diese berühren, was aber ebenfalls nicht als Problem empfunden wurde. Es gab für alle Formen ritueller Unreinheit konkrete Reinigungsrituale, von der Einhaltung bestimmter Fristen, über verschiedene Waschungen bzw. Bäder bis hin zu bestimmten Opfern. 118

FRYMER-KENSKY, Pollution, 401, macht darauf aufmerksam, dass zwar Menstruationsblut höchst verunreinigend ist und das Vergießen unschuldigen Blutes, z.B. Mord, zu einer Verunreinigung des Landes führt, aber die Berührung mit gewöhnlichem Blut keinerlei Auswirkungen auf den Status der Reinheit hat. Offensichtlich spielen nur Blutausflüsse eine Rolle, die im Zusammenhang mit menschlicher Sexualität und Fruchtbarkeit stehen, was auch durch die Parallelität zum verunreinigenden Samenausfluss, sei es im Kontext des Geschlechtsaktes oder eines Samenergusses, unterstrichen wird. 119 FRYMER-KENSKY, Pollution, 403. In gewisser Weise ist rituelle Unreinheit sogar obligatorisch gefordert, wenn von Israeliten und auch von Priestern der geschlechtliche Verkehr zur Vermehrung, Gen 1,28; 9,7, oder die Bestattung der verstorbenen Angehörigen, Lev 21,1–4, erwartet wird; nur der Hohepriester soll sich ausnahmslos vor Leichenunreinheit schützen, vgl. 21,11–15. Der einzige Fall, in dem eine Form von Unreinheit eine moralische Konnotation bekommt, ist der Aussatz, der in verschiedenen Erzähltexten als eine göttliche Strafe verstanden wird, vgl. Num 12,10–15; 2Kön 5,27; 2Chr 26,19–21, sowie FRYMER-KENSKY, ebd. 403f. 120 KLAWANS, Purity, 54. So kann ein Mann zwar mit einer menstruierenden Frau sexuell verkehren, wodurch er kultisch unrein wird. Er kann dies auch als Priester tun, darf dann aber nicht im Tempel amtieren. An diesem Punkt entzündete sich im Frühjudentum ein heftiger Streit; →III.1.2.

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Im Unterschied zur rituellen Unreinheit ist die moralische Unreinheit, die vor allem im Zusammenhang von Mord, sexueller Verfehlungen und Götzendienst eintritt, prinzipiell verboten. Sie gilt deshalb auch als Sünde und hat eine direkte verderbliche Auswirkung auf das gesamte Volk und das Land Israel.121 Interessanterweise ist die moralische Unreinheit aber nicht ansteckend. Sie verunreinigt in kultischer Hinsicht weder den Sünder selbst, noch denjenigen, der in Kontakt mit einem Mörder, Götzendiener oder Ehebrecher kommt (vgl. Lev 18,24; 19,31; vgl. Gen 34,5; Dtn 24,1– 4). Anders jedoch als die rituelle Unreinheit, wird die moralische als lang anhaltend, wenn nicht sogar dauerhaft verstanden, ohne dass es Reinigungsriten für diese Form der Verunreinigung gäbe. Sie kann ausschließlich durch Strafe bzw. Sühne getilgt werden, die meistens den Tod des Sünders impliziert.122 Schließlich ist noch auf einen sehr bemerkenswerten Unterschied hinzuweisen: Während die rituelle Unreinheit vom Besuch des Tempels ausschließt, scheint dies bei der moralischen Unreinheit nicht der Fall zu sein.123 Zwar betrifft auch die moralische Unreinheit den Tempel (Lev 20,3) und der moralische Sünder soll prinzipiell auch nicht an „heiliger Stätte stehen“ (vgl. Ps 24,3–5), aber sie verunreinigt nicht den heiligen Bereich, wenn der Sünder ihn trotz der Toreingangsliturgie von Ps 24 dennoch betritt. Selbst die Priester können de iure in einem moralisch unreinen Status ihren Dienst verrichten. Die rituelle Unterscheidung zwischen den allein kultisch relevanten Seinsformen von „rein“ und „unrein“ hat ihren Sinn und Zweck darin, das Heilige vor dem Kontakt mit dem Unreinen zu schützen.124 Dabei sind Unreinheit und Heiligkeit beides dynamische Größen: „They seek to extend their influence and control over the other two categories, the common and the pure. In contrast to the holy and impure, the common and pure are static. They cannot transfer their state; they are not contagious. They take their identity from their antonyms. Purity is the absence of impurity; commonness is the absence of holiness. Hence, the boundaries between the holy and the common and between the pure and impure are permeable … Israel (including its priests) by their behavior can move the boundaries either way. But they are enjoined to move in one direction only: to advance the holy into the realm of the common and to diminish the impure,

121

Vgl. zur Verunreinigung des Landes FRYMER-KENSKY, Pollution, 406–409. FRYMER-KENSKY, Pollution, 404. 123 Num 5,11–31; Ex 21,14; vgl. 1Kön 1,50–53 und 2,28–30. 124 FRYMER-KENSKY, Pollution, 404: „The protection of the realm of the sacred is of prime importance in Israelite thought in view of the belief that God dwells among the children of Israel“; vgl. 2Chr 23,19. 122

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thereby enlarging the realm of the pure.“125 Nach Ex 29,43f. ist es die Präsenz Gottes, die zu dieser dynamischen Veränderung der profanen Dinge führt, die in den Nahbereich des Heiligen kommen.126 In der direkten Begegnung der beiden dynamischen Elemente entsteht aber auch eine bedrohliche Spannung: Während durch Kontakt mit dem Unreinen das Reine nur unrein wird, wird das Heilige entweder entheiligt oder entweiht.127 Aber während es im „Raum“ der Profanität unerheblich ist, ob er von einem reinen oder unreinen Menschen betreten wird, entsteht im „Raum“ des Heiligen dagegen höchste Gefahr für den Unreinen (vgl. 1Sam 6,20; Jes 6,5). Eine heilvolle Begegnung zwischen Gott und Mensch ist nur im Bereich des Heiligen möglich, dem Ort der Präsenz Gottes, welcher nach atl. Tradition in der Stiftshütte bzw. im Tempel lokalisiert war. Gleichzeitig setzt diese Begegnung auf Seiten des Menschen den Status der Heiligkeit voraus, damit sie nicht zerstörerisch wirkt.128 Dementsprechend war der Zugang zum Bereich des Heiligen streng reglementiert und sowohl hierarchisch wie räumlich geordnet: Nur in bestimmter Weise „geheiligte“ Personen, eben die Priester, durften in bestimmte Heiligkeitsbereiche vordringen. Weil die Quelle und Quintessenz der heilvollen Heiligkeit Gott selbst war, musste Israel die Bedrohung durch Unreinheit ständig kontrollieren, damit diese sich nicht unheilvoll auf den Bereich Gottes auswirkt.129 125

MILGROM, Dynamics, 29 (kursiv bei M.). So geht z.B. die Unreinheit eines Toten auf alle Personen und Gegenstände über, die den Raum betreten, in dem die Leiche liegt, Num 19,14. Nicht nur das Betreten eines Hauses, in dem ein Verstorbener liegt, verunreinigt, sondern auch die Berührung eines Menschen, der aus einem solchen Hause kommt bzw. das Berühren von Gegenständen des Sterbezimmers, Num 19,22. Vgl. hierzu auch MILGROM, Sancta Contagion, 297–299, der die Entwicklung dieser „Ansteckungsvorstellung“ nachzeichnet. Die fortschreitende Reduktion dieser „Ansteckungsgefahr“ bewegt sich zwischen Ez 44,19; vgl. 42,14, wo die Priester angewiesen werden, nach vollzogenem Dienst im Tempel ihre priesterlichen Kleider auszuziehen, um zu vermeiden, dass ihre Heiligkeit nicht auf das außen wartende Volk übertragen wird und sich unheilvoll auswirkt, und Hag 2,12, wo die Ansteckungsgefahr auf die Speisen beschränkt wird, a.a.O., 298, vgl. auch Ex 30,26–29. 126 SCHWARTZ, Holiness, 53. 127 MILGROM, Dynamics, 30. 128 Exemplarisch wird dies in Ex 19,21f. deutlich, wo Jahwe durch Mose das Volk warnt, die gesetzte Grenze zu durchbrechen, vgl. V. 23, und zu ihm auf den Berg zu kommen. Auch die Priester müssen erst den Status der Heiligkeit herstellen, um Jahwe nahen zu können. 129 MILGROM, Dynamics, 32. FRYMER-KENSKY, Pollution, 404ff., macht in diesem Zusammenhang auf die Sanktionen aufmerksam, die durch das Verb trk im Niphal bezeichnet werden. Die schuldhafte Nichtbeachtung der Grenzen zwischen rein und unrein im Blick auf das Heiligtum konnte zur „Ausrottung“ des Betroffenen führen, vgl. Lev 7,20f.; 22,3–9; Num 19,13.20. Der nicht autorisierte Kontakt mit dem Heiligen konnte sogar direkt zum Tode führen, vgl. Lev 10; Num 4,18–20; 16,1ff.; 1Sam 6,19; 2Sam

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Vor diesem Hintergrund werden auch die Bemühungen der verschiedenen frühjüdischen Religionsparteien verständlich, die sich ab dem 2. Jh. v. Chr. auf je eigene Weise bemühten, durch unterschiedliche Reinheitsforderungen den Bereich des Heiligen vor dem Unreinen zu schützen bzw. das Heilige auszudehnen und das Unreine einzudämmen. Ziel war immer die heilvolle Begegnung und Existenz Israels mit und vor Jahwe, aber der Weg dorthin führte immer über die Priester. Sie hatten bei diesen Bemühungen die Schlüsselfunktion inne und zwar nicht nur mit ihrem Handeln, sondern vielmehr mit ihrem Sein. Sie waren nicht nur die Wächter des heiligen Bereichs und Experten der heilvollen Begegnung mit Jahwe, sondern sie bekamen für die Zeit ihres Dienstes ein heiliges Sein, das ihnen einen Status der Integrität und Gottesnähe verlieh, der sie erst zu ihrem mediatorischen Dienst befähigte. 2.2.3 Deutungsversuche Die Frage nach dem tieferen Sinn der Unterscheidungen von rein/unrein und heilig/profan bzw. nach einer plausiblen Systematik wird nirgendwo beantwortet, jedoch verschiedentlich gestellt.130 Bei Plutarch (Mor 286 D) findet sich ein Antwortversuch auf die Frage, warum Hülsenfrüchte wie Bohnen und Erbsen kultisch verunreinigen. Seine spekulativen Überlegungen gleichen einem Tasten im Nebel und machen deutlich, dass auch Plutarch keine Erklärung für die kultischen Gesetze kannte. Eine analoge Geschichte zitiert M. Vahrenhorst aus der Welt der Rabbinen.131 Rabbi Jochanan ben Zaqai wird von einem Heiden nach dem Sinn der kultischen Rituale gefragt, worauf er diesem eine launige und ironische Antwort gibt. Als der Heide gegangen ist, wird er von seinen Schülern, die seine Antwort nicht befriedigen konnte, noch einmal gefragt, und er gibt diesen dann folgende Antwort: „Bei eurem Leben! Nicht der Todte verunreinigt und das Wasser reinigt nicht, sondern es ist der Beschluss des Königs aller Könige. Gott hat gesagt: ‚Eine Satzung habe ich gegeben, einen Beschluss habe ich gefasst, kein Mensch soll meinen Beschluss übertreten‘, wie es heißt: ‚Dies ist die Satzung der Thora.‘ [Num 19,2].“132

6,6f., sowie FRYMER-KENSKY, ebd., 406: „Fundamental to the function of the karetbelief is the idea that the sacred can be defiled and that there is a need to protect it from such contamination. The temple in particular, as the site of God’s presence, needs such protection.“ Umgekehrt wird in diesem Licht auch die Notwendigkeit der regelmäßigen und rituellen Reinigung des Tempels verständlich, die nach Lev 16 am Yom-Kippur vollzogen wird. 130 Vgl. hierzu VAHRENHORST, Sprache, 104–111. 131 VAHRENHORST, Sprache, 110. 132 PesK 4 (Midrasch Debarim Rabba [Pesikta des Rab Kahana], hg. und übersetzt v. A. W ÜNSCHE, Leipzig 1882, 47).

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Diese bemerkenswert „aufgeklärte“ Antwort macht deutlich, dass schon in rabbinischer Zeit der Sinn der Reinheits- und Heiligkeitsregularien unbekannt war. In der Jochanan ben Zaqai zugeschriebenen Antwort wird sogar die gesamte Kultsystematik im Blick auf ihre tatsächliche Wirksamkeit in Frage gestellt. „In seinem Denkhorizont und dem seiner Schüler ist es das göttliche Gebot, das das (unverstandene) Ritual legitimiert.“133 In der Forschung wurden verschiedene sozialanthropologische und religionssoziologische Erkärungen gegeben. Gegenüber dem stark antiritualistischen und evolutionistischen Impetus der älteren Forschung plädierte M. Douglas für eine Neubewertung kultisch-ritueller Vollzüge: In der Unterscheidung von „rein“ und „unrein“ spiegelt sich für den antiken Menschen eine kosmische Ordnung wieder, die ihm hilft, die Komplexität der Welt zu ordnen und zu strukturieren. „Rein“ ist folglich das, was im Rahmen bestimmter gesellschaftlich akzeptierter Grenzen bleibt, während das Unreine die Ordnung der Welt bedroht.134 Ferner regulieren diese Regeln auch das soziale Verhältnis und Verhalten von „in-group“ und „outgroup“ (z.B. Juden und Heiden).135 „Concerns about things entering and exiting the body reflect concerns about boundaries of society.“136 J. Milgrom erklärt in seinem religionssoziologischen Ansatz die Unterscheidung auf dem Hintergrund der beiden Sphären des Lebens und des Todes.137 Alles was mit der Sphäre des Todes in Verbindung steht, gilt demnach als unrein und muss von der Welt Gottes bzw. der Götter ferngehalten werden.138 Dies würde erklären, warum neben den Bereichen des Todes auch die Bereiche der Geburt aufgrund der hohen Todesgefahr und der Körperausflüsse als unrein qualifiziert werden. Die Ausscheidung von Blut im Kontext der Menstruation und Sperma beim Samenerguss oder Sexualverkehr kann in dieser Systematik als Verlust von Lebenskraft be-

133

VAHRENHORST, a.a.O., 110. DOUGLAS, Reinheit, 17.59. Im Zusammenhang der antiken und biblischen Unterscheidung zwischen rein und unrein stellen sich heute ganz grundlegende hermeneutische Fragen. Diese Unterscheidung ist in der westlichen Zivilisation unbekannt und findet keinen Erfahrungshorizont mehr, allenfalls einen hygienischen. Die Frage ist jedoch, ob sie völlig verschwunden ist, oder nicht vielmehr in transformierter Gestalt auch einen sehr modernen und postmodernen Widerhall findet, der freilich wesentlich komplexer und individualisierter ist. 135 DOUGLAS, Sacred Contagion, 105. 136 WRIGHT, Art. Unclean, 739. 137 MILGROM, Lev 1–16, 763–766.1000–1004, ähnlich WENHAM, Intercourse, 432– 434. 138 MILGROM, Dynamics, 32: „Among all of the diachronic changes that occur in the development of Israel’s impurity system, this clearly is the most significant: the total severance of impurity from the demonic and its reinterpretation as a symbolic system reminding Israel of its imperative to cleave to life and reject death.“ 134

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wertet werden.139 Die Differenzierung in reine bzw. unreine Tiere würde dann entlang der Linie Aasfresser und Vegetarier verlaufen, wobei die Aasfresser der Sphäre des Todes und die Vegetarier der Sphäre des Lebens zuzuordnen wären. Die Reinheitsgesetze hätten dann vor allem den Sinn, einen Keil zwischen die unreinen Kräfte des Todes und die reinen und heiligen Kräfte des Lebens zu treiben.140 Unklar bleibt bei Milgroms These allerdings, warum die Sphäre des Todes mit dem ritualisierten Töten von Opfertieren einen zentralen Ort im Heiligtum zugewiesen bekommt.141 Möglicherweise überwiegt die lebenseröffnende Wirkung des getöteten Opfers die mit dem Tod verbundene Unreinheit.142 Die These von Milgrom wurde jüngst von Forschern wie T. FrymerKensky, D.P. Wright und J. Klawans für die atl.-jüdische Welt dahingehend weiterentwickelt, dass sie für die Unterscheidung zwischen „rein“ und „unrein“ die Nähe zu den Eigenschaften Gottes heranziehen.143 Rein ist, was Gottes Wesen entspricht, unrein, was ihm fernsteht. Folglich erscheinen Geburt, Sexualität und Tod auf der Seite des Unreinen, weil Gott weder gezeugt noch geboren wurde, unsterblich und weder krank noch sexuell aktiv ist. Aus dieser Perspektive ist die Qualifikation sexueller Aktivität als „unrein“ weniger im Blick auf einen Verlust an Lebenskraft zu verstehen, sondern im Horizont der fehlenden Entsprechung zum Wesen Gottes: Wer sich dem Raum Gottes nahen will, muss Gott analog werden und sich deshalb aus dem Bereich des Sexuellen zumindest befristet zurückziehen. Die Grunddefinition von Reinheit ist hier die Analogie zum Wesen Gottes, oder – um es mit Klawans zu formulieren – die „imitatio Dei“.144 Unreinheit besteht umgekehrt in der Andersartigkeit zu dieser göttlichen Identität. Die Voraussetzung zum Zutritt zum Heiligtum ist damit ein Status der temporären Entsprechung bzw. der befristeten Analogie zu Gott selbst. Dieses Analogieprinzip wird explizit in Lev 19,2 zum Ausdruck gebracht: „Ihr sollt heilig sein, denn ich, Jahwe, euer Gott, bin heilig!“ (vgl. Lev 11,44f. und 1Petr 1,15f.). 139

MILGROM, Dynamics, 31; ders. , Lev 1–16, 767.1002f. MILGROM, Lev 1–16, 732f. 141 Vgl. EILBERG-SCHWARTZ, Savage, 186. 142 Insgesamt bleiben freilich alle Erklärungsmodelle mit dem „Makel“ behaftet, dass sie die groben Züge der Reinheitssystematik plausibel deuten können, aber an zahlreichen Details, die sich nicht in die Grunddefinition fügen, an Grenzen kommen. 143 KLAWANS, Purity, 56–58; vgl. auch FRYMER-KENSKY, Wake, 189: „Sexual activity brings people into a realm of experience which is unlike God; conversely, in order to approach God one has to leave the sexual realm. […] the realm of the ‘holy’ was kept separate from matters that were considered not part of divinity, like death and sexuality.“ 144 K LAWANS, Purity, 58, mit Verweis auf Lev 11,44f.; 19,2; 20,7.26; vgl. auch M ILGROM, Lev 1–16, 696, der hier ebenfalls den Begriff verwendet. 140

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Folgt man dieser Deutung, dann hat die vom Priester erwartete Reinigung und Heiligung im Rahmen dieser Systematik das Ziel, ihn aus dem Status der Profanität und Unreinheit in einen Status der kultisch definierten Integrität und Gottähnlichkeit bzw. der imitatio Dei zu versetzen. Dieser Status gilt als Voraussetzungen eines gelingenden priesterlichen Dienstes. 2.2.4 Die „Herstellung“ von Heiligkeit Den vorübergehenden, weil zeitlich befristeten und höchst labilen Status der Heiligkeit konnten Priester, Opfergaben, Kultgegenstände und auch das gesamte Volk Israel durch einen Vorgang der „Heiligung“ bzw. des „Sich-Heiligens“ annehmen.145 Die Herstellung dieses Zustands entzieht sich allerdings empirischer, hygienischer oder moralischer Logik. Der Status ist nicht an einer Veränderung äußerer, hygienischer Reinlichkeit und auch nur begrenzt durch einen veränderten Lebensstil feststellbar.146 Vielmehr sind Heiligkeit und Reinheit im kultischen Kontext Kategorien jenseits der empirischen Wirklichkeit. Sie haben das Ziel, einen Status der Integrität bzw. ein Ideal menschlichen Seins im Blick auf die Kontakt- und Begegnungsfähigkeit des Menschen mit Gott herzustellen.147 Dies geschieht durch den Vollzug bestimmter (symbolischer) Riten, Waschungen und Opfer oder durch die Einhaltung bestimmter Fristen und Regeln. Dazu gehörte u.a. die Alkoholabstinenz während des Dienstes (Lev 10,9; Ez 44,21), eingeschränkter Kontakt mit Toten in Trauerfällen (Lev 21,1–4; Ez 44,25) und das Verbot bestimmter Trauerriten (Lev 21,5; vgl. 19,27f.; Dtn 14,1f.). Die Einhaltung solch hoher Reinheitsstandards war die Voraussetzung für eine weitere wesentliche Aufgabe des priesterlichen Dienstes, nämlich den Schutz des Heiligtums vor Verunreinigung,148 u.a. durch die Kontrolle kultischer Reinheit bei den Tempelbesuchern. Die Priester hatten soweit wie möglich dafür zu sorgen, dass das Heiligtum Jahwes vor der Entweihung durch sich ausbreitende Unreinheit bewahrt wurde und somit der 145 Während das Verb vdq im Qal den Zustand der Heiligkeit bzw. des Geweihtseins und der Kontaktfähigkeit mit dem Bereich des Göttlichen beschreibt, bezeichnen die Piel- und Hiphil-Formen die kultisch normierte Herstellung dieses Zustands, wobei die Piel-Form stärker die Faktizität akzentuiert und die Hiphil-Form stärker den Vorgang. 146 Natürlich mussten auch allgemeingültige moralische Normen, Werte und Vollkommenheitsideale, Lev 18f.; vgl. Jos Ant 3,279, erfüllt werden, aber sie standen zunächst nicht im Vordergrund. Vgl. hierzu MALINA, Welt, 161: „Die Unreinen und Befleckten können Ganzheit und Vollkommenheit schlicht nicht symbolisch darstellen und somit nicht dem Ideal entsprechen: das vollkommene Individuum in einer vollkommenen Gesellschaft unter einem vollkommenen Gott.“ 147 W ELLS, People, 123: „The priest personifies God’s holiness in human form. He demonstrates what it means to be holy, to belong to God.“ 148 Vgl. Num 1,53; 3,32; 18,5; 2Kön 12,11; Ez 40,45; 44,15; sowie LIU, Purity, 12– 25.

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Raum geschützt wurde, in dem allein die heilsvolle Begegnung zwischen Menschen und dem an diesem Ort gegenwärtigen Gott möglich wurde. Entsprechend entwickelte sich die Priesterschaft zu einer „Expertenkaste“, die über die Kultfähigkeit eines Menschen zu entscheiden hatte. 2.2.5 Der priesterliche Ornat Ein weiteres Element der Statusveränderung, die sich mit dem Dienstantritt des Priesters vollzieht, ist das Ablegen der Alltagskleider und das Anlegen der priesterlichen Gewänder.149 Von Interesse ist an dieser Stelle weniger der königliche Charakter dieser Gewänder (vgl. Ex 28–29.39; Lev 8),150 als vielmehr ihre statusverändernde Funktion.151 Diese kommt in Ex 28,35.43 zum Ausdruck, wo das Tragen der Kleidung auf den priesterlichen Dienst begrenzt wird bzw. auf die Phase zwischen Eintritt in und Austritt aus dem Heiligtum.152 Den Kleidern wird eine Schutzfunktion zugesprochen, insofern sie den Zweck erfüllen, „dass Aaron nicht stirbt“. Diese Schutzfunktion ist jedoch nur eine „Unterfunktion“ des vollzogenen Statuswechsels, der auch mit dem Anlegen des Stirnblatts angezeigt wird, auf dem die Worte hw'hyl: vd,qo anzeigten (Ex 28,26; 39,30), dass der Hohepriester sich nun im Status der Kontakt- und Begegnungfähigkeit mit Jahwe befindet. Indem auf den Schulterstücken des priesterlichen Ephods zwei Onyxsteine mit den eingravierten Namen der Stämme Israels angebracht werden (Ex 28,12.21; 39,6), wird die Repräsentationsfunktion für das Volk angedeutet, die der (Hohe)Priester ebenfalls nur während seines Dienstes im Heiligtum wahrnimmt, weil er nur dann seinen Ornat trägt. Durch das Anlegen des Ornats tritt der Priester ferner in eine Entsprechung und Ähnlichkeit zu Jahwe selbst, insofern die Gewänder in Ex 28,2.40 mit den Begriffen dwObK' und tr,a,p.Ti charakterisiert werden, mit denen in der Regel auch die Theophanie Jahwes beschrieben wird.153 Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch der Stoff des hohepriesterlichen Ornats, der am Yom-Kippur nach Lev 16,4 aus weißem Leinen 149

Vgl. Ex 28,2.4; 31,10; 35,19.21; 39,1.41; Lev 16,4.32. DAVIES, Priesthood, 157f., Sir 45,7f.; Phil Fug 111. 151 DAVIES, Priesthood, 159: „The donning of special clothing is a widely recognized ritual act of transformation, or of gaining rights of access where one might otherwise be denied them“; vgl. AscJes 8,14–15; 9,9. Die göttliche Zuwendung von Heil, Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit und Recht wird häufig mit einer Kleider- bzw. Bekleidungsmetaphorik beschrieben, vgl. Ps 132,9.16; 149,4; 2Chr 6,41; Hi 29,14; Jes 61,10, und auch im Neuen Testament wird ein Status- oder Verhaltenswechsel häufig mit dieser Semantik zum Ausdruck gebracht, vgl. Mt 22,11; 27,31; Lk 15,22; Act 7,57; 12,21; 16,22; Eph 4,22–24; 6,11ff.; Kol 3,12; Apk 3,4f.18 u.ö. 152 Die nach dem Dienst wieder abgelegten Gewänder wurden im Heiligtum aufbewahrt, um nicht außerhalb des Tempels verunreinigt zu werden und umgekehrt nicht das Volk mit dem Heiligen in Berührung zu bringen, vgl. Lev 16,23f.; Ez 44,19. 153 dwObK': Ex 24,16f.; Jes 4,5; Ps 57,6; tr,a,p.Ti: Jes 63,15; Ps 71,8; 96,6; 1Chr 29,11. 150

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bestand (vgl. mYom 3,6) und als Ausdruck der Reinheit, Unbeflecktheit und Integrität verstanden werden muss.154 Exakt dieses Leinengewand ist die charakteristische Bekleidung der Engel, die im himmlischen Heiligtum vor dem himmlischen Thron Gottes dienen.155 Der Hohepriester wird somit in eine Analogie zu den himmlischen Engelwesen eingekleidet, die ihn aus der profanen Wirklichkeit emporhebt in einen heiligen Raum und eine himmlische Sphäre.156 2.2.6 Die räumliche Dimension kultischer Distinktionen Kultisches Denken ist räumliches Denken. Es kreist um die Frage, wie der Mensch, der immer wieder mit unterschiedlichen Formen der Unreinheit behaftet ist, mit dem Raum bzw. Bereich des Heiligen in Berührung kommen kann und damit letztlich Gott selbst begegnen kann. Es geht im kultischen Denken nach W. Strack um ein Zu-Gott-Kommen des Menschen,157 oder wie M. Vahrenhorst es wiederholt formuliert hat, darum, dass der Mensch auf die „Seite Gottes“ bzw. in die „Sphäre des Heiligen“158 gelangt. Folglich ist in der kultischen Sprache immer wieder vom „Nahen“ oder „Herzutreten“ die Rede.159 Entsprechend der Nähe oder Distanz zum Bereich Gottes kennt die atl. Konzeption von Heiligkeit und Reinheit graduelle Unterschiede und Stufen, die ihren Ausdruck erstens hierarchisch an der Distinktion von Hohepriester, Priester, Leviten im qualitativen Gegenüber zu den Laien, zweitens architektonisch in der „konzentrischen“ Anordnung der verschiedenen Vorhöfe und Zugangsbereiche um den Jerusalemer Tempel, drittens kultisch in der Unterscheidung von Opfertieren im Blick auf Eignung, Reinheit und Unversehrtheit (Lev 22,20–25) und viertens temporal in der Unterscheidung profaner und heiliger Zeiten fand. Die Raumvorstellung des kultischen Denkens und die Konzeption quantitativ und qualitativ unterschiedlicher Heiligkeitsgrade und -stufen werden insbesondere an der architektonischen Struktur der gesamten Tempelanla154 Mt 28,3/Mk 16,5/Lk 24,4/Joh 20,12; Mk 9,3/Lk 9,29; Lk 23,11; Act 1,10; 10,30; Apk 3,4f.18; 4,4; 6,11; 7,9.14; 16,15; 19,14. 155 Ez 9,2–3.11; 10,2; Dan 10,5; 12,6f.; äthHen 87,2; 90,22; slHen 22,8–10; Apk 15,6. 156 HARAN, Priestly Image, 215f.: „These garments serve to indicate a kind of dialectical elevation into that sphere which is beyond even the material, contagious holiness characterizing the tabernacle and its accessories.“ 157 STRACK, Terminologie, 319, vgl. auch 402: „Paulus greift mit den kultischen Kategorien das kultische Anliegen selbst auf und kann deutlich machen, daß Gott im Heilsgeschehen in Christus den Immediatverkehr zwischen Gott und Mensch ermöglicht.“ 158 VAHRENHORST, Sprache, 138. 159 Im Hebräischen stehen dafür die Verben brq (nahen, herzutreten), vgn (hinzutreten, sich nähern) und gelegentlich auch awb ([hin]eintreten). Diese und andere Verben werden in der LXX v.a. mit den drei griechischen Verben prose,rcesqai, evggi,zein und eivse,rcesqai wiedergegeben, vgl. →VI.2.5→VII.3.1.

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ge deutlich. Diese bestand aus konzentrisch angeordneten Heiligkeitsbereichen,160 die sich schachtelförmig in rechteckigen bzw. trapezförmigen Vorhöfen um den Tempel herum gruppierten und deren Heiligkeit ausgehend vom Allerheiligsten161 nach außen hin abnahm, bis sie sich im Vorhof der Heiden nahezu verlor und außerhalb des Landes Israel völlig abwesend war.162 Die Ambivalenz dieser Konzeption ist evident: Je weiter ein Mensch in das Innere des Tempels vordringt, desto mehr nähert er sich der 160

Bereits in Ex 19,12 ist im Kontext der Sinaiperikope von einem umgrenzten, heiligen Raum die Rede, den das Volk bei Todesgefahr zu beachten hat und nicht betreten darf. In der Beschreibung des Wüstenheiligtums in Num 1,52–2,31 wird diese konzentrische Ordnung verschiedener Heiligkeitsgrade ebenfalls sichtbar. Auch in der Tempelkonzeption Ezechiels wird in Ez 42,20 eine Tempelmauer beschrieben, welche die Funktion hat, das Heilige vom Profanen zu unterscheiden; vgl. auch Num 18,22f. In mKel 1,6–9 werden später zehn Grade des Heiligen unterschieden, angefangen von der niedrigsten Heiligkeitsstufe des (1) Landes Israel, das heiliger ist als alle übrigen Länder, über (2) die ummauerten Städte, (3) die Stadt Jerusalem, (4) den Tempelberg, (5) den Rundgang um den Tempel, (6) den Vorhof der Frauen, (7) den Vorhof der Israeliten, (8) den Vorhof der Priester, (9) dem Tempelvorplatz zwischen Vorhalle und Altar, (10) dem Tempelhaus bis zu dem Allerheiligsten. Die in Qumran gefundene Tempelrolle kennt sogar elf verschiedene Heiligkeitsstufen, vgl. MAIER, The Temple Scroll, 5f. Vgl. zum Ganzen P.P. J ENSON, Graded Holiness. 161 W ILLI-P LEIN, Opfer, 51: „Der Kultort ist einerseits der Ort, an dem sich Heiliges realisieren und erleben läßt, andererseits auch eine Konzentration des Heiligen, der Sphäre der Heiligkeit, die sich dann im ‚Heiligen des Heiligen‘, d.h. dem Allerheiligsten, zum äußersten verdichtet.“ 162 Vgl. hierzu ausführlich GUSSMANN, Priesterverständnis, 134–149, mitsamt einem tabellarischen Vergleich der Heiligkeitsbereiche und Zutrittsgrenzen in der Tempelrolle, bei Josephus und den Tannaiten; eine kurze Beschreibung der geschichtlichen Entwicklung dieser theologisch-architektonischen Konzeption findet sich a.a.O., 139ff. Die vier Tempelhöfe der Heiden, der Frauen, der Männer und der Priester und das allein dem Hohepriester einmal jährlich zugängliche Allerheiligste des Tempels symbolisieren abgestufte Heiligkeitsbezirke, deren Heiligkeitsgrad (und mit ihm die Zugangsvoraussetzungen und das topographische Höhenniveau) nach innen hin in dem Maße zunimmt, wie die Öffentlichkeit abnimmt. Die theologische Konzeption abgestufter Heiligkeit bestimmt auch die ezechielische Tempelvision in Ez 40,1–43,12, vgl. ALBERTZ, Religionsgeschichte II, 449: „Sie [sc. die gewaltigen Toranlagen in der Tempelbaukonzeption Ezechiels] sind nur aus dem theologischen Programm der Priestergruppe erklärbar, den Zugang zum heiligen Tempelbezirk im allgemeinen und den Zugang zum inneren Bezirk, wo die heiligen Handlungen vollzogen werden, unter allen Umständen – möglicherweise auch ohne staatliche Hilfe – für die Priesterschaft absolut kontrollierbar zu machen. Niemals mehr sollte ein Unberechtigter bis zum Ort der heiligen Handlungen vordringen und in den priesterlichen Aufgabenbereich eingreifen können.“ Begrifflich wird die graduelle Differenzierung verschiedener Heiligkeitsstufen und -bereiche durch den Ausdruck des „Hochheiligen“ (~yvid'Q\h; vd,qo) markiert, mit dem z.B. das Allerheiligste des Tempels, 1Kön 6,16; 7,50; 8,6; Ez 41,4; 2Chr 3,8.10; 4,22; 5,7; Ex 26,33f., aber auch der gesamte Tempelbereich, Num 18,10; Ez 43,12; 45,3; 48,12; Dan 9,24, der Brandopferaltar, Ex 29,37; 40,10 oder der Räucheraltar, Ex 30,10, bezeichnet werden können.

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Gegenwart Gottes, umso größer wird aber auch die Gefahr einer illegitimen und zerstörerisch wirkenden Begegnung mit dem Heiligen und damit letztlich mit Gott selbst und umso höher muss deshalb der Grad seiner kultisch hergestellten Integrität und Gottähnlichkeit sein. Diese architektonische Konzeption bildet in der Folge die theologisch-hierarchische Untergliederung der jüdischen Gesellschaft in Priester, Leviten, Israeliten (im Sinne der übrigen Stämme Israels) und Nicht-Juden nicht nur ab, sondern konstituiert sie auch immer wieder. Denn die Nähe, in die ein Mensch im nachexilischen Judentum zum Allerheiligsten vordringen durfte, bestimmte auch wesentlich sein Sozialprestige.163 Eine Durchlässigkeit zwischen den Gruppen war nicht gegeben, vielmehr war die jeweilige Gruppenzugehörigkeit genealogisch vorgegeben.

2.2.7 Ergebnis In einer kultisch strukturierten Welt ist dem Menschen die heilvolle und gefahrlose Begegnung mit Jahwe und seiner Heiligkeit ebenfalls nur im Status der Heiligkeit möglich. „Heilig“ ist in diesem Zusammenhang als „Kontakt- und Begegnungsfähigkeit mit und Zugehörigkeit zum (Raum des) Heiligen“ zu deuten. Die israelitischen und jüdischen Priester waren für diesen Kontakt mit Jahwe im Raum des Heiligen zum einen durch ihre Abstammung, körperliche Unversehrtheit und durch ein korrektes Eheverhältnis qualifiziert, zum anderen aber auch durch ihren kultisch hergestellten Status der Integrität vor und Analogie zu Gott. Zur Herstellung dieses Status mussten sie sich regelmäßig einem kultisch bestimmten Vorgang der Heiligung bzw. des „Sich-heiligens“ unterziehen, indem sie sich durch klar vorgeschriebene Rituale, Waschungen und/oder Opfer sowie durch das Anlegen des statusverändernden Ornats in einen zeitlich befristeten Status der Heiligkeit versetzten. Durch diesen Vorgang der Heiligung bzw. des Sich-Heiligens erlangten die Priester einen Zustand der zeitlich befristeten Integrität vor und Ähnlichkeit mit Gott bzw. der „Gottgemäßheit“, der sie legitimierte „sich Jahwe zu nahen“ und ihm im heiligen Bereich seiner Präsenz kultisch zu dienen. Im Status der Heiligkeit waren die Priester ein Repräsentationsmodell dessen, was ganz Israel im Blick auf seine Heiligkeit vor Gott sein sollte (Lev 11,44f.; 19,2). Ihr Dienst im Raum des Heiligen, kam dem Eintritt in die himmlische Welt gleich: „The priest belongs in two worlds. While his everyday life he is among his fellow Is-

163 Das rabbinische Judentum unterschied bis zu 14 verschiedene Reinheits- und Heiligkeitsstufen, vgl. mQid 4,1; mHor 3,8; tRH 4,1 und tMeg 2,7, sowie J EREMIAS, Jerusalem, 166–251.304–308. Diese reichen von 1. den Priestern, über 2. die Leviten, 3. die Israeliten („Laien“), über 5. Proselyten und 10./11. Eunuchen bis zu 14. Heiden im Sinne von Nichtjuden am Ende der Heiligkeitsskala.

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raelites, when he dons his vestments and crosses the threshold he becomes participant in the heavenly or ideal world.“164 2.3 Die Funktionen des priesterlichen Dienstes Nach dem bisher Ausgeführten wird deutlich, warum die Darstellung der priesterlichen Funktionen am Ende und nicht – wie üblich – am Anfang dieses Abschnitts ihren Ort bekommt, denn eine lediglich phänomenologische Beschreibung würde der Bedeutung der einzelnen Funktionen kaum gerecht. Vielmehr werden alle priesterlichen Funktionen erst vom Charakter des priesterlichen Seins und vom Status der (zeitlich befristeten) Integrität und Gottesähnlichkeit her begreifbar. Sowohl das mediatorische, das Heiligtum bewahrende, den Gotteswillen interpretierende und richtende Handeln eines Priesters geschieht im Horizont dieser Integrität und Gottähnlichkeit. Der Priester ist aus der Gemeinschaft des Volkes herausgehoben und erlangt durch den Vorgang der Heiligung, der Anlegung des priesterlichen Ornats und dem Eintritt in den heiligen Raum ein integres und gottähnliches Sein, das den im Folgenden beschriebenen Handlungen erst ihr Legitimität und Gültigkeit verleiht. Der Alltag des priesterlichen Dienstes in jener Epoche lässt sich schnell und schlicht beschreiben und unterlag während der knapp sechs Jahrhunderte zwischen dem Bau des zweiten Tempels und dem Jahr 70 n.Chr. kaum großen Veränderungen:165 Nach dem morgendlichen kultischen Reinigungsbad wurden die verschiedenen Arbeiten und Dienste, die im Tempel zu erledigen waren, ausgelost. Dazu gehört die Reinigung des Brandopferaltars von der Asche, das Schlachten von Opfertieren, die Zubereitung von Getreide- und Weinopfern, die Holzbeschaffung für das Altarfeuer, das Auflegen der Opferstücke auf den Altar, das Räucheropfer, die Acht auf den siebenarmigen Leuchter im Tem-

164 DAVIES, Priesthood, 164; vgl. auch a.a.O., 168: „The priesthood and tabernacle constitute a constant reminder of the goal and prospect of holiness and acceptability to God.“ DAVIES, a.a.O., 165, geht in seiner Deutung noch einen Schritt weiter uns vermutet im priesterlichen Dienst im Raum des Heiligtums die Restitution der paradiesischen Welt und einer erneuerten Menschheit: „Here is the prospect of Eden restored, and a restored humanity to dwell in it in security and in harmony with God and with the world around them“, ähnlich a.a.O., 239f., und CHEUNG, Priest, 268: „A logical extension of this idea is to see the priest as the restorer of creation as well as the restored creation.“ So stimmig und naheliegend diese Schlussfolgerung auch erscheint, so sehr mahnen die Texte selbst zur Zurückhaltung. Wir haben keinen expliziten Hinweis in den Texten selbst, dass das kultische System als eine Restitution des Paradieses verstanden wurde; vgl. dazu auch die Diskussion in →III.2.1.5. Dass es sich um eine mögliche Deutung handelt, kann freilich kaum bestritten werden. Den Texten noch fremde Kategorien trägt dagegen CHEUNG, Priest, 265f., ein, wenn er den/die Priester „as the redeemed (ideal) man“ bzw. als „the eschatological and ideal Israel that finds its supreme expression in Jesus Christ“ bezeichnet. Hier wird der Priester zu sehr aus ntl. Perspektive interpretiert. 165 Eine ausführliche Beschreibung des priesterlichen Dienstes im Tempel in den letzten zwei Jahrhunderten vor dem Jüdischen Krieg gibt SANDERS, Judaism, 77–92.

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pel usw.166 Von herausragender Bedeutung war das tägliche Tamidopfer am Morgen und am Abend, das in frühjüdischer Zeit das zentrale und bedeutendste kultische Sühneopfer war.

2.3.1 Der Priester als Mittler Der zentrale priesterliche Aufgabenschwerpunkt war – spätestens in der nachexilischen Zeit – das Opfer.167 Dies ist freilich ein Urteil, das sich nicht auf eine Belegstelle in einer bestimmte Quelle berufen kann, sondern sich vielmehr aus der Vielzahl der Bestimmungen und Zeugnisse zu den Opfern nahe legt. Wie in der gesamten paganen Literatur der archaischen und antiken Welt, so findet sich auch weder im Alten Testament noch in der frühjüdischen Literatur eine explizite Reflexion über den Sinn und die Notwendigkeit von Opfern.168 Ausgangspunkt aller Deutungen bleibt die Tatsache, dass die Menschen der antiken Welt über kulturelle und ethnische Grenzen hinweg das Wissen 166

Vgl. HENGEL, Jesus, 158f. Die zentrale Bedeutung der Mittlerfunktion für das atl. Priestertum ist allgemein anerkannt und wird auch in der Forschung nicht in Frage gestellt, vgl. HERMISSON, Sprache, 102: „Man wird den Sinn des Priesteramtes Israels ganz allgemein in der Mittlerstellung zu sehen haben, die es zwischen Gott und den Völkern einnimmt“, und auch DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 73: „Die verschiedenen priesterlichen Aufgaben haben als gemeinsamen Grund die Mittlerfunktion: Der Priester vertritt durch Orakel und Unterweisung Gott vor den Menschen, durch das Opfer und die Fürbitte die Menschen vor Gott.“ Zur Bedeutung und Funktion der Opfer siehe KLAUCK, Umwelt I., 27–37.45–49; MARX, Art. Opfer, 572–576; GERLITZ/SEEBASS/STEMBERGER, Art. Opfer I–III, 253–270, v.a. 264; HAHN, Art. Opfer, 877–887; P AUS/SEDLMAIER, Art. Opfer I–II, 1061–1065; SEIWERT, Art. Opfer, 268–284; HENNINGER/CARRASCO, Art. Sacrifice, 7997–8010; SANDERS, Judaism, 103–118.251–257; SCHÜRER /VERMES, History II, 292–308. 168 Die grundlegende atl. Kategorie ist die Sühnewirkung des Opfers, wie sie am ausführlichsten im Ritual des großen Versöhnungstages, Lev 16, beschrieben, aber leider kaum gedeutet wird, vgl. dazu GESE, Sühne, und SCHMID, Möglichkeit. In der religionsgeschichtlichen Forschung lassen sich in der Gegenwart mehr als ein halbes Dutzend Opfertheorien unterscheiden: (1) Die Gabentheorie (HUBERT, MAUSS, T YLOR) versteht das Opfer als Geschenkgabe (dw/ron) an die Gottheit, um ihren Zorn zu beschwichtigen, um ihr zu danken (W. SCHMIDT) oder um ihre Macht zugunsten des Opfernden einzusetzen (VAN DER LEEUW). (2) Die Kommunionsopfertheorie (SMITH) sieht im Opfer die Stiftung einer Tischgemeinschaft zwischen den Opfernden und der Gottheit, die beim Verspeisen des geopferten Tieres realisiert wird. (3) Die von der Psychoanalyse inspirierte Aggressionstheorie (S. FREUD, R. GIRARD) versteht das Opfer als „Sündenbock“, dem in einem Ritual die Aggression einer Gesellschaft stellvertretend übertragen wird, damit sie sich nicht zwischenmenschlich äußert. (4) Die stammesgeschichtliche Theorie (K. MEULI, W. B URKERT) erblickt hinter dem Opfer einen archaischen Schlachtritus, durch den die menschlichen Schuldgefühle beim Tod eines zum Verzehr benötigten Tieres gemildert werden sollen. (5) Die Passagetheorien (VAN GENNEPP, MARX) sehen im Opfer einen Trennungsritus. (6) Die Heiligungstheorie (MALINA) begreift das Opfer als einen Prozess, in dem etwas für einen anderen heilig gemacht wird. 167

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um die Notwendigkeit einer mittlerischen Stellvertretung vor Gott bzw. den Gottheiten vereinte. Leben vor und mit Gott bzw. den Göttern war nur möglich durch die regelmäßige Darbringung einer Opfergabe.169 Um die korrekte Opferdarbringung und damit letztlich auch die göttliche Annahme des Opfers zu gewährleisten, brauchte man in allen Kulturen früher oder später einen Stand kultischer Experten.170 Im Horizont des bisher Ausgeführten wird deutlich, warum diese mittlerische Aufgabe in Israel nur von einem Menschen übernommen werden konnte, der in einem besonderen Status vor Gott steht. Nur wenn das Opfer von einem mittlerischen „Wesen“ dargebracht wird, das sich selbst – wenigstens befristet – im Status der Integrität und Gottähnlichkeit befindet und damit auch ontologisch in der Mitte zwischen Gott und dem Volk steht, kann mit dem „Wohlgefallen“ Gottes gerechnet werden. Dabei wird das eigentliche Opfer – abgesehen vom Vogelopfer – nicht vom Priester selbst getötet und geschlachtet wird.171 Die priesterliche Aufgabe beginnt genau genommen erst mit der Manipulation des Blutes, das um den Brandopferaltar gesprengt172 bzw. an den Hörnern des Brandopferaltars aufgetragen und am Fuße desselben ausgegossen wird.173 Weiter hat der Priester die zum Verbrennen auf dem Altar bestimmten Opferteile zum Altar zu bringen und dafür zu sorgen, dass das Feuer auf dem Altar nicht erlischt.174 Es sind letztlich sehr spezielle Kenntnisse im Umgang mit den einzelnen Opfern und ihrem Blut am Altar, die zum innersten Kern des mittlerischen Dienstes gehörten. Schließlich muss auch noch das Segnen des Volkes im Namen Jahwes zu den mediatorischen Funktionen des priesterlichen Amtes gezählt werden.175 Der Segen wurde stets nach dem täglichen Opfer und an den Festtagen vom Priester bzw. Hohepriester dem Volk zugesprochen. Dabei erhob der Priester auf einem speziellen Podium stehend die Hände über das 169 Dieser Bereich priesterlicher Zuständigkeit ist ständig gewachsen. Das Schlachten der Opfertiere blieb auch weiterhin den Opfernden selbst vorbehalten. Die Priester sprengten lediglich das Blut um den Brandopferaltar oder gossen es an seinen Fuß (Lev 1–3). 170 Dies kommt auch im Alten Testament u.a. in einem so alten Text wie der Bestellung eines jungen Leviten zum Privatpriester Michas des Ephraimiters zum Ausdruck, Ri 17. Die Anstellung des jungen Priesters verbindet der „Anstellungsträger“ mit der Hoffnung, „dass mir der HERR wohl tun wird, weil ich einen Leviten zum Priester habe“, Ri 17,13. 171 Vgl. Lev 1,5–9.11–13; 3,2–5.8–11.13–16. 172 Lev 1,5.11; 3,2.8.13; 7,2. 173 Lev 4,25.30.34; 8,15; 9,9. 174 Es gibt eine Fülle weiterer Sonderbestimmungen für den Umgang mit den einzelnen Opferarten und für priesterliche Aufgaben im Heiligtum, die hier nicht aufgezählt werden können, vgl. dazu DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 72f. 175 Dtn 10,8; 21,5; 1Chr 23,13 u.v.a. Num 6,22–27.

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Volk und evozierte den Segen auf die versammelte Gemeinde.176 Die Vollmacht zu dieser Handlung gründet wieder in seinem Status: Als der integre, ideale und gottähnliche Mensch besitzt einzig er die Legitimation zu dieser Segensvermittlung. 2.3.2 Der Priester als Hüter und Ausleger des Gotteswillens W. Zimmerli beschreibt den Priesterdienst in seiner Grundfunktion als einen „Dienst in der Hut der Grenzen am Orte der göttlichen Präsenz“.177 Dieser Dienst umfasst nicht nur den korrekten Vollzug des Opfers, sondern auch die Belehrung des Volkes über den Umgang mit dem Heiligen. Gemäß dem Levisegen in Dtn 33,8–11 haben die Leviten den Auftrag Israel/Jakob die Rechtsordnungen Jahwes zu lehren (vgl. Dtn 31,9–13).178 Die darin enthaltene kultische Toraerteilung bezieht sich vorrangig auf die Unterscheidung zwischen Reinem und Unreinem, Heiligem und Profanem (Lev 10,10; vgl. auch Ez 44,23 mit 22,26; Hag 2,11ff.).179 Dies gilt im Besonderen für den Bereich der Speise, wo es Erlaubtes und Reines bzw. Unerlaubtes und Unreines gibt. „Der Priester ist der Wissende und Hüter dieser Grenzen, der den Menschen etwa über die ‚Satzungen des Lebens’ (Ez 33,15), die von dem, der das Heilige betritt, beachtet sein wollen, belehrt.“180 Es versteht sich von selbst, dass diese Sachkompetenz im Blick auf die Anforderungen an bestimmte Opferarten, sowie die Beachtung und Wiederherstellung181 kultischer Reinheit, eine gründliche Ausbildung, Schulung und Traditionspflege erforderte, jedoch auch gleichzeitig eine erhebliche Macht verlieh.182 In ntl. Zeit waren v.a. die Jerusalemer Priester

176 Vgl. Lev 9,22–24; Sir 50,19–22; mTaan 4,1; mTam 5,1; 7,2; 1QS 2,2–18. Zum Priestersegen vgl. auch SCHÜRER/VERMES, History II, 306f.453f.; HECKEL, Segen, 79– 87, mit entsprechender Literatur. 177 ZIMMERLI, Theologie, 84. 178 Vgl. auch Jes 2,3 [= Mi 4,2]; Mal 2,6–9; 2Chr 5,3; 17,8f. Entsprechend halten in der sog. Einzugsliturgie die Priester den Pilgern die Gebote vor, Ps 15; 24,3–5, und erfüllen so im Stile einer katechetischen Volksbefragung ihre volkspädagogische Pflicht. 179 REVENTLOW, Art. Priester, 387: „Priester [...] erlassen Bescheide über die Rechtmäßigkeit bestimmter Opferarten, über Reinheit und Unversehrtheit der dabei verwandten Tiere, über Rituale, über Bedeutung und Anlässe der Opfer usw.“; vgl. auch OTTO, Art. Priestertum, 1648. 180 ZIMMERLI, Theologie, 82; vgl. hierzu Num 1,53; 3,28.32, sowie Am 7,10–17; Jer 20,1f.; 29,26. 181 Vgl. Lev 15,28; Num 6,9. 182 Die Bedeutung dieser Kompetenz spiegelt auch 2Kön 17,27 wider. Demnach sandte der assyrische König (Salmanasser V.?) einen Priester ins Nordreich zurück, um die dort neu angesiedelte Bevölkerung die dem „regionalen Landesgott“ gemäße Gottesverehrung zu lehren.

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mit Lehraufgaben betraut, da sie aufgrund der Vollversorgung durch Priesteranteile und Tempelabgaben Zeit zum Studium hatten.183 So hatten die Priester unterstützt durch die Leviten die Aufgabe, den heiligen Bereich der Präsenz Gottes vor Verunreinigung und der dadurch drohenden Entheiligung zu bewahren und zu schützen.184 Legitimiert und prädestiniert war er dazu wiederum durch den besagten Statuswechsel. Durch die Heiligung, das Anlegen des Ornats und den Eintritt in das Heiligtum wurde der Priester ein Teil dieses Heiligtums und unterschied sich nunmehr vom Rest des Volkes. Nur auf diesem Hintergrund konnte er diese Aufgabe wahrnehmen ohne dabei selbst Schaden zu erleiden. Die volkspädagogische Lehraufgabe der Priester kann aus dieser Perspektive als eine Art Unterfunktion seines Schutz- und Bewahrungsauftrags für das Heiligtum betrachtet werden. Denn die kultische und ethische Unterweisung der Pilger und Tempelbesucher185 war für den Schutz des Heiligtums vor Verunreinigung und umgekehrt den Schutz der Pilger vor der Gefährdung durch einen kultisch illegitimen Zutritt zum Raum des Heiligen von großer Bedeutung. Darüber hinaus war der Priester auch für die Deutung des Gotteswillens für den Einzelnen, eine Gruppe oder das ganze Volk zuständig.186 Als idealer und integrer Mensch, der regelmäßig im Nahbereich der Präsenz Gottes dient, war er am ehesten dafür geeignet, den Willen Gottes kund zu tun bzw. diesen für die unterschiedlichsten Lebenssituationen zu interpretieren. Eine der ältesten Formen dieser Willensdeutung war das binäre priesterliche Losorakel.187 In vorexilischer Zeit wurde vor militärischen Aktivitäten auf eine Alternativfrage hin mit Hilfe einer sakralen Technik das Los geworfen und das Ergebnis als Gottesentscheid verstanden (vgl. Dtn 33,8; Ri 18,5; 1Sam 23,2; 30,7f. etc.).188 Durch ein Losorakel konnte auch ein unbekannter Schuldiger ermittelt werden (vgl. Jos 7,10–26; 1Sam 14,36– 183

Prominentes Beispiel eines „studierten“ Priesters ist Josephus, Bell 3,352; 5,375– 394, der seine Schriftgelehrtheit mit seinem Priestersein begründet, Bell 3,352; Ap 1,54. 184 Num 1,53; 3,32; 18,5. 185 Jer 2,8; Hos 4,4–6; 8,12; Mi 3,11; Jer 18,18; vgl. Ez 7,26. 186 2Chr 15,3; Neh 8,2f.13.18; Dtn 31,9–13.24–26; 33,10; Sach 7,3; Mal 2,6–8; TestLev 13,1–5. Die Toraerteilung ging in nachexilisch-frühjüdischer Zeit mehr und mehr in den Kompetenzbereich der Leviten über: Neh 8,7f.; 2Chr 17,7–9; 35,3. Dagegen übergeht Josephus, Ant 8,395, die Leviten bewusst und gesteht den Unterweisungsauftrag allein den Priestern zu; vgl. Ant 4,304. In ntl. Zeit haben sich dagegen v.a. die Pharisäer um die Toraunterweisung v.a. der Landbevölkerung gekümmert. 187 Vgl. REVENTLOW, Art. Priester, 386; OTTO, Art. Priestertum, 1647; DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 69f. 188 Dass auch der priesterliche Ephod und die Teraphim als (illegitime?) Orakelinstrumente benutzt wurden, vgl. Ri 17,5; Hos 3,4, wie DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 70, behauptet, lässt sich nur in 1Sam 23,9–12 deutlich belegen.

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42; Ex 22,6–14).189 Jedoch scheinen die Lose Urim und Tummim spätestens in nachexilischer Zeit außer Gebrauch gekommen zu sein (Esr 2,63/Neh 7,65).190 An ihre Stelle trat nun die Schriftauslegung. Schon sehr früh gehörte gemäß der prophetischen Überlieferung die Toraerteilung zu den priesterlichen Funktionen. Es ging dabei v.a. um die kultische aber auch ethische Unterweisung Israels im offenbarten Gotteswillen.191 Hosea wirft in Hos 4,4ff. den zeitgenössischen Priestern – der Singular ist generisch zu verstehen – vor, dass sie ihre ethische Lehr- und Volksbildungsaufgaben vernachlässigen, und in Hos 8,12 klagt er sie der Missachtung der geschriebenen trowOT an. In ähnlicher Weise hält der Südreichprophet Micha der Jerusalemer Priesterschaft vor, dass sie sich für die Toraerteilung entlohnen lässt, obwohl sie doch gerade für diesen Auftrag angestellt ist (Mi 3,11). Auch Jeremia behaftet die Priester bei ihrer Bildungsaufgabe und klagt sie der bewussten Missachtung ihres „Hirten“auftrages an (Jer 2,8). Die Dramatik dieser Klagen wird freilich erst wahrnehmbar, wenn die Alternativlosigkeit der priesterlichen Unterweisung begriffen wird. Weil eben nur die Priester jenen Status der Integrität, Gottesnähe und -ähnlichkeit erlangen konnten, der die Grundlage für eine gültige Toraerteilung war, konnte ihr Dienst prinzipiell nicht substituiert oder delegiert werden. Da im Alten Testament wie in der gesamten antiken Welt kultischrituelle Reinheit/Unreinheit und physische Gesundheit/Krankheit als miteinander verwobene Phänomene der einen Wirklichkeit angesehen wurden, war es konsequent, dass Priester sowohl als Experten für Fragen ritueller (Un)Reinheit als auch für Fragen von Gesundheit und Krankheit angesehen wurden. Weil sie befugt waren, Urteile über unrein machende körperliche Zustände und Krankheiten abzugeben, übten sie wahrscheinlich auch ärzt189

Verwandt mit solchen Gottesentscheiden sind die Ordnungen für Ordale, mit deren Hilfe die Schuld oder Unschuld einer des Ehebruchs angeklagten Frau ermittelt wurde, vgl. Num 5,11–31. 190 Vgl. ZIMMERLI, Theologie, 82: „Esr 2,63 scheint darauf zu deuten, dass die nachexilische Zeit nicht mehr die Vollmacht zu haben glaubte, diese Form der Gottesbefragung zu üben.“ DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 70, nimmt das Verschwinden des Losorakels bereits für die Epoche vor dem ersten Tempel an. Er weist darauf hin, dass die Könige Ahab und Josaphat in ähnlichen Situationen kein Losorakel vollzogen, sondern den Bescheid eines „Sehers“ oder Propheten einholten, 1Kön 20,13f.; 22,6; 2Kön 3,11. Dagegen verweist GUSSMANN, Priesterverständnis, 43f.301, auf Jos Ant 3,217f.; 11,111– 113, wonach die Lose erst unter dem Hasmonäer Alexander Jannai abgeschafft worden seien. In Qumran, vgl. 4Q418 81,5, konnte das Los im Anschluss an Jes 34,17 und Ps 16,5 eine metaphorische Bedeutung für Gottes determinierendes Handeln bekommen, vgl. dazu A. LANGE, Determination. 191 Wenn im Rahmen des Motivs von der Völkerwallfahrt zum Zion, Jes 2,2–5; Mi 4,1–5, vom „Lehren der Wege“ und vom „Ausgang der Tora“, Jes 2,3; Mi 4,2, die Rede ist, dann handelt es sich auch hier um die priesterliche Unterweisung.

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liche Funktionen aus.192 Auch diese Funktion muss im Zusammenhang mit dem Status der Integrität und Idealität verstanden werden. Wer anders als der Priester als Modell des integren und idealen Menschen kann anderen den Weg zur Wiederherstellung der körperlichen Integrität, Ganzheit, Vollkommenheit und somit Gesundheit weisen? 2.3.3 Der Priester als Rechtspfleger Von der Auslegung des aktuellen Gotteswillens über die Toraerteilung bezüglich „heilig/profan“ und „rein/unrein“ und der Schriftauslegung in späterer Zeit ist es nicht mehr weit zur Mitwirkung an der Rechtspflege.193 Die genauen Kompetenzen, die Priestern und Leviten in diesem Kontext übertragen wurden, lassen sich nicht mehr im Detail klären. Deutlich ist jedoch, dass z.B. bei den am Heiligtum als Appellationsinstanz durchgeführten Gerichtsverfahren bezüglich Delikten wie Blutvergießen, Streitangelegenheiten und Körperverletzung die „levitischen Priester“ und der Richter zusammenwirkten (Dtn 17,8–13; 21,5). Zum priesterlichrichterlichen Kompetenzbereich gehörten auch die Erstellung von Reinheitsgutachten hinsichtlich der Kultfähigkeit eines Priesters (mMid 5,4) und im weiteren Sinne auch die insbesondere für den Tempelkult wichtigen Entscheidungen in Kalenderfragen und die Terminfestsetzungen für die Wallfahrtsfeste. Nach 2Chr 19,8 zog Josaphat Priester, Leviten und Familienoberhäupter als Richter in Rechts- und Streitangelegenheiten heran und Philo hält Priester aufgrund ihres „scharfsinnigen Geistes“ für das Richteramt für besonders geeignet.194 Auch Josephus sieht in der Rechtsprechung aufgrund der hierfür nötigen Toraautorität eine genuin priesterliche Aufgabe (Ap 2,184–187.194). Im Hintergrund steht auch hier nicht nur die Erwartung, dass die Priester über die größten Kenntnisse in den Rechtstraditionen verfügen, sondern das Wissen, dass nur der mit dem Status der Integrität, Idealität und Gottesähnlichkeit versehene Mensch am ehesten in der Lage ist, über Recht und Gerechtigkeit zu richten. 2.4 Ergebnis Das priesterliche Amt wurde getragen von einem religiösen Status, wonach dem Priester durch ein Verfahren der Heiligung bzw. des Sich-Heiligens 192 REVENTLOW, Art. Priester, 387; vgl. Lev 13,49f.; 14,2–32; Dtn 24,8; CD 13,5–7; Mk 1,44par; Lk 17,14; Philo Imm 131f. 193 Dtn 17,8–13; 19,17; 21,5; Ez 44,23f.; 1Chr 23,4; 2Chr 19,5–11; Sir 45,17; TestRub 6,7–12. Die kultische Rechtspflege scheint nach 1Sam 12,25 an den zahlreichen Orts(Höhen-)Heiligtümern zu Hause gewesen zu sein und hat sich möglicherweise aus dem Orakelwesen heraus entwickelt. 194 SpecLeg 4,190f.; vgl. Det 132; Imm 134; Mos 2,214–216.

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für die befristete Dauer seines Dienstes der Status eines idealen, integren und gottähnlichen Menschen verliehen wird, der aufgrund seiner als Kontakt-, Begegnungs- und Gemeinschaftsfähigkeit mit Gott verstandenen Heiligkeit legitimiert ist, sich der Gegenwart Gottes zu nahen, ihm zu dienen und mit ihm in räumlischer Gemeinschaft zu sein. Somit bewegte sich der Priester letztlich in zwei Welten: Während seines alltäglichen Lebens ist er ein Israelit unter anderen, während seiner Dienstzeit und eingekleidet in seinen priesterlichen Ornat wird er ein Mitglied der himmlischen, idealen Welt. Dieser „himmlische“ Status versetzt ihn erst in die Lage, für die irdische Welt mediatorisch, interzessorich, interpretierend und richtend tätig zu werden. So wird der Priester im Zuge der kultischen Heiligung und Einkleidung zum idealen Menschen am idealen Ort195 und hat in Stellvertretung für das Volk ein im Höchstmaß gottgemäßes Leben zu führen. Dieses hatte nicht nur eine ethische, sondern v.a. eine kultische Dimension: Sein gesamtes Sein, Wissen und Handeln sollte während des Dienstes auf den toragemäßen Kultvollzug und die korrekte Unterscheidung von Reinem und Unreinem, Heiligen und Profanen ausgerichtet sein. Auch die Prüfung der genealogischen Abstammungsverhältnisse sowohl beim Priester selbst als auch bei der Wahl seiner Ehefrau, die Qualifikation der körperlichen Unversehrtheit und auch das Wissen und die daraus erwachsende Weisheit des Priesters müssen als Teil jenes Vollkommenheitsideals verstanden werden, mit dem sich junge Priesterkandidaten konfrontiert sahen und die ihre Gottähnlichkeit gewährleisten sollte. Von diesem Status her erschließen sich auch die Funktionen des priesterlichen Amtes. Wie in der paganen Umwelt waren auch die isralitischjüdischen Priester aufgrund der ihnen verliehenen bzw. immer wieder hergestellten Identität zunächst und vor allem Repräsentanten des Volkes vor Gott und gleichzeitig die Repräsentanten Gottes vor dem Volk. Wenn der Priester in die Präsenz Jahwes tritt, tut er dies in Repräsentation Israels: „When the priest enters the divine presence in the sanctuary, the community enters through him. He exists and functions within the cult, then, to hold up the ideal and affirm the prospect to Israel of a royal and priestly dignity which is in principle the possession of the whole community.“196 Dieser repräsentative und mediatorische Dienst am Opferalter war von höchster Bedeutung für das Wohl und Wehe des Volkes. Am rechten Nahen zu und Stehen vor Jahwe und der ordnungs- bzw. toragemäßen Darbringung der Opfer und der Korrektheit der priesterlichen Ordale und Weisungen entschied sich, ob Gott ein Opfer wohlgefällig war und seine sühnende und 195

Vgl. DAVIES, Priesthood, 164. DAVIES, Priesthood, 166; vgl. auch a.a.O., 167: „Aaron and his sons are representational models of what Israel's holiness in relation to God should be.“ 196

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heilstiftende Wirkung entfalten konnte oder nicht. Insofern war es faktisch weniger das politische oder militärische Geschick des Königs als vielmehr und zuerst das korrekte Sein, Wissen und Handeln der amtierenden Priester, von denen Israels Sein und Zukunft abhing. Nur vor diesem Hintergrund wird die wachsende Kritik am priesterlichen Dienst verständlich, die bereits in vorexilischer Zeit hörbar wird und sich dann in nachexilischer und frühjüdischer Zeit zu einem breiten und vielstimmigen Chor erhob.

3 Die Kritik der priesterlichen Kultpraxis 3 Die Kritik der priesterlichen Kultpraxis

In der kanonischen Darstellung des Pentateuch kommt es bereits zu einem frühen Zeitpunkt zu einem Konflikt über den besonderen Status des aaronidischen Priestertums. In der Erzählung über die Rebellion Korachs (Num 16,1–17,15) wird aus der Mitte der Leviten Kritik an den mit der besonderen Heiligkeit Aarons und seiner Söhne verbundenen Privilegien laut. Bemerkenswert daran ist vor allem Korachs Begründung: „Genug mit euch! Denn die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und Jahwe ist in ihrer Mitte. Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde Jahwes?“ (Num 16,3)197

Der Verweis auf die egalitäre Heiligkeit aller Israeliten kann sich im kanonischen Kontext nur auf die Exodusformel in Ex 19,5f. beziehen. Hier wird zum ersten und in der Geschichte des Judentums, soweit wir wissen, auch zum einzigen Mal aus der Exodusformel eine kultische Gleichstellung aller Israeliten abgeleitet. Zwar wird nicht das Priestertum an sich abgelehnt, sehr wohl aber die starke Abstufung und Hierarchisierung der aaronidischen Familie gegenüber den Leviten und dem Rest des Volkes.198 Während der Aufstand in Num 16f. in der Bestätigung des aaronidischen Priestertums und der gewaltsamen Niederschlagung der levitischen Ansprüche ein brutales Ende findet, bleibt die Kritik am Priestertum ein konstanter Begleiter dieser Institution über die Jahrhunderte. In vorexilischer Zeit wird diese Kritik v.a. vom Prophetismus getragen. Sowohl bei Nordreich- als auch bei Südreichpropheten, sowohl in vor- wie nachexilischer Zeit finden wir eine scharfe, ja teils beißende Kritik an der priesterlichen Kultpraxis. Diese Anklage, die sich im Frühjudentum fortsetzen wird, bildet dann in den Jahrhunderten vor und nach der Zeitenwende den Ausgangspunkt für alternative Konzeptionen des „Seins vor Gott“ jenseits der priesterlichen Repräsentation und Mediation.

197 198

Angelehnt an Revidierte Elberfelder Übersetzung. Vgl. DAVIES, Priesthood, 189–198.

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3.1 Die prophetische Kritik am Priestertum in vorexilischer Zeit Die Kritik am priesterlichen Opferkult, wie sie sich bei nahezu allen vorexilischen Propheten des Alten Testaments findet, ist ein Phänomen, das in der Religionsgeschichte seinesgleichen sucht.199 Nirgendwo finden wir in antiken Texten eine ähnlich massive Kritik an einem Kult und den dort stattfindenden Vorgängen, wie in der prophetischen Literatur des Alten Testaments. Die ältere Forschungsgeschichte zum Verhältnis von Propheten und Priestern zeichnete beide Gruppen seit der Aufklärung in einem polaren Gegensatz. Die von den aufgeklärten Philosophen wertgeschätzte Vernunft und Logik sowie die Betonung von Moral und Sittlichkeit führten zwangsläufig zu einer Parteinahme für die Propheten und einer Kritik des traditionsgebundenen und als irrational empfundenen Kultus.200 In dem epochalen Entwurf Julius Wellhausens201 wurden Priester und Propheten in einem scharfen und nicht immer fairen Kontrast gezeichnet. Auf der einen Seite kam der Priester als Vertreter eines starren, gesetzlich durch den Buchstaben normierten Ritus und Kultus zu stehen, auf der anderen Seite der Prophet als Vertreter des freien Geistes, der authentischen Religion und des sittlichen Ethos.202 Die Stereotypen des Propheten als eines mutigen religiösen Individualisten, der die religiösen Autoritäten seiner Zeit herausfordert, und des Priesters als dessen reaktionärem Kontrahenten, der ein überkommenes religiöses und veräußerlichtes System verteidigt, waren geboren und setzten sich tief im protestantischen Bewusstsein fest. Es ist unschwer zu erkennen, wie konfessionelle, ja reformationshistorische Einflüsse dieses Bild mitzeichneten, und die Erinnerung an den „prophetischen“ Auftritt Luthers auf dem Wormser Reichstag 1521 gegenüber den „priesterlichen“ Vertretern eines veräußerlichten katholischen Kultus drängt sich vor das innere Auge. Doch auch der deutsche Idealismus, der christliche Sozialismus und die amerikanische Social-Gospel-Bewegung nahmen dankbar diese Stereotypen auf und verstanden es geschickt, den priester- und kultkritischen Bach auf ihre weltanschaulichen Mühlen zu leiten.203 199 Kritik an Opfern: Am 4,4f.; 5,21ff.; Hos 6,6; 8,11–14; Jes 1,10–17; Mi 6,6–8; Jer 6,19f.; 7,21–23; 11,15–17; 14,12. Kritik an Kultstätten, Tempeln und Altären: Am 5,4f.; 4,4(?); Hos 4,15; 10,1f.; Jer 7,1ff.; Kritik an Priestern: Hos 4,1ff.; Mi 3,11; Jes 28,7ff.; Jer 2,8. 200 ZEVIT, Prophet, 209. 201 WELLHAUSEN, Prolegomena, 403–409.428–431. 202 Vgl. hierzu die vielsagende autobiographische Reminiszenz bei WELLHAUSEN, Prolegomena, 3: „Im Anfange meiner Studien wurde ich angezogen von den Erzählungen über Saul und David, über Elias und Ahab, und ergriffen von den Reden eines Amos und Jesaias; ich las mich in die prophetischen und geschichtlichen Bücher des Alten Testaments hinein. […] Endlich fasste ich mir Mut und arbeitete mich hindurch durch Exodus, Leviticus und Numeri … Aber vergebens wartete ich auf das Licht, welches von hieraus auf die geschichtlichen und prophetischen Bücher sich ergiessen sollte. Vielmehr verdarb mir das Gesetz den Genuss jener Schriften; es brachte sie mir nicht näher, sondern drängte sich nur störend ein, wie ein Gespenst, das zwar rumort, aber nicht sichtbar, nicht wirksam wird.“ 203 Vgl. zur Geschichte des „Prophet-Priester-Antagonismus“ ZEVIT, Prophet, 193– 199.209–213.

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Trotz dieser mittlerweile überwundenen Karikaturen gibt es auch in jüngster Zeit nach wie vor Vertreter einer strengen Dichotomie von Priestern und Propheten: „Where the priests see a correspondence and mutuality between ritual and ethics, the classical prophets contrast the ethical with the ritual.“204 Entgegen der älteren Forschung, die im Zuge einer neuprotestantischen Geringschätzung des israelitischen Kultes in der prophetischen Kultkritik eine Infragestellung des Ritus, des Kultus und des Opfers als solchen sah, wurde in den vergangenen Jahrzehnten wieder vermehrt darauf hingewiesen, dass die prophetische Kritik immer nur den Missbrauch, aber nicht den Kultus und seine „Vollzugsbeamten“ an sich im Visier hatte.205

Die prophetische Kultkritik zieht sich wie eine Konstante durch nahezu alle Epochen, Regionen und soziologischen Kontexte des vom Alten Testament beschriebenen Israel. Von den frühen Tagen der Monarchie (vgl. 1Sam 15,22f.) bis in die exilische Prophetie eines Ezechiel,206 von den frühen Nordreichpropheten Hosea und Amos (vgl. Hos 6,6; Am 5,21–24) bis zu den großen Südreichpropheten Jesaja und Jeremia (Jer 6,19f.; 7,21–23), von dem städtischen und etablierten Priester Jesaja (Jes 1,10–17) bis zum ländlichen, armen Micha (Mi 6,6–8) mit vermutlich geringem Sozialstatus zieht sie sich wie ein breiter Strom durch die prophetische Literatur des Alten Testaments. So unterschiedlich die jeweiligen historischen Zusammenhänge auch sein mochten, so gleichlautend ist der kultkritische Tenor. Was freilich die neuprotestantischen Protagonisten der Priester-ProphetDichotomie hätte stutzig machen müssen, sind einige wichtige Beobachtungen, die ein differenzierteres Bild nahelegen: (1) Eine ganze Reihe von Propheten dürften selbst Priester gewesen sein, ohne dass sie ihren „Stand“ in grundsätzlicher Weise in Frage gestellt hätten. Dies gilt bereits für den frühen Samuel (1Sam 3), erst recht aber für die großen Südreichpropheten Jeremia (1,1) und Ezechiel (Ez 1,1–3) und möglicherweise auch für Jesaja (vgl. Jes 6,1ff.). Auch die nachexilischen Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi waren – trotz aller Unschärfen im Blick auf ihr persönliches Profil – höchst interessiert an der Restauration des Tempelkultes.207 (2) Bei dem auf den ersten Blick so kultkritischen Jeremia finden wir gleichzeitig eine eschatologische Perspektive, die Opfer ausdrücklich einschließt (vgl. Jer 17,26; 33,17f.). (3) Es gibt nicht ein einziges kritisches Prophetenwort gegen die grundlegende kultische Unterscheidung von „rein“ und „unrein“. 204

HENDEL, Prophets, 190f.; vgl. auch MCKANE, Prophet, 251–266. Vgl. z.B. KOCH, Art. Propheten/Prophetie II, 488f. 206 Ezechiels Tempelkritik ist eine äußerst subtile. Indem er seine große Vision eines erneuerten (und strengeren) Kultes und eines neuen Tempels entfaltet, macht er nicht nur deutlich, was einmal eschatologisch werden soll, sondern eben auch, was in der Vergangenheit hätte sein sollen, KLAWANS, Purity, 96. 207 Vgl. Hag 2,11–19; Sach 3,7; 6,9–15; 7,1–6; Mal 1,6–14; 2,7, und ZEVIT, Prophet, 207f., sowie T IEMEYER, Rites, 2. 205

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(4) Auch die Kritik an Kultstätten und Tempeln muss differenziert bewertet werden. Die Polemik von Amos und Hosea richtet sich ausschließlich gegen die Kultstätten des Nordreiches. Bei Hosea bezieht sie sich in erster Linie auf die synkretistischen Riten an den Höhenheiligtümern. Bei Jesaja hat der Tempel eine durchweg positive Konnotation, die nicht zuletzt in der Vision von der Völkerwallfahrt zum Zion einen wichtigen Ausdruck findet (Jes 2,2–5; vgl. Mi 4,1–5). (5) Im chronistischen Geschichtswerk, das sowohl den kultischen und priesterlichen Belangen einen breiten Raum einräumt, als auch von einer Wertschätzung der prophetischen Geschichtsdeutung geprägt ist, wird der so häufig postulierte Antagonismus nicht bestätigt.208 (6) J. Klawans hat in einem neueren Beitrag auf die Bedeutung „gestohlener Opfer“ in der prophetischen Kritik hingewiesen.209 In mehreren Belegen könnte der Hintergrund für die prophetische Opferkritik die Opferung von im direkten oder im übertragenen Sinn gestohlenen Opfern sein bzw. von Opfern, die nicht im Besitz des Opferherrn waren. Dies ist möglicherweise bei Saul in 1Sam 15,2f.8f.15 ein wesentlicher Grund der prophetischen Zurechtweisung (15,22f.).210 Bei der Klage über geraubte Opfer sind ethische und rituelle Gesichtspunkte aufeinander bezogen. Von einer Dichotomie kann jedenfalls keine Rede sein.211 (7) Schließlich bezieht sich auch die Kritik am Priestertum nicht grundlegend auf die Institution an sich, sondern auf den Amtsmissbrauch und die Pflichtverletzung einzelner Priester oder auch der gesamten Priesterschaft. Die häufig postulierte Alternative zwischen „Gerechtigkeit und Opfer“ lässt sich atl. nirgends begründen, ja wäre für das alte Israel sogar unverständlich gewesen.212 Vielmehr geht es um ein Entsprechungsverhältnis: Gerechtigkeit ist eine Grundlage für die Kultteilnahme, den Kultvollzug und damit auch für den priesterlichen Dienst, worüber beim Eintritt in den heiligen Bereich Rechenschaft abzulegen ist.213 An die Stelle der rituellen Makellosigkeit und Reinheit des Opfers tritt bei den Propheten die ethischmoralische Kultfähigkeit der Priester und Kultteilnehmer in den Fokus der Aufmerksamkeit. Wo der Kult zur Rechtfertigung ungerechten Handelns 208

ZEVIT, Prophet, 208f. KLAWANS, Purity, 84–89. 210 Zur Bedeutung der rechtmäßigen Eigentumsverhältnisse vgl. 2Sam 24,18–24/1Chr 21,18–24: David lehnt das Angebot des Jebusiters Arauna, der ihm Opfertiere schenken will, mit dem Hinweis ab, kein geschenktes Opfer darbringen zu wollen. Von geraubten Opfern ist auch in Mal 1,13 die Rede, das den Wert des Opfers nicht nur negiert, sondern sogar den Fluch über das Land bringt. 211 KLAWANS, Purity, 87. 212 HERMISSON, Sprache, 118. 213 Vgl. hierzu die Toreingangsliturgien in Ps 15 und 24. 209

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missbraucht und das Gottesverhältnis unabhängig von alltäglichen, zwischenmenschlichen Lebensvollzügen definiert wird, reklamieren die Propheten die Aushöhlung, Sinnentleerung und Pervertierung des Kultes.214 Ähnliches gilt, wo der Kult im Zeichen einer garantierten Heilssicherheit vollzogen wird, wie sie in Jeremias Tempelrede angeprangert wird (Jer 7,1–15). Das Ziel der prophetischen Kultkritik ist die Wiederherstellung der Gerechtigkeit im Sinne eines rechts- und gemeinschaftsgemäßen Verhaltens im Rahmen des bestehenden Kultes, nicht an seiner Stelle.215 So wird z.B. in 1Sam 15,22 nicht das beabsichtigte Opfer Sauls kritisiert, sondern sein Bruch des göttlichen Gebotes.216 Für den Autor ist es eine Frage der Prioritäten: „Wenn Opfer und Gebotsobservanz miteinander in Konflikt geraten, ist Gehorsam besser als Opfer.“217 Dieser „Primat der ethischen Disposition gegenüber der Kultfrömmigkeit des frevlerischen Israel“218 wird auch von Amos (vgl. 4,4f.; 5,21–25) und Jesaja (1,10–17) betont. Das Diktum von H.J. Boecker kann daher nach wie vor Gültigkeit beanspruchen: „Die Propheten sind dabei von der Überzeugung durchdrungen, daß durch kultisches Handeln die gestörte Gottesbeziehung nicht mehr repariert werden kann. Ein Kult, der das nicht leistet, ist aber sinnlos, kann nur der schärfsten Ablehnung verfallen ... In dieser Situation kann eine Reflexion über Wert oder Unwert kultischer Betätigung an sich nicht mehr im Blickfeld der Propheten liegen und hat es auch nicht getan.“219 Zusammenfassend kann deshalb nicht von einer prophetischen Abwendung vom Kult und Priestertum an sich gesprochen werden. Beides wird an keiner Stelle in seinem Bestand in Frage gestellt, geschweige denn werden andere Optionen etwa im Sinne eines alternativen oder allgemeinen Priestertums ins Spiel gebracht. Was sich dagegen deutlich wahrnehmen lässt, ist die Sehnsucht nach einer Reformation des Kultes und der Priesterschaft: Der priesterliche Kultvollzug muss ein anderer werden, weil das aktuelle ethische Verhalten der Priester das priesterliche Sein und damit in der Konsequenz auch die Wirksamkeit des gesamten Kultes in Frage stellt. Ein besonderer Schwerpunkt der vorexilischen Kultkritik liegt dabei auf der Inkongruenz von Kultpraxis und Gerechtigkeitsforderung. Die propheti-

214

HERMISSON, Sprache, 139. Hos 6,6; Am 5,24; Mi 6,8; Jes 1,17. 216 T ILLY, Johannes, 212. 217 LANGE, Gebotsobservanz, 23; ähnlich T ILLY, Johannes, 222: „Insgesamt kann von einer relativen Abwertung des Kultes gegenüber Gebotsgehorsam gesprochen werden. Von seiner generellen Ablehnung scheint hingegen nicht die Rede zu sein.“ Dies zeigt T ILLY, ebd., auch für die Prophetenlegenden in frühjüdischer Zeit. 218 LANGE, Gebotsobservanz, 22. 219 B OECKER, Überlegungen, 175; ähnlich ZEVIT, Prophet, 208. 215

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sche Losung lautete deshalb nicht „Gerechtigkeit statt Kult“, sondern „Gerechtigkeit und gerechte Kultpraxis“. 3.2 Die prophetische Kritik am Priestertum in nachexilischer Zeit Weit weniger Beachtung als die Kritik der vorexilischen Propheten fand bislang die nachexilische Kritik der Propheten am Priestertum. In einer jüngeren Arbeit hat sich L.-S. Tiemeyer dieser Thematik angenommen und die priesterkritischen Stimmen in Jes 56–66, sowie bei Haggai, Sacharja und Maleachi einer Untersuchung unterzogen. Entgegen früheren Untersuchungen sieht Tiemeyer eine weitgehende Konvergenz der unterschiedlichen prophetischen Stimmen in ihrer Kritik am zeitgenössischen Priestertum der nachexilischen Zeit.220 Darüber hinaus sieht sie in diesen Stimmen die genuine Fortsetzung der vorexilischen prophetischen Kritik am Priestertum.221 Tiemeyer vertritt dabei die gewagte These, dass die „idea of a culpable priesthood“ ein Grundmotiv in der Gegenwartsdeutung der nachexilischen Propheten war222 und die Priester häufig die einzigen Adressaten prophetischer Kritik waren.223 Dieses Urteil beruht auf einer nicht immer restlos überzeugenden Deutung vieler Droh- und Scheltworte in Jes 56–66 als hauptsächlich oder gar ausschließlich gegen die Priesterschaft gerichtet.224 In den von Tiemeyer als Kritik an der Jerusalemer Priesterschaft gewerteten Belegen Jes 56,9–12; 57,6–8.12f.; 58,2–4; 65,3–7 und 66,1–6 taucht nicht ein einziges Mal der Begriff „Priester“ auf und das angeprangerte Fehlverhalten ist durchaus als Sünde des ganzen Volkes denkbar.225 Zweifellos vermag sie eine Reihe von Argumenten für eine priesterliche Identität der kritisierten Adressaten der Droh- und Scheltworte zu geben, aber insgesamt bleibt ihre Interpretation der Texte in Jes 56–66 ebenso fragwürdig und spekulativ wie ihre relativ präzisen Datierungs- und Entwicklungsschemata für diesen letzten Teil des Jesajabuches.226 220 Z.B. gegen HANSON, Dawn, 245–253, der Jes 56–66 in einem Gegensatz zur Position Haggais und Sacharjas sah. 221 T IEMEYER, Rites, 1.287f. Demnach finden zahlreiche Aspekte vorexilischer Kritik am Priestertum, wie z.B. Versagen in der Toraunterweisung, soziale Ungerechtigkeit, falscher Gottesdienst bzw. Götzendienst und kultische Unreinheit ihre Fortsetzung bei den nachexilischen Propheten. 222 T IEMEYER, Rites, 2. 223 T IEMEYER, Rites, 86. 224 Dies gilt z.B. für ihre Bewertung von Jes 58,1–12, a.a.O., 89–94.139–142. 225 Während in Jes 56,9–12 zweifellos von den Führern des Volkes die Rede ist, WESTERMANN, Jes, 253f., können die Adressaten von 57,6–8; 58,2–4; 65,3–7 und 66,1–6 trotz der kultischen Bezüge nicht auf die Priester eingegrenzt werden. Lediglich für 65,5 besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Priester gemeint sind, vgl. HANSON, Dawn, 148f.; W ATTS, Jes 34–66, 343. 226 T IEMEYER, Rites, 74–85.288, sieht eine sehr früh-nachexilische (kurz nach 539 v.Chr.), vom restlichen Kontext zu unterscheidende Prophetenstimme in Jes 60–62, wo der Prophet ein gegenüber der vorexilischen Situation völlig alternatives Priestertum erwartet, dem alle Juden angehören sollten. Um 520 v. Chr. datiert sie dann die aus der-

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Dabei will Tiemeyer zu Recht nicht die alte These einer Dichotomie zwischen Priestern und Propheten erneuern. Vielmehr sieht sie in der prophetischen Kritik eine Unzufriedenheit mit den nachexilischen Verhältnissen im Jerusalemer Kult und ein Anliegen der Erneuerung und Reform.227

Eine deutliche Priesterkritik findet sich v.a. in Mal 1,6–3,5 und Sach 7,4– 7. Hier wird nicht das Fasten an sich kritisiert, sondern eine Fastenpraxis, die nicht von einem Handeln in sozialer Gerechtigkeit begleitet wird. Dabei offenbaren die Texte eine tiefe Kluft zwischen der prophetischen Kritik und dem priesterlichen Selbstverständnis, das sich in den prophetischen Anklagen spiegelt.228 Während die Priester sich selbst als gerecht und heilig betrachteten, stellten die Propheten diese Selbstbewertung massiv in Frage. 229 Zwar knüpfen die Themen der nachexilischen Priesterkritik in zahlreichen Punkten an die vorexilische Kritik an, es finden sich aber auch eine Reihe neuer Kritikpunkte, die eine spezifisch nachexilische Prägung haben: (1) Wie bereits in der vorexilischen Priesterkritik (vgl. Hos 4,6; Mi 3,11; Jer 2,8; 5,31) wiederholt sich auch bei den nachexilischen Propheten die Anklage wegen mangelnder Erkenntnis oder falscher Lehre. In Jes 56,9–12 ist es nicht eindeutig, ob es sich um Priester handelt, die hier wegen ihrer Unwissenheit, ihres Unverständnisses und ihrer Erkenntnislosigkeit kritisiert werden.230 Dagegen ist in Mal 2,8f. klar, dass die Priester mit der Gestalt Levis als einer Idealgestalt des Priesters verglichen (Mal 2,4–7) und daraufhin angeklagt werden, die Lehre nicht bewahrt und eine Tora erteilt zu haben, die viele zu Fall gebracht hat.231 selben Tradition, jedoch von einem anderen Propheten stammenden Texte aus Jes 56,9– 59,21 und 65,1–66,17, a.a.O., 35–72, welche die Hauptlast der prophetischen Kritik in Jes 56–66 tragen. In jene Phase gehören ihrer Ansicht nach auch die priesterkritischen Texte bei Haggai und Sacharja (520–518 v.Chr.). Auf wieder einen anderen „jesajanischen“ Autor aus derselben Traditionslinie gehe Jes 56,6f. zurück und auch Jes 66,20f. könnte nach T IEMEYER von einem weiteren, nunmehr vierten Verfasser bzw. Redaktor stammen. Die letzte Phase prophetischer Priesterkritik, die sich im atl. Kanon findet, wird dann nach T IEMEYER von Maleachi etwa in der Zeit Esras und Nehemias im 5. Jh. v.Chr. dokumentiert (zwischen 520 und 450 v.Chr.). 227 T IEMEYER, Rites, 287. 228 Vgl. T IEMEYER, Rites, 86–112. 229 Vgl. Sach 7,4–7; Mal 1,6–12; 2,13f.17; wahrscheinlich Jes 65,5, eher fraglich Jes 57,12; 58,2–3. 230 T IEMEYER, Rites, 122–126, und KUGLER, Art. Priests (EDEJ), 1097, halten eine priesterliche Identität der Angesprochenen für sehr wahrscheinlich. 231 T IEMEYER, Rites, 127–136; MEINHOLD, Mal, 145. Letzterer hebt im Blick auf Mal 2,5 hervor, dass „[e]in derart positives Zeugnis gegenüber Priestern in der Rede JHWHs […] im Alten Testament […] seinesgleichen“ sucht (152). Allerdings gelten diese Aussagen „für die ins Auge gefaßte Gegenwart freilich nur als kritischer Kontrast“ (160).

3 Die Kritik der priesterlichen Kultpraxis

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(2) Zahlreiche vorexilische Vorbilder hat auch die Kritik am unsozialen Umgang der Priester mit den Armen. Wie bei Amos wird auch in Mal 3,5; Neh 5,1–13 (vgl. V.12!) und möglicherweise auch in Jes 58,3f. die Bedrückung und Misshandlung der Armen durch die Priester angeprangert, während sie gleichzeitig bei frommen Aktivitäten wie dem Fasten höchstes Engagement zeigen (Jes 58,3f.). (3) Auch die schon bei Hosea (4,10–14) zentrale Frage nach dem Götzendienst steht nach dem Exil wieder auf der Tagesordnung. Ob dies allerdings ein spezifisch priesterliches Versagen darstellt, hängt von der Interpretation zahlreicher Belege in Jes 56–66 ab, die in dieser Weise keinen nachexilischen Widerhall bei anderen Propheten finden. In Jes 57,6–8 werden Opferpraktiken für fremde Gottheiten angeprangert, die möglicherweise nicht nur außerhalb Jerusalems dargebracht wurden, sondern nach Tiemeyers Interpretation des „hohen und erhabenen Berges“ (57,7) als dem Tempelberg neben den legitimen Opfern des Jahwekultes auch innerhalb des Tempelbereiches. Daher kommt sie zu dem Schluss, dass es sich bei den Akteuren (auch) um Priester gehandelt haben muss.232 In Jes 65,3f. ist weiter von heidnischen Kult- und Opferpraktiken in Gärten, Gräbern und Höhlen und dem Essen von Schweinefleisch die Rede. In Jes 66,3 werden neben diversen Brutalitäten auch eigentlich legitime kultische Handlungen erwähnt, die in den Aufgabenbereich der Priester gehörten, hier aber eindeutig als Götzendienst qualifiziert werden. Es muss letztlich offen bleiben, ob es sich hier um eine dezidierte Priesterkritik handelt oder um eine allgemein an das Volk gerichtete Götzendienstpolemik. (4) Ein Thema, das erst im Kontext der nachexilischen und frühjüdischen Priesterkritik häufig auftaucht, ist die Polemik gegen die von Priestern im babylonischen Exil eingegangenen Mischehen (Esr 9–10; Neh 10,31 und Mal 2,10–16).233 In der Tat scheint dies in frühnachexilischer Zeit ein quantitativ durchaus signifikantes Phänomen gewesen zu sein.234 Bei diesem Thema spielen sowohl Gesichtspunkte der kultischen Reinheit als auch Befürchtungen vor einer latenten Verführung zum Götzendienst eine Rolle (vgl. Mal 2,11). Tiemeyer betrachtet vor allem den letzteren Punkt als den entscheidenden, und zwar sowohl bei Esra-Nehemia als auch 232

T IEMEYER, Rites, 150–159. Die Heirat von Israeliten mit Angehörigen heidnischer Völker erfährt im Alten Testament unterschiedliche Bewertungen. Während die Heirat von „fremd-stämmigen“ Frauen durch Joseph, Gen 41,45, Mose, Num 12,1, und Boas, vgl. Ruth, nicht negativ bewertet wird und in Dtn 21,10–14 israelitischen Männer ausdrücklich das Recht zugestanden wird, kriegsgefangene Frauen fremder Völker zu ehelichen, gibt es auch zahlreiche Warnungen bzw. Verbote von sog. Mischehen, vgl. Gen 24,3; 27,46ff.; Ex 34,15f.; Dtn 7,1–6; 20,10–18; Ri 14,1–3; 1Kön 11,1–8; 16,31; Esr 9–10; Neh 10,31; vgl. auch Jub 20,4; 22,20; 25,1–10; 30,17; TestLev 9,10. 234 T IEMEYER, Rites, 183. 233

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bei Maleachi.235 Sie hält die Problematik sich widersprechender Loyalitäten einerseits zum eigenen Volk und seinem Gott und andererseits zum Herkunftsvolk der Ehefrau und deren Göttern als Einfallstor für den Götzendienst. Spätestens ab dem 2. Jh. v.Chr. ist dagegen eindeutig der Aspekt der kultischen (Un)Reinheit in den Vordergrund getreten (→III.1.2). (5) Neu ist in nachexilischer Zeit auch die deutlich stärkere Beachtung von Reinheits- und Heiligkeitsbelangen nicht zuletzt bei den Priestern selbst.236 Dabei verbinden Haggai und Sacharja die Unreinheit der Priester mit dem Vorwurf mangelnder Orthodoxie, während Maleachi die Betonung auf die mangelnde Sorgfalt und zunehmende Nachlässigkeit beim kultischen Amt legt. So werden in Mal 1,8.13f. Priester wegen Nachlässigkeit bei der Opferprüfung angeklagt, was zur Darbringung minderwertiger oder geraubter Opfer führt. Offensichtlich wuchs in nachexilischer Zeit die Einsicht, dass eine unreine Priesterschaft nicht in der Lage ist, sühnende Opfer zu bringen, was zu einem dauerhaften Status der Unreinheit des gesamten Volkes führt. In Hag 2,10–14 findet sich ein polemisches Wort gegen die Jerusalemer Priester im Blick auf ihre kultische Unreinheit. Mittels zweier rhetorischer Fragen (V. 12f.) stellt der Prophet die Priesterschaft darin bloß, dass sie trotz einem entsprechenden Wissen und „Lehrauftrag“ die Regeln kultischer Reinheit missachten.237 Werden aber die Regeln kultischer Reinheit ignoriert und befindet sich die Priesterschaft selbst in einem Status der Unreinheit und damit mangelnder Integrität und Gottähnlichkeit, dann sind auch die Wirksamkeit des priesterlichen Opferkultes und der für eine heilvolle Existenz grundlegende Reinheitsstatus des gesamten Volkes gefährdet.238 Aus dem defizitären Sein resultiert somit eine defizitäre Wirksamkeit des kultischen Handelns. Eine Reihe dieser Kritikpunkte wird uns wieder im frühjüdischen Schrifttum begegnen, dessen Priesterkritik in Kapitel III im Zentrum stehen wird. Dabei wird sich zeigen, dass die Bedeutung von kultischen Reinheits- und Heiligkeitsfragen zunimmt, sich damit aber auch die Kritik am priesterlichen Umgang mit denselben weiter verschärft. Diese ist von der Sorge geprägt, dass die ontischen, ethischen und kultpraktischen Defi-

235

T IEMEYER, Rites, 178–198. In vorexilischer Zeit taucht das Thema lediglich in Zeph 3,4 auf. Die Stelle interpretiert T IEMEYER, Rites, 220, wie folgt: „I suggest that Zeph 3:4 ist best understood as an emphatic statement accusing the priests of failing to maintain an appropriate cultic distinction between what is holy and what is impure.“ 237 T IEMEYER, Rites, 220–239. 238 Vgl. T IEMEYER, Rites, 239: „[N]o priest would be able to fulfil his most important duty of offering up sacrifices on behalf of the people and, as a result, the society in which he functions would have lost its ability to become clean.“ 236

4 Das Priestertum im Licht eschatologischer Hoffnungen

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zite des amtierenden Priestertums die Gültigkeit der Opfer und damit der kultischen Sühne tangieren.

4 Das Priestertum im Licht eschatologischer Hoffnungen 4 Das Priestertum im Licht eschatologischer Hoffnungen

Neben der Kritik an Kult und Priestern finden sich im Alten Testament erste Ansätze einer Metaphorisierung von Kultbegriffen. Vor allem der Opferbegriff, aber auch der Priesterbegriff bekommen in einigen Belegen eine erweiterte Bedeutung. Ferner wird das Jerusalemer Priestertum zum Gegenstand eschatologischer Hoffnungen, die den Rahmen des levitischen Priestertums sprengen. Dabei spielt v.a. Ex 19,5f. für die Metaphorisierung des Priesterbegriffs in 1Petr 2,5.9 und Apk 1,6; 5,10 und 20,6 eine zentrale Rolle und soll deshalb entsprechend ausführlich behandelt werden. Doch auch die anderen Belege zeigen, dass schon im Alten Testament mit einer eschatologischen Transformation des priesterlichen Amtes gerechnet wurde. 4.1 Metaphorisierung der Tempeltheologie Im Alten Testament selbst kann allenfalls von den Anfängen eines metaphorischen Begriffsgebrauchs gesprochen werden, im Zuge dessen das Opfer die Form des Wortes annehmen und durch dieses substituiert werden konnte.239 Dieser Vorgang lässt sich am Bedeutungswandel des Begriffs „Lobopfer“ (hd;wOT) verdeutlichen, der an zahlreichen Stellen die Bedeutung von „Loblied“ bekommt.240 Die Entwicklung lässt sich überall dort nachzeichnen, wo ein Wortgeschehen an die Stelle eines Opfergeschehens tritt. So findet in Ps 50 eine Belehrung über den rechten Gottesdienst statt, wobei nicht die realen Opfervollzüge kritisiert werden, im Gegenteil (vgl. 50,8f.), sondern vielmehr die irrige Vorstellung, dass die Opfer Jahwe als Nahrung dienen könnten (50,13). Daraufhin erfolgt in V. 14 (vgl. auch V. 23) die Aufforderung, Gott Dank zu opfern und die Gelübde zu erfüllen. Eine ähnliche Formulierung findet sich auch im Psalm Jonas in Jon 2,10: „Ich aber will dir Opfer bringen mit der Stimme des Lobes“. Es handelt sich hier um eine noch sehr zurückhaltende Übertragung des Tieropfers auf ein Wortgeschehen. Dabei muss jeweils offen bleiben, ob nicht gleichzeitig auch ein reales Opfer stattfand. H.-J. Hermisson interpre239

HERMISSON, Sprache, 60ff.; vgl. dazu Ps 51,18f.; 119,108; 141,2, sowie auch a.a.O., 153: „Die Spiritualisierung begegnet dem Kultus ausschließlich auf der Ebene der Sprache, und sie hat es möglich gemacht, daß man, unter dem Zwang äußerer Ereignisse, auf den ausgeübten Kultus auch verzichten konnte.“ 240 Jos 7,19; Neh 12,27; Ps 26,7; 69,31f.; 147,7; Jes 51,3; Jer 30,19; 33,11; vgl. HERMISSON, Sprache, 29. DERS.,

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tiert diese Belege jedenfalls als einen Versuch, „neben den blutigen Opfern oder ohne diese Opfer einen Weg zu Gott zu eröffnen, der doch im Rahmen des Kultus, ja sogar im Rahmen eines neu verstandenen Opfervollzuges bleibt. Mit diesem neuen Opferverständnis wird aber noch keine Deutung der materiellen Opfer selbst erreicht, diese treten vielmehr zurück. Eine ‚spirituelle‘ Deutung der Opfer selbst ist den alttestamentlichen Frommen offenbar nicht gelungen.“241 Gleiches gilt auch für den im nächsten Abschnitt im Mittelpunkt stehenden Begriff des „Priesters“. Eine spiritualisierende, allegorisierende oder moralisierende Redeweise in Analogie zum Opferbegriff bzw. zum Gebrauch bei Philo von Alexandrien (→IV.7.2) lässt sich im Alten Testament noch nicht belegen.242 Eine solche Interpretation würde Kategorien eines griechisch-hellenistischen Weltbildes oder gar philosophische Denkbewegungen der Moderne in die vorexilische Zeit zurückprojezieren, die dem atl. Frommen noch völlig fremd waren.243 Aus diesem Grund sprechen z.B. F.-L. Hossfeld und E. Zenger zu Recht von einer „Metaphorisierung der Tempeltheologie“,244 bei der es nicht um eine Ablösung der Begriffe vom Kult geht, sondern um eine „mediale ‚Erzeugung‘ von Gottesnähe, die jenseits des Tempels möglich, aber in ihren konkreten Bezügen an den Tempel(kult) zurückgebunden erscheint“.245 In entsprechender Weise finden wir auch eine metaphorische Dehnung des Priesterbegriffs im Horizont eschatologischer Hoffnungen, wie im folgenden Abschnitt deutlich werden wird.

241

HERMISSON, Sprache 60 [kursiv von VG]. DERS., a.a.O., 149, betont weiter, dass man es bei der Substitution des Opfers durch ein Wortgeschehen „nicht von vornherein mit etwas Geistigem, Spirituellem zu tun hat“ und dass „auch dem Wort … eine sehr massive Dinglichkeit zukommen“ kann. 242 HERMISSON, Sprache, 62.105, der allenfalls von Ansätzen spricht, wo Altar, Opfer und Tempel eine zeichenhafte Bedeutung bekommen, vgl. Jos 22,9–34; Jes 19,19f. oder der Priesterbegriff eine Weite bekommt, die den eigentlichen Wortsinn zwar nicht einschränkt, aber „vertieft“, vgl. Ex 19,5f.; Jes 61,6. Zur Entgrenzung des Literalsinns von Kultbegriffen vgl. auch Arist 170; Sir 35,1–5; Tob 4,7–12; Arist 234; bBer 26b; 32b; bYev 105a; bMen 110a. 243 Vgl. HARTENSTEIN, Spiritualisierung, 54. 244 HOSSFELD, Metaphorisierung, 19–33; ZENGER, Psalter als Buch, 1–57. 245 HARTENSTEIN, Spiritualisierung, 56. Dagegen plädiert jüngst RADEBACH-HUONKER , Opferterminologie, 179–215.228–237, in betontem Rückgriff auf V. RAD und HERMISSON und in Abgrenzung gegenüber HOSSFELD und ZENGER, vgl. die vorige Anmerkung, für den Begriff der „Spiritualisierung“ als adäquatem Begriff für das zur Debatte stehende Phänomen, weil es um „eine Gewichtsverlagerung vom konkreten, materiellen Opfer hin zur inneren Haltung der Beter“ gehe; vgl. dazu jedoch die Kritik von HARTENSTEIN, Spiritualisierung, 57.

4 Das Priestertum im Licht eschatologischer Hoffnungen

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4.2 Ex 19,5f. Im Kontext des Bundesschlusses am Sinai wird Israel in einer Gottesrede246 auf dreifache Weise definiert: Israel soll (1) das Eigentumsvolk Gottes vor allen Völkern (~yMi[;h'-lK'mi hL'gUs. yli ~t,yyIh.wi),247 (2) vor Gott ein Königtum von Priestern (~ynIh]Ko tk,l,m.m; yli-Wyh.Ti ~T,a;w.) und schließlich (3) ein heiliges Volk (vAdq' yAgw>)248 sein. Für unsere Fragestellung steht natürlich das Syntagma ~ynIh]Ko tk,l,m.m; im Mittelpunkt des Interesses, welches die Grundlage für die ntl. Belege in 1Petr 2,5.9 und Apk 1,6; 5,10 und wohl auch 20,6 bildet. Schon die historische Einordnung ist eine crux interpretum für die klassische Quellenscheidung. Bereits vor 40 Jahren schrieb E. Zenger: „Die Sinai-Perikope des Buches Exodus gilt in der exegetischen Forschung als traditionelle crux. Es gibt wohl zu kaum einem alttestamentlichen Textkomplex eine buntere Palette der vorgelegten Analysen.“249 Bislang konnte kein Konsens über eine Zugehörigkeit zu einer der einschlägigen Pentateuchquellen erzielt werden. J.A. Davies hat jüngst die bewegte Literar-, Redaktions- und Traditionskritik sowie die Forschungsgeschichte zu diesen Versen in einem eigenen Abschnitt seiner Arbeit zusammengefasst und kommt zu dem Fazit: „All semblance of agreement ends at that point, however, for the attribution of 19.4–6a to one or other of the commonly identified Pentateuchal sources (continous parallel narrative strands) or redactional (editorial) additions to the Pentateuch in the form in which we have it has proved one of the most elusive of all source-critical quests. Even scholars normally confident in their attribution of passages to sources are sometimes hesitant, and sometimes confusing when it comes to this portion of the Pentateuch.“250

246

Zu Aufbau und Struktur der Exodusformel vgl. W ELLS, People, 35–45; DAVIES, Priesthood, 32–36.61–63, und RIECKER, Priestervolk, 230–236. 247 Der Begriff hL'gUs. bezeichnet die Form eines persönlichen Eigentumsverhältnisses. In der Mischna hat der Begriff eine kommerziell-juristische Konnotation, wenn es um das Eigentumsverhältnis zwischen einer über- und einer untergeordneten Person geht, z.B. zwischen Sklavenbesitzer und Sklave oder auch zwischen Mann und Frau. Im Alten Testament geht es um eine metaphorische Bezeichnung für das Verhältnis von Jahwe und Israel, das hier in seiner Exklusivität gegenüber allen anderen Völkern hervorgehoben wird; vgl. Dtn 7,6; 14,2; 26,18; Mal 3,17; Ps 135,4, aber auch 1Kön 8,53; vgl. zum Ganzen DAVIES, Priesthood, 51–53. 248 W ELLS, People, 27, hat darauf aufmerksam gemacht, dass im Rahmen eines kanonischen Zugangs zu den Texten Ex 19,6 der erste biblische Beleg für die Bezeichnung des Volkes Israel als „heilig“ und nach Ex 3,5 der zweite Beleg von vwdq im Exodusbuch überhaupt ist. Entsprechend entfaltet WELLS, People, 28–31, den Begriff auf dem Hintergrund ihres an B.S. CHILDS angelehnten canonical approach vom kanonischen Kontext im Exodusbuch her, und kommt zu der These, a.a.O., 33, dass Ex 19,1–8 insofern eine Imitation der Dornbusch-Erzählung in Ex 3 ist, als auch Ex 19,1–8 die Einführung und Erläuterung für die gesamte Sinaiperikope darstellt. In der Tat wird die Antwort des Volkes auf die Exodusformel in Ex 19,8 am Ende der Sinaiperikope in Ex 24,3.7 wiederholt und bildet somit die Inclusio für den gesamten Abschnitt. 249 ZENGER, Sinaitheophanie, 12. 250 DAVIES, Priesthood, 17–24, Zitat a.a.O., 18.

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Die lange Zeit von einer Mehrheit favorisierte elohistische Zuschreibung wird aufgrund des wachsenden Zweifels an der Existenz einer elohistischen Quellenschrift nicht mehr diskutiert und auch alle anderen Vorschläge, den Text einer der übrigen klassischen Quellen zuzuschreiben, führten nicht zu einem Konsens. Aus diesem Grund wird mehr und mehr überhaupt am Sinn einer quellenkritischen Einordnung dieser Verse gezweifelt und verstärkt für eine Wahrnehmung der Endgestalt des Textes plädiert251 und auf eine historische Einordnung verzichtet.252 Doch nicht nur die historischen Fragen erweisen sich als komplex. Auch die grammatischen und syntaktischen Fragen der Begriffsverbindung ~ynIh]Ko tk,l,m.m; sind zahlreich und die antiken Zitate dieser Formulierung spiegeln dies auch wieder (→VII.5.3.1).253 Sicher ist nur, dass das Syntagma aus zwei Substantiven besteht, von denen das eine aus der Wurzel $lm und das andere aus der Wurzel !hk gebildet wurde. Sind die Begriffe in einer Apposition nebeneinander zu stellen oder sind sie mit dem MT als zusammengehörige Konstruktion zu lesen?254 Wenn es sich um eine Konstruktion handelt, in welcher Weise qualifizieren sich dann die Begriffe wechselseitig? Sind die Substantive ursprünglich singularisch oder pluralisch zu lesen? Haben sie eine konkrete oder abstrakte Bedeutung? Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die Einfügung der Kopula w bzw. kai, in der Peshitta, den Targumen, in 2Makk 2,17 und Apk 5,10 bereits eine Interpretation der kantigen MT-Formulierung. In dieser Formulierung legt sich aber nach wie vor ein abstraktes, singularisches Verständnis von tk,l,m.m; und ein konkretes, pluralisches Verständnis von ~ynIh]Ko nahe.255 Wenn man aber von einer Status-constructus-Verbindung von ~ynIh]Ko tk,l,m.m; ausgeht, sind die grammatischen Verständnismöglichkeiten immer noch vielfältig:256 (1) Eher ungewöhnlich, wenn auch nicht ausgeschlossen, ist eine Interpretation, wonach das nomen regens als Attribut verstanden und genitivisch oder adjektivisch als genitivus qualitatis zur näheren Beschreibung des nomen rectum herangezogen wird: „königliche Priester“ bzw. „Königspriester“ (vgl. LXX: basi,leion i``era,teuma).

251

DAVIES, Priesthood, 22f., verweist an dieser Stelle auf die Zweifel an der quellenkritischen Fragestellung und auf die Arbeiten von SCHMITT, Redaktion, 170–189; KNIERIM, Composition; W HYBRAY, Making of the Pentateuch; RENDTORFF, Problem; DERS., Paradigm, 34–53, und B LUM , Studien, die eine verstärkte Zuwendung zur Endgestalt des Textes favorisieren. 252 Vgl. noch einmal DAVIES, Priesthood, 23: „Whatever advantages historical criticism as traditionally practised may have for other portions of the Pentateuch, it has been singularly disappointing as a means of elucidating the origins (and hence perhaps the significance) of the Sinai complex.“ 253 Vgl. zum Folgenden DAVIES, Priesthood, 67. 254 Die Wiedergabe der Formulierung im Symmachus, bei Theodotion, der Peshitta, der Syro-Hexapla, den jüdischen Targumen, sowie in Apk 5,10 (und möglicherweise auch in Apk 1,6) legt ein Verständnis des hebräischen Textes nahe, das die beiden Begriffe als unabhängig voneinander interpretiert. Dagegen scheinen auf der anderen Seite Aquila und die Vulgata von einer zusammengehörigen Konstruktion auszugehen. Die LXX-Lesart basi,leion i``era,teuma bleibt aufgrund des undeutlichen basi,leion, das sowohl substantivisch wie adjektivisch gelesen werden kann, →VII.5.3.1, ambivalent. 255 DAVIES, Priesthood, 67f. 256 Vgl. hierzu SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 78f.117, und STEINS, Priesterherrschaft, 23f.

4 Das Priestertum im Licht eschatologischer Hoffnungen

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Hält man sich dagegen an den wahrscheinlichsten Fall der attributiven Bestimmung des nomen regens durch das nomen rectum, bleiben freilich immer noch verschiedene Optionen, denn das Attribut kann im Hebräischen eine sehr vielfältige Verwendung finden: (2) Die erste Option ist das attributive Verständnis des nomen rectum im Sinne eines genitivus auctoris. Die Priester sind dann die Akteure der im nomen regens genannten Handlung, d.h. das „Königtum“ wird als eine Priesterherrschaft bestimmt: „ein Königreich mit Priestern als Regenten“. (3) Wird das nomen rectum als adverbialer genitivus obiectivus begriffen, dann werden die Priester zum Objekt der im nomen regens ausgedrückten Handlung: „die (göttliche) Herrschaft über ein Volk von Priestern“ oder „Königsherrschaft über Priester bzw. zum Priesterdienst“. (4) Denkbar ist auch die Deutung der Priester als genitivus partitivus bzw. genus, bei dem das nomen rectum ausdrückt, wodurch das nomen regens bestimmt wird: „ein Königreich, dessen Glieder/Angehörige Priester sind“. (5) Bei einem genitivus epexegeticus wird das nomen regens durch das nomen rectum näher definitert: „ein Königreich, d.h. Priester“. (6) Versteht man die Konstruktion als einen adjektivischen Genitiv, dann wird das nomen regens durch das nomen rectum charakterisiert: „ein priesterliches Königtum/Königreich“. Eine Entscheidung wird sich erst nach der Klärung der semantischen und exegetischen Fragen treffen lassen.

Neben den grammatischen und syntaktischen Fragen steht auch das Problem des semantischen Verständnisses von hk'l'm.m;. Ist der Begriff aktivisch als Königsherrschaft257 oder mehr passivisch als Königreich zu verstehen?258 Das passivische Verständnis würde sich auf einen Herrschaftsraum beziehen, der ein Territorium und/oder eine Menschengruppe umfassen kann. Das Syntagma würde dann einen territorialen oder personalen Bereich beschreiben, dessen Bürger, Bewohner oder Angehörige Priester im literalen oder metaphorischen Sinn wären und somit in einer gewissen Parallelität zum anschließend erwähnten Begriff des „heiligen Volkes“ stehen. Eine andere Variante des passiven Verständnisses setzt den Akzent auf die Beherrschung einer Gruppe von Menschen durch einen König und der Begriff würde dann die von einem bestimmten König regierte Entität von Priestern bezeichnen, wobei als König in Ex 19,6 natürlich zuerst an Jahwe zu denken ist (vgl. auch 2Sam 3,28). Das aktiv-elitäre Verständnis von hk'l'm.m; bezeichnet eine Königsherrschaft oder ein Königtum im Sinne von einer oder mehreren herrscherlich handelnden Person(en). Das Syntagma wäre dann als eine elitäre Aristokratie aus Priestern, also als eine Hierokratie zu deuten, die herrscherliche

257 258

So RIECKER, Priestervolk, 251–254.261. Vgl. zum Folgenden die ausführliche Analyse von DAVIES, Priesthood, 70–86.

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Aufgaben gegenüber einer zu regierenden Gruppe wahrnimmt.259 Dieses Verständnis fügt sich allerdings weder in den Kontext der Exodusformel, wo nirgendwo der Gegensatz von Herrschern und Beherrschten thematisiert wird, noch in die Syntax des Satzes, in dem eindeutig das Volk als Ganzes adressiert wird („Ihr sollt mir sein …“)260 und die ~ynIh]Ko tk,l,m.m; in einer syntaktischen Parallelität zum vAdq' yAg stehen. Ein gewisser Kompromiss aus beiden Alternativen stellt die von Davies sogenannte aktiv-korporative Variante dar, wonach das Ganze des Volkes als eine dem König Jahwe zugehörige Gemeinschaft von Priestern ihm zu Diensten steht.261 Die syntaktische Parallelität zu vAdq' yAg legt nahe, das Syntagma auf das Ganze des Volkes Israel zu beziehen und nicht nur auf eine Teilgruppe desselben.262 So wie die Begriffe hk'l'm.m; und yAg263 ein sachliches Wortpaar darstellen, so stehen die Begriffe ~ynIh]Ko und vAdq' in einer semantischen

259 Vgl. SCHENKER, Königreich, 483ff., der hier eine Priesterregierung sieht, a.a.O., 487: „Nach dem hebräischen Text von Ex 19,6 verspricht der Herr dem Volk Israel, daß es heilig sein werde, weil es Priester haben wird, deren königliche Aufgabe darin besteht, es zu heiligen durch die Unterweisung im göttlichen Gesetz und durch die Feier der Liturgie der Weihe, Reinigung und Vergebung der Sünden. Die Heiligkeit des Volkes ist auf dieser Tat der Priester begründet.“ Auch S TRÜBIND, Königreich, 170–174, spricht sich im Anschluss an SCHENKER für die Deutung des Verses auf eine Priesterregierung aus. Er versteht den Vers ebenso wie ROOSE, Teilhabe, 19, als nachexilischen Einschub, der nach dem Untergang des Königtums die nachexilische Hierokratie des Tempelstaats legitimieren soll, vgl. a.a.O., 173: „Die theologische Bedeutung von Ex 19,6 besteht vor allem darin, die politische Definition Israels in die kultisch-religiöse Sprache eines von Priestern geleiteten Tempelstaats zu kommunizieren“. Vgl. dazu die berechtigte Kritik von STEINS, Priesterherrschaft, 24– 28. 260 Vgl. DAVIES, Priesthood, 81: „The emphasis is on the mode of Israel’s belonging to Yhwh, not on its mode of government.“ 261 DAVIES, Priesthood, 76. 262 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 118–120; WELLS, People, 52. 263 Der Begriff yAg überrascht hier auf den ersten Blick, da Israel gewöhnlich als ~[; bezeichnet wird. Während ~[; eine konkrete Gruppe von Personen und Individuen bezeichnet und stärker den faktitiven status quo eines bestehenden Volkes in seinem Eigentumsverhältnis zu Jahwe (y~i[;, „mein Volk“) beschreibt, betont der Ausdruck yAg mehr den korporativen Charakter eines Volksganzen, das gegründet, geschaffen oder auch berufen werden kann. Die Zusammensetzung dieses Volkes aus einzelnen Gliedern bzw. Menschen bleibt hier unbetont; vgl. hierzu den Gebrauch beider Begriffe in Ex 33,13 und Dtn 4,6b, sowie W ELLS, People, 53f.: „The use of yAg suggests, that Israel is not necessarily a group made up of kinship ties in the sense of close family connections and consanguineous ties. It is something different that brings these people together as a nation … it is a body which is formed, founded, established; the term ‘nation’ assumes a maker and sustainer“ (kursiv bei W.).

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Verwandtschaft, was für eine wechselseitige Interpretation der beiden Begriffskonjunktionen spricht.264 Es ist nun durchaus möglich, Israel als heiliges Volk sowohl passivisch als Herrschaftsraum bzw. -bereich, der von Jahwe regiert wird, als auch aktiv-korporativ als Herrschaftsträger im Sinne eines Königtums, dem Jahwe vorsteht und dem er herrschaftliche Befugnisse verliehen hat, zu verstehen.265 Jahwe wird somit als König vorgestellt, dem nicht nur die ganze Erde gehört (V. 5bb), sondern der auch mit seinem Volk einen Königsbund schließt und dieses nun seinerseits als Bundespartner mit königlicher Würde adelt.266 Ausgehend von diesem Verständnis von hk'l'm.m; muss auch von Anfang an für den Begriff „Priester“ eine metaphorische Bedeutung vorausgesetzt werden,267 da das Profil aller antiken Priestertümer einschließlich des israelitischen ja gerade im Herausgehobensein aus dem Volksganzen besteht.268 Hier aber wird der Begriff auf das gesamte Volk bezogen. Was aber ist das tertium comparationis bei dieser Metapher? Häufig wird eine funktionale Bestimmung im mediatorischen, missionarischen oder doxologischen Sinn angenommen.269 Aber eine mittlerische Funktion, z.B. für andere Völker, ist hier noch nicht im Blick.270 Eine solche spielt erst bei der LXX-Übersetzung der Exodusformel in hellenistischer Zeit (basi,leion i``era,teuma) eine Rolle. Auch die doxologische Rolle des Gotteslobes war zwar priesterliche Aufgabe, aber eben nicht ausschließlich. Vielmehr war immer ganz Israel zum Lobpreis seines Gottes angehalten. Eine funktionale Bestimmung des Priesterbegriffs für die Nationen ist weder in Ex 19,6

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WELLS, People, 54f. DAVIES, Priesthood, 84f.; vgl. ders., a.a.O., 86: „… a collective royal company consisting of ‘priests’.“ 266 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priesterum, 142; RIECKER, Priestervolk, 257. 267 Richtig gesehen von DAVIES, Priesthood, 87f., und HIMMELFARB, Democratization, 90. 268 Dies spricht gegen eine Deutung im Sinne einer Priesteraristokratie bzw. Hierokratie, d.h. der Herrschaft einer Gruppe von Priestern über Israel. Weitere Einwände gegen eine solche Interpretation ergeben sich aus dem unmittelbaren Kontext durch die syntaktischen Parallelen des „Eigentumsvolkes“ bzw. der „heiligen Nation“ und aus der Antwort des ganzen Volkes in V. 8, die unverständlich bliebe, wenn es nur um eine Zusage einer herausgehobenen Gruppe ginge; vgl. zu entsprechenden Deutungsversuchen R IECKER, Priestervolk, 254–256. 269 Vgl. hierzu DAVIES, Priesthood, 95, der die in der Forschung vertretenen Funktionen im Blick auf die Völker zusammengetragen hat. 270 Z.B. gegen SCHNEIDER, Ex, 42; WELLS, People, 57.129; R IECKER, Priestervolk, 259–261, ähnlich HERMISSON, Sprache, 103. 265

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selbst, noch vom Kontext der Sinaiperikope her angezeigt, in der die Verantwortung Israels gegenüber den Heidenvölkern keine Rolle spielt.271 Im Licht der gesamten Exodusformel und vor allem der Parallelformulierung vAdq' yAg und hier insbesondere des semantischen Referenzbegriffs „heilig“ muss der Terminus vielmehr als ein Verhältnisbegriff bestimmt werden. Nicht priesterliche Funktionen stehen hier im Mittelpunkt, sondern das priesterliche Sein in der Gegenwart Jahwes. Sowohl der Hintergrund des Königsbundes als auch die Bezeichnung Israels als „Eigentumsvolk aus allen Völker“ (~yMi[;h'-lK'mi hL'gUs.), das „für“ Jahwe (yli) da sein bzw. ihm gehören soll,272 und die Bestimmung als „heiliges Volk“ (vAdq' yAg), das kontakt-, begegnungs- und gemeinschaftsfähig mit Jahwe ist, legen nahe, dass es sich auch bei der Verwendung des Priestertitels um einen Verhältnisbegriff handelt.273 Von Israel wird hier weniger die Heiligkeit gefordert, sie wird ihm vielmehr zugesprochen. Entsprechend ist die Zusage der Exodusformel keine konditionierte Belohnung für Israels Gehorsam, sondern der konsequente und logische Ausdruck des Bundes, den Jahwe mit Israel schließt.274 Die relationsontologische Dimension wird auch durch das dreimalige yli in der Exodusformel unterstrichen, welches ein herausgehobenes, eben heiliges Beziehungs- und Gemeinschaftsverhältnis anzeigt,275 271 DAVIES, Priesthood, 97: „The problem with those perspectives which see Israel’s relation to the nations as portrayed through the image of priesthood is that they assume, in most cases without feeling the need of any exegetical justification, that one must define priesthood in terms of what it is that priests do, particularly what it is they do in relation to other people“ (kursiv bei D.). 272 R IECKER, Priestervolk, 259. DAVIES, Priesthood, 62, sieht in yl einen emphatischen Akzent, wonach Israel in Anbetracht vieler Alternativen eine Beziehung zu Jahwe haben und ihm zugehören soll. Es ist somit Ausdruck des gewünschten exklusiven Beziehungsund Bundesverhältnisses. 273 SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 140: „Der Grundtenor der Bundeszusage von Ex 19,4–6 ist also die ausschließliche Relation Israels zu dem Weltherrscher und heiligen Gott Jahwe, die eine Beziehung ganz besonderer, hervorragender und enger Art ist.“ Ebenso W ELLS, People, 55: „The use of vwdq … indicates not only a sense of belonging to Yhwh but also a quality of relationship with him that denotes a religious dimension, in the manner of priests …“ 274 W ELLS, People, 46: „Thus the ‚if‘ is not a conditional suggesting cause and effect, but almost the reverse. It describes a logical relation between responsibilities and privileges, in which Israel is invited to participate.“ 275 Auch DOHMEN, Ex 19–40, 63, fokussiert das Besondere der priesterlichen Identität Israels auf die „besondere Gottesnähe bzw. einzigartige Gottesbegegnung“ und trifft damit wohl am ehesten die Textintention. Vgl. auch HERMISSON, Sprache, 102: „Der Sinn der Worte für Israel wird in erster Linie sein, daß Israel ein unmittelbares Verhältnis zu Gott haben soll.“ Ebenso W ILDBERGER, Jahwes Eigentumsvolk, 82, und DAVIES, Priesthood, 93–100:97: „The grant is preeminently one of relationship with him. The other nations are not in view as objects of Israel’s attention“; MOSIS, Aufbau, 25: „…

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das völlig einseitig von Jahwe her zugesprochen wird. Dass dieses „heilige“ Beziehungsverhältnis auch einen ethischen Ausdruck finden soll und muss, soll hier nicht bestritten werden,276 aber in der Exodusformel steht der relationsontologische Horizont durch die ausschließliche Dominanz von Verhältnisbegriffen eindeutig im Vordergrund. Die konkrete Form des Bundesverhältnisses Israels zu Jahwe ist Gegenstand einer langen Debatte. Im 20. Jahrhundert dominierte die Deutung des Sinaibundes als eines Vasalitätsverhältnisses auf dem Hintergrund hethitischer und assyrischer Vasalitätsverträge aus den ersten beiden Jahrtausenden v.Chr., mittels derer eine Hegemonialmacht ihren Klientelvölkern oder ein königlicher Ober- bzw. Lehensherr abhängigen Klientelkönigen bestimmte Obligationen auferlegt, aber auch Privilegien zugespricht.277 So zahlreich die Parallelen auch sind, so sehr fallen doch auch die Unterschiede ins Auge. Denn weder hat Jahwe Israel unterworfen, was die Voraussetzung jedes Vasalitätsvertrages war, noch ist der Sinaibund einseitig zugunsten des Oberherrn konzipiert, ganz im Gegenteil. Während sich die Vertragsgeber in den entsprechenden Verträgen erheblich finanzielle Vorteile festschreiben ließen, bestand der „Vorteil“ antiker Vasallen v.a. darin, nicht ausgelöscht zu werden. Demgegenüber ist beim Sinaibund der „Vorteil“ Jahwes nicht recht erkennbar, während Israel überraschenderweise weitreichende Privilegien eingeräumt werden. Aus diesem Grund wird in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr ein Stiftungs- oder Patronatsverhältnis als Modell für den Sinaibund vorgeschlagen.278 Solche Stiftungs- und Patronatsverhältnisse basieren auf dem Wohlwollen des Stifters bzw. Machthabers und der Akzent liegt hier nicht auf den Verpflichtungen des Vasallen, sondern auf der Selbstverpflichtung des Stifters, der natürlich auch die Loyalität des Begünstigten zu entsprechen hat. Gegenstand solcher Stiftungs- und Patronatsverhältnisse können materielle Zuwendung ebenso sein wie privilegierte Positionen oder eben auch Priesterämter.279 Exakt an dieser Stelle kommen nun die atl. Bundesverhältnisse des Abraham- und Danicht eine Funktion, die Israel gegenüber den Heiden oder gegenüber Jahwe auszuüben hätte, sondern den Adel, der dem Volk von Jahwe her und in seinen Augen zu eigen ist“; STEINS, Priesterherrschaft, 35f.: „Das ‚Priesterliche‘ besteht in der Realisierung der Nähe Gottes … Israel ist ein ‚Königreich von Priestern‘ im Hören auf die Stimme Gottes“ (kursiv bei S.). Vgl. dagegen R IECKER, Priestervolk, 259–261, der für eine Funktion gegenüber den Heidenvölkern plädiert. 276 Vgl. DOHMEN, Ex 19–40, 63: „Die Wesensbeschreibung Israels nach Ex 19,5–6, die vor allem im Begriff des ‚priesterlichen Königreichs‘ ausgedrückt wird, ist keine Beschreibung eines Ist-Zustandes, sondern dessen, was Israel sein soll. In der Konzeption eines ‚Werde, was du bist!‘ wird Israels Identität festgehalten und den kommenden Generationen zur ‚Vergegenwärtigung‘ anheim gestellt.“ 277 Vgl. z.B. KOROŠEC, Staatsverträge; MENDENHALL, Covenant Forms; B EYERLIN , Herkunft; FRANKENA, Vassal-Treaties; KITCHEN, Fall and Rise. Für ROOSE, Teilhabe, 161, ist diese Herleitung attraktiv, weil sie dem als Priestervolk bezeichneten Israel seinerseits die Rolle eines Vasallen- bzw. Klientelkönigs und damit eine Herrschaftsrolle gegenüber fremden Völkern zuweist. Allerdings muss auch sie, ebd., eingestehen, dass der königliche Aspekt in Ex 19,5f. stark in den Hintergrund tritt und die Stelle keine „königliche Rolle Israels im Blick hat“. 278 Vgl. W EINFELD, Covenant of Grant; P OSTGATE, Grants and Decrees; HAHN, Kinship; DAVIES, Priesthood, 170–188. 279 Vgl. DAVIES, Priesthood, 183–187.

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vidbundes (vgl. Gen 17,6.16; 35,11; 2Sam 7,8–11) und v.a. auch der Sinaibund im Licht von Ex 19,6 in Betracht (vgl. auch die Verhältnisbestimmung im Levi-Segen in Dtn 33,8–11). Für die Erwählung Israels und die Berufung zu einem „Königtum von Priestern“ hat sich das Modell eines Stiftungs- und Patronatsverhältnisses als geeigneter erwiesen als das Vasalitätsmodell.280

Versteht man das Bundesverhältnis Israels zu Jahwe als ein Stiftungs- oder Patronatsverhältnis, dann wird auch der Hintergrund des Priesterbegriffs in Ex 19,6 verständlich. In der polytheistischen Welt des Altertums hatte jede Patronatsgottheit ihr eigenes Volk bzw. ihre eigene Nation oder ihr eigenes Reich und jedes Volk beauftragte eine besondere „Kaste“ mit der „Beziehungspflege“ zur jeweiligen Patronatsgottheit. Diese Kaste galt als „heilig“, weil sie den Umgang mit den heiligen Göttern zu pflegen hatten. Mit dem monotheistischen Bekenntnis zu Jahwe als dem einen Gott und Schöpfer wird die gesamte Welt zu seinem Königreich. Entsprechend erscheint der Status Israels in einer Analogie zum Status der Priestertümer gegenüber den jeweiligen Gottheiten in den verschiedenen antiken Kulturen.281 In diesem Licht soll die zentrale Bezeichnung Israels als ein „Königtum von Priestern“ somit sein herausgehobenes Verhältnis zu Jahwe unterstreichen, das erstens durch die Erwählung, zweitens durch die relational bestimmte Heiligkeit und drittens durch die Gottesunmittelbarkeit charakterisiert ist. So wie Priester überall in der antiken Welt und eben auch in Israel das Recht hatten, Gott (bzw. der jeweiligen Gottheit) aufgrund ihres besonderen Status der Heiligkeit im Rahmen des Kultes und des Heiligtums „nahen“ (vgl. Ex 19,22) und in seine Gegenwart treten zu dürfen (Ex 28,35), so hat Israel das Recht, einen durch besondere Nähe und Unmittelbarkeit charakterisierten Umgang mit Jahwe zu pflegen.282 Ganz Israel wird mit dieser Formel somit eine Sonderexistenz unter den Völkern zugesprochen.283 Mit dem Vorgang der Erwählung und Heiligung verbindet 280

DAVIES, Priesthood, 187f. SCHWARTZ, Holiness, 51: „Thus Israel’s status vis-à-vis the one God is analogous to that of the priests vis-à-vis the gods of each people.“ 282 Vgl. z.B. NOTH, Ex, 126, und SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 150: „Diese Unmittelbarkeit und Nähe Israels zu Jahwe, die das Ziel der Heilstaten Gottes in der Geschichte war, bedarf keiner Mittlerinstitution mehr, weder der königlichen noch der priesterlichen. Vielmehr ist dem ganzen Volk das priesterliche Königtum, das später die Könige analog zur orientalischen Umwelt für sich beanspruchten, zugesagt. Ganz Israel ist die wahre, von Gott gewollte Königsinstitution und als heiliges Volk Priester für seinen Gott, der in seiner Mitte ist.“ 283 Dass auch die Völker „zu“ Jahwe gehören, wird schon durch V. 5c zum Ausdruck gebracht. Israel ist nicht das einzige Volk, das in einer Beziehung zu Jahwe steht. Ihm gehören vielmehr alle Völker. Sein Beziehungsverhältnis ist jedoch ein einzigartiges und herausgehobenes, was durch v.a. durch die Begriffe hL;gus. und vAdq' yAg zum Ausdruck gebracht wird. 281

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sich nun allerdings auch die Forderung der Separation und Isolation, die nur eine sehr eingeschränkte Kontaktaufnahme mit anderen Völkern erlaubte. Weil die adäquateste deutsche Übersetzung „Königtum von Priestern“284 dem Bedeutungsspektrum des Syntagmas notwendigerweise kaum gerecht wird, legt sich eine Paraphrasierung nahe: Israel als ganzes Volk ist ein Königreich im Sinne eines passiven Herrschaftsraumes, über das Jahwe als König regiert, und gleichzeitig ein aktives Königtum, das an Jahwes Herrschaft partizipiert. Dieses Königreich hat als Gemeinschaft die korporative Identität von Priestern, deren ontisches Prärogativ darin besteht, in einer herausgehobenen Stellung vor und in einer unmittelbaren Nähe zu Jahwe zu stehen. Die Exodusformel steht mit dieser Identitätsbestimmung Israels wie ein erratischer Block nicht nur in der Sinaiperikope, sondern überhaupt in der atl. Überlieferung. Auch in Jes 61,5f. wird die Botschaft der Exodusformel nicht eingeholt. Aber in dieser metaphorischen Zuschreibung einer priesterlichen Identität für das ganze Volk Israel besteht die Grundlage für alle späteren Metaphorisierungen. Hier liegt der literarische Ausgangspunkt für die metaphorische Applikation des Priesterbegriffs auf neue Sinnzusammenhänge. Gleichzeitig kann hier nur mit äußerster Zurückhaltung und Vorsicht von einem Allgemeinen Priestertum gesprochen werden, weil dieser dogmatisch geprägte Begriff in seiner anachronistischen Verwendung mehr Missverständnisse aufwirft, als er zur Erhellung der Sache beiträgt. 4.3 Jes 61,5f. In der eschatologischen Heilszusage von Jes 61,5f. steht der Zion als kultischer Mittelpunkt im Zentrum der Völkerwelt. In Aufnahme des Motivs der Völkerwallfahrt bringen die Völker unter der Führung ihrer Könige ihre Opfergaben und ihren Reichtum zum Zion und dienen dem als Priesterschaft charakterisierten Volk Israel. Sie übernehmen somit die Rolle der Leviten, die zum Hilfsdienst für das Priestervolk Israel bestimmt sind, während Israel die Rolle des Priestervolkes für die Völkerwelt zukommt.285 284 W ELLS, People, 51: „Thus, for the most literal translation, we have ‘kingdom of priests’.“ Vgl. aber auch DAVIES, Priesthood, 94, der die Übersetzungen „priesterliche Könige“, „königliche Priester“ oder „Könige und Priester“ als gleichwertig betrachtet, sowie R IECKER, Priestervolk, 262, dem es vor allem auf die Verbindung sowohl der herrschaftlichen als auch der priesterlichen Funktionen ankommt. 285 Nach WESTERMANN, Jes 40–66, 294, und VOLZ, Jes II, 253f., ragen die V. 5 und 6 sowohl sachlich wie stilistisch aus dem Gesamtkontext heraus und müssten daher als sekundär betrachtet werden. Während in den V. 4 und 7–11 in großen Linien eine Wandlung der Situation Judas angekündigt werde, gingen die V. 5 und 6 stark ins Detail. Allerdings macht T IEMEYER, Rites, 69, darauf aufmerksam, dass sich auch in den benach-

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Ähnlich wie in Ex 19,6, jedoch unabhängig von der Exodusformel,286 werden also auch in Jes 61,6 alle Israeliten als Priester des Herrn angesprochen und damit die Trennung zwischen Priestern und Nicht-Priestern aufgehoben.287 Die Referenzgröße ist hier eindeutig das levitische Paradigma mit seiner Zweiteilung in Priester und Leviten. Anders als in Ex 19,6 dient der Priesterbegriff hier nicht zur Verhältnisbestimmung zwischen Israel und Jahwe. Im Mittelpunkt steht hier nicht die Erwählung, Heiligkeit und Gottesunmittelbarkeit, sondern die Erwartung, dass das nachexilische Israel in seiner materiellen Not von den Völkern versorgt wird (vgl. auch 60,7.10). Die Vision weist dem in der Gegenwart notleidenden Volk eine priesterliche Rolle unter den Völkern zu, die kommen werden und die landwirtschaftliche Arbeit für Israel übernehmen und ihm auf diese Weise mit ihrem Reichtum dienen werden, damit Israel analog zum Stamm Levi und den Priestern frei ist zum kultischen Gottesdienst für Jahwe. Eine priesterliche Funktion Israels für die Völker, etwa im Sinne einer Heilsmediation wird in Jes 61,5f. nicht beschrieben.288 Es wird lediglich die dienende Funktion der Völker für die Priesternation Israel thematisiert.289 Im Hintergrund steht möglicherweise Dtn 18,1–8, wo im Priesterbarten Versen dieselben stilistischen und sachlichen Unebenheiten finden wie in V. 5f. und die Einwände damit weitgehend hinfällig sind. Sie betrachtet den gesamten Komplex Jes 60–62 als literarische Einheit und Jes 61,5f. als integralen Bestandteil desselben, a.a.O., 70. 286 ROOSE, Teilhabe, 157f., und DAVIES, Priesthood, 212–217, möchten in den Versen dagegen verschiedene Anspielungen auf Ex 19,4–6 sehen. Eine Abhängigkeit beider Stellen ist jedoch weder in der einen noch in der anderen Richtung gegeben. Der Priesterbegriff wird jeweils völlig unterschiedlich gebraucht, und es gibt auch weder textlich noch inhaltlich Indizien einer Abhängigkeit; vgl. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 155.158–160. 287 HANSON, Dawn, 67f., spricht von einer „astonishing democratization of the formerly exclusive sacerdotal office“. T IEMEYER, Rites, 284, weist ferner darauf hin, dass die nachexilische Kluft zwischen im Land verbliebenen Juden und zurückkehrenden Exulaten überwunden scheint. 288 Richtig gesehen von D AVIES, Priesthood, 216: „Far from being engaged in a mission, or a service role in relation to the nations, Israel is rather to be held in honour and to have the riches of the nations placed at his disposal.“ Vgl. dagegen OSWALT, Is 40–66, 571f., der hier Israels Auftrag darin sieht „to be priest to the nations“. 289 W ESTERMANN, Jes 40–66, 294, macht auf die hierarchische Rollenverteilung aufmerksam. Zwar stehen die Verse auf dem Hintergrund des Motivs der Völkerwallfahrt zum Zion, aber die Rollenverteilung ist alles andere als egalitär, im Gegenteil: Die Heidenvölker haben die niederen Arbeiten zu verrichten, während die Israeliten die geistig führende Priesterklasse bilden. Auch T IEMEYER, Rites, 276, betont die scharfe Unterscheidung sowohl zwischen Juden und Heiden, als auch zwischen den von ihnen ausgeübten Tätigkeiten. Sie weist aber auch auf Jes 56,1–8 hin, a.a.O., 276–281, wo Proselyten und Eunuchen ein gleichwertiger Rang im Volk und eine gleichberechtigte Teilnahme am Kult zugesprochen wird. T IEMEYER, a.a.O., 279.281, vermutet, dass es sich in Jes 56,1–8 um eine spätere Korrektur von Jes 61,5f. aus der Feder eines anderen Autors handelt, der

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gesetz die Versorgung und der Unterhalt der levitischen Priesterschaft dahingehend geregelt wird, dass die anderen elf Stämme mit ihren Erstlingsgaben die Leviten versorgen sollen, damit diese frei zum stellvertretenden Gottesdienst sind.290 M. Himmelfarb versteht Jes 61,6 bereits im Licht der nachexilischen Kompensationsbemühungen in Anbetracht des priesterlichen Versagens: „[T]he emphasis on Israel’s special status in relation to other nations can also undercut the status of Israelite priests; the more Israel is differentiated from other nations, the less place there is for hierarchical distinctions within the holy people.“291 In der Tat steht der Beleg im letzten Teil des Jesajabuches in einer Reihe von Texten wie Jes 56,1–8 und 66,21, die alle in unterschiedlicher Weise eine deutliche Ausweitung des Priestertums propagieren. Für unseren Zusammenhang ist zunächst von Bedeutung, dass sowohl in Jes 61,6 als auch in Ex 19,6 der Priesterbegriff über seinen eigentlichen Sinngehalt hinaustritt und nunmehr das ganze Volk Israel als eine Gemeinschaft beschreibt, die in einem herausragenden Verhältnis zu Gott steht.292 Von einer Spiritualisierung des Priesterbegriffs kann mit Sicherheit keine Rede sein.293 Allerdings muss hier von einem weiteren Schritt hin zu einer Metaphorisierung gesprochen werden, bei der mit Hilfe des Priestertitels die Identität Israels im Verhältnis zu Gott und der Völkerwelt bestimmt wird. Jedoch wäre auch hier die Zuschreibung eines „Allgemeines Priestertums“ auf Israel nicht hilfreich, da der Begriff mehr verstellen als erklären würde. 4.4 Jes 66,21 In einer äußersten Zuspitzung findet sich fast am Ende des Jesajabuches in Jes 66,18–21 die alles Bisherige weit übertreffende endzeitliche Erwartung, dass Jahwe sich selbst aus den zum Zion kommenden Heidenvölkern „Priester und Leviten“ beruft.294 Hier stehen wir nun tatsächlich an einer Grenze, die den Rahmen des israelitisch-jüdischen Priestertums bei Wei-

Jes 61,5f. dahingehend differenziert, dass die Proselyten zu den Juden und nicht zu den Heiden und deshalb nach Jes 61,6 auch zu den Priestern gerechnet werden müssen. 290 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 155–166. 291 HIMMELFARB, Kingdom, 2. 292 Vgl. DAVIES, Priesthood, 217, der sich zu Recht gegen eine Reduktion der Stelle auf das Priestertum im literalen Sinn ausspricht. 293 HERMISSON, Sprache, 103. 294 Nach H IMMELFARB, Democratization, 101, kann die Platzierung dieses Wortes kein Zufall sein, sondern soll die Bedeutung dieses Anspruchs unterstreichen.

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tem sprengt und vorausblickt auf einen anderen, neuen Bund.295 Die noch in Jes 56,1–8 und erst recht in 61,5f. aufrecht erhaltenen Mauern zwischen Juden und Heiden sind hier im Blick auf das Eschaton niedergerissen.296 Denn wenn ein Heide Priester und damit unbegrenzt kultfähig werden kann, gewinnt er Zutritt zum innersten Zirkel des atl. Bundesvolkes.297 Für Oswalt, der auf die Analogie zu Jes 56,5–7 verweist, ist „this thought […] so shocking, that it can only have been intentional“.298 Auch Westermann erinnert daran, dass die Ankündigung für orthodoxe Kreise „unerträglich“ geklungen haben muss.299 Möglicherweise waren aber gerade sie die Adressaten jener Kritik, die implizit in dieser Vision enthalten ist. Tiemeyer interpretiert Jes 66,18–24 als einen Reflex des „disillusionment with the unorthodoxy of the existing Judahite priesthood“ und als „search for a viable alternative“.300 Anders als in Ex 19,6 und Jes 61,6 handelt es sich hier allerdings nicht um einen metaphorischen Gebrauch des Priester- und Levitenbegriffs, 295

H IMMELFARB, Democratization, 100, spricht gleichzeitig von einer Untergrabung der priesterlichen Kategorien Israels als auch von einem „move toward universalizing Israel’s national symbols“. 296 T IEMEYER, Rites, 285f., sieht hier aufgrund ihrer literarkritischen Analyse eine theologische Entwicklung: „In view of these differences I propose that Isa 56:1–8 and 66:21 mirror a gradual development rather than two parallel accounts. While 56:1–8, speaking of the immediate future, limits the priesthood to Judahites and proselytes, 66:18–24, speaking of the end-times, includes all Gentiles. In this way, I suggest viewing the later text as representing the final drastic step in the democratization or, rather, globalization of the priesthood, to become true at the time of the final ingathering of the nations.“ 297 Dass diese Interpretation auch den grammatischen Sinn der Aussage trifft, zeigt T IEMEYER, Rites, 281f., indem sie diese Deutung gegen alternative Interpretationen, z.B. im Sinne zurückkehrender jüdischer Exulanten, die Priester werden, oder zurückkehrender Priester, die wieder levitische Priester werden, so z.B. STRÜBIND, Königreich, 175, abwägt und ihr klar den Vorzug gibt. 298 OSWALT, Is 40–66, 690. 299 W ESTERMANN, Jes 40–66, 336. Allerdings betrachtet W ESTERMANN in Jes 66 V. 18.19.21 als eine Einheit im Gegenüber und Widerspruch zu V. 20.22–24, welche dann eine Korrektur der vorangehenden Verse darstellen. Nach W ESTERMANN, ebd., beschreibt die erste Versgruppe eine missionarische Bewegung zu den Völkern in die ganze Welt, während die zweite Versgruppe von einer Bewegung der Völker zum Zion bestimmt ist, die zu einer endzeitlichen Scheidung in ewige Anbetung und ewige Vernichtung führt (V. 23f.). Für WESTERMANN ist dieser Schluss des Tritojesajabuches ein „eindrucksvolles und bewegendes Zeichen“ dafür, dass nach dem Exil keine Einheit mehr herrschte im Blick auf eine Heilsperspektive für die Völker. Allerdings scheinen die sammelnde Komm- und die missionarische Geh-Struktur in diesen Versen bewusst ineinander zu fließen, denn bereits in V. 18 ist von einer Komm-Bewegung die Rede, die nach der Aussendung in V. 19 in V. 20 zu ihrem Ziel kommt. Die Verse sind nicht so widersprüchlich, wie W ESTERMANN sie versteht. 300 T IEMEYER, Rites, 286.

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denn die Begriffe werden streng in ihrer atl. Bedeutung verwendet. Neu und ungewöhnlich ist lediglich, dass Heiden in diesen schon innerjüdisch streng reglementierten Kreis aufgenommen werden sollen. Insofern stehen wir bei Jes 66,21 vor der bei Weitem progressivsten Priesterkonzeption der vorneutestamentlichen Zeit. 4.5 Jer 33,21f. Bei Jeremias Erwartung eines neuen Bundes (Jer 30–33; vgl. v.a. 31,31– 34) spielt die Priesterschaft allenfalls eine Nebenrolle. In Jer 31,14 wird sie als Teilhaber eschatologischer Freude über den neuen Bund vorgestellt und in 33,17f. wird den Priestern und Leviten eine „Kontinuität in der politischen und religiösen Leitung“ verheißen, um durch eine „personale Sicherung“ die Institution in tempelloser Zeit zu bewahren.301 Die David verheißene Führungsrolle wird nun den Priestern und Leviten übertragen. In 33,19–22 ist dann durch eine irreale Formulierung von einem von Gottes Seite her unzerbrechlichen Bund mit David bzw. dem Königtum sowie mit „den Leviten, den Priestern, meinen Dienern“ die Rede.302 Wahrscheinlich greift der Prophet hier die an Pinhas ergangene Verheißung eines „Bundes des ewigen Priestertums“ aus Num 25,12f. auf, die Pinhas dort als Belohnung für seinen Eifer verheißen wurde.303 In V. 22 stellt er diese Zusagen in den Kontext der Abrahamsverheißung, wobei die Bevorzugung der Leviten gegenüber der fast zeitgenössischen Konzeption Ezechiels in Ez 44 auffällt. Das Motiv findet eine Fortsetzung in Mal 2,4.8 und bei Jesus Sirach im „Lob der Väter“ (Sir 44–50), wo der „ewige Bund“ mit Aaron (45,6–22) auch durch die außerordentliche Länge des Lobes für Aaron und Pinhas (45,6–26) unterstrichen und hervorgehoben wird. In diesem Zusammenhang wird Pinhas und seinen Nachkommen im Anschluss an Num 25,12f. das „Hohepriesteramt in Ewigkeit“ verheißen (45,24). Bemerkenswert für unsere Fragestellung ist hier die eschatologische Hoffnung auf einen neuen, unzerbrechlichen Bund, der explizit auch das Priestertum einschließt. Damit wird bereits hier die nachexilisch so oft beklagte Insuffizienz des zeitgenössischen Priestertums zum Ausgangspunkt eschatologischer Hoffnungen.

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FISCHER, Jer 26–52, 234. Vgl. F ISCHER, Jer 26–52, 236: „In gleicher Weise unzerbrechlich wie jene Naturordnungen sind Gottes Beziehungen mit den schon zuvor in V. 17f. genannten Personen.“ 303 FISCHER, Jer 26–52, 236. 302

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

4.6 Ez 40–48 Eine wesentlich zentralere Rolle spielt die Priesterschaft im Entwurf eines eschatologischen Tempels und einer eschatologischen Priesterschaft bei Ezechiel (Ez 40–48). Diese neun Kapitel schließen an die Verheißung eines neuen Heiligtums in Ez 37,26–28 an und schildern, wie bereits Ez 8–11, eine große Entrückungsvision des Propheten. Nach einer Reihe von architektonischen Messungen des gesamten Tempels und des Tempelareals (Ez 40–42) schaut Ezechiel die Rückkehr der Herrlichkeit Jahwes in den Tempel (Ez 43,4f.). Ez 44 enthält Dienst- und Lebensordnungen für Priester und Leviten. In Ez 45f. folgen weitere Ordnungen für die Tempeldiener, die Stadtbewohner und den Fürsten, sowie über Maßsysteme, Abgaben, Opfer, Feste, Kultverhalten und das Erbrecht des Fürsten. In den beiden letzten Kapiteln weitet sich die Perspektive wieder zu einer Schilderung der Tempelquelle und des Flusses, der daraus entsteht (47,1–12), sowie zu einer Beschreibung und Aufteilung des umliegenden Landes und schließlich „der Stadt“ (Jerusalem) mit ihren Ausmaßen, Toren und ihrem Namen (48,30–35).

Das hier projektierte Bild eines vollkommenen Kultortes enthält vice versa eine Kritik an der Unvollkommenheit des vergangenen und gegenwärtigen Kultes,304 der für Ezechiel nicht nur aufgrund der Zerstörung Jerusalems und der Exilssituation Israels noch auf seine Vollendung wartet. Es ist vielmehr das grundlegende anthropologisch-hamartiologische Defizit, das einer Lösung bedarf (vgl. Ez 36,26f. u.ö.). Die Interpretationen dieses Entwurfs reichen von der literalen Deutung auf einen physischen Tempel, der zukünftig in Israel gebaut werden soll, über die figurative Deutung eines idealen irdischen oder himmlischen Tempels,305 bis hin zur Bestimmung eines bereits gegenwärtigen realen himmlischen Tempels, der dann auf Erden in „non-structural form in the latter days“ verwirklicht werden soll.306 304

Ez 40–48 sind im Ezechielbuch deutlich erkennbar als Gegenstück zu Ez 8–11 konzipiert. In beiden Abschnitten wird der Prophet von seinem Exilsort entrückt und ins Innere des Tempels geführt, wobei er in Ez 8–11 den Auszug der Herrlichkeit Jahwes aus dem unreinen, mit Sünde befleckten Tempel schaut und in Ez 43 die Rückkehr dieser Herrlichkeit an ihren ursprünglichen Ort. Damit ist im gesamten Buch mehr oder weniger die Frage nach den Bedingungen der heilvollen Gegenwart Jahwes dominant, vgl. ZIMMERLI, Ez II, 977. 305 Vgl. ZIMMERLI, Ez II, 979: „Nur wenn beide Grundtendenzen: die Verheißung einer visionär erschauten, als göttliches Geschenk angekündigten Zukunft und (auf der Basis dieses Geschenkes) die Verpflichtung auf eine von reformerischen Gedanken getragene, dem Menschen in Israel als Gebot aufgetragene neue Ordnung zur Geltung gekommen sind, wird der Zusammenhang 40–48 richtig verstanden sein.“ 306 Vgl. hierzu B EALE, Temple, 335, der selbst, a.a.O., 338, die letzte Deutungslinie vertritt: „… Ezekiel pictures the ongoing existence of the heavenly temple in the future when it will descend, but we would argue, not through a handmade structure“, ebenso 353. Auf eine figurative bzw. nicht-irdische Bedeutung weist bereits die Einleitung in Ez 40,1–2 hin, wo der Prophet von einem „sehr hohen Berg“ herab „etwas wie den Bau einer

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Im Blick auf das Priestertum und den Kult, der in diesem idealen Heiligtum seinen Ort hat, sind verschiedene Beobachtungen von Bedeutung. Zum einen ist der gesamte Entwurf auf die Sicherung der Heiligkeit des eigentlichen Tempels angelegt. Die großzügige Umfassung und Ummauerung des Tempelsbezirks hat den einen Sinn und Zweck, „dass das Heilige von dem Unheiligen geschieden sei“ (Ez 42,20). Diesem Schutz der Heiligkeit dient auch die absolute Trennung vom Palast des davidischen Herrschers. Der Tempel ist nicht mehr wie noch im salomonischen Konzept eine Art „Hofkapelle“ innerhalb einer Palastanlage, sondern ein eigenständiges und unabhängiges Gebäude, das auch nicht mehr durch die nahe gelegenen Grablegen der jüdischen Könige kultisch kontaminiert wird (Ez 45,1–8; vgl. 43,7–9). Zu diesem Konzept gehören auch die ausladenden Toranlagen (Ez 40,6–37), welche den Zugang zum Tempel besser überwachbar machen sollen, damit kein Unbefugter Zutritt zum Heiligtum findet und seine Heiligkeit stört. Zum Zweiten fällt die Neugliederung des priesterlichen Dienstes auf, der von der klaren Hierarchie von Priestern bzw. Zadokiden und Leviten geprägt ist (Ez 44). Zum Dritten fehlen neben verschiedenen anderen Tempelgegenständen (wie z.B. das bronzene Becken, der goldene Leuchter, der Tisch der Schaubrote, der Räucheraltar) auch der Vorhang vor dem Allerheiligsten, das Salböl, die Bundeslade mit den Cherubinen auf der Deckplatte und die Institution des Hohepriesters. Auch das abendliche Opfer und der große Versöhnungstag werden nicht mehr erwähnt. Nun kann die Nichterwähnung all dieser Gegenstände, Ämter und Opfer auf einem bloßen Zufall beruhen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich hier analog zu Jer 3,16f. um eine eschatologische Neukonzeption des Kultes und Tempels handelt, für welche die fehlenden Gegenstände, Ämter und Opfer zum alten, dann obsolet gewordenen Kult gehören.307 Die ezechielische Konzeption eines vollkommenen Kultortes mit einer folglich ebenso vollkommenen Priesterschaft fügt sich nahtlos an die jeremianische Hoffnung auf einen neuen Bund mit einem erneuerten Priestertum an. Durch die Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch Nebukadnezar konnte die bisherige Tempel- und Kultkonzeption mitsamt ihrer Priesterschaft nicht mehr der Garant für eine heilvolle Zukunft Israels sein (vgl. Jer 7,1–15).

Stadt“ schaut; vgl. Apk 21,10. Weitere Hinweise auf ein figuratives Verständnis ist die vollkommen quadratische Struktur des Tempels in Ez 48,16, welche die topographischen Bedingungen Jerusalems völlig außer Acht lässt. Auch die Beschreibung des Flusses, der aus dem Tempel quillt, 47,1–2, deutet auf ein symbolisches Verständnis hin. 307 BEALE, Temple, 354–361.

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

4.7 Sach 3,1–10 Die gehobene Bedeutung des Hohepriesters in nachexilischer Zeit kommt insbesondere in der Ämterkonzeption Sacharjas zum Ausdruck, der von einer „Doppelspitze“ in der Führung Israels ausgeht: In dem Visionenzyklus der sog. „Nachtgesichte“ Sacharjas wird in der Vision von den beiden „Ölsöhnen“ (Sach 4,1–14) deutlich, dass der priesterliche und der königliche Gesalbte zwar von ihren Aufgaben her zu unterscheiden, aber dennoch funktional aufeinander bezogen sind und eine Doppelspitze bilden, die nicht mehr einseitig aufgelöst werden kann ohne damit die gesamte Herrschaftskonstitution in Frage zu stellen. Grundlage für diese Konstruktion ist das Ideal eines gereinigten Priestertums in der vorangehenden Vision in Sach 3,1–10.308 In Sach 3,4 wird im Rahmen der Vision einer himmlischen Gerichtsszene (3,1–7) ein Reinigungsakt des nachexilischen Hohepriester Josua beschrieben, der von kultischer Unreinheit und Sünde befreit wird. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Unreinheit Josuas weniger um eine individuelle, sondern vielmehr um eine korporative und damit repräsentative. Josua wäre dann der Repräsentant der unrein gewordenen Exulanten im Allgemeinen (vgl. Jes 4,3–4) und der im Exil ebenso unrein gewordenen Priester im Besonderen.309 Der Reinigungsakt vollzieht sich konkret durch einen Wechsel der Kleider. Nun ist ein ritueller Kleiderwechsel beim Hohepriester nur bei zwei Gelegenheiten vorgesehen: einmal bei seiner Einsetzung (Ex 29,5f.; Lev 8,7–9) und zum anderen am Yom Kippur (Lev 16,4). Tiemeyer begründet überzeugend, dass in Sach 3 an den großen Versöhnungstag gedacht ist,310 zumal in V. 9 vom „Wegnehmen der Sünde des Landes an einem Tag“ die Rede ist. Mit der Reinigung des Hohepriester Josua ist dieser wieder in der Lage am Yom Kippur das Sühnopfer für das Volk wirkungsvoll zu vollziehen.311 Unter den beiden Voraussetzungen, dass er Gott gehorsam ist und seine hohepriesterlichen Pflichten erfüllt, wird ihm die Verantwortung für den Schutz des Tempels vor illegitimem Zutritt (von Fremden, vgl. Ez 308

Es ist in der Forschung umstritten, ob die Vision in Sach 3,1–10 die vierte Vision eines Acht-Visionen-Zyklus ist und dann im Rahmen einer konzentrischen Anordnung von Visionspaaren ein Paar mit der dann fünften Vision von den beiden „Ölsöhnen“ in 4,1–14 bildet, oder ob es sich bei Sach 3 um einen Einschub bzw. eine Unterbrechung des Visionenzyklus handelt und 4,1–14 somit die zentrale Vision im Rahmen eines Sieben-Visionen-Zyklus wäre, so JEREMIAS, Nachtgesichte, 12f. Vgl. auch DAVIES, Priesthood, 219, Anm. 5–6. 309 DAVIES, Priesthood, 221f. 310 T IEMEYER, Rites, 249f. 311 Vgl. auch DAVIES, Priesthood, 224: „… we have a divine vindication of an existing priestly status. It might seem that the experience of exile had forever cut off Israel (represented in its priest) from access to God, but Zechariah brings a word of consolation from the highest source that this is not the case.“

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44,8) und die Rechtsprechung im Tempel übertragen, sowie der Zugang zum Thronrat Gottes gewährt (3,7).312 Da der bei Josua zunächst konstatierte Status der Unreinheit und Sünde gemäß dem folgenden Orakel (3,8–10) charakteristisch für die gesamte Priesterschaft zu sein scheint,313 ist die göttlich verfügte Umkehrung dieses Status bei Josua auch die Voraussetzung – so muss man aus dem Zusammenhang heraus konjizieren – für die Reinigung der gesamten Priesterschaft, welche wiederum die Voraussetzung für die Gültigkeit und Wirksamkeit des Sühnekultes, insbesondere am Yom Kippur, bildet.314 Sacharja blickt somit auf eine Zukunft, in der das Jerusalemer Priestertum wieder in der Lage ist, Sühne und Reinigung zu vermitteln.315 In dieser Hoffnungsperspektive wird der Hohepriester einschließlich seiner Priesterschaft zu einem Zeichen für die Zukunft, in welcher der Zugang auch zum himmlischen Heiligtum wieder offen ist und das priesterliche Sein und die priesterliche Mediation wieder die heilvolle Begegnung zwischen Gott und Mensch ermöglichen.316 Nicht eindeutig ist dagegen, ob im Folgenden mit der Erwähnung eines (davidischen?) „Knechtes“ (db,[,) und „Sprosses“ (xm;c,) und eines „Steines“ (!b,a,) ein messianischer Horizont eröffnet wird oder nicht. Die analoge Erwähnung eines auf Serubbabel zu beziehenden Sprosses in Sach 6,12f., der den Tempel Jahwes bauen, auf Davids Thron sitzen und herrschen soll, legt dies nahe. Wenn ein Davidide gemeint sein sollte, dann geschähe seine enigmatische Einführung jedoch vor seiner Identifikation als Serubbabel in Sach 4,6.9. Weder sein Name noch seine Rolle werden erläutert. Deshalb möchte Davies die Begriffe „Knecht“ und „Spross“ eher auf das Volk Israel bzw. den übrig gebliebenen Rest Judas beziehen, die durch die Reinigung Josuas und seiner Kollegen wieder in die heilvolle Gegenwart Gottes „gebracht“ werden: „The divine action of removing the guilt of the ‚land‘ is an indication that any barrier to fellows312 Zur grammatischen Struktur und semantischen Bedeutung des Konditionalsatzes vgl. auch DAVIES, Priesthood, 224–228. 313 Vgl. hierzu die ausführliche Begründung von DAVIES, Priesthood, 226–228, der jedoch die Repräsentationsfunktion des Hohepriesters nicht nur auf die Priesterschaft, sondern auf alle heimkehrenden Exulanten ausdehnt, die nun wieder Zugang zum (himmlischen?) Heiligtum erhalten sollen. 314 T IEMEYER, Rites, 241: „My suggestion is that the Jerusalemites needed God’s mercy because of Joshua’s impure state. The reason for this was the way in which atonement was obtained: only a cleansed high priest would bring atonement to the land and its people. So, despite the justice of the prosecutor’s claim, God, in His mercy and because of His election of Jerusalem, cleansed Joshua to enable him to then cleanse the people.“ 315 T IEMEYER, Rites, 251. 316 DAVIES, Priesthood, 230: „The simplest and to my mind most compelling approach is that the priesthood is a living symoblic pointer (tpwm) to the full reality of the access … their presence in the environs of the earthly sanctuary is to be understood as an indicator and reassurance of a reality which lies beyond the visual realm.“

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hip with God on the part of the returned citizens of Jerusalem-Judah is being removed in the same way that the guilt of the high priest was removed in the vision.“317 Es geht in Sach 3 um die bei den Exilspropheten Jeremia und Ezechiel bereits klar artikulierte Notwendigkeit einer fundamentalen Erneuerung des priesterlichen und v.a. auch des hohepriesterlichen Amtes. Eine solche Erneuerung gilt als Voraussetzung für die Wirksamkeit des kultischen Sühnerituals und damit auch als Voraussetzung für den Zugang Israels zum Raum des Heiligen und damit für die heilvolle und zukunftseröffnende Begegnung zwischen Israel und Jahwe überhaupt. So wird in Sach 3 der unter →II.2.4 aufgezeigte Zusammenhang noch einmal evident. Weil der priesterliche Status der Idealität, Integrität und Gottähnlichkeit in den Geschehnissen vor und während des Exils von den Amtsträgern nicht bewahrt wurde, sind auch die Funktionen des priesterlichen Amtes unwirksam geworden, allen voran der Opferdienst. Es bedarf nun einer umfassenden Neukonstituierung des priesterlichen Seins durch einen Reinigungs-, Heiligungs- und Einkleidungsakt, der die verlorene Integrität und die imitatio Dei wieder herstellt. Mit der bereits bei Ezechiel angedeuteten Verknüpfung einer Erneuerung des Priestertums mit der Wirksamkeit des kultischen Sühnerituals ist das Thema gesetzt, das in der Folgezeit die Auseinandersetzungen um Priesterschaft und Kult im Frühjudentum maßgeblich prägen sollte. 4.8 Mal 3,3 Einer Reinigung und anthropologischen Erneuerung der Priester- bzw. Levitenschaft sieht auch einige Jahrzehnte später der Prophet Maleachi entgegen, wenn er in Mal 3,3 eine eschatologische Reinigung der „Söhne Levi“ durch den Boten Gottes erwartet,318 welche einen „Ermöglichungsakt“ darstellt, „durch den der priesterliche Opfervollzug im eschatologischen Horizont in Jerusalem wieder zur Wirkung kommen kann und soll.“319 Wie in Sach 3,2ff. ist auch in Mal 3,2f. das Instrument der Reini-

317 DAVIES, Priesthood, 236; siehe auch 231–234. Den in V. 9 erwähnten Stein versteht Davies in der Konsequenz auch nicht als Fundierungsstein des neu erbauten Tempels, zumal der Tempelneubau gar nicht das Thema dieser Vision ist. Vielmehr sieht er, a.a.O., 234–236, in dem Stein einen – nicht eindeutig bestimmbaren – Teil des hohepriesterlichen Ornats, dem sühnende Kraft zugesprochen wurde, vgl. Ex 28,9–12.36–38.42f. 318 Zur Diskussion um die Frage des Reinigenden in Mal 3,3 vgl. T IEMEYER, Rites, 257f. 319 MEINHOLD, Mal, 272. Auch T IEMEYER, Rites, 130, versteht Mal 3,1–4 als eine Verheißung: „God is described as having further plans for the clergy in order to reinstate them into former positions.“

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gung das Feuer. Das Ziel ist die kultische Erneuerung der Priesterschaft zur Darbringung wirksamer Opfer.320 4.9 Ergebnis In einer Reihe von bis auf eine Ausnahme prophetischen Schriften wird teils schon für die Gegenwart teils erst im Eschaton eine Reformation, Transformation oder auch Ausweitung des levitischen Priestertums erwartet bzw. erhofft. Trotz der vielfältigen historischen und literarkritischen Unsicherheiten ist mit einiger Wahrscheinlichkeit Ex 19,5f. der erste Beleg, in dem eine Metaphorisierung des Priesterbegriffs stattfindet. In der sog. Exodusformel, die wie ein erratischer Block nicht nur in der Sinaiperikope, sondern in der gesamten atl. Tradition steht, wird ganz Israel im Rahmen der Erwählung ein priesterliches Sein verheißen. Diese priesterliche Identität und Würde wird nun aber nicht funktional im Blick auf ein mediatorisches oder missionarisches Wirken für die Völker bestimmt, sondern relationsontologisch im Blick auf das Sein vor und für Gott. Israel wird die Kontakt-, Begegnungs- und Gemeinschaftsfähigkeit mit Jahwe zuerkannt. Die priesterliche Identität Israels drückt auf dem Hintergrund eines Stiftungs- oder Patronatsverhältnisses ein Sonderverhältnis der herausgehobenen Zugehörigkeit und Unmittelbarkeit zu Gott und der Heiligkeit vor Gott aus, das Israel im Unterschied zu allen Völkern gewährt wird. Wahrscheinlich unabhängig von Ex 19,6 wird den Israeliten in Jes 61,6 zwar ebenfalls in toto metaphorisch die Identität von Priestern zugesprochen. Allerdings wird hier das levitische Priestertum als Referenzgröße bemüht: So wie die Leviten den Priestern unterstützend zur Hand gehen, so werden in einem eschatologischen Horizont die Heidenvölker dem Priestervolk Israel dienen und es materiell unterstützen. Im Fokus steht hier nicht das Verhältnis Israels zu Jahwe, sondern das eschatologische Verhältnis zu den Völkern. Nicht im metaphorischen Sinn, aber in einer äußersten Kühnheit kündigt Jes 66,21 die eschatologische Berufung von Heiden zu Priestern und Leviten an. Die Integration von Heiden in die heiligste Gemeinschaft Israels stellt die progressivste Priesterkonzeption des Alten Testaments dar, die nur noch von den einschlägigen Texten des Neuen Testaments überholt wird. Bei den beiden Exilspropheten Jeremia und Ezechiel kommt in je unterschiedlicher Weise der Eindruck der Insuffizienz des zeitgenössischen 320

W ILLI-P LEIN, Hag/Sach/Mal, 269: „Der Kommende selbst versetzt die, die ihn empfangen sollen, in den Stand, dies angemessen zu tun: Er ‚reinigt‘ die ‚Söhne Levis‘, d.h. er bewirkt ihre Kultfähigkeit, in der sie ihn bedienen und ihm ‚in Gerechtigkeit‘ die Huldigungsgabe ‚nahebringen‘ können, die dann auch als solche Gültigkeit hat“.

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Priestertums zum Ausdruck. Während Jeremia eine eschatologische Erneuerung des Priestertums im Rahmen eines neuen Bundesschlusses erhofft (Jer 33,21f.), entwirft Ezechiel die eschatologische Konzeption eines neuen, vollkommenen und kultisch reinen Heiligtums mit einer folglich ebenso vollkommenen Priesterschaft (Ez 40–48). Beide Propheten sind die ersten biblischen Zeugen für das um sich greifende Bewusstsein der Exulanten, dass die überkommene Kultinstitution eine heilvolle Zukunft nicht mehr gewährleisten kann. Dieses Bewusstsein findet in Sach 3,1–10 seinen Ausdruck in der Vision einer himmlischen Gerichtsszene, in welcher der nachexilische Hohepriester Josua stellvertretend für die gesamte Priesterschaft einem kultischen Reinigungsritus unterzogen wird. Ziel dieser auch in Mal 3,3 im eschatologischen Horizont erwarteten Reinigung ist die Erneuerung der priesterlichen Integrität und Kultfähigkeit, um die Wirksamkeit der sühnenden Opfer zu garantieren. So unterschiedlich die in diesem Abschnitt untersuchten Belege auch sind, so machen sie doch alle deutlich, dass bereits innerhalb des Alten Testaments eine metaphorische Weitung des Priesterbegriffs vorgenommen und eine Reformation, Erneuerung oder Transformation des levitischen Priestertums erwartet wurde.

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5.1 Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit (1) Auch das israelitische und jüdische Priestertum war von dem religiösen Status getragen, der den Priester durch die stellvertretende Restitution zu einem idealen und integren Menschen werden ließ, der aufgrund dieses gottähnlichen Seins legitimiert war, sich Gott zu nahen und im Raum der heiligen Präsenz Jahwes Gott zu begegnen und mit ihm Gemeinschaft zu haben. Diesem Status der kultischen Vollkommenheit und Idealität musste der Priester sowohl in seinem Eheverhältnis als auch im Blick auf seine körperliche Unversehrtheit entsprechen, um als Verkörperung des idealen Menschen während seines Dienstes im Raum des Heiligen als Mitglied der himmlischen, idealen Welt in den Kontakt mit Gott treten zu können. So wird der Priester zum idealen Menschen am idealen Ort. (2) Der Dienst der Priester im Heiligtum war in einer kultisch strukturierten Welt nur im Status der Heiligkeit, der in diesem Zusammenhang, die Kontakt- und Begegnungsfähigkeit des Menschen beschreibt, heilvoll und gefahrlos möglich. Um in den in konzentrischer Architektur angeordneten Raum des Heiligen vordringen, „sich Jahwe nahen“ und am Ort der göttlichen Präsenz kultisch dienen zu dürfen, mussten sich die Priester dem

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kultischen Vorgang der Heiligung bzw. des Sich-Heiligens unterziehen. Auch das Anlegen des priesterlichen Ornats muss ganz analog als statusverändernder Vorgang begriffen werden. Ziel dieses Prozesses war die Herstellung eines für die Dauer des Dienstes befristeten Status der kultisch performierten imitatio Dei bzw. der „Gottgemäßheit“. (3) Aus dem priesterlichen Status heraus entfalten sich auch die Funktionen des priesterlichen Amtes. Diese waren in erster Linie von der Repräsentationsrolle her bestimmt. Als Mitglieder zweier Welten, einer irdischen und einer himmlischen, amtierten die Priester im Heiligtum und eingekleidet in ihren Ornat als Repräsentanten des Volkes vor Gott und als Repräsentanten Gottes vor dem Volk. Ihr mediatorischer und Sühne wirkender Opferdienst am Altar war für die heilvolle Existenz Israels von höchster Wichtigkeit. Im Kontext eines kultischen Weltbildes war dabei auch die exakte Befolgung der Tora und ihrer Ordnung von Bedeutung, entschied doch der korrekte Vollzug der Opfer und der priesterlichen Riten über die sühnende und heilstiftende Wirkung der Opfer. (4) Die zweite zentrale Aufgabe des priesterlichen Amtes bestand im Schutz des Heiligtums vor drohender Verunreinigung und Entheiligung. Hierzu gehörte neben der exakten Kenntnis von reinen und unreinen, heiligen und profanen „Seinszuständen“ auch die pädagogische Unterweisung des Volkes in kultischer, ethischer und hygienischer Hinsicht, damit auch deren Zutritt zum in abgestuften Heiligkeitssphären geordneten Tempelbezirk heilvoll gelingen konnte. (5) In der prophetischen Kritik am priesterlichen Dienst kommt sowohl in vor- wie nachexilischer Zeit die Klage über ontische, ethische und kultische Defizite des amtierenden Priestertums zum Ausdruck. Dabei wurde jedoch weder der Kult, noch die Opfer, noch das Priestertum an sich in Frage gestellt, sondern die Inkongruenz zwischen der priesterlichen Bestimmung zu einem idealen und integren Sein vor Jahwe im Kult und ihrem (un)ethischen Handeln im Alltag. In nachexilischer Zeit erweitert sich die Kritik um Klagen über die im Exil geschlossenen Mischehen und die kultische Insuffizienz des priesterlichen Seins und Handelns, das die Wirksamkeit der sühnenden Opfer beeinträchtigt. (6) In einer Reihe von atl. Texten wird teils schon für die Gegenwart, teils erst im Eschaton eine Reformierung, Erneuerung, Transformation oder auch Ausweitung des levitischen Priestertums erwartet bzw. erhofft. Der bedeutendste Text ist dabei auch der wahrscheinlich älteste: In der sog. Exodusformel in Ex 19,5f. wird ganz Israel im Rahmen der Erwählung ein priesterliches Sein verheißen, was an dieser Stelle jedoch nicht funktional, sondern relationsontologisch im Blick auf die Kontakt-, Begegnungs- und Gemeinschaftsfähigkeit mit Gott zu deuten ist. Es geht um ein Sonderverhältnis der herausgehobenen Zugehörigkeit und Unmittelbar-

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keit zu Gott und der Heiligkeit vor Gott, das Israel im Unterschied zu allen Völkern gewährt wird. Durch die Applikation des Priesterbegriffs auf ganz Israel vollzieht sich zum ersten Mal eine Metaphorisierung des Begriffs in einen neuen Sinnbereich hinein. (7) Auch in Jes 61,6 wird wohl unabhängig von Ex 19,6 Israel metaphorisch die Identität von Priestern verliehen. Als Referenzgröße dient hier jedoch im Unterschied zur Exodusformel das levitische Priestertum: So wie die Leviten den Priestern unterstützend zur Hand gehen, so werden in einem eschatologischen Horizont die Heidenvölker dem Priestervolk Israel dienen und es materiell unterstützen. Im Fokus steht somit nicht das Verhältnis Israels zu Jahwe, sondern das eschatologische Verhältnis zu den Völkern. In Jes 66,21 wird die eschatologische Integration von Heiden in die Priesterschaft Israels angekündigt, welche die Grenzen der atl.jüdischen Priesterkonzeption nicht nur weitet, sondern sprengt. (8) In einer Reihe weiterer Texte wird die Insuffizienz des Jerusalemer Kultes und seiner Priesterschaft beklagt und aus Sorge um die Wirksamkeit der sühnenden Opfer entweder gegenwärtig oder zukünftig eine Erneuerung, Reformation oder Transformation des levitischen Priestertums erwartet (Jer 33,21f.; Ez 40–48; Sach 3,1–10; Mal 3,3). 5.2 Das israelisch-jüdische Priestertum im Vergleich zur hellenistisch-römischen Umwelt (1) Vergleicht man das israelitisch-jüdische Priestertum mit den griechisch-römischen Priestertümern, so fallen zunächst weniger die Unterschiede als vielmehr die zahlreichen Analogien ins Auge. In vielen antiken Priestertümern des mediterranen Raumes war der Priester durch den religiösen Status des idealen und gottähnlichen Menschen geprägt, der aufgrund seiner Integrität legitimiert ist Gott bzw. den Göttern zu nahen und im Raum des Heiligen kultisch zu wirken. Der durch bestimmte Rituale und auch Gewänder hergestellte Status der Kontakt- und Begegnungsfähigkeit mit dem Heiligen und Göttlichen war die Voraussetzung für die priesterliche Repräsentation Gottes bzw. der Götter vor der Kultgemeinde und umgekehrt sowie aller weiterer Funktionen. (2) Der Priester war auch in Israel ein Sachverständiger für religiöse und in der Folge oftmals auch juristische Fragen. Ihm wurde eine hohe Deutungskompetenz zugeschrieben, die jedoch anders als im paganen Kontext weniger charismatisch-prophetischen Charakter hatte, sondern vielmehr auf dem Studium der heiligen Schriften und Überlieferungen Israels basierte. Der Priester ist in Israel wesentlich Schriftausleger für ethische, praktische und juristische Fragestellungen. Dies scheint ein Spezifikum der atl.-jüdischen Priesterschaft zu sein. Denn während in den meisten antiken Kulturen das priesterliche Wissen von einer Arkandisziplin geschützt war

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und entsprechend geheim gehalten wurde und die priesterlichen Rituale außerhalb des Sichtfeldes und Interesses der Öffentlichkeit zelebriert wurden,321 waren die priesterlichen Gesetze in Israel in frühjüdischer Zeit öffentlich zugänglich und bekannt. Folglich musste sich der priesterliche Dienst auch öffentlicher Kritik stellen.322 (3) Nimmt man die Unterschiede näher in den Blick, so fällt zunächst auf, dass das atl.-jüdische Priestertum bei allen Analogien eine wesentlich gewichtigere Rolle in der Gesamtbevölkerung einnimmt, als in der hellenistisch-römischen Umwelt. Geht man von mehreren tausend Priestern aus, dann ist dies nicht nur eine quantitativ andere Dimension, sondern auch eine qualitativ andere. Die Präsenz des atl.-jüdischen Tempelkultes im Bewusstsein des Volkes musste eine ungleich größere sein als in der paganen Umwelt. Schon in finanzieller Hinsicht musste die israelitisch-jüdische Gesellschaft für ihre Priesterschaft ungleich höhere Lasten bewältigen als eine griechische Polis oder die Stadt Rom. (4) Dies gilt auch dann, wenn man den zweiten signifikanten Unterschied in Betracht zieht: Während die paganen Kulturen des Mittelmeerraumes analog zur Vielzahl der Gottheiten auch eine beliebige Vielzahl von Kultstätten kannten und akzeptierten, gab es in Israel seit der josianischen Kultreform nur noch einen legitimen Tempel und Opferaltar. Diese Kultzentralisation musste den einen Tempel und mit ihm den einen Kult und die ihn vollziehenden Priester ungleich mehr in den Fokus der Kultgemeinschaft rücken, als dies bei paganen Heiligtümern der Fall war. Das Wohl und Wehe des ganzen Volkes hing in kultischer Hinsicht vom korrekten Sein und Handeln der einen Priesterschaft mit ihren vielen tausend Priestern ab. Noch nicht einmal in Rom war eine solche Konzentration auf ein Heiligtum, einen Kult und eine Priesterschaft denkbar. Damit wuchs der Jerusalemer Priesterschaft auch ein Maß an Macht und Einfluss zu, das in der mediterranen Welt sonst unbekannt war. Allein durch die bloße Größe der jüdischen Priesterschaft und die Fokussierung auf ein einziges „Nationalheiligtum“ hatten die jüdischen Priester und hier natürlich v.a. die Hohepriester eine Bedeutung, die in der antiken Welt ihresgleichen suchte. (5) Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass der atl.-jüdische Kult und Priesterdienst wesentlich reglementierter erscheint als die hellenistisch-römischen Kulte. Zwar gab es auch hier eine Vielzahl hintergründiger Normen, Regeln und Tabus, aber keinen der Priestertora vergleichbaren Codex (später noch mit mündlicher Halacha), der bis in alle Einzelheiten die priesterliche Existenz und den Kultvollzug reglementierte.

321 322

MIGROM, Lev 1–16, 52f. Vgl. HIMMELFARB, Kingdom, 28f.

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Kapitel II: Das jüdische Priestertum in nachexilischer Zeit

Letztlich zeigt sich auch hier, dass das Priestertum eine Funktion der jeweiligen Theologie ist. So wie sich die römische religio, bei der wir wie oben beschrieben nicht im eigentlichen Sinne von einer Theologie reden können, in der Komplexität und funktionalen Unschärfe der einzelnen Priesterschaften widerspiegelt, und so wie die Vielseitigkeit der griechischen Religion durch eine große Pluralität der Priestertümer veranschaulicht wird, so entspricht das atl.-jüdische Priestertum mit seiner hereditär konstituierten Priesterschaft und der Kultzentralisation auf den Jerusalemer Tempel der offenbarten Willenskundgabe des Gottes Israels. Diese Willenskundgabe mit ihrer Vielzahl an Bestimmungen vermittelt den Amtsträgern eine Qualität der Heiligkeit, die in solcher Weise der hellenistischrömischen Religion fremd ist. Der geoffenbarte Gotteswille, der sich in heiligen Überlieferungen, Schriften und letztlich einem heiligen Buch niederschlägt, umfasst nun nicht nur Bestimmungen für die Herstellung eines kultischen Status von Heiligkeit und Reinheit, um im heiligen Bereich des Tempels Gott nahen zu können, sondern auch Bestimmungen für den ethisch-moralischen Lebensvollzug der Priesterschaft und des ganzen Volkes. Auch diese zur genealogischen Regulierung noch hinzutretende ethisch-moralische Normierung des Priesterdienstes ist den paganen Kulten in dieser Gewichtung fremd. Zwar gibt es auch im römischen Kult zum Teil strenge Grenzen für die priesterlichen Amtsträger (z.B. für die Vestalinnen), die jedoch nur bedingt in einem Zusammenhang mit allgemeinen ethisch-moralischen Wertvorstellungen stehen. Die Erwartungen an die ethisch-moralische Integrität des Priesters waren in Israel einzigartig. Sein Sozialprestige erwuchs dementsprechend nicht nur aus einer bereits vor seiner Berufung existierenden elitären Position in der Gesellschaft, wie dies häufig bei paganen Priestern der Fall war, die als „Ehrenmänner“ ein „Ehrenamt“ erwarben bzw. angetragen bekamen, sondern aus der Heiligkeit und Reinheit, welche die jüdischen Priester nicht nur in ihrem gesamten Dienst- sondern auch in ihrem Lebensvollzug zu wahren hatten. (6) Nur auf dem Hintergrund dieser Ansprüche und Erwartungen hinsichtlich der ethisch-moralischen und kultischen Integrität der Priesterschaft ist auch die zum Teil beißende Kritik zu begreifen, die in Israel von prophetischer Seite in vor- und nachexilischer gegen die Priesterschaft laut wurde. Zwar lassen sich auch im hellenistisch-römischen Kontext immer wieder Fälle von priesterlichem Amtsmissbrauch bzw. priesterlichem Fehlverhalten nachweisen, aber in den Quellen ist nirgends eine auch nur annähernd analoge Priestertumskritik wahrnehmbar. Dies ist insofern erklärbar, als hier von vornherein keine äquivalente Erwartungshaltung an die Priesterschaft entstehen konnte.

Kapitel III

Konflikte um Priestertum und Tempel in frühjüdischer Zeit Die kritischen Stimmen, die sich in vor- wie nachexilischer Zeit vor allem aus dem Munde der Propheten gegen das levitische Priestertum und seine in den Augen der Kritiker sowohl kultisch als auch ethisch fragwürdige Praxis richteten, kamen auch in frühjüdischer Zeit nicht zum Schweigen, im Gegenteil. Die Kritik über die Unzulänglichkeit des Jerusalemer Kultpersonals wurde intensiver und – das markiert einen wesentlichen Unterschied zur vorexilischen Zeit – zielte nun auch auf den Jerusalemer Tempel selbst. In einer Reihe von Belegen wird dieser teils aufgrund seiner geringen Größe, teils aufgrund seiner durch den unzulänglichen oder gar illegitimen Dienst seines Kultpersonals verursachten Verunreinigung selbst als insuffizient beurteilt. Hinzu kommen Stimmen, die eine eschatologische Restitution eines gänzlich neuen, reinen Tempels ersehnten. Diese bilden freilich nur die Kehrseite der direkten Tempelkritik, denn wer für das Eschaton einen neuen Tempel erhofft, verbindet mit dem gegenwärtigen keine großen Erwartungen mehr. Diese Mischung aus Klagen und eschatologischen Hoffnungen steht auch mit einer Reihe von Ereignissen in Verbindung, welche die Diskussionen und Auseinandersetzungen um Priestertum und Tempel eskalieren ließ: Es geht um die Vorgänge vor und nach der seleukidischen Religionsund Kulturkrise im zweiten Viertel des 2. Jh. v.Chr, zu deren Folgen neben der hasmonäischen Herrschaft und dem Ende der hohepriesterlichen Dynastie der Zadokiden auch die Kumulation des königlichen mit dem hohepriesterlichen Amt wahrscheinlich unter Jonathan Makkabäus gehört. Die durch diese Krise ausgelöste Zersplitterung der jüdischen Gesellschaft in verschiedene Religionsparteien hat das Gesicht des Judentums und seiner Haltung(en) zu Tempel und Priestertum bis zum Jüdischen Krieg und sogar darüber hinaus geprägt. Ein großes Problem ist, dass sich diese kritischen Stimmen nur selten einer eindeutig bestimmbaren Gruppe zuordnen lassen. Viele Quellen sind nur schwer in den unterschiedlichen Strömungen des Frühjudentums zu verorten und entsprechend schwierig ist es, diesen anonymen Stimmen ein Gesicht zu verleihen. Unbestritten ist aber, dass es eine Vielzahl solcher

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

Stimmen gab und sie ein unüberhörbarer Teil des breiten Stroms des Judentums zur Zeit des zweiten Tempels waren. Im folgenden Abschnitt sollen deshalb nach einem geschichtlichen Überblick über das Priestertum in der Zeit des zweiten Tempels zunächst die kritischen Stimmen zum Priestertum analysiert werden. Anschließend geht es nach einer kurzen Einführung in die unterschiedlichen atl. und frühjüdischen Wahrnehmungen des Jerusalemer Tempels, sowohl um die alternativen Tempel als auch um die verschiedenen Texte, in denen diese Kritik einen literarischen Ausdruck fand.

1 Die Geschichte und Kritik des jüdischen Priestertums in der Epoche des zweiten Tempels 1 Geschichte und Kritik in der Epoche des zweiten Tempels

1.1 Die Geschichte des nachexilischen Priestertums bis 70 n.Chr. Als Quelle für das (Hohe)Priestertum in der spätachämenidischen bzw. spätpersischen Zeit des 4. Jh. v.Chr.1 stehen fast ausschließlich die „Altertümer“ des Josephus zur Verfügung, der sich in seiner Geschichtsschreibung sachgemäß auf die Hohepriesterschaft konzentriert.2 Die Problematik der Quellenlage im Ganzen bringt R.A. Kugler treffend auf den Punkt: „The literature pertaining to it [s.c. gemeint ist das jüdische Priestertum] only occasionally reflects what actually happened and more often presents what its authors wished had happened, or hoped would be the case. Further, the literature often focuses not on the priesthood as a whole but on the high priesthood alone.“3 Ein sinnvoller Ausgangspunkt für einen kurzen historischen Überblick ohne Anspruch auf lückenlose Vollständigkeit ist Josephus‘ ausführlicher Bericht über den letzten Hohepriester der nehemianischen Abstammungsliste in Neh 12,10f. namens Jaddua/Jaddus (Ant 11,302–347).4 Zwei Sachverhalte an seiner Darstellung sind für das Verständnis des hohepriesterlichen Amtes in jener Epoche bemerkenswert. Zum einen ist es der Umstand, dass sich Alexander der Große in einem Brief mit der Bitte 1 Die Geschichte des Hohepriestertums im nachexilischen Judentum bis zur Zerstörung des zweiten Tempels im Jahre 70 n.Chr. wird durch die Untersuchung von J AMES VANDERKAM „From Joshua to Caiaphas“ erschlossen. Der Autor hat umfassende historische Details zu allen in Quellen greifbaren Hohepriestern zusammengetragen und damit eine Lücke in der Forschung geschlossen. Leider bietet VANDERKAM kaum diachrone Analysen oder über die unmittelbaren historischen Vorgänge hinausgehende, religionsgeschichtliche oder theologische Perspektiven. 2 Jos Ant 11–12; vgl. VANDERKAM, Joshua, 43–111. 3 KUGLER, Art. Priests (EDEJ), 1096. 4 VANDERKAM, Joshua, 63–85.

1 Geschichte und Kritik in der Epoche des zweiten Tempels

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um militärische Hilfe an Jaddua wendet (Ant 11,317).5 Damit erscheint dieser sowohl als Oberbefehlshaber der jüdischen Streitkräfte als auch als höchster politischer Diplomat.6 Ein politisches Pendant zum Hohepriester analog zur Konzeption bei Sacharja (vgl. Sach 4,14) ist nicht mehr erkennbar.7 VanderKam kommt deshalb zu der Schlussfolgerung, dass „[a]t least according to Josephus, the high priest had by this time become the supreme civil and religious head of the Jewish people … [...] He was head of the cultic, political, and even military affairs of the nation and as such handled relations with the imperial government …“8 Zum anderen erscheint Jaddua als ein Hohepriester, zu dem Gott im Traum spricht (Ant 11,327). Dieses eigentlich klassisch prophetische Privileg taucht bereits bei Sacharjas Charakterisierung des ersten nachexilischen Hohepriesters Josua auf (Sach 3,7). Bei aller Vorsicht vor zu weitreichenden Schlussfolgerungen drängt sich doch die Frage auf, ob mit dem auffälligen Zurücktreten des prophetischen Amtes das Charisma des Offenbarungsempfangs nun im hohepriesterlichen Amt gesehen wurde.9 Es hat jedenfalls den Anschein, dass Hohepriester und Priesterschaft in frühjüdischer Zeit das Vakuum zu füllen versuchten, welche das Königtum und das niedergehende Prophetentum hinterlassen hatten.10 Die Vermittlung göttlicher Offenbarung musste sich nun in alternativen Formen vollziehen und hier scheint die (hohe)priesterliche Weisung sowohl im individuellen wie im kommunalen und nationalen Horizont eine substituierende Rolle eingenommen zu haben.11

5 Der Bericht von der Begegnung Alexanders des Großen mit dem Hohepriester Jaddua, Jos Ant 11,317–339, wird häufig als legendär bewertet. VANDERKAM, Joshua, 75–84, führt dagegen eine Reihe von Indizien an, welche auf einige historische Reminiszensen hindeuten; vgl. auch W ARDLE, Jerusalem Temple, 35f. 6 Eine gewisse Analogie besteht zu Ben Siras Lobpreis des Hohepriesters Simon, vgl. Sir 50,1–4, der u.a. für die Reparatur des Tempels, die Fundierung der Mauern und den Bau einer Zisterne gepriesen wird, alles nicht-kultische Aufgaben, die gewöhnlich nicht im Verantwortungsbereich eines Hohepriesters lagen und für die Ben Sira vorher Könige und Gouverneure gelobt hat. 7 Zur Frage, ob es eine Art Gouverneur zur Zeit Jadduas und überhaupt während der achämenidischen Zeit gab, vgl. VANDERKAM, Joshua, 99–111, und W ARDLE, Jerusalem Temple, 33–38. Bekannt ist auch eine sowohl von Josephus wie von Diodorus Siculus überlieferte Bemerkung des Hekataios von Abdera, der um 300 v.Chr. Judäa als ein Land charakterisiert, das von Priestern regiert wird, vgl. Diod Hist 40,3,3–6. 8 VANDERKAM, Joshua, 83f.; vgl. W ARDLE, Jerusalem Temple, 31f. 9 VANDERKAM, Joshua, 83. Von einem prophetischen Charisma des Hohepriesters ist auch in Joh 11,50 die Rede. 10 Zur Frage, wie das literarische Zurücktreten des Prophetismus zu bewerten ist, vgl. SOMMERS, Prophecy; LEVINSON, Spirit; LANGE, Decline of Prophecy, 181–184. 11 Nach Jos Ap 2,164f.; vgl. Ant 11,111, war das Judentum in frühjüdischer Zeit eine Theokratie im Sinne einer Hierokratie.

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

In hellenistischer Zeit war das hohepriesterliche Amt12 und damit überhaupt das jüdische Priestertum zunächst vom politischen Gestaltungswillen der wechselnden Hegemonialmächte der Ptolemäer und Seleukiden abhängig. Nach dem Sieg der Seleukiden über die Ptolemäer in der Schlacht von Paneas (198 v.Chr.) räumte Antiochus III. der Jerusalemer Oberschicht und damit der zadokidischen Hohepriesterfamilie der Oniaden und den politisch einflussreichen Tobiaden13 weitgehende Privilegien ein. Beide standen sich jedoch im immer mehr eskalierenden Kulturkonflikt als Kontrahenten gegenüber, denn die Oniaden hatten wohl seit der spätpersischen Epoche (350/320 v.Chr.) die hohepriesterliche Erbfolge inne.14 In jener Zeit entwickelte sich Jerusalem zu einem Tempel- und Aristokratenstaat unter der Führung des oniadischen Hohepriesters und der Gerusia, deren historische Ursprünge leider im Dunkeln liegen.15 Zur Krise kam es, als die einflussreichen Kreise der Jerusalemer Aristokratie sich einer offenen Hellenisierungspolitik verschrieben. Der damit provozierte, zunächst rein innerjüdische Religions- und Kulturkonflikt eskalierte, als die hellenistisch orientierten und von wirtschaftlichen Interessen geleiteten Tobiaden um den Hohenpriester Jason im Machtkampf mit den dem jüdischen Kultus verpflichteten Oniaden ein Bündnis mit der seleukidischen Hegemonialmacht unter der Herrschaft des Seleukiden Antiochus IV. Epiphanes eingingen (175–163 v.Chr.).16 Bei diesem Schritt handelte es sich um nicht weniger als „um einen einschneidenden Kurswechsel in der Entwicklung des jüdischen Tempelstaates, um den Versuch, 12

Vgl. hierzu VANDERKAM, Joshua, 112–393. Auch für jene Epoche bleibt Josephus die Hauptquelle, vgl. Ant 12,1–237; zeitweise ist der Historiker sogar allein auf ihn angewiesen. Josephus seinerseits scheint v.a. auf den Aristeasbrief und den Tobiadenroman zurückgegriffen zu haben. 13 Der Ahnherr der Tobiaden Tobias soll nach Jos Ant 12,160 mit einer Schwester von Onias II. verheiratet gewesen sein. Die Tobiaden waren aber kein Priestergeschlecht. Ihr Ansehen und Einfluss verdankt sich vielmehr ihrer wirtschaftlichen Macht, die auf einem großen Grundbesitz und der Kontrolle der Steuerpachten in Syrien und Phönizien beruhte, vgl. Jos Ant 12,157–222.224.228–236, sowie HENGEL, Judentum, 486–503; STERN, Aspects, 561ff. 14 Onias I., Sohn von Jaddua/Jadus und Vater von Simon I., Hohepriester um 300 v.Chr., hatte ca. um 335–320 v.Chr. das Hohepriesteramt inne, vgl. Jos Ant 11,347; 12,43, sowie VANDERKAM, Joshua, 124–137 (zu Onias I.), und 137–157 (zu Simon I.). Nach VANDERKAM, ebd., 157, war auch Simon I. sowohl ziviler wie religiöser Führer in Personalunion. 15 Die Gerusia ist erstmals in einem Erlass von Antiochus III. belegt, vgl. 1Makk 12,6; 2Makk 1,10; 4,44; 11,27; Jos Ant 13,166, sowie HENGEL, Judentum, 48–51.105. Es war ein aristokratischer Rat aus Priestern, Priesteradel, Großgrundbesitzern und einflussreichen Sippenhäuptern. Unter Herodes dem Großen wurde das Gremium dann als Synhedrium bezeichnet. 16 Vgl. 1Makk 1,11–15; 2Makk 4,7–17, sowie VANDERKAM, Joshua, 192ff.; STEGEMANN, Essener, 200–204; WARDLE , Jerusalem Temple, 38–40.

1 Geschichte und Kritik in der Epoche des zweiten Tempels

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das Ergebnis von 500 Jahren israelitisch-jüdischer Geschichte aufzuheben“.17 Der Konfliktverlauf ist bekannt, weshalb an dieser Stelle eine knappe Skizze genügt: Nach der Absetzung (175 v.Chr.) und späteren Ermordung (171/170 v.Chr., vgl. 2Makk 4,34f.) von Onias III. (192–174/3 v.Chr.)18 und dem Interregnum seines hellenistisch gesinnten Bruders Jason (175/174 v.Chr.)19 „verkaufte“ Antiochus das hohepriesterliche Amt 173 v.Chr. an den Nicht-Zadokiden Menelaos (173–163/162 v.Chr.). Dieser war damit der erste Hohepriester der nachexilischen Geschichte des Judentums, der nicht der zadokidischen Abstammungslinie des Josua angehörte.20 Das Amt selbst war zu einer käuflichen Ware und zum Spielball politischer Interessen geworden, was sich bis zum Ende des zweiten Tempels im Jahre 70 n.Chr. auch nicht mehr grundlegend ändern sollte.21 Diese Beschädigung des Amtes mit allen kultischen Implikationen war ein wesentlicher Auslöser für die zunehmend kritische Bewertung des Amtes und der Institution des Priestertums insgesamt. Doch trotz dieser umfassenden Korrumpierung des Amtes scheint der jeweilige Hohepriester bis zum Jüdischen Krieg die mit Abstand bedeutendste Rolle des Judentums jener Zeit inne gehabt zu haben.

17

HENGEL, Judentum, 135; vgl. auch a.a.O., 143: „Denn aufs Ganze gesehen bedeuteten die Ereignisse zwischen 175 und 167 v.Chr., die mit der Einführung der gymnasialen Bildung begannen und mit dem ‚Greuel der Verwüstung‘ endeten, doch einen einmaligen, tiefen Einschnitt in der Geschichte des palästinischen Judentums der griechischrömischen Zeit. Nur in jenem kurzen Zeitraum von etwa elf Jahren der Herrschaftszeit des Antiochus IV. war das Judentum in der akuten Gefahr, durch die von einer mächtigen aristokratischen Minorität geförderte Assimilation an die hellenistische Kultur unterzugehen.“ 18 Zu Onias III. vgl. VANDERKAM, Joshua, 188–197.204–206. 19 Vgl. VANDERKAM, Joshua, 197–203. HENGEL, Judentum, 135.138, weist darauf hin, dass Jason eine Reihe begeisterter Anhänger gefunden haben muss, denn er trifft zunächst in Jerusalem auf keinen nennenswerten Widerstand. Vielmehr scheint er die avantgardistisch orientierte Jerusalemer Aristokratie auf seiner Seite gehabt zu haben, was auf eine schleichende Hellenisierung über einen längeren Zeitraum hindeutet. 20 Vgl. VANDERKAM, Joshua, 203. In der Forschung wurde immer wieder diskutiert, wie es möglich war, dass Antiochus IV. Epiphanes einfach einen Kandidaten nichtpriesterlicher Abstammung in dieses Amt brachte. Verschiedentlich wurde in der älteren Forschung die Vermutung geäußert, Menelaos wäre ein Mitglied der einflussreichen Tobiaden gewesen, vgl. MEYER, Ursprung, 133; SCHLATTER, Geschichte Israels, 103; B ÜCHLER, Tobiaden, 88–90. STERN, Aspects, 592–594, vertritt dagegen die These, dass Menelaos Mitglied des priesterlichen Stammes Bilgah, vgl. 1Chr 24,14, und nicht des Stammes Benjamin war und damit durchaus priesterlicher – wenn auch nicht zadokidischer – Abstammung gewesen sei, vgl. auch VANDERKAM, Joshua, 203. 21 STERN, Aspects, 565, zieht das treffende Fazit: „The high priest who had once spoken for the Jewish people to the king, now became the spokesman of the king to the people.“

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

Menelaos leitete eine aggressive hellenisierende Religionspolitik ein mit dem Ziel der Umgestaltung Jerusalems in eine griechische Polis. Zu diesem Zweck stellte er den toragemäßen Opferkult, den Besitz von ToraRollen, die Beschneidung der Knaben und die Einhaltung des Sabbats unter Todesstrafe (1Makk 1,41–53; 2Makk 6,1.5f.). Der unrühmliche Höhepunkt des primär von jüdischen Kräften selbst forcierten Kulturkrieges war zweifellos die Entweihung des Tempels durch die Opferung von Schweinen und das Verbrennen einer Torarolle auf dem Altar vor dem Tempel (vgl. 1Makk 1,46–62). Die Vorgänge führten schließlich zum Makkabäeraufstand, der signifikanterweise wiederum von einem Priester namens Mattathias und dessen fünf Söhnen ausging. In ihrem „eifernden“ Handeln beriefen sich die rebellierenden Makkabäer bzw. Hasmonäer auf die atl. Gestalt des Pinhas als ihrem Urahn (1Makk 2,54; vgl. Num 25,6–15) und stellten sich damit bewusst in die Abstammungslinie Aaron-EleasarPinhas. Es erscheint auf den ersten Blick als ein merkwürdiger Umstand der jüdischen Geschichte, dass der makkabäische Aufstand nicht zu einer Wiederherstellung der alten Verhältnisse unter Onias III. führte. So radikal antihellenistisch und restaurativ der Impetus der Makkabäer um Judas und seine Brüder auch war, so dürftig waren die faktischen Folgen. Dies spricht dafür, dass die jüdische Gesellschaft jener Tage schon sehr viel mehr von hellenistischen Einflüssen durchdrungen war, als es der Makkabäeraufstand suggeriert. Denn schon sehr bald nach dem makkabäischen Sieg gewannen wieder moderat hellenistische Kräfte Einfluss auf den Tempel und Rückhalt in der Bevölkerung.22 Die hohepriesterliche Sukzession der zadokidischen Nachfahren des Josua verschwand unwiderruflich von der Bildfläche, die Oniaden spielten außer im ptolemäischen Ägypten keine erkennbare Rolle mehr und auch die hasmonäischen Nachfolger agierten in den folgenden Jahrzehnten alles andere als restaurativ. Die einzige Erklärung für dieses Phänomen ist, dass der hasmonäische Aufstand eine tiefgreifende Umwälzung der gesellschaftlichen Eliten zur Folge hatte.23 Die alte Priesteraristokratie hatte sich selbst zerfleischt. Dieser selbst22

ALBERTZ, Religionsgeschichte II, 603, macht dafür die ausgeweiteten und überzogenen Kriegsziele der Makkabäer verantwortlich, die zu einem Zerfall der Koalition der Aufständischen und zu einem Verlust des Rückhalts in der Bevölkerung führte. Die Wiedereinführung der jüdischen Opfer- und Tempelrituale und die Aufhebung der PolisOrdnung, 2Makk 11,22–26, genügten offensichtlich, um den seleukidischen, gemäßigt hellenistischen Kompromisskandidaten Alkimos als Hohepriester zu akzeptieren; vgl. zum Problem auch HENGEL, Judentum und Hellenismus, 141. 23 HENGEL/DEINES, Common Judaism, 463, Anm. 195, sehen in der neuen Führungsschicht weniger die Nachkommen um die Hellenisten Jason und Menelaos als vielmehr die Gefolgschaft der Hasmonäer. Im Zuge der erfolgreichen Eroberungskriege der Folgezeit entstand ein Militär- und Feudaladel, der sich u.a. auch aus Priestern rekrutierte.

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zerstörerische Prozess „spülte“ am Ende (Priester)Familien in einflussreiche Positionen, die zuvor nirgendwo eine erkennbare Rolle im öffentlichen Leben Jerusalems spielten. Dies gilt vor allem für die Hasmonäer.24 Die Nachfolge des Nicht-Zadokiden Menealos trat 163 v.Chr. der ebenfalls hellenistisch gesonnene Aaronide und Nicht-Zadokide Alkimos (163/ 162–160/159 v.Chr.) an.25 Als Reaktion auf diesen anti-zadokidischen Affront flohen die zadokidisch-oniadischen Priester mit Onias IV. nach Leontopolis und gründeten dort ca. 163 v.Chr. ein zadokidisches Alternativheiligtum (→III.2.2.2).26 Nach einer rätselhaften Lücke in den Quellen über das Hohepriesteramt in den Jahren 159–152 v.Chr27 beanspruchte der zweite Makkabäerkönig Jonathan28 bei seinem Amtsantritt im Jahr 152 v.Chr. auch die hohepriesterliche Würde und etablierte damit die Ämterhäufung der Hasmonäer.29 Das zadokidische Hohepriestertum verlor durch die hasmonäische Okkupation des Amtes endgültig seine Vorrangstellung in Jerusalem. Für knapp ein Jahrhundert sollten die hasmonäischen Herrscher die Ämter des Königs und Hohepriesters in Personalunion führen, bis die Römer in Person des Pompeius der jüdischen Unabhängigkeit im Jahre 63 n.Chr. ein Ende bereiteten. Gut zwei weitere Jahrzehnte später wurde schließlich auch der

24

STERN, Aspects, 567; HENGEL/DEINES, Common Judaism, 462. Die Hintergründe der hasmonäischen Dynastie sind unklar. STERN, Aspects, 589f., zieht in Erwägung, dass die Hasmonäer als Mitglieder der einflussreichen Priesterfamilie Jojarib, die in 1Chr 24,7 an der Spitze der 24 Abteilungen genannt wird – noch vor der hohepriesterlichen Sippe Jedaja –, alles andere als homines novi gewesen seien. Möglicherweise, dies bleibt freilich spekulativ, kam in der Okkupation des hohepriesterlichen Amtes durch die Hasmonäer eine alte Familien- bzw. Sippenrivalität zum Ausdruck, die das hohepriesterliche Amt für die in 1Chr 24 erstgenannte Abteilung beanspruchte. 25 Vgl. VANDERKAM, Joshua, 226–239. 26 Jos Ant 12,387f.; 13,62–73.383–387; 20,235–237; Bell 1,31–33; 7,420–432; vgl. HAYWARD, Leontopolis, 429–443; FREY, Rival Temple, 186–194. 27 Zur Problematik des Intersacerdotiums vgl. VANDERKAM, Joshua, 244–250; STEGEMANN, Essener, 205f., und →IV.2. 28 Vgl. VANDERKAM, Joshua, 251–270. 29 Vgl. 1Makk 10,20; Jos Ant 13,45. Bemerkenswert ist das Urteil von STERN, Aspects, 581: „Moreover, for the first time in Jewish history, royal authority passed into the hands of the priesthood. […] This involved, however, to a large extent the displacement of the messianic hopes connected with the house of David. The assumption of royal authority by the Hasmoneans enhanced the status of the tribe of Levi as contrasted with the tribe of Judah“; vgl. →IV.3. T H. POLA, Priestertum, 280f., hat gezeigt, dass sich die hasmonäische Ämterhäufung nicht auf die Herrschaftskonzeption von Sach 3 berufen kann, da dort lediglich von einer provisorischen und beschränkten Übernahme königlicher Rechte und Pflichten durch den Hohepriester die Rede ist, die mit dem Kommen des davidisch-königlichen Nachkommens enden würde.

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

hasmonäischen Dynastie selbst von Herodes dem Großen (37–4 v.Chr.) ein Ende gesetzt.30 Die seit der Absetzung Onias’ III. (175 v.Chr.) andauernden Querelen um das hohepriesterliche Amt setzten sich jedoch auch während der Hasmonäerherrschaft fort. Die Konfliktthemen reichten von kultischen und ethischen Heiligkeits- und Reinheitsfragen über Kalenderdiskussionen bis hin zur Infragestellung der grundsätzlichen Legitimität des Tempels und der in ihm amtierenden Priesterschaft. Sie stellen den Hintergrund der im nächsten Abschnitt behandelten Texte dar. Aus den religionspolitischen Verwerfungen des 2. Jh. v.Chr. erwuchs als eine weitere Hypothek für die Zukunft die Diversifizierung des Judentums an sich. Im Kampf um die Kontrolle über den Tempel und die rechte Form des Kultvollzugs zersplitterte die jüdische Kultgemeinschaft in verschiedene Religionsparteien, die den Priestern mit ihrer je eigenen Schriftauslegung einen wesentlichen Kompetenzbereich streitig machten. Vor allem der Pharisäismus mit seinem volkspädagogischen Impetus akzeptierte zwar das priesterliche Monopol des kultischen Dienstes, jedoch nicht mehr das priesterliche Auslegungsmonopol für die Tora, und lief durch seine Schriftgelehrsamkeit und hermeneutische Deutungskompetenz dem stark auf kultische Fragen fokussierten Priestertum im Blick auf öffentlichen Einfluss den Rang ab.31 So entwickelte sich eine Mehrzahl theologischer Schulen und hermeneutischer Konzepte, die eine theologische und damit in Folge auch innenpolitische Verständigung erschwerten. Die dynastische Zäsur, die mit dem Amtsantritt Herodes des Großen markiert ist,32 stellte auch eine Zäsur für das hohepriesterliche Amt dar. Während Goodblatt für die vorherodianische Epoche den Begriff einer

30

VANDERKAM, Joshua, 251–393. Josephus, Ant 14,41, berichtet von einer interessanten Episode, die sich während des Bürgerkrieges zwischen den Rivalen um die königliche bzw. hohepriesterliche Würde Aristobul und Hyrkan abgespielt haben soll. Nachdem beide Parteien Emissäre zu Pompeius geschickt hatten, sei auch noch eine dritte Delegation „von der Nation“ gesandt worden, die Pompeius darum bat, künftig nicht von einem König regiert zu werden, weil es in diesem Land Brauch sei, den Priestern Gottes zu gehorchen. 31 Zum Phärisäismus vgl. DEINES, Art. Pharisäer (TBLNT²); DERS., Art. Pharisees (EDEJ); DERS., Pharisäer; DERS., Pharisees, 443–504; NEUSNER, Rabbinic Traditions; DERS., Verwendung; SCHÄFER , Pharisäimus. 32 „Zäsur“ ist an dieser Stelle freilich ein mehrdeutiger Ausdruck für die brutale Ausrottung der männlichen Nachkommen des hasmonäischen Hauses durch Herodes, vgl. Jos Bell 1,437; Ant 15,51–56. Den letzten Hohepriester der hasmonäischen Linie Jonathan Aristobul III. ließ Herodes 34 v.Chr. ertränken. Die weiblichen Nachkommen der Hasmonäer wurden weitgehend mit der Herodesfamilie verheiratet – angefangen bei Mariamne I., die eine Enkelin Hyrkanos II., Hohepriester von 63–40 v.Chr., – und damit domestiziert.

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„priestly monarchy“33 prägte, bedeutete der Herrschaftsantritt des Idumäers die Restitution der klassischen Monarchie. Herodes konnte wegen seiner idumäischen Abstammung anders als seine hasmonäischen Vorgänger nicht selbst Hohepriester werden. Zur Sicherung seiner Macht beschränkte Herodes das Amt deshalb wieder auf seine kultische Bedeutung und schwächte es zusätzlich durch die Abschaffung sowohl der Erbfolge als auch der Amtsdauer auf Lebenszeit. Die hohepriesterlichen Amtsträger wurden fortan von Herodes nach Belieben ein- und abgesetzt und auf diese Weise zu bloßen „Kultusfunktionären“ degradiert.34 Das bescherte auch dem einfachen Priesteramt einen weiteren Prestige- und Bedeutungsverlust. Herodes bevorzugte bei seiner Personalpolitik Kandidaten aus der alexandrinischen und babylonischen Diaspora, die möglicherweise sogar eine zadokidische Abstammung vorweisen konnten, um damit ein Gegengewicht zur hasmonäischen Dynastie zu setzen. Freilich sorgte er durch seine willkürliche Ein- und Absetzungspolitik dafür, dass der Einfluss des jeweiligen Amtsinhabers nicht zu groß werden konnte. Es entwickelte sich eine hohepriesterliche Aristokratie aus einflussreichen Priesterfamilien, aus denen Herodes und seine politischen Erben einschließlich der römischen Präfekten und Prokuratoren die Amtsinhaber rekrutierten. In den 108 Jahren zwischen dem Herrschaftsantritt des Herodes und dem Ende des jüdischen Tempels wechselten nicht weniger als 28 Hohepriester im Amt, von denen jedoch mindestens 22 aus nur vier priesterlichen Familien stammten.35 In der Regel wechselte das Amt unter Brüdern, während das Familienhaupt als „graue Eminenz“ einflussreich im Hintergrund blieb.36 Diese Priesterfamilien entwickelten die zunehmende Tendenz, sich im Sinne eines „Priesteradels“37 durch Privilegien und Ämterschacher von den einfachen Priestern abzugrenzen.38 33

GOODBLATT, Monarchic Principle, 6–56. So HOPPE, Religionsparteien, 63. Vgl. dazu wiederum VANDERKAM, Joshua, 394– 490; sowie STERN, Aspects, 600–612, und HIMMELFARB, Kingdom, 161. In seiner 33jährigen Amtszeit installierte Herodes nicht weniger als sieben Hohepriester. 35 Unter Herodes war es zunächst die aus Alexandrien stammende Familie des Boethos, die seit 24/22 v.Chr. den Hohepriester stellte und insgesamt acht Vertreter ins Amt brachte. Später war es die Dynastie des Hannas, Hohepriester von 6–15 n.Chr., die ebenfalls acht Vertreter lancieren konnte, darunter den Hannas-Schwiegersohn Kaiphas, der von 18–37 n.Chr. amtierte. Die Familien Phiabi und Kamith stellten je drei Vertreter. Sechs Hohepriester lassen sich nicht sicher zuordnen. Zu den hohepriesterlichen Familien vgl. auch STERN, Aspects, 604–609. 36 Beispielhaft für diese oligarchischen Machtstrukturen ist der Prozess Jesu, wie er von Johannes erzählt wird. Dass sich Hannas als der Schwiegervater des amtierenden Hohepriesters Kaiphas nach Joh 18,13 das Recht auf ein privates Vorverhör Jesu herausnehmen konnte, passt durchaus in das machtpolitische Bild jener Zeit. 37 Ein Ausdruck dieser Verflechtungen ist der Plural des Begriffes „Hohepriester“ z.B. in Mt 2,4; 16,21; 26,14; 27,62; Mk 8,31; 14,53; 15,11; Lk 20,19; 23,10; Joh 7,32; 34

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Auch die römische Besatzungsmacht in Gestalt der diversen Präfekten und Prokuratoren prolongierte die herodianische Politik bis zum Regierungsantritt von Agrippa I. (41 n.Chr.). Erst dann wurde dem jüdischen Herrscher wieder das Recht zur Ernennung des Hohepriesters übertragen. Diese Politik der „kurzen Leine“ gegenüber der politischen und religiösen Führung einer Provinz war ein Ausdruck der römischen Religionspolitik in den Provinzen.39 Die Römer sahen in aller Regel in der lokalen Aristokratie die loyalsten Partner in einer Provinz. Entsprechend setzten die Prokuratoren in der Regel die Hohepriester auch nicht selbst ein bzw. ab, sondern überließen dies den jeweiligen Klientelkönigen.40 Nach der letzten längeren hohepriesterlichen Amtszeit des Ananias ben Nebedaios (47–59 n.Chr.) wechselte das Amt in immer kürzeren Frequenzen. Möglicherweise kann dies als ein Zeichen für zunehmende Spannungen unter den aristokratischen Priesterfamilien gewertet werden, vielleicht aber auch als ein Ausdruck des zerrütteten Verhältnisses zwischen diesen Familien und Agrippa II. Denn eine Delegation, die unter Ismael ben Phiabi in Rom bei Nero vorsprach, hatte Agrippa II. eine diplomatische Niederlage eingebracht (Jos Ant 20,189–196). Durch die Ermordung des Hohepriesters Ananias und seines Bruders Hiskia (Jos Bell 2,441) und die zunehmenden Wirren des eskalierenden Aufstandes wurde auch das Amt mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen. So nahmen die Zeloten nach ihrer Machtergreifung eine Neuordnung des hohepriesterlichen Amtes vor, indem sie einen gewissen Phanni, der aus dem hohepriesterlichen Geschlecht Eniachin stammte, per Losentscheid zum Hohepriester wählten (Bell 4,153–157). Auch wenn Josephus dieses Verfahren und den Gewählten bzw. Gelosten mit Polemik überschüttet, muss die dahinterliegende zelotische Absicht wahrgenommen werden: Nach einer langen Epoche illegitimer, weil nicht-zadokidischer Amtsträger, sollte mit dem Losentscheid ein Gottesurteil herbeigeführt werden (vgl. 1Chr 24,5ff.), um die abgebrochene zadokidische Dynastie 12,10; 19,6; Act 4,6 (ge,noj avrcieratiko,n); 9,21; 19,14. Dieser Plural ist entweder so zu verstehen, dass auch die früheren Amtsinhaber nach ihrer Demission den Titel behielten, oder – was wahrscheinlicher ist – dass der Titel sich im generischen Sinn auf die gesamte Familie des amtierenden Hohepriesters erstreckte, vgl. STERN, Aspects, 602f.; W ARDLE, Jerusalem Temple, 41f. Die Familienmitglieder besetzten dann die wichtigsten Ämter und Funktionen im Tempelbetrieb, der mit Abstand die bedeutendste Wirtschaftsinstitution im damaligen Israel war, vgl. tMen 13,21; bPes 57a. 38 HENGEL/DEINES, Common Judaism, 468.470, vermuten, dass diese elitäre Abgrenzungspolitik eine Hinwendung der Priesterschaft zu den Pharisäern forcierte. 39 Ein Ausdruck der „kurzen Leine“ war seit Herodes auch der Umstand, dass der hohepriesterliche Ornat vom jeweiligen Klientelfürsten oder Prokurator verwahrt wurde und nur zu den großen Festen dem jeweiligen Hohepriester ausgehändigt wurde. Zur politischen Bedeutung des Ornats siehe GUSSMANN, Priesterverständnis, 395–408. 40 GUSSMANN, Priesterverständnis, 64f.

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wiederherzustellen.41 Bemerkenswert bleibt die Tatsache, dass die Aufständischen für die Verteidigung gegen die römischen Truppen alle strategischen Führungspositionen mit Priestern besetzten. Das bedeutet, dass für nationale Führungsaufgaben in jenen bewegten Tagen nach wie vor die Priester die ersten Ansprechpartner waren.42 Es ist in der Forschung eine vieldiskutierte Frage, ob und in welchem Maße das hohepriesterliche Amt in den Jahrzehnten vor dem Jüdischen Krieg an Einfluss und Stabilität verlor. Nach E.P. Sanders Sicht der Dinge verloren die Hohenpriester zwar an Reputation und Ansehen, aber nicht an Einfluss. Vielmehr seien sie bis zum Beginn des jüdischen Aufstandes der maßgebende politische Faktor geblieben.43 Generell wirbt Sanders für ein positiveres, weniger korruptes und depraviertes Hohepriester- und Sadduzäerbild in den Jahrzehnten vor dem Jüdischen Krieg.44 Die Korruptheit, Inkompetenz und moralische Fragwürdigkeit einiger Priester hätte das hohe Prestige des Priestertums nicht als Ganzes in Frage stellen können. Vielmehr zeige der Umstand, dass die Römer höchsten Wert auf die Verwahrung und Kontrolle der hohepriesterlichen Gewänder legten, in denen der Hohepriester als Stimme Gottes fungierte, wie sehr sie nach wie vor seinen Einfluss auf das Volk fürchteten.45 Sanders’ Darstellung ist jedoch vom durchgängigen Anliegen geprägt, das Hohepriestertum als zentrale und stabile Instanz seines common Judaism zu präsentieren. Eine Verfallstheorie vertritt demgegenüber D. Mendels.46 Er verweist auf den politischen Machtverlust des hohepriesterlichen Amtes, der ein Spiegelbild der durch vielfachen Amtsmissbrauch verlorenen geistlich-religiösen und gesellschaftlichen Bedeutung des Tempels und Priestertums sei: „For many Jews, the Temple was in effect destroyed long before its physical destruction in 70 C.E.“47 Eine Mittelposition vertritt M. Goodman,48 der auf die römische Praxis verweist, eine existierende politische Führung in den Provinzen zu erhalten und innenpolitisch zu stabilisieren, um einen Ansprechpartner zu haben. Allerdings sei dies in Judäa aufgrund der Schwächung des Amtes durch Herodes I. ein schwieriges Unterfangen gewesen. Hinzu kam, dass die Römer selbst dem Amtsinhaber das Recht vorenthielten, Volksversammlungen einzuberufen. Diese Ambivalenz römischer Religionspolitik in Judäa habe sich auch auf das öffentliche Ansehen des hohepriesterlichen Amtes niedergeschlagen. Der Diskussion liegen in der Tat zwei irritierende Fakten zugrunde. Auf der einen Seite ist es kaum vorstellbar, dass die innen- und religionspolitischen Wirren seit Hero41

EGO, Art. Priester, 394. GUSSMANN, Priesterverständnis, 238. 43 SANDERS, Judaism, 321.327. Seines Erachtens bleibt die zeitgenössische Kritik am Priestertum, vgl. z.B. PsSal 8; 1QpHab 12,8; CD 4,17–5,11; 6,15f.; AssMos 6,1, und Mk 11,17, ganz in den Bahnen innerjüdischer Polemik gegenüber religiösen Gegnern, die zwar in halachischen Fragen andere Auffassungen vertraten, aber keineswegs theologisch heterodox oder ethisch-moralisch depraviert waren. Insgesamt sei das Priestertum in den Tagen des Josephus kultischen und moralischen Amtsverpflichtungen korrekt nachgekommen, so SANDERS, Judaism, 91f.182–189. 44 SANDERS, Judaism, 338f. 45 SANDERS, Judaism, 326f. 46 MENDELS, Rise and Fall, 277–320. 47 MENDELS, Rise and Fall, 301.304. 48 GOODMAN, Ruling Class of Judaea, 29–50. 42

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des dem Großen und die Schwächung des Amtes durch die jeweiligen politischen Machthaber die Würde des Amtes und der Priesterschaft insgesamt nicht tangiert hätten. Auf der anderen Seite steht jedoch das verblüffende Phänomen, dass sich der jüdische Nationalismus in den Jahren vor dem Jüdischen Krieg exakt auf diese Institutionen fokussierte. Die römische Vorsicht im Umgang mit dem hohepriesterlichen Ornat, die gewaltig anschwellenden Pilgermassen in den Jahren vor dem Krieg und die Tatsache, dass sich die Zeloten nach ihrer Machtübernahme in Jerusalem um eine Restitution der zadokidischen Dynastie bemühten, zeigen, wie hoch das Prestige dieser jüdischen Institutionen ungeachtet der jeweils handelnden Personen nach wie vor war.

Das Ende des Jüdischen Krieges bedeutete auch das Ende der Jerusalemer Priesterschaft. Die Mehrzahl der Priester fand in den Wirren des Endkampfes um den Tempel den Tod, nicht wenige im Bemühen, selbst in aussichtsloser Lage noch den Opferkult aufrecht zu erhalten. Die überlebenden Priester mussten sich nach 70 n.Chr. der Herausforderung stellen, dem Judentum in tempelloser Zeit eine neue Identität zu geben. Während einige sich zu eigenständigen Gruppen zusammenfanden und eine zur rabbinischen Bewegung alternative Halacha vertraten, ließen sich andere in eben diese Bewegung integrieren und halfen auf diesem Weg mit, die Identität des Judentums unter veränderten Bedingungen weiter zu entwickeln.49 1.2 Die Kritik am Jerusalemer Priestertum in frühjüdischen Schriften Der historische Rückblick erklärt, warum es in jener Epoche schon früh und in verstärktem Maße ab dem 2. Jh. v.Chr. zu einer teils massiven Kritik an der Institution des Priestertums und dem Hohepriester als ihrem führenden Repräsentanten kam. Wie bereits im letzten Kapitel deutlich wurde, reichen die Anfänge der Kritik in die vorexilische Zeit bis zu den klassischen Propheten sowohl des Nord- als auch des Südreichs zurück (→II.3.1) und setzen sich mit der Wiedererrichtung des Tempels nach dem Exil fort. Standen in vorexilischer Zeit die Themen des Götzendienstes, der Gerechtigkeit und des veräußerlichten Kultes im Mittelpunkt der Kritik, so treten in nachexilischer Zeit bei Esra, Nehemia und Maleachi Fragen illegitimer Eheverhältnisse von Priestern in den Mittelpunkt, die sich durch die gesamte frühjüdische Literatur ziehen und zu einem Stereotyp antipriesterlicher Polemik werden.50 Hinter dieser auf den ersten Blick und aus moderner Perspektive nebensächlich anmutenden Problematik verbergen sich jedoch letztlich nicht nur Fragen nach der korrekten Kultpraxis, sondern v.a. nach der der kultischen Heiligkeit und Reinheit und damit nach der priesterlichen Integrität. Diese war wiederum essentiell für die Gültigkeit der sühnenden Opfer und der damit verbundenen heilvollen Gegen49 50

Vgl. zum Priestertum nach 70 n.Chr. EGO, Art. Priester, 394–396. Vgl. Esr 9–10; Neh 13,25–30; Jub 30,13–16; AssMos 5,3; TestLev 9,9f.

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wart Gottes. Eine deutliche Verschärfung erfährt die Kritik in den Qumranschriften, den Testamenten Levis und Moses, sowie in den Psalmen Salomos. Der historische Hintergrund ist jeweils der wachsende Konflikt der jüdischen Religionsparteien um Tempel, Priestertum und Kultus in der hasmonäischen Periode. Ein großes Problem für die Einordnung dieser Kritik stellt unser begrenztes Hintergrundwissen über viele frühjüdische Schriften dar. Ein beträchtlicher Teil der Literatur aus der Zeit des zweiten Tempels lässt sich in der Regel nicht eindeutig einer der bekannten Religionsparteien zuordnen. Die Vermutungen der aktuellen Forschung sind nach wie vor mit großen Unsicherheiten belastet. Dennoch geben diese Texte Auskunft über die Inhalte und Gründe der Kritik, die etwa ab dem 2. Jh. v.Chr. zur Suche nach alternativen, von der priesterlichen Integrität und Kultpraxis unabhängigen Formen des „Seins vor Gott“ führte, die im nächsten Kapitel Gegenstand der Untersuchung sein werden. 1.2.1 Das Testament Levis Das Testament Levis ist ein Teil der ursprünglich wohl in Griechisch abgefassten51 Testamente der zwölf Patriarchen,52 die als Abschiedsreden 51

Vgl. dazu B ECKER, Testamente, 25; HOLLANDER/DE J ONGE, Testaments, 27–29. Eine Datierung dieser Schrift ist extrem problematisch, zumal die späteste Bearbeitung dieser Texte eindeutig christlich ist, vgl. z.B. TestSim 6,6f.; TestLev 2,11; 4,4; 9,3; 10; 14,2; 16; TestBen 9,2c-5, sowie SCHÜRER/VERMES, History III/2, 771, Anm. 16. Generell dominiert in der Forschung seit F. SCHNAPP, Die Testamente der zwölf Patriarchen, 1884, die Annahme einer ursprünglich genuin jüdischen Grundschrift, die jedoch außerhalb Israels in hellenistisch-griechischer Sprache verfasst wurde und in die später christliche Interpolationen eingetragen wurden; vgl. BECKER, Testamente, 17.23. Die jüdische Grundschrift wird von SCHÜRER/VERMES, History III/2, 774, zwischen 100 und 63 v.Chr. datiert, von ULRICHSEN, Grundschrift, 337–339, dagegen bereits um 200 v.Chr. B ECKER, ebd., 17.24, vermutet den „Grundstock“ der Test XII in den ersten Jahrzehnten des 2. Jh. v.Chr. (Entwicklungsstufe I), während sich die weitere Entstehung (Stufe II) abgesehen von der christlichen Überarbeitung, die frühestens im 2. Jh. n.Chr. erfolgte (Stufe III), über die gesamten beiden letzten vorchristlichen Jahrhunderte erstreckte. Angesichts der Disparatheit der Datierungsvorschläge kommt U LRICHSEN, Grundschrift, 337, zu dem Fazit: „Über das Alter der T(estamente der zwölf) P(atriarchen) herrscht keine Einigkeit, denn beinahe jeder Forscher, der mit diesem Problem selbständig gearbeitet hat, bestimmt es verschieden.“ Die Existenz einer vorchristlichen jüdischen Grundschrift bestreitet dagegen DE J ONGE, Testaments, der zwar von der Verarbeitung verschiedener jüdischer Quellen in der Schrift ausgeht, die Gesamtkomposition dagegen als grundlegend christlich betrachtet und eine Entstehung zwischen 190 und 225 n.Chr. annimmt; vgl. auch seine ernüchterndere Bilanz in HOLLANDER/DE J ONGE, Testaments, 83: „… the study of the most important related Hebrew and Aramaic material led to the conclusion that much will remain unknown about the ways along which material reached the author of the Testaments, and in what form it was at his disposal.“ Schließlich kommen die Autoren, a.a.O., 85, zu dem radikalen Schluss: „A fortiori, it is practically 52

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(farewell discourses) der Jakob-Söhne konzipiert sind.53 Die Patriarchen ermahnen ihre Söhne darin zur Gottesfurcht und zur Liebe gegenüber ihren Nächsten. Zukunft gibt es nur unter der Bedingung des Gehorsams gegenüber den Geboten und – hier macht sich die christliche Bearbeitung bemerkbar – im Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes. Das Testament Levis unterscheidet sich in vielfältiger Hinsicht von den anderen Testamenten, da es intensiv das Verhalten und die Zukunft der Levi-Söhne und somit die Sünden und das Gericht über die jüdischen Priester thematisiert.54 Die Schrift ist durch eine streng priesterkritische Attitüde charakterisiert. In relativ allgemeiner Weise werden die Levi-Söhne, d.h. die Priester, in TestLev 9,9 zur Wachsamkeit vor dem „Geist der Unzucht“ ermahnt, der wirksam bleiben und durch „deine Nachkommen das Heiligtum beflecken wird“.55 Sehr viel konkreter wird dann in TestLev 14 die Korruptheit des Jerusalemer Priestertums gegeißelt, konkret die „Gottlosigkeit der Hohepriester“ (14,2), der Diebstahl der Ganzopfer und Gottesanteile am Opfer (14,5), Unzucht und Ehebruch (14,6) und ganz generell der Hochmut gegenüber den Geboten (14,7). Dieses unangemessene Verhalten führt in der Folge zur Verwüstung des Tempels und zur Zerstreuung Israels unter die Heiden (15,1). TestLev 16 erzählt sodann von der Schändung des Priestertums, bevor c. 17 von sieben Jahrwochen bzw. Jubiläen berichtet, in denen jeweils ein Priestertum sein wird, das aber mit jeder Jahrwoche zunehmend degeneriert, bis schließlich das Priestertum in der siebten Jahrwoche in einem Lasterkatalog neben Götzendienern, Streitsüchtigen, Habsüchtigen, Gottlosen, Knabenschändern etc. auftaucht (17,11). TestLev 18,1ff. berichtet, dass Gott das degenerierte Priestertum bestrafen und einen neuen Priester erwecken wird, der messianische Züge trägt.56

impossible to answer the question whether there ever existed Jewish Testaments in some form. If they existed, we shall never be able to reconstruct them with any degree of certainty.“ Zur Forschungsgeschichte vgl. KUGLER, Testaments, 31–38, der selbst Sympathie für DE J ONGES These äußert. Zu den Einleitungsfragen vgl. ferner KEE, Testament of the Twelve Patriarchs (OTP I), 775–780; HOLLANDER/DE J ONGE, Testaments, 1–85; SCHÜRER/VERMES, History III/2, 767–781; COLLINS, Art. Testaments of the Twelve Patriarchs (CRINT II/2), 331–344. Zur Gattung des Patriarchentestaments vgl. FREY, Origins of the Genre. 53 Zum Genre vgl. KUGLER, Testaments, 16. 54 Programmatisch lautet die Überschrift „Über das Priestertum und die Arroganz/den Übermut (i``erwsunh/j kai. u``perhfa,niaj)“, vgl. TestLev 17,11. 55 Vgl. ArLev 5,16; Jub 21,21–23. Das Testament Levi steht in einer Tradition, die das Exil als Strafe für die Sünde der Priester betrachtet, vgl. hierzu auch 2Chr 36,14; 1Esdr 1,47; Ez 22,26LXX; Zeph 3,4. 56 Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser priesterlichen Messianologie um eine christliche Bearbeitung.

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Hinsichtlich der Deutlichkeit und Schärfe der Kritik und der Präzision der Anklagen lässt die Schrift keine Wünsche offen. Die Priester werden als sexuell depravierte, rituell unreine, geldgierige, gesetzlose, stolze und arrogante Diebe dargestellt.57 In der Forschung wurde immer wieder auf die Nähe zur Kritik der Qumranschriften am Jerusalemer Priestertum hingewiesen,58 allerdings erscheint der Tempel im Testament Levi trotz der Korruptheit des Priestertums nirgendwo selbst als verunreinigt oder erneuerungsbedürftig.59 Man wird auch die stark priesterkritischen Töne von einer antipriesterlichen Haltung unterscheiden müssen.60 Die Institution eines Priestertums an sich findet in dieser Schrift nach wie vor eine hohe Wertschätzung.61 1.2.2 Die Qumranschriften Die Bedeutung der sich in den Qumranschriften ausdrückenden Gemeinschaft ist auch mehr als 60 Jahre nach der Entdeckung der Schriften umstritten. Während E.P. Sanders hinter den Schriften eine „tiny and fairly marginal sect“ sieht und ihnen in seiner Gesamtdarstellung des Judentums auch keinen allzu großen Raum einräumen möchte,62 wird die Bedeutung der Gemeinschaft von anderen Experten als weit größer eingeschätzt. Eine ausführlichere Diskussion des aktuellen Forschungsstandes erfolgt in →IV.2. Während diese Diskussion noch im vollen Gange ist, sind die Qumranschriften hier v.a. deshalb interessant, weil sie einen Blick auf eine extrem kritische Position gegenüber dem Jerusalemer Kult widerspiegeln und in 57

Möglicherweise hat diese Kritik ihren Ursprung in der Amtsführung des Königs und Hohepriesters Alexander Jannai, 103–76 v.Chr., von dem Josephus, Ant 13,380, berichtet, dass er zahlreiche Konkubinen unterhielt und mit ihnen u.a. auch die ihm als Hohepriester legitim zustehenden Erstlingsfrüchte teilte, vgl. SANDERS, Judaism, 183f.; W ARDLE, Jerusalem Temple, 83. Wenn diese Annahme zutrifft, dann wäre die an Alexander Jannai entzündete Kritik von den Verfassern pauschalisiert, auf die gesamte Priesterschaft übertragen und diese für die Sünden des Hohepriesters in „Sippenhaft“ genommen und verantwortlich gemacht worden. 58 Vgl. aber BECKER, Testamente, 26f., der auf die zahlreichen Unterschiede zu den Qumranschriften verweist und den gesamtisraelitischen Charakter der Schrift verweist, die sie kaum als essenisch erscheinen lässt. 59 Anders W ARDLE, Jerusalem Temple, 84, der in der Vision eines himmlischen Tempels in TestLev 3,4–10 und 5,1 einen Hinweis auf die Kontamination des irdischen Tempels sehen möchte. 60 Darauf hat jüngst v.a. KLAWANS, Purity, 131–134, hingewiesen. 61 Vgl. nur die Hinweise auf einen himmlischen Priesterdienst durch die Engel in TestLev 3,2–8; 8,1–19, und natürlich auch die Erwartung eines erneuerten Priestertums in 18,2–14, v.a. V. 9. 62 SANDERS, Judaism, 341. Seine beiden Kapitel zur Geschichte, Sozialgestalt und Theologie der Essener umfassen dann aber doch fast 40 Seiten, a.a.O., 341–379.

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der Konsequenz eine alternative und zeitgenössische Konzeption des jüdischen Priestertums in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende eröffnen. Die Qumranschriften sind für die Entwicklung des Priesterbegriffs von besonderer Bedeutung, weil in ihnen ein Schisma zwischen einer devianten Gruppe vom Jerusalemer Priestertum reflektiert wird.63 Darauf weisen die in einigen Handschriften bewahrten Priesterliturgien, Ritualbestimmungen, Heiligtumsentwürfe, Kalender- und Festtraditionen hin, die zum Teil auch im Jerusalemer Tempel beheimatet waren oder sogar von dort stammten.64 An dieser Stelle der Untersuchung muss jedoch ein Blick auf die teils massive Kritik am Jerusalemer Heiligtum und seiner Priesterschaft genügen. Wie die in den Schriften vom Toten Meer enthaltene Alternative dazu aussah, wird im nächsten Kapitel zu fragen sein. In der neueren Forschung hat sich der Konsens durchgesetzt, dass es wohl weniger der sog. „Frevelpriester“ war, hinter dem sich möglicherweise der ob seiner Ämterhäufung angeklagte Hasmonäer und Hohepriester Jonathan verbirgt,65 der zur Separation des yaḥad vom Jerusalemer Kult führte, sondern vielmehr der Dissens über kalendarische, kultische, ethische und halachische Fragen.66 Konfliktträchtig war v.a. die Einführung eines kombinierten lunarsolaren Kalenders für den Opferkult.67 Dieser Kalender gefährdete die Gültigkeit der Opfer, weil deren Rechtmäßigkeit und göttliche Akzeptanz von der termingerechten Darbringung abhängig war. Die korrekte Opferdarbringung wird in Lev 23 und Num 28f. geregelt, wobei in Lev 23,37f. auf die Unterscheidung zwischen den Opferriten an Sabbattagen und jenen an bestimmten Festtagen wert gelegt wird. Der yaḥad folgte deshalb ebenso wie die Autoren des äthiopischen Henochbuches und des Jubiläenbuches dem Sonnenkalender mit 364 Ta63 Der priesterliche Hintergrund der Gruppe wird durch die etwa 300 Bezugnahmen auf Priester in den Qumrantexten deutlich, wobei die Hinweise auf Hohepriester, die „Söhne Zadoks“ und die „Söhne Aarons“ noch nicht mitgezählt sind. Vgl. W ARDLE, Jerusalem Temple, 145: „… the ubiquity of references to priests, alongside the very evident priestly concerns in many of the scrolls, suggests the influence of priests not only in the continuation of the sect but also in its formation.“ 64 MAIER, Zwischen den Testamenten, 256–259. 65 Vgl. 1QpHab 8,8–13; 9,3–7; 12,7–9; vgl. 4Q162 2,6–10; 4Q166 2,14–17; vgl. zum Frevelpriester auch Anm. →IV.2. Anm. 26. 66 CD 5,6f.; vgl. 4,18; 6,11–14; 4QMMT; vgl. HOGETERP, God’s Temple, 75–93; MAIER, Art. Temple (EncDSS), 923f. 67 Die Einführung geht wahrscheinlich auf die aggressive Kulturpolitik der Seleukiden zurück, weil dieser Kalender dem seleukidischen Kalender entsprach, während das Judentum bislang am 364-Tage-Sonnenkalender festgehalten hatte; vgl. dazu VanderKam, Calendars. Die Hasmonäer machten aufgrund ihrer Abhängigkeit von den Seleukiden diesen Schritt nicht mehr rückgängig, was zur Kritik frommer Kreise führte.

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gen, die man exakt in 52 Wochen gliedern konnte. Damit fielen alle Tage des Jahres immer auf denselben Wochentag. Nur so konnte verhindert werden, dass die für besondere Festtage vorgeschriebenen Handlungen mit der Sabbatheiligung in Konflikt gerieten.68 Durch die Kombination des Sonnen- mit dem Mondkalender war eine Trennung von Fest- und Sabbattagen jedoch nicht mehr zu gewährleisten. Es musste zu Überschneidungen kommen, die für die Gründer des yaḥad nicht mehr tragbare Kompromisse im Opferritus mit sich brachten.69 Da für den yaḥad wie wohl überhaupt für das traditionelle Priestertum allein der Sonnenkalender der göttlichen Zeiteinteilung entsprach, wurden die Sabbate nicht nur dann verletzt, wenn sie mit anderen Festtagen kollidierten, sondern generell, weil sie wie die Feste an den grundsätzlich verkehrten Tagen gefeiert wurden. Für die Gemeinschaft war mit dem neuen Kultkalender die Gültigkeit und Wirksamkeit der Opfer, somit das Opfersystem als Ganzes und letztlich das Heil Israels in Frage gestellt.70 Die Ordnung des Kosmos war durch diese Maßnahmen in Unordnung geraten. Eine weitere Beteiligung an diesem Kult und seinen unwirksamen Opfern (vgl. CD 6,11–12: „nutzloses Feuer“), kam daher nicht mehr in Frage, zumal man sich durch Mal 1,10 zu einem endzeitlichen Boykott des depravierten und insuffizienten Tempelkultes nicht nur legitimiert, sondern sogar genötigt sah (CD 6,11b–14a). Neben der Störung der kosmischen Ordnung durch den falschen Kalender werden in verschiedenen Schriften der Gemeinschaft noch eine Reihe weiterer Kritikpunkte aufgezählt: In dem halachischen Text 4QMMT wird in verhältnismäßig konziliantem Ton die Jerusalemer Priesterschaft und im Konkreten der Hohepriester ermahnt, besser auf einige „Werke der Tora“ zu achten. Zu den im Folgenden aufgelisteten Mängeln gehören auch die aus anderen frühjüdischen Schriften bekannten Kritikpunkte illegitimer Ehe- und Sexualbeziehungen (B 75.80–82). Unklar ist, ob auch finanzielle Unregelmäßigen thematisiert werden.71 68 Diesem Sonnenkalender mit exakt 52 Wochen entspricht auch die Zahl der Priesterordnungen im yaḥad, die nach 1QM 2,2 nicht wie in 1Chr 24,7–18 nur 24 Ordnungen umfassten, sondern 26. Auf diese Weise ist jeder Priester, abgesehen von den großen Pilgerfesten, jährlich zweimal eine Woche im Tempeldienst. 69 Vgl. CD 3,13ff.; 6,18ff.; 1QS 1,14f.; skeptischer KLAWANS, Purity, 157f. 70 Vgl. auch SCHIFFMAN, Community, 270: „Clearly, it was the view of this copyist [sc. von 4QMMT] that the founding of the sect was at least in part based on the controversy surrounding the calendar. If this is correct, then the sectarian separation from the Jerusalem Temple would have been encouraged if not caused by disagreement regarding dates of the festivals.“ 71 Vgl. 4QMMT C 9 und W ARDLE, Jerusalem Temple, 69, sowie KLAWANS, Purity, 156–158.

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Deutlich polemischer werden im CD die erwähnten Kritikpunkte formuliert. Wieder geht es um unreine Ehe- und Sexualbeziehungen (CD 3,17), Sexualverkehr während der weiblichen Menstruation oder unregelmäßiger Blutungen (CD 5,7),72 Priesterehen mit den eigenen Nichten (CD 5,8)73, finanzielle Missstände (CD 6,14–17)74, und um die bereits erwähnten „wirkungslosen Opfer“ (CD 6,12.14: „nutzloses Feuer“) aufgrund der durch die kalendarische Fehlentscheidung unvermeidbaren Vermischung von Sabbat- und Festtagen (CD 6,18f.). Kritik am Priestertum und hier v.a. an der Figur des „Frevelpriesters“ wird auch im Pesher Habakuk laut (vgl. 1QpHab 2,1–2; 5,11). In 1QpHab 8,9–9,3 wird dieser „Frevelpriester“ als stolz, hochmütig, geldgierig und gewalttätig beschrieben. Er erscheint darüberhinaus immer wieder als Kontrahent des „Lehrers der Gerechtigkeit“ (11,4–8 u.ö.). Hinzu kommt der bereits bekannte und nun stereotype Vorwurf der Unreinheit (8,13; 12,8f.). Wahrscheinlich stehen auch hinter diesem Begriff die Vorwürfe illegitimer Ehen sowie kalendarischer und halachischer Fehlentscheidungen. Im Rückblick auf die Kritikpunkte wird deutlich, dass in den Qumranschriften der Schwerpunkt weniger auf ethischen als vielmehr auf kultischen Anfragen und Vorbehalten liegt. Der yaḥad sah durch die unsachgemäße und kalendarisch falsche Opfer- und Kultpraxis die Integrität der Priester und in der Folge die Gültigkeit der Opfer grundsätzlich in Frage gestellt und entschloss sich deshalb zu entsprechend radikalen Konsequenzen, die im folgenden Kapitel zum Thema werden.

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Im Hintergrund dürften auch hier unterschiedliche Auslegungen der Tora bezüglich der einzuhaltenden Fristen im Zusammenhang des weiblichen Menstruationszyklus und irregulärer Blutungen stehen, vgl. Lev 15,19ff. 73 An der Nichten- und Neffenehe zeigt sich die strengere Halacha des yaḥad. In Lev 18,6ff. wird die Nichten- und Neffenehe nicht ausdrücklich verboten und liegt eher in der Logik der dortigen Regelungen. 74 KLAWANS, Purity, 147–153, sieht in der Opferung „gestohlener Opfer“ und der darin zum Ausdruck kommenden Habgier eine der Hauptursachen für die in den Qumranschriften geäußerte Kritik am Jerusalemer Kult. Im Anschluss an Jub 23,21; TestLev 14,5 und PsSal 8,11 vermutet er auch im Blick auf das CD und die Gemeinderegel, dass Habgier ein wesentlicher moralischer Kritikpunkt ist: In CD 6,15f. wird von den Priestern gefordert, dass sie sich von „schlechten Menschen“ fernhalten und den „schnöden, gottlosen Mammon“ meiden sollen, der von dem genommen wurde, was Gott geweiht ist, oder unter den Tempelschätzen gefunden wurde. Das Thema „Ausbeutung“ und „Habgier“ findet sich auch in CD 10,18; 11,15; 12,6f. In CD 16,13f. ergeht die Ermahnung, dem Altar nicht etwas Gestohlenes zu versprechen, sowie die Warnung an die Priester, keine derartigen Opfergaben anzunehmen. Die Gemeinderegel spiegelt diese Kritik am Jerusalemer Kult in den Eintrittsbestimmung für Novizen wieder. Sie ist geprägt vom Bemühen, das Element der Habgier aus der Gemeinschaft zu verbannen.

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1.2.3 Die Psalmen Salomos In den Psalmen Salomos, welche das Trauma der römischen Eroberung Jerusalems durch Pompeius (63 v.Chr.) zu verarbeiten suchen (vgl. PsSal 2; 8; 17), wird – vermutlich Mitte des 1. Jh. v. Chr.75 – die Profanisierung des Tempels durch die „Söhne Jerusalems“ (PsSal 1,8; 2,3; vgl. 8,22) ebenso wie durch Heiden (2,2) konstatiert.76 Wright vermutet, dass mit den „Söhnen Jerusalems“ die diensthabenden Priester gemeint sind, was sich aber nicht eindeutig belegen lässt.77 Der Psalmist könnte auch die gesamte Bevölkerung anklagen.78 Ist die Bestimmung dieser Belege als antipriesterliche Kritik und Polemik noch unscharf, so wird sie in PsSal 8,11–13 überdeutlich. Hier ist offensichtlich von offiziellen Personen die Rede, welche das Heiligtum Gottes ausrauben,79 verunreinigt (u.a. durch Menstruationsblut80) den Altar des Herrn betreten und keine Sünde übrig ließen, die nicht schlimmer als jene der Heiden gewesen wäre (vgl. 2,9; 17,15). Ähnlich wie die Polemik im Testament Levis und den Qumranschriften81 richtet sich die Kritik der Psalmen Salomos ausschließlich gegen die als korrupt und depraviert empfundene Priesterschaft, nicht gegen den Tempel als solchen. Somit spiegelt diese frühjüdische Schrift bei grundsätzlicher Wert- ja Hochschätzung des Tempels als Inbegriff jüdischer Identität eine umfassende Kritik am zeitgenössischen Priestertum wieder, die zwar nicht in Qumran beheimatet gewesen sein dürfte, aber doch eine Verwandtschaft zu diesem Denken aufweist.

75 Als ein gewisser Konsens kann heute die „Pompeianische Datierung“ gelten, wonach die Psalmen Salomos zwischen der Eroberung Jerusalems durch Pompeius, 63 v.Chr.; vgl. PsSal 2; 8; 9, und dem Tod des Pompeius, 48 v.Chr.; vgl. PsSal 2,26–27, sowie ATKINSON, Psalms, 39f., verfasst und kompiliert wurden, vgl. ATKINSON, Psalms, 419. ATKINSON, a.a.O., 427, selbst denkt an einen Herausgeber, der die Psalmen zwischen 62 und 30 v. Chr. edierte. Zu den Einleitungsfragen vgl. auch WRIGHT, Psalms of Solomon (OTP II), 639–650, und D. FLUSSER, Art. Psalms of Solomon (CRINT II/2), 573f. 76 So bezieht sich der Begriff „Sünder“ zwar immer wieder auf Pompeius, aber noch öfter auf Juden. Vgl. auch ATKINSON, Psalms, 19.25f. 77 WRIGHT, Psalms of Solomon (OTP II), 652, Anm. 2d. 78 ATKINSON, Psalms, 25. Deutlich ist lediglich, dass es sich um Juden handelt, die in Jerusalem leben und für den gegenwärtigen Zustand Jerusalem verantwortlich sind. 79 W ARDLE, Jerusalem Temple, 87, vermutet, dass der Vorwurf des Raubes sich auf die Verwendung von Tempelüberschüssen zur Finanzierung von Militäroperationen durch die hasmonäischen Hohepriester-Könige bezieht. 80 Vgl. auch CD 4,12–5,11 mit Lev 15,25. Es geht dabei entweder um die Frage, ob unregelmäßige Zwischenblutungen als Menstruationsblut anzusehen sind, oder um die Frage, wie lange die Menstruationsabstinenz zeitlich anzusetzen ist. 81 ATKINSON, Psalms, 184f., macht in diesem Zusammenhang auf die Ähnlichkeiten zwischen PsSal 8,10–12 und CD 4,15–18 aufmerksam.

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

1.2.4 Die Assumptio Moses AssMos 5 und 6 nehmen auf dieselbe Zeitperiode Bezug, wenn auch aus einer unterschiedlichen Perspektive: „Chapter 5 is a general characterization of the people’s sinfulness; chapter 6 connects this sinfulness to the kings under whose rule this corruption is to take place.“82 Der Autor will seine eigene Zeit83 als Spiegelbild der Ereignisse interpretieren, die zum babylonischen Exil führten, und stellt die jüdische Gesellschaft als „diseased in all its branches“ dar.84 In AssMos 6,1 kündigt der alternde Mose seinem Nachfolger Josua prophetisch an, dass Könige zu Hohepriestern berufen werden, was sich natürlich auf die Hasmonäer bezieht.85 Diese Ämterkumulation qualifiziert der Verfasser mit den Worten: „Gottlosigkeit werden sie verüben vom Allerheiligsten aus.“86 In AssMos 5,3f. wird dann die Priesterschaft der hasmonäischen Zeit im Ganzen angegriffen, weil sie „das Haus ihres Dienstes mit Befleckung schänden“ und „fremden Göttern nachhuren“ werden und „einige werden den Altar mit … Gaben beflecken, die sie dem Herrn darbringen, sie, die keine Priester sind, sondern Sklaven von Sklaven geboren.“87 Die befleckende Wirkung der Gaben bezieht sich hier wahrscheinlich weniger auf deren Minderwertigkeit, sondern auf ihre Opferung durch moralisch unreine Priester, wodurch die Gaben selbst un-

82

TROMP, Assumption, 185f. mit Bezug auf LAPERROUSAZ, Testament de Moïse, 119. Das „Testament“ bzw. die „Himmelfahrt Moses“ lässt sich nicht eindeutig datieren, da es kaum greifbare Anhaltspunkte für eine Datierung gibt. Die Tempelzerstörung wird jedoch nirgendwo angedeutet, was eine Spätdatierung, wie sie HAACKER, Assumptio Mosis, 404f., vertrat, unwahrscheinlich macht. In c. 6 wird der Tod Herodes des Großen (vgl. 6,6: 34 Jahre Regentschaft) vorausgesetzt (beides 4 v.Chr.). Ob auch der VarusKrieg (6 v.Chr.) in 6,8f. vorausgesetzt wird, ist nach wie vor umstritten, vgl. TROMP, Assumption, 117. Ferner wird die Regentschaft der Herodessöhne als kürzer angekündigt, was sich so nicht erfüllt hat, denn Antipas regierte 43 Jahre und Philippus 37 Jahre. Lediglich Archelaus wurde bereits im Jahr 6 n.Chr. verbannt. Möglicherweise ist damit der Abfassungszeitpunkt in den Jahren 4 v.Chr bis etwa 30 n.Chr. zu bestimmen, weil nachher eine solche Prophezeiung nicht mehr sinnvoll gewesen wäre. BRANDENBURGER, Himmelfahrt Moses, 59f., will das Werk unmittelbar nach 6 n.Chr. datieren. Auch TROMP, Assumption, 116f., denkt an das erste Viertel des 1. Jh. n.Chr. RHOADS, Assumption, 58, hält sogar die erste Hälfte des 1. Jh. für möglich. Zu den Einleitungsfragen vgl. auch P RIEST, Testament of Moses (OTP I), 919–926, und COLLINS, Art. Testament of Moses (CRINT II/2), 344–349. 84 TROMP, Assumtion, 187. 85 BRANDENBURGER, Himmelfahrt Moses, 73; TROMP, Assumption, 198f. 86 Übersetzung nach B RANDENBURGER, Himmelfahrt Moses, 73. Eine Diskussion, ob diese Verse atl. Zitate enthalten und, wenn ja, welche, findet sich bei TROMP, Assumption, 190f. 87 Übersetzung nach BRANDENBURGER, Himmelfahrt Moses, 72f. 83

1 Geschichte und Kritik in der Epoche des zweiten Tempels

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rein wurden und damit auch den Altar verunreinigten.88 Die scharfe Disqualifikation der Priester als Sklaven ist merkwürdig, weil es selbst in den Wirren der Hasmonäerzeit unmöglich war, dass Sklaven in ein Priesteramt kamen. Wahrscheinlich ist die Bezeichnung von Priestern als Sklaven schlicht auf deren Amtsmissbrauch zurückzuführen.89 Neben der hasmonäischen Ämterkumulation waren es somit v.a. die ethischen Defizite, die zur Kritik Anlass gaben, weil sie kultische Folgen hatten, indem sie die Wirkung der Opfer tangierten. 1.2.5 Ergebnis Im Rückblick fällt auf, dass es in den behandelten Schriften in der Regel dieselben Vorwürfe und Anklagen sind, die sich durch die gesamte Epoche des Frühjudentums ziehen. Häufig wird die Anklage illegitimer Ehe- und Sexualbeziehungen laut, die oft mit dem Stichwort „Unreinheit“ bezeichnet wurden. Diese Anklagen basieren auf im Vergleich mit der Tora wesentlich strengeren Reinheits- und Heiligkeitshalachot und dem sich aus diesen ergebenden Ehereglement für Priester. Diese durften demnach nur Ehepartner heiraten, die auf demselben Heiligkeitsniveau standen wie sie selbst.90 Andere Dauerkonflikte betrafen die Frage nach der korrekten Abstammung, v.a. was die zadokidische Abkunft des jeweiligen Hohepriesters anging, und halachische Kalenderfragen bezüglich der Anwendung des Mond- und/oder Sonnenkalenders.91 Die Bedeutung priesterlicher Reinheit, Heiligkeit und Integrität für die Reinheit des Tempels und in der Folge für die Gegenwart Gottes und die Wirksamkeit der Opfer wird in allen Belegen deutlich. Weiter fällt auf, dass die Polemik stetig zunimmt. Dominiert in frühnachexilischer Zeit noch die verhältnismäßig moderate Kritik an priesterlichen Mischehen, so werden die Vorwürfe in den folgenden Jahrhunderten vielfältiger und schärfer, v.a. was sexualethisches Fehlverhalten mit kultischen Folgewirkungen betrifft. Eine Schlüsselepoche ist die Mitte des 88 TROMP, Assumption, 193: „The priesthood is rejected because of its members’ moral misconduct, which renders their cultic actions impure, defiling the Lord’s sanctuary.“ 89 So TROMP, Assumption, 193, der an Thr 5,8 und Sib 3,383; 5,7; 11,197f. erinnert, wo der Sklaven-Titel ebenfalls zur Kritik an einer illegitimen Amtsführung verwendet wird. Eine Anspielung auf den pharisäischen Verdacht, dass die Mutter von Johannes Hyrkan (134–104 v.Chr.) eine Kriegsgefangene war und damit vom Status her eine Sklavin, Jos Ant 13,291–292, ist dagegen unwahrscheinlich. 90 In 4QMMT B 80–82 wird vorausgesetzt, dass Priester sich nicht mit Töchtern aus nicht-priesterlichen Geschlechtern verheiraten dürfen; vgl. dagegen Lev 21. 91 Zur Literatur zur Kalenderproblematik vgl. W ARDLE, Jerusalem Temple, 79, Anm. 106; VANDERKAM, Origin; DERS., Calendars.

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

2. Jahrhunderts. Die Vorgänge im Zusammenhang und Nachgang der antiochenischen Kultreform, die Machtergreifung der Hasmonäer und deren Ämterkumulation beginnend mit Jonathan führten zu einem tiefen inneren Zerwürfnis der jüdischen Gesellschaft und ihrer Fraktionierung in unterschiedliche Religionsparteien, die wiederum aus unterschiedlichen theologischen Perspektiven das etablierte Priestertum kritisierten. Nun tauchen auch die Anklagen der Habgier, des Diebstahls, des Hochmuts und der Arroganz in der Liste priesterlicher Vergehen auf und die Kritik weitet sich in den Qumranschriften, dem Testament Levis und den Psalmen Salomos zu einer Fundamentalkritik am Priestertum als solchem aus. Eine offene Frage ist nach wie vor, wie gerechtfertigt diese massive Kritik am Priestertum war, v.a. was die stereotypen Vorwürfe sexueller Verfehlungen und illegitimer Ehen angeht. Wardle dürfte mit seiner Vermutung Recht haben, dass sich viele Klagen letztlich auf eine bestimmte singuläre Situation bzw. auf das Fehlverhalten eines Hohepriesters beziehen und dann pauschal dem gesamten Priestertum als solchem angelastet wurden.92 Während bis auf die Qumranschriften die übrigen drei hier erwähnten Schriften den Tempel nicht als defizitär ansehen, geschweige denn ihn grundsätzlich in Frage stellen, gibt es aber auch zahlreiche Stimmen, die durch das missbräuchliche und defizitäre Handeln und Sein der Priesterschaft den Tempel ebenfalls in seinem Wesen tangiert und als irreversibel verunreinigt betrachten und eine Perspektive nur in der eschatologischen Hoffnung auf ein neues Heiligtum (und ein neues Jerusalem) sahen. Ihnen gilt die Aufmerksamkeit im nächsten Abschnitt.

2 Tempeltheologien und Tempelkritik in der Epoche des zweiten Tempels 2 Tempeltheologien und Tempelkritik

Unlösbar verbunden mit dem Handeln der Jerusalemer Priester war der Tempel. Er war der Ort, an und in dem der priesterliche Dienst geschah, ja – pointiert ausgedrückt – dem dieser Dienst geschah, denn als das „Haus Jahwes“ galt er schlicht als sichtbarer Inbegriff seiner Präsenz. Um die Diskussionen und Klagen verstehen zu können, die sich in nachexilischer Zeit um diesen Tempel erhoben, sollen zunächst die wichtigsten tempeltheologischen Perspektiven aus atl. und frühjüdischer Zeit skizziert werden. Anschließend werden die zahlreichen Stimmen zur Insuffizienz und eschatologischen Erneuerungsbedürftigkeit des Tempels behandelt. 92 W ARDLE, Jerusalem Temple, 96: „… it is possible that these charges functioned more as a slogan than as reflections of reality and were hurled against the priests with little knowledge of their originis or truthfulness.“

2 Tempeltheologien und Tempelkritik

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2.1 Der Tempel in der Vielfalt frühjüdischer Perspektiven 2.1.1 Aspekte alttestamentlicher Tempeltheologie Der Jerusalemer Tempel war schon in vorexilischer Zeit Gegenstand intensiver kontrovers-theologischer Diskussionen.93 Divergierende Überlegungen werden bereits im Tempelweihgebet Salomos (1Kön 8,12–61) hörbar, in dem die Frage aufgeworfen wird, inwiefern ein von Menschen erbauter Tempel als Wohnraum für den Gott dienen kann, den selbst Himmel und Erde nicht fassen (1Kön 8,27/2Chr 6,18; vgl. Jes 66,1; Act 7,48f.). Damit sind die wesentlichen Pole umrissen, zwischen denen sich die atl. Tempeltheologie bewegt. In vorexilischer Zeit war Shekhina-Theologie im Wesentlichen Tempeltheologie. Im Tempel auf dem Zionsberg wurde die Wohnung Gottes verortet.94 Hier war der Ort, an dem Himmel und Erde sich berührten und in der komplexen Symbolik der Kultordnung das Weltganze abgebildet wurde.95 In der dtr. Theologie ist vom Wohnen des göttlichen Namens im Tempel die Rede,96 womit einerseits die Vorstellung einer zu engen Bindung Jahwes an das Heiligtum vermieden, andererseits aber dennoch die Gegenwart Gottes „vollmächtig proklamiert“ wird.97 Diese „Zionstheologie“ von der „Einwohnung Gottes“ auf dem Zion entfaltete in vorexilischer Zeit eine solche Anziehungskraft, dass die Propheten sich immer wieder gerufen wussten, gegen eine falsche Heilssicherheit zu polemisieren, die aus dieser Zionstradition die irrige Vorstellung einer Art „Unverwundbarkeit“ für Jerusalem und Juda ableitete (vgl. Jer 7,4ff.). Die schon im Tempelweihgebet Salomos virulente Frage nach dem Verhältnis des göttlichen Wohnens im irdischen Tempel zu seinem Wohnen im Himmel, wurde Israel durch die Katastrophe der Tempelzerstörung und des Exils neu gestellt. Das traumatische Ende des Salomonischen Tempels machte es unmöglich, diese auf den Zion fokussierte Shekhina-Theologie ungebrochen weiterzutradieren. Der Tempel hatte das Volk offensichtlich nicht vor dem Gericht bewahren können und mit dem zerstörten Tempel stand nun die Existenz und Wirksamkeit Jahwes selbst auf dem Spiel. 93

Ein gewisser Konsens über alle Traditionen hinweg besteht in der Bezeichnung des Tempels als „Haus Gottes“, vgl. Gen 28,17; Ex 23,19; Dtn 23,19; Jos 9,23; Ri 18,31; Jes 2,3; Jer 27,21; Ez 10,19; Dan 1,2; 5,23; Joel 1,9; Ps 84,11[10]; 92,14[13]; 122,1; 1–2Chr passim. 94 2Sam 7,5; 1Kön 8,13.27; Jes 57,15; Jer 7,3.7; vgl. Ez 43,7; 2Makk 14,35, und auch Mt 23,21. Andere Texte sprechen davon, dass Jahwe auf dem Zion wohnt, Ps 132,13f.; Jes 8,18; Joel 4,17.21; vgl. auch Ps 9,12, bzw. über den Cherubim im Tempel thront, Ps 99,1; 2Kön 19,15. Vom Tempel als „Palast Jahwes“ reden 2Kön 18,16; Jer 7,4; Ps 5,8. 95 J ANOWSKI, Mitte, 143. 96 Vgl. z.B. Dtn 12,5; 1Kön 9,3; 2Kön 21,7; Ps 74,7. 97 J ANOWSKI, Mitte, 129.

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

Folglich finden sich nun zahlreiche Texte, die von einem Thronen bzw. Wohnen Jahwes im Himmel sprechen, was eine gewisse Distanz Gottes zu seinem Heiligtum impliziert, jedoch gleichzeitig die Existenz und heilvolle Wirksamkeit Gottes nicht mehr mit seinem Wohnen im (zerstörten) Heiligtum in Verbindung bringt.98 Vor allem in Jes 56–66 wird der universale Horizont sowohl des göttlichen Schaffens, Handelns als auch Wohnens betont. In Jes 66,1f. wird im Zusammenhang mit dem universalen Schöpfungshandeln Gottes die Frage gestellt, in welcher Behausung man diesen Schöpfer des Himmels, der sein Thron ist, und der Erde, die als sein Fußschemel dient, denn unterbringen wolle.99 In Jes 63,15 klagt der Prophet über diese „himmlische Distanz“ und erfleht Gottes Zuwendung aus seinem himmlischen Heiligtum ohne die Shekhina Gottes in seinem irdischen Tempel auch nur zu erwähnen, und in Jes 63,19b-64,2 erbittet er Gottes Herabfahren aus der himmlischen Höhe, was als Bitte einer Neuoffenbarung seiner Gegenwart in Analogie zum Sinaigeschehen zu werten ist. Zu einer neuen Konzeption der Gegenwart Gottes im Tempel kam es dann in der Prophetie des Propheten Ezechiel. Dieser erzählt davon, wie die Herrlichkeit Gottes den Tempel verlässt (Ez 10,18f; 11,22f.; vgl. 1,4– 28), aber auch von der Verheißung, dass Gottes Herrlichkeit zurückkehren wird, Gott sein Heiligtum wieder in die Mitte seines Volkes stellen und unter seinem Volk wohnen wird (Ez 37,26f.).100 In einem gewaltigen und detaillierten Entwurf wird in Ez 40–48 diese neue Tempelvision beschrieben (→II.4.6), in die hinein die Rückkehr Gottes erwartet wird (Ez 43,7– 9). Es handelt sich hierbei um einen eschatologischen Programmentwurf, für den die Trennung von Kult und weltlicher Macht konstitutiv ist. So darf der „Fürst“ den inneren Vorhof nicht betreten (Ez 46,2.8) und die Hauptstadt wird in einiger Distanz zum Tempel gebaut (Ez 48,15–21). Im 98

Vgl. Ps 2,4; 29,10; 33,14; 113,5f.; 123,1; Jes 40,22; 57,15; 63,15; 63,19b-64,2. Zum Himmel als „Palast“ oder Thron Jahwes vgl. Ps 11,4; 103,19. 99 T IEMEYER, Rites, 264–267, wendet gegen diese Deutung ein, dass sie nicht nur mit der zeitgenössischen Wertschätzung des nachexilischen Tempels durch Haggai (2,1–9), sondern auch mit entsprechenden Aussagen in Jes 57,13; 58,13f. und 65,11 in Spannung treten würden. Stattdessen möchte sie in Jes 66,1–2 weniger eine Kritik am Tempel als vielmehr am Tempelpersonal, d.h. den Priestern, herauslesen, wofür es jedoch keinerlei Anhaltspunkte gibt. T IEMEYERS Deutung liegt vielmehr in einer Linie mit ihrer durchgängig sehr spekulativen, priesterkritischen Deutung der Texte in Jes 56–66. Auch ihre Deutung der „Brüder“ auf die Jerusalemer Priester, 267–270, und die Schlussfolgerung, wonach „[t]he author of Isa 66:1–6 clearly envisions the end of the contemporary priests“, bleibt höchst hypothetisch. 100 Vgl. J ANOWSKI, Mitte, 132: „Diese Differenz zwischen der wirksamen Präsenz des Jahwenamens auf Erden/im irdischen Heiligtum und dem Wohnen Gottes im Himmel war ein Ergebnis theologischer Reflexion, die – unter den Existenzbedingungen des Exils – eine angemessene Antwort auf die Frage nach der Unverfügbarkeit und Freiheit Gottes suchte“ (kursiv bei J.).

2 Tempeltheologien und Tempelkritik

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Hintergrund steht eine deutlich stärkere, aus priesterlicher Provenienz stammende Unterscheidung zwischen Profanem und Heiligem (vgl. Ez 44,19; 46,20).101 Bemerkenswert ist ferner, dass die Rückkehr Gottes nicht mehr wie noch in 1Kön 8,12f. als ein Wohnen Gottes im Tempel erwartet wird, sondern als ein Wohnen Jahwes „inmitten der Israeliten“ (Ez 43,7a.9b). „Seit der Exilszeit kommt es somit verstärkt zu einer Übertragung des in vorexilischer Zeit dem Gottesberg Zion und seinem Tempel zugesagten Heils auf das Volk Israel; anders ausgedrückt: Die Schekina-Theologie erhält jetzt eine nationale, auf die Restitution Israels als Gottesvolk bezogene, geradezu ekklesiologische Komponente.“102 „Diese Selbstbindung Jahwes an Israel ist [...] das Novum der exilischen – und z.T. auch nachexilischen – Schekina-Theologie.“103 Der nachexilische Tempelneubau löste dann aber große Ernüchterung unter jenen heimkehrenden Exulanten aus, die noch die Pracht und Größe des salomonischen Tempels in Erinnerung hatten (vgl. Esr 3,12; Hag 2,3). Es sollte sich freilich erst sehr viel später zeigen, dass in dieser Enttäuschung bereits die Wurzel einer Tempelkritik angelegt war, die bis zur Zerstörung des zweiten Tempels nicht mehr abreißen sollte. Dennoch gewann der zweite Tempel in frühjüdischer Zeit trotz seines offensichtlichen Defizits eine dominierende Bedeutung für das jüdische Volk und Nationalbewusstsein. Vor allem durch die umfassenden Neubau- und Restaurationsmaßnahmen unter Herodes dem Großen erfuhr er nochmals einen immensen Aufschwung. Die Pracht dieses Neubaus zog alle Betrachter in ihren Bann und das in Mk 13,1 erwähnte Staunen der Jünger Jesu war eine übliche Reaktion zahlloser Pilger.104 2.1.2 Der Tempel als „universales Bethaus“ In nachexilischer Zeit erwuchs die Frage nach der Rolle dieses nunmehr jüdischen Tempels im Kontext eines mehr und mehr internationalen, ja universalen Horizonts. So reflektiert Jes 56,6–8 den universalen Anspruch, dass der Jerusalemer Tempel das „Bethaus“ für alle Völker werden soll (V. 7). Im Rahmen des Motivs der Völkerwallfahrt zum Zion (vgl. Jes 2,2–5; Mi 4,1–5) soll dieses Haus nun auch den „Söhnen der Fremde“ offenstehen, sofern sie sich Jahwe angeschlossen haben, um ihm zu dienen (V. 6). Hierhin werden sie ihre Gaben bringen und hier soll der erwartete Messias einmal Einzug halten (Hag 2,7; Sach 2,14–17). Konsequenterweise ist dann in Jes 66,18–22 von Boten die Rede, welche die Herrlichkeit Jahwes 101

B USINK, Tempel II, 775. J ANOWSKI, Mitte, 144. 103 J ANOWSKI, Mitte, 127 (kursiv bei J.). 104 Vgl. auch bBB 4a; bTaan 23a. 102

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

unter den Heidenvölkern verkündigen, woraufhin diese nicht nur Weihegeschenke nach Jerusalem bringen, sondern Jahwe will aus ihnen sogar „Priester und Leviten“ nehmen (→II.4.4). 2Chr 3,1 identifiziert den Tempelberg mit dem Berg Morija, wo Abraham seinen Sohn Isaak opfern sollte.105 Damit wird die Erwählung des Tempelbergs bereits in die Väterzeit terminiert.106 In dieser Linie liegt schließlich auch die frühjüdische Charakterisierung Jerusalems als „Nabel der Welt“,107 die sich natürlich am Tempel festmacht.108 Im Grunde hat die gesamte jüdische Literatur von der hellenistischen bis zur römischen Zeit die Tendenz, dem Tempel eine universale Rolle zuzuschreiben.109 Exakt dieser Anspruch provozierte aber in Anbetracht der äußeren Dürftigkeit des zweiten Tempels einen inneren Widerspruch. Die Spannung zwischen einer immer wieder konstatierten Insuffizienz des Tempels als Wohnung Gottes auf der einen und dem Anspruch und der Proklamation seines universalen Heilscharakters auf der anderen Seite konnte nie überwunden werden und blieb prägend für das Judentum in der Zeit des zweiten Tempels. Diese Spannung fand ihren theologischen und sozialen Ausdruck in unterschiedlichen Tempelkonzeptionen, sowie ab dem 2. Jh. v.Chr. in Parteien und Gruppierungen, die über dem Kampf um die Kontrolle des Tempels ihre Identität ganz maßgeblich aus ihren jeweiligen Tempeltheologien gewannen. 2.1.3 Der Tempel als Ausdruck jüdisch-monotheistischer Exklusivität Eine ganz andere Akzentsetzung als in Jes 56,6–8 finden wir in einigen frühjüdischen Texten, welche im Zuge der frühjüdischen Identitätsformation den Tempel gerade nicht als universales Gottes- und Gebetshaus begreifen, sondern ganz im Gegenteil als nationales Symbol eines exklusiven Monotheismus. So lässt sich 1Makk 7,37 begreifen, wo der Tempel als ein „Haus des Gebetes für dein Volk“ (oi=kon proseuch/j kai. deh,sewj tw/| law/| sou) beschrieben wird. Der Hintergrund für diese exklusive Haltung zum Tempel liegt in der Religions- und Kulturkrise unter Antiochus IV. Epiphanes. Der Kultfrevel und die Tempelentweihung durch die hellenisti105

Gen 22; vgl. Jub 18,13; Jos Ant 1,224–226; 7,333; BerR 55,7. Vgl. hierzu auch B EALE, Temple, 93–121, der die These vertritt, dass bereits in den atl. Traditionen der Garten Eden als archetypisches Tempelheiligtum konzipiert wurde, bestimmt zu einer weltweiten Ausdehnung. Diese Konzeption sei über die Altäre, Opferund Kultstätten der Väterzeit, v.a. durch Jakobs Heiligtum in Bethel, weitertradiert worden; vgl. dazu den kurzen Exkurs unter →VIII.5. 107 äthHen 26,1; Jub 8,19; Sib 5,250; Jos Bell 3,52; bSanh 37a; vgl. hierzu auch T ILLY, Jerusalem – Nabel der Welt. 108 Vgl. ALEXANDER, Jerusalem, 104–119. 109 HOGETERP, God’s Temple, 28. 106

2 Tempeltheologien und Tempelkritik

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schen „Söhne der Fremde“ löste einen derart nachhaltigen Schock aus, dass die universalistische Hoffnung aus Jes 56,6–8 von den Makkabäern nicht mehr nachgesprochen werden konnte. In idealisierender Weise greift auch das Jubiläenbuch diese exklusive Linie jüdischer Tempeltheologie auf. In den in Jub 49,16f.19–21; 50,10f. beschriebenen Vorschriften für die Tempelopfer unterstreicht das Jubiläenbuch die Zentralität des Tempels für das jüdische Volk und des Priestertums für die jüdische Identität, und es dürfte kaum ein Zufall sein, dass sich in Jub 33,20 eines der wenigen frühjüdischen Zitate von Ex 19,6 findet, wo das jüdische Volk in seiner Exklusivität aus den andern Völker als „Volk von Priestern“ herausgehoben wird: „Und es gibt keine größere Sünde als die Unzucht, die sie auf der Erde treiben. Denn ein heiliges Volk von Priestern des Königtums [ist es] und des Priestertums ist es. Und ein Besitz ist es. Und das gibt es nicht, daß solche Unreinheit gesehen wird mitten im heiligen Volk.“110

Ein ähnlich idealisierendes, nahezu romantisierendes Bild des Tempels und seines Betriebes findet sich im Aristeasbrief. Dort wird z.B. in starker Übertreibung die ideale Lage auf der Spitze eines hohen Berges gepriesen, auf dem „der Tempel in seiner Pracht“ erbaut wurde (Arist 83f.; vgl. 88f.). Arist 92.95 hebt den vollkommenen Dienst der Priester hervor, der hinsichtlich der Haltung unvergleichlich sei und in solcher Ruhe erfolge, dass der Besucher bei geschlossenen Augen den Eindruck gewinne, der Tempel sei menschenleer. Diese exklusive und idealisierende Linie wurde in den Jahren vor dem Jüdischen Krieg schließlich maßgebend. Wenn Josephus programmatisch formuliert „Ein Tempel eines Gottes! … gemeinsam für alle (ist der Tempel desjenigen Gottes, der allen gemeinsam ist“ (Ap 2,193),111 dann ist der Tempel zwischen dem Makkabäeraufstand und dem Jüdischen Krieg zu einem Instrument jüdischer Identitätssicherung nach innen und zum Inbegriff polemischer Exklusivität nach außen geworden.112 In dieses Bild passt auch die Notiz, dass die Zeloten als die „vierte Philosophie“ des Judentums 110

Übersetzung nach B ERGER, Das Buch der Jubiläen (JSHRZ II/3). Übersetzung nach S IEGERT, Ursprünglichkeit I, 195; vgl. auch Ant 4,200. Josephus scheint eine Existenz des Judentums ohne den Tempel für unmöglich gehalten zu haben. Er beschließt seinen „Bellum“ mit der pessimistischen Sicht, dass das Judentum ohne den Tempel untergehen müsse und deshalb die Rebellen von Massada die letzten Juden auf Erden gewesen seien. Erst in den Antiquitates gelangt er zu einer optimistischeren Sicht für die Zukunft des jüdischen Volkes ohne Tempel. 112 Vgl. hierzu auch Jos Bell 1,229, wo Fremde von Reinigungsritualen während eines jüdischen Festes ausgeschlossen werden; vgl. auch Bell 2,320.409–414; Ant 18,9. Aus dieser Perspektive wird der jüdische Zorn verständlich, den Pompeius provozierte, indem er im Zuge seiner Eroberung Jerusalems den Tempel besuchte und auch das Allerheiligste „besichtigte“, vgl. Jos Bell 1,152; Ant 14,72. 111

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

die Korruption der jüdischen Vätertraditionen vor allem mit der ausländischen Dominanz über das Judentum begründeten (Jos Ant 18,4–10). Denn seit der Eroberung Jerusalems durch Pompeius und erst recht seit dem von Rom geförderten Herodes dem Großen war das hohepriesterliche Amt zu einem Spielball römischer Machtinteressen geworden. 2.1.4 Der Tempel als Abbild des Kosmos Der bereits bei Philo anklingende Gedanke, dass ein Tempel sowohl ein Abbild bzw. eine Replik eines himmlischen Heiligtums darstellt, als auch eine Art Mikrokosmos bzw. eine Abbildung des Kosmos in nuce symbolisiert (vgl. SpecLeg 1,66f.; Mos 2,71–145), ist eine allgemein-antike Vorstellung.113 Ein Tempelbau sollte in einer ungeordnet und chaotisch erscheinenden Welt eine Erinnerung an die kosmische Ordnung darstellen und gleichzeitig ein irdischer Ort der Begegnung mit dem himmlischen Ideal (vgl. Ex 25,40). Die umfassendste Ausgestaltung dieses Themas im frühjüdischen Schrifttum findet sich bei Flavius Josephus, und zwar in beiden seiner großen Werke (Bell 5,184–237; vgl. 4,324, und Ant 3,102–279), die im Horizont der antiken Welt weniger als ein kreativer denn als konservativer Ansatz im Rahmen antiker Tempelperspektiven erscheint.114 Neben einer breiten Schilderung der Tempelstrukturen finden sich eine Reihe kosmischer Deutungen derselben. So wird der Tempel als Ganzes von Josephus als ein Abbild des Universums gedacht (Ant 3,180f.), im Besonderen spiegelt jedoch der Vorhang an den Tempeltüren dieses Universum wider (Bell 5,212f.; →V.3.1), die zwölf Schaubrote auf dem Tisch stellen den himmlischen Tierkreis und die Monate dar, während die Menora für die sieben Planeten steht (Bell 5,217; Ant 3,145f.182).115 Die Dreiteilung des Tempelgebäudes spiegelt nach Josephus die drei Sphären des Kosmos wider (Erde, Wasser und Himmel), wobei der unzugängliche Himmel dem ebenfalls Menschen unzugänglichen Allerheiligsten entspricht (Ant 3,181; vgl. 3,123 und BemR 13,19).116 Josephus deutet sodann Ex 40 als eine göttliche Bestätigung dieses kosmischen Modells, das Gott mit seiner Shekhina gewürdigt habe (Ant 3,202f.). So kann Josephus beide Motive miteinander verbinden: Der Tempel als Modell des Kosmos ist gleichzeitig der irdische Wohnsitz Gottes. 113 LUNDQUIST, Common Temple Ideology; DERS., What is a Temple?; vgl. auch LEVENSON, Creation, 78ff.; DAVIES, Priesthood, 141–144. 114 KLAWANS, Purity, 115; vgl. auch BEALE, Temple, 45–48. 115 Vgl. hierzu auch →IV.7.2.5 zu Philo. 116 Kosmische Deutungen erfahren auch die Wandbehänge, Ant 3,132, die Verzierungen, Ant 3,183, und vor allem die priesterlichen Gewänder, Ant 3,183–187; vgl. hierzu auch Sir 45,8; 50,6f.; Arist 99; SapSal 18,24.

2 Tempeltheologien und Tempelkritik

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2.1.5 Der Tempel als Abbild des Gartens Eden In einer noch weitergehenden Interpretation wird der Tempel als Abbild der Schöpfung bzw. des Garten Eden verstanden. Die frühesten Belege für diese Deutung sind Ez 28,13–18 und 47,1–12. Im letzten Beleg wird der Fluss aus dem eschatologischen Tempel beschrieben, der an den in Gen 2,10 erwähnten Paradiesfluss erinnert und eine eschatologische und tempeltheologische Entfaltung des Motivs darstellt. Dagegen wird in Ez 28,14.16 im Rahmen des Leichenklageliedes über den König von Tyrus der Garten Eden mit dem „heiligen Berg“ und in V. 18 mit einem „Heiligtum“ (vd'q.mi) identifiziert: „Du warst ein mit ausgebreiteten Flügeln schimmernder Cherub, und ich hatte dich dazu gemacht; du warst auf Gottes heiligem Berg; mitten unter feurigen Steinen gingst du einher. Vollkommen warst du in deinen Wegen von dem Tag an, als du geschaffen wurdest, bis sich Unrecht an dir fand. […] Und ich verstieß dich vom Berg Gottes und trieb dich ins Verderben, du schimmernder Cherub, aus der Mitte der feurigen Steine.“117

In der LXX-Version wird zudem deutlich auf Adam angespielt. Ez 28,13– 18 muss damit als Ausgangspunkt einer archetypischen Deutung des Gartens Eden als Tempel gelten, die sich in verschiedenen frühjüdischen Schriften widerspiegelt. So wird in Jub 8,19 wird der Garten Eden als das Allerheiligste bezeichnet und der Zionsberg als Nabel der Welt bestimmt.118 Der Zion und der Tempel werden damit in paradiesisches Licht getaucht. In ähnlicher Weise wird der Tempel in AssMos 1,17f. als der Ort genannt, den Gott „von Anfang der Schöpfung der Welt [dazu] geschaffen hat“.119 Auch im Midrasch Tadshe (1000–1200 n.Chr.) wird die Korrespondenz zwischen Schöpfung und Tempel explizit herausgestellt wird: „Die Stiftshütte wurde gemacht in Entsprechung zur Schöpfung der Welt“ und „das Allerheiligste wurde gemacht in Entsprechung zu den höchsten Himmeln.“120 Eine in der Forschung intensiv diskutierte Frage ist nun, ob sich die Identifikation des Gartens Eden als eines archetypischen Tempels, auf den sich alle späteren israelitischen und jüdischen Tempel beziehen, bereits in den atl. Ursprungstexten nachweisen lässt.

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Revidierte Elberfelder Übersetzung. Vgl. die Belege in →Anm. 122. 119 Vgl. auch Jub 4,25f.; TestLev 18,6–10; äthHen 24–27; 4Q174,3,6 und Midr Rabba Gen 2,8. 120 Midrash Tadshe, in: Bet ha-Midrasch, ed. Jellinek, 2,164–167; vgl. auch BemR 12,13, wo die Rabbinen eine direkte Analogie zwischen der Sieben-Tage-Schöpfung und dem Heiligtum ziehen, und PesR 6,6 wo die Vollendung des Tempels als die Vollendung der Schöpfung verstanden wird. Gott habe am Abend des sechsten Schöpfungstages noch nicht „alle Werke“ vollbracht, sondern habe seine Schöpfung unterbrochen und sie erst durch Salomos Tempelbau vollendet. 118

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

Eine Vielzahl von Forschern121 vermutet, dass dieses Theologumenon bereits im Alten Testament und hier v.a. in den Texten zu Schöpfung und Stiftshütte angelegt, wenn auch nicht breiter ausgeführt ist.122 Sie sehen eine Homologie und Korrespondenz von Stiftshütte und Schöpfung in Ex 39–40 angelegt, das zahlreiche Bezüge zu Gen 1,1–2,3 zeige, angefangen von der Errichtung des Zeltheiligtums am Neujahrstag (Ex 40,17: 1. Nisan), über die Parallele, dass der ~yhiOla/ x:Wr, der nach Gen 1,2 über den Wassern schwebte, auch den Bezalel, den Baumeisters des Zeltheiligtums, erfüllte (Ex 31,3; 35,31; vgl. auch bBer 55a), bis hin zu sprachlichen Parallelen zwischen Gen 1,31/2,3//Ex 39,43; Gen 2,1//Ex 39,32; Gen 2,2//Ex 40,33b; Gen 2,3//Ex 40,9–11. Das Heiligtum sei aufgrund dieser Korrespondenzen eine geordnete und Gott gehorsame Miniaturwelt bzw. ein Mikrokosmos, und umgekehrt sei die Schöpfung ein Makrotempel, „that is, a place in which the reign of God is visible and unchallenged, and his holiness is palpable, unthreatened, and pervasive“123. Demnach soll bereits im salomonischen Tempel eine dreiteilige Komposition den gesamten Kosmos symbolisieren: Die Tempelvorhöfe repräsentieren dabei die von Menschen bewohnte Welt, der Tempel selbst symbolisiert den sichtbaren Himmel mit seinen Lichtquellen und das Allerheiligste die unsichtbare Welt Gottes und seines himmlischen Hofstaats.124 Diese Tempelkosmologie soll sich auch bereits in der atl. – und nicht erst frühjüdischen – Konzeption der hohepriesterlichen Gewänder niederge121 LEVENSON, Creation, 78–99; DERS., Sinai and Zion, 142–145; BEALE, Temple, 25.29–50.60–80; DAVIES, Priesthood, 141–149; vgl. auch P ATAI, Man and Temple; CROSS, Tabernacle; ALBRIGHT, Archaeology, 147–155; W IDENGREN, Myths; CHILDS, Myth and Reality; C LEMENTS, God and Temple, 64–68; C LIFFORD, Tent of El; DERS., Cosmic Mountain; F ISHBANE, Text and Texture, 12f.; KLINE, Images, 35–42; WENHAM, Sanctuary Symbolism, 19–25; B ARKER, Older Testament, 25; DERS., Gate of Heaven, 57– 103; WEIMAR, Sinai und Schöpfung; KLINE, Kingdom Prologue, 31f.54–56; P ARRY, Garden of Eden. 122 So erscheinen der Garten Eden und das Allerheiligste des Tempels als die beiden Orte von Gottes unmittelbarer Gegenwart. Die Ähnlichkeit zwischen dem Baum des Lebens und der baumähnlichen Menora werden hervorgehoben und auf die botanische Bildgebung des Tempels in 1Kön 6,18.29.31; 7,20.22 verwiesen; vgl. auch die Vergleiche des Tempels mit einem Garten in Ps 52,10; 92,13–15; Thr 2,6; Jes 60,13.21. Die These, dass bereits der Autor von Gen 2,15 Adam als Priester beschrieben habe, BEALE, a.a.O., 68, beruht auf einer kultischen Deutung der Wendung Hr'm.v'l.W Hd'b.['l. im Sinne von „kultisch dienen“ bzw. „[das Heiligtum] bewachen“, vgl. auch BEALE, a.a.O., 70: „Thus, the implication may be that God places Adam into a royal temple to begin to reign as his priestly vice-regent.“ Diese Deutung findet sich in verschiedenen rabbinischen Schriften, vgl. TNeof und TPsJ zu Gen 2,15, vgl. auch 2,7; BerR 16,5 bleibt aber für Gen 2,15 hypothetisch. 123 LEVENSON, Creation, 86. 124 BEALE, Temple, 32f.48f. Diese These ist eine wesentliche Grundlage für seine Vermutung, dass die Offenbarung des neuen Himmels und der neuen Erde, die B EALE völlig mit dem neuen Jerusalem identifiziert, in Apk 21f. letztlich auf der Konzeption des Kosmos als universalem Tempel beruht, in dem Gottes Präsenz allgegenwärtig ist, vgl. Apk 21,3f., sowie B EALE, ebd., 23–27.59f. B EALE, ebd., 32–36, vgl. auch DAVIES, Priesthood, 147f., bemüht sich seine These mit Bezug auf 1Kön 6,23–28; 7,23–26; 8,11– 13, vgl. 2Chr 5,13b-6,2; Ez 43,14–17 und zahlreiche weitere Belege zu begründen, was ihm jedoch nicht überzeugend gelingt und ebenso wie LEVENSONS Rekonstruktion einen stark spekulativen Charakter trägt.

2 Tempeltheologien und Tempelkritik

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schlagen haben.125 Weitere Belege für die These einer kosmogonischen bzw. mikrokosmischen Konzeption des Tempels bzw. einer Tempelkonzeption der Welt sehen Levenson und Beale auch in Ps 78,69; Jes 6,3; 65,17f.; 66,1f. und Ps 134,1–3. 126Allerdings müssen beide zugeben, dass ihre „admittedly few explicit biblical passages“ mit einer „inevitable uncertainty in individual instances“ behaftet sind und „not necessarily be equally persuasive“, plädieren aber aufgrund des „cumulative weight“ für die Tragfähigkeit ihrer These.127 Insgesamt bleibt die Korrespondenz zwischen Schöpfung bzw. Welt auf der einen und der Stiftshütte bzw. dem Tempel auf der anderen Seite in der atl. Literatur zu vage und hypothetisch, als dass daraus weitreichende Schlüsse gezogen werden könnten.

Während die Identifikation des Gartens Eden als des archetypischen Tempels bzw. des Tempels als Abbild des Gartens Eden abgesehen von Ez 28,14.16 in den atl. Texte unscharf und hypothetisch bleibt, ist die dahingehende Interpretation der atl. Texte im Frühjudentum eindeutig nachweisbar. Das bedeutet aber, dass die in den atl. Texten allenfalls implizite Identifikation des Priesters mit dem paradiesischen Menschen im Frühjudentum eine logische Konsequenz der Identifikation von Tempel und Garten Eden ist. Somit wird in dieser Tempelkonzeption der Priester zum idealen Menschen am idealen Ort und zu einem Abbild des adamitischen, vollkommenen Menschen, der während seines zeitlich befristeten Dienstes das Volk im Zustand der ursprünglichen Integrität vor Gott abbildet und repräsentiert. 2.1.6 Bedeutung und Bedrohung des Tempels vor 70 n.Chr. Der Jerusalemer Tempel war nicht zuletzt durch die immense Erweiterung, die er durch die Tempelbaumaßnamen Herodes des Großen erfuhr, zum

125

BEALE, Temple, 39–48. Eine weitere Parallelität zwischen Schöpfung und Heiligtum sehen LEVENSON, Temple, 288, und BEALE, Temple, 60–63, in der „Ruhe“ Gottes am Ende des Schöpfungswerkes und im Allerheiligsten des Tempels, vgl. Ps 132,7f.13f.; 1Chr 28,2; Jes 66,1; 2Chr 6,41; Jdt 9,8, und in der Entsprechung zum Sabbat, vgl. B EALE, Temple, 31f. 42f.49f., und LEVENSON, Sinai, 144f. Was der siebte Tag für die Vollendung der Schöpfung in Gen 1–2 in zeitlicher Hinsicht bedeutete, stellt der Tempel in räumlicher Hinsicht dar: Ist der Sabbat die Ruhezeit Jahwes, so ist der Tempel der Ruheort, vgl. Ps 132,13f.; Jes 66,1; vgl. LEVENSON, a.a.O., 145: „The Sabbatical experience and the Temple experience are one. The first represents sanctity in time, the second, sanctity in space, and yet they are somehow the same. The Sabbath is to time and to work of creation, what the Temple is to space and to the painful history of Israel which its completion brings to an end, as God has at last given Solomon ‘rest from all his enemies round about’ (1Chr 22,9).“ 127 LEVENSON, Creation, 95; B EALE, Temple, 45.49. 126

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

unangefochtenen Mittelpunkt und Integrationssymbol des Judentums geworden.128 Einen beredten Eindruck von der Schönheit des restaurierten und beträchtlich erweiterten Tempels geben die euphorischen Zeugnisse der Zeitgenossen. So schwärmt Josephus von der Königshalle, „dass sich keinen Begriff von ihrer Schönheit machen konnte, der sie nicht gesehen, und dass jeder, der sie sah, in staunendes Entzücken geriet“ (Ant 15,416). Ganz ähnlich beschreibt auch Philo das Jerusalemer Heiligtum als den „berühmtesten und bedeutendsten Tempel, … der nach allen Seiten sonnengleich leuchtet und die Blicke von Ost und West auf sich zieht“ (LegGai 191). Und selbst der Traktat Sukka aus dem babylonischen Talmud behauptet im wehmütigen Rückblick: „Wer nicht das Heiligtum in seiner Bauausführung gesehen hat, der hat niemals einen Prachtbau gesehen“ (bSuk 51b).

Auch für das Diasporajudentum129 war der Tempel Kult- und Sühneort, Gebetsstätte, Wallfahrtsziel, Nationalbank130, sowie Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum131 in einem. Dies kommt gerade auch im lukanischen Geschichtswerk historisch zutreffend zum Ausdruck (→Exkurs 3). Hier erscheint der Tempel als der Versammlungsort des jüdischen Volkes schlechthin: Hier trifft sich das am-ha-arez aus dem galiläischen Hinterland (vgl. Lk 2,41) mit Jerusalemern (vgl. Lk 2,25.37; Act 3,1f.; 21,27ff.), hier treffen die Jünger Jesu (Lk 24,53) auf Pilger aus der gesamten Diaspora (Act 2,5). „Der Tempel wird so zum Kristallisationspunkt des jüdischen Lebens.“132 Seine Unterhaltung wurde durch die sog. Halbschekel- bzw. Didrachmensteuer sichergestellt, 133 eine Kopfsteuer, die von allen Juden im Alter zwischen 20 und 50 auch in der Diaspora jährlich entrichtet werden musste und von den Pilgern mit nach Jerusalem gebracht wurde.134 Hinzu kamen die agrarischen und tierischen Erstlingsgaben, sowie Gelübdegaben und freiwillige Schenkungen. Schätzungen beziffern die 128

Vgl. auch SANDERS, Judaism, 47–145; HERR, Jerusalem; POORTHUIS/S AFRAI, Centrality of Jerusalem; SKARSAUNE, Shadow, 87–132; LEVINE, Jerusalem; HJELM, Jerusalem’s Rise; sowie W ARDLE, Jerusalem Temple, 13–30. GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 333f., spricht von einem „‘Gravitationszentrum‘ jüdischer Identität, insofern eine beständige Spannung zwischen dem Tempel als Ideal theologischer Reflexion und dem konkreten Vollzug des kultischen Tuns am Tempel in Jerusalem bestand. Nähe und Entfernung zum realen Tempel und seinem Kult unterschieden neben anderen Faktoren die verschiedenen Gruppierungen der jüdischen Gesellschaft voneinander.“ 129 Vgl. z.B. Phil LegGai 212. 130 Vgl. Mt 27,6; Jos Ant 15,408; 20,220; sowie SCHÜRER/VERMES, History II, 279– 281; MAIER/SCHREINER, Literatur, 373; B USINK, Tempel, Bd. 2, 1097; P AESLER, Tempelwort, 140f.; W ARDLE, Jerusalem Temple, 26; KLAWANS, Purity, 104f. 131 Vgl. hierzu v.a. JEREMIAS, Jerusalem, 31–33.63–66.84–89. 132 GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 94. 133 Vgl. Ex 30,11–16; Neh 10,33f.; Jos Bell 7,218; Mt 17,24; Bill. 1,760–770. 134 Phil LegGai 156.315; SpecLeg 1,76–78; Jos Ant 14,110–112.185–267; 16,163; 18,311–313; Bell 5,187; 6,335; Cic Flacc 28.66–89; Tac Hist 5,5.

2 Tempeltheologien und Tempelkritik

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hier erbrachten Leistungen auf ein Drittel des Volkseinkommens.135 Zu den drei großen Pilgerfesten (vgl. Ex 23,17; 34,23; Dtn 16,16) strömten in herodianischer Zeit regelmäßig bis zu 200.000 Pilger nach Jerusalem und machten die Stadt und den Tempel damit zu einem der meistbesuchten Orte der antiken Welt.136 Die identitätsstiftende Bedeutung dieser Pilgerfeste zum Tempel ist kaum zu überschätzen.137 Trotz der zahlreichen devianten Strömungen blieb der Tempel der integrative Mittelpunkt der frühjüdischen Gesellschaft um die Zeitenwende.138 Nur auf dem Hintergrund dieser überragenden Bedeutung ist auch der breite Strom teilweise beißender Kritik am Tempel und dem in diesem amtierenden Priestertum zu verstehen. Denn der Eifer, mit dem sich die unterschiedlichsten Gruppen bis hin zu den Zeloten in den Jahrzehnten vor dem Jüdischen Krieg auf den Tempel fokussierten, ist immer ein Ausdruck höchster Wertschätzung und gleichzeitig tiefster Sorge. In diesen Kreisen nahm man Anstoß an den zahllosen „Befleckungen“, die dem Jerusalemer Heiligtum in frühjüdischer und insbesondere in römischer Zeit widerfahren waren.139 135

MAIER/SCHREINER, Literatur, 375. Vgl. Philo SpecLeg 1,69; Act 2,5–12; Jos Bell 2,280; 6,423–427; Ant 17,26; tPes 4,15; bMeg 26a; Abot R. Nat. B 55., sowie S AFRAI, Wallfahrt, 44–93; DERS., Pilgrimage; GOODMAN, Pilgrimage Economy. Über die Pilgerzahlen gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Während Josephus von 2,7 Mio., Bell 6,423–427 bzw. sogar 3 Mio., Bell 2,280, spricht und tPes 4,15 die phantastische Zahl von 12 Mio. nennt, dürften die Schätzungen von LEVINE, Art. Temple, Jerusalem, 1290 (125.000 bis 200.000) realistischer sein. Offensichtlich wuchs die Zahl der Pilger in hasmonäischer Zeit stark an. Ab der herodianischen Zeit kommt es dann zu Massenpilgerfesten, bedingt einerseits durch den prächtigen Neubau, mehr und mehr aber auch durch die nationalistischen Strömungen im Land. Diese immense Zahl von internationalen Pilgern markierte einen signifikanten Unterschied zu den griechischen und römischen Tempelheiligtümern, bei denen Pilgerfahrten eher eine regionale Angelegenheit waren, vgl. GOODMAN, Pilgrimage, 70f. 137 Vgl. B AUCKHAM, Parting of the Ways, 139: „What they concretely and emotively shared was not simply what different forms of Judaism had in common, but what gave them their own ethno-religious identity as Jews.“ 138 W ARDLE, Jerusalem Temple, 20: „As the dwelling place of the God of Israel, location of the sacrificial system, and destination of Jews worldwide, the temple in Jerusalem was the cornerstone of Jewish religious experience“; vgl. auch SÖDING, Tempelaktion, 37f.; MAIER/SCHREINER, Literatur, 389. 139 Zu diesen „Befleckungen“ gehörte in den Jahrzehnten vor dem Jüdischen Krieg u.a., dass am Tempeltor der römische Reichsadler angebracht wurde, Jos Bell 1,650, und Pilatus die römischen Feldzeichen nach Jerusalem, Bell 2,169–174, und möglicherweise sogar bis in den Tempelvorhof brachte. Auch die von den Römern besetzte Burg Antonia war in unmittelbarer Nachbarschaft des Tempels eine Quelle kultischer Unreinheit. Schließlich war das seit den Tagen Herodes des Großen mehr oder weniger käufliche Hohepriestertum mit seinem als Feudalherren auftretenden Priesteradel ein permanenter Anstoß für den jüdischen Zelotismus. Da der das Hohepriestertum stützende Sadduzäismus sich nicht an die mündliche Tora hielt, waren ständige Diskussionen und Auseinan136

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

Die Kritik dieser Gruppen brachte sehr unterschiedliche Ausdrucksformen hervor, von denen nicht alle eine literarische Form hatten. Insbesondere die jüdischen Alternativtempel waren steingewordene Dokumente zeitgenössischer Kritik am Jerusalemer Heiligtum und dem dort amtierenden Personal. 2.2 Die jüdischen Alternativtempel zum zweiten Tempel Während der Existenz des zweiten Tempels ist die Errichtung von mindestens drei anderen jüdischen Tempeln belegt, die zum Teil über Jahrhunderte hinweg parallel zum Jerusalemer Tempel existierten.140 Zu Beginn des 5. Jh. v.Chr. bauten jüdische Söldner im oberägyptischen Elephantine einen jüdischen Diaspora-Tempel, über den wir leider nur spärliche Informationen besitzen. Wohl irgendwann im 5. oder 4. Jh. entstand dann ein samaritanischer Tempel auf dem Garizim, der erst 128 v.Chr. durch Johannes Hyrkan zerstört wurde. Auch dieser Tempel hatte einen eindeutig israelitischen bzw. jüdischen Charakter. Schließlich ist noch der im unterägyptischen Leontopolis errichtete Tempel zu nennen, der in der Mitte des 2. Jh. v.Chr. von Mitgliedern bzw. Anhängern der hohepriesterlichen Familie unter der Führung von Onias IV. dort errichtet und erst 73 n.Chr. durch Kaiser Vespasian zerstört wurde. Die Motivation zur Errichtung dieser Tempel war jedoch – sofern sich diese überhaupt historisch erhellen lässt – sehr unterschiedlich.141 Der Tempel in Elephantine war offensichtlich nicht als Konkurrenzheiligtum intendiert, sondern vielmehr Ausdruck der Loyalität zum Jerusalemer Heiligtum. Die Söldner hatten wohl lediglich das Bedürfnis, auch in der Ferne nicht auf den Tempelbesuch verzichten zu müssen und errichteten deshalb in höchst frommer Absicht diese „Tempelkopie“. Das Interessante dabei ist, dass dieser Gedanke eines „Tempelablegers“ in der ägyptischen Diaspora wachsen konnte, während die ungleich größere jüdische Diaspora in Babylonien nicht auf diesen Gedanken kam bzw. diesen von vornherein verwarf. Wesentlich brisanter waren die beiden anderen jüdischen Tempelbauten, die deshalb an dieser Stelle ausführlicher gewürdigt werden sollen.

dersetzungen vorprogrammiert; vgl. u.a. bPes 57a, sowie den Exkurs bei Bill. 4/2, 347– 349. 140 Vgl. hierzu FREY, Rival Temple, 171. 141 Vgl. FREY, Rival Temple, 196.

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2.2.1 Der samaritanische Tempel auf dem Garizim Die Hintergründe für die Errichtung des Heiligtums auf dem Garizim waren bisher nur schwer greifbar.142 In einer neueren Studie, die sich maßgeblich auf die Ausgrabungen auf dem Garizim und die daraus resultierenden Arbeiten von Y. Magen beruft, kommt T. Wardle jedoch zum Ergebnis, dass der samaritanische Tempel auf dem Garizim nicht wie bisher angenommen am Ende des 4. Jh. v.Chr. im Zusammenhang mit dem Aufmarsch Alexanders des Großen in Israel errichtet wurde, sondern bereits ein Jahrhundert früher, in der Zeit Nehemias.143 Ausschlaggebend für diese Datierung sind Zweifel an der Darstellung der Zusammenhänge bei Josephus in Ant 11,302–347.144 Dieser datiert den Bau des Tempels auf dem Garizim in die Regentschaft Darius III. (338–331 v.Chr.). Damals soll ein gewisser Manasseh, Bruder des Jerusalemer Hohepriesters Jaddua, eine Tochter des samaritanischen Gouverneurs Sanballat geheiratet haben, worauf er von den Jerusalemer Autoritäten vor die Wahl zwischen sofortiger Scheidung von seiner nicht-jüdischen Frau oder dem Verlust seiner hohepriesterlichen Ämter und Privilegien gestellt wurde (11,308). Daraufhin habe ihm Sanballat seinerseits die hohepriesterliche Würde in einem noch zu bauenden Heiligtum auf dem Garizim versprochen (11,310), Manasseh habe dieses Angebot angenommen und darüberhinaus noch zahlreiche andere Priester und Leviten, die ebenfalls mit samaritanischen Frauen verheiratet waren, mitgebracht. In diesem Moment trat Alexander der Große auf den Plan, und während die Juden sich mit Darius III. verbündet hatten, bot sich Sanballat Alexander als Partner an und überzeugte ihn davon, dass ein Tempel auf dem Garizim zu einer Spaltung und Schwächung des jüdischen Volkes beitragen würde (11,321–323). Alexander willigte ein, Sanballat baute den Tempel und Manasseh wurde Hohepriester. Der Bericht des Josephus wurde immer wieder in Zweifel gezogen, weil er verblüffende Ähnlichkeit mit einer Begebenheit hat, die in Neh 13,28 erwähnt wird. Dort wird im Zusammenhang mit Nehemias Kampf gegen Mischehen von Juden und insbesondere jüdischen Priestern, die ausländische Ehefrauen geheiratet hatten, von einem Enkelsohn des Hohepriesters Eljaschib erzählt, der eine Tochter des Horoniters Sanballat geheiratet habe und deshalb von Nehemia verjagt worden sei. Die Namensgleichheit beim jeweiligen samaritanischen Herrscher macht misstrauisch und wirft die Frage auf, ob Josephus möglicherweise mangels zuverlässiger Quellen diese Episode falsch eingeordnet habe.145 Neuere Ausgrabungsergebnisse von Y. Magen, der Reste eines Tempels aus der persischen Epoche des 5. Jh. v.Chr. fand, scheinen genau dies zu bestätigen.146 142

Vgl. zu den Hintergründen neben W ARDLE, Jerusalem Temple, 99–120, nun auch die Beiträge von BECKING, Samaritan Identity, und KARTVEIT, Second Temple, in dem Sammelband von FREY et al., Samaritaner. Zu den Samaritanern allgemein vgl. COGGINS, Samaritans and Jews, 116–131; HJELM, Samaritans and Early Judaism, 94–103.239–272, und auch die Beiträge in dem Sammelband von FREY et al., Samaritaner. 143 W ARDLE, Jerusalem Temple, 99–120; BECKING, Samaritan Identity, 56–58; KARTVEIT, Second Temple, 67–73. 144 KARTVEIT, Second Temple, 67–73. 145 W ARDLE, Jerusalem Temple, 106–109; KARTVEIT, Second Temple, 71–73. 146 MAGEN, Art. Gerizim, 1742–1748; DERS. et al., Mount Gerizim Excavations; MAGEN/STERN, Archaeological Evidence; DERS., Mount Gerizim – Temple City.

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

Wenn die Gründung des samaritanischen Tempels bereits in die Zeit Nehemias fällt, dann könnte sich ein neues Bild der Zusammenhänge ergeben. Während Becking sehr zurückhaltend ist, aus den äußerst spärlichen Quellen und den nun bei den Ausgrabungen auf dem Garizim ans Licht gekommenen Inschriften allzu weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen,147 vermutet Wardle, dass die Tempelgründung auf dem Garizim wahrscheinlich eine Reaktion der Samaritaner auf die jüdische Zurückweisung ihrer Hilfsangebote beim Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels war (vgl. Esr 4,1–5). Der Hintergrund dieser Hilfsangebote war möglicherweise der Wunsch der Nachkommen der Nordreichstämme, die sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten mit den von den Assyrern im ehemaligen Nordreich angesiedelten Kolonisten vermischt hatten,148 wieder am Jerusalemer Jahwe-Tempel partizipieren zu dürfen.149 Die schroffe Ablehnung dieses Ansinnens durch Esra und Nehemia, die damit markierte Trennlinie zwischen Judäern und Samaritanern und die von Esra und Nehemia durchgesetzte restriktive Heiratspolitik150 könnten sodann ausschlaggebend für die Gründung eines samaritanischen Alternativheiligtums gewesen sein,151 das damit von Anfang an ein „counter-move against Jerusalem“ gewesen wäre.152 Ist Wardles Rekonstruktion korrekt, dann stellt das samaritanische Heiligtum auf dem Garizim in bestimmter Hinsicht die Fortsetzung der jahrhundertalten Spannungen zwischen dem Süd- und Nordreich Israels dar. Mit dem Tempelbau hatte Sanballat den Samaritanern ein eigenes religiöses und wohl auch nationales, identitätsstiftendes Symbol errichtet, welches das im Licht von Esr 4,1–2 offensichtlich vorhandene Vakuum füllen sollte. Mit der Anwerbung des aus hohepriesterlicher Familie stammenden Manasseh und den ihm folgenden Priestern und Leviten gewann er auch noch genealogisch legitimiertes Personal für den Betrieb des neuen Tempels. Es ist offensichtlich, dass das neue Heiligtum in der Folgezeit die Spannungen zwischen Juden und Samaritanern weiter verschärfte.153 Hinzu kam, dass sich die Samaritaner als treue Anhänger des Jahwe-Glaubens 147 Vgl. BECKING, Samaritan Identity, 65: „Until new evidence shows up, we have to assume that the origins of Samaritanism as a specific religion are still buried under the dust of history and that the parting of the ways most probably was the result of a long process of independent developments on both sides of the growing divide.“ 148 Zur Deportation der Nordreichstämme durch die Assyrer vgl. 2Kön 17, sowie ODED, Mass Deportations, 41–74; BECKING, Fall of Samaria, 61–104. 149 Zum jüdischen Selbstverständnis, der Jahwe- und Tora-Orientierung der Samaritaner vgl. BECKING, Samaritan Identity. 150 Vgl. Esr 9–10; Neh 10,31; 13,23–29. 151 W ARDLE, Jerusalem Temple, 111–114. 152 KARTVEIT, Second Temple, 80. 153 Jos Ant 12,8–10; 13,74–79.

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verstanden,154 den Kultus ebenfalls nach den Vorgaben des bei den Samaritanern hochgeschätzten Pentateuch ausrichteten, der Garizim bzw. Sichem ein prominenter Ort der israelitischen Religionsgeschichte war155 und der Tempel gemäß den Angaben des Josephus nach dem Modell des Jerusalemer Tempels errichtet worden war.156 Von besonderer Brisanz muss auch der Umstand gewesen sein, dass der erste Hohepriester und damit wohl auch seine Nachkommen der zadokidischen Linie angehörten.157 Dies war für die Jerusalemer Priesteraristokratie solange zwar ärgerlich aber hinnehmbar, solange die Oniaden auch im Jerusalemer Heiligtum die zadokidische Linie repräsentierten. Es musste jedoch in dem Moment zu einem Problem ersten Ranges werden, in dem mit den Hasmonäern Nicht-Zadokiden das hohepriesterliche Amt an sich rissen. Nun hatte der Tempel auf dem Garizim zumindest in diesem Punkt sogar einen Legitimationsvorsprung vor dem Tempel auf dem Zion.158 Was für Johannes Hyrkan letztlich den Ausschlag gab, den Tempel auf dem Garizim im Jahre 128 v.Chr. zerstören zu lassen,159 wird von Josephus nicht berichtet, aber man wird wohl mit der Vermutung nicht völlig falsch liegen, dass dieser Tempel angesichts der Fraktionierung der jüdischen Gesellschaft unter der Regentschaft der Hasmonäer zu einer bedrohlichen und ernst zunehmenden Konkurrenz wurde. Die Nähe zu Jerusalem und die in der Erinnerung präsente Erfahrung aus der frühen Königszeit, dass zwei konkurrierende Kultzentren zur nationalen Spaltung führten, könnten Grund genug für diese Maßnahme gewesen sein.160 Das Ziel, das Hyrkan im Blick hatte, erreichte er freilich nicht, im Gegenteil. Die Samaritaner orientierten sich mitnichten nach Jerusalem, sondern schenkten dem Garizim weiterhin kultische Devotion (vgl. Joh 4,20–22), und die Kluft zwischen Juden und Samaritanern vertiefte sich irreversibel.161 2.2.2 Der oniadische Tempel in Leontopolis Der aus theologischer Sicht bedeutendste „Alternativtempel“ war sicherlich jener in Leontopolis, weil er als theologisches Programm verstanden werden musste und wohl auch so intendiert war. Die tiefgreifende Kultur154

Jos Ant 11,340f.; vgl. dagegen Ant 12,257; vgl. auch BECKING, Samaritan Identity, 54–56.64f.; KARTVEIT, Second Temple, 78. 155 Vgl. Gen 12,6f.; 33,18–20; Jos 24,1; 24,32; Dtn 27,11–14; vgl. 11,26–29, sowie KARTVEIT, Second Temple, 73–75. Zur Nähe und zu Gemeinsamkeiten zwischen Juden und Samaritanern vgl. W ARDLE, Jerusalem Temple, 104–106. 156 Jos Bell 1,63; Ant 11,310; 13,256. 157 Vgl. Jos Ant 11,312. 158 W ARDLE, Jerusalem Temple, 116f. 159 Jos Ant 13,254–256; Bell 1,62f. 160 W ARDLE, Jerusalem Temple, 118. 161 Vgl. TestLev 5,3–4; 6,8; Jub 30,17f.; Theod 7–8; Massekhet Kutim 2,8.

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Kapitel III: Konflikte um Priestertum und Tempel

und Religionskrise unter Antiochus IV. Epiphanes, die Entweihung des Tempels, welche als Gottesgericht aufgrund der Sünden des Volkes aufgefasst wurde (2Makk 4,17; 5,17f.), und der folgende Makkabäeraufstand sorgten für einen nachhaltigen Bruch im jüdischen Verhältnis zum Tempel. Durch die Legitimitätsproblematik der hasmonäischen HohepriesterKönige und die daraus entstandene Aufsplitterung des Judentums in verschiedene Religionsparteien ging das Grundvertrauen in die Heilswirklichkeit des Tempels mehr und mehr verloren. Es ist daher kein Zufall, dass gerade in frühhasmonäischer Zeit ein „Konkurrenztempel“ im unterägyptischen Leontopolis entstand. Er wurde von Onias IV., einem legitimen Mitglied der hohepriesterlichen Familie der Zadokiden, errichtet und bestand bis zu seiner Zerstörung im Jahre 73 n.Chr. In den frühjüdischen Quellen herrscht eine gewisse Unklarheit über den Gründer des Tempels. Josephus bietet zwei Berichte über diesen Vorgang, wovon der zeitlich erste (Jos Bell 1,31–33; 7,423–432) eindeutig Onias III., den bis 175 v.Chr. amtierenden und durch Jason und dann Menelaos abgelösten Hohepriester, als Tempelgründer benennt. Dieser sei durch Antiochus Epiphanes zur Flucht nach Ägypten gezwungen worden und habe dort von Ptolemäus VI. Philometor, dem Erzfeind des Seleukiden, die Genehmigung zum Bau eines jüdischen Tempels im Verwaltungsbezirk von Heliopolis erhalten. Auch verschiedene Notizen in der Mischna, der Tosefta, dem Talmud und bei Theodor von Mopsuestia stützen diese Identifikation. Das Problem dieser Version ist, dass nach dem verglichen mit Josephus sehr alten Bericht in 2Makk 4 Onias III. niemals in Ägypten war, sondern kurze Zeit nach seiner Amtsenthebung durch Jason auf Betreiben von Menelaos in einem Tempel in Daphne ermordet wurde. In Ant 13,62–73 präsentierte Josephus zwei Jahrzehnte später einen zweiten Bericht über die Geschehnisse, der sich allerdings signifikant von der Version im Bellum unterscheidet. Hier wird „der Sohn des Hohepriesters Onias, der denselben Namen wie sein Vater führte“, als Erbauer des Tempels vorgestellt. Dieser habe eine Zuflucht in Alexandria gefunden und von dort aus an Ptolemäus VI. und Cleopatra geschrieben und auf diese Weise die Erlaubnis zur Errichtung eines jüdischen Heiligtums erhalten. Nun identifiziert Josephus den Erbauer eindeutig mit Onias IV., während er in anderem Zusammenhang vom frühzeitigen Tod seines Vaters Onias III. berichtet (Ant 12,237–239). Auch wenn die historische Rekonstruktion bei allen Berichten mit einer Reihe von Schwierigkeiten belastet ist,162 scheint nach Abwägung aller Evidenzen Onias IV. der wahrscheinlichere Bauherr des Tempels gewesen zu sein. Unklar ist auch der exakte Zeitpunkt für die Errichtung des Heiligtums, der wiederum von verschiedenen Altersangaben für Onias IV. abhängig ist.163 Auch hier ist die wahrscheinlichste Lösung, dass Onias III. tatsächlich relativ rasch nach seiner Absetzung ermordet wurde, sein damals noch unmündiger Sohn Onias IV164 nach Ägypten floh und dann einige Jahre später als junger Erwachsener die religionspolitischen Ambitionen seiner zadokidischen Familie in die eigenen Hände nahm.

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Vgl. hierzu die ausführliche Diskussion bei W ARDLE, Jerusalem Temple, 121–129. Vgl. auch hierzu besonders W ARDLE, Jerusalem Temple, 127–129. 164 Vgl. den Begriff nh,pioj in Jos Ant 12,237. 163

2 Tempeltheologien und Tempelkritik

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Der Tempel in Leontopolis war offensichtlich als Kopie des Jerusalemer Originals angelegt165 und entsprechend dürften die Beweggründe für seine Errichtung vor allem religionspolitischer Natur gewesen sein. Eine präzisere Antwort auf diese Frage ist allerdings von den kaum eindeutig lösbaren Datierungsfragen abhängig. Wenn die Flucht Onias‘ IV. und sein Tempelbau sehr rasch nach dem Tod des Vaters etwa zwischen 170 und 167 erfolgten, wäre das Projekt ein direkter und wohl auch höchst populärer Protest gegen die seleukidische Kultur- und Personalpolitik und die Tempelentweihung gewesen. Erfolgte der Tempelbau dagegen erst – wie Josephus zu glauben scheint – zwischen 162 und 145 v.Chr., dann war der Tempel in Leontopolis eher ein Protest gegen die Okkupation des hohepriesterlichen Amtes durch die nicht-zadokidischen Hasmonäer.166 Für Onias IV. scheint nach den Angaben von Josephus in Bell 7,432 und Ant 13,64.68 eine Prophetie aus Jes 19,18–20 eine wesentliche Rolle für die Legitimierung der Tempelgründung nach innen gegenüber sich selbst und seinen Anhängern, wie nach außen gegenüber seinen Gegnern gespielt zu haben. Dort ist von einer „Stadt der Zerstörung“ (MT: sr,h,h; ry[i) bzw. einer „Stadt der Gerechtigkeit“ (LXX: Po,lij-asedek) und einem Altar für Jahwe in der Mitte Ägyptens die Rede.167 Es spricht manches dafür, dass Onias IV. diese Prophetie selbstreferentiell gelesen hat und sich dadurch legitimiert sah, einen Konkurrenztempel und ein zweites Jerusalem in Ägypten zu begründen, in dem er und seine zadokidische Dynastie den einzig legitimen Kult weiterführten. Das Unternehmen kann nicht als eine Substitution des Jerusalemer Priestertums verstanden werden, denn als legitim im eigentlichen Sinn betrachtete Onias IV. nur das ihm loyale oniadisch-zadokidische Priestertum, das aus seiner Perspektive unrechtmäßig ins Exil gedrängt wurde. Allerdings stellt der Schritt zur bewussten Gründung eines Konkurrenztempels 165 Jos Bell 1,33; 7,426–430; Ant 12,388; 13,63.72.285; 20,236. In 7,427 ist zwar von einem „Turm“ die Rede, was diese Ähnlichkeit aber nicht konterkarieren muss, da in der zeitgenössischen Literatur des Frühjudentums auch der Jerusalemer Tempel häufig symbolisch als „Turm“ beschrieben wird, vgl. äthHen 89,50.73; TJes 5,2; ShemR 20,5; Herm 9,3–13; Barn 16,5. Josephus, Ant 13,72, charakterisiert den Tempel zwar als „kleiner und ärmer“ als den Jerusalemer Tempel, bezieht sich dabei aber anachronistisch auf die Referenzgröße des Herodianischen Tempels. Die Höhe von 60 Ellen, Bell 7,427, entspricht relativ exakt den Maßen des zweiten, nachexilischen Tempels vor der herodianischen Restauration, vgl. Esr 6,3; Jos Ant 11,99; 15,385; Bell 5,215. Vgl. auch W ARDLE, Jerusalem Temple, 132: „In nearly every way, Onias seems to have been replicating the blueprints of the second temple in Jerusalem“, sowie HAYWARD, Leontopolis, 429–443. 166 Vgl. dazu W ARDLE, Jerusalem Temple, 136–139. 167 Zur komplexen Textgeschichte hinsichtlich der „Stadt der Zerstörung/ Gerechtigkeit“ und der hebräischen Textvariante „Stadt der Sonne“ (sr,x,h; ry[i) u.a. in 1QIsA, die auch vom Symmachus und der Vulgata übernommen wurde, vgl. W ARDLE, Jerusalem Temple, 134–136.

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zum Jerusalemer Original die kühnste Form der Etablierung eines alternativen „Seins vor Jahwe“ jenseits des Jerusalemer Kultes dar, die uns in der Zeit des zweiten Tempels begegnet. Unklar freilich bleibt, welcher Charakter diesem Konkurrenzheiligtum auf Dauer zugedacht war: Sollte es nur eine Interimslösung sein, eine Zuflucht für die oniadischen „Dissidenten“ oder tatsächlich dem Jerusalemer „Original“ den Rang ablaufen? Letztes wäre jedenfalls eindeutig gescheitert, denn noch nicht einmal das durch Philo vertretene ägyptische Diasporajudentum in Alexandrien nahm den Tempel in Leontopolis im 1. Jh. n.Chr. zur Kenntnis.168 Rückblickend konnte keiner der drei jüdischen Tempel außerhalb Jerusalems eine nachhaltige Bedeutung entwickeln. Es waren nicht die „Alternativtempel“, die zur dominierenden jüdischen Institution in der Diaspora wurden, sondern die Synagoge, die zu keiner Zeit in den Verdacht geraten konnte, den Jerusalemer Tempel in Frage zu stellen (→IV.7.1). Dennoch zeigt die Konsequenz, mit der die Römer am Ende des Jüdischen Krieges im Jahr 73 n.Chr. auch den Tempel in Leontopolis zerstörten, welche Dynamik und damit auch Gefahr die Römer hinter jüdischen Heiligtümern – wo auch immer sie standen – witterten und fürchteten.169 2.2.3 Ergebnis So unterschiedlich diese drei Tempel im Blick auf den historischen Kontext und die Motivation ihrer Errichtung auch gewesen sein mögen, so machen sie immerhin deutlich, dass es in nachexilischer Zeit nicht für alle Juden undenkbar war, dass es neben dem Jerusalemer Tempel noch ein weiteres oder auch alternatives Heiligtum geben konnte. Mit einem alternativen Heiligtum musste es aber auch alternative Priesterschaften in Konkurrenz zu den Jerusalemer „Kollegen“ geben. Gerade dieser Umstand ist beim samaritanischen Heiligtum auf dem Garizim ganz evident und in seiner politischen Wirkung für die Geschehnisse im 2. Jh. v.Chr. auch virulent. Während die Gemeinschaft des yaḥad sich „lediglich“ auf ein Substitut des Priestertums beschränkte und sich aufgrund ihrer Theologie mit einem metaphorischen Tempel begnügte, wurde in diesen Alternativtempeln das weitgehendste Konzept jüdischen „Seins vor Gott“ jenseits des Jerusalemer Tempels verwirklicht, über dessen zeitgenössische Relevanz und Wirkung die Quellen leider fast gänzlich schweigen. Zumindest das samaritanische Heiligtum auf dem Garizim wie auch der oniadische Tempel in Leontopolis spiegeln etwas von der Zerrissenheit des zeitgenössischen Judentums im Blick auf Tempel und Priesterschaft wider, aber auch von der Energie, die einzelne Gruppen und Interessenverbände 168 169

Vgl. zum Ganzen, FREY, Rival Temple, 196f. W ARDLE, Jerusalem Temple, 4.

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aufbrachten, um ihre kultischen und religionspolitischen Vorstellungen zu verwirklichen. 2.3 Tempelkritik und die Hoffnung auf einen eschatologischen Tempel Kritische Stimmen zum nachexilischen Tempelbau werden nach Esr 3,10– 13 bereits bei der Grundsteinlegung des neuen, zweiten Tempels laut.170 Bei der feierlichen Zeremonie kommt es zu einer eigentümlich gespaltenen Reaktion unter den zum gemeinsamen Lobpreis angetretenen Priestern. Während die jüngeren „jauchzend“ das Lob singen in Anbetracht des freudigen Ereignisses, brechen die älteren Priester, die noch den alten Tempel vor Augen hatten, in Tränen und Wehklage aus angesichts der bescheidenen Dimensionen des neuen Baus.171 Exakt diese Reaktion reflektiert auch Hag 2,3: „Ist unter euch noch einer übrig, der diesen Tempel in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und was seht ihr jetzt? Erscheint er euch nicht wie ein Nichts?“172

Von Beginn an haftete dem zweiten Tempel der Eindruck der Inferiorität gegenüber dem Vorgängerbau an. Im Tobitbuch, in zwei Targumen und in einer Reihe apokalyptischer Schriften und Texte wurde die Kritik am zweiten Tempel nicht direkt zum Ausdruck gebracht, sondern indirekt in Form einer eschatologischen Erwartung eines vollkommenen, (von Gott) neu zu errichtenden Tempels der Endzeit. Solche Erwartungen des Vollkommenen und Zukünftigen bedeuten jedoch immer eine indirekte Kritik am Unvollkommenen und Gegenwärtigen. 2.3.1 Das Buch Tobit In diesem Licht ist auch der Lobpsalm (Tob 13) und das Schlusskapitel des Tobitbuches (Tob 14) zu lesen.173 In Tob 13 entfaltet der Verfasser die 170

Übersichten zur Tempelkritik im Frühjudentum finden sich bei MCKELVEY, New Temple, 1–57; SANDERS, Jesus and Judaism, 77–90; DOWDA, Cleansing of the Temple, 3–171; LOSIE, Cleansing of the Temple, 1–230; ÅDNA, Kritik am Tempel, 145–296; KLAWANS, Purity, 145–174. 171 Vgl. auch Jos Ant 11,80–83. 172 Einheitsübersetzung. 173 Die Entstehungszeit des Tobitbuches wird in der Forschung in dem Rahmen zwischen der Kanonisierung des Prophetenkanons im späten 3. Jh. v.Chr. und dem Beginn der seleukidischen Religionskrise um 175 v.Chr., über die es keinerlei Hinweise in dem Buch gibt, diskutiert; vgl. FITZMYER, Tobit, 51. Terminus post quem ist die Kanonisierung der Propheten und die Abfassung der Chronik, vgl. Tob 14,5; absoluter terminus ante quem sind die in Qumran gefundenen Kopien aus der Zeit zwischen 100 v.Chr. und 25 n.Chr. Das Buch weist zahlreiche Berührungen mit anderen apokryphen Schriften auf, die FITZMYER, Tobit, 52, und EGO, Tobit, 899f., eine Datierung im späten 3. oder frühen 2. Jh. v. Chr. vermuten lassen.

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Vision eines endzeitlichen Jerusalem, in dem das „Zelt Gottes“ wieder aufgebaut werden wird (13,10f.), womit ein eschatologischer Tempel in einem idealtypischen, „himmlischen“ Jerusalem (13,16f.) gemeint ist.174 In dem das Buch abschließenden Epilog findet sich im Munde des scheidenden Tobit ebenfalls eine Prophetie, in der unter anderem auch die Zerstörung Jerusalems und des Tempels erwähnt wird (14,4), aber auch nach der Rückkehr des Volkes der Neubau eines Tempels (14,5), der jedoch betont vom alten, bestehenden abgerückt wird („nicht wie das erste [Haus]“). Anders als in 13,10f.16f. dürfte es hier um eine historische Reminiszenz an die bei Esra und Haggai erwähnte Enttäuschung über die Armseligkeit des nachexilischen Tempelbaus gehen, die in so starkem Kontrast zu den gewaltigen Visionen in Jes 54.56.60 und Ez 40–48 stand.175 Im selben Vers wird aber auch ähnlich wie schon in Tob 13,16f. nach dem Ablauf der „Zeit der Weltzeiten“ die Rückkehr aller Gefangenen angekündigt, die Jerusalem „ehrenvoll“ wieder aufbauen werden mitsamt dem „Haus Gottes“, das „für alle Geschlechter in Ewigkeit“ Bestand haben soll. 2.3.2 Das Jubiläenbuch Das Jubiläenbuch176 stammt offensichtlich aus einem Milieu, in dem Fragen des Kultes, des Kultkalenders, der Kultfähigkeit, der Priesterkleidung, 174 So richtig SCHÜNGEL-STRAUMANN, Tobit, 172f.: „Jedoch handelt es sich hier … um eine Zukunftsvision, um die Funktion eines irdisch-himmlischen Jerusalem als Mittelpunkt der Welt […] Damit [sc. dem Zelt in V. 10f.] kann zur Zeit Tobits nicht der Tempel aus Stein gemeint sein, dieser steht ja seit langem wieder, der altertümliche Ausdruck für das Heiligtum deutet vielleicht an, daß es dem Verfasser um einen idealen, einen zukünftigen Ort geht, das Zelt als eigentlicher Ort der Begegnung zwischen Gott und Mensch, der weitaus herrlicher sein wird als das Gebäude in Jerusalem“ [kursiv bei S.-S.]; vgl. auch a.a.O., 174: „Diese Vision einer märchenhaften Zauberpracht des himmlischen Jerusalem drückt mit der Zahl sieben die Vollkommenheit und Abgerundetheit dieses Kunstwerks aus. Eine solche Pracht ist schlechthin nicht mehr zu überbieten.“ F ITZMYER, Tobit, 312, denkt dagegen eher an die Wiedererrichtung des zweiten Tempels. 175 SCHÜNGEL-S TRAUMANN, Tobit, 179; FITZMYER, Tobit, 329f.; W ARDLE, Jerusalem Temple, 52. 176 Die Entstehung des Jubiläenbuches wird gewöhnlich in der Mitte des 2. Jh. v.Chr. vermutet. Den terminus ad quem stellt die paläographische Evidenz in den Qumranschriften dar, unter denen auch Abschriften des Jubiläenbuches aus der Zeit zwischen 125 und 100 v. Chr. gefunden wurden; die älteste Abschrift ist 4Q126; vgl. zur Evidenz die Liste bei SCHÜRER/VERMES, History III/1, 309, Anm. 1, und B ERGER, Jubiläenbuch, 286. VANDERKAM, Origins, 19f.; DERS., Jubilees, 18–21, bestimmt den Entstehungszeitraum auf die Jahre 161–140 v.Chr., wobei er die Jahre 161–152 bevorzugt, B ERGER, Jubiläen, 300, plädiert dagegen für die Jahre 145–140 v.Chr., weil neben den ausführlich dargestellten Strafexpeditionen von Judas Makkabäus gegen Edomiter, Jub 38,14, Amoritier, 29,9–11; 34,4–9, und Philister, Jub 24,28–32, in den Jahren 163–161 v.Chr. und der Polemik gegen den seleukidischen Kultfrevel in Jerusalem unter Antiochus IV. Epiphanes, Jub 23,21, auch der Tod Ptolemaios VI. im Jahr 145 v.Chr. in Jub 46,6–11

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des Priesterzehnten und die Gestalt Levis eine hervorgehobene Rolle spielten. Die Besonderheit im Vergleich mit der biblischen Überlieferung ist die Verortung der Gabe des Gesetzes bereits in der Väterzeit vor dem Sinaibund. Entsprechend werden bereits die Väter in einem priesterlichen Habitus gezeichnet (Jub 3,27; 4,25; 31,12–17; 45,16). Die Autoren sahen die Identität des Volkes durch den Hellenismus bedroht und reagierten darauf mit einem nationalistisch-antihellenistischen Impetus und der Betonung der Absonderung von allem Heidnischen. Die Wahrung der jüdischen Identität wird unter Rückgriff auf die Vätertraditionen vollzogen: „Der Widerstand gegen den Hellenismus war nur möglich um den Preis repristinierenden priesterlichen Denkens.“177 Verschiedene Merkmale wie das Verbot der Kriegsführung am Sabbat (50,12; vgl. 1Makk 2,32.39ff.) und auch Jub 23,19.26 legen nahe, die Verfasser im Milieu der Asidäer, Chasidim bzw. Anawim zu suchen, die Träger der makkabäischen Bewegung waren.178 Das Jubiläenbuch spricht zwar im Prolog179 in einem eschatologischen Ausblick (Jub 1,27.29, vgl. 1,17; 25,21) vom Bau eines Heiligtums „für die Ewigkeit der Ewigkeiten“, also einem Tempel mit ewigem Bestand. Dagegen findet sich jedoch im Rahmen einer apokalyptischen Schau in Jub 23,9–32, in welcher die Zunahme der Bosheit und Unreinheit beklagt wird, auch die Aussage: „… das Allerheiligste werden sie verunreinigen durch die Unreinheit des Verderbens ihrer Befleckung“ (V. 21).180 Da lediglich der Hohepriester legitimiert ist, am Yom Kippur das Allerheiligste zu betreten, kann sich diese Kritik nur auf ihn beziehen.181 Konkret wird ihm Ungerechtigkeit und unreines Sexualverhalten vorgeworfen. Vom Kontext her ist an die hasmonäischen Ämterhäufung und -vermischung zu denken vorausgesetzt würde, was damit als terminus post quem zu gelten habe. Gegen diese Identifikation zeitgeschichtlicher Ereignisse wurden jedoch in den letzten Jahren Einwände erhoben, weil die Bezüge alles andere als eindeutig sind, vgl. SEGAL, Jubilees, 36ff. Nach SEGAL, a.a.O., 37f.320, ist die einzige belastbare zeitgeschichtliche Reminiszenz die Erwähnung der innerjüdischen Spannungen in der Vision in Jub 23,9–32, die auf den Kontext der seleukidischen Religionskrise und einen innerjüdischen halachischen Disput hindeuten. Die zahlreichen Berührungen mit dem Schrifttum aus Qumran, wie z.B. dem Sonnenkalender, und die vielen in Qumran gefundenen Abschriften des Buches, legen eine zeitliche Nähe zur Entstehung der frühen Qumranschriften in der Mitte des 2. Jh. nahe, vgl. SEGAL, Jubilees, 321f. Zu den Einleitungsfragen vgl. auch W INTERMUTE, Jubilees (OTP II), 35–50; SCHÜRER/VERMES, History III/1, 308–316; NICKELSBURG, Art. Jubilees (CRINT II/2), 97–104. 177 BERGER, Jubiläenbuch, 298. 178 B ERGER, Jubiläenbuch, 299; SCHÜRER/VERMES, History III/1, 314; W INTERMUTE, Jubilees (OTP II), 45. 179 Eine Einführung in den Prolog findet sich bei VANDERKAM, Jubilees, 23–28. 180 Übersetzung nach B ERGER, Jubiläenbuch, 444. 181 VANDERKAM, Jubilees, 58.

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(vgl. 1Makk 10,15–21). Während der Text ab V. 26 von einer Umkehr des Volkes und einer beginnenden Heilszeit berichtet, bleibt offen, welche Folgen die Verunreinigung des Allerheiligsten für den Tempel hat. Möglicherweise müssen deshalb bereits Jub 1,15–18 und 1,27–29 im Sinne des Neubaus eines eschatologischen Tempels verstanden werden, der allerdings nicht von Menschenhand errichtet wird, sondern ein Neuschöpfungswerk Gottes (1,29) darstellt.182 2.3.3 Die Zehnwochenapokalypse Von einer Zerstörung und eschatologischen Neugründung des Tempels ist auch in der sog. Zehnwochenapokalypse in der sog. Epistel Henochs, dem fünften Teil des äthiopischen Henochbuches, die Rede.183 Die Weltgeschichte wird in der Aufeinanderfolge von zehn Wochen erzählt. Am Ende der fünften Woche wird „das Haus der Herrlichkeit und Herrschaft für die Ewigkeit“ gebaut werden (93,7; vgl. Barn 16,6), womit wohl der salomonische Tempel gemeint ist. Dieser wird allerdings in der gleich folgenden sechsten Woche aufgrund der Verblendung der Menschen und ihrer Herzen wieder verbrannt und „das ganze Geschlecht der auserwählten Wurzel“ wird zerstreut (93,8), was mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Eroberung Jerusalems, die Zerstörung des salomonischen Tempels und die Exilierung Judas zu beziehen ist.184 Es folgen am Ende der siebten Woche, welche die Gegenwartszeit des Autors ist, abermals ein Abfall des Volkes, an dessen 182

Vgl. auch 11QT 29,9 sowie ǺDNA, Stellung, 44f. Die sog. „Zehnwochenapokalyse“ gehört zum fünften Hauptteil des äthiopischen Henochbuches und ist vermutlich das älteste Teilstück dieser sog. Epistel Henochs, äthHen 92–105, deren Entstehung allgemein in der Mitte des 1. Jh. angenommen wird. Die Entstehung der „Zehnwochenapokalypse“ wird dagegen bereits im ersten Drittel des 2. Jh. datiert. UHLIG, Henochbuch, 709, nimmt eine Entstehung spätestens in der Mitte des 1. Jh.v.Chr. an, während N ICKELSBURG, 1Enoch, 441, und STUCKENBRUCK, 1 Enoch, 60–62, von einem Termin kurz vor dem Makkabäeraufstand ausgehen; vgl. auch HENGEL, Judentum, 305.320, Anm. 443. STUCKENBRUCK, a.a.O., 60, begründet dies auch damit, dass es keine entschlüsselbaren Anklänge an historische Ereignisse nach dem Makkabäeraufstand gibt. Die Abfolge der Apokalypse ist durch die Zählung in Unordnung geraten und muss aufgrund der Wochenzählung nach UHLIG, Henochbuch, 495– 497, wie folgt aussehen: äthHen 92,1–5; 93,1–10; 91,11–17; 93,11–105. Zu den Einleitungsfragen vgl. auch ISSAC, 1 Enoch (OTP I), 5–12, und STONE, Art. 1 Enoch (CRINT II/2), 395–406, v.a. 405. 184 Die Frage, warum der Tempel in 93,7 als „für die Ewigkeit“ charakterisiert und unmittelbar darauf seine Zerstörung berichtet wird, ist schwer zu beantworten. N ICKELSBURG, 1Enoch, 447, zieht in Erwägung, dass der Autor hier an den Tempel als Institution denkt. Dagegen plädiert STUCKENBRUCK, 1 Enoch, 110, eher für eine Anspielung auf die Monarchie, konkret auf das davidische Königtum. Die Tatsache, dass weder die Babylonier als die eigentlichen Zerstörer des Tempels noch die Umstände der Zerstöung erwähnt werden, ist auf die Fokussierung des Autors auf das Verhältnis zwischen Gott und Israel zurückzuführen, STUCKENBRUCK, 1 Enoch, 117. 183

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Ende aber die „Gerechten“ auserwählt werden, um eine siebenfache Belehrung zu empfangen. In der achten Woche „der Gerechtigkeit“ wird dann das Gericht an den Gewalttätern und Sündern stattfinden und an ihrem Ende wird „ein Haus gebaut werden für den großen König zur Herrlichkeit bis in Ewigkeit“ (91,13).185 Mit diesem „Haus für den großen König“ ist ein neuer, eschatologischer Tempel für den Gott Israels gemeint (vgl. dieselbe Formulierung in 93,7f.).186 Dieser ist offensichtlich nicht identisch mit dem nachexilischen Tempel, der in dieser Zehnwochenapokalypse merkwürdiger Weise keine Erwähnung findet. Damit wird faktisch die gesamte nachexilische Zeit des zweiten Tempels als eine Epoche der Apostasie qualifiziert und das Urteil L. Stuckenbrucks scheint durchaus berechtigt: „The absence of any allusion to the Second Temple in the Apocalypse suggests that the author and his community do not support the Jerusalem cult or at least do not have any direct involvement in it.“187 Der zweite Tempel hatte für den Verfasser der Zehnwochenapokalpyse keine Heilsrelevanz mehr.188 2.3.4 Die Tiersymbolapokalypse Eine solche (Dis)Qualifikation des zweiten Tempels liegt eindeutig auch in der sog. „Tiersymbolapokalypse“ (äthHen 85–90) vor, die zum vierten Teil des äthiopischen Henochbuches gehört, dem „Buch der Traumgesichte“ (äthHen 83–90), und ein Beispiel für die frühapokalyptische Geschichtsdeutung ist.189 Auch sie könnte ihren Ursprung im Milieu der Chasidim gehabt haben.190 Diese Tiersymbolapokalypse schildert die Weltgeschichte von Adam bis zur Vollendung durch den Auftritt von Tiergestalten. Nachdem in solch metaphorischer Form das Ringen um den Thron zwischen Saul und David geschildert wurde (89,47–49), folgt die Beschreibung eines großen Hauses, auf dem ein großer und hoher Turm steht, vor den ein vol185 Die Errichtung des eschatologischen Tempels in der achten Woche legt nahe, dass er eine Voraussetzung für die Durchführung des Endgerichts darstellt. 186 Vgl. zur Hoffnung auf einen eschatologischen Tempel auch Jes 56,7f.; 60; 65,17– 25; 66,1; Ez 40,5–43,17. 187 STUCKENBRUCK, 1 Enoch, 133. 188 STUCKENBRUCK, 1 Enoch, 137f.: „Although the Apocalypse does not contain any explicit polemic against the Jerusalem Temple of his day, the author (and his community) would have regarded it as uninspiring and of no salvific import.“ 189 UHLIG, Henochbuch, 673. Diese Tiersymbolapokalypse wird oft zusammen mit der Zehnwochenapokalypse zu den ältesten Stücken des äthiopischen Henochbuches gerechnet und meistens in die Anfänge der Makkabäerzeit terminiert. UHLIG, Henochbuch, 673f., datiert den terminus ad quem auf das Jahr 165/164 v.Chr.; ähnlich NICKELSBURG, 1Enoch, 361, und B LACK, Enoch, 20. Zu den Einleitungsfragen vgl. auch ISSAC, 1 Enoch (OTP I), 5–12, und STONE, Art. 1 Enoch (CRINT II/2), 395–406; v.a. 404f. 190 N ICKELSBURG, 1Enoch, 363. Er verweist auf die Ähnlichkeiten zu Schriften wie dem Damaskusdokument, dem Jubiläenbuch und der Gemeinderegel (1QS).

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ler Tisch gesetzt wird (V. 50). Vor dem Hintergrund des weiteren Kontextes (v.a. V. 66f.) wird deutlich, dass es sich bei dem Haus um Jerusalem, beim Turm um den Tempel und beim Tisch um den Brandopferaltar handelt. Nachdem in 89,66f. die Niederbrennung des Turmes und die Zerstörung des Hauses erzählt wird, ist folgerichtig in V. 73 vom Neubau des „Turmes“ und des „Tisches“ die Rede. Bemerkenswert sind hier zwei Dinge: Zum einen wird von dem neuerbauten „Turm“ gesagt, dass man ihn den „hohen Turm“ „nannte“, während der erste, zerstörte Turm in V. 50 als „großer, hoher Turm“ apostrophiert wird. Wieder klingt die Kritik an der Insuffizienz des neuen Tempelbaus an.191 Zum anderen endet der Vers mit der merkwürdigen Notiz: „… aber alles Brot auf ihm (war) verunreinigt und nicht rein.“ Hier findet die Kritik Maleachis an der Minderwertigkeit unvollkommener Opfer ihren Widerhall (vgl. Mal 1,7–12 sowie CD 4,17– 5,19). Während andere frühjüdische Schriften, wie z.B. die Makkabäerbücher den Tempel erst durch den Kultfrevel des Antiochus IV. Epiphanes verunreinigt und entweiht sahen, betrachtet die Tiersymbolapokalypse den zweiten Tempel bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt nach dessen Wiederaufbau als verunreinigt und damit als ungeeignet für die eschatologische Vollendung. Die Gründe für diese überraschende Qualifikation sind nicht ersichtlich. Im Zuge einer (durch den Makkabäeraufstand eingeleiteten?; vgl. 90,6ff.) eschatologischen Wende mündet die Geschichte in die Vollendung des Reiches Gottes. In 90,28f. wird dann erzählt, wie Gott das „alte Haus“ (sc. Jerusalem) entfernt und ein neues Haus bringt, „größer und höher als jenes erste und er stellte es an den Ort des ersten, das entfernt worden war“.192 Aufgrund der Tatsache, dass die Metapher des „Turmes“ nicht mehr erwähnt wird, ist in der Forschung umstritten, ob der Text nur von einer neuen, tempellosen Stadt Jerusalem ausgeht, oder ob der Tempel bei diesem neuen Haus mitzudenken ist.193 Während diese Frage vom Text her nicht eindeutig geklärt werden kann, ist soviel ganz deutlich: Die Apokalypse erwartete die aufgrund seiner sehr frühen Verunreinigung unausweichliche Entfernung des zweiten Tempels durch Gott selbst. Nirgendwo wird im Frühjudentum eindeutiger die Insuffizienz des zweiten Tempels zum Ausdruck gebracht als in diesem Text. Im Licht des erwarteten „eigentlichen“ Heiligtums musste das bestehende Heiligtum 191

NICKELSBURG, 1Enoch, 394; vgl. Esr 3,12–13. Die Begriffe „altes“ und „neues Haus“ stellen Symbole für das alte und neue Jerusalem dar, vgl. Ez 40–48; Jes 54,11f.; Hag 2,7–9; Sach 2,6–13. 193 So ganz entschieden („no doubt“) B LACK, Enoch, 278. Vgl. die Diskussion bei P AESLER, Tempelkritik, 161–163; ÅDNA, Stellung, 42f. NICKELSBURG, 1Enoch, 404, bemerkt, dass mit der Beschreibung des Hauses als „größer und höher“ sowohl die Eigenschaften des Hauses „Jerusalem“ als auch des Turms, der den Tempel symbolisiert, gemeint sein könnte. Zu beachten ist, dass dieses Haus nicht mehr nur „hoch“ genannt wird, vgl. 89,73, sondern dass es faktisch „höher“ ist. 192

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zwangsläufig an Bedeutung verlieren und eine Aura des Defizitären bekommen.194 Die Sehnsucht nach einem heilvollen „Sein vor Gott“ wird hier in die eschatologische Zukunft projiziert. 2.3.5 Die Qumranschriften Wie noch unter →IV.2.2 weiter ausgeführt werden wird, verstand sich der yaḥad in einem tempeltheologischen Licht und unterzog in diesem Zusammenhang den Tempelbegriff einer hermeneutischen Metaphorisierung.195 Der yaḥad selbst wird zu einer „ewigen Pflanzung“, einem „heiligen Haus für Israel“, einem „Heiligen der Heiligen für Aaron“ (1QS 8,5f.). Im Sinne einer Substitution des als verunreinigt und korrumpiert verstandenen Jerusalemer Kultes übernahm nun während der „Zeit des Frevels“ die Gemeinschaft selbst kultische Funktionen, die seither an das Jerusalemer Heiligtum gebunden waren. Allerdings ist die Substituierung des Jerusalemer Tempels durch den yaḥad nur ein vorübergehendes und partielles Interim.196 Denn für den Opferkult wird keine wirkliche Entsprechung geschaffen und die Substitution bleibt eine uneigentliche (vgl. CD 11,20–21; 1QS 9,4–5). Dies hat seinen Grund in der zukünftigen Erwartung einer Restauration sowohl des halachisch korrekten Tempelkultes als auch der Errichtung eines gegenüber dem bestehenden Tempel neuen Tempelgebäudes.197 Der yaḥad konnte und wollte weder den verunreinigten Tempel in Jerusalem voll ersetzen noch

194 LOHMEYER, Kultus, 109: „Wenn dieses eschatologische Gotteshaus aber alles Bisherige vollendet, so ist es diesem (sc. dem Jerusalemer Tempel) auch ein scharfer und unerbittlicher Feind, wie das Vollkommene immer Feind des Unvollkommenen ist.“ 195 Vgl. 1QS 8,4–10; 9,3–6; 11,8; 4Q174 3,2f.; vgl. HOGETERP, God’s Temple, 105– 108, sowie die Arbeiten von GÄRTNER, Temple, und KLINZING, Umdeutung. So werden das „Heilige“ und das „Allerheiligste“ des Tempels in 1QS 8,5ff., 9,3f. u.ö. auf die abgesonderte, aber von Gott erwählte Heilsgemeinde des yaḥad bezogen. In 1QpHab 7,10f. wird der Jerusalemer Kultus mit dem wahren Gottesdienst der Gemeinschaft kontrastiert. Der yaḥad gewinnt somit als „Stätte des Allerheiligsten Aarons“ (1QS 8,5f.) eine idealtypische Funktion. 196 Anders KLINZING, Umdeutung, 92f., der hinter den Aussagen zur Identifikation des yaḥad als Tempel und den Erwartungen eines zukünftigen Tempels hier zwei konkurrierende Vorstellungen sehen will. Als Hintergrund vermutet er priesterliche Kreise in der Gemeinde, welche die Hoffnung, eines fernen Tages wieder den Priesterdienst in einem restituierten Heiligtum ausüben zu können, nur ungern preisgegeben hätten. 197 Vgl. 4Q174 3,1–5; 11QT 29,9f., und möglicherweise auch 4Q171 3,8–13; 1QM 2,1–6; 2Q24 Fr. 8; sowie ÅDNA, Stellung, 46.99–106; P AESLER, Tempelwort, 158ff.; HORN, Paulus und der Herodianische Tempel, 191, und HOGETERP, God’s Temple, 92f.96f.100–104.111–113, der das Fazit zieht, a.a.O., 114: „The sectarian eschatological perspective envisages the eventual restoration of the Temple. This precludes the idea of a fundamental and definite substitution-theology“; ähnlich KLAWANS, Purity, 158–161.

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die eschatologische Erwartung eines neuen Tempels verdrängen.198 Von daher wäre auch die Bezeichnung dieses Vorgangs mit der Kategorie der „Spiritualisierung“ nicht treffend beschrieben. Es wird hier nicht etwas vergeistigt, sondern ein Konkretum, das für die Gemeinschaft seine Funktion verloren hatte, wird bis zur Ankunft eines besseren, nicht minder konkreten Tempels provisorisch substituiert.199 Der prominenteste Beleg für eine in den Qumranschriften existierende Hoffnung auf einen eschatologischen Tempel ist das Florilegium in 4Q174, das auch als „Midrasch zur Eschatologie“ bekannt ist,200 wo es in der 3. Kolumne heißt: „Das ist das Haus, das er für [sich errichten wird] am Ende der Tage, wie geschrieben steht im Buch [des Mose (?): „Das Heiligtum,] Jahwe, das deine Hände bereitet haben. Jahwe ist König für immer und ewig! [Ex 15,17b-18]“ (4Q174 3,2f.). Der Autor verknüpft Ex 15,17f. mit 2Sam 7,10 und betrachtet beide Belege als eine Referenz für das eschatologische Heiligtum. In den Z. 5f. ist unmittelbar danach vom verwüsteten Heiligtum Israels die Rede, womit der Salomonische Tempel gemeint ist, und in Z. 6f. ist in positiver Weise von einem „Heiligtum von Menschen“ die Rede. Es ist nicht eindeutig, ob hier dasselbe Heiligtum gemeint ist wie in Z. 2f.201 Wäre dies der Fall, dann müsste wohl auch das „Haus, das Gott am Ende der Tage errichten wird“, auf den yaḥad bezogen werden. Wahrscheinlicher aber dürfte die Interpretation von D. Dimant sein, dass hier drei unterschiedliche Heiligtümer gemeint sind.202 Damit wären also in 4Q174 neben dem in Z. 5f. erwähnten zerstörten Salomonischen Tempel auch vom Interimstempel des yaḥad die Rede, dem „Heiligtum von Menschen“ (Z. 6f.), und schließlich noch von der Erwartung eines eschatologischen Heiligtums (Z. 2f.).

Im Licht dieser eschatologischen Hoffnung bleibt das Verhältnis der Qumranschriften zum Jerusalemer Tempel ein ambivalentes: „[T]he sectarians dealt with their separation from the temple in three ways. First, 198

KLAWANS, Purity, 173: „… it is also important to emphasize that the sectarians did not view their own institution as in any way better than a proper temple would be. Indeed, they did not even view their own institution as an equivalent for the current temple, defiled as it was.“ 199 K LAWANS, Purity, 167f., weist in diesem Zusammenhang auch auf die nur begrenzte Wirksamkeit der in den Qumranschriften erwähnten Sühneriten hin. Obwohl die Standards für zu sühnendes Fehlverhalten in den Qumranschriften höher und die Strafen für Gebotsübertretungen schärfer waren, scheinen die sühnenden Riten eher eine schwächere Wirkung gehabt zu haben. 200 Das Florilegium wird gewöhnlich in die erste Hälfte des 1. Jh. v.Chr. datiert; vgl. STEUDEL, Midrasch, 202–210; DIES., Texte aus Qumran II, 187ff. Vgl. zum Inhalt und der Diskussion von 4QMMT SCHIFFMAN, Community, 269–281; DERS., Miqsat Ma’asé Ha-Torah, 435–457; sowie Q IMRON/STRUGNELL, Qumran Cave 4. 201 Zur Diskussion, ob es hier um zwei oder drei verschiedene Tempel geht, und zur Bedeutung des „Heiligtums von Menschen“ vgl. auch SCHWARTZ, Three Temples, 83– 91; W ARDLE, Jerusalem Temple, 157–160; KLAWANS, Purity, 162f., und MAIER, Art. Temple (EncDSS), 923.926. 202 D IMANT, 4Q Florilegium, 177f.188; vgl. YADIN, Midrash on 2 Sam vii, 95–98; FLUSSER, Two Notes, 88–98; ebenso etwas vorsichtiger ZIMMERMANN, Messianische Texte, 109; ÅDNA, Stellung, 106; W ARDLE, Jerusalem Temple, 159.

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they looked forward to a new, renewed temple. Second, they turned their minds to the heavenly temple and cult. Third, they viewed their community as a replacement for the temple.“203 Soziologisch betrachtet finden wir in den Qumranschriften eine qualitativ andere Reaktion auf die durch Antiochus IV. ausgelöste Religions- und Kultkrise als in den anderen uns bekannten Dokumenten und Bewegungen.204 An die Stelle der andernorts zu beobachtenden Reformbemühungen ist hier die schroffe Ablehnung und der Boykott des Vorfindlichen und der Rückzug in die religiöse und soziale Isolation getreten.205 Die Kompensation des als defizitär bewerteten Jerusalemer Kultpraxis findet hier einen Ausdruck in Form der äußeren Emigration. Doch bei aller Distanz zum zeitgenössischen Jerusalemer Kult besitzt der Tempelkult „an sich“ auch in den Qumranschriften eine durchgängig positive Konnotation. „So fallen schroffste Kritik am bestehenden Tempel mit höchster Bejahung des Tempelkultes in eins.“206 2.3.6 Die Sibyllinen Auf eine sehr komplexe Entstehungsgeschichte blicken auch die Sibyllinischen Bücher zurück. Den eindeutig ältesten Teil dieser 14 Bücher umfassenden apokryphen jüdisch-christlichen Orakelsammlung stellen die jüdisch-hellenistischen Bücher III–V dar. In diesen Büchern, die ihre Endgestalt vor dem Bar Kochba-Aufstand erhalten haben und deren Ursprünge im ägyptischen Diasporajudentum liegen,207 gehen die ältesten Orakelsprüche auf das 2. und 1. Jh. v.Chr. zurück. 203

W ARDLE, Jerusalem Temple, 150; vgl. 1QS 5,5f.; 8,5–7; 9,3–6. Vgl. KLAWANS, Purity, 161: „[W]e have no reason to suppose from any of our sources regarding the Pharisees or Sadducees that either group rejected the temple in any way, at any time.“ 205 Während z.B. in PsSal 7,1 betont wird, dass die Gegenwart Gottes sich noch nicht vom Tempel entfernt hat und bei Ben Sira die großzügige Unterstützung des Tempels von den Lesern erbeten wird, vgl. Sir 35,10–12, wird z.B. in 1QpHab 7f.; CD 5,6 und 20,23 die endgültige Verunreinigung des zweiten Tempels konstatiert; vgl. auch KLAWANS, Impurity, 146f.152. 206 J. MAIER, Tempelrolle, 67f. Die positive Rolle des Kultes an sich zeigt sich v.a. in der Tempelrolle; vgl. J ANOWSKI und LICHTENBERGER, Enderwartung, 53: „In Form eines an Mose gerichteten Gotteswortes am Sinai beziehen sich ihre Bauanweisungen ‚nicht auf einen idealen Tempel der Zukunft, sondern auf den – nichtexistenten - Tempel der Jetztzeit, den nach der Landnahme zu erbauen Salomo versäumt hat‘.“ 207 Das älteste Stück der Sammlung ist nach MERKEL, Sibyllinen, 1059f, das 3. Buch. Als terminus post quem sieht er aufgrund von 3,46–62 die Jahre nach der Schlacht von Actium, 31 v.Chr. Das vierte Buch ist in seiner heutigen Gestalt in den 80er Jahren des 1. Jh. n.Chr. entstanden, da es in 4,116 und 4,125f. Hinweise auf die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und in 4,130–136 eine Anspielung auf den Ausbruch des Vesuv 79 n.Chr. gibt, MERKEL, a.a.O., 1064. Auch das fünfte Buch hat als terminus post quem die Tempelzerstörung. Die Endredaktion datiert MERKEL, a.a.O., 1065ff., schließlich in die Zeit 204

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So geht wahrscheinlich ein Großteil des dritten Buches inklusive aller Tempelbelege auf die Mitte des 2. Jh. v.Chr. zurück. Hier wird wiederholt das Jerusalemer Heiligtum erwähnt. Sib 3,652–731 erzählt von einem König, der ein Friedensreich mit einem imposanten Tempelbau errichtet. Allerdings schließen sich seine neidischen Nachbarkönige zum Krieg gegen Reich und Tempel zusammen (661ff.), werden jedoch durch feurige, vom Himmel fallende Schwerter Gottes vernichtet (671ff.) mit dem Resultat, dass die „Söhne Gottes“ fortan sicher um den Tempel wohnen (702f.) und in ihm einen eschatologischen Gottesdienst feiern (718f.). Während sich eine ähnliche Hochschätzung des Tempels auch im fünften Buch findet (Sib 5,397–407.414–433), ist der Ton im vierten Buch deutlich anders, bedingt durch seine Perspektive nach 70 n.Chr. Bereits in der Einleitung (Sib 4,8–11) wird postuliert, dass Gott keinen Tempel aus niedergesetzten Steinen hat, sondern einen himmlischen Tempel, den man mit menschlichem Auge freilich nicht sehen kann. In 4,24–30 werden dann jene gepriesen, die den großen Gott lieben und deshalb „alle Tempel, wenn sie sie sehen, verleugnen werden und Altäre, eitle Bauwerke aus tauben Steinen, befleckt mit dem Blut lebender (Wesen) und mit Opfern von Vierfüßlern“.208 Das vierte Buch überrascht mit einem eigentümlichen Schweigen in Bezug auf den Jerusalemer Tempel und einer Fundamentalkritik an allen Tempeln und Kulten. Eine Unterscheidung zwischen dem Jerusalemer Tempel und paganen Tempeln wird nirgendwo sichtbar. Das Buch kontrastiert diese mit der Vision eines himmlischen Tempels, der jedoch nicht auf die Erde herabkommt, sondern himmlisch bleibt.209 Zusammengefasst vereinen die Sibyllinen eine große Breite tempelkritischer Positionen mit unterschiedlichen Lösungsansätzen. 2.3.7 Targum Sach 6,12f. und Jes 53,5 Eine ganze Reihe weiterer frühjüdischer Texte bringt eine Kritik am bestehenden und die Hoffnung auf einen neuen eschatologischen Tempel zum Ausdruck,210 aber nur in sehr wenigen spielt der Messias bei diesem Neubau eine Rolle. Eindeutig ist dies nur bei den Targumen zu Sach 6,12f. und Jes 53,5.211 Hadrians. Zu den Einleitungsfragen vgl. auch COLLINS, Sibylline Oracles (OTP I), 317– 329, und DERS., Art. Sibylline Oracles (CRINT II/2), 357–381. 208 Übersetzung nach MERKEL, Sibyllinen, 1109f. 209 W ARDLE, Jerusalem Temple, 90f. 210 Vgl. Sach 14; Test Benj 9,2; Tob 13,10; 14,5b; AssMos 5,3f.; VitProph 10,8; 12,11ff.; Jos Bell 4,323; Ant 20,165f.; LibAnt 19,6f.; ApkAbr 27,2–5; BemR 15,10 und MekhY shirata X. 211 ÅDNA, Stellung, 76–86, möchte noch eine Reihe weiterer Targumbelege messianisch interpretieren, wie z.B. die Targume zu 2Sam 7,13/1Chr 17,12, und Sach 4,7, deren Aussagen allerdings keine sicheren Schlüsse zulassen.

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Im Targum Jonathan zu Sacharja findet eine Messianisierung bestimmter Belege statt, die in ihrer masoretischen Vorlage lediglich von einem „Spross“ (Sach 3,8; 6,12) bzw. einem „Scheitelstein“ (Sach 4,7) sprechen. Die bedeutendste Auslegung im Kontext des Tempelbaus ist TSach 6,12f: „Und du [sc. der Prophet Sacharja] sollst zu ihm [sc. dem Hohenpriester Josua, vgl. V. 11] sprechen und sagen: So spricht der Herr der Heerscharen: Siehe, der Mann, dessen Name der Messias ist, wird geoffenbart und aufgerichtet werden, und er wird den Tempel des Herrn bauen. Ja, er wird es sein, der den Tempel des Herrn bauen wird, und er wird im Glanz erhöht werden, und er wird auf seinem Thron sitzen und herrschen. Und es wird ein Hoherpriester auf seinem Thron sein, und es wird Friede zwischen den beiden sein.“212

Wir finden hier eine Art „Doppelspitze“ vor: Neben dem königlichen Messias sitzt auch in friedlichem Einvernehmen ein Hohepriester auf dem Thron.213 An die Stelle des masoretischen xm;c, ist im Targum jedoch der Begriff ax;yvim. getreten. Die im biblischen Text dem „Spross“ zugeschriebene Hauptaufgabe des Tempelbaus wird nun auf den Messias übertragen. Während die Thematik des Tempelbaus in TSach 6,12f. ebenso wie in T2Sam 7,13 und 1Chr 17,12 vom biblischen Text her vorgegeben war, ist dies in TJes 53,5 nicht der Fall, was diesem Beleg eine besondere Bedeutung verleiht, da die hier angekündigte Tempelbautätigkeit des Messias ohne Anhaltspunkt am masoretischen Text eingefügt wird: „Und er [sc. der Messias, vgl. TJes 52,13] wird das Heiligtum aufbauen, das entweiht wurde wegen unserer Sünde, ausgeliefert wegen unserer Ungerechtigkeiten. Und durch seine Lehren wird Friede zunehmen über uns, und dadurch, dass er seine Worte eifrig befolgt, wird uns unsere Sünde vergeben.“214

Die starke Abweichung von der masoretischen Vorgabe ist charakteristisch für die gesamte Wiedergabe des vierten Gottesknechtsliedes (Jes 52,13– 53,12). Der Targumist hat bereits an anderen Stellen die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass der Tempel durch die Sünde Israels entweiht ist (vgl. TJes 5,1–4; 28,9–13), was zum Rückzug der Shekhina Gottes aus dem Tempel führt (TJes 5,5; vgl. Ez 10,18f.; 11,22f.), die Zerstörung des Tempels nach sich zieht (TJes 5,5; 32,14; 63,17f.) und Israel ohne die Präsenz Jahwes in seiner Mitte sein lässt (vgl. TJes 57,17; 59,2). Dieser Zustand wird nach TJes 53,5 eben durch den Neubau des Tempels durch den Messias beendet.215

212

Übersetzung nach DALMAN, Aramäische Dialektproben, 12. Vgl. dazu auch TJer 33,21f.; T1Sam 2,35. 214 Übersetzung nach B ARRETT/THORNTON, Texte, 353f. 215 Zur Diskussion, ob TJes 53,5 als eine Glosse von TSach 6,12f. her zu verstehen ist vgl. ÅDNA, Stellung, 83f. 213

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2.3.8 Ergebnis Rückblickend ergeben sich zwei Hauptlinien der Kritik. Eine erste, sehr frühe Linie sah bereits in den bescheidenen Dimensionen des zweiten Tempels einen Ausdruck seiner Insuffizienz. In späterer Zeit liegt der Schwerpunkt der Kritik auf dem Eindruck der Verunreinigung durch eine kultisch inkompetente (Hohe)Priesterschaft, die nicht mehr den erwarteten Heiligkeitsstandards genügte und mangels ihrer Integrität das Volk nicht mehr heilswirksam vor Gott repräsentieren konnte. So scharf die Kritik hier auch formuliert wird, so sehr bringt sie gleichzeitig die hohen und ungebrochenen Erwartungen an das kultische System an sich zum Ausdruck. Die Hoffnungen auf einen Tempelneubau und die Forderungen nach Erfüllung hoher, ja höchster Heiligkeitsstandards seitens der amtierenden Priesterschaft spiegeln keinerlei Zweifel an der heilsvermittelnden Wirksamkeit des jüdischen Kultes und Tempels an sich wider. Die Kritik richtet sich immer nur gegen die „real existierende“ Wirklichkeit des Kultes, des Tempels und v.a. seines amtierenden Personals in frühjüdischer Zeit. 2.4 Die Kritiklosigkeit gegenüber dem Herodianischen Tempel In einem Beitrag zum Tempelneubau Herodes des Großen hat jüngst G. Faßbeck auf das erstaunliche Schweigen kritischer Stimmen zu diesem Neubauprojekt aufmerksam gemacht.216 Dies ist insofern bemerkenswert, als die gesamte nachexilische Geschichte vorher und auch die folgenden Jahrzehnte bis zum Jüdischen Krieg von dem oben skizzierten Lamento unterschiedlichster Stimmen im Blick auf den Tempel charakterisiert waren. Ausgangspunkt ihrer Beobachtung sind die beiden Berichte zum herodianischen Tempelneubau, die Flavius Josephus in seinen beiden Hauptwerken liefert (Bell 5,184–247; Ant 15,380–425). Während Josephus Herodes im Bellum relativ freundlich und wohlwollend zeichnet, lässt er in den ca. 20 Jahre später erschienen Antiquitates keine Gelegenheit aus, um Herodes als halbjüdischen Schurken auf dem Thron Israels zu präsentieren. Die Gründe für diesen auch für den Erstleser auffälligen Unterschied in der Charakteristik ein und desselben Herrschers sind in der unterschiedlichen Verfasserintention für die beiden Werke zu suchen. Während Josephus im Bellum eine Rehabilitation des Judentums und seiner Repräsentanten in den Augen der durch die Erinnerung an den Jüdischen Krieg negativ voreingenommenen römischen Öffentlichkeit intendierte,217 lag sein Interesse

216

FASSBECK, Nutzen, 222–249; umfassende Literaturhinweise zum herodianischen Tempelbau bietet sie ebd., 225, Anm. 9. 217 Vgl. MASON, Josephus und das Neue Testament, 127: „Im Bellum, wo es Josephus in erster Linie darum ging, die Juden als beispielhafte Bürger des römischen Weltreiches

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in den Antiquitates auf einer Qualifizierung der jüdischen Geschichte und ihrer Protagonisten am Maßstab der altehrwürdigen jüdischen Traditionen und Gesetze.218 Vor diesem Hintergrund war es nicht mehr schwer, Herodes als religiös inkonsequenten, menschlich skrupellosen und grausamen Despoten zu präsentieren. Im Licht dieser unterschiedlichen Intentionen ist es nicht verwunderlich, dass Josephus im Bellum von keinerlei Kritik oder Opposition zum Tempel und/oder den herodianischen Neubauplänen berichtet. Dagegen würde man in Anbetracht der negativen Darstellung des Herodes in den Antiquitates und in Kenntnis der frühjüdischen Tempelkritik für das Neubauprojekt ausgerechnet dieses Herrschers eine Klimax jener Kritik erwarten. Doch genau dies ist nicht der Fall. So sehr sich Josephus in seinem Spätwerk bemüht, Herodes bei jeder Gelegenheit als unberechenbaren, illegitimen und beim Volk verhassten Despoten erscheinen zu lassen, so wenig ist von kritischen Stimmen im Blick auf den Tempelneubau zu hören.219 Im Gegenteil preist Josephus hier sogar gegen den Trend seines Herodesbildes stets die gesetzeskonforme Ausführung des Tempelbaus.220 Dieses Bild in den Antiquitates entspricht nun aber auch dem bei Philo und dem der rabbinischen Schriften, „denn auch dort wird ein kritisches Herodesbild zusammen mit höchster Wertschätzung seines Tempels tradiert“.221 Möglicherweise profitiert Herodes bei dieser Wahrnehmung von der noch wesentlich negativeren frühjüdischen Bewertung der Hasmonäer: „Man gewinnt den Eindruck, als hätten sich die hasmonäischen Könige derart als prototypische Schurkenherrscher in das Bewußtsein mindestens oppositioneller Kreise eingebrannt, als seien ihre Verletzungen des Sakralrechts derart grundlegend gewesen, daß Herodes die hier gebotenen Negativrekorde kaum noch überbieten konnte.“222

zu präsentieren, um damit den Vorwurf der Misanthropie zu widerlegen, stellt er den berühmten König als Urbild eines Freundes und Verbündeten des römischen Volkes dar.“ 218 Vgl. wiederum M ASON, Josephus und das Neue Testament, 156f.: In den Antiquitates folgt die Darstellung der Regel, „daß es … gemäß den alten und ehrwürdigen Traditionen der Juden mit denjenigen, die von den Gesetzen abfallen, ein schlimmes Ende nimmt.“ 219 FASSBECK, Nutzen, 230–235. Lediglich am Ende der herodianischen Herrschaft ist in Ant 17,150 von einer gewaltsamen Demontage des goldenen Adlers vom Tempelgebäude die Rede. 220 FASSBECK, Nutzen, 234. 221 FASSBECK, Nutzen, 235f.; vgl. bBB 3b-4a. 222 FASSBECK, Nutzen, 237f. Wenn SNODGRASS, Tempel Incident, 472, die Tempelaktion Jesu auf dem Hintergrund antiherodianischer Ressentiments erklären will – „Clearly there was dissatisfaction with the Herodian temple, if for no other reason than that Herod, someone not from a Davidic line, built it“ –, so trifft dies gerade nicht zu.

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Als Erklärung für dieses Schweigen weist Faßbeck auf die gewaltigen Dimensionen dieses Neubaus hin,223 in denen sich Herodes trotz der Übernahme der römischen Kaisareionarchitektur eschatologischen Tempelentwürfen des zeitgenössischen Judentums näherte, wie sie z.B. in der in Qumran gefundenen Tempelrolle sichtbar werden.224 Dort ist wie schon bei Ezechiel von einem quadratisch angelegten Tempelbezirk mit einer Seitenlänge von 500 x 500 Ellen die Rede.225 Faßbeck zieht daraus das Fazit, dass sich Herodes bei seinem Tempelbau „an Maßgaben gehalten [hat], wie sie möglicherweise auch in eschatologisch orientierten Gruppierungen vertreten wurden, die in Opposition zum hasmonäischen Heiligtum standen. Auf einem solchen Hintergrund würde es verständlich, daß der herodianische Tempelbau offenbar auch von den Gruppen unangefochten blieb, die sich vom hasmonäischen Tempel mit seinem Kultbetrieb losgesagt hatten und dem von Gott herbeizuführenden neuen Äon entgegenblickten.“226 Wenn Faßbeck mit ihrer Deutung der literarischen Quellen und archäologischen Befunde Recht hat, profiliert das zeitgenössische Wohlwollen gegenüber Herodes‘ Tempelkonzeption vice versa die seit nachexilischer Zeit bestehende Kritik an der Insuffizienz des zweiten Tempels und seiner dürftigen Erscheinung. Herodes wäre zumindest an diesem Punkt in geschickter Weise den Erwartungen tempelkritischer Kreise entgegen gekommen. 223

Nach Josephus Bell 1,401, wurde unter Herodes dem Großen die Fläche des ummauerten Tempelareals verdoppelt und zahlreiche Nebengebäude wie die königliche Halle und die Burg Antonia errichtet. Durch die Erhöhung des inneren Heiligtums von 40 auf 100 Ellen, vgl. Jos Ant 15,385, die Verbreiterung der Vorderfront auf ebenfalls 100 Ellen, Bell 5,207, und die Errichtung von mächtigen Torbauten gewann der Tempel ein imposantes Äußeres, dessen Beschreibung Josephus in Bell 5,184–247 einen gesamten Abschnitt widmet. 224 FASSBECK, Nutzen, 245; vgl. LICHTENBERGER, Baupolitik, 141f.; MAIER, Art. Temple (EncDSS), 925f. In der Tempelrolle wird in 11Q19 2–13 und 30–47 in Form einer direkten Weisung Gottes an Mose detailliert ein Heiligtum für die zwölf Stämme Israels beschrieben. Es handelt sich dabei um einen literarischen Bauplan für einen idealen Tempel, den die Israeliten nach der Landnahme hätten bauen sollen, und der wohl als Plan für ein eschatologisches Heiligtum gedacht ist. Die Anlage hat eine konzentrische Struktur verschiedener Heiligkeitsbereiche, die vom innersten Bereich des Allerheiligsten nach außen hin an Heiligkeit abnehmen, vgl. MAIER, Art. Temple (EncDSS), 925; sowie GARCÍA MARTÍNEZ, Art. Temple Scroll, 927–933. 225 Auch mMid 2,1 spricht von 500 x 500 Ellen, was einer Seitenlänge von jew. ca. 250 m und einem Umfang von 1.000 m entspricht. Josephus, Ant 15,400, berichtet von einem Umfang von vier Stadien, d.h. 800 m, und in Bell 5,192, von sechs Stadien, was 1.200 m entspricht. Archäologische Ausgrabungen haben sogar einen Umfang von 1.550 m ergeben, LEVINE, Art. Temple, Jerusalem, 1283. 226 FASSBECK, Nutzen, 245.

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3 Ergebnis 3 Ergebnis

Blickt man zurück, so lassen sich bei aller Vorsicht und in Anbetracht der äußerst lückenhaften Quellenlage, der Begrenztheit historischer Informationen zu dieser Epoche und der Unsicherheiten in der Datierung und Verortung der in der Regel undatierten und anonymen bzw. pseudepigraphen frühjüdischen Schriften doch einige vorsichtige Schlussfolgerungen formulieren: (1) Zunächst gilt es festzuhalten, dass wahrscheinlich nur eine Minderheit der frühjüdischen Gesellschaft dem Jerusalemer Tempel und seiner Priesterschaft kritisch gegenüber stand. Das Problem ist, dass sich die Größe dieser Minderheit kaum bestimmen lässt. Neben den Schriften des yaḥad und Schriften, die aus dem Milieu dieser Bewegung stammen, bleiben die Autoren vieler kritischer Stimmen im Dunkeln. Lediglich die Bauherren der frühjüdischen Alternativtempel lassen sich relativ präzise bestimmen. Umgekehrt wird sich aber im nächsten Kapitel zeigen, dass weder das sadduzäische „Tempelestablishment“ noch das Diasporajudentum eine kritische Haltung zu Tempel und Priestertum hatte. Wir werden zwar hier und dort eine gewisse Gleichgültigkeit beobachten bzw. eine verbreitete Haltung, welche die Heilsvermittlung nicht mehr allein von den Institutionen des Tempels, der Opfer und des Priestertums erwartete. Aber eine Ablehnung ist das noch nicht. Welche Gruppierungen sich auch immer hinter den vielen anonymen Stimmen verbergen, die Kritik selbst scheint ihren Ursprung bereits in der Enttäuschung über den verglichen mit dem salomonischen Tempel armseligen Neubau des Heiligtums gehabt zu haben (Esra, Haggai, evtl. Tobit). Diese These wird auch durch die Beobachtung gestützt, dass die Kritik im Zuge der umfassenden herodianischen Restaurationsmaßnahmen merkwürdigerweise abreist. Da dieses Schweigen der Kritiker nicht mit der Frömmigkeit oder moralischen Autorität Herodes des Großen zusammenhängen kann, wird man es auf die neu erstandene Pracht des Tempels zurückführen müssen, der nun dem Anspruch, ein „Haus Gottes“ zu sein, wesentlich deutlicher gerecht wurde. In Esr 9–10; Neh 10,31; 13,23–29 wird zum ersten Mal die Problematik illegitimer Mischehen v.a. bei Priestern und Leviten thematisiert. Dieser Konflikt prägte mit unterschiedlichen Hintergründen die Priesterkritik der folgenden Jahrhunderte. Durch die Ereignisse des Kulturkampfes unter Antiochus IV. Epiphanes, dem Makkabäeraufstand und der Machtergreifung der Hasmonäer kommt es im 2. Jh. zu tiefgreifenden Verwerfungen in der jüdischen Gesellschaft. Die ab den 60er Jahren des 2. Jh. stattfindende Fraktionierung der jüdischen Gesellschaft in unterschiedliche Religionsparteien hat ihren

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zentralen Ausgangspunkt im Ringen um die Kontrolle des Tempels,227 was sich in einer deutlichen Intensivierung, Diversifizierung und Personalisierung der antipriesterlichen Kritik (CD, 1QpHab, TestLev) spiegelt. Neu in den Fokus der Kritik rücken nun die hasmonäischen Hohepriester-Könige. Ihr negatives Image strahlt auf das gesamte Priestertum ab, so dass die moralischen Vergehen eines Hohepriester-Königs der gesamten Priesterschaft angelastet werden konnten. Die Brisanz der Konflikte lag darin begründet, dass „at the heart of this critique was a fear that a defiled priesthood would result in a polluted temple and inefficacious sacrifices“.228 Die defizitäre Integrität tangierte auch die Qualität des priesterlichen Dienstes und letztlich die Wirkung ihres repräsentativen Seins und mittlerischen Handelns. Eine weitere Zäsur markierte die pompeianische Eroberung Jerusalems im Jahre 63 n.Chr. In den Psalmen Salomos wird die Ernüchterung über den Verlust der Unabhängigkeit und die Verunreinigung des Heiligtums aufgrund der Besichtigung durch den Heiden Pompeius mit den bekannten, mittlerweile stereotypen Vorwürfen gegen die Priesterschaft verknüpft. Im Ganzen erscheint die frühjüdische Kritik an der Priesterschaft als eine schleichende Eskalation: Während die Kritik in der nachexilischen Zeit den Charakter einer Desillusionierung hatte, erwuchs daraus in den durch Antiochus und Pompeius ausgelösten Krisen eine Ablehnung und schließlich Opposition. (2) Priesterschaft und Tempel erfahren eine sehr unterschiedliche Bewertung im frühjüdischen Schrifttum. Während bei der Kritik gegen die Jerusalemer Priesterschaft eine sich verschärfende und letztlich zu verschiedenen Schismen führende Polemik ins Auge sticht, die schließlich zu einer Totalablehnung des Priestertums führte, wird der Tempel grundsätzlich mit großer Wertschätzung behandelt. Kritik am Tempel hat durchweg relativen oder indirekten Charakter, d.h. er wird im Vergleich mit dem salomonischen Tempel oder dem eschatologischen oder himmlischen Tempel als minderwertig qualifiziert oder als „Opfer“ priesterlicher Unreinheit und Beschmutzung gesehen (Esra, Haggai, Tobit, äthHen, Sib 4). (3) Die Träger der Kritik sind zu Beginn der nachexilischen Zeit noch in prophetischen Kreisen beheimatet gewesen (Haggai, Esra, Maleachi). Je länger je mehr scheinen die Kritiker aus den Reihen der Priesterschaft selbst gekommen zu sein, wobei die zunehmende Konkurrenz und Antagonie zwischen Priestern und Leviten eine wesentliche Rolle gespielt haben dürfte. Für die Qumranschriften ist der priesterliche Hintergrund evident, aber auch hinter den anderen Schriften lassen sich priesterliche Kreise in und um Jerusalem bzw. Judäa vermuten. Es ist bemerkenswert, 227 228

So die These von B AUMGARTEN, Flourishing of Jewish Sects, 69. W ARDLE, Jerusalem Temple, 95.

3 Ergebnis

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dass wir in keiner eindeutig diasporajüdischen Schrift einen Widerhall dieser Kritik finden. Wardle zieht das Fazit: „Thus, in terms of geographical and socio-economic proximity to the temple and its presiding priesthood, the closer one was to the center, the sharper the critique.“229 Allerdings hat umgekehrt M. Tuval darauf aufmerksam gemacht, dass das unkritische Schweigen diasporajüdischer Schriften zum Tempel, Priestertum und Kult nicht einfach als kritiklose Zustimmung gewertet werden darf. Es dürfte vielmehr ein Ausdruck der wachsenden Irrelevanz des Jerusalemer Kultes für das Diasporajudentum sein.230 G. Bohak weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Jerusalemer Tempel sowohl eine zentripetale als auch eine zentrifugale Kraftwirkung entfaltete.231 Dies hing zunächst einmal mit seiner konkurrenzlosen Alleinstellung zusammen. Die israelitisch-jüdische Kultzentralisation war einerseits die Voraussetzung für die immense religiöse und nationale Integrationskraft des Jerusalemer Heiligtums. Andererseits musste aber jegliche Kritik an ihm und seinem Priestertum zwangsläufig ausgrenzend und stigmatisierend auf die Kritiker zurückschlagen. Während es in anderen antiken Kulturen eine Vielzahl von Tempeln gab, an denen sich unterschiedliche Tempeltheologien und -liturgien entwickeln und nebeneinander her existieren konnten, musste die Kultzentralisation auf ein Heiligtum zu ständigen Konflikten im Blick auf die richtige Form des Kultvollzugs führen: „A nation with only one Temple could afford no mistakes in its priests‘ performance of that Temple’s rituals, and every tiny detail assumed enormous significance on the national scale.“232 Je größer deshalb die Bedeutung dieser Institution wurde, umso polarisierender musste ihre Wirkung für die unterschiedlichen theologischen und politischen Kräfte des zeitgenössischen Judentums werden. Die Polarisierung des Judentums über dem Konflikt um Tempel und Priestertum und die vielfältigen Bemühungen, entweder die defizitäre Kultpraxis oder die räumliche Distanz zum Tempel in der Diaspora zu kompensieren und ein „Sein vor Gott“ jenseits der priesterlichen Mediation zu etablieren, ist Gegenstand des nächsten Kapitels.

229

W ARDLE, Jerusalem Temple, 95. T UVAL, Paradigms, 186f. 231 B OHAK, Theopolis, 4. 232 B OHAK, Theopolis, 15. 230

Kapitel IV

Der priesterliche Kult in den Strömungen des Frühjudentums In ihrer 2006 erschienen Studie mit dem Titel „A Kingdom of Priests“ entfaltet M. Himmelfarb die These, dass die in der Exodusformel angelegte Spannung zwischen einem aus dem Volk herausgehobenen, auf dem hereditären Prinzip der Abstammung von einem Stamm bzw. einer Familie basierenden Erbpriestertums und der Identifikation des gesamten Volkes als eines „Königreichs von Priestern“ den Grundkonflikt der jüdischen Geschichte jener Epoche bilde – und das, obwohl Ex 19,6 weder in der Literatur der Epoche des zweiten Tempels noch in der rabbinischen Literatur eine große Rolle spielt.1 Entsprechend lautet auch der Untertitel ihres Buches „Ancestry and Merit in Ancient Judaism“. Der Konflikt ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass das levitische Erbpriestertum grundsätzlich in Frage gestellt worden wäre. Hierzu waren die auf göttlicher Offenbarung beruhenden Ordnungen der Tora völlig unumstritten. Der Konflikt entstand vielmehr an den gemessen an eben dieser Tora augenscheinlichen kultischen wie ethischen Defiziten des zeitgenössischen Priestertums und seiner Kultpraxis. Mit diesen Defiziten ging ein Verlust der priesterlichen Integrität einher, die wiederum das kultische System als Ganzes in Mitleidenschaft zog. Denn durch die mangelhafte Integrität der Priester wurde in den Augen vieler Gruppierungen in jener Epoche der Tempel selbst verunreinigt, was wiederum die Wirksamkeit der sühnenden Opfer beeinträchtigte und damit letztlich die heilvolle Existenz des Volkes vor Jahwe bedrohte und in Frage stellte. Als Reaktion auf diese Missstände gab es eine Reihe sehr unterschiedlicher Anstrengungen – in diesem Sinne ist Himmelfarbs „based on merit“ zu verstehen –, um die beklagte Unzulänglichkeit und das zumindest postulierte Versagen des Jerusalemer Priestertums zu kompensieren. Die verschiedenen Formen dieser Kompensation verfolgten sehr unterschiedliche Ziele. Teils hatten sie die Absicht, eine alternative Heiligkeit bzw. ein nicht auf sühnenden Opfern der Jerusalemer Priester gegründetes „Sein vor Gott“ herzustellen, teils ging es um radikale Neuanfänge der Heilsgeschichte, um die Mediation von Sündenvergebung jenseits des priesterlichen Kultes, oder auch lediglich darum, das „Sein vor Gott“ in der räumlich-geographischen Distanz der Diaspora zu ermögli1

HIMMELFARB, Kingdom, 1.10.

180

Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

chen. Die Tatsache, dass das Judentum die Katastrophe nach 70 n.Chr. überlebte, basiert in erheblichem Maße auf eben diesen Anstrengungen in den Jahrhunderten vor dem Jüdischen Krieg. Eine These dieser Untersuchung ist es nun, dass auch die im Neuen Testament zu beobachtenden Prozesse einer Metaphorisierung und Verallgemeinerung des Priestertums eine Vorlage in diesen vielfältigen frühjüdischen Bemühungen haben. Ihre Grundlage haben sie dagegen im als Offenbarung Gottes verstandenen Kommen, Sterben und Auferstehen Jesu Christi. Deshalb sollen im Folgenden die verschiedenen Religionsparteien (Sadduzäer, Qumrangemeinschaft, Pharisäer und die prophetischen Erneuerungsbewegungen), die literarischen Zeugen jener Epoche (die priesterliche Levi-Tradition, Flavius Josephus und Philo) sowie das Diasporajudentum und ihre jeweilige Sicht des Priestertums und ihre Bemühungen um alternative Formen des „Seins vor Gott“ jenseits der priesterlichen Mediation Gegenstand der Untersuchung sein. Anders als für die vorexilische, exilische und frühnachexilische Zeit sind die Bedingungen für eine Untersuchung jener Spannungen und Konflikte in der Epoche des zweiten Tempels ungleich günstiger. Dies liegt nicht unbedingt an einer besseren Quellenlage, phasenweise gilt in dieser Hinsicht eher das Gegenteil. Aber mit Flavius Josephus kommt ein Zeuge hinzu, der zwar nicht unparteiisch ist, aber doch in einer erstaunlichen Genauigkeit und Stringenz die jüdische Geschichte erschließt, und als ständige Referenz dient.

1 Die Sadduzäer und das Priestertum 1 Die Sadduzäer und das Priestertum Beim Verhältnis der Sadduzäer zum Priestertum in frühjüdischer Zeit stellt sich dasselbe Problem wie beim Thema „Sadduzäer“ als solchem: Es fehlen aussagekräftige Quellen.2 Da keine Selbstzeugnisse dieser Religionspartei existieren, bleiben, um ein Bild von ihnen zu gewinnen, lediglich die kritischen bis polemischen Informationen von Außenstehenden, wie z.B. dem sich selbst als Pharisäer bezeichnenden Priester Josephus,3 den wenigen Erwähnungen im Neuen Testament und in der rabbinischen Literatur und einige wenige Erwähnungen bei den Kirchenvätern (vgl. besonders Hippolyt Ref 9,29,1–4), die

2

Verschiedentlich wurde erwogen, ob nicht Schriften wie das 1. Makkabäerbuch, das Sirachbuch, Judith, der Targum Ruth und andere frühjüdische Schriften den Sadduzäern zuzurechnen sind, doch konnte sich keine dieser Identifikationen durchsetzen, vgl. STEMBERGER, Art. Sadducees (EDEJ), 1179. 3 Die Sadduzäer sind bei Josephus völlig profillos und tendenziell negativ gezeichnet, vgl. Ant 18,288–298, sowie STEMBERGER, Pharisäer, 15.

1 Die Sadduzäer und das Priestertum

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jedoch häufig vom kritischen Bild der ntl. Evangelien geprägt sind.4 Spätere rabbinische Texte „are full of clichés and do not reveal reliable new information.“5

Die Ursprünge der Sadduzäer lassen sich ähnlich wie bei den beiden anderen jüdischen Religionsparteien, die Josephus in seinen sog. „DreiSchulen-Berichten“ als die bestimmenden Kräfte der jüdischen Gesellschaft in den Jahrhunderten vor und nach der Zeitenwende vorstellt, nicht mit letzter Sicherheit bestimmen.6 Vermutlich geht auch die Formierung der Sadduzäer auf die Ereignisse im Anschluss an die Religionskrise unter Antiochus IV. Epiphanes, den Makkabäeraufstand und die hasmonäische Verquickung des königlichen und hohepriesterlichen Amtes zurück.7 Der Parteiname „Sadduzäer“ leitet sich wahrscheinlich von „Zadok“ ab,8 was insofern irritierend ist, als sich die Sadduzäer mit der hasmonäischen, de facto nicht-zadokidischen Herrscherdynastie arrangierten. Dies unterschied sie beispielsweise von dem sich möglicherweise auf seine zadokidische Abstammung berufenden „Lehrer der Gerechtigkeit“ aus den Qumranschriften, von dem in der josephinischen „Schulanekdote“ auftretenden Pharisäer Eleazar (Ant 13,288–298) und auch von Onias IV., der in Leontopolis einen Alternativtempel gründete.9 Damit ist nicht automatisch gesagt, dass die Sadduzäer die hasmonäische Ämterverquickung befürworteten, sondern lediglich die Tatsache beschrieben, dass sie unabhängig von der legitimen hohepriesterlichen Erbfolge der religiösen Bedeutung von Tempel und Land oberste Priorität einräumten. Möglicherweise fiel an der Wiege der Sadduzäer die macchiavellistische Entscheidung, sich anstelle eines weiteren Bürgerkrieges mitsamt seinen unwägbaren Risiken mit der hasmonäischen Herrschaft abzufinden, um auf diese Weise das Überleben 4

Eine ausführliche Einführung in diese Quellen findet sich bei STEMBERGER, Pharisäer, 10–64. 5 STEMBERGER, Art. Sadducees (EDEJ), 1179; vgl. DERS., Sadducees, 428f. 6 Diskutiert werden neben einer Entstehung in der Makkabäerzeit auch spätere Termine unter Johannes Hyrkan (135–104 v.Chr.) und sogar unter Herodes dem Großen, vgl. dazu STEMBERGER, Sadducees, 430–433, der letztlich, a.a.O., 433, zu dem Schluss kommt: „Thus, the origin of the Sadducees must be considered to be unknown. Neither the theory of their rise in the Maccabaean period nor that of their origin in the Herodian period can be proved with absolute certainty.“ 7 W EISS, Art. Sadduzäer, 590. STEMBERGER, Art. Sadducees (EDEJ), 1180, geht von prämakkabäischen Ursprüngen aus, doch greifbar werden sie erst in der Folge des Makkabäeraufstandes. MAIER, Mensch, 136–144.151–164, bes. 158.163, vermutet, dass Jesus Sirach als ein „Sadduzäer der frühen Zeit“ eine Art „Lehrmeister“ der späteren Sadduzäer war. 8 B AMMEL, Sadduzäer, 117f.; B AUMBACH, Konservativismus, 202f.; WEISS, Art. Sadduzäer, 590; vgl. zu den verschiedenen Alternativen STEMBERGER, Sadducees, 430–433. 9 B AMMEL, Sadduzäer, 118, vermutet im Anschluss an W ELLHAUSEN und HÖLSCHER hinter dem Begriff „Sadduzäer“ sogar einen Spottnamen, „der denen angeheftet wurde, die das Gegenteil von dem waren, was er eigentlich aussagt.“

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

bzw. den Bestand von Volk und Land, vor allem aber von Stadt, Tempel und den eigenen Lebensgrundlagen zu sichern.10 Jedenfalls erhoben die am Jerusalemer Tempel verbliebenen Priester nach der Emigration Onias IV. den Anspruch, die einzig legitimen Zadok-Nachfolger zu sein.11 Aus den sich von genealogischen Ansprüchen herleitenden Zadokiden wurden die Sadduzäer, deren Name freilich nur noch eine Standesbezeichnung war.12 Josephus lokalisiert ihre Anhängerschaft im Milieu der Jerusalemer (Priester)Aristokratie (Ant 13,298; 18,16f.).13 Diese soziologische Bestimmung gilt heute zumindest für den Kern der Sadduzäer als Forschungskonsens, wobei neben den einflussreichen Jerusalemer Familien auch hohe Beamte und Schriftgelehrte dazugerechnet werden dürfen.14 Allerdings ist die weitverbreitete Auffassung, dass die Hohepriesterfamilien samt und sonders Sadduzäer gewesen seien,15 bis auf zwei Ausnahmen16 nicht belegbar. Die Sadduzäer dürfen daher auch nicht einfach als „Priesterpartei“ angesprochen werden, zumal weder bei Josephus noch in 10

B AUMBACH, Konservativismus, 204–209; WEISS, Art. Sadduzäer, 590f.; HOPPE, Religionsparteien, 63. 11 FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 216. 12 HOPPE, Religionsparteien, 62. Falls die Boethianer tatsächlich von den zadokidischen Oniaden abstammen sollten, wäre dies eine (letzte?) Revitalisierung des sadduzäischen Ideals eines zadokidischen Hohepriesters in einem jüdischen Tempelstaat gewesen. 13 Zu den Gründen vgl. SANDERS, Judaism, 318. 14 DEINES, Art. Pharisäer (TBLNT²), 1459, sieht aufgrund von Jos Ant 13,298 den Einfluss der Sadduzäer auf die Vermögenden begrenzt. GUSSMANN, Priesterverständnis, 68–70, Anm. 152, und STEMBERGER, Art. Sadducees (EDEJ), 1180, geben einen Überblick über die aktuell diskutierten soziologischen Provenienzen der Sadduzäer. Die Vermutungen reichen von einer Anhängerschaft der Hannas-Familie, über Angehörige der zadokidischen Boethos-Familie, Nachfahren der Zadokiden-Linie, einer zadokidischen Priestermajorität am Tempel (nachdem die eigentlichen Zadokiden ein Alternativheiligtum in Leontopolis gründeten), Parteigänger der zadokidischen Priesteraristokratie bis zu einer Oppositionspartei gegen die Hasmonäer. 15 So z.B. SCHÜRER/VERMES, History II, 235.414; B AUMBACH, Konservativismus, 208f., und HOPPE Religionsparteien, 62. STERN, Aspects, 610–612, vertritt jedoch die Auffassung, dass sich die Familien des Hannas, Boethos und möglicherweise auch Phiabi in den Jahrzehnten vor Ausbruch des Krieges weitgehend mit den sadduzäischen Auffassungen identifiziert und häufig gemeinsame Interessen vertreten hätten, vgl. Act 4,1; 5,17. B AMMEL, Sadduzäer, 118f., vermutet hinter der herodianischen Religionspolitik eine bewusste Instrumentalisierung der zadokidischen Nachfahren des legitimen Hohepriestergeschlechts, um damit seine Machtposition gegenüber den Hasmonäern und ihren Anhängern zu festigen. 16 Josephus, Ant 13,296, erwähnt, dass Johannes Hyrkanos I., hasmonäischer Hohepriester-König von 134–104 v.Chr., Sadduzäer geworden sei, nachdem er die Pharisäer verlassen hatte. Auch Ananos/Hannas, der im Jahr 62 n.Chr. das Amt in harter und strenger Weise führte, wird in Ant 20,199 als Sadduzäer bezeichnet. Nach HENGEL/DEINEs, Common Judaism, 474, scheint dies von Josephus allerdings eher als „Auffälligkeit“ gewertet worden zu sein.

1 Die Sadduzäer und das Priestertum

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den patristischen Texten auch nur ein Priester erwähnt wird.17 Vielmehr dürfte Sanders mit seiner Formel der historischen Wirklichkeit am nächsten kommen: „Not all aristocrats were Sadducees, but it may be that all Sadducees were aristocrats.“18 Und weil diese Form der Aristokratie maßgeblich auf einer angesehenen priesterlichen Abstammung beruhte, wird man sicher nicht fehl gehen, den Kern des Sadduzäismus in der Priesteraristokratie zu suchen, ohne dass man im Gegenzug alle Priester im sadduzäischen Milieu verorten darf. Dass die Sadduzäer in den Quellen fast durchgängig in einer Opposition zu den Pharisäern geschildert werden, lässt vermuten, dass sie in zahlreichen strittigen Fragen die gegenteilige Position der Pharisäer vertraten.19 Während sich die Pharisäer als nicht-priesterliche Volksbewegung profilierten, scheinen sich die Sadduzäer als eine elitäre, aristokratische Interessengemeinschaft ganz auf Jerusalem und den Tempelbetrieb konzentriert zu haben (vgl. Jos Ant 13,297f.).20 Dieser lokal begrenzte Einfluss war in Jerusalem freilich erheblich. Saldarini vermutet hinter ihnen eine etablierte, respektierte und gut organisierte Gruppe,21 die nicht umsonst von den Römern als erste Ansprechpartner des damaligen Judentums betrachtet wurden. Den römischen Interessen kam es sehr entgegen, dass das 17

STEMBERGER, Sadducees, 433. SANDERS, Judaism, 318. Für die Mehrheit der hohepriesterlichen Familien mag eine Nähe zu den Sadduzäern sicher den Tatsachen entsprochen haben, vgl. Act 5,17. STERN, Aspekts, 609–612, ähnlich STEMBERGER, Sadducees, 434, vermutet dies v.a. für die Familien des Boethos – die Bezeichnungen „Boethusianer“ und „Sadduzäer“ waren austauschbar, vgl. Avot Rabbi Natan, Version A, 5; Version B, 10 – und des Hannas. Dennoch war das Amt prinzipiell unabhängig von einer bestimmten theologischen Überzeugung. Dass Josephus nur zweimal die Zugehörigkeit eines Hohepriesters zu den Sadduzäern erwähnt, Ant 13,296; 20,199, sollte zur Zurückhaltung mahnen. 19 In der Literatur werden sie im Anschluss an die „Drei-Schulen-Berichte“ bei Josephus häufig als die Rationalisten und Skeptiker des antiken Judentums bezeichnet, die in nahezu atheistischer Manier jegliches göttliche Eingreifen in die Immanenz – beispielsweise durch Engel – ebenso wie jede Auferstehungshoffnung leugneten. Dies sind freilich moderne Kategorien, die einer jüdischen Religionspartei jener Zeit kaum gerecht werden dürften. Tatsächlich wird den Sadduzäern in jenen spannungsvollen Zeiten um die Zeitenwende an einer offenbarungstheologischen Nüchternheit gelegen gewesen sein. Auch hinter der Leugnung der Auferstehungshoffnung wird sich in erster Linie die überkommene Auslegung der heiligen Schriften verbergen, die von einer Existenz der Toten im Scheol spricht. Eine Auferstehungshoffnung ist atl. in verhältnismäßig wenigen und in der Regel späten Belegen bezeugt; vgl. SALDARINI, Pharisees, 304, und STEMBERGER, Sadducees, 440f.; DERS., Art. Sadducees (EDEJ), 1180f. Zur Frage der Willensfreiheit im Sadduzäismus vgl. MAIER, Mensch, 113–164. 20 Zu den theologischen und kultischen Überzeugungen der Sadduzäer vgl. die Zusammenfassung bei STEMBERGER, Art. Sadducees (EDEJ), 1180f.; DERS., Sadducees, 435–442. 21 SALDARINI, Pharisees, 302. 18

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

sadduzäische Interesse und Wirken der Bewahrung von Stadt und Tempel und einer relativen Autonomie galt. Hier fanden die Römer den Ansatzpunkt für ihre erfolgreiche Kolonialpolitik. Die theologisch-ideologische Fundierung des sadduzäischen Anliegens sieht Weiss in einer „nationalpartikulare[n] Tempelstaatsideologie, die sich mit einer konservativen Religiosität [einerseits], andererseits aber auch mit einer aufgeschlossenen Haltung gegenüber kulturellen Einflüssen des Hellenismus verband“.22 Entsprechend schwierig war es für die Sadduzäer, ihre Interessen zu verfolgen. Sie mussten sich einerseits bemühen, das Vertrauen der römischen Besatzungsmacht zu erlangen und zu bewahren, andererseits durften sie innerjüdisch nicht als Kollaborateure erscheinen. Dieser politische Spagat konnte nicht auf große öffentliche Sympathien hoffen, war aber machtpolitisch über Jahrzehnte hinweg erfolgreich. Folglich besaßen die Sadduzäer zwar politisch gesehen den größten Einfluss, aber ihr Ansehen konnte noch nicht einmal annähernd mit der Popularität der Pharisäer konkurrieren, die sich umgekehrt – so darf man wohl schließen – nicht ganz unmaßgeblich aus den Vorbehalten gegenüber dem aristokratischen Elitarismus der Sadduzäer und dem religiösen Exklusivismus der Essener speiste. Die von der Mehrheit des zeitgenössischen Judentums abgelehnte, auf Kompromisse angelegte und auf Staatsräson beruhende Realpolitik der Sadduzäer wird allerdings gänzlich aus ihrem im eigentlichen Sinne des Wortes konservativen, d.h. „bewahrenden“ Bestreben verständlich. Aus der Perspektive einer solchen Wertehierarchie ist es nicht verwunderlich, dass mit dem Ende der Stadt und des Tempels auch die Sadduzäer aufhörten zu existieren. Ziel und Sinn ihrer Politik waren buchstäblich zu Bruch gegangen. Das Verhältnis der Sadduzäer zum Priestertum war, soweit sich das aus den Quellen rekonstruieren lässt, vom Erhalt des status quo und den kultischen Institutionen geprägt. Die (Hohe)Priester am Jerusalemer Tempel hatten – sofern sie solche überhaupt brauchten – in den Sadduzäern zweifellos ihre stärksten Lobbyisten, ohne dass die Priester umgekehrt alle Sadduzäer gewesen wären.23 Die Bewegung war daher in keiner Weise an Alternativen zum priesterlichen Kult interessiert. Die Mediation göttlichen Heils durch das aaronidisch-levitische Erbpriestertum war für sie alternativlos und angesichts der politischen Umstände und trotz der beschriebenen Defizite die beste aller 22

WEISS, Art. Sadduzäer, 591, vgl. auch B AUMBACH, Konservativismus, 210f. Nach allem, was wir aus den Quellen – v.a. aus ihrem Schweigen – über die Jerualemer Priesterschaft der Zeitenwende erfahren, war diese in religiöser Hinsicht keine homogene Gruppe. Vielmehr dürfte die Priesterschaft selbst als eine Folge der politischen Umwälzungen des 2. Jh. v.Chr. ein Spiegelbild der religiösen Pluralität des Frühjudentums vor dem Jüdischen Krieg gewesen sein, so SALDARINI, Pharisees, 307. 23

2 Das Priestertum in den Qumranschriften

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möglichen Optionen. Diese Perspektive war ein wesentlicher Grund für die Kontroversen mit nahezu allen anderen devianten Gruppierungen des Frühjudentums.

2 Das Priestertum in den Qumranschriften 2 Das Priestertum in den Qumranschriften

Auch nunmehr bald 70 Jahre nach der Entdeckung der Qumranschriften warten noch viele Rätsel auf eine Lösung. Dennoch ist in den letzten Jahrzehnten in der Forschung ein Bild der Zusammenhänge entstanden, das zwar nach wie vor umstritten ist, dessen Grundkonturen aber dennoch auf einem breiten Forschungskonsens beruhen. Dieser trotz aller formulierten Anfragen und Alternativdeutungen nach wie vor gültige Forschungskonsens24 sieht am Anfang der Bewegung, der wir die Qumranschriften mit ihrem originären theologischen Programm verdanken, eine priesterliche jüdische Separationsbewegung.25 Diese trennte sich wahrscheinlich in Folge der Okkupation des hohepriesterlichen Amtes durch den hasmonäischen Herrscher Jonathan (152 v.Chr.)26 vom Jerusalemer Priestertum und gründete jene Gemeinschaft, aus der wiederum nach einer ersten Formierungsphase im „Lande Damaskus“ (CD 6,5.19; 7,19; B 19,33) die Gruppe hervorging, welche die Siedlung am Nordwestufer des Toten Meeres errichtete, die heute als Khirbet Qumran bekannt ist.27 24

Einen kurzen Überblick über die vier wesentlichen Entstehungstheorien bietet LICHTENBERGER, Art. Qumran, 66. 25 Die Hintergründe dieser Bewegung bleiben in den vorhandenen Quellen im Dunkeln. Nach der Rekonstruktion von STEGEMANN, Essener, 198–204, bildete sich der yaḥad unter priesterlicher Führung aus der Vereinigung unterschiedlicher Vorläufergruppen mit antihellenistischer, asidäischer, weisheitlicher und evtl. auch henochitischer Prägung. 26 Vor allem im Pescher Habakuk wird immer wieder deutliche Kritik an einer Einzelperson, dem sog. „Frevelpriester“, 1QpHab 1,13; 8,8; 9,9; 11,4; 4Q171 4,8 u.ö., laut, der möglicherweise mit Jonathan Makkabäus, dem ersten Hasmonäer, der neben dem königlichen auch noch das hohepriesterliche Amt für sich beanspruchte, zu identifizieren ist. Dem Frevelpriester wird in 1QpHab 8,10–13 vorgeworfen, dass er die Gebote Gottes aus Habgier und Hochmut verriet. In 12,8f. wird er angeklagt, das Heiligtum Gottes verunreinigt zu haben. Ob Jonathan Makkabäus der „Frevelpriester“ ist, muss aber offen bleiben, vgl. dazu VANDERKAM, Joshua, 267–270. Neben Jonathan wurden auch seine Brüder Simon (142–134 v.Chr.), Johannes Hyrkanos I. (134–104 v.Chr.) und der Hohepriester Alkimos/Eljakim (163–160 v.Chr.) vorgeschlagen, zur Literatur siehe LIM, Art. Wicked Priest, 973–976. 27 VANDERKAM, Einführung, 126f. Schon in den pseudepigraphischen Schriften, die in den Höhlen vom Qumran gefunden wurden, ist eine ambivalente Bewertung des Priestertums wahrnehmbar: zum einen eine deutlich pejorative Einschätzung der Jerusalemer Priesterschaft und zum anderen die Konzeption eines idealen Priestertums in der Linie

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

Es war bereits E. Sukenik, einer der frühesten Pioniere der Qumranforschung, der die Schriftrollen vom Toten Meer mit den Essenern in Verbindung brachte und damit die später sog. „Qumran-Essener-These“ begründete.28 Ihre Grundlage basiert auf den Ähnlichkeiten zwischen den „Drei-Schulen-Referaten“ bei Josephus und der berühmten Essener-Notiz (Hist nat 5,73) im Reisebericht des römischen Historikers Plinius dem Älteren (23–79 n.Chr.) auf der einen und den Inhalten der gefundenen Schriften, die man der Gemeinschaft selbst zuordnen kann, auf der anderen Seite.29 Die hauptsächlichen Berührungspunkte sind die Gemeinschaftsmahle, die Gemeindehierarchie, das Gemeinschaftseigentum („Gütergemeinschaft“), die Probezeit für Novizen, das ablehnende Verhältnis zur Jerusalemer Priesterschaft und dem von ihr verantworteten Kult, die Bedeutung kultischer Reinheit, der Sonnenkalender und – in theologischer Hinsicht – der Determinismus, die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod und die zentrale Bedeutung der Tora.30 H. Lichtenberger umschreibt diesen nach wie vor in der Forschung bestehenden Mehrheitskonsens kurz und bündig: „Nach weitgehendem Konsens gehört die Gemeinschaft, als deren Hinterlassenschaft die Texte von Qumran im weiteren Sinn gelten und deren Gemeinschaftszentrum in unmittelbarer Nähe der Fundhöhlen lag, der essenischen Bewegung an.“31 Die These der essenischen Identität des yaḥad hat in den letzten Jahrzehnten jedoch auch entschiedenen Widerspruch erfahren,32 weil es neben den Parallelen auch deutliche Diskrepanzen gibt. Von geringerer Bedeutung sind die Unterschiede in den Regularien

Levis, vgl. dazu den nächsten Abschnitt zur priesterlichen Levi-Tradition →IV.3. Diese ambivalente Haltung wird auch in den gruppenspezifischen Schriften des yaḥad aufgenommen, wo in pointiert kritischer Weise über Priester, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitglieder der Jerusalemer Priesterschaft waren, geurteilt wird, z.B. in 4Q387 Fr. 3 3,6; 4Q390 Fr. 1,2–4. Die Jerusalemer Priester werden stellenweise als „gottlose Priester“ oder als die „letzten Priester von Jerusalem“, 1QpHab 9,4f. u.ö., diffamiert. Als Vorwurf taucht immer wieder die religiöse und moralische Korruption auf, vgl. CD 4,15f.; 1QpHab 9,4; 1Q14 11,1; 4Q169 3–4 1,11; 3–4 2,8f., sowie KUGLER, Priesthood at Qumran, 94f. 28 SUKENIK, Collection, 26. Auch nach Überzeugung von H. STEGEMANN, Essener, 197f., entstand die Siedlung von Qumran als eine essenische Gemeinschaft, die sich bald nach der illegitimen Absetzung des „Lehrers der Gerechtigkeit“ im Jahre 152 v.Chr. zusammengefunden haben dürfte. Sie war Teil der von STEGEMANN sog. „essenischen Union“, vgl. a.a.O., 206–212. Er datiert die Gründung der Qumran-Siedlung auf etwa 100 v.Chr, was u.a. durch die Arbeiten von E.-M. LAPERROUSAZ, Qoumran, und J. MAGNESS, Archaeology, 63–69, unterstützt wird; vgl. auch FREY, Qumran und die Archäologie, 38. Die Siedlung wäre somit erst beträchtliche Zeit nach der Gründung der essenischen Bewegung entstanden. Der „Lehrer der Gerechtigkeit“ dürfte diese Siedlung also nie selbst betreten haben. 29 Vgl. hierzu Plin mai Hist nat 5,73; Jos Bell 2,119–161; Ant 13,171–173; 18,18–22; und auch Phil Prob 75–91; Eus Praep ev 8,11,1–18, auf der einen mit CD und 1QS auf der anderen Seite; vgl. zum Ganzen VANDERKAM, Einführung, 92–108. 30 LICHTENBERGER, Art. Qumran, 66; LANGE, Art. Qumran (RGG), 1881. Vor allem LANGE, a.a.O., 1880–1882, argumentiert ausführlich für die Gültigkeit der sog. QumranEssener-These, wonach es sich bei den Bewohnern von Khirbet Qumran und den Verfassern der Schriftrollen um Essener gehandelt habe. 31 LICHTENBERGER, Art. Qumran, 65. 32 Vgl. ZANGENBERG, Qumran, 14–16.

2 Das Priestertum in den Qumranschriften

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für die Aufnahme in die Gemeinschaft. Schwieriger ist dagegen, dass Plinius von einer Gruppe spricht, die auf die Siedlung am Toten Meer begrenzt zu sein scheint, während Philo und Josephus diese über ganz Judäa verstreut beschreiben. Ein Problem stellt auch die von Plinius behauptete Ehelosigkeit der Mitglieder der Gemeinschaft dar (sine ulla femina), während Philo und Josephus durchaus von verheirateten Essenern berichten, in der Gemeinschaftsregel von Qumran (allerdings mit Ausnahme von 1QSa) jegliche Ehe(losigkeits)regularien fehlen und auf dem Gräberfeld nahe der Siedlung auch Frauenund Kindergräber gefunden wurden.33 Schließlich wird auch immer wieder auf das Problem hingewiesen, dass in den Qumranschriften selbst der Begriff „Essener“ nicht auftaucht.34 Da eine Klarheit in dieser Frage im Moment nicht zu erreichen ist und in der aktuellen Diskussion vermehrt Zweifel geäußert werden,35 wird im Folgenden eine Identifikation mit den Essenern vermieden, ohne dass damit eine mögliche, vielleicht sogar wahrscheinliche Verbindung ausgeschlossen wird. Deutlich ist aber, dass Khirbet Qumran nicht als „Zentrum des yaḥad“ gesehen werden sollte und auch die gruppenspezifischen Schriften nicht nur für die dort siedelnde Gemeinschaft Gültigkeit hatten.36

Nach der viel diskutierten These von H. Stegemann37 spielte bei dem Schisma dieser Bewegung von der Jerusalemer Priesterschaft die überragende Gestalt des „Lehrers der Gerechtigkeit“ (u.a. 1QpHab 2,8f.; 7,4f.; 4Q171 3,15) eine tragende Rolle. Aufgrund zahlreicher Indizien38 vermutet Stegemann, dass dieser mit dem namentlich nicht bekannten Nachfolger des nicht-zadokidischen Hohepriesters Alkimos (hebr. Eljakim) und Vorgänger des Makkabäers Jonathan identisch sein könnte.39 Während ersterer 33

Vgl. aber MAGNESS, Archaeology, 163–187, die aus archäologischer Sicht zum Schluss kommt, dass nur eine minimale Präsenz von Frauen angenommen werden kann und die Präsenz von Familien mit Kindern überhaupt nicht nachweisbar ist. 34 VANDERKAM, Einführung, 108–114. 35 Vgl. dazu FREY, Auswertung; DERS., Art. Essenes, 599–602; DERS., Qumran und die Archäologie, 39f. 36 FREY, Qumran und die Archäologie, 38. 37 STEGEMANN, Entstehung; DERS., Essener, 205ff. 38 Die wichtigsten Hinweise sind die Titel, die im gruppenspezifischen Schrifttum dem „Lehrer der Gerechtigkeit“ gegeben wurden: moreh ha-zedek (der [einzige gemäß der Tora wahres] Recht Lehrende), moreh ha-jachid (der einzigartige Lehrer), doresch ha-tora (der [höchstrangige] Tora-Interpret) und ha-kohen (der Priester schlechthin) sind traditionelle hohepriesterliche Titel; vgl. STEGEMANN, Essener, 206. 39 STEGEMANN, Essener, 205f.; FABRY, Art. Zadok, 443; EGO, Art. Priester, 392; SANDERS, Judaism, 342; HENGEL, Judentum, 320.407f.; LANGE, Art. Qumran (RGG), 1882ff. Skeptisch bzw. ablehnend dagegen W ISE, Teacher of Righteousness; VANDERKAM, Joshua, 244–250. Zur Diskussion vgl. auch KUGLER, Priesthood at Qumran, 105f., Anm. 39. Angesichts der Bedeutung der sog. „Söhne Zadoks“ für den yaḥad, vgl. 1QS 5,2.9; 9,14; 1QSa 1,2; 1QSb 3,22; CD 3,21; 4Q174 1,17, liegt die Annahme auf der Hand, dass der „Lehrer der Gerechtigkeit“ selbst Zadokide und somit möglicherweise ein legitimer Anwärter auf das hohepriesterliche Amt war. Zur Identität des „Lehrers der Gerechtigkeit“ vgl. neben STEGEMANN auch B UNGE, Geschichte; RAINBOW, Oniad; BRUTTI, Development. Zur Geschichte der essenischen Bewegung vgl. STEGEMANN, Essener, 206–226.

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

159 v.Chr. starb und letzterer 152 v.Chr. das hohepriesterliche Amt an sich riss, bleibt der Amtsinhaber in jener Zwischenzeit im Dunkeln.40 Wenn die von Stegemann vorgeschlagene Identifikation des „Lehrers der Gerechtigkeit“ mit dem fraglichen Hohepriester jener Jahre korrekt ist, dann hat dieser, anders als zwei seiner ebenfalls abgesetzten Vorgänger,41 nach einer Flucht nach Damaskus und dem Asyl beim „Neuen Bund“ (CD 6,5.19; 7,18–20) eine eigene religiöse Gemeinschaft gegründet, die nach Stegemanns Überzeugung die Essener waren. Stegemann vermutet, dass sich seine Gefolgschaft aus treuen Priestern, Mitgliedern der zadokidischen Priesterfamilie und hochrangigen Mitgliedern der Jerusalemer Tempelverwaltung zusammensetzte. Die Gründung bzw. Weiterführung einer Art „Schattenpriestertum“ würde in Anbetracht der handelnden Personen naheliegen. Dass die Gemeinschaft tatsächlich eine priesterliche Identität und eine Ersatzfunktion für den Jerusalemer Tempel reklamierte, zeigt der Anspruch, eine sühnende Funktion zu übernehmen (1QS 5,1–7; 9,4–5; 1QM 2,5–6), die Selbstbezeichnung als „heilig“ (1QS 5,5–7; 8,5–6.8; 9,6; 10,4) bzw. „priesterlich“ (1QS 5,6; 8,9; 9,6; CD 3,18–4,4; 4Q174 3,3–4), ihre Bestimmung, wie die himmlischen Engel zu sein (1QS 11,8; 1QSb 3,25– 26; 4,24–26), sowie die Adoption priesterlicher Regeln für die Reinheit (1QS 5,13; 6,16–17; 1QSa 2,3–10; CD 15,15–17) und das Alter für den Dienst (1QSa 1,8–17; CD 10,6–8). Auch ein kritisches Verhältnis zum Jerusalemer Kult und seiner Priesterschaft ist in den Qumranschriften unübersehbar. Dieses entzündete sich jedoch weniger an der Okkupation des hohepriesterlichen Amtes durch den 40

Das 2. Makkabäerbuch endet mit seiner Erzählung leider im Jahr 160 v.Chr. und das hasmonäerfreundliche 1. Makkabäerbuch nennt vor dem Makkabäer Jonathan, der das Amt 152 v.Chr. okkupierte, keinen seiner Vorgänger, weder Onias III., noch Jason, noch Menelaos oder Alkimos und eben auch nicht den (oder die?) Hohepriester der Jahre 159–152 v.Chr. Dass die Behauptung des Josephus, Ant 20,237; vgl. 13,46, es habe in jenen Jahren keinen Hohepriester gegeben, höchst unwahrscheinlich ist, ergibt sich aus der jüdischen Kultpraxis. Ohne Hohepriester konnte der große Versöhnungstag nicht gefeiert werden. Da der toragemäße Tempelkult bereits 164 v.Chr. wieder hergestellt wurde, es für das hier fragliche Jahrzehnt keine Anzeichen für innen- oder außenpolitische Krisen gibt und die Makkabäer mit den Seleukiden 157 v.Chr. Frieden schlossen, ist kein Grund ersichtlich, warum das Amt vakant geblieben sein sollte. Die Vermutung, dass das prohasmonäische 1. Makkabäerbuch den Namen des antihasmonäischen Amtsinhabers getilgt hat, liegt nahe. Dies würde auch erklären, warum Josephus keine weitergehenden Informationen liefern kann, da auch ihm für die fragliche Zeit keine anderen Quellen als die Makkabäerbücher zur Verfügung standen, STEGEMANN, Essener, 205. 41 Onias III. floh nach Syrien und wurde dort im Auftrag des Menelaos, des Nachfolgers seines Bruders Jason, ermordet, 2Makk 4,34. Sein Sohn Onias IV. errichtete im ägyptischen Leontopolis einen alternativen jüdischen Tempel mit entsprechendem Kult, vgl. →III.2.2.2.

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Hasmonäer und Nicht-Zadokiden Jonathan Makkabäus, sondern vielmehr an kultischen, ethischen und kalendarischen Fragen (→III.1.2.2).42 Der „halachische Brief“43 4QMMT (= 4Q394–399) enthält eine Liste von etwa 22–24 halachischen Differenzen zwischen einer devianten Gruppe und den Jerusalemer Priestern mit dem Ziel, die Jerusalemer Kultpraxis im Sinne der ersteren zu ändern. Es geht um die persönliche Reinheit (CD 4,17f.; 5,6–8; 6,17), unethisches Verhalten der Priester (vgl. CD 5,8; 1QpHab 9,4f.; 1Q14 11,1), rituelle Laxheit, Kalender- und Opferfragen und sogar um Apostasie.44 Dieser halachische Konflikt, bei dem es letztlich um priesterliche Integrität, die Wirksamkeit des Kultes und das heilvolle Sein vor Gott geht, bildet den Auslöser für die Gründung der sich in den Qumranschriften spiegelnden Gemeinschaft.45 Seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wird der Zusammenhang der in den Höhlen bei Khirbet Qumran gefundenen Schriften mit der benachbarten Siedlung und der dort vermuteteten religiösen Gemeinschaft in Zweifel gezogen,46 was nicht nur die Qumran42

So auch die These von LIVER, Sons of Zadok; COLLINS, Origins, und MAIER, Priester, 85f.88f. Sie räumen ein, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit Zadokiden in der Gemeinschaft gegeben hat, diese aber nicht die Ursache für die Separation des yaḥad von den Hasmonäern gewesen seien, vgl. LIVER, a.a.O., 29: „Not priestly lineage, but personal acts and outlook are thus seen to be the underlying cause of sectarian wrath.“ Das völlige Fehlen einer Polemik gegen die hasmonäische Abstammung in den Schriftrollen und auch der Gebrauch von „Aaroniden“ als priesterlicher Titel zeigten vielmehr eine Koexistenz von Priestern verschiedener Linien an. Auch B AUMGARTEN, Tribunal, 233– 236, kritisiert, dass der Begriff „Zadokiden“ nicht eine priesterliche Linie bezeichne, sondern das Konzept des yaḥad als einer legitimeren Priesterschaft als jener in Jerusalem beschreibt; vgl. auch W ARDLE, Jerusalem Temple, 145: „While those at Qumran may have been able to overlook the end of the Zadokide line and the installation of a new priestly family in office, what they could not ignore was the conduct of these new priests upon taking up the reins of the high priesthood.“ Umgekehrt argumentiert SCHWARTZ, Two Aspects, 158–165, dass gerade der Titel „Zadokiden“ die rechtmäßige Abkunft der Qumran-Priester gegenüber der unrechtmäßigen Abkunft der hasmonäischen Hohepriester reklamiere, die sich durch die Abstammung von Jehojarib nur auf eine aaronidische Abkunft berufen konnten, vgl. 1Chr 24,7; 1Makk 2,1. Von daher liege in diesem Titel sehr wohl eine antihasmonäische Polemik. 43 So die Bezeichnung von Q IMRON/STRUGNELL, Halakhic Letter, 400–407. 44 KUGLER, Priesthood at Qumran, 113; DERS., Art. Priests (EncDSS), 691; vgl. auch 4Q387a 3.iii.6. 45 SCHIFFMAN, Community, 268. 46 Maßgeblich sind hier die Untersuchungen von HIRSCHFELD, Qumran; DERS., Desert, und im Anschluss daran J. ZANGENBERG, Kontroverse; vgl. DERS., Region, 64– 67. HIRSCHFELD, Qumran, 191–205.247–270.282f.288–293, und ZANGENBERG, Qumran, 7ff., plädieren dafür, die in Khirbet Qumran entdeckte Siedlung als Landgut zu betrachten, das im Besitz einer reichen Jerusalemer Priesterfamilie war, die einen entsprechend hohen Wert auf kultische Reinheit legte. Dies begründe die Vielzahl der gefundenen Miqva’ôt. Die in den nahen Höhlen gefundenen Schriften müssten demnach völlig unabhängig von den gefundenen Siedlungsresten interpretiert werden.

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Essener-These, sondern auch den priesterlichen Charakter der in Khirbet Qumran siedelnden Gemeinschaft in Frage stellt.47 So richtig es ist, dass die archäologischen Daten in vielerlei Hinsicht nicht eindeutig sind, so gewichtig sind doch nach wie vor die Argumente für den erreichten Konsens.48 Für eine Identität der Verfasser der Qumranschriften mit den Bewohnern von Khirbet Qumran sprechen die große Bibliothek,49 die in der unmittelbaren Nähe von Khirbet Qumran gefunden wurde, und zum Teil nur von der Ortslage von Khirbet Qumran her zugänglich war (Höhle 8 und 9),50 die Existenz von Wohnhöhlen (Höhle 5 und 7–10), die zehn ausgegrabenen Miqva’ôt51 und die Existenz einer Nekropolis mit 1.200 Gräbern, die nicht einfach als ein Soldatenfriedhof erklärt werden kann. Deshalb ist es nach wie vor die wahrscheinlichste Erklärung, die Abfassung der Schriften in der in Khirbet Qumran siedelnden religiösen Gemeinschaft zu vermuten.

2.1 Der priesterliche Einfluss auf den yaḥad Der weitreichende Forschungskonsens über die priesterlichen Ursprünge der Gemeinschaft, die mutmaßlich v.a. aus Mitgliedern zadokidischer Priesterfamilien, der Jerusalemer Tempelverwaltung und konservativer Priesterkreise um den ehemaligen und namentlich unbekannten „Lehrer der Gerechtigkeit“ herum entstand, wurde in jüngerer Zeit durch die Forschungen von R.A. Kugler in Frage gestellt, der einen dominanten priester47 Einen Überblick über die alternativen Deutungen und die Diskussion geben VANDERKAM/FLINT, Meaning, 239–254; VANDERKAM, Einführung, 114–119; FREY, Qumran und die Archäologie, 16–27.35–37. 48 Vgl. dazu B ETZ/RIESNER, Verschwörung, 89–113; MAGNESS, Archaeology, 43f.; BROSHI, Art. Qumran; ESHEL, Qumran Studies; DERS., Qumran Archaeology; MEYERS, Khirbet Qumran; FREY, Qumran und die Archäologie, 3–49. Letztgenannter bietet darüber hinaus eine gute Einführung in die archäologischen und archäologie- und forschungsgeschichtlichen Probleme und die aktuelle Debatte. 49 Die hohe Anzahl von Schriften mit einem stark tempel- und priestertumskritischen Inhalt macht es nach FABRY, Archäologie und Text, 88f., höchst unwahrscheinlich, dass es sich um eine ausgelagerte Bibliothek aus Jerusalem handelt. Genau dies war die Vermutung von K.H. RENGSTORF, Ḥirbet Qumran, 24–42, der in Qumran eine „Außenstelle der Tempelverwaltung“ vermutete. RENGSTORFS These wurde von N. GOLB, Qumran, aufgegriffen und dahingehend modifiziert, dass er in Khirbet Qumran eine römische Festungsanlage erblickte, die vor ihrer Zerstörung unter der Kontrolle jüdischer Freischärler gestanden habe. Diese hätten Schriftrollen aus verschiedenen Jerusalemer Bibliotheken in den nahen Höhlen in Sicherheit bringen wollen. Hauptargument von RENGSTORF und GOLB ist die Verschiedenartigkeit der Schriften, die eine lebendige Diskussion und Textproduktion voraussetzt. Allerdings zeigt die von I. RABIN , Ink, vorgenommene chemische Analyse der Brom-Konzentration in der Tinte der Hodayot-Handschrift 1QHa, dass diese in der Nähe des Toten Meeres angefertigt worden sein muss, was ein wichtiges Argument gegen eine Herkunft aus Jerusalemer Bibliotheken ist. 50 Im Blick auf die Leugnung eines Zusammenhangs zwischen Siedlung und Bibliothek urteilt MEYERS, Khirbet Qumran, 29: „To ignore the scrolls completely in a consideration of the site of the Qumran settlement … seems … to be avoiding the obvious.“ 51 FREY, Qumran und die Archäologie, 30.40f.

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lichen Einfluss in der Anfangszeit der Gemeinschaft entschieden bestreitet,52 was wiederum M. Himmelfarb zustimmend aufgenommen hat.53 Kuglers Argumentation basiert maßgeblich auf der Edition der zur Gemeinderegel (1QS) und der Versammlungsordnung (1QSa) parallelen Texte aus 4Q, z.B. 4Q256 und 258.54 Die dadurch mögliche text- und redaktionskritische Arbeit an verschiedenen Varianten erbrachte als vorläufiges Ergebnis, dass die Textversionen auf unterschiedliche Stadien in der Geschichte des yaḥad zurückblicken.55 Im Hinblick auf die Frage nach der Rolle der unterschiedlichen Priesterkreise bedeutet dies, dass die Gemeinschaft wohl erst einige Zeit nach ihrer Gründung – zumindest in ihrer Literatur – Autorität an die „Zadokiden“ übertrug, die gemäß dem älteren Konsens als Gruppe des Ursprungs der Gemeinschaft galten.56 R. Kugler begründet diese Sicht mit folgenden Beobachtungen: (1) Die Belege für eine zadokidische Abkunft der Gemeinschaft vor allem in ihrer Frühzeit sind dünn. Hinzu kommt, dass in fast allen Belegen die Zadokiden ihre Macht mit den Laien des yaḥad teilen müssen.57 Die zadokidische Macht ist also in nahezu allen Belegen eine begrenzte, was der These einer hauptsächlich zadokidischen Separationsbewegung widerspricht.58 (2) Auch bedeutende „Aaroniden-Belege“ fehlen in der Gemeinderegel, der Versammlungsordnung, dem Damaskusdokument und in 4QMMT B fast ganz, bzw. wenn sie auftauchen, scheinen die Aaroniden kaum Autorität zu haben.59 (3) In 1QS 8,1 ist von einer Gründungsgruppe die Rede, die aus drei Priestern und zwölf Laien bestand. Damit scheinen die Priester in der Gründungsphase in der Minderheit gewesen zu sein.60 (4) Nach Kugler legt eine Reihe von Belegen (z.B. 4Q266 Fr. 6 1) eine erste Rezensionsstufe der Gemeinderegel nahe, in der der yaḥad den Aaroniden eine begrenzte Kontrolle über sein Gemeindeleben und seine Gemeindeleitung in Reinheitsfragen, Aufnahme- und Ausschlussentscheidungen und in der Beurteilung von Aussatz einräumt. Erst nach dieser letzten Entwicklungsstufe wurden die Zadokiden-Belege in das existierende Werk eingefügt. Sie wurden aber in Schriften eingefügt, in denen die Aaroniden bereits eingeführt waren.61 In der Konsequenz legen diese text- und redaktionskritischen Untersuchungen der Gemeinderegel und der Versammlungsregel nahe, dass sich die Zadokiden als dominierende Gruppe des yaḥad erst nach einer gewissen Zeit etablieren konnten, nicht jedoch

52

KUGLER, Priesthood at Qumran, 114. HIMMELFARB, Kingdom, 125ff. 54 Vgl. hierzu den sehr persönlich gehaltenen Bericht von VERMES, Leadership, 379, und den tabellarischen Überblick bei MAIER, Priester, 131–138. 55 Vgl hierzu METSO, Development. 56 KUGLER, Priesthood at Qumran, 100. 57 Nur in 1QSa 2,3 scheinen die Zadokiden absolute Autorität zu besitzen, allerdings wird diese Stelle von HEMPEL, Nucleus, 259f., als redaktionelle „recension“ betrachtet. 58 KUGLER, Priesthood at Qumran, 98. 59 KUGLER, Priesthood at Qumran, 101. Der Beleg in 4QMMT B 79–80 erinnert an 1QS 5,5–7; 8,5–6; 9,6, wo die ganze Gemeinde als „ein Allerheiligstes für Aaron“ bezeichnet wird, also gerade nicht eine speziell aaronidische Priesterschaft umschreibt. 60 KUGLER, Priesthood at Qumran, 95f. 61 KUGLER, Priesthood at Qumran, 102. 53

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am Anfang.62 Es hat aus dieser Perspektive vielmehr den Anschein, dass die Gemeinschaft ihr besonderes Verständnis des Priestertums erst im Laufe der Zeit entwickelt hat und dieses nicht bereits von Anbeginn an fest umrissen war. Auch von einem ausschließlich priesterlichen Charakter des yaḥad kann nach Kugler aufgrund dieser Evidenz keine Rede mehr sein.63 Es werde vielmehr klar zwischen Priestern und Laien unterschieden.64 Der Gebrauch von Titeln, die Verteilung von Aufgaben und Macht, sowie die Aufteilung zwischen dem „heiligen“ Israel und Aaron als „dem Heiligen der Heiligen“, deute auf eine Unterscheidung von zwei Klassen hin. Somit könne auch nur eingeschränkt von einer Alternativfunktion des yaḥad gesprochen werden. Auch M. Himmelfarb sieht in den Priestern der Gemeinderegel nur eine Gruppe mit „ornamentalem“ Charakter. Die Autorität sei nicht in den Händen der Priester gelegen, sondern bei der Gemeinde als Ganzer, was zum einen durch die Zahlenverhältnisse der Gründungsgruppe (1QS 8,1: drei Priester, zwölf Laien) belegt werde und zum anderen durch die Differenz zwischen 1QS 5,9 und 4Q256 9,8 und 4Q258 1,7: Während die Variante aus Höhle 1 die Autorität noch den Söhnen Zadoks zuschreibt, legen sie die Varianten aus Höhle 4 in die Hände „des Rates der Männer des yaḥad“, der aber eben von Laien dominiert werde.65 Himmelfarb „verbucht“ diese Beobachtung für ihre Grundthese, wonach die Priester auch in der Qumrangemeinschaft nur noch eine untergeordnete Rolle gespielt haben: „[T]he roles set aside for priests in both rules [sc. dem Damaskusdokument und der Gemeinderegel] are largely ornamental: a hierarchy based on ancestry is of limited relevance to a community in which members are ranked by their deeds.“66

Kugler sieht die Anfänge der Gemeinschaft hauptsächlich in einer Laiengruppe, „that was disenchanted with the Jerusalem Temple and its priesthood, and that saw itself as a replacement for the apostate Temple leadership until proper priests could take charge“.67

62

KUGLER, Priesthood at Qumran, 113f.; DERS., Art. Priests (EncDSS), 691f., so auch VERMES, Leadership, 383: „The earlier, no doubt original, version of the Rule had no mention of the sons of Zadok. Final authority in all matters lay with the congregation, consisting of priests and lay Israelites, but this was reconcilable with the acceptance of the doctrinal and legal expertise of the sons of Aaron. This democratically organized primitive community was subsequently joined by a group of Zadokite priests, who achieved a successful ‚takeoverʻ and became paramount leaders thanks to their social status and doctrinal expertise.“ 63 So aber z.B. bei STRACK, Terminologie, 387: „Die Gemeinde von Qumran verstand sich als eine Gemeinde von Priestern, ohne allerdings den Begriff auf die Mitglieder selber anzuwenden.“ 64 KUGLER, Art. Priests (EncDSS), 691. Der Gebrauch der unterschiedlichen Titel, die Zuweisung unterschiedlicher Aufgaben und Vollmachten und die Einteilung der Gemeinde in Israel (das „Heilige“) und Aaron (das „Allerheiligste“) machen die Unterscheidung von zwei Klassen, einer priesterlichen und einer laikalen, deutlich. Die Laien waren freilich einem wesentlich höheren Grad an Reinheit verpflichtet als dies für den normalen Juden der Fall war, vgl. SANDERS, Judaism, 376. 65 HIMMELFARB, Kingdom, 125f. 66 HIMMELFARB, Kingodm, 128. 67 KUGLER, Art. Priests (EncDSS), 692.

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Es bleibt allerdings abzuwarten, ob und wie weit sich diese „neue Evidenz“, die doch stark auf text- und redaktionskritischer Arbeit beruht, gegenüber dem „alten Konsens“ durchzusetzen vermag. Im Blick auf Kuglers „neue Fragen“ hat schon H.-J. Fabry an dessen „literarkritischer Wut“ heftige Kritik geübt.68 Insbesondere die literarkritischen Hypothesen einer nachträglichen Eintragung der Aaroniden- und Zadokidenbelege erregen Fabrys Widerspruch. Allerdings kommt auch Fabry nicht umhin, aufgrund der neuen Textgrundlage einzugestehen: „Man kommt um die Feststellung nicht herum, dass diese ältere Stufe der Gemeinderegel nicht von den Zadokiden spricht! Die Präponderanz der Aaroniden und der Generalversammlung als oberster Instanz der Gemeinde sind nicht von der Hand zu weisen.“69 Fabrys Lösung bleibt freilich konservativer als Kuglers Entwurf: Er sieht durchaus einen Machtzuwachs der Zadokiden, deren Präsenz schon in den Anfängen der Gemeinschaft von ihm jedoch nicht in Frage gestellt wird, da 1QSa, besonders 1QSb und CD eindeutige Belege für die Präsenz der Zadokiden in der Gründungszeit sind. Das „verwickelte Mit- und Nebeneinander von Aaroniden und Zadokiden in den Gemeinden von Damaskus und Qumran“ verbiete einlinige Entwicklungsmodelle.70 Er sieht in der Damaskusgemeinde und der Regelliteratur in Qumran gegenläufige Entwicklungen: „Während die Gemeinde von Damaskus anfänglich eindeutig zadokidisch dominiert war, dann aber ein Schisma erleiden musste, [...] sah die Regelliteratur in Qumran eher eine umgekehrte Entwicklung, wenn auch nicht in Reinform.“71 In Anbetracht der nach wie vor offenen Forschungslage und vor allem der neueren Diskussionen um das gegenseitige Verhältnis der qumranischen Regeltexte und den Charakter des yaḥad72 verbieten sich momentan zu weitreichende chronologische und historische Schlussfolgerungen. Deutlich ist, dass die Gemeinschaft ab einem bestimmten Zeitpunkt von Zadokiden dominiert wurde. Die Manuskripte der Gemeinderegel aus Höhle 4 legen in der Tat unterschiedliche Stadien und Stufen in der Entwicklung dieses Textes und auch im Blick auf den Einfluss der Zadokiden nahe. Wie diese Texte chronologisch und historisch – möglicherweise auch soziologisch und geographisch – zu bewerten sind, ist jedoch momentan ebenso offen wie die Frage, ab welchem Zeitpunkt im engeren Sinne vom 68

FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 208f. FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 212 [kursiv bei F.]. Auslöser ist auch bei FABRY der Vergleich der 1QS-Varianten. 70 FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 212f.; ebenso MAIER, Priester, 130. 71 FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 216. 72 Vgl. dazu COLLINS, Yaḥad, 81–96; DERS., Qumran Community, sowie SCHOFIELD, Qumran. 69

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yaḥad zu reden ist und was dieser Terminus genau bezeichnet. Nimmt der yaḥad seinen Anfang erst unter dem Einfluss des „Lehrers der Gerechtigkeit“ und seiner priesterlichen Separationsbewegung, oder verstanden sich einige der unterschiedlichen Vorläufergruppen ebenfalls schon als yaḥad? Handelt es sich um eine streng organisierte Gruppe oder um eine Art „Dachorganisation“73 von unterschiedlich organisierten Gemeinschaften, was eine Erklärung für die verschiedenen Varianten der Gemeinderegel sein könnte? Diese und weitere Fragen warten noch auf eine schlüssige Antwort. Deshalb kann an dieser Stelle nur das Fazit von H.-J. Fabry wiederholt werden: „Der Forschung bleibt es überlassen, durch literarhistorische Untersuchungen weitere Feinstrukturen zu erheben.“74 2.2 Der yaḥad als metaphorischer Tempel Die Gründung eines Konkurrenzheiligtums nach dem Vorbild Onias IV., der im ägyptischen Leontopolis einen Tempel mit konkurrierendem Opferkult etablierte, war aufgrund der Maßgabe der Kultzentralisation in Jerusalem und möglicherweise auch aufgrund ihrer extremen Naherwartung des Endgerichts für die Gemeinschaft ausgeschlossen.75 Umgekehrt mussten die Opfer jedoch gebracht werden, weil sie schließlich von Gott angeordnet waren. So blieb der Gemeinschaft für die kurze Epoche bis zum Endgericht nur noch die theologische Umdeutung des Opferkultes in Form eines kultisch inszenierten Provisoriums in Menschengestalt. Im Anschluss an kultkritische Worte wie z.B. Prv 15,8 sah man im Gebet und Gehorsam eine adäquate Substitution für den Opferritus.76 In diesem Licht gewinnen die zahlreichen, in den Qumranhöhlen gefundenen Gebetstexte und -lieder eine eminente Bedeutung: „These texts were no doubt intended to substitute for participation in the Temple which was made impossible either for reasons of distance or, as was the case with the Qumran sect, because of ideology.“77 Der angemessene Ort für diese Form der Opferdarbringung war der yaḥad, der damit konsequenterweise als der „aus Menschen gebaute“ neue

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So der Vorschlag von COLLINS, Yaḥad, 81–96; DERS., Qumran Community. FABRY, Zadokiden und Aaroniden, 216; vgl. auch MAIER, Priester, 138, der die Forschungssituation gegenwärtig als „undurchsichtiger“ beschreibt „als zur Zeit, da nur die Texte aus Höhle 1 vorlagen. 75 Vgl. STEGEMANN, Essener, 243.285. 76 CD 9,20f.: „Das Schlachtopfer der Frevler ist [dem Herrn] ein Greuel, das Gebet der Gerechten aber gilt dem Herrn als eine wohlgefällige Opfergabe [Prv 15,8].“ Vgl. auch 1QS 9,4–5: „Hebopfer der Lippen“ und „vollkommener Wandel“, und 8,6–7.9–10, sowie Phil Prob 75. 77 SCHIFFMAN, Community, 274. 74

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Tempel Gottes auf Erden verstanden wurde,78 der inmitten von Israel als der diesen Tempel umgebenden Tempelanlage steht. Es war nun die Toraobservanz der Gemeinde, die als substituierender Kultvollzug verstanden wurde. Auch die sühnende Funktion des Tempelkultes ging auf den yaḥad über, dem die Aufgabe zukam, für all jene Sühne zu schaffen, die sich als willig erweisen zum „Allerheiligsten für Aaron“ (1QS 5,5–7; 8,8f.; 9,6) zu gehören. Die in den Qumranschriften sich ausdrückende Gemeinschaft ist damit neben der frühchristlichen Gemeinde das einzige Beispiel dafür, dass eine Gruppe sich selbst als Ort der Präsenz Jahwes und damit als Tempel verstehen konnte.79 Das in den Qumranschriften zu beobachtende Phänomen der „Umdeutung“ bzw. „Übertragung“ ist terminologisch ähnlich schwierig zu beschreiben wie beim analogen Vorgang in den ntl. Schriften. Auch der hier zu beobachtende Vorgang ist mit dem Begriff der „Spiritualisierung“ oder „Vergeistigung“80 nicht sachgerecht wiedergegeben, denn mit den sprachschöpferischen Prozessen der stoischen Ethik oder der Mystik Philos hat dieses Phänomen nichts zu tun. Aber auch die Definition als „eine ‚ekklesiologische Umdeutung‘ kultischer Inhalte durch eine im Bewusstsein der göttlichen Erwählung lebende Gemeinde“81 trägt anachronistisch christliche Deutungskategorien in einen vorchristlich-frühjüdischen, hermeneutischen Vorgang ein. Man wird auch hier gut daran tun, den Begriff der Metaphorisierung zu verwenden, der am ehesten geeignet ist, um das Phänomen terminologisch adäquat zu beschreiben (→E.5.2).

Mit der Übertragung der Tempelsymbolik auf den yaḥad erfuhren die Glieder der Gemeinschaft das eschatologische Heil und die Heilssphäre Gottes bereits als gegenwärtig.82 Sie sahen sich im Anbruch der letzten Zeiten und teilten die Gewissheit, bereits jetzt Anteil an den zukünftigen Heilsgütern zu haben.83 Eine rein futurische Hoffnung musste demgegenüber zurücktreten. 78 Vgl. 1QS 5,5–7; 8,4–10; 9,3–6; 11,8; CD 3,18ff.; 11,20–22; 4Q174 3,1–3; 4Q511 Fr. 1 1,5–10; 1QpHab 12,3f. und KUGLER, Art. Priests (EncDSS), 691. Möglicherweise findet diese Umdeutung des Tempels einen Nachhall in einer Notiz bei Jos Bell 2,129, wonach die Essener den Speiseraum in einem solchen Zustand der Reinheit betreten hätten, „als ginge es in ein Heiligtum“. 79 Vgl. 4Q 174 3,3, sowie KUHN, Qumran und Paulus, 231: „Abgesehen von Qumran und christlichen Texten gibt es für die hellenistisch-frührömische Zeit und die Zeit davor keine Parallele dafür, dass eine Gruppe […] als Tempel verstanden wird.“ 80 Vgl. z.B. DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 76. 81 STRACK, Terminologie, 388f. 82 KUHN, Enderwartung, 176–188, vgl. v.a. 184: „Von der Ineinssetzung von irdischem und himmlischem Heiligtum lag es dann für den sich als diensttuenden Priester verstehenden Qumran-Frommen besonders nahe, das Sein in der Gemeinde auch als himmlischen Aufenthalt zu deuten.“ 83 Bereits G. JEREMIAS, Lehrer, 245–249, hat nachgewiesen, dass 1QH 6,24ff. die Verwirklichung des endzeitlichen Jerusalem im yaḥad sieht. Auch den neuen Bund, die eschatologische Pflanzung und die Gemeinschaft mit den Engeln betrachtete man im yaḥad als schon gegenwärtige Realität.

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Innerhalb dieses aus Menschen gebauten Tempels bildeten die Priester wiederum das Allerheiligste84 und zusammen mit den Zadokiden an ihrer Spitze den berit El, den Gottesbund. Hinter dieser Konzeption verbirgt sich die Abbildung Gesamtisraels innerhalb der Gemeinschaft.85 Solange der Jerusalemer Kult in unangemessener und damit ungültiger Weise vollzogen wurde, begriff sich die Gemeinschaft als die stellvertretende Darstellung Israels vor Gott, ohne dass sie umgekehrt in eine theologische Distanz zum Jerusalemer Tempel getreten wären, im Gegenteil. Die Mitglieder der Gemeinschaft blieben dem Tempel als der Wohnstätte Gottes verbunden und pflegten auch in ihren Gebetsgottesdiensten die Ausrichtung auf den Jerusalemer Tempel.86 Josephus (Ant 18,19) erwähnt, dass die Essener nach wie vor Votivopfer zum Tempel sandten, was gegen einen Totalboykott des Tempelkultes spricht. Ob dies freilich auch für die Gemeinschaft gilt, die hinter den Qumranschriften steht, bleibt unklar.87 Eine wesentliche Veränderung vollzieht sich in den Qumranschriften im Blick auf die Reinheitshalacha. Für die Teilnahme an den streng in Anlehnung an das Opferritual gestalteten Gebetsgottesdiensten wurden dieselben kultischen Reinheits- und Heiligkeitsnormen angelegt wie an die im Jerusalemer Tempel amtierenden Priester, Leviten und das opfernde Volk. Darüberhinaus wurden diese Standards nun aber noch durch moralische Reinheitshalachot erweitert. Diese Verschmelzung von kultischer und ethischer Reinheit und der Glaube an die verunreinigende Wirkung von Sünde ist eine wesentliche Weiterentwicklung des atl. Reinheits- und Heiligkeitsbegriffs, die später auch für das ntl. Verständnis maßgeblich werden sollte.88 Die Verschärfung und Ausweitung der überlieferten Normen war von der Absicht motiviert, dass die mangelhafte kultische und ethische Integrität der Jerusalemer Priester durch die eigenen Bemühungen kompensiert und im eigenen priesterlichen Kreis wiederhergestellt werden sollten. Dabei war auch die Vorstellung leitend, dass die Glieder des yaḥad nicht nur 84

STEGEMANN, Essener, 229f. STEGEMANN, Essener, 230f. 86 So zielt die Längsachse der Versammlungshalle von Qumran auf den 26 km entfernten Jerusalemer Tempel und sogar der Neigungswinkel des Richtung Jerusalem ansteigenden Fußbodens versucht ungefähr den Höhenunterschied des 1080 m höher gelegenen Tempels auszudrücken, STEGEMANN, Essener, 244f. 87 Zur Diskussion über den Grad der Beteiligung des yaḥad am Jerusalemer Opferkult vgl. W ARDLE, Jerusalem Temple, 145–150. 88 Zur Ausweitung der Reinheitshalachot vgl. VAHRENHORST, Sprache, 38–41. H IMMELFARB , Kingdom, 133f. vermutet, dass durch die Intensivierung der Reinheitsgesetze im Damaskusdokument und in der Tempelrolle normale Juden „more like priests“ gemacht wurden. Die wahre Bedeutung der Reinheitsgesetze liege daher nicht im Bereich des Physischen, sondern im Bereich des Spirituellen, nämlich in den Metaphern für Sünde und Buße. 85

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in einem temporären, sondern ständigen Kontakt mit der Heiligkeit Gottes und seinen himmlischen Engeln lebten.89 Dies alles geschah freilich unter dem eschatologischen Horizont, dass der yaḥad eines Tages nach einer endzeitlichen Schlacht die nicht mehr integre und damit illegitime Tempelpriesterschaft ablösen, die Kontrolle über einen neuen, eschatologischen Tempel90 (wieder?) übernehmen und einen gemäß seinem Verständnis legitimen Kalender sowie Kult- und Tempeldienst einführen wird.91 Bis zu diesem Tag distanzierte sich der yaḥad jedoch von einer Priesterschaft, die inmitten einer unreinen Stadt Opfer an falschen Tagen darbrachte. 2.3 Priesterliche Titel in den Qumranschriften Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten und noch offenen Diskussionsprozesse kann auch im Blick auf das Priesterverständnis der Qumranschriften an dieser Stelle nur der relative Forschungskonsens wiedergegeben werden.92 Dass das Priestertum, die priesterliche Hierarchie und priesterliche Kategorien für die in den Qumranschriften sich ausdrückende Gemeinschaft von immenser Bedeutung war, steht auch trotz der erwähnten Unsicherheiten außer Frage. Ein Beleg dafür ist die bloße Menge priesterlicher Titel und Bezeichungen: (1) In den Schriftrollen finden sich über 300 Belege des Begriffs !heko, die sich über die unterschiedlichsten Textgattungen der Qumranbibliothek verteilen.93 Zahlreiche Belege unterstreichen (zumindest in ihrer Endredaktion) die Führungsposition der Priester (1QS 6,4–5.8; CD 9,13.15; 13,2–3; 14,3.5) und projizieren diese gehobene Position auch auf die Verhältnisse des von der Gemeinschaft erwarteten neuen, eschatologischen Zeitalters (1QSa 1,16.24; 2,3.12–13). 89

VAHRENHORST, Sprache, 71. Aus diesem Grund konnten auch physisch beeinträchtigte Menschen keine Aufnahme in die Gemeinschaft finden, weder gegenwärtig noch zukünftig, da diese eine verunreinigende Wirkung auf den Tempel der Gemeinschaft hätten, vgl. CD 15,15–17; 1QSa 2,3–11; 4Q174 3,2–5; 1QM 7,4–6; 11QT 45–51; 4QMMT B 39–49, sowie S CHIFFMAN, Community, 276: „Thus … we find that even while remaining separated from the Temple ritual, members of the Qumran sect continued to study and cherish laws and interpretations of the Torah which pertained to what they understood to be the correct procedures for Temple worship and related regulations of purity and impurity.“ 90 Vgl. 4Q174 3,2ff.; 11QT 29,9, sowie ausführlich unter →III.2.3.5. 91 SCHIFFMAN, Community, 276. 92 Dieser orientiert sich an den Arbeiten von KUGLER, Priesthood at Qumran, 93–116; DERS., Art. Priests (EncDSS), 688–693; LANGE , Art. Qumran (RGG), 1873–1896; MAIER, Qumran-Essener III; SCHÜRER/VERMES, History II, 550–554.585–590. 93 KUGLER, Priesthood at Qumran, 94; DERS., Art. Priests (EncDSS), 688.

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(2) Rund 20mal erscheint der Titel „Hohepriester“ (lwOdG'h; !h,Koh;) in den Qumranschriften. Damit wird aber kein aktuelles Mitglied des yaḥad bezeichnet, sondern der Oberpriester des eschatologischen Zeitalters bzw. eines in seiner Reinheit wiederhergestellten Tempels.94 (3) Wie oben gezeigt ist der Befund für den Titel „Söhne Zadoks“ umstritten, weil neuere text- und redaktionskritische Untersuchungen eine erst spätere Einfügung dieses Titels in den Textkorpus der Gemeinde- und Versammlungsregel behaupten. Für den bisherigen Forschungskonsens markierte gerade dieser Titel den Grund für das Schisma der Anhänger des „Lehrers der Gerechtigkeit“ von der ‚nicht-mehr-zadokidischen Hohepriesterschaft‘ der Hasmonäer.95 Man sah in den „Söhnen Zadoks“ bzw. in der zadokidischen Linie des Priestertums die Urheber für die Gründung der Gemeinschaft. In 1QS 5,2.9; 1QSa 1,2; 2,3 werden die Zadokiden als Führungsfiguren des yaḥad und der zukünftigen Heilszeit vorgestellt. Während diese Belege für die text- und redaktionskritisch orientierte Forschung der letzten Jahre spätere Einfügungen darstellen,96 was in der Konsequenz bedeuten würde, dass sich das zadokidische Selbstverständnis erst nach und nach entwickelt hätte, sieht Fabry die Beteiligung und den Einfluss der Zadokiden von Anfang an aufgrund von CD 3,20–4,4; 4Q163 Fr. 22 3; 4Q174 3,17 und 1QSb 3,22 als gesichert an. (4) In ca. 30 Belegen erscheinen die Aaroniden bzw. die „Söhne Aarons“. Durch den Begriff werden in der Regel Priester von Leviten (1QSa 1,16.23; 1QM 7,10; 11QT pass) bzw. anderen Mitgliedern des yaḥad unterschieden (1QS 9,7).97 Bemerkenswerterweise findet sich nirgendwo in den Schriftrollen eine Unterscheidung zwischen Zadokiden und Aaroniden.98 Es gibt einige wenige Passagen, in denen der Titel als austauschbar erscheint.99

94 KUGLER, Priesthood at Qumran, 96; DERS., Art. Priests (EncDSS), 688. Möglicherweise ist auch die determinierte Bezeichnung !hekoh; in 1QSa 2,12–13.19 als eine Bezeichnung für den eschatologischen Hohepriester zu betrachten. 95 STEGEMANN, Essener, 208.211; vgl. gegen diese Auffassung W ISE, Teacher of Righteousness. 96 KUGLER, Priesthood at Qumran, 97; DERS., Art. Priests (EncDSS), 688. Die wenigen Belege in anderen Schriften, CD 3,20–4,4; 4Q163 Fr. 22 3; 4Q174 3,17; 1QSb 3,22, können nach KUGLERS Urteil den „alten Konsens“ weder bestätigen noch widerlegen. 97 So werden die „Söhne Aarons“ in 4QMMT B 79–80 als „äußerst heilig“ bezeichnet, während Israel lediglich als „heilig“ gilt. 98 G. VERMES hatte ursprünglich in der englischen SCHÜRER-Ausgabe, History II, 253, Anm. 56, die Synonymität der beiden Bezeichnungen in den Qumranschriften betont. Später kommt er jedoch in DERS., Leadership, 379, unter dem Eindruck der neu edierten Texte zu der Auffassung, dass die Gemeinde ursprünglich priesterlich und laikal gemischt war, wobei den „Söhnen Aarons“ ein gewisser Vorrang zukomme. Die zadokidischen Anhänger von Onias III. (sic!) seien erst nach dessen Emigration nach

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(5) Schließlich finden sich noch ca. 100 Belege der Bezeichnung „Söhne Levis“ in den Qumranschriften.100 Auffallend ist dabei, dass die Leviten in zahlreichen Stellen mit einer gehobeneren Rolle und mehr Privilegien ausgestattet erscheinen, als dies in den atl. Texten der Fall ist. Ihre Privilegien übertreffen hinsichtlich der Versorgung mit dem Zehnten gelegentlich sogar jene der Priester (vgl. 11QT 21,1; 22,10–12; 60,6f.). In 11QT 44,5.14 werden den Leviten mehr Bereiche im Tempel zugewiesen als den Priestern, während die Leviten in den biblischen Texten überhaupt keine eigenen Räume im Tempelkomplex haben. In den meisten Belegen werden die Leviten zwar über ihren inferioren atl. Status erhoben, bleiben aber auf einer Stufe mit den Priestern.101 Dagegen bleiben die Leviten in anderen Passagen in ihrer biblisch begründeten Rolle eines clerus minor im Hinblick auf Rang und Privilegien gegenüber den Priestern verhaftet.102 Verglichen mit den anderen elf Stämmen Israels sind sie jedoch durchgängig privilegiert.103 Für diese bemerkenswert gehobene Rolle der Leviten in den Qumranschriften gibt es verschiedene Erklärungen. G. Brooke führt den Befund auf eine Periode des verstärkten Zustroms von Leviten in die Gemeinschaft zurück. Sie hätten entsprechende Literatur in den yaḥad eingebracht, in der die Leviten in einer wesentlich gehobeneren Position präsentiert worden seien.104 Dagegen sieht R.A. Kugler in der Aufwertung der Leviten ein Spiegelbild der eigenen Erfahrungen des yaḥad. Durch das Schisma vollzog sich eine Art „Selbst-Marginalisierung“ ehemaliger Tempelpriester, die nun nicht mehr am Jerusalemer Altar, sondern in einem Alternativkult einer in Mitgliedern gemessen weit kleineren Gemeinschaft amtierten. In dieser Situation könnte eine „Empathie“ mit den seit langer Zeit marginalisierten Leviten gewachsen sein, die durch eine literarische Aufwertung der Leviten kompensiert wurde.105 Letztlich seien aber weniger die historischen Leontopolis hinzugestoßen und hätten dann allerdings für eine zadokidische Dominanz gesorgt. 99 Vgl. 1QS 5,2.4.8–9 mit 9,7; 1QSa 1,23 mit 1,24, sowie KUGLER, Priesthood at Qumran, 101; DERS., Art. Priests (EncDSS), 689. 100 KUGLER, Priesthood at Qumran, 103; DERS., Art. Priests (EncDSS), 689. Die Leviten in Qumran hätten eine ausführliche Diskussion hervorgerufen. Die wichtigsten neueren Beiträge sind KUGLER, References to Levi; BROOKE, Levi; STALLMAN, Levi. 101 11QT 57,12; 60,12.14; 61,8; 1QM 13,1; 18,5f.; 4Q491 Fr. 1–3 9; 4Q493 1–10; CD 13,3; 1QS 1,18f.; 1QS 2,11. 102 11QT 21,4; 22,4; 58,13; 60,7–11; 1QM 2,2; 7,14–16; 8,9; 15,4; 16,7; CD 14,4f.; 1QS 2,20. 103 11QT 23,9f.; 24,11; 39,12; 40,14f. und 4Q365 Fr. 23 10. 104 BROOKE, Levi, 106–116. 105 KUGLER, Art. Priests (EncDSS), 689f.

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Leviten im Blick gewesen als vielmehr der eigene marginalisierte Status gegenüber dem Jerusalemer Priestertum. Auch die Stilisierung der Figur Levis und seiner Nachkommen als einer idealen Priesterschaft (→IV.3) diente der Profilierung des eigenen Selbstverständnisses und der Kritik am depravierten Jerusalemer Priestertum.106 2.4 Die Funktion der Priester in den Qumranschriften Die Funktionen und Aufgaben der Priester des yaḥad entsprachen trotz des Verzichts auf Tieropfer und des Wegfalls der Pflege und Instandhaltung einer Tempelanlage immer noch in vielerlei Hinsicht dem traditionellen Jerusalemer Priestertum. Dies ist insofern verständlich, als sich die Kritik der Gemeinschaft nicht am Jerusalemer Priestertum an sich entzündete, sondern an seinem ethischen Erscheinungsbild und dem daraus resultierenden Mangel an kultischer Integrität. Entsprechend mussten die Priester des yaḥad beweisen, dass sie das bessere und legitimere Priestertum sind. Dieses Programm setzte implizit eher reaktionäre als innovative Kräfte frei. Kugler gliedert das Aufgabenspektrum der Priester des yaḥad in fünf Kategorien:107 (1) Priester bei der Gottesdienstleitung Die Priester übernahmen selbstverständlich die Leitung in den Gottesdiensten des yaḥad. Sie sprachen Segnungen, verkündigten die Taten Gottes und verfluchten die Frevler (1QS 1,18–22; 2,1.11), segneten die Speisen (1QS 6,4f.; 1QSa 2,19f.) und schlossen feierlich irrende Gemeindeglieder aus (4Q266 Fr. 18 5 = 4Q270 Fr. 11 1). Die Gottesdienstordnung war dabei natürlich diejenige des Tempelgottesdienstes, denn diese wollte man im yaḥad vollkommener erfüllen als die Jerusalemer Priesterschaft.108 (2) Priester als Ausleger des Gesetzes Priester lehrten und interpretierten auch im yaḥad die Tora109 und rezitierten die Taten Gottes (1QS 1,21ff.). Entsprechend intensiv waren auch ihre Studienbemühungen. Nach der Gemeinderegel widmeten alle Mitglieder des yaḥad ein Drittel jeder Nacht dem Torastudium. Auch vor dem eschatologischen Kampf soll der Priester die Kämpfer der Hilfe Gottes versichern (1QM 10,2–5; 15,6–11). 106 KUGLER, Evidence, 479: „… what may be expressed here is simply the community’s self-definition as former altar priests who, in exile and cut off from the temple, identifiy themselves in a symbolic way as Levites, and who look forward to the day when, by God’s will, they will once again be the priests in charge of the temple, that is the Zadokites“ [kursiv bei K.]. 107 Siehe zum Folgenden KUGLER, Priesthood at Qumran, 109–111; DERS., Art. Priests (EncDSS), 690f.; vgl. auch DOMMERSHAUSEN, Art. kohen, 76, und BEST, Spiritual Sacrifice, 273f. 108 Vgl. SCHIFFMAN, Community, 275f. 109 1QS 5,9f.; 6,6; CD 12,22–13,7; 14,6–8; 1QSb 3,22–25; 1QpHab 2,7–10.

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(3) Priester als Richter Die Priester in Qumran entschieden über die Akzeptanz von Novizen und neuen Mitgliedern des yaḥad (1QS 5,21; 6,19; 9,7) und führten diese ein (1QS 1,18–2,23). Das hatte mit höchster Sorgfalt zu geschehen, weil der yaḥad den Tempel ersetzte (1QS 5,5f.; 8,5–7; 9,6) und entsprechend rein gehalten werden musste. Zur Erfüllung politisch-jurisdiktioneller Aufgaben wurde nach 11QT 57,11–15 ein aristokratisches Leitungsgremium konstituiert: ein sog. Kronrat aus zwölf Priestern, zwölf Leviten und zwölf Stammesfürsten, der Recht sprechen und Tora erteilen sollte. Dagegen bestand nach CD 10,4–6 das Gerichtsgremium der Gemeinschaft nur aus zehn Männern, von denen vier Priester sein mussten.110 (4) Priester als Gemeindeleiter Dass die Gemeinschaft durch Priester geleitet wurde, geht aus zahlreichen Belegen hervor (1QS 5,2.9.21; 6,8.19; 8,1; 9,7; CD 10,4–7; 13,3; 14,6) – umstritten ist lediglich, ob dies von Anfang an so war. Diese Leitung wird jedoch in der Regel in Kooperation mit Laien beschrieben, wobei die Priester bei den Gottesdiensten einen privilegierten Platz einnahmen (1QS 6,8; 1QSa 1,2; 2,3.12f.; CD 14,3.6; 4Q270 Fr. 11 1,16). (5) Opfernde Priester? Es ist unwahrscheinlich, dass die Priester des yaḥad Opfer darbrachten, auch wenn bei Jos Ant 18,19 (vgl. Philo Prob 75) eine scheinbar konträre Angabe gemacht wird.111 Möglicherweise sandten Mitglieder der Gemeinschaft Opfer nach Jerusalem (vgl. CD 9,14; 11,17–12,2; 16,13–16) oder bestimmten Opfer für ihre Priester,112 aber grundlegend bleibt 1QS 9,4–5, wo Gebet und Lobpreis in den Qumranschriften an die Stelle der Opfer treten.113 Allerdings erwarten die Qumranschriften, dass diese Aufgabe den Priestern des yaḥad in einem eschatologischen Zeitalter, das einer von ihnen heraufführen wird, wieder zufallen wird (4Q174 3,1–7; 1QM 2,5–6; 2Q24 Fr. 4 11–18). 2.5 Der priesterliche Messias Eine Besonderheit der Qumrantexte ist die einzig in diesen belegte Erwartung eines priesterlichen Messias. Die Profilierung dieser Gestalt wird jedoch dadurch erschwert, dass in den genuinen Texten des yaḥad ein priesterlicher Messias immer nur in Verbindung mit einem herrscherlich110

Vgl. dagegen 4Q159 Fr. 2–4 4. Vgl. KLINZING, Umdeutung, 44–49; KLAWANS, Purity, 161f.; KUGLER, Art. Priests (EncDSS), 691, und SCHIFFMAN, Community, 272, der von der Voraussetzung ausgeht, dass Khirbet Qumran die Siedlung des yaḥad ist: „There ist absolutely no archaeological evidence that would indicate the presence of a cult site or Temple at Qumran.“ 112 Diese Praxis wäre jedoch im Widerspruch zu CD 6,11f. gestanden, wo alle Opfer im Jerusalemer Tempel als „unnützes Feuer“ (v)erachtet werden. 113 SCHIFFMAN, Community, 272–274. 111

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königlichen Messias auftaucht, die beide mit der stereotypen Formel „die Gesalbten Aarons und Israels“ bezeichnet werden. Das Syntagma ist bisher ausschließlich in den Qumrantexten belegt (1QS; 1QSa; CD bzw. 4Q266– 273). Als locus classicus kann hier der Beleg aus der Gemeinderegel 1QS 9,11 gelten, wo die eschatologische Erwartung des Kommens „eines Propheten114 und der Gesalbten Aarons und Israels“ erwähnt wird. Komplizierter stellen sich die Dinge in der Damaskusschrift dar, wo stets nur im Singular von einem „Gesalbten Aarons und Israels“ die Rede ist.115 Da die Formulierung stets ohne nähere Erläuterung verwendet wird, liegt es nahe, an eine bereits fest geprägte Wendung zu denken, die keiner Erklärung mehr bedurfte. Das Problem ist seit Jahrzehnten Gegenstand der Diskussion. J. Zimmermann macht jedoch in seiner grundlegenden Untersuchung deutlich, dass v.a. im Blick auf CD 20,1 auch ein duales Verständnis im Sinne einer Herkunftsbezeichnung („Gesalbter von Aaron und [Gesalbter] von Israel“) möglich ist.116 Neben den Belegen aus der Gemeinderegel (1QS 9,11; vgl. auch die Erwähnung des Priesters in 1QSa 2,11ff.) und der Damaskusschrift ist 4Q175,14–20 der einzige Text aus der genuinen Literatur des yaḥad, wo im Rahmen einer Testimoniensammlung in Anlehnung an Dtn 33,8–11 eine priesterliche Gestalt messianische Züge bekommt.117 Mit dem Auftreten der Genannten kommt an mehreren Stellen die Geltung provisorischer Vorschriften, die mit dem Interimszustand des yaḥad verbunden sind, an ein Ende.118 Dies lässt vermuten, dass mit der/den erwarteten Gestalt(en) (ein) neue(r) Gesetzgeber bzw. -ausleger (vgl. 4Q174; CD 7) gemeint ist/sind.119 Möglich – jedoch nicht deutlich – ist auch, dass mit seinem/ihrem Auftreten eschatologische Sühnehandlungen und ein richterliches Handeln einhergehen.120 Da in den genuinen Texten des yaḥad von einem priesterlichen Gesalbten ausschließlich in Verbindung mit einem königlichen Gesalbten die Rede ist, legt sich für die Eschatologie der Gemeinschaft die Überzeugung 114

Es könnte sich hier um die Erwartung eines im Frühjudentum, vgl. 1Makk 4,46, bekannten eschatologischen Propheten nach Dtn 18,15–18 handeln, dessen Aufgabe es sein wird, eine neue, autoritative Toraauslegung für die Endzeit zu geben. 115 CD 12,23–13,1; 14,19/4Q 266 Fr. 18 1/4Q269 Fr. 13; CD 19,10f.; 20,1. 116 ZIMMERMANN, Messianische Texte, 42f.; ebenso KUGLER, Art. Priests (EncDSS), 690. „Aaron“ und „Israel“ bezeichnen dann die beiden wichtigsten Gruppen der „Gemeinde im Land Damaskus“, vgl. CD 1,7; 6,2–5. Solche Herkunftsbezeichnungen finden sich auch in den Testamenten der zwölf Patriarchen, wo von einem Retter „aus Levi“ und „aus Juda“ die Rede ist, vgl. TestSim 7,1f.; TestGad 8,1; TestJos 19,11. Ein Nebeneinander von einer priesterlichen und einer königlichen Person findet sich möglicherweise auch in 1QM 11,7–9; 4Q 285 Fr. 5 5 und 4Q161 Fr. 8 18–25. 117 Vgl. ZIMMERMANN, Messianische Texte, 428–436. 118 1QS 9,11; CD 12,23; 14,19. 119 ZIMMERMANN, Messianische Texte, 41. 120 ZIMMERMANN, Messianische Texte, 41.

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einer „messianischen Doppelspitze“ nahe, wobei es Indizien gibt, dass der priesterliche Gesalbte gegenüber dem politisch-militärischen Führer einen Ehrenrang besitzt. Jener ist diesem gegenüber weisungsbefugt (4Q161 Fr. 8 24; vgl. auch 1QSa 2,11ff.) und somit in der Würde vorgeordnet.121 Von einem „gesalbten Priester“ sprechen noch mehrere Texte, die in Qumran gefunden wurden, die jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach „voroder außerqumranische(n) bzw. nichtessenische(n)“ Ursprungs sind.122 Während 4Q375 und 376 einen (gesalbten) Priester – möglicherweise in einem eschatologischen Kontext – erwähnen, dessen Konturen jedoch sehr undeutlich bleiben, wird in einem sehr schlecht erhaltenen, aramäischen Text in 4Q541 eine priesterliche Gestalt erwähnt, die Sühne schaffen wird und deren Lehre universale Erleuchtung bewirkt, die jedoch auch starken Widerstand erfährt (Fr. 9 1,2–7) und an den jesajanischen Gottesknecht erinnert. Möglicherweise ist auch in dem kurzen und undeutlichen Text in 4Q540 von dieser Gestalt die Rede. Durch die starken Parallelen von 4Q541 zu TestLev 18 ist wahrscheinlich an den eschatologischen (Hohe)Priester der Endzeit zu denken.123 Die messianischen Texte aus den Höhlen von Qumran sind insgesamt zu undeutlich, als dass man aus ihnen allzu weitreichende Schlüsse ziehen könnte.124 Es scheint, dass eine priesterliche Messiasvorstellung zwar kein exklusives Theologumenon des yaḥad war, dort aber durch die Verknüpfung mit einem politisch-militärischen Messias zu einer Art messianischer Doppelspitze eine besondere Ausprägung erfahren hat.125 Funktional schließt diese Figur sowohl in den yaḥad-internen wie -externen Texten an die klassischen priesterlichen Funktionen des Segnens (1QM; 1QSa 2), des Sühnevollzugs (4Q541 Fr. 9 1,2) und in erster Linie der Lehre (4Q541 Fr. 9 1,3; 4Q175) an. 2.6 Allgemeines Priestertum in Qumran? In den Qumranschriften finden sich zahlreiche Hinweise, dass sich der gesamte yaḥad als eine Gemeinschaft mit priesterlichem Charakter verstand.126 Vor allem in der Gemeinschaftsregel wird deutlich, dass der 121

ZIMMERMANN, Messianische Texte, 311. ZIMMERMANN, Messianische Texte, 310. 123 ZIMMERMANN, Messianische Texte, 276. Er zieht in Erwägung, dass es sich „bei 4Q541 u.a. um eine Interpretation von Jes 53 auf eine priesterliche Gestalt“ handelt. 124 ZIMMERMANN, Messianische Texte, 474, hält noch in weiteren Texten Hinweise auf einen priesterlichen Messias bzw. eine eschatologische Figur mit priesterlichen Zügen für möglich: Neben CD 7 und 4Q174 könnten auch die Segenssprüche in 1QSb aus einem Segensformular für den eschatologischen Hohepriester stammen. 125 ZIMMERMANN, Messianische Texte, 311. 126 Schon KLINZING, Umdeutung, 136, kam zu der Überzeugung, dass alle Priesterbegriffe auf die ganze Gemeinde zu beziehen sind und in den Qumranschriften eine Vorstu122

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yaḥad Funktionen für sich beanspruchte, die traditionell dem Priestertum vorbehalten waren, allen voran die Sühnefunktion (1QS 5,1–7; 9,4–5; vgl. 1QM 2,5–6). Dem entspricht die Selbstdefinition als „heilig“ (1QS 8,5– 6.8; 9,6; 10,4) sowie als „Heiligtum Aarons“, „Allerheilgstes für Aaron“ bzw. „heiliges Haus für Aaron“ (1QS 5,6; 8,5f.8f.; 9,6; vgl. 4Q174 3,3–4) und damit korreliert auch die Adoption priesterlicher Regeln für die Reinheit (1QS 5,13; 6,16–17; 1QSa 2,3–10; CD 15,15–17) und das Alter für den Dienst (1QSa 1,8–17; CD 10,6–8). Die deutlichste Identifikation der Gemeinschaft als ein Allgemeines Priestertum findet sich in CD 3,19–4,4: (19) Und er baute ihnen ein zuverlässiges Haus in Israel, wie es zuvor nie bestanden hatte (20) bis heute, und die daran festhalten, sind für ewiges Leben (bestimmt) und alle Menschen-Ehre, ihnen gilt sie. So wie Gott es für sie (21) festgestellt hat durch den Propheten Ezechiel folgendermaßen: Und die Priester und die Leviten und die Söhne (1) Zakoks, die den Dienst meines Heiligtums gewahrt haben, als die Israeliten abirrten (2) von mir, sie sollen mir darbringen Fett und Blut (Ez 44,15). Und die Priester – sie sind die Umkehrenden Israels, (3) die aus dem Land Judah ausziehen, und jene, die sich ihnen anschließen. Und die Söhne Zadoks – sie sind die Erwählten (4) Israels, namentlich Berufene, die Dienst tun am Ende der Tage.127

Im Licht dieses und anderer Texte hat jüngst S. Paganini von der „eschatologisch-utopischen Vision eines Volkes aus Priestern“ gesprochen.128 Er begründet diese Interpretation zum einen mit der domierenden Rolle von Priestern im yaḥad und folgert daraus, dass die „besondere Aufmerksamkeit für die Rolle des Priestertums zeigt, dass die biblische Vorstellung eines ‚Volkes aus Priestern‘ sehr aktuell war“.129 Zum anderen ist es der im vorigen Abschnitt skizzierte, priesterlich geprägte Messianismus aus CD und 1QS und die herausragende Rolle, die der Hohepriester im eschatologischen Endkampf130 bzw. beim eschatologischen Festmahl (1QSa 2,11– 22) einnimmt, wovon Paganini die Vorstellung eines „priesterlichen Volk[es]“ in den Qumranschriften ableitet.131 Nun ist unbestritten, dass in den erwähnten Schriften die Priesterschaft eine herausragende und dominierende Rolle sowohl in der Gegenwart als auch in der eschatologischen Zukunft spielt, aber ein „Volk von Priestern“ fe der Vorstellung vom Allgemeinen Priestertum existiere. Diese These konnte sich jedoch aufgrund der häufigen Unterscheidungen von Priestern und Nicht-Priestern in den Texten zu Recht nicht durchsetzen. 127 Übersetzung nach J. MAIER, Texte I, 12f.; kursiv bei M. 128 P AGANINI, Vision, 31–67; ähnlich auch ROOSE, Teilhabe, 185: „CD 4 kann also Priesterbegriffe ausweiten und auf die gesamte Gemeinde beziehen. Abgehoben ist gerade nicht auf eine herausgehobene Gruppe mit besonderen Privilegien. Vielmehr klingt so etwas wie ein ‚allgemeines Priestertum‘ an …“ 129 P AGANINI, Vision, 33f. Auf die neuere Forschungsdiskussion zur fraglich gewordenen Rolle der Priester bei der Gründung der Gemeinschaft geht P AGANINI nicht ein. 130 1QM 2,1; 10,2; 15,4; 16,13; 18,5; 19,11. 131 P AGANINI, Vision, 38ff.

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im Sinne der Exodusformel, in dem alle Mitglieder eine priesterliche Identität besitzen, spiegelt die eher hierokratische Konzeption des yaḥad gerade nicht wieder. In dieser Hinsicht blieb die Gemeinschaft ganz und gar innerhalb der von der Tora vorgegebenen hereditären Grenzen. Anders als im frühen Christentum wurde hier die grundlegende Unterscheidung zwischen Priestern und Laien wie überhaupt das Profil des priesterlichen Dienstes gemäß dem „levitischen Paradigma“ mitsamt den Erfordernissen hinsichtlich Abstammung und Reinheit aufrecht erhalten, obwohl im yaḥad die funktionalen Unterschiede zwischen Priestern und Laien durch den Verzicht auf die Opfer im yaḥad wesentlich geringer in Erscheinung traten.132 Trotz der priesterlichen Charakteristik der Gemeinschaft konnte sich der yaḥad zur konsequenten Ausgestaltung eines „Allgemeinen Priestertums“ nicht durchringen. Die enge Bindung an die Tora und die Existenz von durch Abstammung legitimierten Priestern in den Reihen des yaḥad machte einen solchen hermeneutischen Schritt unmöglich.133 Auch eine Metaphorisierung des Priesterbegriffs analog zum Tempel- und Opferbegriff war auf diesem Hintergrund nicht vorstellbar.134 2.7 Ergebnis So undeutlich die Anfänge und Motive zur Gründung des yaḥad auch sind, so klar ist doch der Wille, mit dem yaḥad eine Substitution des Jerusalemer Tempelkultes zu etablieren. Die Kritik am letzteren entzündete sich sowohl an kultischen wie ethischen Defiziten durch die der yaḥad die priesterliche Integrität und folglich auch die Wirksamkeit des priesterlichen Opfer- und Sühnedienstes beeinträchtigt sah, was mit dem Begriff „unnützes Feuer“ (CD 6,14) umschrieben wurde. Zur Kompensation dieses heilsrelevanten Defizits versuchte der yaḥad selbst durch höhere Standards der kultischen wie ethischen Heiligkeit das bessere und legitimere Priestertum zu verkörpern. Dieses war jedoch aufgrund des nach wie vor anerkannten zentralen Kultortes in Jerusalem zu einem Kult ohne Tieropfer gezwungen. An ihre Stelle traten das Gebet und der Lobpreis. 132

HIMMELFARB, Kingdom, 4, formuliert den von ihr postulierten Grundkonflikt des Frühjudentums zwischen „ancestry and merit“ für die Qumrangemeinschaft wie folgt: „For these sectarians, Jewish ancestry is necessary, but far from sufficient, for membership in the holy community.“ 133 Vgl. KLINZING, Umdeutung, 143: „Es muß wohl in der Priesterschaft der Gemeinde Kreise gegeben haben, die an den alten Privilegien soweit wie möglich festhalten wollten und deshalb die neuen kultischen Vorstellungen nicht mit allen Konsequenzen mitvollziehen konnten.“ Entsprechend scheinen auch die Leitungsstrukturen innerhalb des yaḥad wesentlich hierarchischer angelegt gewesen zu sein als in der Frühzeit der ntl. Gemeinden. 134 KLINZING, Umdeutung, 217f.

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

Gänzlich substituiert wurden dagegen die Priesterschaft und die Gemeinde Israels. Der yaḥad aus Priestern und Laien bildete als Gemeinde einen metaphorischen Tempel innerhalb des als Tempelanlage verstandenen Israel. Dieser Entwurf eines alternativen „Seins vor Gott“ war auf der einen Seite weniger weitreichend als der oniadisch-zadokidische Alternativtempel in Leontopolis, auf der anderen Seite aber auch kreativer und offensichtlich attraktiver für viele Gleichgesinnte. Denn er blieb im Land Israel, verzichtete auf einen neuen Tempelbau und eröffnete auf den Prinzipien der Frömmigkeit und Heiligkeit ein elitäres und heilvolles „Sein vor Gott“ für jedermann, oder um es mit den Worten L. Schiffmans zu sagen: „Whereas Israelite religion assumed that God could best be approached through the sacrificial system in the Temple, it was the view of the sectarians that, in view of the impure state of Temple worship, life in the sect, following its principles and its laws, would best bring humans into close contact with God.“135 So sehr die Gemeinschaft einen priesterlichen Charakter beanspruchte, so wenig fand diese Selbstdefinition ihren Ausdruck in der Gemeindeordnung und der Praxis des alltäglichen Zusammenlebens. Die von der Tora gesetzten Unterschiede zwischen Priester, Leviten und Laien blieben auch im yaḥad im Grundsatz unangetastet. Ein Allgemeines Priestertum war die Gemeinschaft daher nur gemäß ihrem Anspruch, nicht gemäß der Wirklichkeit. Exkurs 2: Priester in Qumran und die frühchristliche Gemeinde Exkurs 2: Priester in Qumran und die frühchristliche Gemeinde Die auffälligsten Analogien zwischen dem yaḥad und der ntl. Gemeinde liegen in ihrer Entstehung und ihrem Versammlungsort. Der auslösende Faktor, der zur Gründung beider Gemeinschaften führte, war eine überragende Gestalt, die in beiden Fällen von der politischen Elite des zeitgenössischen Judentums abgelehnt wurde. Während der „Lehrer der Gerechtigkeit“ aller Wahrscheinlichkeit nach seines hohepriesterlichen Amtes enthoben wurde, fand Jesus ein gewaltsames Ende durch einen jüdischen und römischen Prozess. So unterschiedlich die Sammlungsvorgänge der jeweiligen Gemeinschaften auch waren, so ähnlich ist doch das Ergebnis. Hier wie dort entstand eine Gemeinschaft, die sich durch heterogene theologische Überzeugungen vom Judentum ihrer Zeit absetzte. Beide Gemeinschaften teilten ein apokalyptisch-eschatologisch geprägtes Verständnis der Heilsgeschichte.136 Auffallend ist ferner, dass für beide Gruppen der Jerusalemer Tempel an Bedeutung verlor und die Gottesdienste an anderen legitimen Orten gefeiert werden konnten. Für den yaḥad war dies möglicherweise Khirbet Qumran und viele andere Ḥaburot, für die frühen christlichen Gemeinden waren es schlicht die Wohnhäuser ihrer

135

SCHIFFMAN, Community, 272. SCHÜSSLER-FIORENZA, Cultic Language, 163; STRACK, Terminologie, 385; VAHRENHORST, Sprache, 155. 136

3 Das Priesterbild der Levi-Tradition

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vermögenden Mitglieder.137 Das Wesen einer jüdischen Gemeinschaft mit einem opferlosen Gottesdienst abseits des Jerusalemer Tempels, für deren Beschreibung sie jedoch die kultische Sprache und Terminologie verwendeten, ist die hervorstechendste Analogie zwischen beiden sozialen Gruppen.138 Hier enden dann allerdings auch rasch die Gemeinsamkeiten. Zwar blieb auch die frühe christliche Gemeinde stets an Jerusalem orientiert,139 aber im Unterschied zur Gemeinschaft der Qumranschriften hoffte sie nicht auf eine eschatologische Substitution der Jerusalemer Kultgemeinde durch die eigene Gruppierung. Im yaḥad blieben auch die grundlegenden Differenzierungen der Tora zwischen Priestern, Leviten, Laien und Heiden unangetastet. Die hereditäre Bestimmung des Menschen blieb trotz aller Hochachtung von Frömmigkeit und Toratreue in Kraft. Während es sehr bald zum Signum frühchristlicher Gemeinden wurde, dass grundsätzlich alle Menschen jenseits sozialer, ethnischer oder geschlechtlicher Grenzen zum Eintritt in die Gemeinschaft eingeladen waren (vgl. Gal 3,28), konnte der yaḥad von seinen kultischen und hereditären Grenzlinien nicht absehen und musste deshalb nicht nur Nichtjuden, sondern auch Juden mit körperlichen Gebrechen strikt abweisen (1QSa 2,3–11).140 Auch das Verhältnis zum Jerusalemer Tempel blieb ein unterschiedliches: Während der yaḥad bei aller Kritik durchaus positiv auf den Jerusalemer Tempel ausgerichtet war und dessen eschatologische Erneuerung erwartete, stellte für die christliche Urgemeinde in Jerusalem die in Act 4–5 reflektierte Verdrängung aus dem Tempel als ihrem öffentlichen Versammlungsort keine ernste Zäsur dar und für die heidenchristlichen Gemeinden der mediterranen Welt hatte dieser Tempel nie eine größere Bedeutung. Aus dieser Perspektive erscheint die These Klinzings, wonach „kein Zweifel darüber bestehen [kann], daß die Vorstellung [sc. von einer Gemeinschaft als Tempel] aus der Qumrangemeinde stammt“141 etwas kühn und voreilig. Die Hintergründe, Ausprägungen, Theologien und Sozialformen waren zu unterschiedlich, als dass man ohne eindeutige Textparallelen eine solche Herleitung rechtfertigen könnte.

3 Das Priesterbild der Levi-Tradition 3 Das Priesterbild der Levi-Tradition

In jüngerer Zeit erlangte eine Reihe von Texten eine verstärke Aufmerksamkeit, die sich alle in unterschiedlicher Weise um die Gestalt Levis ranken, ihn zu einem idealen Priester und jüdischen Führer stilisieren und die Begründung des Priestertums auf ihn zurückprojizieren.142 Aufgrund ihrer 137

Vgl. dazu GEHRING, Hausgemeinde, und GÄCKLE, Gottesdienste, 53–56. Auf eine Reihe weiterer theologischer und soziologischer Analogien macht R IESNER, Essener und Urgemeinde, aufmerksam. 139 Vgl. Act 20ff.; Röm 15,19.25f.31; 1Kor 16,3; 2Kor 8f.; Gal 4,23ff. 140 Auch H IMMELFARB, Kingdom, 142, weist auf diese Begrenzung hin. So sehr die progressive, auf Frömmigkeit und Leistung („merit“) beruhende Unterscheidung zwischen den „Kindern des Lichts“ und den „Kindern der Finsternis“ die Regeln der Abstammung außer Kraft setzte, so sehr blieb der yaḥad im Blick auf die Heiden dem Prinzip der Abstammung verhaftet. 141 KLINZING, Umdeutung, 210. 142 Vgl. hierzu die Arbeiten von KUGLER, Patriarch; DRAWNEL, Aramaic Wisdom Text; GREENFIELD/STONE/ESHEL, Aramaic Levi Document. 138

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

Nähe zu den Qumranschriften erfolgt ihre Darstellung und Auswertung gleich im Anschluss an dieselben, auch wenn es nicht möglich ist, sie eindeutig einer bestimmten Religionspartei zuzuordnen. 3.1 Die priesterliche Levi-Tradition Zu diesen Texten ist zum einen das aramäische Levi-Dokument zu rechnen, das erstmals unter den Schriften der Kairoer Geniza entdeckt wurde und vermutlich aus dem 3., evtl. auch aus dem frühen 2. Jh. v.Chr. stammt.143 Zum Zweiten gehören zu dieser Tradition die Kapitel 30,1–32,9 aus dem Jubiläenbuch, das gemeinhin in das 2. Jh. v.Chr. datiert wird.144 Schließlich zählt zum Dritten das Testament Levis aus den Testamenten der zwölf Patriarchen dazu, das deutlich christliche Bearbeitungsspuren aufweist und dessen Entstehungsgeschichte kaum mehr zu erhellen ist. Falls es eine jüdische Grundschrift gegeben haben sollte, dürfte diese ebenfalls im 2. Jh. v.Chr. zu verorten sein.145 Das Verhältnis dieser drei frühjüdischen Levi-Texte zueinander ist Gegenstand einer langen Debatte. Kugler vermutet, dass sowohl das aramäische Levi-Dokument als auch Jub 30,1–32,9 auf ein älteres LeviApokryphon Bezug nehmen,146 während das Testament Levis das aramäische Levi-Dokument zu Grunde legt, dieses aber in eigener Weise entfaltet.147 Möglicherweise stellt bereits Mal 2,4–7 einen Anfangspunkt einer priesterlichen Levi-Reflexion dar, wo Levi als eine priesterliche Idealfigur behandelt wird, die zum ethischen Maßstab und Kontrast für das depravierte zeitgenössische Priestertum dient. Als biblischer Hintergrund für diese ideale Levi-Figur dienen in den besagten Schriften die biblischen Levi-Texte aus Gen 34; Ex 32,25–29; Num 25,6–13 und Dtn 33,8–11. Alle drei Texte knüpfen an die Dina-Perikope in Gen 34 an, rühmen den Racheakt, den Levi mit seinem Bruder Simeon an dem Hiwiter-Fürsten Hamor und seinen Söhnen voll-

143

So GREENFIELD/STONE/ESHEL, Aramaic Levi Document, 19f., und STONE, Art. Aramaic Levi Document, 362; dagegen reklamiert DRAWNEL, Aramaic Wisdom Text, 66f., dass der Verfasser eine Kenntnis des numerischen Systems der Babylonier hatte und metrologische Listen der Babylonier imitiert, und das Dokument deshalb bereits ans Ende des 4. Jh. oder in das frühe 3. Jh. v.Chr. und damit in die frühe hellenistische Zeit datiert werden müsse, a.a.O., 71–75. 144 Zu den Einleitungsfragen →III.2.3.2. 145 Zu den Einleitungsfragen →III.1.2.1. 146 KUGLER, Patriarch, 130f.221f. 147 KUGLER, Patriarch, 221f., im Anschluss an HAUPT, Testament des Levi, 123. Zur Diskussion vgl. KUGLER, Patriarch, 5.

3 Das Priesterbild der Levi-Tradition

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zieht und begründen damit seine Erhebung zum Ur-Priester Israels.148 In der je eigenen Entfaltung dieses Stoffes wird Levi in allen Schriften zum idealen Priester stilisiert, der bereits zu Lebzeiten das Priesteramt verliehen bekommt.149 In dem aus verschiedenen fragmentarischen Qumrantexten,150 zwei Teilen eines Manuskripts aus der Kairoer Geniza und Zusätzen zum Berg-Athos-Manuskript der Testamente der zwölf Patriarchen (TestLev 2,3; 18,2) rekonstruierten Text des aramäischen Levi-Dokuments 151 wird im Anschluss an die – leider nur fragmentarisch erhaltene – Dina-Sichem-Erzählung (ArLev 1,1–2,1)152 und das Gebet Levis (3,1–18) Levi in einer Traumvision von Engeln zum Priester ernannt (4,4–7); von seinem Vater Jakob empfängt er den Zehnten (5,2), von seinem Großvater Isaak wird er gesegnet und zum Priester ordiniert (5,1.3–8) und im priesterlichen Recht unterwiesen (5,9–10,14). Nach einem biographischen Teil über Levis Nachkommen (11,1–12,9) schließt das aramäische LeviDokument mit einer weisheitlichen Unterweisung seiner Kinder ab (13,1–16). Auch Jub 30,1–32,9 sieht Levi aufgrund seines in der Vergeltung für Dinas Schändung erwiesenen Eifers (30,1–4.18–21) als idealen Kandidaten für das priesterliche Amt. 153 Die Isaak-Segnung und die Jakob-Berufung zum Priester werden wesentlich breiter ausgeführt (c. 31), wobei sich in 31,13–17 eine Paraphrase von Dtn 33,8–11 findet. In einer Vision wird Levi von seinem Vater Jakob in das priesterliche Amt eingeführt, um an Stelle seines Vaters die Opfer darzubringen und den Zehnten zu empfangen (32,1–9). Das Testament Levis beginnt mit einer Schilderung einer Vision und einer Himmelsreise, in der Levi über die sieben Himmel belehrt wird (c. 2,1–4,1). In 4,2–6 wird er über Gottes Gericht unterwiesen und ihm wird die Erhörung seines Gebetes um Erlösung von aller Gottlosigkeit zugesagt. In 5,1–6,2 werden ihm die Tore des Himmels geöffnet, er schaut den heiligen Tempel und den Höchsten auf dem Thron der Herrlichkeit und bekommt das Priesteramt zugesprochen. In 6,3–7,4 wird Levis Rache an Sichem und seine Rechtfertigung dafür berichtet. Seine Erhöhung zum priesterlichen Amt wird in 8,1–19 von Engeln vollzogen. Wie in ArLev 5 und Jub 30,1–32,9 reist Levi zu seinem Großvater Isaak, empfängt dort den Segen, reist mit seinem Vater Jakob nach Bethel, um dort von ihm den Zehnten zu bekommen (9,2b-4) und reist wiederum zu Isaak, um dort die priesterlichen Instruktionen zu empfangen (9,5–14). Analog zum aramäischen Levi-Dokument wird dann seine Lebensgeschichte erzählt (11,1–12,7), und das Buch schließt mit einer langen Rede über die Weisheit und das künftige Geschick seiner Nachkommen im Priesteramt (13,1–15,4; 16,1–18,14). Während in TestLev 17 eine fortschreitende Dekadenz des zeitgenössischen Priestertums beklagt wird, trägt die Erwartung des „neuen Priesters“ in TestLev 18 deutlich eschatologische Züge.

148

Vgl. B ERGER, Jubiläen, 469: „Der Bericht über die Schändung und Rächung der Dina in Gen 33,18–35,5 ist nur der Rahmen für daraus abgeleitete Bestimmungen über Mischehen und das Priestertum Levis.“ 149 Vgl. VANDERKAM, Creation, 548. 150 Vgl. hierzu den instruktiven Überblick der verschiedenen Textzeugen bei GREENFIELD/STONE /E SHEL, Aramaic Levi Document, 48f. 151 KUGLER, Patriarch, 23–138; DRAWNEL, Aramaic Wisdom Text, 97–204; GREENFIELD/STONE /E SHEL, Aramaic Levi Document, 56–109. 152 Die Verszählung erfolgt hier nach der neuesten Ausgabe von GREENFIELD/STONE/ ESHEL, Aramaic Levi Document. 153 Vgl. hierzu auch VANDERKAM, Creation.

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

3.2 Levi und das ideale Priestertum Für unsere Fragestellung nach der Wahrnehmung und Bewertung des Jerusalemer Priestertums in frühjüdischer Zeit ist v.a. von Bedeutung, dass die Figur Levis in allen drei Schriften in Anlehnung an die biblischen LeviTexte in anachronistischer Weise als idealer Priester und Begründer einer ebenso vollkommenen Priesterschaft in seinen Nachkommen präsentiert wird.154 Im Hintergrund dieser Idealisierung steht offensichtlich eine besondere Konzeption des priesterlichen Amtes, die auf ein konservatives jüdisches Milieu schließen lässt, das gleichwohl dem gesamten Volk im Licht von Ex 19,6 eine priesterliche Identität zuspricht. 3.2.1 Das aramäische Levi-Dokument Das aramäische Levi Dokument „takes an extreme position on the centrality of the priesthood“155und vertritt eine Sicht desselben, die sich als patriotisch und konservativ beschreiben lässt: „It insists that it is better to be a priest than anything else: political power is inferior to priestly privilege; the skills of the scribe are a nice addition to one’s resumé, but they are not an essential part of the priestly office.“156 Auf Levi, der auf dem Hintergrund der Dina-Perikope für seinen frommen Eifer gepriesen wird, werden dabei sowohl königliche wie priesterliche Züge übertragen,157 was von ferne an die doppelte Messiasvorstellung in einigen Qumrantexten erinnert, v.a. an die singuläre Bezeichnung eines „Gesalbten aus Aaron und Israel“ im Damaskusdokument (→IV.2.5).158 Aufgrund der Verwendung des Sonnenkalenders,159 der Anklänge an die Zwei-GeisterLehre und anderer Detailbeobachtungen verorten Stone und Eshel das Dokument in einem frühjüdischen Milieu, das der Gemeinschaft, die sich in den Qumranschriften ausdrückte, nicht allzu fern steht.160 Drawnel weist dagegen auf die Vertrautheit des Verfassers mit der babylonischen Schultradition hin, in welcher der Autor seine schriftgelehrte Ausbildung bekommen haben muss: „He must have received his own scribal education in a Babylonian school or was trained in a Levitical didactic system modeled on the Babylonian scribal education.“161 Entsprechend verortet Drawnel das Dokument zu Be154

Vgl. v.a. ArLev 5,3–8; vgl. auch VANDERKAM, Creation, 545ff. GREENFIELD/S TONE/ESHEL, Aramaic Levi Document, 20. 156 HIMMELFARB, Kingdom, 50. 157 Vgl. ArLev 4,7; 5,5f.; 11,6. 158 GREENFIELD/S TONE/ESHEL, Aramaic Levi Document, 20f. 159 Bei der Verwendung des Sonnenkalenders, der auch vom Jubiläenbuch und den Qumranschriften präferiert wird, fällt im aramäischen Levi-Dokument im Unterschied zu diesen Schriften das Fehlen jeglicher polemischer Äußerungen gegenüber den Gegnern des Sonnenkalenders bzw. den Befürwortern eines alternativen Kalendersystems auf. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Schrift in einem frühen Stadium der Diskussion abgefasst wurde. 160 GREENFIELD/S TONE/ESHEL, Aramaic Levi Document, 22. 161 DRAWNEL, Aramaic Wisdom Text, 63. 155

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ginn der hellenistischen Epoche in Kreisen der levitischen Priesterschaft, die sich um die Ausbildungstradition ihrer Priester mühte.162

Weitere Herrschaftsaspekte kommen in ArLev 13,16 (vgl. 4Q213 Frg. 2/Kol ii, Z. 10–16) zum Ausdruck, wo die Leviten als „Anführer und Richter“ (!yjpvw !yvar) vorgestellt werden, die nicht nur als Knechte (!ydb[w), sondern als „Priester und Könige“ (!yklmw !ynhk) einen Herrschaftsbereich (!ktwklm) ausfüllen, was in der letzten Zeile als „große Ehre“ gedeutet wird.163 Bei den priesterlichen Eigenschaften steht die Leidenschaft für die Reinheit des Kultes (vgl. ArLev 6,1ff.) ebenso im Vordergrund, wie die Charakterisierung des Priestertums Levis mit den Attributen der Weisheit und Schriftgelehrtheit (vgl. ArLev 13,4.15, sowie die Lehraufgabe in 13,2– 11 mit Dtn 33,10). Eine besondere Betonung erfährt auch die Ableitung der priesterlichen Überlieferung von den Erzvätern, ja sogar von Noah, was offensichtlich der Steigerung der kultischen Autorität Levis dienen soll.164 Umstritten und ungewiss ist, ob im Schlussabschnitt des Buches ein unreines und illegitimes Priestertum vorhergesagt wird. Während Kugler und Drawnel die Ankündigung eines devianten Priestertums aus dem Fragment 4Q213 Fr. 4 an das Ende des aramäischen Levi-Dokumentes stellen,165 und Kugler den Inhalt des Fragments als Schlüssel für die Datierung des gesamten Dokumentes betrachtet,166 werden die Verse in der Textrekonstruktion von Greenfield/Stone/Eshel zur Gruppe der Fragmente gezählt, die nicht in die Sequenz des ArLev eingeordnet werden können.167

162

DRAWNEL, a.a.O., 78. Vgl. LABAHN, Licht, 66f. 164 Im ArLev wird Levi von Isaak unterwiesen (5,8); dieser wurde seinerseits von Abraham instruiert (7,4) und dessen priesterliche Kenntnisse werden bis auf Noah zurückgeführt (10,10); vgl. auch DRAWNEL, Aramaic Wisdom Text, 62. Nach HIMMELFARB, Kingdom, 56, betrachtet ArLev mindestens Noah, Abraham als auch Isaak als Priester, während eine priesterliche Identität Jakobs eher unsicher ist, weil Levi hier von Isaak in seine priesterlichen Pflichten instruiert worden war. 165 Nach der Zählung von KUGLER und DRAWNEL ist dies ArLev 102; vgl. DRAWNEL, Aramaic Wisdom Text, 169f. 166 KUGLER, Patriarch, 136. KUGLER, Testaments, 51, betrachtet die Schrift als einen „protest against the incumbent priesthood. Its authors were disenchanted with the priests in their failure as intermediaries between God and people.“ Folglich verortet er das Dokument im sektiererischen Milieu. Dagegen kann HIMMELFARB, Earthly Sacrifice, 106f.115f. im Widerspruch zu KUGLER keine sektiererische Position in der priesterlichen Gesetzgebung der Schrift erkennen. Eine deviante Position vertritt die Schrift lediglich mit dem Sonnenkalender und der Eheregelung. Daraus könne aber noch kein sektiererischer Hintergrund abgeleitet werden. 167 GREENFIELD/S TONE/ESHEL, Aramaic Levi Document, 216f. 163

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

3.2.2 Jub 30,1–32,9 Im Blick auf das Jubiläenbuch vermuten Himmelfarb und Segal, dass der Verfasser des Werkes das gesamte Volk Israel im Licht der Exodusformel, die zweimal in diesem Buch zitiert wird (Jub 16,18; 33,20), in einer priesterlichen Identität präsentieren will.168 Ein Indiz dafür ist die Rückprojektion der Tora und der Einsetzung des Priestertums in die Väterzeit. Im Zuge dieser anachronistischen Verschmelzung der Gabe der Tora und der Einsetzung des Priestertums mit der Epoche der Erzväter werden nicht nur die biblischen Protagonisten, angefangen von Adam über Henoch, Methusalem, Lamech, Noah, Sem, Abraham, Isaak und Jakob bis zu Levi, in einem priesterlichen Licht und als Täter der mosaischen Tora gezeichnet, sondern auch das Allerheiligste des Tempels im Paradies verortet (Jub 8,19).169 „Of all the works of the Second Temple period, Jubilees tries hardest to show that the people of Israel is indeed a kingdom of priests … Its retelling of the stories of the patriarchs grants a priestly role not just to Levi but to all of the most important ancestors of the Jewish people … Thus it manages to imply priestly ancestry for the entire Jewish people.“170 Die priesterliche Rolle Levis wird indes im Vergleich mit dem aramäischen Levi-Dokument auffallend heruntergespielt, was Himmelfarb mit dem Interesse erklärt, möglichst alle Israeliten in priesterlichem Glanz zu zeichnen und die Dissonanz aufgrund der Erwählung nur einer einzelnen Familie zum Priestertum zu reduzieren.171 Diese Schlussfolgerung wird unterstützt durch die Beobachtung, dass im Jubiläenbuch eine strengere

168

SEGAL, Art. Jubilees, Book of, 845; HIMMELFARB, Kingdom, 53–84; DIES., Democratization, 91–98: 98: „Jubilees claims priestly status for all Israel through observance of the laws of the Torah directed at the laity, and not only for a small elite that has taken upon itself more stringent rules.“ 169 Vgl. Jub 3,27; 4,25; 6,1–22; 14,11–20; 16,20–31; 32,27–29; 44,1. Bereits in ArLev wird Isaak durch die priesterliche Unterweisung seines Enkels Levi in einer priesterlichen Aura präsentiert und ArLev 5,7 wird erwähnt, dass er sein Wissen von Abraham erhalten habe und es diesem wiederum im Buch Noahs überliefert worden sei. Die Rückprojektion priesterlicher Identität auf die Erz- und Vorväter hat somit bereits hier einen – wenn auch etwas zurückhaltenderen – Ausgangspunkt. 170 HIMMELFARB, Kingdom, 53. 171 HIMMELFARB, Democratization, 93; DIES., Kingdom, 57: „Jubilees‘ unwillingness to show Levi acting as priest is particularly striking in comparison to Aramaic Levi … Thus, while Jubilees glorifies Levi as the ancestor of the priestly line, it plays down his performance of priestly duties.“ H IMMELFARB, ebd., vermutet, dass der bzw. die Verfasser des Jubiläenbuchs mit der Begrenzung des Priestertums auf eine Familie nicht einverstanden waren. Dafür spricht möglicherweise auch, dass Aaron im Jubiläenbuch überhaupt nicht erwähnt wird, was H IMMELFARB, Democratization, 93, Anm. 12; DIES., Kingdom, 58, mit der kritischen Haltung des Buches gegenüber dem zeitgenössischen Hohepriester erklärt.

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Halacha für alle Juden gilt, z.B. im Blick auf den Umgang mit Blut172 und im Blick auf sexuelle Beziehungen.173 Diese Halacha scheint stark vom Heiligkeitsgesetz in Lev 17–26 beeinflusst zu sein. So interpretiert der Verfasser in Jub 33,15–20 den in Gen 35,22 nur als Randnotiz erscheinenden Vorfall zwischen Ruben und Bilha als eine Vergewaltigung und fordert in diesem Zusammenhang von Israel eine strenge Sexualethik, weil die Unzucht die schlimmste Sünde ist. Bemerkenswerterweise führt er als weitere Begründung Ex 19,6 an, wo Israel die Identität eines priesterlichen Volkes zugesprochen wird (Jub 33,20).174 Das priesterliche Levibild von Jub 30,1–32,9 ist somit auf dem Hintergrund der Dina-Sichem-Perikope von einem anti-exogamen Impetus geprägt (30,7–15). Der von Gott zusammen mit seinen Nachkommen175 zum Priestertum und Priesterdienst erwählte (30,18), von seinem Großvater gesegnete (31,12–17) und von seinem Vater Jakob zum Priester ordinierte (32,2–9) Levi wird für seinen Eifer bei der Ermordung der Sichemiten gepriesen und als priesterliches Antibild einer Priesterschaft mit laxer Gesetzestreue und exogamen Ehen präsentiert. Seine Segnung durch Isaak und seine Ordination durch Jakob lässt die Patriarchen umgekehrt als Idealisraeliten erscheinen, die dem priesterlichen Stand die entsprechende Ehre und Bedeutung geben. M. Himmelfarb kommt daher zu dem Schluss, dass „Jubilees‘ program for a kingdom of priests has obvious similarities to the Pharisees goal of priestly purity for non-priests, and the connections are probably historical as well as phenomenological“.176 Für sie ist die Übertragung priesterlicher Standards auf das ganze Volk ein Weg, um bei bleibender Achtung des levitischen Erbpriestertums, das im Jubiläenbuch an keiner Stelle in Frage gestellt wird, ein Priestertum ganz Israels zu entwickeln, das freilich ebenfalls auf der Abstammung von Abraham gegründet ist.177 Die Spannung zwischen auf Abstammung gegründeter Volkszugehörigkeit und dem Plädoyer für einen gehobenen Standard an Heiligkeit bleibt auch im Jubiläenbuch ungelöst.178 172

So werden in Jub 6,7–14 die beiden noachidischen Verbote des Blutvergießens und des Blutgenusses anachronistisch mit der Funktion des Blutes als Sühnemittel in der Tora verknüpft, vgl. Lev 17,10f. 173 Vgl. Jub 7,20f.; 25,7; 39,6. 174 Auch in der Erzählung der Vergewaltigung Dinas in Jub 30 wird die Heirat einer israelitischen Frau mit einem Heiden als ein todeswürdiges Verbrechen deklariert, Jub 30,7.10, was so nirgendwo in der Tora eine Grundlage hat. 175 LABAHN, Licht, 105f., weist in diesem Zusammenhang auf den bemerkenswerten Umstand hin, dass im Jubiläenbuch Priester und Leviten kaum mehr differenziert werden, was eine deutliche Aufwertung der Leviten bedeutet. 176 HIMMELFARB, Democratization, 98. 177 HIMMELFARB, Democratization, 104; DIES., Kingdom, 59.84. 178 HIMMELFARB, Kingdom, 84.

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Im Blick auf die komplexe Frage nach der zeitgeschichtlichen Einordnung ist Jub 31,15 von Bedeutung. Dort wird den Nachkommen Levis wie schon in ArLev 13,16 (vgl. 4Q213 Frg. 2/Kol ii, Z. 10–16) verheißen, dass sie „Richter und Anführer und Könige“ sein werden „für allen Samen der Söhne Jakobs“. Diese Gerichts-, Führungs- und Herrschaftsfunktionen gehen deutlich über das eigentlich priesterliche Amt hinaus und reklamieren für die Nachkommen Levis einen priesterlichen Herrschaftsanspruch, der nur in der Gestalt des priesterlichen Messias der Qumranschriften ein Pendant hat. Dass solche Ansprüche konkrete zeitgenössische Konflikte widerspiegeln, ist evident. Aufgrund der nicht eindeutig lösbaren Datierungsprobleme stellt sich jedoch die Frage, um welche es sich handelt. Geht es um eine anti-seleukidische oder um eine anti-hasmonäische Frontstellung? Handelt es sich um den Konflikt zwischen Oniaden und Tobiaden, oder um die Ämterkumulation des Hasmonäers Jonathan?179 Hier liegt noch vieles im Dunkeln. So viel lässt sich aber sagen, dass sich das Jubliäenbuch in diesen Kapiteln als eine frühjüdische Stimme in der Mitte des 2. Jh. v.Chr. zeigt, die sich am innerjüdischen Ringen um die Identität des Judentums und seiner zentralen Instanzen in veränderter Zeit beteiligt.180 3.2.3 Das Testament Levis Im Testament Levis sticht zunächst die bereits dargestellte scharfe Kritik am zeitgenössischen Priestertum ins Auge (vgl. 9,9; 14,2.5–7; 15,1; 16–18, sowie →III.1.2.1). Darüber hinaus werden auch im Testament Levis verschiedene Attribute und Funktionen der Herrschaft auf die Nachkommen Levis übertragen. So wird Levi nach TestLev 5,3 mit „Schild und Schwert“ ausgestattet, wodurch er zu einem „militärischen Aktanten“181 wird. In TestLev 6,1 findet Levi ein „ehernes Schild“, als er vom Berg „Aspis“ herabsteigt. Dieser militärischen Akzentuierung der Gestalt Levis entspricht auch die in TestSim 5,5 geäußerte Erwartung, dass Levi den „Krieg des Herrn“ siegreich besteht (po,lemon kuri,ou polemh,sei kai. nikh,sei). Auch in TestLev 8,11–17 werden den Nachkommen Levis verschiedene Herr179

LABAHN, Licht, 128, rechnet mit einer redaktionellen anti-hasmonäischen „Aktualisierung“ einer anti-seleukidischen Grundschrift: „Die Besetzung des Hohenpriesteramtes durch einen Hasmonäer wird im Jub jetzt kritisiert, indem das legitime Priesteramt den Leviten als dafür von Gott erwählte und angelologisch unterstützte Gruppe zugesprochen wird.“ Ähnlich H IMMELFARB, Kingdom, 61, die das Buch in die Zeit Johannes Hyrkans datiert und in ihm ein Plädoyer für eine doppelte, königliche und priesterliche Führerschaft von Juda und Levi entdeckt. So interessant diese Erwägungen sind, so wenig lassen sie sich freilich belegen. 180 KUGLER, Patriarch, 224. 181 LABAHN, Licht, 80; vgl. hierzu auch 1Chr 12; 2Chr 20; 23, wo Leviten sich ebenfalls an militärischen Aktionen beteiligen.

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schaftsfunktionen zugesprochen, so z.B. drei avrcai, (8,11), deren Profil jedoch undeutlich bleibt. Klar ist lediglich, dass es sich bei dem zweiten Amt (V. 13) um das Priestertum (i``erosu,nh) handelt. Nach A. Labahn könnte nicht nur die Beschreibung des dritten Amtes in V. 14f., sondern auch die des zweiten in V. 12 christlich überarbeitet und eine ursprüngliche Herrschaftszuschreibung durch den Begriff „Glauben“ ersetzt worden sein (pi,stij statt avrch,), um damit eine ursprüngliche Ämtertrias des königlichen, priesterlichen und prophetischen Amtes zu übermalen.182 Dafür spricht auch, dass Levi bereits in TestRub 6,7f.12 ein königliches bzw. herrschendes Amt zugesprochen wird (vgl. TestLev 5,3; 6,1). Schließlich ist in 8,17 davon die Rede, dass aus den Nachkommen Levis Hohepriester, Richter und Schriftgelehrte (avrcierei/j kai. kritai. kai. grammatei/j) kommen werden. So undeutlich vieles bleibt, so klar wird dennoch, dass für die Nachkommen Levis bestimmte Herrschaftsfunktionen beansprucht werden. Die Präsentation Levis als Heilsgestalt, Retter und idealem Priester und seiner ihm zugeordneten Nachkommen erreicht in den Testamenten der zwölf Patriarchen und hier nun v.a. im Testament Levis einen Höhepunkt.183 Allerdings bleibt Kuglers These, wonach die in TestLev 5,3 durch die Begriffe „Schild“ und „Schwert“ angedeutete Kumulation des priesterlichen mit einem herrscherlichen Amt auf eine prohasmonäische Position des Autors von TestLev deuten,184 spekulativ und fragwürdig. Demnach wollte der Autor der zeitgenössischen Kritik an der Ämterkumulation der Hasmonäer mit dem Verweis auf die Gesetzestreue ihrer makkabäischen Ahnherren begegnen und der skeptischen Leserschaft glaubhaft machen, dass diese Ämterkumulation bereits längst im Himmel beschlossen wurde und der Tempel in guten Händen ist.185 Zwar besteht zwischen dem erörterten Herrschaftsanspruch der Söhne Levis und der hasmonäischen Ämterkumulation eine gewisse Affinität, aber im Horizont der jüdischen Religionsparteien scheinen die Testamente der zwölf Patriarchen eine viel größere Nähe zu den Qumranschriften als zu den Hasmonäern zu haben. Leider sind jedoch sowohl die Datierung wie der Hintergrund des Testamentes Levis zu undeutlich, als dass sich weitergehende Schlüsse ziehen lassen. 182

LABAHN, Licht, 81. LABAHN, Licht, 140. 184 KUGLER, Patriarch, 216–219, schließt sich den Erwägungen Haupts, Testament des Levi, 122–124, an, der die Schrift u.a. als eine Legitimation der Herrschaft Johannes Hyrkans I. (134–103 v.Chr.) versteht; ebenso auch B EYER, Texte vom Toten Meer, und THOMA, John Hyrcanus I, 137: „The author of the Testament of Levi may have formulated his theological emphasis of the story in Gen 34 to support ideologically the cultic operations of Hyrcanus against the people on Mount Garizim and his political actions against the Samaritans“, sowie a.a.O., 139: „It is characteristic for all versions of TestLev that Levi represents the model of a Hasmonean high priest-prince who has an intimate connection with God. […] For the author of TestLev Hyrcanus was not 'the Messiah' himself but a precursor of the Messiah and a sign of the dawning of the messianic era.“ 185 KUGLER, Patriarch, 219. 183

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

3.2.4 Die Träger der priesterlichen Levi-Tradition Fragt man nach den Trägern dieser priesterlichen Levi-Tradition, so muss als Ausgangspunkt Mal 2 in Betracht gezogen werden. Dort verbindet sich ebenfalls eine scharfe Kritik am zeitgenössischen Priestertum (2,1–3.8–9) und exogamen Ehen (2,10–16) mit einem idealen „Priester Levi“-Bild (2,4–7). Die priesterliche Levi-Tradition des aramäischen Levi-Dokumentes und von Jub 30,1–32,9 scheint in einer großen Nähe zu jenen nachexilischen Stimmen zu stehen, die an einer – ob tatsächlichen oder lediglich postulierten – Laxheit des amtierenden Priestertums Anstoß nahmen. Dabei ist insbesondere für den bzw. die Verfasser des aramäischen LeviDokumentes eine Nähe zum Milieu, das die Qumranschriften verfasste, wahrscheinlich. Auch das Testament Levis fügt sich in diesen kritischen Chor nahtlos ein. Bei der Zuweisung der Texte zu einer bestimmten frühjüdischen Interessengruppe ist jedoch größte Zurückhaltung geboten. Bemerkenswert bleibt der massive Macht- und Herrschaftsanspruch, der hier für Levi und seine Söhne und Nachkommen reklammiert wird und der weit über das priesterliche Amt hinausreicht und dem triadischen Amt aus König, Priester und Prophet (im Sinne einer Deutungskompetenz des offenbarten Wortes Gottes) nahe kommt. Ein solcher Anspruch ist einzigartig in der atl.-frühjüdischen Tradition. Einen Widerhall findet eine derart herrschende Funktion von Priestern erst wieder in der Johannesapokalypse (vgl. Apk 5,9f.; 20,6). 3.3 Ergebnis Im Ergebnis spiegelt die priesterliche Levi-Tradition ein frühjüdisches Milieu wieder, das einerseits von einem hohen bis höchsten Interesse am levitischen Priestertum als der wichtigsten Instanz für das heilvolle „Sein vor Gott“ interessiert war. Gleichzeitig finden sich in allen Texten in unterschiedlichem Maße kritische Stimmen zur zeitgenössischen Erscheinungsform und Integrität der Jerusalemer Priesterschaft. Diese Spannung zwischen höchster Wertschätzung und schärfster Kritik wollte diese Tradition möglicherweise mit einer Ausweitung der priesterlichen Würde über das levitische Priestertum hinaus lösen, indem bereits den Erzvätern, ja auch Noah und sogar Adam priesterliche Züge verliehen werden, was umgekehrt betrachtet auch allen ihren Nachkommen eine priesterliche Aura verlieh. Der angedeuteten Konzeption eines „Königreichs von Priestern“ (Jub 16,18; 33,20) entsprach möglicherweise auch die Ausweitung priesterlicher, an das Heiligkeitsgesetz angelehnter Heiligkeitsstandards auf alle Israeliten, v.a. im Blick auf den Blutgenuss und die Sexualethik. So nahe die Texte den Schriften aus Qumran stehen, so sehr erinnert die sich in der priesterlichen Levi-Tradition andeutende Kompensation des priesterlichen Versagens durch eine Ausweitung der priesterlichen Aura

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und Heiligkeit auf ganz Israel an die pharisäische Tradition. Dieser gilt daher im nächsten Abschnitt unsere Aufmerksamkeit.

4 Die Haltung des Pharisäismus zum Priestertum 4 Die Haltung des Pharisäismus zum Priestertum Das Problem der Quellentexte im Blick auf den Pharisäismus verhält sich fast genau umgekehrt wie bei den Qumranschriften: In Qumran haben wir eine verhältnismäßig große Anzahl von Primärquellen und müssen nach einer religiösen Gruppierung suchen, die zu diesen Quellen gehört; bei den Pharisäern vor 70 n.Chr. haben wir eine verglichen mit den anderen Religionsgruppen des Frühjudentums relativ klar umrissene Gruppe, von der wir jedoch keine sicheren und authentischen Primärquellen besitzen. Es steht nur eine sehr limitierte Anzahl von Quellentexten zur Verfügung – bei Josephus werden sie weniger als 20mal erwähnt –, welche die Pharisäer zudem noch alle aus einer Fremdperspektive beschreiben, sofern man Josephus nicht als pharisäische Lehrautorität bezeichnen will.186 Die Problematik der tannaitisch-rabbinischen Zeugnisse liegt in ihrer späten Abfassung und der Frage von Kontinuität und Diskontinuität zwischen dem Pharisäismus vor 70 n.Chr. und dem tannaitischen bzw. rabbinischen Judentum danach. Angesichts der großen Unsicherheiten, inwieweit hier die Verhältnisse der späteren tannaitischrabbinischen Zeit in die Epoche vor 70 n.Chr. zurückprojiziert wurden, folge ich hier der skeptischen Position P. Schäfers, der seine Darstellung fast ausschließlich an den Pharisäer-Zeugnissen des Josephus orientiert.187

186 Paulus und Josephus sind die beiden einzigen uns bekannten antiken Schreiber, die sich selbst als Pharisäer identifizieren. Während aber Paulus nach seiner Lebenswende aus christlicher Sicht seine vorchristlich-pharisäische Existenz reflektiert, wird die Frage, ob Josephus entsprechend seines Selbstzeugnisses in Vita 10–12 wirklich Pharisäer war, nach wie vor kontrovers diskutiert, vgl. hierzu STEMBERGER, Pharisäer, 10f. (skeptisch) im Anschluss an M ASON, Was Josephus a Pharisee?; vgl. dagegen HENGEL/DEINES, Common Judaism, 435f., Anm. 113, und neuerdings GUSSMANN, Priesterverständnis, 21– 23.191–194, die aufgrund von Josephus‘ Zustimmung zu den pharisäischen Anschauungen die Frage eher positiv beantworten. Offen ist jedoch auch, ob die Pharisäerperspektive des Josephus tatsächlich den Sachverhalten vor 70 n.Chr. entspricht, oder ob sie lediglich seine Retrospektive im Licht der jüdischen Katastrophe und im Blick auf seine römischen Leser darstellt. 187 Vgl. SCHÄFERS, Pharisäismus, 125–132. Er begründet seine Entscheidung einer restriktiven Quellenauswahl im betonten Widerspruch zu J. NEUSNER, der in seiner Monographie „The Rabbinic Traditions about the Pharisees before 70“ alle in diesen Texten zitierten Zeugen, die vor 70 n.Chr. datiert werden, einfach als Pharisäer betrachtet (vgl. auch DERS., Verwendung). Dies mag in (vielen?) Einzelfällen berechtigt sein, lässt sich aber kaum beweisen und ist in dieser generellen Weise so auch nicht zutreffend. Ähnlich ablehnend auch SALDARINI, Pharisees, 8f.235, mit dem Hinweis auf das rabbinische Desinteresse an der Geschichte und der Überlagerung der rabbinischen Quellen durch aktuelle Interessen. Für eine gemäßigt skeptische Haltung gegenüber den tannaitischrabbinischen Quellen treten HENGEL/DEINES, Paulus, 242f., HOPPE, Religionsparteien, 68, und STEMBERGER, Pharisäer, 8.40f., ein.

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

4.1 Der Pharisäismus vor 70 n.Chr. Historisch liegen die Wurzeln des Pharisäismus wohl wie die der Essener bei jenen ḥasidim (vgl. 1Makk 2,42; 7,12; 2Makk 14,6) und ähnlichen Gruppen (vgl. 1Makk 2,29–38), die sich während der Religionskrise unter Antiochus IV. Epiphanes durch ihre Toratreue und ihren Mut ausgezeichnet haben. J. Schaper vermutet die Wurzeln jener Bewegung im Stand der Schreiber und der Schriftgelehrsamkeit, der sich nach dem babylonischen Exil in der persischen und hellenistischen Epoche herausgebildet hat.188 Die unter Esra und Nehemia etablierte Praxis der öffentlichen Toralesung und -auslegung „im Tor“ (vgl. Neh 8,1) bildet den soziologischen Ausgangspunkt für die Entstehung dieses Schreiberstandes, der mehr und mehr in die Hand von gebildeten Leviten – und damit Nicht-Priestern – überging, die sich mit der praktischen Lösung von legalistischen und kultischen Problemen befassten. Die öffentliche Lehre und Diskussion toraexegetischer Fragen führte zu einer Verbreitung schriftgelehrten Wissens unter der Bevölkerung und wurde zunehmend unabhängig von den Institutionen des Tempels und Kultes – und damit auch vom Priestertum. So entstand aus dem Levitentum heraus ein Stand „tempelunabhängiger Lehrer“, die sich um die Interpretation der Tora für Fragen des alltäglichen Lebens kümmerte und dabei notwendigerweise bestimmte halachot entwickeln mussten.

Die Entstehungsphase der Pharisäer189 dürfte ebenfalls in jenen Jahren in der Mitte des 2. Jh. v.Chr. liegen, als Jonathan Makkabäus neben der königlichen auch noch die hohepriesterliche Würde beanspruchte (152 v.Chr.).190 Die Phärisäer fanden in der Schriftgelehrsamkeit und ihrer exe-

188 SCHAPER, The Pharisees, 403–405; DERS., Priester und Leviten, 306f. Nach HOPPE, Religionsparteien, 61.76, reichen die Wurzeln aller jüdischen Religionsparteien bis in die persische Zeit zurück; vgl. auch B ECKWITH, Pre-History, 4f.31, der von einer Entstehung der pharisäischen Bewegung vor 340 v.Chr. ausgeht. Für die historische Forschung werden die Pharisäer jedoch erst in hasmonäischer Zeit greifbar und identifizierbar. Auf der anderen Seite hält STEMBERGER, Pharisäer, 91–98, nach ausführlicher Diskussion selbst die Ḥasidäer/Ḥasidim-These für „unbrauchbar“ (96). Dabei ist seine Skepsis umfassend: Die Vorgeschichte keiner der drei jüdischen Religionsparteien lasse sich verlässlich rekonstruieren (98). Zur Geschichte der Pharisäer vgl. STEMBERGER, Pharisäer, 91–114; SANDERS, Judaism, 380–412; SCHAPER, Pharisees, 402–427; DEINES, Art. Pharisäer (TBLNT²), 1458f.; DERS., Art. Pharisees (EDEJ), 1061f. 189 Zur umstrittenen Etymologie von farisai/oj vgl. DEINES, Art. Pharisäer. TBLNT2, 1455–1457; DERS., Art. Pharisees (EDEJ), 1061. 190 Bei Josephus werden die Pharisäer erstmalig im ersten sog. „Drei-SchulenReferat“ in Ant 13,171–173 erwähnt. Die einleitende Zeitangabe „um diese Zeit“ bezieht sich auf die Regierungszeit des zweiten Makkabäers Jonathan (161–142 v.Chr.). Diese zeitliche Lokalisierung durch Josephus ist allerdings nicht ganz unumstritten, vgl. SCHÄFER , Pharisäismus, 134; STEMBERGER, Pharisäer, 14ff. Der Widerstand gegen die hasmonäische Ämterkumulation des Königs- und Hohepriesteramtes wird in Jos Ant 13,288– 298 spürbar, der ersten Erwähnung der Pharisäer unter Johannes Hyrkan. Nach SANDERS, Judaism, 380f., war die Kritik des Eleasar an der Übernahme des hohepriesterlichen Am-

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getischen Interpretationskompetenz ein wichtiges Instrument und in der „Volksbildung“ einen Weg, um als „Laienbewegung“ zu großem (religions-)politischen Einfluss zu gelangen.191 Wesentlich für das Toraverständnis und die Schriftauslegung der Pharisäer war die von ihnen mündlich tradierte und als verbindlich gelehrte „väterliche Überlieferung“ (vgl. Gal 1,14), welche auch schlicht die „Vorschriften“ (ta. no,mima) genannt werden konnte (Jos Ant 13,296) und in jener alltagspraktischen Deutungstradition der levitischen sōfěrīm bzw. ḥasidim in der persischen und hellenistischen Zeit ihren Ursprung haben dürfte.192 Auch wenn die Zahl der Pharisäer in der herodianischen Zeit bei Josephus (Ant 17,41–44) mit lediglich gut 6000 angegeben wird,193 kann man ihren (religions-)politischen Einfluss kaum überschätzen.194 Ihr politisches tes durch Hyrkan I. nur die Spitze eines Eisberges, unter der sich eine weit größere Opposition verbarg. 191 HENGEL/DEINES, Common Judaism, 427, heben die stark intellektuelle Prägung der Pharisäer hervor und die Bedeutung ihrer Gelehrtenschule. Hinsichtlich der soziologischen Verortung des Pharisäismus plädiert SALDARINI, Pharisees, 120.281.284 u.ö., für eine Lokalisierung in der Klasse der Gefolgsleute („retainer class“) der herrschenden Schicht, d.h. im Milieu kleiner Beamter und Schreiber, die selbst keinen unabhängigen Status hatten, aber aufgrund ihrer Qualifikation von großer Bedeutung waren. Demgegenüber sehen HENGEL/DEINES, ebd., 473, die Pharisäer in allen Schichten vertreten. Vom gehobenen Establishment über den wohlhabenden Mittelstand der Kaufleute und Handwerker bis hinein in die untersten (Priester)Schichten dürften sie vertreten gewesen sein, freilich stets mit einem gehobenen Bildungsanspruch. Angesichts der kärglichen Quellenlage muss jedoch auch diese soziologische Einschätzung spekulativ bleiben. 192 SCHAPER, The Pharisees, 403–405. Zur „Überlieferung der Väter“ bzw. der „Ältesten“ vgl. DEINES, Art. Pharisäer (TBLNT²), 1460f. und HENGEL/DEINES, Common Judaism, 411–438. Letztere argumentieren gegen die Pharisäerdeutung E.P. SANDERS’ entschieden dafür, dass die von den Pharisäern vertretene mündliche Halacha zwar einerseits von der schriftlichen Tora des Mose unterschieden werden müsse, andererseits aber gemäß pharisäischem Verständnis bereits lange vor 70 n.Chr. die gleiche Autorität besessen habe. 193 Streng genommen bezeichnet die Zahl nur diejenigen Pharisäer, die den Eid auf Herodes verweigert haben. HENGEL/DEINES, Common Judaism, 429, Anm. 100, und N IEBUHR, Heidenapostel, 54f., gehen davon aus, dass die 6000 eine verbindliche Kerngruppe bzw. „ideologisch geschulte Führungskader“ der Pharisäer darstellen, es aber noch einen viel umfangreicheren Kreis von Anhängern und Sympathisanten gab, die pharisäisch beeinflusst waren. Zudem rechnen HENGEL/DEINES vor, dass 6000 motivierte und geschulte Pharisäer im Verhältnis zu einer geschätzten Gesamteinwohnerzahl von ca. 800.000 Juden, wovon 200.000 erwachsene Männer waren, immerhin 3% aller erwachsenen Männer ausmachten; vgl. zu der Zahlenangabe auch SCHALLER, 4000 Essener – 6000 Pharisäer. Zur Frage, ob sich aus dieser Zahlenangabe eine Art Mitgliedschaft in dieser Bewegung ableiten lässt, vgl. DEINES, Art. Pharisäer (TBLNT²), 1461. 194 Mit Recht SCHAPER, The Pharisees, 419; gegen SANDERS, Paul and Palestinian Judaism (dt.: Paulus und das palästinische Judentum); DERS., Judaism, 388–402, der mit seiner These eines common Judaism den Pharisäismus zu einem Randphänomen und einer Splittergruppe eines auf einem breiten Grundkonsens basierenden Judentums um

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Gewicht als eine elitäre Bildungs- und „Heiligungsbewegung“195 und ihr Einfluss auf die politischen Prozesse in den Jahrhunderten vor und nach der Zeitenwende wird bei Josephus in nahezu allen Erwähnungen dieser Gruppe deutlich.196 Nachdem es unter Alexander Jannai (103–76 v.Chr.) zu einem mehrjährigen Bürgerkrieg (93–88 v.Chr.) kam, in dessen Verlauf viele Pharisäer ins Exil fliehen mussten oder gar von Alexander Jannai hingerichtet wurden (Jos Bell 1,90–92; Ant 13,375f.), erlangten die Pharisäer aufgrund einer letzten Verfügung Jannais unter der Regentschaft seiner Witwe Salome Alexandra (76–67 v.Chr.) einen direkten und maßgeblichen Einfluss auf die politischen Geschicke des jüdischen Staates.197 Ihr Einfluss gründete sich auf eine hohe Sympathie und Anerkennung im jüdischen Volk,198 die sich auch in der – verglichen mit den anderen jüdischen Religionsgruppen – häufigen Erwähnung der Pharisäer im Neuen Testament widerspiegelt. Die Sympathie gegenüber den Pharisäern rührt daher, die Zeitenwende degradieren möchte. Vgl. dazu die Kritik von HENGEL/DEINES, Common Judaism, passim. 195 HENGEL/DEINES, Paulus, 226, sprechen bezüglich des Pharisäismus von einer „palästinische[n] Heiligungsbewegung“; vgl. auch den Abschnitt „Zum Charakter des Pharisäismus vor 70“, ebd., 254–256. Ihren Ausdruck fand diese Bewegung nach DEINES, Art. Pharisäer (TBLNT²), 1461; DERS., Art. Pharisees (EDEJ), 1063, im Streben nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit und Gottes Wohlgefallen, d.h. im Streben nach jüdischen Grundidealen, um die man sich jedoch im Pharisäismus in besonderer Weise bemühte und damit auch den Anspruch verband, die jüdische Identität am authentischsten zu verkörpern. 196 Eine Gesamtdarstellung der Pharisäer-Belege bei Josephus findet sich bei SCHÄFER , Pharisäismus, 132–165; STEMBERGER , Pharisäer, 10–23; SALDARINI, Pharisees, 107–133. 197 Vgl. Jos Bell 1,107–114; Ant 13,399–418, und SALDARINI, Pharisees, 89–95; SCHÄFER, Pharisäismus, 139–148; DEINES, Volk, 174–176; DERS., Art. Pharisäer (TBLNT²), 1459. HENGEL/DEINES, Common Judaism, 464f., vermuten, dass der pharisäische Einfluss auch nach Ende der Regentschaft Salome Alexandras bis zum Ende des jüdischen Tempels erhalten blieb. Auch die Einführung der pharisäischen Halacha in jenen Jahren wurde wohl nie offiziell zurückgenommen, sondern musste auch von ihren Nachfolgern als eine Art „Brauch“ geduldet werden, a.a.O., 470. Sie widersprechen damit der Darstellung von SANDERS, Judaism, 383ff., der nach der Regierungszeit Salome Alexandras von einem anhaltenden Bedeutungsverlust der Pharisäer, v.a. unter der Regentschaft Herodes des Großen ausgeht. Die Darstellung der Pharisäer bei SANDERS ist durchgängig vom Anliegen bestimmt, die Bedeutung der pharisäischen Bewegung für das Judentum zwischen 63 v.Chr. und 66 n.Chr. zugunsten eines (hohe)priesterlich bestimmten common Judaism gering zu veranschlagen. 198 Josephus berichtet in Ant 18,15: „Infolge dieser Lehren [sc. des Zusammenwirkens von göttlicher Bestimmung und menschlicher Willensfreiheit] besitzen sie beim Volk einen solchen Einfluss, dass sämtliche gottesdienstlichen Verrichtungen, Gebete wie Opfer, nur nach ihrer Anleitung dargebracht werden. Ein so herrliches Zeugnis der Vollkommenheit gaben ihnen die Bewohner der Städte, weil man glaubte, dass sie in Wort und Tat nur das Beste wollten“ (Übersetzung nach SCHÄFER, Pharisäismus, 159).

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dass sie sich wie keine andere jüdische Religionsgruppe vor dem Jüdischen Krieg um das Gemeinwohl bemühten.199 Deines kommt daher zu einer hohen Einschätzung des pharisäischen Einflusses auf die jüdische Gesellschaft schon in der Zeit vor 70 n.Chr.: „Als am Volk interessierte und vom Volk als religiöses Modell akzeptierte Bewegung war der Pharisäismus nach Ausweis der uns zur Verfügung stehenden Quellen vor 70 die im Volk religiös dominierende, wenngleich nicht unumstrittene Strömung im jüdischen Land. Pharisäischer Einfluss ist dabei nicht am sozialen Status einzelner Pharisäer und noch weniger an der aktiven Beteiligung an institutionalisierter politischer Machtausübung ablesbar, auch wenn sie beides für ihre Ziele nutzen konnten. Es sind vielmehr die vielfältigen Kanäle der primär religiösen, verbalen wie nichtverbalen Kommunikation, die sie virtuos für ihre Ziele einsetzten.“200 4.2 Der Pharisäismus und das Priestertum Die Schwierigkeiten einer Verhältnisbestimmung zum Priestertum liegen wie bei fast allen Fragestellungen im Zusammenhang des Pharisäismus in der dürftigen Quellenlage begründet. Es existiert, abgesehen von mHag 2,7, kein Text, der Priester und Pharisäer in ein wie auch immer geartetes Verhältnis setzen würde. Entsprechend dürftig fallen auch die Untersuchungen der Sekundärliteratur zu diesem Thema aus.201 So problematisch ein argumentum e silentio auch ist,202 so scheint es in diesem Fall doch eine gewisse Berechtigung zu haben: Anders als die Gemeinschaft, die sich in den Qumranschriften äußert, scheint der Pharisäismus zwar in einer ständigen, theologisch, politisch und wohl auch soziologisch begründeten Konkurrenz zum Sadduzäismus gestanden zu haben, jedoch nicht direkt zum Priestertum.203 Nahezu alle Kontroversen mit den Sadduzäern wurzeln in der Grundfrage, ob und wenn ja, inwieweit das ge199

STEMBERGER, Pharisäer, 13, und DEINES, Volk, 178–180, interpretieren die Bemerkung innerhalb des Drei-Schulen-Referats in Jos Bell 2,166, wonach die Pharisäer „die Einigkeit zum gemeinsamen Besten hochhalten (th.n eivj to. koino.n o``mo,noian avskou/ntej)“ nicht als Ausdruck innerpharisäischer Solidarität, sondern als pharisäisches Engagement für das jüdische Gemeinwesen als Ganzes. 200 DEINES, Volk, 180 [kursiv bei D.]; vgl. DERS., Art. Pharisees (EDEJ), 1062. 201 Lediglich DEINES, Volk, 162–169, und SCHWARTZ, Kingdom, 57–66, beschäftigen sich mehr oder weniger knapp mit der Thematik. 202 Fragwürdig ist z.B. die Schlussfolgerung von G ANSER-KERPERIN, Zeugnis, 75, der aus der Tatsache, dass die Pharisäer im Jerusalemabschnitt des Lukasevangeliums nicht als Gruppe in Erscheinung treten, folgert, dass ihnen der Evangelist deshalb auch keine Kompetenz am Tempel und im Synhedrium zubilligt. 203 Bei Josephus werden die Sadduzäer in fünf der sechs Belege in einem Konkurrenzverhältnis zu den Pharisäern beschrieben. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Neuen Testament in Act 23,6–9; vgl. Mt 22,23–33par und 22,34.

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samte Volk Israel an den Kultvollzügen im Tempel partizipieren soll bzw. inwiefern diese zu den exklusiven Privilegien der Priester gehörten.204 Während die Pharisäer das gesamte Volk in der Verantwortung für den Tempelkult sahen, betrachteten die Sadduzäer den Tempelkult als eine exklusive Angelegenheit der Priesterschaft, die alleine auf eine strenge Heiligkeit und Reinheit des Tempels zu achten hatte und durch ihre genealogische Bestimmtheit auch als einzige dazu legitimiert war. Trotz dieser Spannungen zwischen Sadduzäismus und Pharisäismus ist letzterer – soweit wir es aus den Quellen wahrnehmen können – niemals in ein direktes bzw. offenes Konkurrenzverhältnis zu den priesterlichen Amtsträgern als solchen getreten.205 Die durchaus vorhandene Rivalität fand nicht im Ringen um Ämter und Posten ihren Ausdruck, sondern eher im subtilen Werben um öffentliche Popularität, Ehre und Prestige, sowie im Streben um politischen Einfluss. Dieses verglichen mit dem yaḥad der Qumranschriften weit geringere Konfliktpotential zwischen Priestern und Pharisäern liegt zunächst einmal schlicht darin begründet, dass den Pharisäern die genealogische Legitimation zum Priestertum fehlte. Die v.a. in der jüdischen Forschung des 19. Jh. diskutierte Frage,206 ob die Pharisäer mit Berufung auf Ex 19,6 ein „König-

204 VAHRENHORST, Sprache, 60f. Er, a.a.O., 59, sieht die Streitpunkte zwischen Pharisäern und Sadduzäern in folgenden vier Fragen: (1) Muss der Hohepriester, der die rote Kuh verbrennt, „ganz“ rein sein, oder ist das Tauchbad ausreichend; vgl. mPar 3,7–8; tPar 3,8; 4Q394 3 1,17f.? (2) Verunreinigt eine unreine Flüssigkeit, in die eine reine Flüssigkeit gegossen wird, diejenige, die sich im reinen Gefäß befindet, vgl. mYad 4,7; mToh 8,9; mMakh 5,9; 4Q394 8 4,5ff.? (3) Ist jedes Blut, das sich im Vaginalbereich befindet, als Menstruationsblut unrein oder nur das, das während der eigentlichen Menstruation auftritt? (4) Verunreinigen heilige Schriften die Hände oder tun sie das nicht? 205 Das Verhältnis zwischen den Verfassern der Qumranschriften und den Pharisäern lässt sich angesichts fehlender Belege nur mit größter Vorsicht bestimmen. In den Qumranschriften wird die Bezeichnung „Pharisäer“ nicht erwähnt, was möglicherweise mit der parallelen Geschichte der Absonderung vom überkommenen Kult zusammenhängt. Jedoch ist in mehreren Texten eine Gruppe mit dem Relativsatz „diejenigen, die nach glatten (oder: falschen) Dingen suchen“ umschrieben, vgl. CD 1,18f.; 1QH 2,15.32; 4,7–10; 4Q 169 [= p Nah] 3–4,I,1,2.7; 2,2.4; 3,3.6f., womit zahlreiche Exegeten die Pharisäer angesprochen sehen. In der Tat könnte damit die exakte und doch gleichwohl pragmatische pharisäische Schriftauslegung gemeint sein, die eine vergleichsweise praktikable Alltagsethik ermöglichte und sich dementsprechend großer Popularität erfreute. Für die Qumranfrommen war der pharisäische Anspruch der Toratreue dagegen eine bloße Anmaßung, vgl. 1QH 4,10; vgl. zum Ganzen SALDARINI, Pharisees, 278f., der die Identifikation mit den Pharisäern verneint; STEMBERGER, Pharisäer, 103ff.; DEINES, Art. Pharisäer (TBLNT²), 1457. 206 Vgl. hierzu SCHWARTZ, Kingdom, 66–70, und B IRENBOIM, Kingdom, 59.63f.66.68.

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tum von Priestern“ anstrebten, muss klar verneint werden.207 Dies wäre schon von Num 16f. (vgl. v.a. 16,10 und 17,5) her völlig unmöglich gewesen.208 Was der Pharisäismus anstrebte, war die allgemeine Heiligkeit und Reinheit des Volkes, nicht das Allgemeine Priestertum.209 Einer Bewegung, die sich so intensiv mit Fragen der Heiligkeit und Reinheit beschäftigte und mit einer besonderen Halacha einen „Zaun“ um die Tora zog, konnte an einer illegitimen Infiltration oder gar Infragestellung der hereditär begründeten Institution des Priestertums kein Interesse haben.210 Folg207

So B IRENBOIM, Kingdom, passim, im Anschluss an HENGEL/DEINES, Common Judaism, 448 [englische Version: 47]. SCHWARTZ, Kingdom, 60.66, macht an dieser Stelle darauf aufmerksam, dass die rabbinische Exegese, vgl. Bill 3,789, Ex 19,6 ebenso wenig wie die atl. und frühjüdische Exegese, vgl. Jes 61,6; Jub 16,18; 33,20; 2Makk 2,17, nie im innerjüdischen bzw. antipriesterlichen Sinn verstanden hat. 208 Entsprechende Allüren wären wohl auch von Josephus streng verurteilt worden. Selbst ein stolzer Aaronide, vgl. Bell 3,352; Vit 1–6 und Ant 16,187, hat er in Anbetracht seiner Erfahrungen mit dem Zelotismus im Jüdischen Krieg schon aus rein politischen Gründen die Idee eines Allgemeinen Priestertums verworfen. Solche Ideen schreibt er vielmehr dem abtrünnigen Jerobeam zu, Ant 8,227–228; vgl. auch Ant 4,15.23. 209 HENGEL/DEINES, Common Judaism, 448: „Ganz gewiß wollten die Pharisäer nicht die verschiedenen Stufen priesterlicher Reinheit, die für das Kultpersonal innerhalb des Tempels oder außerhalb erforderlich waren, in dem Sinne ‚nachahmen’, daß sie dadurch den Priestern gleichgestellt würden. [...] Gerade weil sie die einzigartige Würde und Aufgabe des Priesters und die Notwendigkeit des von ihm vollzogenen Kultes voll anerkannten – Schrift und Tradition ließen ja gar keinen anderen Weg zu – lag ihnen alles daran, auch die exakte Einhaltung der Reinheit der Priester, des Tempels und der dem Kultpersonal zustehenden landwirtschaftlichen Abgaben umfassend sicherzustellen.“ SCHWARTZ, Kingdom, 64, verweist an dieser Stelle auf den – freilich späten – Midrasch Tanna deBe Eliyyahu 16. Ferner macht er darauf aufmerksam, a.a.O., 65, dass die Verquickung des Anspruchs auf Heiligkeit des Volkes mit dem Anspruch auf eine allgemeine Priesterschaft des Volkes erst vom Griechischen und Lateinischen her eingetragen wurde, wo der Priesterbegriff sich aus dem Begriffsfeld „heilig“ ableitet (i``ereu,j von i``ero,j und sacerdos von sacer). Dagegen hat die Wurzel !hk weder im Hebräischen noch im Aramäischen eine Beziehung zur Wurzel vdq für „heilig“. 210 Ein Reflex des Legitimitätsdiskurses findet sich in Josephus, Ant 13,288–298. Hier übt ein Pharisäer namens Eleazar Kritik an der Hohepriesterschaft des Johannes Hyrkan und empfiehlt diesem, das hohepriesterliche Amt aufzugeben, was jedoch zu einem empfindlichen Stimmungsumschwung des Kritisierten gegenüber den Pharisäern führt. Allerdings wird von Eleazar nicht die nicht-zadokidische Abkunft Hyrkans kritisiert, sondern dessen fragwürdige Abstammung mütterlicherseits. SCHWARTZ, Opposition, 53, sieht die pharisäische Kritik an den Hasmonäern nicht in deren Übernahme des hohepriesterlichen Amtes begründet, sondern in der Übernahme des Königstitels; anders SANDERS, Judaism, 380f. Aufgrund ihrer aaronidischen Abstammung sollten sie das Königtum meiden. Möglicherweise rührt auch der Konflikt zwischen Alexander Jannai und einer von Josephus namentlich nicht genannten Oppositionspartei, hinter der sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit die Pharisäer verbergen, vom pharisäischen Misstrauen gegenüber der Legitimität seiner hohepriesterlichen Würde her, vgl. Jos Ant 13,372f.; SALDARINI, Pharisees, 85–89.93.116f.; SCHÄFER, Pharisäismus, 139.145; DEINES, Art. Pharisäer

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

lich konzentrierten sich die Anliegen und Interessen der pharisäischen Bewegung auf die Frömmigkeit, Heiligkeit und Toratreue des ganzen Volkes,211 weniger auf die konkrete Kultpraxis oder die Heiligkeit der Jerusalemer Priesterschaft.212 In diesem Punkt besteht ein wesentlicher Unterschied zur Gemeinschaft, die sich in den Qumranschriften äußert: Während sich der „Lehrer der Gerechtigkeit“ als legitimer Hohepriester eines nach seiner Absetzung depravierten Kultes betrachtete und diesen Anspruch und diese Sicht auf seine Anhänger übertrug, konnten und wollten die Pharisäer keine entsprechenden Ansprüche geltend machen. Sie betrachteten sich selbst aufgrund der Abstammungsverhältnisse als Laienbewegung, was nicht bedeutet, dass es nicht auch pharisäisch denkende und handelnde Priester gegeben hat, wie dies z.B. am prominenten Beispiel des Josephus deutlich wird.213 Während die Qumranschriften und der Sadduzäismus – soweit erkennbar – stark auf den Kult und damit auch auf den priesterlichen Dienst fokussiert waren, war der Pharisäismus als eine Bildungs-, Heiligungs- und Erneuerungsbewegung bestrebt, die priesterlichen Heiligkeitsideale, v.a. im Zusammenhang der Reinheitstora, in abgeschwächter Form auf das alltägliche Leben des ganzen Volkes zu übertragen.214 Am deutlichsten wird dies im Kontext der Speisehalacha. Nach pharisäischer Halacha durften auch eigentlich profane, alltägliche Speisen nur mit gewaschenen Händen eingenommen werden. Damit treten sie in einen Status abgestufter Heiligkeit im Verhältnis zu den heiligen Speisen des Tempels und stellen damit eine Relation her zwischen häuslichem Tisch und pries(TBLNT²), 1458. Eine explizite pharisäische Kritik an der nicht-zadokidischen Abkunft der Hasmonäer findet sich freilich nirgends. 211 Im Konkreten ging es dabei um Fragen der Reinheit, vgl. Mk 7,1–5; Mt 23,25f.par; Lk 11,39, des Zehnten, vgl. Lk 11,42; 18,12; sowie mDem; mMaas; mMSh, das Fasten, vgl. Mk 2,18; Lk 18,12; sowie mMeg; mTaan, die Sabbatobservanz, vgl. Mk 2,23–28; 3,1–6; sowie mEr; mShab, das religiöse Verhalten in der Öffentlichkeit, vgl. Mk 2,14– 16; Mt 23,5–7, vgl. auch Mt 23,27–33, und das Lehren, vgl. Mk 2,18par; Lk 5,33; Mt 22,16; Jos Ant 13,289; vgl. auch DEINES, Art. Pharisees (EDEJ), 1063. 212 Nach SCHÄFER, Pharisäismus, 126, gibt es in den tannaitisch-rabbinischen Quellen nur drei bis vier Belege, in denen Pharisäer und Sadduzäer miteinander diskutieren, vgl. mYad 4,6f.; tHag 3,35; evtl. mYad 4,8. Dabei geht es stets um bestimmte halachische Ansichten, über die man sich in teils bissiger Polemik auseinandersetzte. 213 Vgl. auch J EREMIAS, Jerusalem, 291f.; und HENGEL/DEINES, Common Judaism, 451–453.468f.473–478, die vermuten, dass die Pharisäer v.a. unter der niederen Priesterschicht viele Anhänger hatten (453). 214 HENGEL/DEINES, Paulus, 226; DIES., Common Judaism, 403. In Ant 13,297f. erwähnt Josephus, dass die Sadduzäer die Reichen überzeugen würden, aber die Pharisäer die Unterstützung der Massen hinter sich hätten. Eine interessante Verhältnisbestimmung findet sich in mHag 2,7, wo die Pharisäer als zwischen dem Am ha-arez und den Priestern stehend bestimmt werden. Ganz entsprechend soll nach tShab 1,15 ein blutflüssiger Pharisäer nicht mit einem Blutflüssigen des Am ha-arez essen. Die Pharisäer reklamierten für sich offensichtlich eine Art Sonderstatus zwischen Priesterschaft und Volk.

4 Die Haltung des Pharisäismus zum Priestertum

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terlichem Altar bzw. zwischen einem profanen Lebensvollzug und dem Bereich des Heiligen.215 Ziel war es, die Torafrömmigkeit und -observanz in möglichst allen Volksschichten zu etablieren, um durch die so erreichte Ausweitung der Heiligkeit216 die heilvolle Präsenz Gottes unter seinem Volk sicher zu stellen und die Herbeiführung des erwarteten Gottesreiches zu befördern.217 Das Desinteresse an priesterlichen Privilegien bzw. die grundsätzliche theologische Akzeptanz der hereditär und genealogisch begründeten Institution des Priestertums bedeuten jedoch nicht, dass das Verhältnis der Pharisäer zur Priesterschaft völlig harmonisch und spannungsfrei gewesen wäre. Schon allein der hohe moralische Anspruch und die Profilierung der Pharisäer als Bildungsbewegung berührten zwei sich überlappende Bereiche, die traditionell zu den priesterlichen Aufgabenfeldern gehörten. Der „volksmissionarische“218 Impetus der Pharisäer musste der Priesterschaft die Botschaft vermitteln, dass ihre Kompetenz oder ihre Anstrengungen (oder beides) hier nicht mehr ausreichend waren.219 Spürbar wird diese Verschiebung der legitimierenden „Deutungshoheit“, wenn Josephus erwähnt, dass das Volk sämtliche gottesdienstlichen Verrichtungen nach der pharisäischen Halacha praktizierte (Ant 18,15). Exakt dieses Bild vermitteln auch die Evangelien: Während die Priester fast nur in ihrer hygieni-

215 Vgl. DEINES, Steingefäße, 243–246; VAHRENHORST, Sprache, 63f.; REGEV, Pure Individualism, 186f.: „It seems that the ‚acting like a priest’ theory cannot fully explain the comprehensive phenomenon of non-priestly purity. […] Purity is necessary to achieve holiness. Thus we conclude that those who voluntarily observed purity in order to eat, pray, and read Scripture were seeking holiness in their everyday life, outside the realm of the Temple and the priestly system.“ 216 Im Hintergrund steht bei den Pharisäern ein statischer Heiligkeitsbegriff, der nicht an den Raum des Heiligen im Tempel gebunden war, sondern auch auf andere Räume und Lebensbereiche übertragen werden konnte. Anders als beim mehr dynamischen Heiligkeitsverständnis der Sadduzäer konnte diese Heiligkeit auch nicht verlorengehen oder entweiht werden, weshalb sie auch nicht von einer „Expertenkaste“ beschützt werden musste; vgl. hierzu REGEV, Sadducees. 217 DEINES, Volk, 148f. Entsprechend werden die Pharisäer von Josephus als frömmer und gesetzestreuer bewertet als die anderen Religionsparteien (ai``reseij) des damaligen Judentums, Bell 1,110. RÖCKER, Belial, 458, berichtet in diesem Zusammenhang von der rabbinischen Diskussion, was das Gottesreich noch aufhält. Als Gründe werden die fehlende Buße und Toraobservanz Israels angeführt, vgl. bSanh 97b.99b; bBB 10a; bShab 118b; bYom 86b; yTaan 64a, sowie Bill 1,599f. 218 Diesen Begriff verwendet DEINES, Steingefäße, 278; vgl. auch DERS., Art. Pharisees (EDEJ), 1063: „… the interest of the Pharisees [lies] in educating and encouraging the whole nation to live according to God’s commandments as a way of securing God’s blessing of Israel.“ 219 DEINES, Volk, 169.172.

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

schen Kontrollfunktion eine Rolle spielen,220 werden „die Pharisäer und die Schriftgelehrten“ als die religiöse Deutungsinstanz schlechthin vorgestellt, die sich auf die Kathedra des Mose gesetzt haben (Mt 23,2f.). So ist mit der Übertragung der priesterlichen Reinheits- und Heiligkeitsideale auf die Laienschicht möglicherweise der Anspruch verbunden worden, dass die Laien im Blick auf die Heiligung der Lebens- und Alltagsvollzüge nicht mehr hinter den Priestern zurückstehen.221 Deines macht auf einige weitere Punkte aufmerksam, hinter denen sich ein subtiler Konkurrenzanspruch im Blick auf Prestige, Ehre, Macht und Einfluss verbirgt. So könnte die besondere Kleidung der pharisäischen Schriftgelehrten (Mk 12,38/Lk 20,46; vgl. auch Mt 23,5) ein Äquivalent zur priesterlichen Amtstracht im Sinne einer pharisäischen Standestracht gewesen sein.222 Dass mit der Kleidung entsprechende Ansprüche dokumentiert wurden, zeigt schon der Streit zwischen Leviten und Priestern um die Amtskleidung, über den Josephus berichtet (Ant 20,216–218). Wahrscheinlich diente die Uniformierung dazu, den Leviten im öffentlichen Aussehen und Ansehen denselben Status zu verleihen wie den Priestern. Der Fundierung des eigenen Anspruchs könnten auch die pharisäischen Bemühungen um die Prophetengräber gedient haben (Mt 23,27–31/Lk 11,44.47f.). Falls die Vermutung von Deines zutrifft, hätten die Pharisäer auf die öffentliche Inszenierung und Demonstration der herditären Legitimität der Priesterschaft mit einer monumentalen Visualisierung der prophetischen Tradition reagiert. Die Berufung durch Gott wäre als eine Überbietung der genealogischen Vorrechte des Priestertums erschienen.223 Das pharisäische Streben nach öffentlicher Wahrnehmung und Anerkennung, das sich auch in den Evangelien widerspiegelt,224 wird verständlich, wenn man bedenkt, dass ihr politischer Einfluss mit ihrer Popularität im Volk korrelierte. Während sich das Priestertum auf seine hereditär begründeten Privilegien stützte, konnten die Pharisäer ihre religiösen Ziele 220

Vgl. Mt 8,4; Mk 1,44; Lk 5,14. Eine theologische Aufgabe im engeren Sinne kommt nur in Joh 1,19 zum Ausdruck. 221 HOPPE, Religionsparteien, 75, spricht sogar davon, dass durch die Reinheit des Volkes die „Tempelkompetenz demokratisiert“ und damit das Alleinvertretungsrecht der Priester in Frage gestellt wurde. Allerdings geben die Quellen eine so weitreichende Deutung nicht her. 222 DEINES, Volk, 162f. 223 DEINES, Volk, 165f. Vgl. HENGEL/DEINES, Common Judaism, 434: „Die Pharisäer verstanden sich ... selbst als Erben der Profeten, die sie ihrerseits als inspirierte Schriftgelehrte und ältere Ausleger der Tora deuteten, so daß deren legitimierende Kompetenz auch ihren Nachfolgern eignete.“ Ganz entsprechend verläuft nach mAv 1,1 die Traditionskette der Lehrer von Mose über Josua, die Ältesten, Jos 24,31, die Propheten, Jer 7,25, bis zu den „Männern der großen Versammlung“, die von den Vorläufern u.a. den Auftrag bekommen, „einen Zaun um die Tora“ zu machen. 224 Vgl. Mk 12,38–40/Lk 20,46f.; Mt 23,2–3; Lk 11,43; dazu DEINES, Volk, 157–163.

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nur über das Instrument politischer Macht erreichen, die sich einzig auf ihrer Popularität gründete.225 Der politische Einfluss war jedoch nie Selbstzweck, sondern immer ein Instrument, um die eigentlich religiösen Ziele zu verwirklichen.226 4.3 Ergebnis Anders als der Sadduzäismus und der sich in den Qumranschriften äußernde yaḥad verstand sich der Pharisäismus als eine Bildungs-, Heiligungsund Erneuerungsbewegung, der zwar ebenfalls an einer strengen Reinheit und Heiligkeit des Tempels gelegen war, die jedoch aufgrund ihrer genealogischen Illegitimität nie den Anspruch erhob, eine priesterliche Rolle zu übernehmen oder gar ein laikales „Königtum von Priestern“ zu etablieren. Vielmehr konzentrierte sich der Pharisäismus darauf, die priesterlichen Heiligkeits- und Reinheitsideale in abgeschwächter und durchaus pragmatischer Form auf das alltägliche Leben des ganzen Volkes zu übertragen. Durch die Übertragung kultischer Kategorien auf profane Alltagsvollzüge interpretierte der Pharisäismus das gesamte Leben als einen gottesdienstli225

DEINES, Volk, 148f.169. DERS, a.a.O., 173; DERS., Art. Pharisäer (ThBLNT 2), 1460, verweist auch auf die Attraktivität der pharisäischen Theologie, die mit ihrer Mittelposition zwischen der essenischen Lehre einer „doppelten Prädestination“ und der Determination aller Dinge und der sadduzäischen Ablehnung derselben und ihrer Behauptung einer völligen Willensfreiheit, Jos Bell 2,162f.; Ant 13,171; 18,13, eine Ethik vertraten, die ein „verantwortliches religiöses Engagement“ ermöglichte. Fundamental für das Verständnis der pharisäischen Position ist ferner die anthropologische Voraussetzung, wonach die äußere Toraobservanz auch der inneren Haltung des Menschen gegenüber Gott entspricht. Ihre Bemühungen um äußere Frömmigkeit darf daher nicht im Sinne einer „veräußerlichten“ Frömmigkeit missverstanden werden, sondern ist eine konsequente Verwirklichung einer Lebensveränderung, die sich „von außen nach innen“ vollzieht. Exakt gegen diesen anthropologischen Grundsatz richtet sich die Kritik Jesu in Mk 7,15; Mt 15,17ff., der nur eine wirkliche Lebensveränderung bzw. Umkehr für möglich hält, die vom Personzentrum des Herzens ausgeht, also „von innen nach außen“ führt; vgl. DEINES, Art. Pharisäer (TBLNT²), 1465. 226 Vgl. hierzu DEINES, Volk, 148: „Meine These ist darum, dass sich das gesellschaftliche Interesse der Pharisäer als Gruppe in erster Linie an den breiten Volksschichten orientiert, die in den Städten und Dörfern des Landes Israel als Bauern, Handwerker, Kaufleute und Händler lebten. Auf deren religiöses Verhalten versuchten sie einzuwirken.“ Damit widerspricht DEINES zum einen der Sicht SALDARINIS, Pharisees, 106.120. 132f.281.284.288 u.ö., der in den Pharisäern auf der Basis seiner stark soziologisch geprägten Untersuchung in erster Linie eine politische Interessengruppe sieht, die v.a. nach politischer Macht strebte; vgl. SALDARINI, a.a.O., 120: „... struggling to gain access to power“. Zum anderen wendet sich DEINES auch gegen die Darstellung von J. NEUSNER, From Politics to Piety, wonach der Pharisäismus sich von einer primär politischen „Partei“ erst allmählich zu der nach 70 n.Chr. bestimmenden religiösen Bewegung entwickelt habe, eben „from politics to piety“. Die religiösen Interessen werden jedoch bereits in der Frühzeit greifbar, vgl. Jos Ant 13,289.297.

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

chen Vollzug. Allerdings muss diese Ausweitung der priesterlichen Heiligkeit im Rahmen der pharisäischen Halacha wohl ebenfalls als eine Kompensation der Defizite der priesterlichen Integrität, Heiligkeit und Kultpraxis bzw. der als unzulänglich empfundenen sadduzäischen Halacha verstanden werden. Das damit verbundene Ziel war auch im Pharisäismus neben der Wegbereitung des kommenden Gottesreiches die alternative Gewährleistung eines heilvollen „Seins vor Gott“ im Rahmen des eigenen Einflussbereichs, der zwar am Tempelbezirk seine Grenzen fand, aber im Volk und Land umso größer war. Durch die immense Popularität, das hohe Sozialprestige und den starken politischen Einfluss des Pharisäismus lief die Bewegung dem Priestertum den Rang in der öffentlichen Aufmerksamkeit ab und zwar auf einem Gebiet, das ursprünglich zu den Domänen priesterlicher Kompetenz gehörte, nämlich dem der Volksbildung und Toraunterweisung. Dass der Pharisäismus nach 70 n.Chr. als einzige der drei großen jüdischen Religionsparteien überlebte, beweist, dass seine volksmissionarische Konzeption einer den priesterlichen Kult ergänzenden Sicherung der heilvollen Präsenz Gottes so tief im Volk verankert war, dass das Judentum die Katastrophe der Tempelzerstörung überdauerte.

5 Prophetische Gestalten und Erneuerungsbewegungen vor dem Jüdischen Krieg 5 Prophetische Gestalten und Erneuerungsbewegungen

Ein in der Regel wenig beachtetes und deshalb wohl in der Forschung auch unterschätztes Phänomen – zumindest für die Jahrzehnte vor dem Jüdischen Krieg – ist das Auftreten prophetischer Gestalten, die sowohl bei Josephus als auch im Neuen Testament erwähnt werden.227 Schon allein der Umstand der unabhängigen Erwähnung von zweien dieser Propheten in den beiden wichtigsten Quellen jener Zeit228 zeigt, dass ihre Wirksamkeit einen tiefen Eindruck im kollektiven Gedächtnis der damaligen Zeitgenossen hinterlassen haben muss. Die von ihnen ausgelösten Bewegungen, die 227 Interessanterweise gibt es vor der Zeitenwende weder bei Josephus noch irgendwo anders in der frühjüdischen Literatur ähnliche Berichte über derartige prophetische Bewegungen. Wir finden vor dem Täufer und vor Jesus auch nirgendwo eine literarische Notiz, dass es eine stärkere prophetische Erwartung, etwa im Anschluss an Dtn 18,15.18 oder Mal 3,23, gegeben hätte. Eine Ausnahme stellt lediglich Sir 48,10 dar. Es wird auch – soweit die Quellen dies erkennen lassen – keiner der in den folgenden Jahrzehnten auftretenden Prophetengestalten mit Mose oder Elia identifiziert. Eine solche Erwartung wird tatsächlich erst in den Evangelien sichtbar, vgl. Mk 8,27ff.parr; 9,11ff.parr. 228 Theudas wird in Jos Ant 20,97f. und Act 5,36, der „Ägypter“ sogar zweimal bei Josephus in Bell 2,261–263 und Ant 20,169–171 und dann noch in Act 21,38 erwähnt.

5 Prophetische Gestalten und Erneuerungsbewegungen

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in der Regel von kurzer Dauer und ohne Nachhaltigkeit waren, sind auch deshalb von Interesse, weil sie v.a. die Landbevölkerung mobilisieren konnten. Hier wurden heilsgeschichtliche Erinnerungen und Hoffnungen geweckt, die nicht mehr mit den zentralen Institutionen des Tempels und der Priesterschaft verbunden waren. R.A. Horsley und J.S. Hanson unterscheiden die Prophetengestalten nach der Zeitenwende in zwei Kategorien.229 Während sie den namentlich unbekannten samaritanischen Propheten, Theudas und den „Ägypter“ zu den Zeichen- bzw. „Aktionspropheten“ rechnen, die in der Tradition Moses, Josuas, der Richter, Elias und Elisas stehen und das Volk (des Landes) zu einem neuen Aufbruch oder Auszug in die Freiheit motivieren wollten,230 zählen sie Johannes den Täufer und Jesus ben Ananias zu den Wortbzw. Orakelpropheten in der Tradition der klassischen Wort- und Schriftpropheten des Alten Testaments.231 5.1 Johannes der Täufer Eine für Jesu Wirken sehr wichtige Stimme in diesem vielfältigen und zum Teil höchst widersprüchlichen Chor frühjüdischer Tempelperspektiven gehörte Johannes dem Täufer. In allen Evangelien ist der Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu mit dem Wirken Johannes des Täufers verbunden. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass Jesus im Täufer den Vorläufer seiner eigenen Sendung sah.232 Eben jener Täufer konkurrierte aber mit seiner

229 Vgl. HORSLEY/HANSON, Bandits, 135f.160–189. Eine weitere umfassende Darstellung findet sich bei GRAY, Figures, 112–144. 230 Exakt diese Charakterisierung ihrer Sendung findet sich in dem polemischen Summarium bei Josephus, Bell 2,259: „Sie waren nämlich Schwarmgeister und Betrüger, die unter dem Vorwand göttlicher Eingebung Unruhe und Aufruhr hervorriefen und die Menge durch ihr Wort in dämonische Begeisterung versetzten. Schließlich führten sie das Volk in die Wüste hinaus, dort wolle ihnen Gott Wunderzeichen zeigen, die die Freiheit ankündigen“; Übersetzung nach M ICHEL/B AUERNFEIND, Bello Judaico I, 233; vgl. auch Ant 20,168. Josephus macht gegenüber seinen römischen Lesern keinen Hehl daraus, was er als pharisäischer Aristokrat und jüdischer Überläufer, der gebrannt ist von den Eindrücken zelotischer Radikalisierung und der Katastrophe des Jüdischen Krieges, im Rückblick von diesen Bewegungen hält. Man wird seine Sicht der Dinge deshalb bei der Bewertung immer mit zu bedenken haben. 231 HORSLEY/HANSON, Bandits, 151.249, vertreten die These, dass gerade die Wortpropheten in nachexilischer Zeit in keiner Weise ausgestorben, sondern bis zum Ende des zweiten Tempels wirksam gewesen seien und lediglich keine kanonische Berücksichtigung mehr fanden. Insofern müssten die hier behandelten Propheten als Nachfolger einer ungebrochenen Linie des israelitisch-jüdischen Prophetismus gelten. 232 Vgl. dazu MÜLLER, Johannes, 67–75, mit Verweis auf Mt 11,9/Lk 7,26; Mt 11,11/Lk 7,28; Mt 11,19c/Lk 7,35; Mt 11,28.30 und Mt 11,12f./Lk 16,16. Zum Verhältnis Jesu zum Täufer vgl. MÜLLER, Johannes, 52–75.

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

Bußtaufe und dem damit verknüpften Zuspruch der Sündenvergebung mit einem zentralen Aufgabenbereich der Jerusalemer Priester. In seinem Auftreten werden prophetische Attribute sichtbar: Die Wirksamkeit in der Wüste als dem symbolischen Ort der Reinigung, Vorbereitung und Erneuerung (vgl. Jes 40,1–11)233 und seine Kleidung erinnern nicht nur an Elia, sondern generell an prophetische Kleidung (vgl. Sach 13,4).234 Seine Predigt vom unmittelbar bevorstehenden Gericht Gottes steht in der Tradition der großen deuteronomistischen Wortpropheten235 und lehnt sich in auffallender Weise an die Botschaft Maleachis an.236 Anders als die zeitgenössischen „Aktionspropheten“ deutet beim Täufer nichts darauf hin, dass er eine Massenbewegung mit revolutionären Ambitionen gründen wollte.237 Gewöhnlich wird aus seiner prophetischen Gerichtspredigt und mehr noch aus seinem mit der Taufe verbundenen Zuspruch der Sündenvergebung eine implizite Kritik an oder auch ein bewusster Bruch mit den Institutionen des Tempels und des Priestertums abgeleitet238 und auf die Analogien zu den Qumrantexten und der dort reflektierten Kritik am Jerusalemer Kult hingewiesen. Auch dort wurde – wie oben beschrieben – eine eschatologische Zerstörung des Tempelkultes mitsamt seinen Institutionen erwartet. Anders als in Qumran finden wir beim Täufer aber kein analoges, auf Dauer angelegtes Alternativsystem zum Tempel.

233

Vgl. STEGEMANN, Essener, 296f.: „Johannes hatte als Ort seines öffentlichen Auftretens genau jene Stelle gegenüber von Jericho gewählt, wo einst Josua das Volk Israel durch den Jordan hindurch in das Heilige Land hineingeführt hatte, Jos 4,13.19. Die Wahl des Ostufers des Jordans als Wirkungsstätte entsprach dabei der einstigen Situation Israels vor dem Durchschreiten des Flusses. Das Auftreten des Täufers analogisierte also das Dasein Israels … vor dem Einzug in das Gelobte Land, in dem erst künftig alles Wirklichkeit werden sollte, was Gott seinem erwählten Volk bereits durch Mose auf dem Sinai verheißen hatte“ [kursiv bei S.]. Vgl. zum Ort des Auftretens auch T ILLY, Johannes, 185–192. 234 Vgl. hierzu MÜLLER, Johannes, 20–25, und T ILLY, Johannes, 167–175. 235 MÜLLER, Johannes, 27: „Er [sc. Johannes der Täufer] ist … der Tradition deuteronomistischer Umkehrpredigt zuzuordnen, die zwar Israel wegen seines wiederholten Abfalls und seiner Halsstarrigkeit anklagte, aber doch immer eine Bußmöglichkeit offen ließ“; vgl. auch T ILLY, Johannes, 193–235. 236 V.a. Mal 3 redet zunächst vom Boten, der Gott den Weg bereiten soll (V. 1), sodann vom Tag Jahwes, dem Feuer- und Läuterungsgericht (V. 2f.), dem Appell zur Umkehr (V. 7) und schließlich auch von der Trennung der Spreu vom Weizen (V. 19). Sämtliche Motive tauchen in der Verkündigung des Täufers wieder auf. 237 HORSLEY/HANSON, Bandits, 178. 238 Vgl. z.B. LOHMEYER, Johannes der Täufer, 145–148; W EBB, John the Baptist, 191f.197; T ILLY, Johannes, 210.223; T HEISSEN/MERZ, Jesus, 185.195f.493.509; MÜLLER, Prophet, 165; HENGEL/SCHWEMER, Jesus, 316.

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Die wichtigste Analogie zwischen dem Täufer und dem yaḥad ist die Verbindung von Sündenvergebung und Wasser(ritus bzw. dem Untertauchen/Tauchbad), die auch in den Qumrantexten als konstitutiv für die Gemeinschaft betrachtet wurde (1QS 3,6–9; vgl. 3,3–5) und sowohl als Zusage wie als Zeichen fungierte. F. Avemarie erklärt die Verquickung institutioneller Sündenvergebung mit rituellen Waschungen als logische Konsequenz der Separation vom Tempel: „Wo ein Opferritus wegen der örtlichen Gegebenheiten nicht durchführbar ist, die Idee des Tempels aber nach Konkretion verlangt, ist es darum das Nächstliegende, an die Stelle des Opfers zur rituellen Darstellung des Sühnegeschehens die Waschung – Tauchbad oder Besprengung – treten zu lassen.“239 Der yaḥad hat damit aus dem kultischen Symbolsystem die transportablen Elemente übernommen und sie in den immateriellen Tempel der Gemeinschaft transformiert. „Die qumranische Sühnewaschung ist damit zugleich Ausdruck der Kritik und Produkt einer Transformation des Jerusalemer Opferkultes.“240 Umgekehrt muss allerdings auch auf die deutlichen Unterschiede zwischen den Tauchbädern der Qumrantexte und der Johannestaufe hingewiesen werden.241 Während die Tauchbäder des yaḥad allem Anschein nach vom Büßer selbstständig und in steter Regelmäßigkeit vollzogen wurden, wird die Johannestaufe vom Täufer seinen Täuflingen im Sinne eines transitiven Aktes gespendet. Ob diese Taufe einmalig und unwiderholbar war, wissen wir nicht. Seine Taufe war auch nicht mit der Mitgliedschaft in einer exklusiven Gemeinschaft verbunden. Wenn Johannes seine Taufpraxis tatsächlich der Praxis des yaḥad entlehnt hätte, dann enthielte sie gleichzeitig auch eine scharfe Kritik an derselben: „Mit dem auf Vergebung zielenden Wasserritus übernimmt der Täufer zwar ein sehr charakteristisches Element qumranischer Praxis (wohlgemerkt: nicht des Tempelkultes!), macht es aber, indem er auf ein halachisches System und den entsprechenden Verhaltenskodex verzichtet, einem breiten Publikum zugänglich und erteilt so dem Separatismus des Jachad eine Absage. Seine Taufe perpetuiert essenische Frömmigkeit und stellt sie zugleich in Frage.“242

Aus diesem Grund scheint die Distanz des Täufers zum Jerusalemer Kult nicht ganz so groß zu sein, wie oft angenommen. Zwar hat der Täufer mit seiner Taufe einerseits zweifellos ein „rival enterprise“243 etabliert, das

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STEGEMANN, Essener, 306–311; AVEMARIE, Johannestaufe, 403f. AVEMARIE, Johannestaufe, 404. 241 Vgl. hierzu MÜLLER, Johannes, 43f., und T AYLOR, Art. John the Baptist, 820. 242 AVEMARIE, Johannestaufe, 406. STEGEMANN, Essener, 306ff., schließt eine Verbindung des Täufers zur Qumrangemeinschaft nicht nur dezidiert aus, sondern betont das Konkurrenzverhältnis zwischen beiden, da beide jeweils exklusive Heilswege vertraten: Für den yaḥad war dies die Mitgliedschaft in der eigenen Gemeinschaft inklusive der Observanz aller Ordnungen, während es für den Täufer seine Taufe war; vgl. a.a.O., 311: „Johannes der Täufer ist weder ein Essener gewesen noch deren geistiger Schüler. Hätte er eines Tages die Strapaze auf sich genommen, nach Qumran hinüberzuwandern, wäre er als Nicht-Essener dort nicht einmal eingelassen, sondern bestenfalls mit hinreichender Wegzehrung für den weiten Heimweg versehen worden.“ 243 FREY, Temple, 451. Ähnlich T ILLY, Johannes, 224; DUNN, Purity, 459: „In a sense, baptism took the place of the sin-offering. That was the really distinctive feature of John’s baptism: not that he rejected the Temple ritual on the grounds that repentance alone was sufficient; rather that he offered his own ritual as an alternative to the Temple 240

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durch die Form der gewährten Reinigung und Sündenvergebung unweigerlich die Institution des Tempels in Frage stellen musste, andererseits finden wir beim Täufer nirgendwo eine explizite Kritik am Tempel, dem Kult oder der Priesterschaft. Die allgemeine Gerichtspredigt über die Gottlosen und Frevler (Mt 3,7–10.12/Lk 3,7–9.17) wird nicht eigens differenziert und erlaubt es nicht, eine dezidierte Kritik am Tempelkult in sie hineinzulesen.244 Zwar ist es auch hier nicht unwahrscheinlich, dass unter den in Mt 3,7 erwähnten Pharisäern und Sadduzäern Priester waren, aber sie werden vom Täufer nicht im Blick auf ein bestimmtes Amt oder eine defizitäre Kultpraxis, sondern wegen ihres religiösen Anspruchs als „Geschlecht der Ottern“ (gennh,mata evcidnw/n) kritisiert.245 Mehr als die Forderung nach einer konkreten Form des gerechten Lebenswandels ist der in den synoptischen Quellen überlieferten Bußpredigt kaum zu entnehmen. Die Bußriten des Täuferkreises, wie z.B. die Fasten- und Gebetspraxis deuten sogar eher auf eine Nähe zum Pharisäismus und zur Tempelfrömmigkeit hin (vgl. Mk 2,18/Mt 9,14/Lk 5,33).246 Damit soll nicht geleugnet werden, dass zwischen dem Täufer und der Priesterschaft durchaus ein spannungsvolles Verhältnis existiert haben mag, um nicht zu sagen haben muss. So darf man durchaus hinter den Sadduzäern (Mt 3,7) die Priesteraristokratie vermuten, der dann von Johannes unterstellt wird, dass sie eine trügerische Abrahamskindschaft für sich reklamiert. Mit dem Abraham-Logion (Mt 3,9), wonach Gott sich aus Steinen Kinder erwecken kann, zeigt der Täufer eine durchaus traditions- und damit auch kult- und priestertumskritische Haltung.247 Dies wäre umso mehr der Fall, wenn man den lukanischen Geburtsgeschichten Vertrauen schenkt, wonach Johannes der Täufer der Sohn eines Priesters namens Zacharias aus der Priesterabteilung Abija und einer Mutter mit aaronidischer Abstammung war (Lk 1,5). Da das Priesteramt erblich war, drängt sich natürlich die Frage auf, was den jungen Priester Johannes bewogen haben ritual. Perhaps we should even say that John the Baptist in baptizing played the role of the priest.“ 244 Auch T ILLY, Johannes, 210.223f., kann stets nur von einer „immanenten“ bzw. „impliziten“ Kritik des Täufers am Jerusalemer Tempelkult aufgrund seiner Insuffizienz sprechen. 245 In der Paralleltradition in Lk 3,7 bezieht sich das Scheltwort auch nicht mehr auf Pharisäer und Sadduzäer, sondern auf die gesamte zu ihm an den Jordan hinausgehende Volksmenge. 246 HOGETERP, God‘s Temple, 163f., macht darauf aufmerksam, dass diese Riten in einem engen Bezug zum Kult stehen und zumindest in Teilen mit den Tempelfesten korrespondieren. 247 Vgl. HENGEL/SCHWEMER, Jesus, 316: „Das Wirken des Täufers setzt einen Konflikt mit dem Tempelkult und der diesen beherrschenden Priesteraristokratie voraus ... Für den Priestersohn aus der Ordnung Abia spielte der Kult offenbar keine wesentliche Rolle mehr.“

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könnte, mit seiner Jordantaufe ein „Konkurrenzunternehmen“ zum Tempelkult zu proklamieren.248 Die Antworten bleiben aufgrund der Quellenlage freilich spekulativ.249 Dass das Verhältnis zumindest für die Hüter des Jerusalemer Kultes ein spannungsvolles war, wird in den synoptischen Streitgesprächen zwischen Jesus und den Hohepriestern und Volksführern bezüglich der Interpretation der Johannestaufe spürbar (Mk 11,30/Mt 21,25/Lk 20,4). Doch auch hier wird deutlich, dass der Konflikt wohl weniger vom Täufer als vielmehr von der (Hohe)Priesterschaft ausging, die sich durch seine Taufpraxis herausgefordert sah.250 Gegen eine bewusste und direkte Provokation der Priesterschaft durch den Täufer spricht auch der Umstand, dass die Möglichkeit der Sündenvergebung bereits inneratl. und v.a. frühjüdisch nicht mehr ausschließlich an den Tempelkult geknüpft war. So ist bereits in Num 30,6.9.13 von einem außerkultischen Verzeihen Gottes die Rede. Grundlage ist hier lediglich die rechtswirksame Entscheidung des pater familias. Mag dies noch eine sehr singuläre Stelle im Alten Testament sein, so zeigt Avemarie, dass spätestens im Frühjudentum eine unkultische und unblutige Form der Vergebung legitimiert wird.251 In Anbetracht der Unmöglichkeit des Kultes im babylonischen Exil bittet Asarja um eine göttliche Vergebung jenseits von Opfern: „Gibt es doch in dieser Zeit ... weder Brandopfer noch Schlachtopfer, weder Opfergabe noch Räucherwerk, auch keinen Ort, um Erstlingsfrüchte dir darzubringen und Gnade zu finden. Doch lass uns Annahme finden mit büßendem Herzen und mit gedemütigtem Geist wie mit Opfern von Widdern und 248

STEGEMANN, Essener, 304, sieht in seiner priesterlichen Identität eine „Mittlerqualität“ gegeben, welche „sicherlich die entscheidende Komponente seiner aktiven Rolle beim Taufen“ war, „die ihn als rituellen Stellvertreter Gottes zum Täufer und die durch ihn vollzogene Taufe zum wirksamen Sakrament gemacht hat“ [kursiv bei S.]. Etwas vorsichtiger ist MÜLLER, Johannes, 41, der jedoch ebenfalls die aktive Rolle des Täufers darin begründet sieht, „ritueller Stellvertreter Gottes zu sein, der im Taufakt den Verzicht auf die Ahndung der bisherigen Sünden symbolisch vollzieht.“ 249 In der Geburtsankündigung des Engels Gabriel klingen bei Lukas schon Prophezeiungen an, Lk 1,15, die über das priesterliche Amt hinausgehen und eher an einen Nasiräer als an einen Priester erinnern. Während ein Nasiräer nach Num 6,2–4 eine dauerhafte Abstinenz übt, lebt ein Priester nach Lev 10,9 nur während der priesterlichen Amtsverwaltung abstinent. Zusätzlich fallen die Stichworte evpistre,fein und VEli,a j, mit denen eher eine prophetische als eine priesterliche Identität angedeutet wird. Auch MÜLLER , Johannes, 13–19, der die lukanischen Geburtsgeschichten samt und sonders als „Personallegenden“ bewertet, geht dennoch von der priesterlichen Abkunft des Täufers als einem historischen Faktum aus (16), und nach STEGEMANN, Essener, 304, ist dies „überhaupt nicht zu bezweifeln“. 250 AVEMARIE, Johannestaufe, 398; HOGETERP, God’s Temple, 160f. Nach Jos Ant 18,116–119, hat es deutliche Spannungen zwischen dem Täufer und Herodes Antipas und möglicherweise anderen jüdischen Autoritäten gegeben, die ebenfalls mit seiner Popularität zusammen hingen. 251 Vgl. zum Folgenden AVEMARIE, Johannestaufe, 398–401.

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Stieren und von zahllosen Fettschafen. So möge unser Opfer heute vor dir gelten und dich versöhnen ...“ (Dan 3,38–40LXX/q).252 Tatsächlich können Buße, Gebet und der Einsatz des eigenen Lebens Gott dazu bewegen, vom Vollzug der angekündigten Strafe abzulassen. Der Jerusalemer Kult an sich wird in keiner Weise in Frage gestellt, aber angesichts der Not wird doch eine Alternative „errungen“, um bei Gott Gnade und Barmherzigkeit zu finden (V. 38: eu``rei/n e;leoj). Auch Ben Sira ist alles andere als ein Kultkritiker (vgl. Sir 32[35],6–13) und dennoch hält er Opfer im Status moralischer Unwürdigkeit für nutzlos (Sir 31[34],21f.). Vergebung findet der Frevler vielmehr mit Hilfe moralischen Handelns (Sir 32[35],5; 38,9f.), wie z.B. dem Geben von Almosen (Sir 3,30) oder eigener Vergebungsbereitschaft (Sir 28,2). Beim Siraciden steht nicht mehr der Tempel und Opferkult im Vordergrund des Vergebungsbegriffs, sondern die Barmherzigkeit Gottes253 und menschliche Moralität254. In einer eingehenden Studie hat S. von Stemm auf eine große Vielfalt von frühjüdischen Vergebungsbegriffen hingewiesen, welche die Reue des Sünders,255 Bekenntnis und Gebet,256 gerechte Werke,257 Fasten und Kasteiung,258 Züchtigung 259 oder die Fürbitte eines Frommen 260 zur Grundlage der Vergebung machen. In allen genannten Belegen wird nirgendwo die grundlegende Gültigkeit der Institution des Jerusalemer Kultes in Frage gestellt. Die alternativen Formen der Vergebung treten schlicht an seine Seite und lehnen sich gelegentlich an diesen an.261 Das verbindende Motiv hinter dieser Vielfalt von Vergebungsbegriffen, die eine neue Form des frühjüdischen Vergebungsglaubens widerspiegeln, ist die Beziehung zu Gott.262 Im Gebet und dem Gespräch mit Gott steht der Beter in einer Unmittelbarkeit vor Gott, die kultischem Denken bisher fremd war.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Täufer mit seiner Bußtaufe zweifellos ein „Konkurrenzangebot“ zu den Sündopfern des Tempels und damit überhaupt zum institutionellen Tempelritual etablierte. Er trat damit auch in eine faktische Konkurrenz zu den Priestern, insofern er die Vollmacht beanspruchte, als „ritueller Stellvertreter Gottes“263 die Vergebungs aufgrund der Taufe und nicht mehr aufgrund des Sündopfers zu erwirken. 252

Übersetzung nach P LÖGER, Zusätze zu Daniel, 72; vgl. hierzu auch STEMM, Sünder, 209–243. 253 Sir 3,3.30; 5,5f.; 16,7.11; 17,29; 18,12. 254 Sir 5,5f.; 16,7; 17,29; 18,20; 20,28; 28,5; 32[35],5. 255 TestRub 1,10; TestGad 7,5; Jub 41,23–25; 1QHa 9,13; vgl. auch Lk 18,13, und Behm, Art. noe,w ktl., 987. 256 Jub 41,23–25; TestSim 2,13; PsSal 9,6; OrMan 13 (= Oden 12,13); 4Q 242; VitProph 4,15; 11QPsa 19,13f.; JosAs 12,3–6; 13,11–13; LibAnt 39,7; vgl. auch Lk 18,13 und Mt 6,12. 257 Dan 4,24. 258 TestRub 1,10; TestJud 19,2; PsSal 3,7–8; VitProph 4,16; LibAnt 30,4. 259 PsSal 10,1; JosAs 11,18. 260 TestJud 19,2; 4Q504 2,7–10; LibAnt 52,3. Von einer erfolglosen Fürbitte berichtet äthHen 12,4–14,7; von einer Fürbitte neben Opfern Hi 42,8–10LXX; 11Q10 38,2f. 261 STEMM, Sünder, 242f.359; vgl. auch Tob 4,9–11, wo die rettende Funktion von Barmherzigkeitstaten mit Hilfe des soteriologischen Funktion von Opfergaben illustriert wird. 262 STEMM, Sünder, 362f. 263 MÜLLER, Johannes, 41.

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Gleichzeitig ist Vorsicht geboten, das Handeln des Täufers als eine direkte Kritik an bzw. Provokation des Jerusalemer Tempelestablishments zu verstehen. Wir finden beim Täufer keine direkte Kultkritik und auch nicht die Intention anstelle eines als defizitär betrachteten Kultes eine alternative Form zur Steigerung der allgemeinen Heiligkeit zu etablieren. Vielmehr waren bereits in der atl. und frühjüdischen Tradition zahlreiche Möglichkeiten der Sündenvergebung jenseits des Jerusalemer Kultes bekannt und anerkannt, ohne dass dabei die Institution des Jerusalemer Kultes und seiner Priesterschaft in irgendeiner Weise in Frage gestellt worden wäre. Offensichtlich hat sich spätestens im 2. Jh. v.Chr. ein Vergebungsglaube entwickelt, der nicht mehr an die kultische Form der Sühne durch Opfer gebunden war. Dieses Vergebungsverständnis ist mit der Barmherzigkeit Gottes oder mit menschlichem Wohlverhalten verknüpft.264 Eine dezidierte Opposition zum Tempel ist in Anbetracht dieser Pluralität von Vergebungsvollzügen gar nicht mehr nötig. Vielmehr deutet manches auf eine schlichte Nicht-Beziehung und Distanz hin. Damit stehen wir bereits am Beginn der ntl. Epoche vor dem Phänomen eines sich weiter ausdifferenzierenden Judentums, das seine zentralen Heilsinstitutionen – sieht man einmal von den Qumrantexten ab – nicht direkt in Frage stellte, aber dessen Hoffnungen und Frömmigkeit sich je länger je weniger auf diese Institutionen reduzieren ließen. 5.2 Prophetische Erneuerungsbewegungen Gemäß der Kategorisierung der Zeichen- und Aktpropheten durch R. Gray265 zeichnen sich die in diesem Abschnitt im Fokus stehenden Gestalten durch eine Reihe gemeinsamer Charakteristiken aus: Sie waren alle (1) Führer größerer Bewegungen, (2) die sich aus der einfachen Bevölkerung rekrutierten. (3) Die Führer präsentierten sich als Propheten und (4) führten ihre Anhänger stets von einem bestimmten Sammlungsort zu einem Zielort, wobei sowohl der Weg an sich als auch der Zielort heilsgeschichtliche Konnotation besaßen. Sie interpretierten (5) ihr Handeln als einen

264 AVEMARIE, Johannestaufe, 407, zieht aus diesen Zeugnissen die sehr weitgehende Schlussfolgerung, dass Johannes der Täufer ein Judentum repräsentierte, „das vielleicht nicht die Idee, aber doch die Realität eines funktionierenden Sühnekultes schlicht hinter sich gelassen hat“. 265 Die Nomenklatur ist umstritten. HORSLEY, Movements, 8f., favorisiert den abstrahierenden Begriff „Aktionsprophet“, da in den seltensten Fällen von „Zeichen“ die Rede ist, vgl. dagegen die Argumentation von GRAY, Figures, 198f., Anm. 2, die an dem eingeführten Begriff „Zeichenprophet“ festhalten möchte, weil de facto Wunder und Zeichen ein stets von Josephus erwähntes Motiv darstellen, auch wenn der Begriff selbst nicht auftaucht.

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göttlichen Akt der Befreiung, was (6) Gott selbst durch ein wie auch immer geartetes Wunder oder Zeichen bestätigen würde.266 5.2.1 Der samaritanische Prophet Nach Johannes dem Täufer berichtet Josephus in der Regierungszeit von Pontius Pilatus (26–36 n.Chr.) von einem nicht namentlich bekannten samaritanischen Propheten, der möglicherweise an die samaritanische Erwartung eines endzeitlichen Erneuerers (tahev), der den antiken Tempel auf dem Garizim wiedererrichten sollte, anknüpfte.267 Der Bericht des Josephus in Ant 18,85–87 folgt demselben Muster, mit dem er später vom Auftreten ähnlicher Propheten im jüdischen Kontext berichtet: Ein Mann ohne Skrupel und voll Hinterlist habe die Menge überredet, zum Garizim zu ziehen, um ihr die heiligen Gefäße zu zeigen, die Mose dort vergraben habe. Jene, die sich hätten überreden lassen, seien bewaffnet zu einer Ortschaft in der Nähe gekommen, um in großer Schar den Berg zu erklimmen. Pilatus habe dagegen sehr rasch gehandelt, ein Kavallerie- und Infanterieregiment geschickt, die einige getötet und andere geschlagen oder gefangen genommen hätten, während Pilatus die Rädelsführer habe hinrichten lassen. Die Vielzahl der Rädelsführer (prosunhqroisme,noi) deutet, ebenso wie die massiven Gegenmaßnahmen des Pilatus, auf eine gewisse Größe der Bewegung hin, die sich allem Anschein nach v.a. aus der umliegenden Landbevölkerung rekrutierte. Auffällig ist in jedem Fall die Wahl des heilsgeschichtlich bedeutenden Ortes, noch dazu die eines Berges, die zentrale Rolle der heiligen Gefäße Moses und die Bewaffnung der Menge, die evtl. auf die Vorbereitung eines religiös motivierten Krieges hindeuten könnte. Allem Anschein nach wollte der Prophet als eine Art „eschatological counterpart“268 des Mose verstanden werden, der das Volk auch gegen den Widerstand der aktuellen Machthaber dem eschatologischen Ziel einer erneuten Befreiung aus feindlicher Unterdrückung entgegenführen würde. Dass Pilatus sofort und entschieden reagiert, zeigt, dass auch er die Dynamik dieser Bewegung ähnlich eingeschätzt haben muss. Auch wenn diese Samaritaner am Jerusalemer Heiligtum gar nicht interessiert gewesen sein dürften, sind sie für unseren Kontext doch insofern von Bedeutung, als die Bewegung zeigt, wie stark die zeitgenössische Bereitschaft zu einem Neuanfang jenseits bestehender Heilsinstitutionen war. Exakt dieses Phänomen wird auch beim nunmehr jüdischen Aufstand des Theudas deutlich.

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GRAY, Figures, 113.133–144; vgl. auch SMITH, Troublemakers, 509–517. HORSLEY/HANSON, Bandits, 163. 268 HORSLEY/HANSON, Bandits, 164. 267

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5.2.2 Theudas Josephus berichtet in Ant 20,97f., dass unter der Prokuratur des Cuspius Fadus ein „Scharlatan“ namens Theudas viele „einfache Leute“ überredet habe, ihm mitsamt ihrem Besitz an den Jordan zu folgen. Er habe sich als Prophet ausgegeben und versprochen, dass sich auf sein Wort hin der Fluss teilen würde und einen einfachen Durchzug ermöglichen werde. Cuspius Fadus habe prompt reagiert und seine Kavallerie geschickt, die in einem Überraschungsangriff ein Blutbad unter dem Gefolge des Theudas angerichtet habe.269 Theudas sei lebend gefangen genommen, aber an Ort und Stelle enthauptet worden. Anschließend hätten Fadus‘ Soldaten das Haupt mit nach Jerusalem genommen, um es dort zu präsentieren. Lukas erwähnt in seiner kurzen, wohl anachronistisch vor Judas dem Galiläer eingeordneten Notiz in Act 5,36, dass Theudas 400 Anhänger mobilisieren konnte. Auch hier bleiben die Hintergründe weitgehend im Dunkeln,270 aber die Parallelen zum samaritanischen Propheten werden umso deutlicher: Wieder sammelt ein charismatischer Führer mit prophetischer Attitüde v.a. verarmte Bauern der Landbevölkerung, die ihm mitsamt ihrem Besitz folgen sollen. Am heilsgeschichtlich prominenten Ort des Jordanufers sollten sie in einer prophetischen Zeichenhandlung eines der Urdaten der Existenz Israels, den Durchzug durch den Jordan (und das Schilfmeer?) und den Einzug in das gelobte Land, wiederholen.271 Ob Theudas sich selbst als eine Art Josua redivivus (oder/und Mose redivivus?) verstand, lässt sich nicht klären, aber seine intendierte Zeichenhandlung macht deutlich, dass seine eschatologischen Hoffnungen nicht auf dem Tempel und der Jerusalemer Priesterschaft ruhten, sondern in einer Rekapitulation der Heilsgeschichte, einem neuen Exodus und/oder einer neuen Landnahme, verbunden mit der Hoffnung auf die endzeitliche Befreiung und Vollendung. 5.2.3 Der Prophet aus Ägypten In Josephus‘ dritter Schilderung eines „Aktionspropheten“ handelt es sich um einen nicht namentlich genannten jüdischen Propheten, der aus Ägypten stammt oder von dort her nach Israel zurückgekehrt ist (Bell 2,261– 263; Ant 20,169–171). Da Paulus nach Act 21,38 bei seinem letzten Jerusalem- und Tempelbesuch im Jahr 57 n.Chr. mit diesem Propheten verwechselt wird, muss dieser kurze Zeit zuvor, d.h. während der Prokuratur des Felix, öffentlich aufgetreten sein. Die Vorgänge lassen sich nach den 269 GRAY, Figures, 115f., vermutet angesichts der berichteten Umstände, dass die Gruppe unbewaffnet war. So konnte sie von einer relativ kleinen militärischen Einheit offensichtlich schnell überwältigt werden. 270 HORSLEY/HANSON, Bandits, 165f., sehen den Aufstand des Theudas stark in ökonomisch-sozialrevolutionärem Licht der Ausbeutungspolitik Herodes Agrippas I. und der extremen Unterdrückung durch den Prokurator Cuspius Fadus. 271 GRAY, Figures, 115, denkt an eine Kombination beider Ereignisse.

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beiden – nicht ganz widerspruchsfreien – Berichten bei Josephus wie folgt rekonstruieren: Der ägyptische (Falsch)Prophet hat 30.000 Anhänger (Bell 2,261) aus dem einfachen Volk des Landes (Bell 2,261: eivj th.n cw,ran) mobilisiert272 und diese zunächst in die Wüste und dann (zurück?) zum Ölberg geführt. Von dort aus habe er durch ein prophetisches Befehlswort die Stadtmauern Jerusalems zum Einsturz bringen, die römischen Truppen (mit Waffengewalt?) überwältigen und sich selbst zum Herrscher der Stadt machen wollen.273 Als Felix Wind davon bekam, sei er ihm sofort mit seinen schwer bewaffneten Truppen entgegen marschiert bzw. geritten und habe in einer blutigen Schlacht 400 seiner Anhänger getötet und 200 gefangen genommen (Ant 20,171). Der „Ägypter“ selbst sei dagegen entkommen und spurlos verschwunden. Wieder bleiben die zeitgeschichtlichen Hintergründe unerwähnt, doch scheint dieser Prophet den mit Abstand größten Mobilisierungserfolg gehabt zu haben, auch wenn die Zahl 30.000 eine Übertreibung sein sollte, da Lukas in Act 21,38 nur von 4.000 spricht und Josephus in den späteren Antiquitates am Ende nur von 400 Getöteten und 200 Gefangenen spricht. Auch die massive Reaktion des Felix spricht dafür, dass der Aufstand mehr als nur eine Provinzposse war. Auch hier scheint eine heilsgeschichtliche Ur-Erzählung Pate gestanden zu haben, dieses Mal die Eroberung Jerichos (vgl. Jos 6). Möglicherweise meint das „Herumziehen in der Wüste“ (Bell 2,261), dass der Ägypter mit seinen Anhängern versuchte, Jerusalem symbolisch zu umrunden, analog zu Josuas Umrundung Jerichos.274 Oder der Zug in die Wüste diente der Vorbereitung und Reinigung für einen neuen Einzug und eine neue Landnahme. Auffallend ist wieder der Rückgriff auf die Anfänge der Heilsgeschichte Israels, die Mobilisierung der Massen, der Weg in die Wüste und nicht zuletzt die Ignorierung der jüdischen Heilsinstitutionen. 5.2.4 Weitere Zeichenpropheten Josephus bietet noch weitere Berichte von ähnlichen Bewegungen, die aber ob ihrer Kürze kaum verwertbare Informationen bieten.275 In Bell 2,258– 260 und Ant 20,167f. ist von weiteren „Verführern“ und „Betrügern“ die 272 Nach dem Bericht in Ant 20,169 kreuzte der Ägypter zunächst in Jerusalem auf, und so scheint es, dass er zunächst hier seine Anhängerschaft rekrutierte, was jedoch recht unwahrscheinlich ist, zumal es am Ende zu einer Konfrontation zwischen seinen Anhängern und „dem ganzen Volk“ Jerusalems kommt (pa/j o`` dh/moj). 273 Im Blick auf die Frage der Bewaffnung der Gruppe vermutet GRAY, Figures, 119, dass sie von Josephus im Bellum eingetragen worden sei, um die Nachfolger des Ägypters als Revolutionäre erscheinen zu lassen. In den Antiquitates ist dagegen von Waffen keine Rede mehr. 274 Vgl. hierzu auch Jos Ant 5,22–32. 275 Vgl. hierzu GRAY, Figures, 118–120.

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Rede, die aufgrund einer „göttlichen Sendung“ „das Volk“ in die Wüste führten, wo Gott ihnen „Zeichen der Befreiung“ (Bell 2,259: shmei/a evleuqeri,aj) zeigen würde bzw. wo sie selbst in Übereinstimmung mit Gottes Plan „Zeichen und Wunder“ (Ant 20,167: te,rata kai. shmei/a) vollbringen würden. Felix habe daraufhin Kavalerie und Infanterie ausrücken und sie niedermachen lassen. In Ant 20,185–187, berichtet Josephus von einem Betrüger unter der Regentschaft von Festus, der all jenen Wohlergehen und Erlösung vom Elend versprach, die ihm in die Wüste folgen würden. Festus machte auch mit ihm und seinen Anhängern kurzen Prozess. Nach 70 n.Chr. berichtet Josephus schließlich von Jonathan dem Sikarier (Bell 7,437–450; Vit 424f.), der in Kyrene in Nordafrika ebenfalls eine Gruppe von Nachfolgern in die Wüste geführt habe, um ihnen „Zeichen und Erscheinungen“ (shmei/a kai. fa,smata) zu zeigen. Der zuständige Prokurator Catullus schickte seine Kavallerie und Infantrie und ließ Jonathans Nachfolger töten oder gefangen nehmen. Der Anführer selbst entkam zunächst, wurde aber später gefangen. Inhaltlich lässt sich auch hier wenig bis nichts sagen. Es scheint aber, dass Jonathans Aktion eher (sozial)politisch als religiös motiviert war. 5.2.5 Ergebnis Das Muster hinter den von Josephus erzählten Berichten ist immer dasselbe: Einer charismatischen Gestalt mit prophetischem Anspruch gelingt es, eine mehr oder weniger große Anhängerschaft aus der Landbevölkerung – Josephus spricht von plh/qoj, o;cloj und dh/moj – für die „Rekapitulation“ der heilsgeschichtlichen „Ur-Erlösung“ Israels zu mobilisieren. Häufig spielen bestimmte Zeichen (shmei/a), Wunder (te,rata) oder Erscheinungen (pa,smata) eine wichtige Rolle, die wahrscheinlich v.a. eine legitimierende und authentifizierende Funktion hatten.276 Ein direkt prophetischer Anspruch wird von Josephus jedoch nur bei Theudas und dem ägyptischen Propheten erwähnt. Eine wesentliche Rolle spielen schließlich stets traditionsgefüllte Orte und die Wüste als Ort der Reinigung und Vorbereitung.277 Keine dieser Bewegungen – möglicherweise abgesehen von jener von Jonathan dem Sikarier – scheint einen sozialrevolutionären oder messianischpolitischen Hintergrund gehabt zu haben, sondern alle Indikatoren spre276 GRAY, Figures, 125–130, zeigt, dass in der Moseerzählung des Josephus der Begriff shmei/a nur für die Legitimationswunder Moses vor dem Pharao verwendet wird, nicht jedoch für die „großen“ Exoduswunder (Plagen, Schilfmeer); vgl. a.a.O., 128: „The primary purpose, however, was to convince others that he was God’s agent, as he claimed to be, and thus that they should believe what he told them of God’s intentions and do what he commanded.“ 277 Vgl. Jes 40,1–11; 51,9–11.

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chen für in erster Linie religiös motivierte Bewegungen,278 wobei natürlich damit zu rechnen ist, dass sich verschiedene Intentionen mischten. Als ein Indiz für diese These führt R. Gray zum einen die politisch-militärische Naivität und die dilletantische Strategie an, die diese Bewegungen von messianischen oder sozialrevolutionären Gruppen jener Zeit unterschied.279 Für eine religiöse Motivation spricht zum anderen, dass die versprochene Wende, Befreiung oder Erlösung durch Gott allein oder zumindest durch seine maßgebliche Hilfe herbeigeführt werden würde.280 Ein Problem der historischen Auswertung ist die einseitige Quellenlage. Josephus macht aus seiner ablehnenden Haltung keinen Hehl, und die knappen Berichte von den einzelnen Gruppen scheinen zudem noch stilisiert zu sein,281 so dass es unsicher bleibt, ob Josephus dem Anliegen der einzelnen Anführer immer gerecht wird. Er präsentiert diese Zeichenpropheten als vorbereitende „Faktoren“ des Jüdischen Krieges und weist ihnen neben den Zeloten eine Hauptschuld an den tragischen Entwicklungen zu. Unsere Fragestellung beeinträchtigt dieser Umstand allerdings nur begrenzt. Denn allein die Tatsache, dass diese Bewegungen in scheinbar steter Regelmäßigkeit im Abstand von 10–15 Jahren möglich waren, zeigt die Bereitschaft zumindest der verarmten Landbevölkerung, sich von den religiösen Institutionen des zeitgenössischen Judentums (resigniert?) abzukoppeln und ihr Heil von einer radikalen eschatologischen Wende zu erwarten. Es scheint im ländlichen Bereich Milieus gegeben zu haben, die vom Jerusalemer Tempelkult und ihrem Personal nichts mehr erwarteten, sondern verzweifelt und damit empfänglich genug für radikale Botschaften der Befreiung waren.282 Die für diese Menschen überzeugende Botschaft ihrer Führer scheint eine wie auch immer geartete Rekapitulation der 278

GRAY, Figures, 135f. GRAY, Figures, 136. 280 Diese Erwartung teilten zweifellos alle jüdischen Aufstandsgruppen in jenen Jahrzehnten, aber der Grad der militärisch-strategischen Mobilmachung und Planung zeigt deutliche Unterschiede im Blick auf die erwartete „Synergie“ zwischen göttlichem und menschlichem Handeln. 281 Die Darstellung folgt stets einem bestimmten Raster: Ein Betrüger und Verführer XY tritt auf, führt Anhänger in die Wüste bzw. an einen heilsgeschichtlich relevanten Ort, verspricht Zeichen und Wunder sowie Befreiung, daraufhin reagiert der zuständige römische Befehlshaber sehr rasch und bereitet dem Spuk ein gewaltsames Ende. So wahrscheinlich ein schematisches römisches Vorgehen für das Ende der jeweiligen Aufstände ist, so unwahrscheinlich ist das Schema für die Entstehung der unterschiedlichen Bewegungen. 282 Ein Reflex auf diese und ähnliche Bewegungen findet sich auch im Neuen Testament. Sowohl die Warnung vor falschen Messiassen und falschen Propheten, die Zeichen und Wunder tun und die Erwählten verführen wollen, Mk 13,22, als auch die Warnung, nicht in die Wüste zu gehen, wenn dort ein Messias oder Prophet angekündigt wird, Mt 24,26, erinnern an diese Bewegungen. 279

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Heilsgeschichte zum Inhalt gehabt zu haben, gemäß der Israel wieder zurück in die Wüste zu seinen Ursprüngen musste, um erlöst und befreit zu werden. Dies würde jedoch eo ipso auch die fundamentale Erneuerungsbzw. Substitutionsbedürftigkeit der tradierten Heilsinstitutionen des Tempels, der Opfer und des Priestertums implizieren, denn diese Institutionen waren für diese Juden kein Element der Hoffnung mehr. 5.3 Jesus bar Ananias Zwischen den Auftritten der drei Zeichen- bzw. „Akt(ions)propheten“ und den zahlreichen zelotischen Führern mit ähnlichen Ambitionen während des Jüdischen Krieges berichtet Josephus noch von Jesus bar Ananias. Er ist der einzige sog. Wortprophet neben Johannes dem Täufer, von dem Josephus in den Jahren vor dem Jüdischen Krieg erzählt. Josephus beschreibt ihn im Rahmen der Aufzählung der Prodigien für die Tempelzerstörung (Jos Bell 6,300–309) als einen ungebildeten Bauern, der vier Jahre vor Kriegsbeginn (62 n.Chr.) beim Laubhüttenfest auftrat und rief: „Eine Stimme vom Osten, eine Stimme vom Westen, eine Stimme von den vier Winden, eine Stimme über Jerusalem und den Tempel, eine Stimme über Bräutigame und Bräute, eine Stimme über das ganze Volk!“ Mit diesen Worten lief er durch Jerusalem, was ihm harte Repressalien seitens der städtischen Aristokratie einbrachte, ihn aber gleichwohl bei seiner Mission nicht beirren konnte. Schließlich führte man ihn, von den Geißelhieben gemartert, dem römischen Prokurator vor. Unter weiteren Schlägen brachte er lediglich stets ein weiteres „Wehe Jerusalem!“ hervor. Als Jesus bar Ananias auf die Fragen von Albinus nicht antwortete, ließ dieser ihn, überzeugt von seinem Wahnsinn, laufen.283 Auch in den folgenden sieben Jahren und fünf Monaten soll er mit niemandem mehr gesprochen haben, sondern Tag und Nacht seine Klage über Jerusalem „Wehe, wehe Jerusalem!“ kund getan haben, am lautesten an den Festtagen. Schließlich soll er eines Tages schon während der Belagerung Jerusalems mit gellendem Ruf „Wehe der Stadt, dem Volke und dem Tempel!“ und schließlich auch „Wehe auch mir!“ an der inneren Mauer entlang gegangen sein, als er vom Stein eines römischen Katapults getroffen und getötet wurde. Die Attitüde dieses Gerichtspropheten erinnert stark an Amos und Jeremia, die mit ähnlichen Botschaften ihre Zeitgenossen provozierten. 283

GRAY, Figures, 162, weist im Blick auf die Entscheidung von Albinus auf den auffallenden Kontrast zu Jesus von Nazareth in. Auch er wurde während eines Pilgerfestes verhaftet, und auch er kündigte das Ende des Tempels an. Doch haben offensichtlich die Begleitumstände seines Auftretens, wie der messianische Anspruch, die Sammlung einer Jüngerschaft und die Tempelaktion, Pilatus zu einem wesentlich drastischeren Urteil und Vorgehen bewogen.

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Sein Auftreten erinnert ferner an die Zeichenhandlungen Jeremias, ebenso sein Leiden und nicht zuletzt auch seine Botschaft.284 Was ihn jedoch von diesen Propheten ebenso wie von Johannes dem Täufer unterscheidet, ist die Botschaft der Ausweglosigkeit in seiner Gerichtsankündigung. Es gibt keine Umkehroption mehr.285 Horsley und Hanson weisen darauf hin, dass Jesus bar Ananias wirklichen Widerstand lediglich von der Jerusalemer Nobilitas, zu der auch die Priesteraristokratie gehörte, erfuhr.286 Offensichtlich wurde von ihr der einsame Rufer gefürchtet, während ihn Albinus für verrückt hielt. Das Schweigen der anderen Gruppen ist vielsagend. Möglicherweise war man sich des prophetischen Charakters dieser Gestalt sehr bewusst und verstand die jeremianischen Assoziationen nur zu gut. 5.4 Ergebnis Die prophetischen Gestalten, die in diesem Kapitel vorgestellt wurden, sind ein weiteres Symptom der Heterogenität des Judentums um die Zeitenwende. Sie spiegeln aber auch die schwindende Integrationskraft der jüdischen Kultinstitutionen, der dort agierenden Autoritäten und das steigende Radikalisierungspotential unter den armen Bevölkerungsschichten, das umgekehrt verknüpft war mit einer wachsenden Offenheit für alternative Heilskonzepte. Diese Alternativen äußerten sich allerdings nicht in einer Distanz zu Israels Heilsgeschichte und Heilsinstitutionen, sondern verstanden sich vielmehr als eine Neuinterpretation derselben.

6 Das Priestertum im Werk von Flavius Josephus 6 Das Priestertum im Werk von Flavius Josephus

Die umfassendsten Einblicke in das Priestertum der frühjüdischen Epoche vor dem Jüdischen Krieg eröffnet uns das große Geschichtswerk des Flavius Josephus.287 Der historiographische Wert seiner Darstellung ist allgemein anerkannt, selbst wenn auch bei ihm mit persönlich, politisch und theologisch motivierten Tendenzen, Vereinfachungen, Verkürzungen288

284

Vgl. Jer 7,34; 22,1–9.26 und auch Mt 23,37–39. MÜLLER, Johannes, 27. 286 HORSLEY/HANSON, Bandits, 174f. 287 Jüngst ist eine umfassende Arbeit von O. GUSSMANN mit dem Titel „Das Priesterverständnis bei Flavius Josephus“, erschienen, der die Darstellung des Abschnitts im Wesentlichen folgt. 288 Zu den Verkürzungen sind nach GUSSMANN, Priesterverständnis, 411f., seine Darstellungen der „Kultdienstordnungen, Kalender, Opferliturgien, Festordnungen für Wallfahrtsfeste oder die Riten am Versöhnungstag, die Erstellung von Reinheitsgutachten, die Diskussion priesterlicher Halachot oder der Priestersegen“ zu zählen. 285

6 Das Priestertum im Werk von Flavius Josephus

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und Präferenzen zu rechnen ist.289 Gesteigert wird das historische Gewicht seiner Darstellung insbesondere des Priestertums durch seine persönliche und biographische Verbundenheit mit diesem System. 6.1 Josephus: Priester, Aristokrat, Hasmonäer Josephus war selbst Priester, genauer gesagt Jerusalemer Priester, ja sogar Mitglied des Priesteradels.290 Dieser Umstand eröffnete ihm Einblicke in die priesterlichen Abläufe, die priesterliche Kleiderordnung, in das Innere des Tempels und seine gestuften Heiligkeitsbereiche, die uns wertvolle Detailinformationen liefern.291 Josephus war darüber hinaus ein relativ prominentes Mitglied der Priesterschaft. In seiner Vita hebt er gleich am Anfang seine genealogisch begründete Mitgliedschaft in der bedeutendsten Priesterordnung, die auf Jehojarib zurückgeht, ebenso hervor,292 wie seine Abstammung von der hasmonäischen Dynastie.293 Diese Grunddaten seiner Existenz prägen maßgeblich seine Bewertungen des Priestertums. 289 GUSSMANN, Priesterverständnis, 417: „Josephus ist in seinen Werken ein einzigartiger Zeuge für das letzte Jahrhundert des jüdischen Priestertums. Er beschreibt die Institutionen ‚Tempel’ und ‚Hohespriestertum’ in ihrer ehemaligen geschichtlichen und politisch-nationalen, kultischen und ästhetisch-kulturellen Bedeutung. Die Intention seiner Priesterdarstellungen wird häufig von einem apologetischen Interesse gegenüber Nichtjuden geleitet. Unkenntnis oder schwerwiegende Fehler in seinem Bild vom Priestertum kann man Josephus nicht nachweisen. Die Vereinfachungen und Verkürzungen bei der Beschreibung des Priesterwesens lassen sich mit dem historiographischen Interesse des Josephus und der Intention seines Werkes begründen.“ 290 Vgl. Jos Vit 1f.: „Ich stamme übrigens aus einer keineswegs unbedeutenden Familie, sondern aus einer, die seit Urzeiten von Priestern herkommt. Wie aber bei den einzelnen [Völkern] die Voraussetzung für Adel jeweils eine andere ist, so ist bei uns die Zugehörigkeit zur Priesterschaft Kennzeichen für die Prominenz der Familie. Meine Familie stammt jedoch nicht nur von Priestern, sondern sogar von der ersten der 24 Priesterabteilungen – auch darin liegt ein großer Unterschied – und von den Sippen in dieser auch wieder von der vornehmsten. Ich gehöre aber auch zum königlichen Geschlecht von der Mutter her, denn die Söhne des Haschamon (‘Asamonai,oj), deren Nachkomme sie ist, waren über sehr lange Zeit Hohepriester und Könige des Volkes“; Übersetzung nach S IEGERT, Leben. 291 Für den regulären Priesterdienst im Rahmen des 24-wöchigen Opferdienstzyklus der 24 Priesterabteilungen kommen in der Biographie des Josephus allerdings nur die Jahre zwischen 57 n.Chr., dem Zeitpunkt der Priesterinvestitur mit 20 Jahren, und 63 n.Chr., als er mit einer diplomatischen Mission nach Rom gesandt wurde, in Frage. Vorher durfte er noch nicht als Priester amtieren und nachher konnte er es nicht mehr. Vgl. zu dieser biographischen Epoche GUSSMANN, Priesterverständnis, 228–233. 292 Vgl. Ant 12,265; sowie GUSSMANN, Priesterverständnis, 207–210. 293 Es muss allerdings erwähnt werden, dass die hasmonäische Herkunft über zwei weibliche Linien auf Josephus kam, vgl. Vit 1,2, ihn mit den Hasmonäern also kein patrilinearer, sondern „nur“ ein kognatischer Stammbaum verbindet. Bei der Betonung seiner (hohe)priesterlichen Abstammung dürfte er auch an seine römische Leserschaft

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

So spiegelt sich sein (priester)aristokratisches Standesbewusstsein294 unter anderem in der Präferenz eines streng hierarchischen Gesellschaftsmodells, an dessen Spitze der Hohepriester steht, gefolgt von den aristokratischen Priesterfamilien. Über die Standeszugehörigkeit entscheidet die genealogische Abstammung bzw. die familiäre Abkunft.295 Somit hat Josephus ein hereditär gegliedertes Gesellschaftsmodell vor Augen, das von der Fraktionierung zwischen Hohepriestern und Priestern,296 Priestern und Leviten,297 sowie zwischen Priestern/Leviten und Laien298 geprägt ist.299 Es nimmt nicht Wunder, dass der Gedanke eines Allgemeinen Priestertums ihm fremd blieb (vgl. Ap 2,186–188). Überraschenderweise tauchen bei Josephus neben der genealogischen Begründung des (Hohe)Priesteramtes auch noch leistungsbezogene Elemente auf, so wenn Josephus hinsichtlich des hohepriesterlichen Amtes auch noch bestimmte Tugenden wie Berufswissen (Kompetenz), Überzeugungskraft und Mäßigung für unabdingbare Voraussetzungen hält.300 Diese dürften wohl eine Konzession an seine römischen Leser darstellen, denen ein hereditär begründetes Priesteramt fremd war. Seine Abstammung aus dem ehemaligen hasmonäischen Priesteradel spielt bei der Idealisierung der hasmonäischen Priesterkönige eine wichtige Rolle. Insbesondere Johannes Hyrkan I. (134–104 v.Chr.) erscheint bei Josephus als eine Art hohepriesterliche Idealgestalt. Er billigt ihm neben

gedacht haben. In Rom war das Priestertum ein Ehrenamt mit hohem Sozialprestige und Josephus möchte andeuten, in welchem gesellschaftlichen Milieu er zu Hause ist. 294 Nach Vit 422 besaß die Familie des Josephus Land in Jerusalem, was auf einen gehobenen Sozialstatus hindeutet, vgl. GUSSMANN, Priesterverständnis, 202, Anm. 19. 295 Seinen römischen Lesern erläutert Josephus in Ant 20,225f. die herausragende Bedeutung des hereditären Prinzips: „Es gilt bei uns das Gesetz, dass niemand Hoherpriester werden kann, der nicht von Aaron abstammt. Aus einer anderen Familie darf niemand, und wenn es der König selbst wäre, auf diese Würde Anspruch erheben“; vgl. auch Vit 1 und Ap 2,186. Anders als Josephus beurteilt Philo von Alexandrien diese hereditäre Begründung der Standeszugehörigkeit wesentlich kritischer, Virt 187: „Darum muss man auch die Menschen, die den Adel als das größte Glück und als die Ursache großer Glücksgüter preisen, nicht wenig tadeln, wenn sie zunächst nur die für adelig halten, die aus einer von alters her reichen und angesehenen Familie stammen“. Vgl. auch seine Kritik in Decal 71f. 296 Jos Vit 197; Ant 20,205–207. Auch die Zugehörigkeit zu den Priesterordnungen ist noch einmal hierarchisch zwischen vornehmeren und einfacheren Priesterordnungen gegliedert. Entsprechend legt Josephus immer wieder gesteigerten Wert darauf, zur vornehmsten Dienstabteilung zu gehören, die sich von Jehojarib ableitet. 297 Jos Bell 2,321; Ant 20,216–218. 298 Jos Bell 4,182; 5,18; 6,271; Ant 3,181. 299 GUSSMANN, Priesterverständnis, 204f. 300 Jos Bell 4,156f.; Ap 2,186.

6 Das Priestertum im Werk von Flavius Josephus

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seinem König- und Hohepriestertum auch noch eine prophetische Begabung zu und stilisiert ihn so zum idealen Führer des Volkes.301 Der Rückbezug auf die Hasmonäer bringt für Josephus eine Reihe von Vorteilen mit sich: Er kann sich damit erstens von den kaum legitimierten und depravierten Hohepriesterfamilien der herodianischen und nachherodianischen Zeit abgrenzen, zweitens seine eigene Herkunft vom königlichen und hohepriesterlichen Geschlecht der Hasmonäer aufwerten, drittens seinem römischen Publikum zeigen, dass er Nachfahre einer gegenüber Rom loyalen Herrscherdynastie ist, und viertens mit der hasmonäischen Hohepriesterdynastie sein Ideal einer theokratischen Staatsform präsentieren.302 Dass die Hasmonäer keine zadokidische Abstammung vorweisen konnten und in der Geschichte ihrer Dynastie nicht immer die politische Macht besaßen, wird von Josephus geflissentlich übergangen, ebenso wie die faktisch vorhandene zadokidische Abkunft mancher Konkurrenten in der Jerusalemer Priesterschaft. Dass Josephus im Anschluss an den Jüdischen Krieg nicht mehr seiner Berufung folgen konnte, sondern als Geschichtsschreiber in Rom Karriere machte, wird er selbst nur bedingt als Bruch empfunden haben, waren doch eine profunde Gelehrsamkeit,303 sowie die Deutungskompetenz von Geschichte und Heiligen Schriften Kernkompetenzen seines Berufsstandes. 6.2 Das Wesen des Priestertums Wenn Josephus über den priesterlichen Dienst spricht, dann ist das Bemerkenswerte daran nicht irgendwelche überraschenden Neuerungen, sondern vielmehr die Konstanz, mit der diese Institution über die Jahrhunderte hinweg ihren Dienst tat. Auch für Josephus ist die Mediation zwischen Gott und Mensch bzw. den zahllosen Tempelbesuchern durch Opfer und Gebet die Kernaufgabe des Priesters.304 Ferner erfüllen sie kultisch-rituelle und jurisdiktionelle Pflichten und Aufgaben wie Reinigungsrituale und Rechtsprechung. Ausführlich beschreibt Josephus auch den Dienst des Hohepriesters und dessen Prachtornat. Durch den in der Kopfbedeckung geschriebenen Gottesnamen repräsentiert er einerseits Gott gegenüber seinem Volk; durch die zwölf Edelsteine auf dem Brustschild und die auf den Schultersteinen eingravierten Stammesnamen repräsentiert er andererseits aber auch sein Volk vor Gott. Anders als Philo versteht Josephus die auf dem Ornat dargestellten Naturelemente Feuer, Wasser, Luft und Licht 301

Vgl. Ant 13,282f.300.322f., sowie GUSSMANN, Priesterverständnis, 299–302. Zur Idealisierung Hyrkans I. bei Josephus vgl. Bell 1,68f.; Ant 13,255–266.299f. 302 GUSSMANN, Priesterverständnis, 415f.; vgl. auch 210–215.249.281f. 303 Zu den Bildungsvoraussetzungen und Sprachkenntnissen von Josephus vgl. GUSSMANN, Priesterverständnis, 216–228. 304 Vgl. GUSSMANN, Priesterverständnis, 289f.321.

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nicht als eine Repräsentation des gesamten Kosmos inklusive der Nichtjuden, sondern lediglich als Symbolisierung der ebenfalls durch den Hohepriester repräsentierten Natur.305 Eine Frage, die besonders im Zusammenhang mit dem Priesterbild des Josephus auftaucht, ist die nach dem prophetischen Charisma.306 Sie stellt sich deshalb, weil Josephus immer wieder von Traumdeutungen berichtet und seine Fähigkeit dazu mit seiner priesterlichen Kompetenz zur Schriftinterpretation begründet.307 „Durch die priesterliche Kenntnis früherer Prophetenschriften ist er in das Geheimnis Gottes eingeweiht und kann den göttlichen Willen für die Zukunft vorhersagen.“308 Josephus sieht sich nicht nur hier in der Tradition Jeremias und Ezechiels, die als Priester auch noch eine prophetische Berufung erlebten, deren Priesteramt wie bei Josephus während ihres prophetischen Dienstes ruhte und die wie Josephus Israel erfolglos vor der kommenden Katastrophe warnen mussten.309 In seiner Historiographie „revitalisiert“ Josephus die Botschaft des Priesters und Propheten Jeremia und sieht sich selbst ebenfalls in dieser Doppelrolle.310 Für Josephus ist die Verbindung der priesterlichen Existenz mit einer prophetischen Begabung etwas Selbstverständliches und in der Schrift begründet.311 Vor diesem Horizont sind auch seine geschichtstheologischen 305

GUSSMANN, Priesterverständnis, 389–392. Vgl. GUSSMANN, Priesterverständnis, 240–249.288–305. 307 Schon in seiner Einleitung zum „Jüdischen Krieg“, Bell 1,3, erklärt Josephus seine historiographische Kompetenz mit seiner priesterlichen Kompetenz und im Zusammenhang mit seiner Errettung aus der belagerten Höhle in Jotapata. In Bell 3,352 schreibt Josephus: „Josephus verstand sich nämlich auf die Deutung von Träumen und auf die Auslegung von Gottessprüchen, die zweideutig geblieben waren. Da er selbst ein Priester war und aus einem priesterlichen Geschlechte stammte, waren ihm die Weissagungen der heiligen Schriften gut bekannt“, Übersetzung nach MICHEL/B AUERNFEIND, Bello Judaico I, 369. Zum Besitz der Weissagungsprophetie vgl. auch Bell 3,399–408; 4,622–626.629. 308 GUSSMANN, Priesterverständnis, 244. 309 Ant 10,79f.119.142; vgl. Bell 1,10; 3,108f.; 5,415. Zur Jeremia-Tradition bei Josephus vgl. LINDNER, Geschichtsauffassung, 32f.; MASON, Flavius Josephus und das Neue Testament, 98f.; VAN UNNIK, Prophetie, 52f. 310 Die Frage, ab wann Josephus zu diesem Selbstverständnis gelangte, ist schwierig zu beantworten. GUSSMANN, Priesterverständnis, 304, rechnet damit, dass er die Einsicht bereits nach Jotapata und vor dem Untergang Jerusalems erlangte, und sie sich nicht erst retrospektiv als Historiograph sozusagen ex eventu „zuschrieb“. Zu beachten ist allerdings, dass Josephus sich mit verschiedenen biblischen Gestalten identifizieren konnte. Auch die Gestalt des Propheten Daniel dient ihm häufig als eine Art Muster für die eigene Identitätsbestimmung als jüdisch-aristokratischer und prophetisch begabter Fremdling am Hofe eines Weltherrschers; vgl. hierzu BRUCE, Josephus und Daniel; FELDMAN, Prophets; BEGG, Daniel and Josephus; MASON, Josephus, Daniel and the Flavian House. 311 Gemeinsame Nennung von Priestern und Propheten in Mi 3,11; Jes 28,7; Jer 2,8.26 u.ö. Propheten mit priesterlichen Aufgaben: Mose als Prophet in Dtn 18,18; 34,10; Sir 46,1, vgl. Ant 4,165.303.313.329; Mose als Priester in Ex 24,4–8; vgl. 33,7–11; Ps 99,6. 306

6 Das Priestertum im Werk von Flavius Josephus

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Deutungen der jüdischen Geschichte vor und während des Jüdischen Krieges zu verstehen. 6.3 Geschichtsdeutung aus priesterlicher Perspektive Die priesterliche Geschichtsperspektive des Josephus tritt besonders bei der Komposition der Antiquitates vor Augen: „Die beiden Hauptteile A 1– 10 und 11–20 decken jeweils eine Tempelzeit ab [...]. Beide Hauptteile enden mit der Zerstörung eines Tempels [...]. Am Ende beider Teile steht jeweils eine Liste der Hohenpriester (A 10:151–153; 20:224–251), die sich so als eine Art geschichtliches Summarium erweist. Josephus bildet durch diese Einteilung eine Synthese aus Verfassungs-, Tempel- und Hohepriestergeschichte.“312 Die rote Linie der josephischen Historiographie im Bellum ist die theologische Deutung der Zerstörung des Tempels und Jerusalems als ein Gericht Gottes.313 Die Römer sind dabei analog zu den Babyloniern nur Erfüllungsgehilfen Gottes.314 Schuld tragen die aufständischen und radikalisierten Zeloten. Umgekehrt versucht Josephus, die Priester und Hohepriester von einer schuldhaften Verstrickung in den Jüdischen Krieg freizusprechen und ihnen eine Rolle als Vermittler und Friedensstifter zuzuweisen. In den Kämpfen um Jerusalem und den Tempel werden sie von Josephus gar zu Helden stilisiert, die unter dem selbstlosen Einsatz des eigenen Lebens ihren Pflichten nachkamen und den Opferkult aufrecht erhielten.315 Das Ende dieser Priesterhelden schildert Josephus konsequenterweise nicht als Folge der römischen Angriffe, sondern als feigen Mord der Zeloten. Eine besondere Rolle in der josephischen Historiographie des Hohepriestertums spielt der hohepriesterliche Prachtornat, der immer an den hohen Festtagen vom jeweiligen Amtsinhaber beim Opfer getragen wurde.316 Nach der josephischen, an die alexandrinisch-jüdische Theologie sich anlehnenden Anschauung repräsentierte dieser Ornat die gesamte mediatorische Institution des Hohepriestertums. Sein Träger wurde von Philo aufgrund der Bildmotivik sogar als Vertreter des ganzen Kosmos vor Gott verstanden und als Vermittler göttlichen Heils an den Kosmos, v.a. aber an

Elia als Priester in 1Kön 18,33f.36. Priesterpropheten: Jeremia, Ezechiel, Esra, vgl. Esr 7,1; evtl. Jesaja, vgl. Jes 6: Berufung im Tempel; evtl. auch Habakuk: vgl. Hab 3; Nahum und Joel, vgl. Joel 1,9.13f.; 2,17. Vgl. im Neuen Testament den Priester Zacharias in Lk 1,11ff.22.67; und den Priestersohn Johannes der Täufer in Mt 11,9.14; 21,26; Lk 1,15.17.76; 7,27; 20,6. 312 GUSSMANN, Priesterverständnis, 258f. 313 Vgl. Bell 2,455; 5,19f. u.ö. 314 Bell 1,10; 2,390; 5,367.378.412 u.ö. 315 Bell 1,148–152; vgl. Ant 14,65–67. 316 Vgl. hierzu GUSSMANN, Priesterverständnis, 374–394.

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Israel.317 „Im Hohepriestergewand verdichtete sich symbolisch die Kulthoheit, d.h. die politische Kontrolle über das Hohepriestertum als über das oberste kultische Führungsamt des jüdischen Volkes.“318 Indem Josephus die Geschichte dieses Ornats, das politische Ringen um seine Kontrolle und die unterschiedlichen Aufbewahrungsorte detailliert nachzeichnet, schreibt er eine Geschichte des Hohepriestertums in nuce.319 Die Übergabe der Gewänder an die Römer markiert für Josephus schließlich das Ende der jüdischen Heilsgeschichte, denn mit dem Gewand war dem Judentum die Instanz der Mediation göttlichen Heils und Segens genommen. Freilich sieht er darin den Willen Gottes, der die Römer als Vollstrecker des Gerichts an seinem Volk beauftragt hatte. Auch in der Hohepriesterliste in Ant 20,224–251 verwendet Josephus die Institution des Hohepriestertums, um die jüdische Geschichte im Rahmen eines Verfallsschemas zu erzählen: Am Anfang steht das Ideal Aarons320 und am Ende die makkabäische, herodianische und römische Epoche mit illegitim ins Amt gekommenen und schwachen Nachfolgern.321 Die finalen Phänomene des Verfalls sind die Auflösung der genealogischen Erbfolge durch die Aufständischen, die den göttlich bestimmten Kandidaten durch Loswurf erfragten (Bell 4,148), der Mord am Hohepriester Ananos zeitgleich zum Fall der Stadtmauern (Bell 4,318), das Ende des Tempels mitsamt den bis zum Schluss dienenden Priestern und damit auch der theokratischen Verfassung. Diese Verfallsgeschichte will Josephus freilich nicht als eine Verfallsgeschichte des Amtes an sich verstanden wissen, im Gegenteil. Er unterscheidet streng zwischen den historischen Verfallserscheinungen und der Würde des Amtes an sich. Der Rückverweis auf das ursprüngliche aaronidische Ideal soll eine Restitution der Institution und der politisch-religiösen Selbstverwaltung unter hohepriesterlicher Führung ermöglichen.322 317

In einer dramatischen Szene schildert Josephus in Ant 11,317–319.324–339, wie der Ornat bei der Begegnung des Hohepriesters Jaddus mit dem feindlich gesinnten Alexander dem Großen letzteren zur Proskynese vor dem Ornat zwingt, da ihm der Hohepriester in diesem Ornat im Traum erschienen sei. Die ursprünglich bedrohliche Szene endet in einem friedlichen Handschlag zwischen Jaddus und Alexander. Dem Gewand wird hier von Josephus eine friedensstiftende Wirkung zugesprochen, vgl. zum Ganzen GUSSMANN, Priesterverständnis, 405–408. 318 GUSSMANN, Priesterverständnis, 395. 319 Vgl. GUSSMANN, Priesterverständnis, 395–408. 320 Josephus verschweigt konsequent alles, was die Idealgestalt Aarons in ein schlechtes Licht rücken könnte, wie z.B. die Geschichte des goldenen Kalbes in Ex 32, ebenso wie das falsche Opfer der Aaron-Söhne Eleasar und Itamar, Lev 10,16–20; vgl. dazu FELDMAN, Aaron, 180f.191f. 321 Vgl. Jos Ant 15,40f. 322 GUSSMANN, Priesterverständnis, 286.

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6.4 Das Priestertum als ideale Herrschaftsform Josephus hat die Tendenz, in den Antiquitates die jüdische Priesteraristokratie als die beste aller möglichen Verfassungen darzustellen,323 und in Ap 2,164–166 verwendet er für die ihm vor Augen stehende ideale Verfassungsform einer Priesterherrschaft den wohl selbst geprägten Begriff der Theokratie.324 Umstritten ist freilich, welche theologischen und politischen Implikationen der Begriff hat.325 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass Josephus offensichtlich nicht an eine direkte und politische Priesterherrschaft denkt,326 denn davon ist im Zusammenhang nicht die Rede. Als eine unmittelbare Hierokratie hat man die Theokratie erst später verstanden. Wahrscheinlich ist bei Josephus eine Entwicklung der „Depolitisierung der Priesterherrschaft“ vorauszusetzen, die noch in den Antiquitates von einer realpolitischen Priesteraristokratie mit herrschaftlichen Machtbefugnissen des Hohepriesters ausgeht, aber sich in Contra Apionem zu einer Theokratie im Sinne eines eher unpolitischen Gemeinwesens wandelt.327 Nach Gerber meint Josephus mit dem Begriff der Theokratie keine Herrschaft von Menschen oder Staaten über andere, sondern ganz allgemein die Herrschaft Gottes über alles und damit auch über jeden Einzelnen.328 Nirgendwo erwähnt Josephus in Contra Apionem, dass die Priester auch politische oder gar polizeiliche und militärische Funktionen übernehmen sollten, vielmehr konzentriert sich ihre Aufgabe völlig auf ihre kultischen Pflichten.

323

Vgl. z.B. Ant 4,223f.; 20,251. „[D]ie einen nämlich übertrugen die Regierungsgewalt des Staatswesens an Monarchien, die anderen an die Herrschaftsmacht weniger, wieder andere aber an die Masse. Unser Gesetzgeber [sc. Mose] hingegen hat keine dieser [Verfassungsformen] berücksichtigt, sondern er hat das Staatsgebilde (poli,teuma), wie man mit einem etwas gewaltsam formulierten Begriff sagen könnte, als Gottesherrschaft (qeokrati,a ) entworfen, indem er Gott die Herrschaft und die Macht zuteilte“ (Ap 2,164f., Übersetzung nach S IEGERT, Leben). Vgl. auch Ap 2,185: „Und welche Verfassung dürfte schöner oder gerechter sein als die, die Gott als Herrscher über das Ganze gesetzt hat, den Priestern jedoch überträgt, gemeinsam das Größte zu verwalten, dem Hohenpriester aller wiederum die Leitung der anderen Priester anvertraut hat?“ 325 Vgl. hierzu GUSSMANN, Priesterverständnis, 306–320; Literatur zur Theokratievorstellung bei Josephus ebd. Josephus verwendet den Begriff in einem apologetischen Zusammenhang, in dem er sich gegen pagane Vorwürfe verteidigt, die Juden seien Gottlose bzw. Missanthropen (Ap 2,148; vgl. 2,209f.). Hierauf bezieht sich Josephus direkt auf Platon, dessen Staatsideal er durch die Idee der Theokratie übertroffen glaubt. 326 So z.B. CANCIK, Theokratie, 65–77. Zur Kritik vgl. GERBER, Bild, 54–56. 327 GUSSMANN, Priesterverständnis, 324. 328 GERBER, Bild, 343f. 324

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6.5 Ergebnis Josephus beschreibt das Priestertum aus der Perspektive des Rückblicks auf eine vergangene Institution. Seine Darstellung ist von der von ihm selbst miterlebten Katastrophe der römischen Eroberung Jerusalems und des Tempels geprägt und orientiert sich an seiner aufgrund des Jüdischen Krieges judenkritischen Leserschaft in Rom. Mit seinen Werken verfolgt Josephus eine Rehabilitation des Judentums und damit auch des Priestertums, dessen Mitglieder er – selbst Mitglied einer prominenten Priesterordnung – als fähigste und vornehmste Klasse des jüdischen Volkes beschreibt. Der Priester, v.a. der Hohepriester, ist für Josephus der ideale Mensch am idealen Ort, ausgerüstet nicht nur mit der Fähigkeit der Mediation, sondern auch der Kompetenz zur Schrift-, Traum- und (prophetischen) Zukunftsdeutung. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass er gegenüber seinen Lesern aus der römischen Nobilität nicht nur das Abstammungsprinzip hervorhebt – das in den römischen Priesterschaften unbekannt war –, sondern auch das Kompetenzprinzip, das eigentlich gerade nicht zu den Voraussetzungen jüdischen Priestertums zählte. Zur Erklärung der dramatischen Entwicklungen, die zur Katastrophe des Jüdischen Krieges führten, kann Josephus allerdings nicht nur auf die Schuld der Zeloten und radikalen Kräfte verweisen. Vielmehr beschreibt er die Geschichte des Priestertums seit der makkabäischen, v.a. seit der römischen und erst recht seit der herodianischen Epoche als eine Verfallsgeschichte, die sich immer weiter vom Ideal Aarons bzw. der Anfänge entfernte. Auf diese Weise wird auch Josephus zum (unfreiwilligen) Zeugen jener Krise des jüdischen Priestertums, die in den bisher beschriebenen Gruppierungen zur Ausbildung alternativer Formen eines heilvollen „Seins vor Gott“ führte.

7 Das Diasporajudentum und das Priestertum 7 Das Diasporajudentum und das Priestertum

Das Diasporajudentum ist in seiner Bedeutung für die Fragestellung dieser Untersuchung kaum zu überschätzen, denn schon vor der Tempelzerstörung im Jahr 70 n.Chr. lebte die deutliche Mehrzahl der Juden in der sog. Diaspora.329 Allerdings stellt dieser Begriff keine Selbst-, sondern eine Fremdbezeichnung der Diasporajuden aus der Perspektive der „Israeljuden“ dar und beschreibt somit nur bedingt das Selbstverständnis großer Teile des Diasporajudentums.

329

Vgl. GRUEN, Diaspora, 3: „There is no mention of overall totals. But a confident conclusion can be voiced. By the time that the Roman commander Titus leveled the Temple, Jews abroad far outnumbered those dwelling in Palestine – and had done so for many generations.“

7 Das Diasporajudentum und das Priestertum

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Die Epoche des Judentums zur Zeit des zweiten Tempels war von Anfang an auch eine Epoche des Diasporajudentums. Zahlreiche Juden kamen bewusst und freiwillig nicht mehr aus dem babylonischen Exil zurück, sondern blieben in den Siedlungsgebieten an Euphrat und Tigris. Es war jedoch erst der Kollaps des persischen Weltreiches und der Siegeszug des Hellenismus in Folge der Eroberungszüge Alexander des Großen, der riesige Migrationswellen auslöste, vor allem unter den persischen Diasporajuden, aber auch unter den Juden im Land Israel.330 Auf diesem Weg fanden Juden ihren Weg nach und eine Heimat in Syrien, Ägypten, Kleinasien, Griechenland, Kreta, Zypern und der Kyrenaika. Am Ende des 1. Jh. n.Chr. bemerkt der Geograph und Weltenbummler Strabo in einer von Josephus überlieferten Notiz etwas übertreibend, dass es kaum einen Ort auf der Welt gibt, der nicht Mitglieder dieses Stammes – gemeint sind die Juden – besitzt.331 Die Erfahrungen und die religiöse Weltsicht dieser Juden, die nicht mehr in Israel lebten, sondern sich irgendwo zwischen Spanien und dem persischen Hochplateau niederließen, sollten in den folgenden Jahrhunderten das Bewusstsein des gesamten Judentums maßgeblich mitbestimmen. Die Gründe für ihre „Zerstreuung“ sind vielfältig. Nur eine geringe Minderheit dürfte unter „Zwang“ als Kriegsgefangene oder Sklaven zu einer Diasporaexistenz genötigt worden sein. Das Hauptmotiv war für die meisten die Verheißung besserer Lebensverhältnisse in den neuen Siedlungsgebieten und -städten. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Nachfahren zwangsdeportierter Juden noch über Generationen an denselben Orten und Regionen zu finden sind, obwohl eine freie Rückkehr nach Israel für sie schon längst wieder möglich gewesen wäre. Die Umstände dürften stark den Verhältnissen vieler neuzeitlicher Migrationswellen geglichen haben: Wenn erst einmal die Kunde besserer Lebensverhältnisse von einem beliebigen Ort des Mittelmeerraumes nach Israel gedrungen war, ließ sich der Wunsch unter den Jüngeren nicht mehr unterdrücken, den oft ärmlichen Verhältnissen in der Heimat, auch wenn sie ein „heiliges Land“ sein mochte, zu entfliehen.332 Die Integration der Diasporajuden in der neuen Heimat bewegte sich zwischen den Extremen der radikalen Isolation und der vollständigen Assimilation.333 So finden sich sowohl Zeugnisse von überraschend assimi330

GRUEN, Diaspora, 233. Jos Ant 14,114f. Die große Verbreitung der Juden wird von Philo, LegGai, 281– 283, bestätigt, der von jüdischen Gemeinden in Ägypten, Phönizien, Syrien, Kleinasien, in allen Teilen Griechenlands, Zypern, Kreta und in den Ländern an Euphrat und Tigris zu berichten weiß. 332 Vgl. GRUEN, Diaspora, 3f. 333 Vgl. hierzu die ausführliche Studie von B ARCLAY, Jews, v.a. 103–124.320–335. 331

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

lierten Juden, die sogar hohe bis höchste Ämter im römischen Imperium innehatten, als Wohltäter paganer Kulte auftraten und sich als begeisterte Besucher von Theater- und Sportveranstaltungen zeigten,334 als auch radikale Stimmen, die auch in der Diaspora eine strikte Abgrenzung von der paganen Umwelt forderten.335 Soweit wir wissen, wurden Juden nirgendwo von den Behörden ghettoisiert, aber es entwickelten sich doch in den größeren Städten von selbst jüdische Viertel. Insgesamt ist es überraschend, dass wir für die Herausforderung der Bewahrung jüdischer Identität auf der einen und notwendiger Assimilation an die hellenistisch-römische Mitwelt336 auf der anderen Seite nirgendwo Theoriekonzepte, geschweige denn konkrete Leitlinien finden: „Jews in Greco-Roman cities felt no obligation to rationalize their life-style or explain their decision to dwell at a distance from their nation’s origins. Nowhere did they define themselves as part of a diaspora. And it is no accident that they never constructed a theory of diaspora.“337 So deutet vieles darauf hin, dass die Lebenswirklichkeit des Diasporajudentums in den paganen Gesellschaften des römischen Reiches insgesamt weit weniger komplex und spannungsgeladen war, als in der Forschung aufgrund der in den Quellen immer wieder berichteten Spannungen zwischen Diasporajuden und ihren paganen Gastgebergesellschaften gemutmaßt wurde.338

334 Zu Theateraufführungen vgl. z.B. Phil Prob 141; Ebr 177; Arist 284. Zu Philos Vorliebe für Sportevents vgl. Cher 81; Agr 114f.177.180; Prob 26.110; Somn 1,145f.; 2,134; Imm 75; Migr 133; Prov 58. 335 Z.B. Arist 139; Sib 3,218–247. 336 Ein überraschendes Zeugnis stellt eine Inschrift aus Acmonia in Phrygien aus der Zeit Neros dar, CIJ I, 766, wo eine Hohepriesterin des Herrscherkults namens Julia Severa als Wohltäterin der lokalen Synagoge auftritt; vgl. dazu RAJAK, Synagogue. 337 GRUEN, Diaspora, 11. Allerdings findet sich bei Philo, Flacc 45f.; vgl. Mos 2,232 und LegGai 281–283, der (entschuldigende?) Hinweis auf das überfüllte Heimatland und er fühlt sich auch genötigt, die Bezeichnung seiner Heimatstadt Alexandria als patri,j zu rechtfertigen, bzw. von einer doppelten Bürgerschaft zu sprechen, vgl. LegGai 157. Für Philo war die eventuelle „Rückkehr“ nach Jerusalem ein Element traditionelldiasporajüdischer Hoffnung und biblischer Verheißung, vgl. Praem 162–172, aber er ist realistisch genug, sie als „distant hope“ zu behandeln, vgl. Mos 2,43; QuestEx 2,76, sowie B ARCLAY, Jews, 422. 338 So die These von GRUEN, Diaspora, passim; ähnlich auch RAJAK, Jewish Community; sowie DIES., Synagogue, 468f.: „The Jewish communities seem to be an organic part of society in these parts of Asia Minor. That their unequivocally monotheistic cult is blatantly and fundamentally unlike others does not undercut their capacity for integration […] Judaism could be incorporated into the workings of the polis. So the character of that community would inevitably be dictated by the Greco-Roman polis norms. In this way, I would suggest, the Greek political system permanently shaped the evolution of diaspora Judaism.“

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Während das Fehlen literarischer (Selbst)Reflexionen über die jüdische Diasporaexistenz kaum einen Zugang zu diasporajüdischem Denken und damit auch zur Frage nach der Rolle des Priestertums für Diasporajuden eröffnen, ist jüngst M. Tuval einen anderen Weg gegangen.339 In einer Studie hat er umgekehrt die Relevanz von Tempel und Kult für die hellenistisch-diasporajüdische Literatur untersucht. Dabei wird auf der einen Seite deutlich, „that the Jews of the Diaspora [not] generally and consistently exhibited anti-Temple, anti-cultic or anti-priestly attitudes, openly critized the Jerusalem Temple and its cult, regularly emphasized their own estrangement from these institutions, or called for their abolishment“.340 Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, dass Tempel und Kult keine überragende Bedeutung für die religiöse Identität und Praxis in der Diaspora mehr hatten.341 In den von Tuval untersuchten diasporajüdischen Schriften wird die jüdische Identität und Weltsicht im Blick auf Themen wie Gottesdienst, Ethik, Sühne für Sünden, Gegenwart Gottes, Heil und Leben nach dem Tod ohne jeglichen Bezug zu Tempel und Kult entfaltet. Es ist vielmehr die Tora und ihr Studium, die eine dominierende Rolle gewannen. Gebete konnten an die Stelle von Opfern treten, indem sie als gleichwertig betrachtet wurden, und diese letztlich völlig verdrängen. Vor allem aber war es die Ethik, die aus einer spezifisch diasporajüdischen Torafrömmigkeit heraus eine große Bedeutung bekam. Tempel, Kult und Priestertum behielten in dieser Torafrömmigkeit selbstverständlich ihre Wertschätzung – es war schließlich dieselbe Tora, die hier wie dort gelesen wurde –, aber sie hatten keine Relevanz mehr für das religiöse Leben.342 Diese Entwicklung lässt sich im Folgenden zum einen an der diasporajüdischen Institution schlechthin nachweisen, nämlich der Synagoge. Zum anderen zeigt sie sich auch bei dem Autor, der aufgrund der umfassenden Überlieferung seiner Werke zur diasporajüdischen Stimme der antiken Welt geworden ist: Philo von Alexandrien. 7.1 Die Synagoge und das Priestertum Anstelle eines Theoriekonzeptes oder einer Art „Diaspora-Tora“ entwickelte sich in der jüdischen Diaspora die Synagoge zur identitätsstiftenden 339

T UVAL, Paradigms, 181–239. T UVAL, Paradigms, 185. 341 T UVAL, Paradigms, 187: „[T]he fact that one does not routinly find hard evidence of opposition to, or criticism and negation of, the Temple and its cult in Diaspora literature, does not automatically mean that Diaspora Jews were ‘loyal’ to the Temple in any immediate way, or that this institution was ‘central’ to their Judaism. Even if one could say, generally, that they were ‘loyal’, this would convey very little about their religious worldview, practices, and identity.“ 342 T UVAL, Paradigms, 238f. 340

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jüdischen Institution schlechthin. Sie war die wirkungsgeschichtlich bedeutendste und und innovativste „Erfindung“ des Judentums in der Zeit des zweiten Tempels.343 Unbeabsichtigt und gezwungen durch die pure Notsituation des babylonischen Exils entwickelte das Diasporajudentum in der Synagoge den revolutionärsten und modernsten Gottesdienst der gesamten antiken Welt und wurde auf diese Weise bestimmend für die religionsgeschichtliche Entwicklung sowohl des Judentums nach 70 n.Chr. wie auch der jungen Christenheit.344 Die Ursprünge der Synagoge liegen noch im Dunkeln. Gewöhnlich sieht man ihren Ausgangspunkt in der Zerstörung des salomonischen Tempels 586 v.Chr. und dem darauf folgenden babylonischen Exil. Allerdings wurde mit dieser Datierung früher eine bestimmte Substitutionstheorie verknüpft, die in der Synagoge eine Substitution bzw. eine Rivalin des Jerusalemer Tempels für Diasporajuden erblickt,345 was sich von den Quellen her jedoch nicht bestätigen lässt. Die ersten Belege für ihre Existenz stammen aus dem 3. Jh. v.Chr., wo sie in zwei ägyptischen Inschriften aus der Zeit von Ptolemäus III. und Ptolemäus IV. in Arsinoe-Crocodilopolis und Alexandrou-Nesos erwähnt werden.346 Neuerdings vertritt L.I. Levine die These, dass ihre Geburtsstunde erst in hellenistischer Zeit geschlagen hat, als die Stadttore als Orte der Gerichtsbarkeit, des Ältestenrates und der politischen Zusammenkünfte aufgrund der Verkehrszunahme ihre ursprünglichen Funktionen verloren und diese sich in ein benachbartes Gebäude verlagerten. Die Ursprünge liegen nach Levine also nicht in einer Krise, sondern in einem städtebaulichen Umbruch in hellenistischer Zeit.347 Auch die Verbreitung der Synagogen im Land Israel liegt im Dunkeln. Sie dürfte wesentlich später erfolgt sein als in der Diaspora, weil die Nähe des Tempels keine dahingehenden Bedürfnisse aufkommen ließ. Hengel vermutet, dass erst mit dem Aufkommen des Pharisäismus und seinem Programm der „Erziehung des ganzen Volkes im Gesetz“ diese innovative Idee der Diaspora auch im Land Israel Verbreitung fand.348 Der unspektakuläre und literarisch nicht kommentierte Auftritt von Synagogen auf der Bühne der antiken Geschichte ist für E. Gruen und S.J.D. Cohen ein Hinweis, dass die Substitutions- und Kompensationstheorien, welche die Synagoge mit einem empfundenen religiösen Defizit aufgrund der Distanz zum Tempel in Verbindung bringen, fehl 343 Vgl. hierzu: HENGEL, Proseuche; SAFRAI, Synagoge; B INDER, Temple Courts, 41– 341; COHEN, Temple; LEVINE, Ancient Synagoge, 42–123; RUNESSON, Ancient Synagoge; CLAUSSEN, Versammlung. 344 SIEGERT, Synagoge, 355.343; vgl. 345: „Hier entwickelte sich das Judentum in Ritus und Lehre weiter und bereitete sich unbewusst auf das Überleben in der kommenden Katastrophe vor. […] Dieser Gottesdienst, von dem in der Tora überhaupt keine Rede ist, ließ das Judentum zur Weltreligion werden. […] Diese Religion konnte in der ganzen Welt ausgeübt werden.“ 345 So die These z.B. bei TCHERIKOVER, Hellenistic Civilization, 125, und FLESHER, Palestinian Synagogues, 28–31. 346 Vgl. CPJ 3 (1964), Nr. 1440, und CPJ 1 (1957), Nr. 129; vgl. HENGEL, Proseuche, 171–181, vgl. COHEN, Temple, 298; sowie GRIFFITHS, Egypt. 347 LEVINE, Synagoge, 26–41; ablehnend dagegen GRUEN, Diaspora, 120. 348 HENGEL, Proseuche, 191; vgl. hierzu neuerdings CLAUSSEN, Versammlung.

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gehen. Sie sehen in den Synagogen schlichte Funktionsbauten, die lediglich den religiösen wie gesellschaftlichen Bedürfnissen einer ethnischen Minderheit in der Diaspora Rechnung tragen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.349

Sowohl jüdische wie pagane Gottes- bzw. Götterverehrung war geprägt von Gaben an die jeweilige Gottheit, und hier spielte das getötete Tier mit seinem Blut die zentrale Rolle. Der unblutige Gottesdienst, welcher den philosophischen Kultkritikern wie z.B. den Pythagoreern immer als Ideal vorschwebte,350 konnte sich weder in der klassischen noch in der hellenistischen Antike durchsetzen. Ausgerechnet in der jüdischen Synagoge fand dieses philosophische Ideal eines tempel-, opfer- und priesterlosen Gottesdienstes seine Realisierung. „Die Situation der Entfremdung vom Zentrum, die der Psalm 137 so sehr beklagt, wurde zum produktiven Stimulus.“351 Neben dem Verzicht auf Tempel, Opfer352, Altar und Priester ist auch der Verzicht auf jegliche sakrale Sphäre signifikant. Die Synagoge war ein Multifunktionsgebäude.353 Der Gottesdienst geschah nicht in einem heiligen Bezirk, sondern in einem profanen Kontext. Er reduzierte sich auf Gebete,354 Schriftlesung und mündlichen Unterricht und konnte auf diese

349

GRUEN, Diaspora, 120ff., ebenso COHEN, Temple, 323: „Neither in second temple nor in rabbinic times did the Jews bestow on the synagogue an ideology which would enable it to ‚competeʻ with the temple in the same way that prayer and Torah study ‚competedʻ with the sacrificial cult.“ Auf die Synagoge wurde auch, soweit wir sehen, niemals eine dem Tempel äquivalente Heiligkeit übertragen. Man konnte eine Synagoge kaufen und wenn sie nicht mehr gebraucht wurde auch wieder verkaufen und sie sogar sogar in ein Badehaus verwandeln. 350 Vgl. SIEGERT, Synagoge, 338. 351 SIEGERT, Synagoge, 341. 352 Lediglich die Gebetszeiten erinnern an die Opferzeiten im Tempel, vgl. Dan 9,21 mit Act 2,15; 3,1; 10,9. 353 Eine Synagoge diente als Lehrhaus, Haus des Gottesdienstes, Archiv, politische Versammlungshalle und Gerichtssaal, vgl. hierzu SAFRAI, Communal Functions. Entsprechend vielfältig sind auch die belegten Bezeichnungen. Neben der üblichen Bezeichnung proseu,ch und etwas seltener sunagw,gh finden sich auch die Begriffe sabbatei/on in Jos Ant 16,164, i``ero,n in 3Makk 2,28, euvcei/on in CPJ 2, Nr. 223 und didaskalei/on in Phil SpecLeg 2,62. 354 So bedeutend die Synagogen als Orte des öffentlichen Gebetes waren, vgl. den Begriff proseu,ch, so wenig war diese Bedeutung von der Tora bzw. der Tradition her vorgegeben; vgl. COHEN, Temple, 302: „Neither Leviticus nor Numbers nor Deuteronomy nor Ezekiel nor the Qumran Temple Scroll nor Philo nor Josephus mentions prayer as an intergral part of the sacrificial cult … Aside from the squeal of the victim and crackle of the fire the act of sacrifice was silent; neither the priest nor the worshipper said anything.“ Wann öffentliche Gebete in die Tempelliturgie Einzug hielten, ist nach wie vor unklar, vgl. dazu COHEN, a.a.O., 303f. Es war letztlich die Synagoge, die zum genuinen Ort öffentlichen jüdischen Gebetes wurde.

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Weise mit den einfachsten Mitteln jederzeit und überall gefeiert werden.355 So wurde aus einem „Kultgeschehen“ ein „Sprachereignis“356, welches dem hellenistischen Bildungsbedürfnis wesentlich stärker entgegen kam als der exklusive Jerusalemer Kult. Erst in späterer Zeit entstanden durch die bauliche Ausrichtung einer Synagoge nach Jerusalem oder nach Osten (in Analogie zum Tempel) und mit der Einrichtung der Tora-Nische, in der die Tora-Rolle aufbewahrt wurde, Erinnerungen an den Tempel und das Allerheiligste. Im Zuge dieser späteren Entwicklung wurde das Herausholen, Aufrollen und Lesen der Tora-Rolle der feierlichste Moment des Gottesdienstes.357 Vor 70 n.Chr. wird von all dem noch nichts erwähnt358 und nichts deutet darauf hin, dass die Synagoge jemals in Konkurrenz zum Tempel konzipiert worden war.359 Ein sühnestiftendes Äquivalent zum Opferkult des Tempels wurde in der Synagoge nie installiert. Sie hatte immer die Funktion der Ergänzung und niemals die der Tempelsubstitution oder -kompensation, was schon die jährlich entrichteten Tempelsteuern und die riesigen Pilgerströme zeigen, die in frühjüdischer Zeit parallel mit der Verbreitung des Synagogeninstituts anwuchsen.360 Auch der Synagogengottesdienst war stets auf den Tempel hin ausgerichtet, niemals gegen ihn.361 Entsprechend genossen die Jerusalemer Priester als Garanten des zentralen jüdischen Kultes auch in der Diaspora höchstes Ansehen. So wenig die Synagoge den Tempel substituieren oder seine räumliche Ferne kompensieren sollte, so wenig wurden die zahlreichen Synagogendienste und -ämter362 als Substitution des priesterlichen Dienstes verstanden.

355 Zum Synagogengottesdienst vgl. die bis heute grundlegenden Studien von ELBOGEN, Gottesdienst; MOORE, Judaism, Bd. I, 281–307, Bd. III, 93–101; SCHÄFER, Gottesdienst, und SALZMANN, Lehren und Ermahnen, 450–459. 356 SIEGERT, Synagoge, 342f. 357 Nach der Zerstörung des Tempels und des Allerheiligsten 70 n.Chr. entwickelte sich eine synagogale Theologie, welche die Gegenwart Gottes im Wort der Tora erkannte und zwar im laut gelesenen und ausgelegten Wort, so SIEGERT, Synagoge, 348. 358 HENGEL, Proseuche, 179. 359 So verzichtete man in der palästinischen Synagoge sogar zunächst auf den Hymnengesang, weil dieser den Tempelsängern in Jerusalem vorbehalten bleiben sollte. Gerade auch der Unterschied zu den Alternativtempeln deutet darauf hin, dass die ägyptische Diaspora das Gebot der Kultzentralisation durch das Synagogeninstitut bewusst respektieren wollte, vgl. HENGEL, Proseuche, 177f.; GRUEN, Diaspora, 120f. 360 Zum Pilgerwesen vgl. SAFRAI, Relations, 191–194; B ARCLAY, Jews, 417–421; W ARDLE, Jerusalem Temple, 23; COHEN, Temple, 301f.323; GRUEN, Diaspora, 246f. 361 Vgl. auch GRUEN, Diaspora, 121: „The two institutions maintained a symbiotic and mutually reinforcing association.“ 362 Vgl. GRUEN, Diaspora, 113f.

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Die Orientierung und Ausrichtung des Diasporajudentums nach Jerusalem wird in vielerlei Quellen bezeugt und war ein elementarer Bestandteil diasporajüdischer Weltsicht.363 Allerdings – auch dies ist zu beachten – impliziert diese Ausrichtung nach Jerusalem bzw. auf das „Heilige Land“ nicht zwingend ein defizitäres Verständnis der eigenen diasporajüdischen Identität.364 Vielmehr scheint die Jerusalemorientierung ein wesentliches Element gewesen zu sein, um jüdisches Leben in der Diaspora nicht nur zu „legitimieren“, sondern in gewissem Sinne auch dem jüdischen Leben in Israel gleichzustellen. Wir finden in den Quellen nirgendwo einen Immigrationsdruck nach Israel. Eine Rückkehr wäre allen Diasporajuden prinzipiell jederzeit möglich gewesen, scheint aber in all den Jahrhunderten vor dem Jüdischen Krieg kein vordringliches Bedürfnis gewesen zu sein. Vielmehr lässt sich das diasporajüdische Lebensgefühl auf die schlichte – und bis in die Gegenwart hinein nicht unbekannte – Formel bringen: „Jerusalemverehrung und -unterstützung – ja, Rückkehr – nein“.365

Dennoch blieb diese an sich durchweg positive, auf Kompatibilität hin ausgerichtete Zuordnung der Synagoge zum Tempel nicht folgenlos für die Rolle der Priester in frühjüdischer Zeit. Zwar gab es auch in der Diaspora jüdische Priester, deren Abstammungs- und Heiratsregister minutiös geführt und nach Jerusalem gesandt wurden,366 aber trotz ihrem hohen, auf Abstammung basierenden Ansehen bei allen Diasporajuden spielten sie im Synagogengottesdienst keine unersetzbare Rolle. In der Mischna ist eine Stelle überliefert, die den Priestern unter dem Stichwort „Sätze, die sie [sc. die Rabbinen] ‚um des Friedens willen‘ sagten“ eine Art „Ehrenprimat“ im Gottesdienst zuweist: „Ein Priester liest als erster und nach ihm ein Levit und nach ihm ein Israelit, um des Friedens willen“ (mGit 5,8). Möglicherweise reflektiert dieser Beleg Auseinandersetzungen, die nach 70 n.Chr. in den Synagogen des Landes Israels oder evtl. auch der Diaspora entstanden. Priester und Leviten könnten aufgrund des Verlustes ihres „Arbeitsplatzes“ und des damit verbundenen Prestiges auf eine entsprechende Rolle in den Synagogengottesdiensten gepocht haben, die ihnen dann „um des Friedens willen“ zugestanden wurde.367 363

Phil LegGai 225.281.288.299.346; Somn 2,246; SpecLeg 1,66–68; Arist 249. GRUEN, Diaspora, 243: „Jews living around the Mediterranean were unapologetic and unembarrassed by their situation. They did not describe themselves as part of a diaspora. They did not suggest that they were cut off from the center, leading a separate, fragmented, and unfulfilled existence.“ 365 Vgl. GRUEN, Diaspora, 234.239f.247.252. Letztlich darf auch die Übersetzung der Septuaginta nicht als ein „Notbehelf“ für rückkehrwillige Diasporajuden betrachtet werden, die bis zum Zeitpunkt ihrer Heimkehr und des Erlernens des Hebräischen ein literarisches Interim in die Hand bekamen, um ihren Glauben nicht zu vergessen. Die Septuaginta muss vielmehr als ein Instrument betrachtet werden, das jüdisches Leben in der hellenistischen Diaspora auf Dauer ermöglichen und stabilisieren sollte. 366 Jos Ap 1,32f. 367 Vgl. hierzu auch den Beitrag von W EISS, Communal Leaders, der anhand der archäologischen Evidenz von Synagogenbauten nach 70 n.Chr. zeigt, dass die Tempelzerstörung für die Priester tatsächlich eine „Wasserscheide“ darstellte. Auch wenn sie aufgrund ihrer Abstammung ein gewisses Sozialprestige behielten, so minimierte sich doch ihre Bedeutung in den folgenden Jahrzehnten, a.a.O, 104: „In all events, even if we 364

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Die religiösen Funktionen übernahmen in der Synagoge neben dem Synagogenvorsteher (avrcisuna,gwgoj) einfache Vorbeter, Vorleser, Übersetzer, Ausleger und Lehrer. Sogar Frauen konnten diese Rollen übernehmen.368 Außer dem Amt des Vorstehers war keines dieser Ämter festgelegt und jedes konnte von Mal zu Mal wechseln. Lediglich der abschließende Segen sollte noch von einem Priester gesprochen werden (vgl. Num 6,23.27).369 Faktisch besetzten damit aber Nicht-Priester zwei traditionelle priesterliche bzw. levitische Kompetenzbereiche, nämlich die der Lehre und der Schriftinterpretation.370 Damit ging unvermeidbar auch ein Verlust von Autorität und Einfluss einher.371 Deshalb konnte der Priesteraristokratie an Synagogengottesdiensten im Heiligen Land eigentlich nicht gelegen were to assume that priests held a specific role in the leadership of the synagoge and contributed to the liturgy performed inside it, it was not because they wanted to restore their ancient status, but rather because they were on a par with the archisynagogoi, ḥazzanim, parnasim, and other men of means who functioned within the community. The priests were only one sector within the larger multifaceted congregation …“ Allerdings weist STEMBERGER, Priestertum, 278–288, darauf hin, dass der priesterliche Einfluss in der Epoche des späteren Rabbinats wieder zunahm. Ab dem 2. Jh. erfreuten sie sich wieder eines wachsenden Ansehens. Über die Gründe für diese überraschende Entwicklung kann jedoch auch STEMBERGER nur spekulieren. 368 Vgl. HORBURY, Women, sowie B ROOTEN, Women Leaders. Die letztgenannte Autorin belegt ihre These mit griechischen und lateinischen Inschriften, in denen jüdische Frauen Titel wie „Haupt der Synagoge“, „Älteste“ oder „Mutter der Synagoge“ tragen. 369 Freilich zeigt die rabbinische Diskussion, dass auch dieses Recht zwar anerkannt, aber seine Bedeutung nicht undiskutiert blieb. In bHulin 49a wird betont, dass der Segen von Gott stammt und nicht vom Priester. WENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 41, versteht diese Diskussionen im Kontext der Bemühungen, den priesterlichen Einfluss nach 70 zu begrenzen: „Hinter den Stellen steht das ängstliche Bemühen, alles fernzuhalten, was irgend an eine Mittlerstellung der Priester erinnern könnte. Auch das Recht der Segenserteilung ist kaum mehr, als ein in der Tora verbrieftes Ehrenrecht. […] Die praktischen Rechte der Priester sind also recht gering. Man erweist ihnen die gebührende Ehre; mitzubestimmen haben sie nur dann, wenn sie selbst zu den Gelehrten gehören.“ 370 Zur späteren rabbinischen Usurpation priesterlicher Rollen und Privilegien vgl. tKer 1,20; bBer 10b; bKet 105b; bNed 62a. 371 H IMMELFARB, Kingdom, 165.169.173; DIES., Priests, 40f.: „Priests retained a certain prestige on the basis of their ancestry, but in the absence of the Temple they had no claim to power“; vgl. auch STEMBERGER, Priestertum, 271–278, und B ARCLAY, Jews, 420: „Few if any aspects of Diapora Jewish life had been governed by Jerusalem priests“. Im Blick auf die Zeit nach 70 n.Chr., die sich im Alltag der Diaspora nicht so sehr von der Zeit vorher unterschied, weist H IMMELFARB, Kingdom, 165, auf einen anderen wichtigen Faktor hin: „[T]he diminution in status of priests meant that their piety or lack of it was no longer a subject of much concern, and thus priests no longer constituted a glaring example of the tension between ancestry and merit.“ Sinnbildlich für den Niedergang des Priestertums und den Aufstieg der Toragelehrsamkeit ist ein Ausspruch Rabbi Meirs, wonach ein Nichtjude, der sich mit der Tora befasst, wie ein Hohepriester ist; bSanh 59a; vgl. bAZ 3a. Die entscheidende Größe ist nun nicht mehr der Tempel oder der Kult, sondern die Tora. Deren Lehrort war aber die Synagoge.

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sein, da auch ein „bloßer“ Wortgottesdienst sich latent zu einer zwar nicht intendierten, aber durch die Lebensmacht des Alltags faktisch existierenden Konkurrenz zum Tempelgottesdienst entwickeln konnte.372 Im Ergebnis waren Priester ebenso wie Tempel, Kult und Opfer in der Diaspora und damit für die weit überwiegende Mehrzahl aller Juden sowohl für den individuellen als auch gemeindlichen Vollzug der Alltagsreligiosität faktisch bedeutungslos trotz aller ideellen Hoch- und Wertschätzung ihres Dienstes im fernen Jerusalem.373 Auch wenn Myriaden von diasporajüdischen Pilgern jährlich zu den großen Wallfahrtsfesten nach Jerusalem reisten, so dürfte trotzdem die Mehrzahl der Diasporajuden niemals in ihrem Leben einen jüdischen (Hohe)Priester bei der Ausübung kultischer Handlungen im Tempel gesehen haben. Für sie war der Jerusalemer Kult Gegenstand der Verehrung, der Identitätsstiftung und der Wertschätzung, die durch die Tempelsteuer auch einen monetären Ausdruck fand, aber eben nicht Gegenstand der Erfahrung. Diese „Lebensmacht“ der räumlichen Distanz zu dem aus reichsrömischer Sicht alles andere als zentralen Jerusalem schuf in der jüdischen Diaspora somit eine tempel-, opfer- und priesterlose Frömmigkeits- und Gottesdienstpraxis für den Glaubensvollzug im Alltag, die dann ab dem 1. Jh. n.Chr. als reichsweit verbreitetes Modell für die jungen christlichen Gemeinden in den Städten Syriens, Kleinasiens, Griechenlands und Roms diente. Und so wie für das Diasporajudentum, anders als für das Judentum in Israel, der Verlust des Tempels und die Zerstörung Jerusalems eine Tragödie, aber keine Katastrophe darstellte, war auch – wie sich noch zeigen wird – für die Diasporajudenchristen in Kleinasien eine Metaphorisierung des Priesterbegriffs leichter möglich als für die Judenchristen in Jerusalem bzw. dem Land Israel. 7.2 Das Priestertum im Werk Philos Das Werk Philos ist für die Fragestellung dieser Untersuchung von besonderem Interesse. Der alexandrinische Theologe und Philosoph zeigt sich nicht nur als ein Kenner der atl. Schriften, sondern auch der zeitgenössischen Verhältnisse am Jerusalemer Tempel und seiner Priesterschaft.374 Er 372

Vgl. hierzu HENGEL/DEINES, Common Judaism, 428f. Vgl. zur Bedeutung der Priester nach 70 n.Chr. KIMELMAN, Priestly Oligarchy, und SCHÄFER, Rabbis and Priests, 170: „… the rabbinic strategy with regard to their priestly predecessors and competitors … aimed to bolster the rabbis' status and power. This was done not by simply ignoring the priests …, but by aggressively eliminating and/or recasting them in the rabbis' own image.“ 374 Die Vermutung von SCHWARTZ, Descent, 155–171, die auf einen Hinweis von Hieronymus, Vir ill 11, zurückgeht, wonach Philo priesterlicher Abstammung gewesen sei, lässt sich kaum erhärten. GUSSMANN, Priesterverständnis, 172, Anm. 559, führt eine Reihe von Gründen an, warum eine priesterliche Abkunft Philos eher unwahrscheinlich 373

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hat mindestens an einer Wallfahrt nach Jerusalem selbst teilgenommen und sein Bruder Alexander hatte als Alabarch von Alexandria den Silber- und Goldschmuck der neun Tore des herodianischen Tempels gestiftet (Bell 5,205). An zahllosen Stellen beschreibt und interpretiert Philo den (hohe)priesterlichen Dienst in all seinen Facetten und Bezügen im Literalsinn,375 wobei er v.a. die mediatorische Funktion hervorhebt.376 Er bietet somit die ausführlichste zeitgenössische Beschreibung des Jerusalemer Kultes aus der Perspektive eines Diasporajuden. Sein Bild von den historischen Institutionen des Tempels, Kultes und Priesterdienstes ist durchweg positiv gestimmt und von einer großen Loyalität gegenüber der jüdischen Gemeinschaft und ihren Institutionen, Normen und Werten geprägt. Allerdings gründet Philos Wertschätzung des Tempels und des Kultes vor allem auf deren politischer Bedeutung für das Judentum seiner Zeit und auf ihrer „seelsorgerlichen Bedeutung“ für die weniger gebildeten Juden, die Philos spiritualisierender Sichtweise nicht folgen konnten.377 Auf der Basis dieser uneingeschränkt positiven Grundhaltung zu den besagten Institutionen kann Philo der Welt des Kultes, des Tempels, der Priesterschaft und hier v.a. der Person des Hohepriesters378 mittels seiner allegorisierenden, moralisierenden und spiritualisierenden Auslegung eine Fülle neuer Bedeutungsaspekte entnehmen, die für diesen platonischen Philosophen im Mantel eines jüdischen Schriftgelehrten den eigentlichen ist: (1) Josephus, Ant 18,259f., stellt Philo als Leiter der Gesandtschaft an Gaius vor, erwähnt eine priesterliche Abkunft aber mit keinem Wort, was im Falle der Richtigkeit des Sachverhalts ungewöhnlich für den stolzen Priester Josephus gewesen wäre. (2) Die von Philo ausgiebig zitierten Priestertraditionen (Sündlosigkeit des Hohepriesters, besondere Heiratsregeln) stellen kein Insiderwissen dar, sondern waren Allgemeingut unter den Schriftgelehrten, wie Philo einer war. (3) Die Schilderung der kultischen Traditionen erfolgt immer aus einer Außenperspektive, nicht aus einer Innenansicht. (4) Auch von einer sadduzäischen Identität oder Theologie ist bei Philo nichts zu spüren. 375 Vgl. Ebr 65–77; SpecLeg 1,66–119 u.ö.; vgl. LAPORTE, High Priest, 71–73; LEONHARDT-B ALZER , Priests, 127–144. 376 LEONHARDT-B ALZER, Priests, 127f.139f. Der Priester soll eine Mittelstellung zwischen Gott und Mensch einnehmen, „damit die Menschen durch einen Mittler die Gnade Gottes erflehen, Gott aber die Gaben seiner Gunst durch einen Diener dem Menschen reichen und übermitteln könne“, SpecLeg 1,116, Übersetzung nach I. HEINEMANN, Werke Bd. II; vgl. auch SpecLeg 1,244; Mos 1,216; 2,5.134. Entsprechend ist im Literalsinn die wichtigste Aufgabe des Hohepriesters der Sühnevollzug am Yom-Kippur, LAPORTE, High Priest, 81. 377 T UVAL, Paradigms, 190–192.238; MARTIN, School of Virtue. 378 Die Tatsache, dass in Philos Werken v.a. der Hohepriester, d.h. Aaron, und die Leviten im Mittelpunkt stehen, während die gewöhnlichen Priester kaum Erwähnung finden, hängt mit der Fokussierung Philos auf die narrativen Texte der Tora zusammen, während die Gesetzestexte eher in den Hintergrund treten, vgl. HIMMELFARB, Kingdom, 146.

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Sinn dieser Texte und der dort beschriebenen kultischen Realien darstellen. Sein Programm einer Spiritualisierung des Tempels, des Hohepriesters und der Kultvollzüge interpretiert diese als eine Art Bilderbuch sowohl für die kosmischen Prozesse des Universums als auch für die inneren Vorgänge in der Seele. Dieses Konzept ist an ein bestimmtes Weltbild bzw. an eine kosmologische Theorie gebunden, die zum hermeneutischen Prinzip seiner Interpretation wird. Im Folgenden soll dieses Programm an Philos Interpretationen des priesterlichen und v.a. des hohepriesterlichen Dienstes dargestellt werden.379 Für das bei Philo zu beobachtende Phänomen der Übertragung von Kultbegriffen auf ethische, seelische oder geistige Prozesse erscheint der Begriff der „Spiritualisierung“, anders als im Alten und Neuen Testament tatsächlich adäquat, denn hier findet eine deutliche Ablösung des Begriffs von seinem ursprünglichen Bedeutungsbereich statt. Philo geht es darum, mit Hilfe der Allegorese seinen Lesern die Bedeutung der Tora als Entsprechung zur hellenistischen, vor allem platonischen und stoischen Philosophie zu erweisen. Auf diesem Weg verliert der Jerusalemer Kult als reales Konkretum letztlich seine Bedeutung. Er scheint nur noch als Bild- und Begriffsspender für mikro- oder makrokosmische Zusammenhänge zu dienen, die im Rahmen der hellenistischen Philosophie mit einer völlig anderen Terminologie expliziert werden. Es geht nicht darum, dass Erfahrungen mithilfe eines bildspendenden Bereichs, der an bereits Bekanntes erinnert, kategorisiert und neu konzeptualisiert werden, sondern um die allegorische Erschließung einer neuen, bereits konzeptualisierten Bedeutungsebene des vorgegebenen Textes, die dieser in seinem Literalsinn so nicht besitzt. Dabei droht – wie sich noch zeigen wird –, anders als in der aristotelischen Metaphernkonzeption, das bildspendende Konkretum, also der Jerusalemer Kult, zum „Uneigentlichen“ und „Symbolischen“ reduziert zu werden, während der bildempfangende Bereich des Inneren, Seelischen und Immateriellen als die eigentliche Wirklichkeit präsentiert wird.

7.2.1 Moralisierung Der in der Tora formulierte Anspruch kultischer Reinheit wird bei Philo häufig allegorisch in moralische Kategorien verwandelt.380 So wird beispielsweise die Bedingung der körperlichen Unversehrtheit (Lev 21,16–20) von ihm als ein Symbol für die seelische Vollkommenheit und Gottesebenbildlichkeit des Priesters verstanden.381 Insbesondere der Hohepriester wird durchaus im Einklang mit dem zeitgenössischen Judentum als der ideale und paradiesische Mensch im Blick auf Kraft, Heiligkeit und „Gottgemäßheit“ vorgestellt, wobei diese Kategorien von Philo moralisch im Sinne von Tugendhaftigkeit verstanden werden: Die richtige Gesinnung

379 Ausführliche Darstellungen finden sich bei LAPORTE, High Priest, 71–82; HOSSFELD/SCHÖLLGEN, Art. Hoherpriester, 19–23; GUSSMANN, Priesterverständnis, 171– 181, und LEONHARDT-B ALZER, Priests, 127–153. 380 SpecLeg 1,63; 3,205–209; Ebr 66. 381 SpecLeg 1,80f.; Mos 2,138.

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und eine moralische Lebensführung gehören zum Schmuck der hohepriesterlichen Existenz.382 Unter der Hand entwickelt sich auf diesem Wege die Forderung nach einer makellosen kultischen Verfassung des Amtsträgers, wie z.B. körperlicher Unversehrtheit und korrekter Abstammung, auf die der einzelne Priester keinen Einfluss hat, zur Forderung nach einem moralischen Entwicklungs- bzw. Bildungsprozess, was in dieser Weise dem priesterlichen Amt in seiner tradierten Form eigentlich fremd ist. Entsprechend treten die kultischen und genealogischen gegenüber den moralisch-ethischen Voraussetzungen, Eigenschaften und Tugenden des idealen Priesters in den Hintergrund. 7.2.2 Spiritualisierung Vor allem die Gestalt des Hohepriesters erfährt in Philos Werken eine spiritualisierte Überhöhung. Dies beginnt schon mit dem Vergleich der außerordentlich hohen Anforderungen an die hohepriesterliche Reinheit mit der stoischen Affektenlehre. Das Verbot, selbst im Trauerfall den Tempel zu verlassen, um den Tod der eigenen Frau oder der eigenen Eltern zu betrauern, wird von Philo nicht mehr mit den Anforderungen kultischer Reinheit, sondern mit dem stoischen Ideal der emotionalen Affektlosigkeit in Beziehung gesetzt.383 Weiter unternimmt Philo eine gewagte Deutung des hohepriesterlichen Agierens im Allerheiligsten am Yom-Kippur. Wenn der Hohepriester in das Allerheiligste tritt, um als Rauchopfer die heiligen Tugenden darzubringen, dann ist er nicht mehr Mensch, aber auch nicht Gott, sondern eine Art Mittelwesen zwischen Gott und Mensch, ein „Diener Gottes, nach seinem sterblichen Teil der Schöpfung, nach seinem unsterblichen Teil dem Schöpfer verwandt“ (Somn 2,230ff.).384 Der Hohepriester wird hier zum idealen, integren, vollkommenen und gottähnlichen Menschen am idealen Ort der Präsenz Gottes. Eine Spiritualisierung findet auch dort statt, wo Philo die Figur des Hohepriesters mit der Logosspekulation verbindet385 und dabei die priesterlichen Handlungen und Vorgänge im Tempel sowohl als kosmologische wie als innerseelische Prozesse deutet: „Zwei Tempel Gottes gibt es nämlich offenbar: der eine ist diese unsere Welt, in der es auch einen Hohenpriester gibt, seinen erstgeborenen göttlichen Logos, der andere ist die 382

SpecLeg 3,135. SpecLeg 1,115f. 384 Zu dieser Mittelstellung zwischen Gott und Mensch vgl. auch SpecLeg 1,116; Somn 2,188f.231–233; Mos 2,134; Her 84. Nach Her 205f. ist er in seiner Mittlerstellung ein Fürsprecher der Sterblichen und zugleich ein Bote Gottes an die Menschen. Ähnliche mediatorische Eigenschaften billigt Philo auch dem (stoischen) Weisen zu, vgl. Somn 2,230f. 385 Vgl. dazu LAPORTE, High Priest, 71.75 383

7 Das Diasporajudentum und das Priestertum

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vernünftige Seele, deren Priester der wahre Mensch ist, dessen sinnlich wahrnehmbares Abbild jener Priester ist, der die von den Vätern übernommenen Gebete und Opfer vollzieht und dem befohlen ist, das erwähnte Gewand anzuziehen, welches das Abbild des ganzen Himmels ist, auf daß mitfeiere die ganze Welt mit dem Menschen und der Mensch mit dem All“ (Somn 1,215).386

Der Hohepriester wirkt hier als irdische Entsprechung des himmlischen Logos, sowohl im menschlichen Mikrokosmos als auch im Makrokosmos der Welt und des Universums.387 Während sich die makrokosmische Deutung des Hohepriesters als irdischem Repräsentanten des himmlischen Logos an die Auslegung des hohepriesterlichen Gewandes mit seinen kosmischen Symbolen anlehnt, durch das dem Universum eine Partizipation am Tempelkult ermöglicht wird,388 geht die mikrokosmische Deutung auf eine mystische Interpretation des hohepriesterlichen Opfer- und Gebetsdienstes im Allerheiligsten zurück.389 Die priesterlichen Handlungen werden dabei zu Abbildern innerseelischer Vorgänge390 und der Priester im hohepriesterlichen Ornat ist eine Art Archetyp des „wahren Menschen“, der im inneren Tempel der Seele in reiner Gesinnung seinen Dienst am „unvergänglichen Sein“ verrichtet.391 Der göttliche Logos bzw. der menschliche Hohepriester opfern hier letztlich sich selbst als ein geistliches Opfer: „Wer ist nun Gottes Mundschenk? Der die Trankopfer darbringende, der wahrhaft große Hohepriester, der den Zutrunk der ewig strömenden Gnadengaben annimmt und als Gegenleistung, indem er die ganze Schale des berauschenden Trankes vollgießt, sich selbst darbringt“ (Somn 2,183).392 386

Übersetzung nach M. ADLER, Werke Bd. IV. LEONHARDT-B ALZER, Priests, 142f.: „The high priest can do this because he is the visible representative of the ‚true man‘, while the heavenly Logos is the invisible representative of the material world. Thus the high priest is the earthly counterpart of the heavenly Logos, the one representing the idea of the true man to the material world, the other representing the material world in the ideas.“ 388 HIMMELFARB, Kingdom, 147. Nach Fug 108–110 hat der hohepriesterliche Logos Gott, den Vater des Alls, zum Vater, und die Weisheit, durch die das All entstanden ist, zur Mutter. 389 Somn 1,215; vgl. Ebr 144.152; Somn 2,183.249; LAPORTE, High Priest, 74–76; LEONHARDT-B ALZER, Priests, 142f. 390 Vgl. SpecLeg 1,205. 391 GUSSMANN, Priesterverständnis, 178; vgl. Somn 2,183.249; vgl. 2,77. In Imm 134f. vergleicht Philo den Priester allgemein mit dem überführenden Gewissen: „Wenn aber der wahre Priester, das uns überführende Gewissen, in uns eingeht wie ein ganz reiner Lichtstrahl, dann erkennen wir (erst) die in uns liegenden, der Seele nicht frommenden Willensregungen und die tadelnswerten und Vorwurf verdienenden Taten, die wir aus Unkenntnis des (uns) Zuträglichen unternahmen. Das alles macht nun der priesterliche Überführer unrein und befiehlt, dass es ausgeräumt und herausgenommen werde, damit er das Haus der Seele selbst rein sehe und die Krankheiten heile, die etwa in ihm stecken“, Übersetzung nach H. LEISEGANG, Werke Bd. IV. 392 Übersetzung nach M. ADLER, Werke Bd. IV. 387

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

Als eine Konsequenz dieser allegorischen Spiritualisierung behauptet Philo dann auch die Sündlosigkeit des Hohepriesters. Die Opfer, die der Hohepriester nach Lev 4 für die bewussten und unbewussten Sünden darbringen muss, können nach Philo nicht für seine eigenen Sünden bestimmt sein, sondern lediglich für die des Volkes, die er stellvertretend zu tragen hat. Er selbst ist und bleibt sünd- und fehlerlos.393 7.2.3 Universalisierung Aufgrund der kosmischen Bildwelt mit den Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer, die auf dem hohepriesterlichen Gewand zu sehen ist, repräsentiert der Hohepriester nach Philo die Schöpfung und Welt vor Gott. Im hohepriesterlichen Gewand tritt somit der Kosmos abbildhaft ins Allerheiligste.394 Entsprechend vertritt der Hohepriester mehr als nur das Volk Israel, sogar mehr als nur die Menschheit. Er ist Stellvertreter des Kosmos und bittet für ihn: „[D]ie Priester der anderen Völker pflegen nur für ihre Angehörigen, Freunde und Mitbürger die Gebete und Opfer zu verrichten, der jüdische Hohepriester dagegen spricht seine Bitt- und Dankgebete nicht nur für das ganze Menschengeschlecht, sondern auch für die Teile der Natur, Erde, Wasser, Luft und Feuer; denn die ganze Welt betrachtet er als Vaterland, wie sie es ja auch in Wirklichkeit ist“ (SpecLeg 1,97).395

Indem der Priester im hohepriesterlichen Gewand den Kosmos „trägt“, verändert er sich selbst von einer menschlichen in eine kosmische Natur und wird so selbst zu einem kleinen Kosmos396 und zu einem mediatorischen Wesen sui generis, das nicht nur Sühne für Israel schafft, sondern letztlich kosmische Bedeutung hat.397 Ähnlich wie in Sir 45,7–12; 50,5–11 und Arist 96–99 wird der Hohepriester somit konsequenterweise zu einer außerweltlichen Natur und Erscheinung. 7.2.4 Sozialisierung Für Philo ist die jüdische Nation für die bewohnte Welt das, was der Priester für die po,lij ist. Diese priesterliche Funktion hat Israel, „da es körperlich und geistig in jeder Weise gereinigt und geweiht ist durch die Anwei393

Die Heiligkeit des Hohepriesters wird letztlich so absolut verstanden, dass Philo den Gedanken einer bewussten Sünde bzw. Verunreinigung des Hohepriesters negieren muss, vgl. SpecLeg 1,229f.; Somn 2,185; Fug 117f., sowie QE 1,10; 2,105 und LAPORTE, High Priest, 72f. 394 Mos 2,133–135; Fug 110; SpecLeg 4,69. 395 Übersetzung nach I. HEINEMANN, Werke Bd. II. Vgl. LEONHARDT-B ALZER, Priests, 144: „On the basis of Spec. 1.97 and Virt. 120, it can be assumed that for Philo the success or failure of the people’s progress in virtue is the object of the high priestly prayer.“ 396 Mos 2,134f.; vgl. SpecLeg 1,116; Somn 2,185–189. 397 SpecLeg 1,114–116; vgl. LEONHARDT-B ALZER, Priests, 139: „Thus for Philo the high priest respresents the entirety of the worship in the Jerusalem Temple.“

7 Das Diasporajudentum und das Priestertum

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sungen des göttlichen Gesetzes …“ (SpecLeg 2,163; vgl. Migr 93).398 In diesem Sinne kann Philo an zahlreichen Stellen auf eine priesterliche Rolle ganz Israels verweisen. So begründet er ausgehend vom Passaopfer, dem einzigen Opfer der Tora, das von den Sippenvätern dargebracht und von allen Israeliten verzehrt wurde, das Priestertum aller Israeliten, weil „nach Vorschrift des Gesetzes das gesamte Volk Priesterdienst tut, indem jeder einzelne das für ihn bestimmte Opfer herbeiführt und mit eigener Hand die Opferhandlung vollzieht“ (Mos 2,224).399 Die priesterliche Identität jedes Juden wird hier mit seinem Recht, sich selbst zu reinigen und mit eigener Hand Opfer darzubringen, begründet.400 Dass der Bericht der Tora an dieser Stelle noch gar keine israelitischen Priester kennt, ist für Philos Deutung unerheblich. Ähnlich argumentiert Philo wieder mit Verweis auf das Dankopfer nach dem Durchzug durch das Schilfmeer, dass vor der Einsetzung des Priestertums alle Israeliten als Priester agiert hätten: „Er [sc. Gott] hielt es für gerecht und passend, dass bevor er besondere Priester erwählte, er dem gesamten Volk das Priestertum gewährte, damit der Teil durch das Ganze geschmückt werde … Und auch damit das Volk ein archetypisches Beispiel sei für die Tempelhüter und Priester und jene, die das Hohepriestertum und heilige Riten ausüben.“ (QE 1,10)

Das Volk wird als Archetypus für das Priestertum definiert, weil es nicht nur chronologisch, sondern auch ontologisch vor dem levitischen Priestertum und auch dem Hohepriestertum existierte.401 Noch weitergehend kann Philo das Priestertum Israels als einen Priesterdienst für die gesamte Menschheit deuten, denn Israel ist ein Volk, „das vor allen anderen bevorzugt zum Priesterdienste bestimmt war, das für das Menschengeschlecht stets Gebete verrichten sollte, sowohl für die Abwendung von Übeln als auch für den Genuss des Guten“ (Mos 1,149; vgl. SpecLeg 2,167f.).402 Zwar wird Ex 19,6 nirgendwo explizit erwähnt, aber Philo interpretiert in diesen Belegen die Exodusformel durchaus im Sinne 398

Übersetzung nach I. HEINEMANN, Werke Bd. II. Übersetzung nach B. B ADT, Werke Bd. I. 400 Vgl. auch SpecLeg 2,145–148. Hier verweist Philo neben der priesterlichen Opferung der Passalämmer durch ganz Israel auch auf die allegorische Deutung des Passaopfers, das er ausgehend vom Begriff ta. diabath,ria als eine Reinigung der Seele (yuch/j kaqa,rsij) und eine „Überquerung“ der Leidenschaften (tw/n paqw/n dia,basij) versteht, vgl. LEONHARDT-B ALZER, Priests, 144f. 401 HIMMELFARB, Kingdom, 159. 402 Vgl. auch SpecLeg 2,163 : „[W]as für den Staat der Priester, das ist das Volk der Juden für die ganze bewohnte Erde. Denn es nimmt, wenn ich die Wahrheit sagen soll, Priesterrang ein, da es körperlich und geistig in jeder Weise gereinigt und geweiht ist durch die Anweisungen des göttlichen Gesetzes“; Übersetzung nach I. HEINEMANN, Werke Bd. II; vgl. auch SpecLeg 1,96f.; Mos 2,134; Op 143–146; Somn 1,243; Her 199f. 399

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eines funktionalen Priestertums Israels für die Welt: In derselben Weise wie der Hohepriester für das jüdische Volk Fürbitte tut, bittet das jüdische Volk für die Welt. Generell kann Philo die Anbetung, den Dank und Lobpreis und die Fürbitte als priesterliche Handlungen verstehen, weil derjenige, „der nach diesen Gesetzen lebt, als Priester, ja, als Hoherpriester vor dem Richterstuhle der Wahrheit gelten darf“ (SpecLeg 2,164).403 Hier wird die priesterliche Identität mit der Tugendhaftigkeit begründet. Die Juden sind Priester, weil sie die Tora lesen, die sie zu einem tugendhaften Leben führt und sie in der Ehrfurcht vor Gott bewahrt. J. Leonhardt-Balzer macht darauf aufmerksam, dass Philo hier den Repräsentationsgedanken umdreht: „… if the priests represent the people at their purest, the people, if they are pure, can be priests.“404 Gleichzeitig machen die Belege deutlich, dass Philo nicht an einer Infragestellung der Institution des hereditär legitimierten Priestertums im innerjüdischen Verhältnis interessiert ist. Vielmehr ist bei Philo das Allgemeine Priestertum des jüdischen Volkes an den vollkommenen Gottesdienst jedes Einzelnen in geistiger, seelischer und leiblicher Hinsicht geknüpft. 7.2.5 Spiritualisierung und Universalisierung des Tempels Philo gelingt es mit Hilfe der Universalisierung einerseits und der Spiritualisierung andererseits dem spannungsvollen Verhältnis zwischen der auf Lokalität ausgerichteten atl. Shekhina-Tradition, dem adaptiv-universalistischen Denken des Diasporajudentums und auch dem spiritualisierenden Moment hellenistischer Philosophie eine Tempeltheologie zu entwerfen, die am physischen Tempel in Jerusalem festhält, ihn aber gleichzeitig abstrahiert und transzendiert. Trotz aller allegorischen und spiritualisierenden Denkformen kommt es nie zu einer Negation des vorfindlichen Kultes, der Opfer oder des Jerusalemer Tempels.405 So kann Philo in SpecLeg 1,67 Jerusalem einerseits als den einzigen designierten und legitimierten Platz für den Tempel, den er als Pilger selbst besucht hat (vgl. Prov 2,64), proklamieren, obwohl er andererseits unmittelbar zuvor das gesamte Universum als den heiligen Tempel Gottes bezeichnet (SpecLeg 1,66), zu dem der mit Händen gemachte Tempel lediglich das irdische, sozusagen mikrokosmische Gegenstück ist: „Als das höchste und wahrhafte Heiligtum der Gottheit ist das ganze Weltall zu betrachten, das zum Tempelraum den heiligsten Bestandteil der Welt, den Himmel, hat, dessen 403

Übersetzung nach I. HEINEMANN, Werke Bd. II. LEONHARDT-B ALZER, Priests, 152. 405 KLAWANS, Purity, 117, der von einem „interplay of practical and symbolic explanations“ spricht. 404

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Weihgeschenke die Sterne, dessen Priester die Unterdiener der göttlichen Kräfte, die Engel, sind, körperlose Seelenwesen, nicht wie unsere Seelen Mischungen aus vernünftiger und unvernünftiger Natur, sondern ganz bar des vernunftlosen Teils, vollkommen von Vernunft erfüllt, reine, der höchsten Einheit gleichkommende Verstandeswesen. Ausserdem gibt es ein von Menschenhand erbautes (Heiligtum); denn der Drang der Menschen, die zu frommen Zwecken beitragen und durch Opfer der Gottheit ihren Dank für das Gute, das sie betroffen, aussprechen oder für ihre Sünden Verzeihung und Vergebung erbitten wollen, durfte in seiner Bestätigung nicht gehemmt werden“ (SpecLeg 1,66f.; vgl. VitMos 2,71–145).406

Philo verbindet auf diese Weise „tempeltheologische Aussagen mit Aspekten einer aufgeklärten Religion […], ohne dabei jedoch durchgängig das Gebäude und den an ihm praktizierten Kult, selbst den Opferkult, grundsätzlich abzulehnen.“407 Mit Hilfe seiner spiritualisierenden Hermeneutik kann er auch die Seele auffordern, „Gottes Haus zu werden, ein heiliger Tempel, sein schönster Aufenthalt“ (Phil Somn 1,149; vgl. Sobr 62), um wenig später den Tempel des Universums als Entsprechung zum Tempel der individuellen Seele zu bezeichnen (Somn 1,215).408 Dabei wird die Integrität des Jerusalemer Tempels aus Philos Sicht in keiner Weise tangiert. Inwiefern die Bedeutung desselben aber dennoch unterschwellig unterminiert wird, wird noch zu klären sein. 7.2.6 Ergebnis Mit der allegorisch-moralisch-spiritualisierenden Deutung des atl. Priestertums bei Philo begegnen wir zum ersten Mal einer umfassenden, bewussten und konsequenten Abstrahierung dieser Institution von ihrem historischen Vorbild. Philo unternimmt im Geiste Platons das für das zeitgenössische Judentum kühne Projekt, die Person des Priesters als Abbild makround mikrokosmischer bzw. seelischer Vorgänge heranzuziehen. Dabei verlässt er bewusst den eng gesteckten atl. Deutungsrahmen und kommt zu gewagten Formulierungen, sowohl hinsichtlich der Überhöhung des Hohepriesters als auch des Allgemeinen Priestertums der Israeliten. Mit der gewaltigen Projektion sowohl des Hohepriesters als Repräsentant des Uni-

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Übersetzung nach I. HEINEMANN, Werke Bd. II; vgl. auch HOGETERP, God’s Temple, 29; KLAWANS, Purity, 118. Ähnliche allegorische Deutungen auf den Kosmos finden sich bei Philo ebenso wie bei Josephus im Blick auf die priesterlichen Gewänder, für die er ebenfalls eine kosmische Deutung bietet, SpecLeg 1,82–97, die Schaubrote, SpecLeg 1,172, und die verschiedenen Tempelteile, Mos 2,101–103; vgl. auch Mos 2,98. In der siebenarmigen Menora sieht Philo die sieben Himmelslichter – fünf Planeten, Sonne und Mond – symbolisiert, Her 221–225; Mos 2,102–105; Quaest Ex 2,73–81; vgl. ClemAl Strom 5,6,34f. 407 HORN, Paulus und der Herodianische Tempel, 193. 408 Gelegentlich kann Philo analog zur Seele auch die Vernunft als Tempel Gottes identifizieren; vgl. Somn 2,251; Praem 123.

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versums sowie des Tempels als Abbild des Kosmos wird den Priestern die Rolle der Hüter des Kosmos bzw. des Universums übertragen.409 In diesem Zusammenhang entfaltet Philo mit seiner spiritualisierenden Hermeneutik Sachverhalte, die in den biblischen Texten zwar implizit enthalten sind, aber niemals explizit zum Ausdruck gebracht werden. Vor allem die Gestalt des Hohepriesters wird von Philo als der ideale, integre, vollkommene und gottähnliche Mensch am idealen Ort der Präsenz Gottes präsentiert. Indem er für ihn den Anspruch der Sündlosigkeit reklamiert, betrachtet er den Hohepriester faktisch als die Restitution des paradiesischen Menschen und damit als Ziel und Inbegriff der Vollkommenheit und Ganzheit. Freilich erlangt der (Hohe)Priester diesen Status bei Philo weniger durch die Erfüllung der Vorbedingungen für den priesterlichen Dienst (priesterliche Abstammung, körperliche Unversehrtheit, korrekte Eheverhältnisse), die Präparation im Rahmen des kultischen Heiligungsvorgangs oder der Anlegung des priesterlichen Ornats, als vielmehr durch einen moralischen und tugendhaften Lebenswandel. Mit seiner allegorischen, moralischen und spiritualisierenden Deutung der atl. Priestergesetze gelingt es Philo einerseits, seinen gebildeten jüdischen Zeitgenossen in der alexandrinischen Diaspora die Bedeutung der Priestertora für das Leben in der Ferne vom Jerusalemer Tempel zu erschließen.410 Andererseits stellt Laporte die berechtigte Frage, ob mit der allegorischen Spiritualisierung, Moralisierung und Universalisierung des Hohepriestertums und der Sozialisierung des Priestertums im Sinne eines Priestertums aller Israeliten nicht die priesterliche Heilsinstitution und -vermittlung im Jerusalemer Tempel stillschweigend durch eine soteriologische Alternative jenseits des priesterlichen Opferrituals unterhöhlt wird.411 Zieht man ferner in Betracht, dass nach Philos Überzeugung Gott nichts vom Menschen bedarf, und er die Vorstellung, dass Menschen Gott ein Haus bauen könnten, für Blasphemie412 und den Gedanken, der Mensch könne Gott im Kult einen Dienst erweisen, für naiv hält, dann verlieren die 409

KLAWANS, Purity, 123, spricht von „angelic caretakers“. Nach GUSSMANN, Priesterverständnis, 162, kann Philo „mithilfe der symbolischen und allegorischen Interpretation [...] die lokale Distanz der alexandrinischen Juden zum Jerusalemer Tempel und seinem dortigen Priestertum bewältigen.“ 411 LAPORTE, High Priest, 71; vgl. dagegen KLAWANS, Purity, 116–123, der diese Frage streng verneinen würde. 412 Cher 99f.: „Wenn wir im Begriff König aufzunehmen unsere Wohnungen glänzender herrichten … und darauf bedacht sind, dass der Aufenthalt möglichst angenehm und in angemessen würdiger Weise sich für sie gestalte, wie müssen wir erst das Haus einrichten für Gott, den König der Könige und Allherrscher …? Etwa aus Steinen oder einer Holzmasse? Fern sei dieser Gedanke, den nur auszusprechen schon Sünde ist. […] als würdige Behausung ist nur die Seele geeignet“; Übersetzung nach I. HEINEMANN, Werke Bd. III. 410

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äußeren Kultvollzüge in der Tat ihre eigenständige Bedeutung. Durch die platonisch-konstruktivistische Grundanlage der philonischen Hermeneutik werden faktisch exakt jene identitätsstiftenden Realien unterminiert, die vordergründig gelobt und gepriesen werden. Letztlich behalten Priester und Tempel behalten lediglich eine symbolische Funktion für die Erkenntnis ihres eigentlichen Sinngehalts,413 eine politische Funktion für das Judentum als ethnische Größe und eine seelsorgerliche Funktion für den o;cloj, der nicht in der Lage ist, sich in die intellektuellen und spirituellen Sphären eines Philo aufzuschwingen.414 Eine unaufgebbare Relevanz für das diasporajüdische „Sein vor Gott“ und die heilvolle Existenz in der Welt haben sie aber nicht mehr. Wir stehen somit bei Philo vor dem gewagtesten Entwurf frühjüdischer Kulttheologie, der zumindest die Möglichkeit eines vollständigen Verzichts auf den realen Jerusalemer Kultvollzug impliziert.

8 Ergebnis 8 Ergebnis

(1) Der umfassende Überblick über die verschiedenen Strömungen des Frühjudentums und ihrer Sicht auf die Institution des Priestertums konfrontiert den Betrachter zunächst einmal mit einem überwältigenden Eindruck der Heterogenität. Die Disparatheit der theologischen Perspektiven und die Vielgestaltigkeit der soziologischen und politischen Kontexte, in denen jüdisches Leben in der Zeit des zweiten Tempels stattfand, reflektieren sich auch in den Wahrnehmungen der Jerusalemer Priester und ihres Dienstes. Auf den ersten Blick ist es so überraschend wie irritierend, dass alle beschriebenen Gruppen und Stimmen sich auf ein und dieselbe Institution beziehen – so bunt erscheinen die Perspektiven und Wahrnehmungen. (2) Erst auf den zweiten Blick wird in diesem polyphonen Chor doch ein gewisser cantus firmus hörbar. So disparat, gegensätzlich und kritisch die einzelnen Stimmen auch sein mögen, so sehr vermitteln alle – abgesehen vom Sadduzäismus – einen Eindruck der Mangelhaftigkeit und Unzulänglichkeit oder zumindest des Niedergangs und der Begrenztheit des Priestertums in frühjüdischer Zeit. Dabei verwirft keine dieser Gruppen und Stimmen die Institution des Priestertums an sich. Selbst die Gründer des Alternativtempels in Leontopolis und auch die Gemeinschaft, die sich in den Qumranschriften ausdrückt, beziehen sich mit ihrer Abkehr vom Jerusalemer Tempel und ihrer Kritik am vorfindlichen Jerusalemer Kult durch ein alternatives Heiligtum bzw. einer alternativen Priesterschaft eben auch auf diese Institutionen. Ihre Substitution des Jerusalemer Kultes be413 414

STRACK, Terminologie, 383f. T UVAL, Paradigms, 190f., mit Verweis auf MARTIN, School of Virtue, 250f.

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durfte einer eindringlichen theologischen Reflexion, und auch der kritischste Leser dieser Schriften wird hochachtungsvoll den Ernst und die Akribie bestaunen, mit welcher der yaḥad seine Abwendung vom Jerusalemer Kult und Hinwendung zu einem alternativen Kult, der in einem Heiligtum aus Menschen vollzogen wurde, durchdacht und entwickelt hat. Dabei sticht in beiden Fällen gerade nicht die Beziehungslosigkeit zum Jerusalemer Kult ins Auge, sondern vielmehr die minutiöse Bezogenheit aller Elemente auf den idealen Kult, der eigentlich in Jerusalem stattfinden sollte, aber nun aufgrund des defizitären status quo für die Oniaden wie für den yaḥad zu einem eschatologischen Hoffnungsgut geworden ist. (3) Bildlich gesprochen auf der gegenüberliegenden Seite der Qumranschriften kommt der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus zu stehen. Selbst ein Priester, sieht er es als seine historiographische Aufgabe, nicht nur das Volk der Juden, sondern im besonderen Maße auch seinen priesterlichen Stand vor seinem römischen Leserpublikum zu rehabilitieren. Folglich zeichnet Josephus ein idealisierendes Bild des Priestertums, als dessen herausragende Protagonisten er neben dem Ur-Priester Aaron die Hasmonäer, v.a. Johannes Hyrkan I., präsentiert, von deren Linie er mütterlicherseits abstammte. Doch auch Priester-Propheten wie Jeremia und Ezechiel stehen in seiner Darstellung aufgrund der Verbindung von prophetischem Charisma mit priesterlicher Identität, die Josephus ebenfalls für sich selbst beanspruchte, in hohem Ansehen. Doch bei allem Bemühen, das Priestertum als ehrwürdige Aristokratie des jüdischen Volkes zu präsentieren, musste Josephus in Anbetracht der Katastrophe der Tempelzerstörung und des unrühmlichen Endes der jüdischen Nation erklären, wie es unter der innenpolitischen Führungsrolle dieser Instanz dazu hatte kommen können. Deshalb geißelt er scharf den Verfall des (Hohe)Priestertums und die unwürdigen Zustände in den beiden Jahrhunderten vor dem Jüdischen Krieg. Nicht das Priestertum an sich, sondern eine Degeneration der hohepriesterlichen Amtsträger in den letzten Jahrhunderten der jüdischen Nation macht er neben den sich radikalisierenden Zeloten für diese Tragödie verantwortlich. (4) Fern jeder idealisierenden Überhöhung war die höchst realistische Wahrnehmung sowohl der Jerusalemer Priesterschaft und ihrer Aufgabe, als auch der Situation vor dem Jüdischen Krieg durch die Sadduzäer. Ihr realpolitisches Gespür für das Machbare, ihre Offenheit für hellenistische Einflüsse bei einem gleichzeitig höchst konservativen Interesse an der Bewahrung des status quo und der Sicherung von Nation, Tempel, Priestertum und damit auch der eigenen Privilegien, ließ sie zu den idealen Ansprechpartnern der römischen Besatzer werden – aber eben auch zu den beliebtesten Intimfeinden nahezu aller anderen jüdischen Religionsparteien. Als die größten Lobbyisten des real existierenden Priestertums sahen

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sie als einzige jüdische Religionspartei wohl kein Problem in der zeitgenössischen Kultpraxis. (5) Ein zu Josephus und dem Sadduzäismus völlig konträres, jedoch ebenfalls idealisierendes Priesterbild wird in der sog. „priesterlichen LeviTradition“ sichtbar. In der Rückprojektion des Priestertums auf den JakobSohn Levi und dessen idealisierender Beschreibung als weisheitlicher Priester und königlicher Herrscher wird die Priesterkonzeption einer Gruppe sichtbar, die mit dem priesterlichen Amt Levis ein rigoroses antihellenistisches Ethos und eine scharfe Kritik an den aus ihrer Sicht laxen und durch exogame Ehen disqualifizierten zeitgenössischen Priesterschaft verband. Gleichzeitig scheint die Rückprojektion priesterlichen Seins auf die Erzväter, ja letztlich sogar bis auf Noah und Adam, die Absicht zu verfolgen, zur Kompensation der kultischen Defizite des Jerusalemer Priestertums ganz Israel ein priesterliches Sein im Sinne eines „Königreichs von Priestern“ (Ex 19,6; vgl. Jub 16,18; 33,20) zuzuschreiben. (6) Die langfristig vielleicht größte Konkurrenz für das jüdische Priestertum ging jedoch von Bewegungen und Gruppierungen aus, die dem Priestertum gegenüber zunächst einmal positiv gestimmt waren, ja seine Würde fraglos anerkannten und ihm mit entsprechender Hochachtung entgegentraten. Allerdings führten die faktischen Akzentsetzungen in Lehre und Leben dazu, dass das Priestertum in den Augen dieser Gruppierungen an Zentralität verlor. Dies gilt v.a. für den Pharisäismus und das Diasporajudentum. Aufgrund der alles dominierenden Orientierung am Gesetz erkannten die Pharisäer als Laienbewegung die hereditär begründete Position der Priester fraglos an. Es ist vielmehr ihr Profil einer Bildungs-, Heiligungs- und Erneuerungsbewegung mit dem Anspruch, die priesterlichen Heiligkeits- und Reinheitsstandards auf die alltäglichen Lebensvollzüge des ganzen Volkes zu übertragen, verbunden mit ihrer ungeheuren Popularität, die ihr volkspädagogisches und -missionarisches Anliegen de facto zu einer Konkurrenzbewegung zum etablierten Kultpersonal werden ließ. Zwar besaßen die Priester und Sadduzäer nach wie vor den höchsten politischen Einfluss, aber die Pharisäer hatten die Deutungshoheit über die theologischen Alltagsfragen erobert. Der pharisäische Einfluss auf das alltägliche Leben und Denken des am-ha-arez war langfristig weit bedeutender und wirkungsvoller als der (hohe)priesterliche Zugriff auf den Tempel und die Schalthebel der Macht. (7) Die stärkste Unterhöhlung des Priestertums ereignete sich aber möglicherweise dort, wo die Priester in höchstem Ansehen und Wertschätzung standen, nämlich in der Diaspora, wo die Mehrheit aller Juden gegen Ende der Epoche des zweiten Tempels lebte. Trotz der hohen identitätsstiftenden Funktion, die Tempel, Opfer und Priesterschaft für das Diasporajudentum

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hatte, und der unhinterfragten ideellen und finanziellen Förderung und Unterstützung, die von Rom bis Persien nach Jerusalem kam, war die „Lebensmacht“ des Alltags in der Diaspora und der Erfolg der Synagoge mit dem innovativsten Gottesdienst der antiken Welt zur größten Bedrohung des Jerusalemer Priestertums geworden. Wer im Alltag nicht mehr gebraucht wird, kann noch lange ideell verehrt und unterstützt werden, wird jedoch auf Dauer seine Relevanz verlieren. Folglich war für das Diasporajudentum die Tempelzerstörung und der Verlust aller Kultinstitutionen eine Tragödie, aber keine Katastrophe. Im alltäglichen Leben änderte sich für diese Juden fast nichts. Die Bewusstseinsbildung, die sich durch das Erfahrungsdefizit hinsichtlich des Kultes im diasporajüdischen Alltag vollzog, fand ihren philosophischen Ausdruck in der Theologie Philos von Alexandria. Obwohl Philo seinen Lesern das Jerusalemer Priestertum in den schönsten Farben schildern kann, enthält sein hermeneutischer Zugang zu den biblischen Texten bereits den Keim der Relativierung der jüdischen Heilsinstitutionen. Denn durch seine allegorisierende, moralisierende und spiritualisierende Interpretation relativierte er letztlich die Bedeutung der Jerusalemer Realien. Wenn diese lediglich eine symbolische und heuristische Funktion für die Erkenntnis eines tieferen, vergeistigten Sinngehalts haben, ist der Schritt zum Verzicht auf Tempel, Opfer und Priestertum als reale Größen nur noch eine Frage intellektueller und philosophischer Konsequenz. In Philos Deutung der Gestalt des Hohepriesters kommt zunächst unabhängig von seinem hermeneutischen Konzept das Verständnis priesterlichen Seins zum Ausdruck, das in den atl. Texten nur implizit sichtbar wurde. Philo beschreibt den jüdischen Hohepriester als den idealen, integren, vollkommenen und gottähnlichen Menschen, der letztlich die Restitution des sündlosen, paradiesischen Menschen verkörpert und auf dieser Grundlage zum Mittler zwischen Gott und dem gesamten Kosmos wird. (8) Sieht man einmal von den Sadduzäern und Flavius Josephus als den großen Fürsprechern des zeitgenössischen Priestertums ab, so sind bei allen behandelten Strömungen auch Bemühungen erkennbar, um eine als defizitär oder auch nur distanziert empfundene Kultpraxis durch die eine oder andere Form zu kompensieren. Geschah dies bei den Oniaden und dem yaḥad durch einen alternativen Kult(ort), so bemühten sich die Pharisäer, die Kreise hinter der priesterlichen Levi-Tradition und nicht zuletzt auch der yaḥad um eine Etablierung der priesterlichen Heiligkeitsstandards in abgestufter Form für das ganze Volk bzw. in den eigenen Kreisen. Möglicherweise geschah dies in der priesterlichen Levi-Tradition auch in der Absicht, die Gesamtheit des Volkes im priesterlichen Glanz eines „Königreichs von Priestern“ erscheinen zu lassen.

8 Ergebnis

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Die Ausweitung des priesterlichen Heiligkeitsideals auf das ganze Volk bzw. auf die Laien der eigenen Bewegung muss als eine Kompensation der priesterlichen Defizite und der damit drohenden Unheilssphäre verstanden werden. Weil in den Augen dieser Kreise das durch die Tora legitimierte, aber kultisch als unzulänglich empfundene Erbpriestertum die priesterliche Integrität und Vollkommenheit und in der Konsequenz das heilvolle „Sein vor Gott“ nicht mehr länger gewährleisten konnte, bemühte man sich um alternative Formen und Möglichkeiten der Kompensation. Letztlich müssen auch die Synagoge und die spiritualisierende Hermeneutik Philos als ein diasporajüdischer Ausdruck eines solch alternativen „Seins vor Gott“ verstanden werden, wiewohl das Diasporajudentum eine solche Deutung strikt von sich weisen würde, weil die Synagoge nie als konkurrierende Substitution des Tempels verstanden wurde. Faktisch ermöglichte aber sowohl die Synagoge wie die philonische Spiritualisierung der Kultrealien ein jüdisches „Sein vor Gott“ jenseits des Jerusalemer Kultes. (9) Wie stark die Prägekraft des priesterlichen Kultes in den letzten Jahrhunderten des zweiten Tempels verloren gegangen war, lässt sich unschwer am Wirken der jüdischen Wort- und Aktionspropheten im 1. Jh. n.Chr. belegen. So unterschiedlich Gestalten wie Johannes der Täufer, Theudas und die anonymen Volksführer aus Samarien oder Ägypten auch sein mochten, so deutlich wird an ihrem „Erfolg“, wie gering die Bindung des einfachen Volkes auf dem Lande zu den zentralen Heilsinstitutionen des Judentums in den Jahrzehnten vor dem Jüdischen Krieg noch war. Die rasche Bereitschaft, die eigenen Heilserwartungen vom Tempel und dem Priestertum weg auf neue „Heilskünder“ oder auch „Heilsbringer“ zu richten, signalisiert eine zunehmende Entfremdung zwischen den Priestern und dem Volk des Landes. Auch der Täufer etablierte mit seiner Umkehrtaufe eine Alternative zum kultischen Sündopfer, die zwar eine lange Tradition von Vergebungsmöglichkeiten jenseits des priesterlichen Kultes fortsetzte, aber nichtsdestotrotz von den Priestern als Provokation empfunden werden musste. Faktisch beanspruchte er die Rolle eines „rituellen Stellvertreters Gottes“, dessen Bußtaufe Vergebung jenseits der sühnenden Opfer vermittelte. (10) In sprachlicher Hinsicht konnten wir, abgesehen von den erwähnten atl. Belegen und dem Menschentempel in den Schriften der Qumrangemeinschaft, nur bei Philo eine programmatische Metaphorisierung der Kultbegriffe beobachten, diese jedoch gleich im großen Stil. Es handelt sich jedoch nur bedingt um ein analoges Phänomen zum Neuen Testament. Anders als bei Paulus und im 1. Petrusbrief vollzieht sich in der spiritualisierenden Exegese Philos eine Ablösung des Begriffs von seinem ursprünglichen Bedeutungsbereich. Die konkreten Kultrealien verlie-

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Kapitel IV: Der priesterliche Kult im Frühjudentum

ren zwar sowohl bei Philo wie im Neuen Testament an Bedeutung. Aber während bei Paulus und im 1. Petrusbrief neue Erfahrungen mit Hilfe des bildspendenden Bereichs des Kultes kategorisiert und konzeptualisiert werden, überträgt und spiritualisiert Philo die Kultbegriffe mit Hilfe seiner Allegorese in einen völlig anderen, bereits philosophisch konzeptualisierten, mikro- oder makrokosmischen Kontext. Der bildspendende Bereich des Kultes mutiert bei Philo auf diese Weise zum „Uneigentlichen“ und „Symbolischen“, während der bildempfangende Bereich des Inneren, Seelischen und Immateriellen als die eigentliche Wirklichkeit präsentiert wird. (11) Auch von einem Allgemeinen Priestertum kann in frühjüdischer Zeit noch keine Rede sein. Zwar gibt es eine Reihe von Stellen bei Philo, welche dem gesamten jüdischen Volk einen priesterlichen Status zusprechen und sogar das Volk Israel als Archetypus des levitischen Priestertums definieren, aber hinter diesen Belegen steht weniger ein theologisches Konzept als vielmehr die Absicht, eine für philosophische Ohren anstößige Kultordnung zu erklären. Während in den Qumranschriften die strikte Unterscheidung zwischen Priestern und Nicht-Priestern eher verschärft als nivelliert wird, bemühen sich die Pharisäer und die Kreise hinter der priesterlichen Levi-Tradition um eine Verringerung der unterschiedlichen Heiligkeitsstandards zwischen Priestern und Nicht-Priestern, ohne freilich den offenbarungstheologisch begründeten, ontischen Unterschied in Frage zu stellen. Insgesamt bleibt die frühjüdische Literatur in dieser Hinsicht eher hinter den Hoffnungen und Erwartungen des Alten Testaments zurück. (12) Wenn wir uns nun der Metaphorisierung des Priesterbegriffs im Neuen Testament zuwenden, dann gilt es diesen in den ersten vier Kapiteln erarbeiteten Hintergrund im Blick zu behalten. Das Neue Testament erwuchs auf dem Hintergrund einer kultisch und priesterlich organisierten Welt und zwar sowohl im jüdischen, wie im hellenistisch-römischen Raum. Während die pagane Welt jedoch durch ein polytheistisches Religionsverständnis und eine Pluralität von Kulten, Tempeln und Priesterschaften geprägt war, die es ermöglichte, theologische Spannungen und unterschiedliche Kultverständnisse durch eine weitere Pluralisierung auszugleichen, war dies dem Judentum aufgrund der Kultzentralisation verwehrt. So musste es im Judentum in dem Moment zu unauflösbaren Spannungen kommen, in dem geschichtliche Umbrüche wie die Zerstörung des ersten Tempels und das babylonische Exil, sowie kulturelle Einflüsse wie die Hellenisierung eine Perpetuierung der überkommenen Ordnung unmöglich machten. Diese Situation verschärfte sich durch die jüdische Kult(ur)- und Religionskrise unter Antiochus IV. Epiphanes, der ihr folgenden Herrschaft der Hasmonäer, die römische Eroberung und die Herrschaft Herodes des Großen.

8 Ergebnis

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(13) Die verschiedenen Strömungen des Judentums im Land Israel reagierten in ganz unterschiedlicher Weise auf diese Krise(n) des Kultes und des Priestertums. Abgesehen von Josephus und den Sadduzäern war aber allen gemeinsam, dass sie um alternative Formen eines heilvollen „Seins vor Gott“ jenseits der priesterlichen Mediation rangen. Dies galt auch für das Diaporajudentum, das den Jerusalemer Kult zwar nicht als defizitär, wohl aber als distanziert empfand. Das Neue Testament muss somit im Kontext eines Judentums gelesen werden, das unter einer als depraviert betrachteten Priesterschaft litt, um seine elementaren kultischen Grundlagen stritt und in zahlreichen Strömungen nach alternativen Möglichkeiten eines heilvollen Lebens vor seinem Gott suchte.

Kapitel V

Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum in den synoptischen Evangelien Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum

Die spärliche Erwähnung der Jerusalemer Priester ist angesichts der nach wie vor überragenden Bedeutung dieser Institution im zeitgenössischen Judentum ein merkwürdiges Phänomen im Neuen Testament.1 Die Priester kommen in den Evangelien und der Apostelgeschichte – sieht man einmal von der hohepriesterlichen Aristokratie ab – über eine „Statistenrolle“ kaum hinaus.2 Das Image der Priesterschaft im Neuen Testament – die Hohepriesterschaft muss gesondert bewertet werden – ist in der Regel neutral. Lediglich im Gleichnis vom barmherzigen Samariter werden dem vorbeiziehenden Priester und dem folgenden Leviten als Vertretern der Heilsinstitutionen Israels negative Rollen zugewiesen – und dies auch nur in narrativer, nicht expliziter Weise. Das Priestertum als solches wird dabei aber nicht in Frage gestellt. Mit der erwähnten Ausnahme von Lk 10,31 werden Priester in der erzählenden Literatur nirgendwo theologisch qualifiziert. Sie kommen lediglich in funktionaler Hinsicht in Betracht.3 Sieht man einmal von der Konfrontation mit den Hohepriestern im Zuge der Passion, v.a. im Prozess und dem vorausgehenden „VollmachtsDiskurs“ (Mk 11,27–33parr) ab, so bleibt Jesu Beziehung zum Jerusalemer Priestertum eine indirekte. Diese mittelbare Beziehung kommt vor allem dann in den Blick, wenn Jesus die Vollmacht zur Sündenvergebung beansprucht (z.B. Mk 2,1–12) oder sich mit dem Tempel auseinandersetzt (Mk 11,15–17parr; 14,57–59/Mt 26,60f.).4 Direkte Kontrahenten Jesu sind vor 1 Das jüdische Priestertum wird im Neuen Testament lediglich in den Evangelien, in der Apostelgeschichte, im Hebräerbrief und in der Johannesapokalypse erwähnt. 2 Mt 8,4/Mk 1,44/Lk 5,14; Mt 12,4f./Mk 2,26/Lk 6,4; Lk 1,8f.; 10,31; 17,14; Joh 1,19; Act 6,7; Hebr 7,5.11–14.20.24; 10,11; Apk 1,6; 5,10; 20,6. 3 Mt 8,4/Mk 1,44/Lk 5,14; Mt 12,4f./Mk 2,26/Lk 6,4; Lk 1,9; 17,14. 4 Sehr fraglich ist, ob im Markusevangelium ein priesterliches Bild Jesu gezeichnet wird, welches BROADHEAD, Jesus, 132f.; ähnlich CHEUNG, Priest, 269f., hinter den vier Perikopen in Mk 1,39–45; 2,1–12; 2,23–28 und 3,1–7a vermutet. In der ersten Perikope greift Jesus in die Weisungsbefugnis des Priesters gerade nicht ein. Er heilt den Aussätzigen, aber die offizielle Bestätigung überlässt er dem Priester. Die Perikopen über das Ährenraufen am Sabbat (2,23–28) und die Heilung am Sabbat (3,1–7a) stellen eher eine Auseinandersetzung mit der Tora im Licht des Kommens des Messias-Menschensohns

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Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum

allem „die Pharisäer und Schriftgelehrten“, selten die Sadduzäer5 und einmal die Herodianer6. Die seltene Erwähnung von Priestern schließt freilich nicht aus, dass unter den genannten Kontrahenten aus den diversen Religionsparteien auch Priester waren. Vor allem unter den mit Jesus diskutierenden Sadduzäern dürfte dies sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall gewesen sein. Zu bedenken ist hierbei, dass ein gewöhnlicher Priester lediglich zwei Wochen im Jahr im Tempel zu amtieren hatte und sein Priesterdienst im Blick auf Arbeitsaufwand und -zeit nach modernem Verständnis in der Regel eher eine Art „Neben- bzw. Minijob“ war. Dennoch war das Priesteramt als klassisches Erbpriestertum auch noch in ntl. Zeit in hohem Maße prestigeträchtig, wie Josephus‘ Betonung seiner priesterlichen Abstammung in Vit 1,1 eindrücklich zeigen. Dass die ntl. Evangelisten die von ihnen erwähnten Akteure weniger über ihre hereditäre Identität als vielmehr über ihre „Parteigängerschaft“ – von einer „Mitgliedschaft“ zu reden wäre wohl anachronistisch – bei einer der jüdischen Religionsparteien identifizieren, muss deshalb ihrer Wahrnehmung und ihrem Darstellungsinteresse zugeschrieben werden.7 dar als eine Inanspruchnahme priesterlicher Vorrechte. Dies wird durch den Umstand unterstrichen, dass die Konfliktpartner die an der Toraobservanz des Volkes interessierten Pharisäer sind und nicht die Priester. In Mk 2,1–12 ist es umstritten, ob Jesus ein priesterliches Prärogativ der Sündenvergebung in Anspruch nimmt oder nicht, →V.1.2. Selbst wenn dies der Fall wäre, darf aber bezweifelt werden, dass sich auf diese insgesamt magere Evidenz ein priesterliches Image Jesu gründen lässt. CHEUNG, Priest, 271, will Jesu Priesterschaft von seiner Taufe duch den Priestersohn Johannes den Täufer ableiten, die er nach Num 8,6f. als priesterliche Ordination versteht. Dies interpretiert jedoch mehr in den Vorgang hinein, als faktisch ausgesagt wird. Auch G. FRIEDRICHS umfangreicher Versuch, in den Evangelien eine verschleierte Hohepriesterchristologie nachzuweisen, vgl. DERS., Beobachtungen zur messianischen Hohepriestererwartung in den Synoptikern, 56–102, die jedoch an keiner Stelle explizit geäußert wird, muss als gescheitert betrachtet werden. Mehr als eine Vielzahl von vagen Vermutungen, Erwägungen, Spekulationen und Motivkombinationen, die in allen christologisch relevanten Evangelienbelegen eine Hohepriesterchristologie belegen sollten, konnte FRIEDRICH nicht präsentieren. Vielmehr verdient das Fazit von SÄNGER, Amt, 634, uneingeschränkte Zustimmung: „Die Evangelien sind also historisch und sachlich im Recht, wenn sie keinen der zuvor genannten Titel oder Funktionsbegriffe [sc. i``ereu,j; avrciereu,j] auf Jesus übertragen.“ 5 Mt 16,1–6; Mt 22,23–33/Mk 12,18–27/Lk 20,27–38. 6 Mt 22,15–22/Mk 12,13–17/Lk 20,20–26. 7 Bedenkenswert ist die These von SCHWARTZ, Scribes, 89–101, der hinter den in den Evangelien häufig erwähnten „Schriftgelehrten“ die Priester und Leviten des Alten Testaments und Frühjudentums vermutet. Wenn in den Evangelien von den „Schriftgelehrten und Pharisäern“ die Rede ist, dann sind damit nach SCHWARTZ die beiden wichtigsten religiösen Gruppen des antiken Judentums umrissen. Die Priester und Leviten würden somit in den Evangelien v.a. durch ihre Aufgabe als Lehrer, Schreiber und Ausleger der

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Lässt sich so die Kargheit der Referenzen erklären, so ist es dennoch erstaunlich, dass sich die Streitgespräche Jesu – wohl mit Ausnahme des Tempelwortes (Mk 14,58par) – nicht ein einziges Mal um den Tempel und den priesterlichen Dienst drehen. Überhaupt finden sich in den synoptischen Evangelien nicht nur relativ wenige Jesuslogien mit Bezug auf Priester/Priestertum, sondern auch mit Bezug auf die zentrale Institution des Tempels.8 Daraus ergibt sich das Problem, dass das Verhältnis Jesu zu dieser zentralen Institution des zeitgenössischen Judentums wesentlich schwerer zu bestimmen ist als beispielsweise sein Verhältnis zu Pharisäern, Schriftgelehrten und Sadduzäern. Es ist deshalb zu fragen, welche Haltung Jesu sich aus den wenigen Referenzen ergibt und welche Nähe bzw. Distanz zu Tempel und Priestertum sich daraus ableiten lässt.9 Weiter ist zu fragen, in welchem Verhältnis diese Haltung zur Kult-, Priester- und Tempelkritik der atl. Propheten und zu den tempel- und priestertumskritischen Stimmen aus frühjüdischer Zeit steht. Im Licht dieser Fragestellungen soll zunächst ein kurzer Überblick über kleinere, zur Thematik gehörende Evangelientraditionen gegeben werden, um anschließend ausführlicher das sog. Tempelwort und die Tempelaktion Jesu (Mk 11,15–17parr) zu behandeln. Abschließend steht die Tradition Tora bestimmt, weniger durch ihre priesterliche Identität und mediatorische Funktion im Tempelkult. Das Problem dieser These ist, dass die fast schon stereotype Formel „Pharisäer und Schriftgelehrte“ eine Homogenität beider Gruppen nahelegt, die zwischen Pharisäern und Priestern so nicht bestand, →IV.4.2. 8 Vgl. FREY, Temple, 451: „… the basic elements of his [sc. Jesus’] message and of discipleship seem remarkably unrelated to, and therefore independent of and distant from, the Temple.“ Dies stellt eine auffallende Parallele zu Johannes dem Täufer dar. Dem entspricht auch die Beobachtung SCHLATTERS, Theologie, 388, dass Jesus zur Charakterisierung des Verhältnisses seiner Jünger zu Gott, wie auch seiner eigenen Beziehung zu seinem himmlischen Vater kultische Sprache und Formeln vermeidet, das Verhältnis vielmehr mit Bildern und Begriffen sozialer Beziehungen wie Vater – Sohn oder Herr – Knecht beschreibt. 9 A. HOGETERP, God’s Temple, 193, hat jüngst die These vertreten, dass Jesu Tempelpolemik eine sozialethische Kritik an den priesterlichen Funktionsträgern überhaupt impliziere. Diese Kritik sei traditionsgeschichtlich in der prophetischen Kultkritik und soziologisch in der allgemein-galiläischen Distanz oder gar Feindseligkeit gegenüber der herodianischen Dynastie und ihrer Nähe zum „priestly establishment“ verwurzelt, vgl. a.a.O., 120–130.145–159.172.179; ähnlich W ARDLE, Jerusalem Temple, 169–191. Zu der von BROADHEAD, Jesus, 125.128.143 behaupteten kritischen Distanz der Galiläer zu Tempel und Priestertum vgl. auch das zusammenfassende Urteil von GOODMAN, Galilean Judaism, 617: „It seems certain that in at least a few respects the cultural and religious customs of the Galilaeans differed from those of the Judaeans, but the theological significance, if any, of such divergences cannot now be ascertained. If a distinctive Galilaean Judaism existed in the first century CE, as is quite possible, its nature is likely to remain unknown.“

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vom gespaltenen Tempelvorhang (Mk 15,38parr) im Mittelpunkt des Interesses.

1 Jesustraditionen zum Thema „Priester“ und „Tempel“ 1 Jesustraditionen zum Thema „Priester“ und „Tempel“

Die Entstehung der Jesustradition und der daraus erwachsenen Evangelien beruhen auf einem höchst komplexen Prozess, der nach wie vor in weiten Teilen historisch im Dunkeln liegt. Einigkeit besteht in der Forschung darin, dass die Evangelien erst nach den unumstrittenen Paulusbriefen verfasst wurden. Einigkeit besteht aber auch darin, dass sie auf Traditionen beruhen, die wesentlich älter sind und von denen viele einen Haftpunkt und damit Ursprung im Leben Jesu selbst haben. Keine Einigkeit besteht freilich nach wie vor in der konkreten Bestimmung dieser vagen Angabe „viele“. Gewöhnlich wird deshalb in diachronen Darstellungen mit den nach dem Urteil historisch-kritischer Wahrscheinlichkeit auf Jesus selbst zurückgehenden Traditionen begonnen, evtl. gefolgt von mutmaßlich frühen urchristlichen Traditionen. An zweiter Stelle steht dann die Analyse der unumstrittenen Paulusbriefe, der sich dann in der Reihenfolge der jeweiligen historischen Einschätzung die Analyse der restlichen Briefliteratur und der Perspektive der Evangelisten anschließt. Wenn an dieser Stelle von diesem üblichen Verfahren abgewichen wird, dann hat dies zwei Gründe: Zum einen scheinen die wichtigsten Jesustraditionen im Umkreis des Themas „Priester“ und „Tempel“, konkret das Tempelwort (Mk 14,58parr) und die Tempelaktion Jesu (Mk 11,15– 17parr), nach Einschätzung der weit überwiegenden Mehrheit der Kommentatoren im Kern authentisch zu sein.10 Zum Zweiten sind die übrigen in allen synoptischen Textgattungen verstreuten Notizen, Hinweise und Erwähnungen im Blick auf Priester und Tempel so peripher, dass eine historische Analyse nur wenig zur Klärung der hier zur Debatte stehenden Fragen beitragen würde.11 1.1 Die Heilung des Aussätzigen (Mk 1,44parr) Am Beginn des Markusevangeliums berichtet der Evangelist von der Heilung eines Aussätzigen (Mk 1,40–45; vgl. Mt 8,2–4/Lk 5,12–16).12 Im An10

Vgl. →Anm. 63 und 106. Ein ähnliches Verfahren wählt auch SÄNGER, Amt, 623, der in Anbetracht der Unverhältnismäßigkeit des aufwändigen Verfahrens im Verhältnis zur gestellten Frage das Zeugnis der Evangelien pauschal dem des Paulus vorordnet. 12 Nach GNILKA, Mk I, 91, spiegelt V. 43f. das palästinisch-judenchristliche Milieu einer Zeit wider, in der der Tempel noch stand und die judenchristlichen Gemeinden vor der Frage standen, wie sie sich hinsichtlich bestimmter Gesetzesfragen verhalten sollten. 11

1 Jesustraditionen zum Thema „Priester“ und „Tempel“

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schluss an die Heilung und das Schweigegebot (V. 44a) schickt Jesus den Geheilten zur offiziellen Bestätigung der Heilung zum Priester (vgl. Mt 8,4; Lk 5,14; 17,14; vgl. Lev 13,45–14,9, besonders 14,2)13 und zum Reinigungsopfer in den Tempel (vgl. Lev 14,10–32).14 Als Begründung fügt Jesus eivj martu,rion auvtoi/j an. Damit ist angedeutet, dass es nicht mehr um die Toraobservanz an sich geht (a] prose,taxen Mwu?sh/j), sondern nur noch um den Respekt gegenüber den jüdischen Autoritäten und Gepflogenheiten. Jesus will nicht als Gesetzesbrecher erscheinen.15 Eine Polemik gegenüber dem Priestertum ist der Perikope beim besten Willen nicht zu entlocken, im Gegenteil.16 Jesus respektiert die Ordnungsund Kontrollfunktion der Priester. Gleichzeitig macht Jesus deutlich, dass die Vorstellung beim Priester an sich nicht mehr nötig wäre und bringt dadurch eine unübersehbare Distanz zu dieser Institution zum Ausdruck. Im Hintergrund steht freilich keine Kritik kultischer Defizite, sondern Jesu messianischer Anspruch, der die Gültigkeit der Tora an eine heilsgeschichtliche Grenze führt (vgl. Lk 16,16/Mt 11,13). 1.2 Jesu Vollmacht zur Sündenvergebung (Mk 2,1–12) Die Perikope17 über Jesu Vollmacht zur Sündenvergebung18 ist in diesem Zusammenhang deshalb von Bedeutung, weil nach der These von E. LohEs ist jedoch sehr die Frage, ob der erzählte Kasus und die überlieferte Anweisung Jesu irgendeinen Nutzen für judenchristliche Gemeinden hätten haben können. Im Ganzen ist eine Authentizität der Perikope kaum auszuschließen. 13 Mt 8,4 ergänzt im Unterschied zu Mk 1,44/Lk 5,14 to. dw/ron, lässt aber bezeichnenderweise peri. tou/ katarismou/ sou weg, weil dies für Matthäus ein christologisches Geschehen ist, das nicht mehr durch eine Ordnung Moses normiert ist. 14 Das Schweigegebot und der Auftrag, zum Priester zu gehen, schließen sich nicht aus. Der Priester soll und muss von der Heilung gar nichts erfahren, sondern lediglich die Genesung bezeugen; so richtig gesehen von GNILKA, Mk I, 90f., ähnlich GRUNDMANN, Mk, 67. 15 Ähnlich P ESCH, Mk I, 146: „Der Erzähler legt Wert darauf, Jesus in Übereinstimmung mit dem Gesetz zu zeigen, dessen Anordnung (in leichter Differenz zu Lev 13,1; 14,1 nicht auf Gott selbst, sondern) auf Mose zurückgeführt wird.“ 16 So auch ÅDNA, Stellung, 434f.438; SCHMITHALS, Mk I, 145; DUNN, Purity, 461, und GNILKA, Mk I, 93: „Die Berührung ist nicht Verletzung der jüdischen Reinheitsvorschrift, sondern Übertragung der heilenden Kraft.“ 17 Die Authentizität und Integrität der Perikope ist heftig umstritten, vgl. B ULTMANN, Geschichte, 13, und KLAUCK, Frage, 225–236. Allerdings verdankt sich auch die im Gefolge BULTMANNs häufig behauptete Abgrenzung von V. 5–10 in eine reine Heilungsgeschichte einem formgeschichtlichen Vorurteil, das weniger auf exegetischen Evidenzen denn auf dogmatischen Vorurteilen ruht. Die Integrität der Perikope ist nach P ESCH, Mk I, 158; SUNG, Vergebung, 210–215; HOFIUS, Zuspruch, 131f., und ZIMMERMANN, Krankheit, 239–242, nicht anzuzweifeln. ZIMMERMANN, Krankheit, 240f., zeigt, dass die Perikope nicht nur hinsichtlich ihrer narrativen Gestaltung eine Einheitlichkeit nahelegt, sondern auch traditionsgeschichtlich im Blick auf den Zusammenhang von Krank-

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meyer und W. Grundmann Jesu Vergebungszuspruch einen Eingriff in die Rechte und Privilegien des Priestertums darstellt.19 Nun hat O. Hofius aber gezeigt, dass sich ein derartiges priesterliches Privileg der Absolution im Alten Testament kaum nachweisen lässt.20 Falls Priester in irgendeiner Weise bei der Zueignung der göttlichen Absolution an den Einzelnen beteiligt gewesen sein sollten, dann allenfalls als Mittler eines von Gott selbst ausgehenden Vergebungszuspruchs bzw. als Segensspender, wobei dieser Segen als ein impliziter Vergebungszuspruch verstanden wurde.21 Doch selbst wenn die Priester keine unmittelbare Absolutionsvollmacht hatten, so war die göttliche Absolutionskundgabe doch mit ihrem Dienst verbunden. Der durch Jesu Vergebungszuspruch ausgelöste Konflikt mit den Schriftgelehrten hat seine Wurzel deshalb nicht nur in Jesu Eingriff in das Gottesrecht der Sündenvergebung (vgl. Mk 2,7), sondern durchaus auch im Eingriff in ein zumindest im priesterlichen Kult verortetes Institut der Mitteilung dieser Vergebung. O. Hofius hat weiter gezeigt, dass Jesu Vergebungszuspruch als vollmächtige Zusage der von Gott geschenkten Vergebung zu verstehen ist, wie sie im Alten Testament öfter belegt (vgl. 2Sam 12,13; Jes 6,7; Sach 3,4) und mit dem ntl. Amt des Bindens und Lösens von Sünde (Mt 18,18, Joh 20,23) vergleichbar ist.22 Jesus handelt nicht in einer nur „abgeleiteten Vollmacht eines ‚Gesandten‘„, sondern in „der unmittelbaren Vollmacht Gottes selbst“.23 Er spricht in Mk 2,5 nicht etwas zu, was Gott im Himmel vollzieht, sondern er vollzieht in eigener, aber eben durch und durch göttlicher Vollmacht, was er zusagt. Sachgemäß geht es also nicht um einen Vergebungszuspruch, sondern um ein Machtwort und einen „Vergebungs-

heit/Sünde bzw. Heilung/Vergebung z.B. von Jes 33,22–24 und v.a. Ps 103,3 her als Einheit zu sehen ist: „Weder aus sprachlich-formalen, traditionsgeschichtlichen noch aus inhaltlichen Gründen ist es deshalb gerechtfertigt, die Perikope auseinander zu reißen.“ Vgl. dagegen WREDE, Heilung, 354–358; B ULTMANN, Geschichte, 12f., LÜHRMANN, Mk, 56f. 18 Neben den Kommentaren vgl. v.a. KLAUCK, Frage; SUNG, Vergebung, 208–221; HOFIUS, Zuspruch; DERS., Vergebungszuspruch; ZIMMERMANN, Krankheit. 19 Vgl. LOHMEYER, Mk, 52; ders., Mt, 169; GRUNDMANN, Mk, 57. 20 HOFIUS, Vergebungszuspruch, 57–69. Als atl. Beleg kommt nur Ps 130,5c in Betracht, wo der Beter nach seinem Sündenbekenntnis auf das „Wort“ Jahwes „wartet“. In der samaritanischen Literatur lassen sich dagegen mehr Hinweise finden, dass die aaronidischen Priester eine mittlerische Rolle bei der Absolutionserteilung spielten, wobei unklar bleibt, ob eine solche nicht in der Erteilung des aaronidischen Segens als enthalten gedacht wurde, vgl. HOFIUS, a.a.O., 62–66. 21 HOFIUS, Vergebungszuspruch, 67–69; ebenso KLAUCK, Frage, 248. 22 HOFIUS, Zuspruch, 126ff. 23 HOFIUS, Zuspruch, 129 (kursiv bei H.).

1 Jesustraditionen zum Thema „Priester“ und „Tempel“

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akt“24 analog zu Mk 5,41/Lk 8,54; Lk 7,14; 13,12 und Joh 11,43, der über die frühjüdischen Formen zur Erlangung von Vergebung weit hinausgeht (vgl. dazu den Petitexkurs in →IV.5.1). Die Entrüstung der Schriftgelehrten endzündet sich deshalb am impliziten Vollmachtsanspruch Jesu,25 der seinen Sachgrund in Jesu Anspruch hat, als messianischer Menschensohn und Gottesknecht stellvertretend den Sühnetod zur Erlösung „für die Vielen“ (Mk 10,45; 14,22–24) auf sich zu nehmen.26 Die Provokation durch die in göttlicher Vollmacht zugesprochene Vergebung ist eine indirekte, insofern die Sündenvergebung eine kultische Verankerung hatte. Es ist aber im Rahmen der Perikope nirgendwo erkennbar, dass Jesus mit seinem Handeln sich in direkter Weise gegen die Priesterschaft wendet bzw. deren Rechte in Frage stellt. Die Priester sind bei seinem Handeln noch nicht einmal ansatzweise im Blick, und doch werden sie zwangsläufig durch Jesu messianischen Anspruch und sein in göttlicher Vollmacht vollzogenes Heils- und Heilungshandeln in ähnlicher Weise tangiert, wie wir es schon beim Täufer beobachten konnten (→IV.5.1). Indem Jesus die göttliche Vergebung der Sünden zuspricht, übt er de facto die Funktion des Sühne vermittelnden Kultes und des Tempels aus. 1.3 Versöhnung vor Opfer (Mt 5,23f.) Ebenso beiläufig wie die Aufforderung an den Gelähmten, sich einem Priester zwecks Feststellung der wiederhergestellten Reinheit vorzustellen (Mk 1,44), erscheint im Rahmen der Bergpredigt der Hinweis, dass zuerst ein unversöhntes Verhältnis (zum Bruder) geklärt werden muss, bevor eine Opfergabe (im Tempel?) dargebracht werden kann.27 Der Tempelkult wird hier als gültig vorausgesetzt und in keiner Weise kritisiert oder in Frage gestellt.28 24

HOFIUS, Zuspruch, 131.133; gegen P ESCH, Mk I, 156, und KUHN, Ältere Sammlungen, 56f., und auch gegen die entsprechende Formbestimmung als „stilgemäße Zuspruchsformulierung“ von T HEISSEN, Wundergeschichten, 166 bzw. 68f., und das damit verbundene Verständnis der passiven Verbform als passivum divinum. HOFIUS, Zuspruch, 137, verweist in diesem Zusammenhang auf den Befund in der rabbinischen Literatur, wonach „die Gewährung der Vergebung im unmittelbaren Vergebungszuspruch durch eine […] passivische Redeweise ausgedrückt werden kann“ (kursiv bei H.). 25 HOFIUS, Zuspruch, 129f. Nicht von ungefähr ist ein ähnliches „Entsetzen“, vgl. das Verb evxi,stasqai in V. 12, auch in anderen Wundergeschichten überliefert, in denen die Vollmacht Jesu im Mittelpunkt steht, vgl. Mk 5,21–43: V. 42; Mk 6,45–52: V. 51. 26 Der Konnex zwischen dieser Perikope und dem Passionsgeschehen besteht im Blasphemievorwurf, der sowohl in Mk 2,7 von den Schriftgelehrten als auch in Mk 14,61ff. vom Hohepriester geäußert wird, vgl. HOFIUS, Zuspruch, 141. 27 LUZ, Mt I, 335.344f., geht von der Authentizität des Logions aus. 28 Ebenso ÅDNA, Stellung, 436.438.

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Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum

1.4 Jesus und die Tempelsteuer (Mt 17,24–27) Ein ganz ähnlicher Dialog wie bei der Heilung des Aussätzigen (→V.1.1) findet sich in der Perikope über die Zahlung der Tempelsteuer29 in Mt 17,24–27.30 Auch hier wird deutlich, dass die Zahlung der Tempelsteuer nicht mehr an und für sich notwendig wäre, Jesus aber keinen unnötigen Anstoß bei den Tempelsteuereinnehmern erregen möchte.31 Unübersehbar ist auch in dieser Perikope die Distanz zum Tempel und seiner Finanzierung, die jedoch weder in einer sozial- oder regionalgeschichtlichen Kritik am Jerusalemer Tempel und/oder Priestertum32 noch in einer grundsätzlichen Infragestellung des Tempels begründet ist,33 sondern wiederum in Jesu messianischer Sendung, der sich hier als „Sohn“ des Tempeleigentümers versteht (Mt 17,25f.).34

29 Zur sog. Halbschekel- oder Doppeldrachmensteuer vgl. den Exkurs bei LUZ, Mt II, 529ff. Zum Verhältnis Jesu zur Steuerfrage vgl. neuerdings auch die Habilitationsschrift von N. FÖRSTER, Steuerfrage. 30 LUZ, Mt II, 531, hält es für zwingend, dass die Perikope eine Gemeindebildung ist, weil die Steuereinnehmer die Frage an den Jüngersprecher Petrus als Vertreter der nachösterlichen judenchristlichen Gemeinde stellen. Der Sitz im Leben sei die Anfrage einer kultkritischen Gemeinde, die sich nicht mehr an das Zeremonialgesetz gebunden wusste, aber in den Jahren vor dem Jüdischen Krieg nach Orientierung suchte. 31 Vgl. ÅDNA, Stellung, 437, und DEINES, Gerechtigkeit, 107: „Nach 17,27 lehrt Jesus seine Jünger, sich der religiösen Ordnung (Tempelsteuer) zu beugen, um keinen Anstoß zu erregen, auch wenn das neue Sein der Jünger als ‚Söhne‘ sie davon eigentlich frei macht.“ 32 Nach LUZ, Mt II, 534, vertrat „[d]er Galiläer Jesus … in der Praxis vielleicht die alte Position der Sadduzäer, daß die Spenden an den Tempel freiwillig sein sollten, aber seine Gründe waren andere. Er wandte sich gegen eine von den Pharisäern eingeführte Praxis, aber nicht gegen die Tora, die auch nach der Meinung mancher damaliger Juden gar nicht von einer Pflicht zu einer jährlichen Tempelsteuer sprach.“ In der Tat wendet sich Jesus im Matthäusevangelium an keiner Stelle gegen die Tora. Allerdings ist sie als Mittel zur Erlangung der Gerechtigkeit für ihn funktions- und bedeutungslos, weil sie in Christus „erfüllt“ ist, vgl. Mt 5,17. Ihre Einhaltung dient lediglich dem Frieden innerhalb des Volkes Israel. Das war für Judenchristen der selbstverständliche Teil ihrer Torafrömmigkeit – nicht mehr, aber auch nicht weniger, vgl. DEINES, Gerechtigkeit, 256 und passim. 33 LUZ, Mt II, 533. 34 Dass Jesus die Tempelsteuer zunächst nicht bezahlt, steht nicht im Zusammenhang mit seiner galiläischen Herkunft, sondern mit seiner Sohnschaft. Vgl. LUZ, Mt II, 532: „‚Söhne‘ sind die Christen, weil ihre Beziehung zum ‚König‘ nicht mehr in einem Kult gründet, wo man wie die ‚Fremden‘ Steuern bezahlt.“ Ähnlich VOLLENWEIDER, Freiheit, 176: „Das eschatologische Sohnverhältnis tritt an die Stelle des Tempels und suspendiert das Kultgesetz in seinem Herzstück“ (kursiv bei V.).

1 Jesustraditionen zum Thema „Priester“ und „Tempel“

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1.5 Jesu Lehrtätigkeit im Tempel Im Zusammenhang der letzten Passawoche vor Jesu Passion berichten alle vier Evangelien von Jesu Lehrtätigkeit im Tempel (Mk 11,17; 12,35; Mt 21,23; Lk 19,47; Joh 8,2; 18,20f.), was keine ungewöhnliche Praxis im zeitgenössischen Judentum war.35 Nach Lk 19,47 war dies in jener Woche eine „tägliche“ Gewohnheit (vgl. Mt 26,55/Mk 14,49/Lk 22,53/Joh 18,20f.). Möglicherweise war der Ort dieser Lehrtätigkeit in der Nähe des Opferkastens (gazofulaki,oj, vgl. Mk 12,41.43/Lk 21,1; Joh 8,20).36 Eine explizite Kritik am Priestertum oder dem Tempelkult wird hier nicht hörbar.37 1.6 Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,29–37) Dieses Gleichnis ist der einzige synoptische Text, in dem Priester und Leviten als Mitglieder eines religiösen Standes in ein kritisches Licht gerückt werden.38 Ihre Angst vor kultischer Unreinheit durch die potentielle Berührung eines Toten lässt sie als unmenschlich und herzlos erscheinen. Ihre Priorisierung der kultischen Reinheit gegenüber tätiger Nächstenliebe enthält auch einen kultkritischen Akzent. Eine grundsätzliche Priestertumskritik oder Kultkritik ist dies aber nicht.39 Dass mit dem Priester und dem Leviten der gesamte zeitgenössische Tempelkult mitsamt seinem Personal in den Fokus einer Sozialkritik gerate, bleibt eine unbeweisbare Spekulation.40 Es ist lediglich die Vorrangigkeit kultischer Reinheit vor aktiver Nächstenliebe, die angeprangert wird.

35

Vgl. Jos Bell 1,648–651; Ant 17,149–155. Ein Problem stellt die exakte Identifikation des gazofulaki,oj dar. Der Begriff kann sowohl den Opferkasten bezeichnen, in den die Besucher Geldmünzen zur Finanzierung der Opfer warfen, als auch die Schatzkammer des Tempels im inneren Tempelbezirk. Der Kontext spricht jedoch für den Opferkasten. 37 Anders HOGETERP, God’s Temple, 174. 38 GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 59, macht darauf aufmerksam, dass im lukanischen Doppelwerk mit Ausnahme des Zacharias in Lk 1,5 Priester nicht primär als Individuen in den Blick kommen, sondern vor allem als Gruppe relevant werden, was sich schon daran zeigt, dass der Priestertitel meistens im Plural Verwendung findet. Auch dort, wo einzelne Priester erwähnt werden, vgl. Lk 1,5; 5,14; 10,31, kommen sie vor allem als Teil der Gesamtheit aller Priester in Betracht. 39 Anders wieder HOGETERP, God’s Temple, 179: „Jesus‘ parable implies a polemical picture of priests and Levites who were traditionally considered with high esteem in Israelite society, but who did not come to the assistance of the victim to act as a neighbour.“ 40 Von daher ist es auch hier übertrieben, wenn HOGETERP, God’s Temple, 179, das Gleichnis dahingehend deutet, dass „the heartlessness of the socio-religious reality“ durch das priesterliche Establishment perpetuiert werde. 36

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1.7 Jesus und die prophetische Kultkritik Auch die Aufnahme der prophetischen Kultkritik in Mk 12,33, Mt 9,13 und Mt 12,1–8 (vgl. Hos 6,6LXX) impliziert eine Distanz, aber keine Ablehnung der aktuellen Praxis des Jerusalemer Priestertums.41 Luz betont im Blick auf Mt 9,13 zu Recht, dass die Verhältnisbestimmung zwischen Barmherzigkeit und Opfer komparativisch zu deuten ist und nicht alternativ im Sinne einer absoluten Antithese: „Gemeint ist dann: Barmherzigkeit will ich mehr als Opfer.42 Dasselbe gilt auch in Mt 12,7, wo bereits in 12,5f. ein Vergleich das Hoseazitat einleitet. Auch hier ist dieses nicht antithetisch, sondern komparativ zu deuten.43 Eine den Qumrantexten vergleichbare Kritik am Tempelkult liegt diesen Belegen fern. Jesus betont stattdessen im Rückgriff auf die traditionelle atl. Kultkritik die Priorität eines ethisch angemessenen Verhaltens gegenüber dem Nächsten vor den kultischen Obligationen. 1.8 Jesus und die Hohepriester Vor allem das Markusevangelium zeichnet den wachsenden Konflikt zwischen Jesus und der jüdischen Führerschaft als einen Konflikt mit den Hohepriestern, die meistens durch die sog. „Schriftgelehrten und Ältesten“ ergänzt werden. In zwei der drei Leidensweissagungen Jesu werden die Hohepriester noch vor den Schriftgelehrten als Kontrahenten Jesu genannt (Mk 8,31; 10,33). Sie stellen im Tempel Jesu Vollmacht in Frage (Mk 11,27–33) und kommen im Anschluss an die Tempelaktion Jesu zum Beschluss, ihn zu töten (Mk 11,18; vgl. 14,1). Entsprechend geht die Initiative für Jesu Verhaftung von ihnen aus (Mk 14,10.43.47). Auf die Verhaftung folgt unmittelbar der jüdische Prozess vor dem Synhedrium, bei dem wiederum der Hohepriester den Vorsitz führt (Mk 14,53ff.). Die Hohepriester sind es auch, die Jesus Pilatus überstellen und somit den römischen Prozess provozieren, der dann zu Jesu Verurteilung und Kreuzigung führt (Mk 15,1.10), bei der sie wiederum spottend und höhnend unter dem Kreuz stehen (Mk 15,31f.). Die beiden anderen synoptischen Evangelien ergänzen das Bild in der Passionsgeschichte. Im Matthäusevangelium spielen die Hohepriester noch beim Judasverrat (Mt 27,3–10) und bei der Forderung nach einer Grabeswache (Mt 27,62–66; vgl. 28,11) eine Rolle, bei Lukas wird ihnen von den Emmausjüngern die Verantwortung am Tod Jesu gegeben (Lk 24,20). Nach übereinstimmendem Urteil der synoptischen Evangelien sind sie die Hauptgegner Jesu. Sie tragen die Hauptverantwortung für den Tod Jesu 41

Vgl. HOGETERP, God‘s Temple, 127f. LUZ, Mt II, 44. Er deutet das kai. ouv im Sinn eines Hebraeorum idioma als dialektische Negation. 43 LUZ, Mt II, 232. 42

1 Jesustraditionen zum Thema „Priester“ und „Tempel“

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und erscheinen ausschließlich in negativem Licht.44 Gleichzeitig müssen sie in ihrer Rolle als Führer des Volkes von den gewöhnlichen Priestern unterschieden werden.45 Sie agieren als innenpolitische Machthaber und Verantwortungsträger. Der Konflikt zwischen Jesus und dem bzw. den Hohepriester(n) hat deshalb eine völlig andere Konnotation als der Konflikt, der sich im frühjüdischen Schrifttum im Blick auf die kultischen Defizite des Priestertums spiegelt. Mit der Kritik des yaḥad am Frevelpriester und den kultischen Defiziten des Jerusalemer Kultes oder anderer frühjüdischer Texte an der hasmonäischen Ämterkumulation hat das alles nichts zu tun. Es geht ausschließlich um die hohepriesterliche Ablehnung Jesu und seines messianischen Anspruchs. 1.9 Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern (Mt 21,33–46parr) In dem an die Parabel vom unfruchtbaren Weinberg (Jes 5,1–7)46 angelehnten Gleichnis bringt Jesus eine scharfe Kritik an der jüdischen Führungsschicht zum Ausdruck,47 zu der er zweifellos auch die Jerusalemer Priesteraristokratie und die hohepriesterlichen Familien zählte. In allen drei Evangelien wird der mashal mit dem nimshal aus Ps 118,22f. abgeschlossen, wobei die jüdische Führungsschicht mit den Bauleuten und der Sohn mit dem Stein identifiziert wird.48 Diese Interpretation wird durch die 44

Diese Perspektive setzt sich in den Acta fort. Die Hohepriester erscheinen als Widersacher von Petrus und Johannes, Act 4,6.23; 5,17.21.24.27, von Stephanus, Act 7,1, der Jerusalemer Jünger, Act 26,10, der Gemeinde in Damaskus, Act 9,1.14.21; 22,5; 26,12, und von Paulus, Act 22,30; 23,2.4.5.14; 24,1; 25,2.15. 45 Wenn BROADHEAD, Jesus, 132, meint, das Markusevangelium „constructs a narrative image of priests as opponents of Jesus who are partially responsible for his death“ und daraufhin zu dem Urteil kommt, dass „the discourse sketched around the Markan priests is wholly negative, disruptive and destructive“, dann beachtet er eben diese wichtige Unterscheidung nicht. 46 Zum Weinberg als Metapher für Israel vgl. auch Ps 80,9–17; Jes 27,2–5; Jer 2,21; 5,10; 12,10; Ez 15,1–8; 19,10–14; LibAnt 12,8f.; 4Esr 5,23. 47 Für die Authentizität der Perikope hat sich nachdrücklich SNODGRASS, Parable, 80f.109.111, ausgesprochen, vgl. a.a.O., 111: „There is no reason to doubt and good reason to believe that the parable was told originally by Jesus toward the end of his ministry in the context of his conflict with the Jewish authorities.“ Die Qumranforschung hat ferner gezeigt, dass in 4Q500 1 eine allegorische Deutung des Weinbergliedes auf den Tempel schon im Judentum möglich war, vgl. G. BROOKE, Dead Sea Scrolls, 235–260; DERS., Use of Scripture. Der allegorische Charakter des Gleichnisses muss deshalb nicht als Gemeindebildung bewertet werden, sondern kann durchaus auf Jesus selbst zurückgehen, so BROOKE, Dead Sea Scrolls, 260. 48 Dass auch mit Mt 21,43 nicht das ganze jüdische Volk gemeint ist, sondern lediglich die jüdische Führungsschicht, betont auch SNODGRASS, Parable, 77.91f.98; vgl. a.a.O., 92: „… this parable is not anti-Semitic, but anti-Pharisaic; or more accurately, the parable is directed against the religious authorities.“ Er macht, a.a.O., 76, ferner deutlich,

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entsprechende Reaktion der „Hohepriester und Pharisäer“ (Mt 21,45) bzw. der „Schriftgelehrten und Hohepriester“ (Lk 20,19) bestätigt, die sich offensichtlich in diesem Gleichnis sofort wiedererkannten. Im Unterschied zur langen Liste frühjüdischer Anklagen gegen Priestertum und Tempel zielt das Gleichnis ausschließlich auf die Gott vorenthaltenen Früchte, worin die prophetische Klage über die nicht erfolgte Umkehr Israels ihren Widerhall findet, und v.a. auf die Ermordung des „Sohnes“, d.h. der Ablehnung des Messias.49 Eine darüber hinaus gehende Kritik am (Hohe)Priestertum ist nicht erkennbar. Weder werden disqualifizierende Abstammungsverhältnisse, kultische Unreinheit, illegitime Ehen, finanzielle Unregelmäßigkeiten oder Korruption angeklagt. Vielmehr ist das Verhältnis zum Weinbergeigentümer, d.h. zu Gott, fundamental zerrüttet, was durch die Ablehnung und Ermordung des Sohnes offenbar wird. Deshalb lässt sich das Gleichnis nicht in die Linie frühjüdischer Tempelund Priestertumskritik einreihen. Von zentraler Bedeutung ist auch in diesem Gleichnis die Messiasfrage, die allerdings durch das Zitat von Ps 118,22 in der Tat einen tempeltheologischen Akzent bekommt. K. Snodgrass und S. Kim haben auf das hebräischen Wortspiel zwischen Sohn (!be) und Stein (!b,a,), aufmerksam gemacht,50 wodurch die bereits frühjüdische messianische Deutung der Steinmetapher aufgegriffen wird (→Exkurs 5). Das Psalmenzitat dient somit im Kontext des Gleichnisses als Schriftbeweis sowohl für das erlittene Schicksal der Zurückweisung und des Todes trotz der Identität als messianischer „Sohn“, als auch für die bevorstehende Rechtfertigung und Erhöhung des „Sohnes“/“Steins“.51 Die Steinmetapher hat aber spätestens seit Jes 28,16 auch eine tempeltheologische Konnotation: Der Stein kann atl. sowohl den Grund- als auch Schlussstein des Tempels beschreiben und als pars pro toto für den gesamten Tempel fungieren. Jesus sah sich als den entscheidenden Grund- und Fundamentstein eines neuen Tempels, den Gott durch die Verwerfung des „Sohnes“/“Steins“ dass mit dem Weinberg, weniger das Volk Israel als ethnische Größe als vielmehr ganz allgemein die von Gott Erwählten gemeint sind. 49 Eine Kritik am ökonomischen Missmanagement der Weinbergpächter, so W ARDLE, Jerusalem Temple, 190f., liegt dem Gleichnis völlig fern. Es wird nicht erzählt, dass der Weinberg keine Früchte brächte, sondern lediglich, dass dem Besitzer sein legitimer Anteil verweigert wird. Entsprechend taugt das Gleichnis auch nicht als Beleg für W ARDLES verfehlte These einer ökonomisch geprägten Kritik Jesu an einer raffgierigen und korrupten (Hohe)Priesterschaft. 50 SNODGRASS, Parable, 63.113–118; KIM, Jesus, 135. Aufgrund dieses Wortspieles sollte Jesus das Gleichnis auch nicht vorschnell abgesprochen werden. Denn das Wortspiel kann seinen Ursprung nicht in einer griechischsprachigen Gemeinde haben. In Jos Bell 5,272 wird im Kontext der Belagerung Jerusalems durch Titus erzählt, dass die jüdischen Verteidiger beim Anflug eines römischen Wurfgeschosses, in der Regel eines großen Steins oder Felsstücks, riefen ‚Der Sohn kommt!‘ und sich in Sicherheit brachten. 51 KIM, Jesus, 135.

1 Jesustraditionen zum Thema „Priester“ und „Tempel“

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durch die führenden „Bauleute“ Israels (vgl. yYom 3,40; bShab 114a; MShir 1,5) schaffen und vor aller Welt erweisen würde.52 Zieht man dies in Betracht, dann sind die hohepriesterlichen Weingärtner an ihrem Fehlurteil über Jesus, dem messianischen Tempel und eschatologischen Ort der Gegenwart Gottes, gescheitert. 1.10 Ergebnis Die weit überwiegende Mehrzahl der synoptischen Traditionen, in denen der Tempelkult und die Priester eine Rolle spielen, spiegeln eine Distanz Jesu zum Tempel und Priestertum wider. Diese Distanz – man könnte auch von einer Unabhängigkeit sprechen – steht in nahezu allen behandelten Perikopen im Horizont des messianischen Vollmachts- und Sendungsanspruchs Jesu, der die Bedeutung der zentralen jüdischen Kultinstitutionen des Tempels, der Opfer und des Priestertums eo ipso relativierte: So ist die Vorstellung des von Aussatz Geheilten bei den zuständigen Priestern (Mk 1,44f.) ebenso wie die Bezahlung der Tempelsteuer (Mt 17,24–27) „eigentlich“ nicht mehr nötig; sie dient nur den Priestern „zum Zeugnis“ (Mk 1,44) bzw. der Vermeidung eines Ärgernisses (Mt 17,27). So unpolemisch Jesus seinen göttlichen Vollmachtsanspruch zur Sündenvergebung vertritt, so sehr stellte er natürlich implizit den Sinn und den weiteren Bestand der jüdischen Kultinstitutionen in Frage (Mk 2,1–12). Dies musste über kurz oder lang zum Konflikt mit den Hohepriestern, Schriftgelehrten und Ältesten führen (vgl. 2.8 und Mt 21,33–46parr). Auf der anderen Seite lässt sich Jesu Haltung in keiner Weise als eine Ablehnung oder grundsätzliche Kritik der jüdischen Institutionen interpretieren. Nirgends wird erkennbar, dass Jesus die tempel- und priestertumskritische Position der in →III.2.3 und →III.1.2 dargestellten frühjüdischen Literatur teilt. Die einzige Parabel, in der sich eine direkte Anklage auch gegen die (hohe)priesterlichen Führer findet (Mt 21,33–46parr), zielt gegen deren Zurückweisung seiner selbst bzw. seines messianischen Anspruchs. Dagegen finden wir nirgendwo einen Widerhall der stereotypen frühjüdischen Klagen über die fehlende (kultische) Legitimität des Tempels oder der Priesterschaft. Wir hören nichts über disqualifizierende Abstammungsverhältnisse, kultische Unreinheit, illegitime Ehen, finanzielle

52 K IM, Jesus, 137f.; DERS., Vollmacht, liest das Stein-Logion ganz im Licht von 2Sam 7,12–16 bzw. unter der Verheißung an den messianisch-davidischen „Sohn“, den wahren Tempel zu bauen, a.a.O. 137: „Did his [sc. Jesus'] self-understanding as the Son of God who was to build a temple for God based on the tradition stemming from 2 Sam 7:12–16 … directly lead him to Ps 118:22–23 where he found not only a good opportunity for a word-play … but also an expression of his mission as the Son of God?“ Allerdings kann auch er keinen wirklichen Beweis für diese interessante Vermutung liefern.

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Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum

Unregelmäßigkeiten oder Korruption. Es ist ausschließlich die Messiasfrage, die zum Konflikt zwischen Jesus und der Hohepriesterschaft führt.

2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu 2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu

2.1 Das Tempelwort (Mk 14,58par) Ein vieldiskutiertes und höchst komplexes Problem stellt das sog. Tempelwort Jesu dar, das sich in einer siebenfachen Tradition in der frühchristlichen Literatur spiegelt53: Neben einer markinischen (Mk 14,58) und matthäischen (Mt 26,61) Version im Rahmen des Verhörs Jesu vor dem Synhedrion, sowie einer johanneischen Version im Kontext der sog. Tempelreinigungsperikope (Joh 2,19), wird es im Neuen Testament noch an zwei weiteren Stellen reflektiert: In Mk 15,29/Mt 27,40 wird dem gekreuzigten Jesus von der Volksmenge das Tempelwort polemisch vorgehalten und in Act 6,14 wird Stephanus von den jüdischen Anklägern vorgeworfen, er habe gesagt, dass Jesus „diesen Ort“ (sc. den Tempel) abbrechen und die Sitten/Regeln ändern werde, die Mose gegeben hat. Schließlich sind noch das Thomasevangelium zu erwähnen, wo in Logion 71 Jesus selbst sagt: „Ich werde dieses Haus zerstören und niemand wird es (wieder) aufbauen“, und Mk 13,1f., wo Jesus im Rahmen der sog. jesuanischen Apokalypse und damit in einem völlig anderen Kontext die Tempelzerstörung ankündigt. Die komplexe Bezeugung des Logions spiegelt etwas von den Schwierigkeiten der ersten Tradenten im Umgang mit diesem anstößigen und für die nachösterliche Gemeinde problematischen Logion wieder, das aber offensichtlich nicht unterschlagen werden konnte. Möglicherweise steht hinter der uneinheitlichen Überlieferung das Bemühen, Jesus von einer destruktiv-revolutionären Botschaft abzugrenzen.54 2.1.1 Überlieferungsgeschichtliche Beobachtungen Das Tempelwort gilt ob seiner komplexen Überlieferungsgeschichte als eine crux interpretum der Evangelienforschung. Bemerkenswerterweise findet sich das einzig direkte zweigliedrige Zitat im Munde Jesu nur in Joh 2,19 und dort wird es bereits im Horizont der Auferstehung auf den „Tempel seines Leibes“ gedeutet. Offensichtlich konnte auch Johannes dieses schwierige und von Missverständnissen umrankte Tempelwort nicht einfach ignorieren bzw. unter den Tisch fallen lassen, sondern musste es auf-

53 Einen guten Überblick über die verschiedenen Traditionen und ihre Bewertung geben THEISSEN/MERZ, Jesus, 380f., und ÅDNA, Stellung, 111f. 54 T HEISSEN/MERZ, Jesus, 381.

2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu

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nehmen und interpretieren.55 Ansonsten erscheinen nur die beiden eingliedrigen Versionen in Mk 13,1f. und EvThom 71 im Munde Jesu. Alle anderen Varianten werden in indirekter Rede wiedergegeben. In Mk 13,1f. erscheint die Tempelzerstörung als ein zukünftiges Ereignis prophetisch angekündigt, jedoch ohne Angabe des Zerstörers.56 Im Lukasevangelium fehlt das Tempelwort, aber der Evangelist greift in Act 6,14 darauf zurück, wo in einem in Analogie zum Prozess Jesu gestalteten Bericht das Tempelwort nun in einer doppelt indirekten Rede wieder eine entscheidende Rolle spielt.57 Bei Markus und Matthäus erscheint die zweigliedrige Form des Wortes zuerst im Munde falscher Zeugen und dann im Munde der Spötter unter dem Kreuz. Unklar ist hier zunächst, ob die doppelgliedrige Aussage (Mk 14,57f./Mt 26,61) an sich falsch (d.h. erfunden) ist, oder nur ihre Wiedergabe. Es macht jedoch keinen Sinn, das Wort einfach als eine Fälschung den Gegnern anzulasten, denn sämtliche Evangelisten (auch Lukas in Act 6,14!) verarbeiten das Wort durchaus hintergründig und vielschichtig in ihren Evangelien. Zudem hätte eine frei erfundene Fälschung ohne jeglichen Anhalt am historischen Jesus und seiner Verkündigung kaum diese Wirkungsgeschichte hervorbringen können bzw. wäre von den Evangelisten klarer zurückgewiesen worden.58 Auch die Annahme einer Gemeindebildung kommt nicht in Frage: Welchen Sinn würde es machen, Jesus ein Wort zuzuschreiben, es dann in den Mund falscher Zeugen zu legen und es im Falle des Lukas wieder zu streichen und in einen anderen Kontext (Act 6,14) zu platzieren? Gerade die Undeutlichkeit und uneinheitliche Wiedergabe spricht für die Authentizität.59 Schließlich scheidet auch eine Interpretation als vaticinium ex eventu von vornherein aus, denn nach der Zerstörung des Tempels wäre die Bildung einer Ansage der Tempelzerstörung durch die Hand Jesu sinnlos gewesen.60

55

SANDERS, Jesus and the Temple, 375. Zur Frage der Authentizität vom Mk 13,2 vgl. KRAUS, Tod Jesu, 218–222. 57 Warum Lukas das Tempelwort offensichtlich bewusst aus der Passionsgeschichte ausgeklammert hat, kann nur vermutet werden. S IEGERT, Tempel, 119, führt diesen Umstand auf das lukanische Interesse zurück, die Konflikte um den Tempel möglichst klein zu halten: „Lukas vertagt den Konflikt um den Tempel, um aus ihm die Ausbreitung der Kirche herzuleiten.“ 58 Vgl. auch BROADHEAD, Jesus, 141: „It is unlikely that three Gospel traditions would invent such a charge in different forms only to refute it.“ 59 BETZ, Probleme, 630. 60 Vgl. SANDERS, Jesus and the Temple, 376. 56

292

Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum

Der Vorwurf der Falschaussage bezieht sich somit wahrscheinlich sowohl auf die nicht einheitliche Wiedergabe durch die Zeugen,61 die sie juristisch wertlos machen würde, als auch auf die falsche Interpretation des Wortes durch die Zeugen, die Jesus eine falsche, nämlich revolutionäre bzw. terroristische Absicht unterstellen wollten, die Gewaltanwendung gegen den Tempel einschloss. Denn, verglichen mit Mk 13,2 und Joh 2,19, ist nur die Aussage, dass Jesus den Tempel selbst abreißen will, nicht korrekt.62 Im Ergebnis besteht ein relativ großer Forschungskonsens, dass das Tempelwort, in welcher Form auch immer, auf den historischen Jesus zurückgeht,63 es im Mund der falschen Zeugen uneinheitlich wiedergegeben wurde und Jesus eine dem Wort nicht innewohnende, falsche Absicht unterstellt. 2.1.2 Die ursprüngliche Form des Tempelwortes Wenn diese vielfältige, vielgestaltige und komplexe Überlieferung ihren historischen Ursprung bei Jesus selbst haben muss, dann ist in einem zweiten Schritt zu fragen, welches die mutmaßlich ursprüngliche Gestalt des Wortes war. In der längsten Version in Mk 14,58 gehört zu diesem Wort (1) eine negative Aussage einer wie auch immer gearteten Tempelzerstörung – wobei offen bleibt, durch wen diese initiiert werden soll (durch Gott selbst?)64 –, (2) eine positive Aussage seiner Wiedererrichtung durch Jesus – wobei offen bleibt, in welcher konkreten Form dies gemeint war –, (3) die Angabe einer Drei-Tage-Frist zwischen beiden Ereignissen und (4) die Antithese ceiropoi,hton – avceiropoi,hton. 61

BETZ, Probleme, 630. Darauf deutet der Begriff i;soj in 14,56 hin, der nach B AUER, Wörterbuch, 772, hier mit „gleichlautend“ zu übersetzen ist. 62 BETZ, Probleme, 632; ÅDNA, Stellung, 115f. 63 Vgl. B ETZ, Probleme, 630; T HEISSEN/MERZ, Jesus, 381; SANDERS, Jesus and the Temple, 362; KRAUS, Tod Jesu, 216; ÅDNA, Stellung, 116.128–130; BROADHEAD, Jesus, 141, und auch FREY, Temple, 452, Anm. 21: „Some form of this logion is probably authentic, since it occurs in all strata of the Synoptic and non-Synoptic Jesus traditions.“ THEISSEN, Tempelweissagung, 141f., führt zudem noch das Unableitbarkeitskriterium für die Authentizität ins Feld. Zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt jedoch P AESLER, Tempelwort, 17–30.121f., der das Logion aus literarkritischen Erwärgungen heraus einer hellenistischen (122.228), dem Jerusalemer Kult feindlich gegenüberstehenden (122), vormarkinischen Redaktion zuschreibt, die es in die Synhedriumsperikope, Mk 14,55–64, eingetragen habe (28), die ihrerseits wiederum als Ganzes sekundär in den Passionsbericht interpoliert worden sei (17f.). Er hält den Bericht auch aus sachkritischen Erwägungen heraus für unhistorisch (15–17), beruft sich hierbei jedoch ausschließlich auf mehr als 50 Jahre alte Forschungsbeiträge, die mittlerweile als überholt gelten müssen. 64 Das Verb katalu,ein wird lediglich in Mk 13,1f. eindeutig nicht-metaphorisch verwendet. SIEGERT, Tempel, 110f., weist darauf hin, dass das Verb selbst eine Fülle verschiedener Bedeutungen eröffnet.

2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu

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Die Aussage des Tempelabbruchs (1) ist fester Bestandteil aller Versionen des Tempelwortes und stets mit dem Prädikat katalu,ein verknüpft. Damit enden jedoch bereits die Gemeinsamkeiten. Während das Verb in Joh 2,19 als Imperativ an die „Juden“ gerichtet ist und diese somit Subjekte des Abbrechens sind, erscheint es in Mk 13,2 als ein passivum divinum. Damit bekommt das Logion den Charakter eines prophetischen Drohwortes, das sich auf einen breiten traditionsgeschichtlichen Hintergrund im Alten Testament und Frühjudentum berufen kann. In allen anderen Varianten (Mk 14,58/Mt 26,61; EvThom 71; Act 6,14) ist Jesus selbst Subjekt des katalu,ein. Während die johanneische Variante sich sehr rasch als eine interpretierende Weiterentwicklung der synoptischen Form zu erkennen gibt, was schon durch die Wiedergabe des Verbs oivkodomei/n mit dem doppeldeutigen, auf die Auferstehung verweisenden evgei,rein deutlich wird, ist die Frage im Blick auf die Passivform in Mk 13,2 schwieriger zu entscheiden. Die Passivform erscheint plausibler, unanstößiger und traditionsgeschichtlich verankert, was sie als lectio facilior erscheinen lässt. Für die Echtheit der doppelgliedrigen Formel mit der aktiven Form von katalu,ein spricht auch, dass die passive Form in keiner anderen Variante des Tempelwortes erscheint.65 In Mt 26,61 ist die Aussage insofern etwas entschärft, als die falschen Zeugen gehört haben wollen, dass Jesus den Tempel abreißen kann, aber nicht, dass er dies tun wird. Sowohl die Bezeichnung „Tempel Gottes“ als auch das erwähnte du,nasqai lassen die matthäische Variante zurückhaltender und weniger tempelkritisch erscheinen als die dezidiert futurische Prophetie der Markusvariante („Ich werde …“). Deshalb ist auch hier der anstößigeren Variante in Mk 14,58 als lectio difficilior der Vorzug zu geben, womit freilich nicht automatisch eine Kampfansage gegen den Tempel verbunden ist. Wahrscheinlich handelt es sich gerade dabei um ein (intrigantes?) Missverständnis der falschen Zeugen, da sich in den Evangelien nirgendwo sonst ein gewaltsames Vorgehen Jesu gegen den Tempel belegen lässt – das gilt auch für die Tempelaktion (s.u.). Auch die positive Aussage zur Wiedererrichtung des Tempels (2) würde in der Form von Mt 26,61; 27,40/Mk 15,29 als Gemeindebildung keinen Sinn machen, da es in dieser Form um denselben Tempel geht, der zerstört und aufgebaut wird.66 Im Neuen Testament wird aber zum einen nirgendwo auch nur angedeutet, dass sich Jesus oder seine Jünger im Sinne des herodianischen Tempelneubaus oder eines alternativen Projektes engagiert hätten und zum anderen fand auch nach 70 n.Chr. kein Tempelbauprojekt statt, das in irgendeiner Weise als Erfüllung dieser Ankündigung hätte gewertet werden können. 65 66

ÅDNA, Stellung, 119. BERGER, Theologiegeschichte, 605.

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Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum

Eine Gemeindebildung käme daher ausschließlich in Verbindung mit der erwähnten Drei-Tage-Frist (3) und/oder der Antithese ceiropoi,hton – avceiropoi,hton (4) in Betracht. Die Drei-Tage-Frist ist durchgängiger Bestandteil in allen fünf positiven Aussagen des zweiten Teils des Logions. Sie fehlt lediglich in EvThom 71, wo das zweite Satzglied jedoch auch keine positive Aussage enthält. Die Drei-Tages-Frist steht natürlich unter dem Verdacht, im Licht der Osterereignisse formuliert worden zu sein und Joh 2,19 stellt das Tempelwort auch bewusst in diesen Zusammenhang. Allerdings ist zu beachten, dass die Ankündigung der Auferstehung nach drei Tagen in allen synoptischen Worten entweder mit der Präposition meta, mit Akkusativ67 oder mit einer Zeitpunktbestimmung im Dativ68 gebildet wurde. Die für das Tempelwort charakteristischen Präpositionen evn und dia, spielen in den Auferstehungsankündigungen dagegen keine Rolle. Vielmehr sind diese Präpositionen traditionsgeschichtlich gesehen Teil einer semitischen Redewendung zur Bestimmung durativer Fristen. Die Frist „in drei Tagen“ fungierte dabei als relative Angabe einer kurzen oder längeren Zeitspanne und ist als Anspielung auf die Auferstehung nicht so eindeutig, wie es zunächst scheint.69 Im Rahmen eines ursprünglichen Jesus-Logions wäre die Drei-Tage-Frist somit als Ankündigung zur Errichtung eines Tempelbaus in einer unbestimmt kurzen Zeit durchaus plausibel.70 Der Verdacht einer metaphorischen „Entschärfung“ des Tempelwortes durch die frühe Gemeinde ist auch bei der Antithese ceiropoi,htonavceiropoi,hton in Mk 14,58 nicht von der Hand zu weisen.71 Allerdings hat Ådna gezeigt, dass sich die Antithese zum einen traditionsgeschichtlich von Ex 15,17b her verstehen lässt, wo sie keine polemische oder pejorative Konnotation hat, sondern lediglich auf eine Errichtung eines Tempels durch Gott selbst und nicht durch Menschen hinweist.72 Zum anderen lässt sich gerade für diese antithetischen Adjektive eine aramäische sprachliche Vorgabe in Dan 2,45 aufweisen, wodurch auch eine Rückübersetzung ins Aramäische problemlos möglich wird.73 67 68

15,4.

Vgl. Mk 8,31; 9,31; 10,34; Mt 27,63. Vgl. Mt 16,21/Lk 9,22; Mt 17,23; Mt 20,19/Lk 18,33; Lk 24,7; Act 10,40; 1Kor

69 ÅDNA, Stellung, 120. Vgl. zur Drei-Tages-Frist im Sinne einer langen Zeitspanne Jos 2,16; 1Sam 20,5.19; Jon 3,3; 2Chr 20,25; 2Makk 5,14. Als Bezeichnung einer kurzen Frist werden drei Tage in Jos 1,11; 2Sam 20,4; 2Kön 20,8 und Hos 6,2 erwähnt. Auch JEREMIAS, Drei-Tage-Worte, 225.229, plädiert für eine vorösterliche Überlieferung. 70 Vgl. B AUER, Drei Tage, 356f.; J EREMIAS, Drei-Tage-Worte, 226; KRAUS, Tod Jesu, 225, Anm. 136. 71 Vgl. Phil Mos 2,88f.; SpecLeg 1,66f. 72 ÅDNA, Stellung, 122–127; vgl. STUHLMACHER, Theologie I, 84. 73 ÅDNA, Stellung, 127f.

2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu

295

Das Attribut ceiropoi,hton hat in der LXX und in weiten Teilen der frühjüdischen Literatur eine eindeutig pejorative Bedeutung, denn der Spott über das handwerkliche Herstellen von Götzenbildern war ein stereotypes Element der atl. und frühjüdischen Götzenpolemik. 74 Neben dieser jüdisch-hellenistischen, anti-idolatristischen Konnotation hat der Begriff jedoch auch noch einen genuin hebräisch-atl. Hintergrund. So bringen die beiden Adjektive bereits im Tempelweihgebet Salomos die Begrenztheit eines von einem Menschen gebauten Hauses als Wohnung für den selbst von Himmel und Erde nicht zu fassenden Gott zum Ausdruck (1Kön 8,27; vgl. Jes 66,1f.). Auch bei Philo, Mos 2,88f., hat der Begriff im Blick auf das mit Händen gemachte Zentralheiligtum (h`` skhnh,) keinen pejorativen Akzent. In SpecLeg 1,66f. dient der verwandte Begriff to. ceiro,kmhton zur Unterscheidung des irdischen Heiligtums vom Weltall als dem höchsten und wahrhaftigen Heiligtum Gottes. Damit wird zwar der bloße Abbildcharakter des Jerusalemer Tempelheiligtums hervorgehoben, was dieses aber nicht grundsätzlich in Frage stellt.75 Ein ganz ähnliches Verständnis findet sich in der Areopagrede des Paulus: Gott, der Schöpfer und Herr des Himmels und der Erde, „wohnt nicht in mit Händen gemachten Tempeln“ (Act 17,24; vgl. Act 7,48). Auch in Hebr 9,11.24 markiert der Begriff zwar die Unvollkommenheit des irdischen Heiligtums gegenüber dem vollkommenen, himmlischen Heiligtum, qualifiziert ersteres jedoch nicht als absolut negativ. In 2Kor 5,1 wird der Begriff avceiropoi,htoj im Sinne von „unvergänglich, ewig“ im Unterschied zur vergänglichen und sterblichen „irdischen Behausung“ des Leibes verwendet, und in Kol 2,11 steht das Adjektiv für eine „nicht mit Händen“ gemachte Beschneidung durch Christus in Antithese zur jüdischen Beschneidung. Ansonsten findet sich diese Negativform des Adjektives nur sehr selten und in der LXX und frühjüdischen Literatur gar nicht. Die Negativform wird somit nie im Rahmen der Götzenpolemik verwendet, sondern ausschließlich im Rahmen einer vergleichenden Beschreibung von göttlich-vollkommenen Dingen gegenüber menschlich-unvollkommenen. Um exakt diesen Gegensatz zwischen einem von Menschenhand gebauten und deshalb unvollkommenen und einem von Gottes Hand errichteten und deshalb vollkommenen Tempel geht es auch in Mk 14,58.76 Damit liegt das 74

Lev 26,1; 26,30; Jes 2,18; 10,11; 16,12; 19,1; 21,9; 31,7; 46,6; Dan 5,4; 5,23; 6,28; Bel 1,5(Th); SapSal 14,8; Jdt 8,18; vgl. Jes 44,10–17; vgl. auch Jos Bell 5,400.458f.; Sib 3,604–606.616–618.718–723; 4,6–17; vgl. auch FASSBECK, Tempel der Christen, 90–99, und P AESLER, Tempelwort, 210–212. 75 Vgl. W ARDLE, Jerusalem Temple, 183, Anm. 61: „Philo's use of this terminology reveals that these adjectives did not necessarily entail critique and could simply be used to describe the humble origins of the temple and tabernacle.“ 76 Für ein eindeutig polemisches Verständnis der Antithese tritt dagegen P AESLER, Tempelwort, 210–222, im Anschluss an LINNEMANN, Studien, 121f., ein; vgl. auch B EALE, Temple, 224f. Demnach werde ceiropoi,htoj im Neuen Testament immer dort gebraucht, „wo sich der von Christus erschlossene Zugang zu Gott als der jüdischen Tradition überlegen erweist und das jüdische Heilsgut somit seiner exklusiven Stellung beraubt“ (218). Entsprechend werde es in der Tradition der Fremdkultkritik immer von Christen gegen das Judentum verwendet (ebd.). Vor dem Hintergrund einer polemischen Intention müsste die Antithese zwingend als sekundäre Interpolation verstanden werden. Mit dem ausschließlich polemischen, in der frühjüdischen Fremdkultkritik wurzelnden Verständnis der Antithese wird P AESLER jedoch der nuancierten und deutlich unpolemischen Verwendung der Adjektive in zahlreichen frühjüdischen und ntl. Belegen nicht gerecht; vgl. auch Rebell, Art. ceiropoi,htoj/avceiropoi,htoj, 1112f. zu Act 7,48; 17,24: „An beiden Stellen wird keine grundsätzliche Kritik zum Ausdruck gebracht.“

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Tempelwort in einer traditionsgeschichtlichen Linie, deren Ursprung in Ex 15,17f. zu suchen ist, dem locus classicus für ein von Gott mit eigenen (und damit nicht mit menschlichen) Hände errichtetes Heiligtum.77

Versteht man die Antithese nicht im Horizont der frühjüdischen Götzenpolemik, sondern als schlichte Unterscheidung eines von Menschenhand hergestellten Gebäudes im Unterschied zu einem Tempel, der allein auf Gottes Wirken zurückgeht (vgl. Jes 60,13; äthHen 90,28f.) und bereits in Ex 15,17f. angekündigt ist, dann wäre auch die Antithese ceiropoi,hton – avceiropoi,hton im Munde Jesu vorstellbar und könnte ein authentischer Teil des ursprünglichen Jesuslogions gewesen sein.78 2.1.3 Die Bedeutung des Tempelwortes Wenn die Rekonstruktion des ursprünglichen Tempelwortes zutrifft – eine letzte Sicherheit ist hier nicht zu gewinnen –, dann wäre aber nicht erst in der johanneischen Rezeption des Tempelwortes in Joh 2,19 ein metaphorisches Verständnis des Wortes im Blick auf Jesu Leib und Auferstehung angezeigt, sondern bereits in einem mit Mk 14,58 identischen, ursprünglichen Tempelwort selbst.79 Mit dem Stichwort avceiropoi,hton hätte Jesus angezeigt, dass er den ihm vor Augen stehenden Tempel vom bestehenden Jerusalemer Tempel deutlich unterscheiden wollte und keinen Tempelneubau im Sinn hatte, der den Abriss des bestehenden Tempels zwangsläufig voraussetzt.80 Vielmehr wird durch das Attribut angedeutet, dass es sich um eine wie auch immer geartete metaphorische Größe81 handelt, woran die junge Gemeinde nach Ostern ekklesiologisch anknüpfen konnte.82 77

Vgl. ÅDNA, Stellung, 91–110.144.147.151–153. Er zeigt wie Ex 15,17b bereits in 4Q 174 3,1–5 eine erste Aufnahme und Interpretation erfährt. Auch SCHWEMER, König, 356, betont diesen Zusammenhang: „Streicht man das Gegensatzpaar ‚mit Händen gemacht‘ – ‚nicht mit Händen gemacht‘, … so versperrt man sich den Blick für die alttestamentliche Prophetie, die hier mit messianischer Vollmacht neu ausgelegt wird: das Schilfmeerlied Ex 15,17f. […] Sieht man den inneren Zusammenhang zwischen der Königsherrschaft Gottes und dem eschatologischen Tempel nicht, so hat man außerordentliche Schwierigkeiten, dieses Herrenwort, das alle Kennzeichen der Authentizität trägt, zu verstehen.“ 78 ÅDNA, Stellung, 127, spricht entsprechend vorsichtig von der „Vorstellbarkeit“ einer Authentizität. Vgl. auch THEISSEN/MERZ, Jesus, 381: „Jesus wird erwartet haben, daß Gott ihn zerstört und auf wunderbare Weise einen neuen Tempel an seine Stelle setzt“. 79 Vgl. auch B ETZ, Probleme, 632: „Der zweite, positive Teil dieses Wortes, der den Bau eines neuen, andersartigen Tempels verheißt, ist ohne Zweifel authentisch, von Jesus gesprochen als wichtiger, wenn auch indirekter, Hinweis auf sein messianisches Sendungsbewußtsein.“ 80 Richtig gesehen von B ERGER, Theologiegeschichte, 605. 81 Ein solch metaphorisches Verständnis wird durch die Qumrantexte und ihr Tempelverständnis nun aber gerade nicht gestützt. So sehr der yaḥad den Jerusalemer Tempelkult ablehnte, so sehr betrachtete man den alternativen Kult in der Wüste und das Ver-

2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu

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J.P.M. Sweet versucht eine direkte Traditionslinie von Jesu Tempelwort zum paulinischen Gebrauch der Tempelmetapher nachzuweisen. So sieht er in 2Kor 5,1 eine direkte paulinische Anspielung an Jesu Tempelwort, zumal Paulus die Korinther mit dem einleitenden oi;damen an bereits Bekanntes erinnern will.83 Neben dem Begriff des Zeltes, der als Metapher für den Tempel gebräuchlich war, finden sich hier auch die Begriffe katalu,ein, oivkodomh, und avceiropoi,htoj, was die Stelle rein sprachlich als nächste Parallele zum Tempelwort erscheinen lässt, obwohl die Begrifflichkeit hier in einem völlig anderen Kontext und mit einer anderen Aussageintention gebraucht wird. Eine von Mt 16,18 her geprägte Anspielung auf das Tempelwort zieht er ferner für Gal 2,18 in Erwägung. 84 Doch mehr als „the likelihood, that Paul knew, and assumed his hearers knew … the Temple-saying“ kann auch er nicht erweisen.85 Am ehesten lässt sich 1Kor 3,11 im Horizont von 1Kor 3,16f. als eine Anspielung auf das Tempelwort verstehen. Trifft dies zu, wäre Jesus hier als Tempelgründer charakterisiert.86

Eine gewisse Bestätigung findet diese Deutung zum einen in der Beobachtung, dass in der frühen Christenheit weder vor noch nach 70 n.Chr. die Erwartung einer Restitution des irdisch-physischen Tempels begegnet, ganz im Gegenteil (vgl. Apk 21,22!). Jesu Tempelwort hatte offensichtlich in dieser Hinsicht keine Wirkungsgeschichte.87 Damit unterschied sich die junge christliche Gemeinde signifikant von den frühjüdischen Erwartungen einer eschatologischen Restitution des physischen Tempels.88 Dass ein metaphorisches Verständnis bereits im Ursprung des Wortes lag, wird zum anderen aber auch in der von Markus herausgestellten ironischen Hintergründigkeit von Mk 15,29 deutlich: Die Volksmenge, die Jeständnis des yaḥad als alternative Tempelsubstitution lediglich als ein befristetes Interim, das durch Gottes eschatologisches Heiligtum, das man sich als ein reales Bauwerk vorstellte, wieder abgelöst werden würde. 82 Eine ganze Reihe von Exegeten ist der Überzeugung, dass Jesus hier bereits selbst an den metaphorischen Tempel seiner Jünger und Nachfolger dachte, so z.B. PESCH, Mk II, 433, und B ETZ, Probleme, 630f., der hinter dem Tempel das neue Gottesvolk vermutet, „das er als Messias zu einem lebendigen Heiligtum gestaltet“. An die Gemeinde als „geistlichen Tempel“ denken auch W EISS, Mk, 472; JEREMIAS, Jesus, 40.81; LOHMEYER, Mk, 326f.; MICHEL, Art. nao,j, 888; SCHWEIZER, Mk 180; SWEET, House, 389f., vgl. auch SÖDING, Tempelaktion, 41. WRIGHT, Victory, 426, zieht auch eine Selbstidentifikation Jesu in Erwägung. Bestritten wurden und werden diese Deutungen u.a. von W ENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 100; LOHSE, Art. cei,r, 425f.; LINNEMANN, Studien, 121f. und P AESLER, Tempelwort, 203–228. 83 SWEET, House, 371f. 84 SWEET, a.a.O., 378–382. 85 SWEET, a.a.O., 371. 86 Vgl. LIU, Purity, 111: „The image oft he temple-founder is exactly how Paul attempts to identify Jesus Christ in his metaphor.“ 87 Dies könnte auch der Anlass für die Umformung des Wortes in EvThom 71 gewesen sein. Jesu Tempelwort wurde hier nach 70 n.Chr. den historischen Gegebenheiten angepasst, vgl. T HEISSEN/MERZ, Jesus, 381. 88 Vgl. Tob 13,10; 14,5; Jub 1,15–17.27–29; äthHen 89,73; 90,28f.; 91,13; 4Q174 3,2f.; 11Q19 29,7–10; TSach 6,12f.; TJes 53,5.

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Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum

sus spottend das Tempelwort vorhält, versteht nicht, dass die Erfüllung dieses Wortes bereits in vollem Gange ist.89 Die metaphorische Bedeutung des Tempelaufbaus muss aus diesem Grund bei Matthäus und Markus im Zusammenhang der Passion Jesu gesucht werden. Angesichts der komplexen Überlieferungssituation und der vielen offenen Fragen sollte diesem Logion jedoch auch umgekehrt nicht zu viel Beweislast aufgebürdet werden.90 Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann lediglich vermutet werden, dass Jesus nicht mit der Unzerstörbarkeit des Tempels gerechnet hat und gleichzeitig den Ort der Präsenz Gottes metaphorisch neu interpretieren konnte, wobei er ihn als eine Größe betrachtete, die im Anschluss an Ex 15,17 ganz aus Gottes Hand und nicht aus Menschenhand resultiert. Eine dezidierte Kritik am vorfindlichen Tempel nach dem Vorbild der frühjüdischen Tempelkritik (→III.2.3), gar mit dem Ziel seiner Substitution, ist aus dem Logion nicht abzuleiten. Zusammen mit der Beobachtung, dass nirgendwo in den Evangelien erwähnt wird, dass Jesus und seine Jünger sich den üblichen Reinigungsriten während der Passahwoche unterworfen hätten (vgl. Joh 18,28 mit 13,10),91 deutet dieses Wort lediglich auf eine Distanz zur zeitgenössischen Tempelfrömmigkeit und -theologie hin, nicht jedoch gegenüber dem Tempel an sich, der für Jesus nach wie vor als

89

S IEGERT, Tempel, 109 und 113: „Sollte Jesus seinen Leidensweg vorausgesehen haben, so hat er dies am ehesten metaphorisch ausgesprochen – mit einem Wort wie dem hier zu erklärenden“ (kursiv bei S.). 90 Dies gilt auch für die messianische Deutung ÅDNAS, Stellung, 142–153, wonach sich Jesus im Licht der Nathanweissagung aus 2Sam 7,12–14 als „messianische[r] Bauherr des eschatologischen Tempels auf dem Zion“ (143) verstanden habe; ähnlich P ESCH, Mk II, 434f., mit Hinweis auf 4Q174 3,1–13 und TJes 53,5. Es ist jedoch alles andere als eindeutig, dass es „zur Zeit Jesu eine traditionsgeschichtlich längst feststehende Tatsache [war], daß der gegenwärtige Jerusalemer Tempel dem eschatologischen Tempel weichen muß“ und die „Ersetzung des gegenwärtigen, herodianischen Tempels durch einen neuen, von Gott selbst errichteten Tempel […] ein zentraler Bestandteil des unmittelbar bevorstehenden eschatologischen Dramas“ ist (148). Die frühjüdischen Tempeltraditionen sind zu vielfältig und die synoptischen Tempeltraditionen zu dünn, als dass eine solche Schlussfolgerung mehr als den Status einer Hypothese beanspruchen könnte. 91 T HEISSEN/MERZ, Jesus, 380f. Exakt dieser Umstand wird im apokryphen Evangelienfragment des Papyrus Oxyrhynchus 840 Jesus und seinen Jüngern von einem pharisäischen Oberpriester explizit zum Vorwurf gemacht. Dagegen setzt SANDERS, Figure, 250f., die Teilnahme an den üblichen Reinigungsriten stillschweigend voraus. Die Notiz in Mk 11,11, wonach Jesus den Tempel (wie ein „Tourist“) besichtigte, unterstreicht den Eindruck einer gewissen Distanz. Ob er allerdings aufgrund seiner galiläischen Herkunft ein „weniger partriotisches Verhältnis zum Tempel gehabt“ hatte, so SIEGERT, Tempel, 124, bleibt eine Spekulation.

2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu

299

erwählter Ort der göttlichen Präsenz galt.92 Anders ist der positive Bezug auf Jes 56,7 und das dort enthaltene Possessivpronomen (o`` oi=koj mou) und die ständige Orientierung am Tempel während der letzten Passawoche Jesu (vgl. Mk 14,49/Lk 22,53) nicht zu erklären.93 Jesu Haltung zum Jerusalemer Kult steht damit in einer gewissen Analogie zum Täufer. Von einer direkten Kritik am Tempel und seinem Personal kann hier zwar keine Rede sein. Aber mit dem bestehenden Kult hat Jesus keinerlei Erwartungen mehr verbunden. Vielmehr reflektiert sich auch im Tempelwort der Anspruch Jesu, wesentliche Funktionen des Tempels selbst zu übernehmen. 2.2 Die Tempelaktion Jesu (Mk 11,15–17parr) In konzentrierter Weise kommt Jesu Haltung zu Priestertum und Tempel in der sog. „Tempelreinigung“ zum Ausdruck (Mk 11,15–17parr).94 Die Benennung der Perikope mit der mittlerweile eingebürgerten Bezeichung „Tempelreinigung“ legt den Leser bereits auf eine bestimmte Deutung des Geschehens fest: Jesus reinigt den Tempel von seiner Verunreinigung durch einen kommerzialisierten Tempelbetrieb und eine profitorientierte Priesterklasse.95 Diese Deutung impliziert, dass sich Jesu Handeln lediglich gegen den kommerzialisierten Missbrauch des Tempels, aber nicht gegen den Tempel selbst richtete.96 Das Hauptproblem dieser Interpretation ist die Unterscheidung zwischen einem ursprünglich „reinen“ und einem gegenwärtig aufgrund des Missbrauchs verunreinigten Tempel. Die Berechtigung dieser Unterscheidung ist aber höchst fraglich, denn es ist schlicht nicht vorstellbar, dass der Tempelkult zu irgendeiner Zeit ohne die Infrastruktur der vielen Opfertierhändler und Münzwechsler funktionierte. Während die Händler für die Bereitstellung der riesigen Mengen von kultisch reinen, unversehrten und bereits vor dem Verkauf priesterlich geprüften Opfertiere sorgten, kamen die Geldwechsler dem Interesse des Hohepriestertums nach einer einheitlichen Münzwährung im Tempel entgegen.97 Das System des Tempelmarktes war z.Zt. Jesu trotz kleinerer Missstände kein 92 Vgl. SIEGERT, Tempel, 127: Jesu „Verhältnis zum Tempel läßt sich […] wohl am besten mit dem Wort ‚Unabhängigkeit‘ beschreiben. […] Dem Tempel als solchem galt bei ihm kein besonderes Interesse, wohl aber dem rechten Gottesdienst.“ 93 BETZ, Probleme, 632. 94 Zur neueren Literatur und zu den verschiedenen Deutungsvorschlägen dieser Perikope, die ebenfalls eine crux interpretum der ntl. Forschung darstellt, vgl. SNODGRASS, Temple Incident, 462ff. und 476–480, sowie die umfangreiche Literaturliste bei KRAUS, Tod Jesu, 201, Anm. 4. 95 Vgl. z.B. JEREMIAS, Theologie I, 144f.; HORSLEY, Spiral of Violence, 299; T AN, Zion Traditions, 185.187.231f.; ähnlich auch GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 164f. und neuerdings, mit suggestivem Impetus, W ARDLE, Jerusalem Temple, 172–181. 96 Zur Forschungsgeschichte dieser Interpretation siehe ÅDNA, Stellung, 16f. 97 Vgl. hierzu SANDERS, Jesus and the Temple, 365; ÅDNA, Stellung, 251–253; P AESLER, Tempelwort, 243f. GNILKA, Mk II, 127f., und SÖDING, Tempelaktion, 60, Anm. 115, lehnen einen Einfluss von Sach 14,21b zu Recht ab, anders KRAUS, Tod Jesu, 207–209; P AESLER, Tempelwort, 245–249, und GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 164, welche

300

Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum

Auswuchs einer kapitalistischen Kommerzialisierung,98 sondern seit frühester Zeit eine zwingende „innerbetriebliche“ Notwendigkeit.99 Die Deutung der Perikope im Sinne einer „Reinigung“ des Tempelheiligtums vom kommerzialisierten Missbrauch desselben, kann sich lediglich auf das Stichwort „Räuberhöhle“ aus Jer 7,11 in Mk 11,17par stützen. Ådna hat in seiner Untersuchung aber gezeigt, dass der Sinngehalt dieses Begriffs im Kontext von Jer 7,11 ein ganz anderer war. Es geht bei der jeremianischen Anklage nicht um den Missbrauch des Tempels als Asyl für (kapitalistisch-gewinnsüchtige) Diebe oder Verbrecher, sondern darum, dass Israel den Tempel und die mit ihm verbundene Verheißung der heilvollen Präsenz Jahwes als Refugium einer vermeintlichen Heilssicherheit missversteht (analog zu einer Räuberhöhle) und meint, aufgrund dessen weiterhin gefahrlos den Gotteswillen ignorieren zu können. In Aufnahme der jeremianischen Kritik wirft Jesus nun den Geldwechslern, Taubenverkäufern und Bediensteten des Tempelbetriebs vor, den Tempel zu einer illusionären „Räuberhöhle“ gemacht zu haben, in die sie sich im falschen Vertrauen auf die Heilswirksamkeit des von ihnen ausgestatteten Opferkultes zurückgezogen haben.100 E.P. Sanders und ihm darin folgend P. Fredriksen, K.R. Snodgrass und in eigener Weise auch T. Wardle haben Jesu Tempelaktion dagegen im Licht der atl. und frühjüdischen Erwartung eines neuen, eschatologischen Tempels101 als Gerichtssymbol bzw. als „enacting a restoration eschatology“102 gedeutet, das die unmittelbar bevorstehende Zerstörung des bestehenden Tempels und die darauf folgende Errichtung eines neuen und eschatologischen Tempels ankündigen soll.103 Diese Deutung liest freilich mehr in den Text hinein als aus ihm heraus. So stellt sich zum ersten die Frage, ob das Umwerfen von Tischen in der relativ abseits liegenden königlichen Stoa von Jesu Zeitgenossen als Symbol der Tempelzerstörung wahrgenommen werden konnte.104 Zweitens ergibt sich das

die Attacke gegen die Händler allerdings nicht im Rahmen der „Kommerzialisierungskritik“ deuten, sondern im Sinne einer heilsgeschichtlichen Überflüssigkeit, da deren Dienstleistungen im Licht der heilsgeschichtlichen Stunde nun nicht mehr gebraucht würden. Sach 14,21 wird jedoch im Neuen Testament nirgendwo sonst zitiert. Hinzu kommt, dass sowohl der MT wie die LXX von Kanaanäern sprechen, die als Zwischenhändler aufgetreten sind und derer es im Jerusalem und Juda der Endzeit nicht mehr bedarf. 98 Vgl. GNILKA, Markus II, 128: „Grobe Mißstände, die beim Tempelmarkt aufgetreten wären, sind uns nicht überliefert“, ähnlich SÖDING, Tempelaktion, 38, Anm. 11, und ebd., 60, Anm. 116. 99 Der Ort in der königlichen Stoa konnte auch nicht durch die Händler „entweiht“ oder durch die Passanten, welche die Halle als Abkürzung zwischen Ölberg und Stadtzentrum benutzten, verunreinigt werden, wie dies H.D. B ETZ, Jesus, 461f., und PESCH, Mk II, 198, vermuten, denn die königlichen Hallen im äußersten Süden partizipierten nicht an der Heiligkeit des traditionellen Tempelquadrats. Eine Gefährdung der Heiligkeit oder gar eine Entweihung des Tempels war hier überhaupt nicht möglich, vgl. ÅDNA, Stellung, 342–346. 100 ÅDNA, Stellung, 267–275. 101 Vgl. Ez 40–48; äthHen 90,29; 91,13; 4Q174 3,1–5; sowie →III.2.3. 102 SNODGRASS, Temple Incident, 473–475. 103 SANDERS, Jesus and Judaism, 75f.; FREDRIKSEN, Jesus and the Temple, 299; W ARDLE, Jerusalem Temple, 173f.181. 104 Vgl. SNODGRASS, Temple Incident, 465: „Turning over tables is a weak symbol of destruction, if one at all.“

2 Tempelwort und Tempelaktion Jesu

301

Problem, dass für diese Deutung die Adressaten von Jesu Attacke, konkret die Geldwechsler und Taubenverkäufer, lediglich zufällige Objekte einer eigentlich auf den Tempel zielenden Symbolhandlung sind. Schließlich wird drittens aus der Tempelaktion nicht ersichtlich, worin hier ein Element der Erneuerung und der Hoffnung sichtbar werden soll.105

In seiner Studie hat J. Ådna diese Perikope minutiös untersucht und die markinische Version als die ursprünglichste Form verifiziert, der er auch ein hohes Maß an historischer Vertrauenswürdigkeit bescheinigt.106 Dazu trägt nicht nur die vierfache Bezeugung in allen Evangelien bei, sondern auch ihre Schlüsselfunktion für die Verhaftung und den Prozess Jesu. In sekundärer Gewichtung kommt hinzu, dass die Aktion als Gemeindebildung nicht erklärbar wäre.107 Während Ådna die geschilderte Aktion für eine gemäßigte und räumlich auf den Tempelmarkt108 begrenzte Symbolhandlung Jesu hält,109 deren In-

105

Vgl. ÅDNA, Stellung, 355–357. ÅDNA, Stellung, 300–333. Auch P ESCH, Mk II, 200; GNILKA, Mk II, 130; SANDERS, Jesus and the Temple, 362, Anm. 5; SÖDING, Tempelaktion, 50; REPSCHINSKI, Größeres, 163; FREY, Temple, 452f., und SNODGRASS, Temple Incident, 429–439, zweifeln nicht an der Historizität des Berichteten, das ein Ereignis aus den letzten Tagen vor Jesu Tod wiedergebe. Für die Historizität der Perikope sprach sich bereits R. B ULTMANN in der 1. Auflage seiner „Geschichte der synoptischen Tradition“ (1921 und ebenso in allen weiteren, ab der 2. Auflage 1931 nicht mehr veränderten Auflagen) aus, vgl. Geschichte, 59. Im Blick auf die johanneische Version in Joh 2,13–22 vermuten ÅDNA, Jesus‘ Symbolic Act, 462, und SNODGRASS, Temple Incident, 444, mit der Mehrheit der Forschung eine unterschiedliche und unabhängige Tradition, die jedoch mit der synoptischen Version durch einen gemeinsamen Ursprung verbunden sei. Insgesamt gilt die Tempelaktion Jesu als „one of the most secure in the Jesus material“, so SNODGRASS, Temple Incident, 429. Zu kritischen Stimmen im Blick auf die Historizität vgl. SNODGRASS, Temple Incident, 435, Anm. 24. 107 SNODGRASS, Temple Incident, 431. Weder ist ein Anlass für eine Gemeindebildung erkennbar noch ein möglicher Gewinn von einer solchen. Es lassen sich auch keine eindeutigen Parallelen für eine solche Handlung ausmachen und die Aktion lässt sich nicht einfach harmonisch in die Reihe der bisher in diesem Kapitel behandelten Belege zu Jesus und dem Tempel bzw. der Priesterschaft einfügen. Schließlich hätte man eine Gemeindebildung kaum in so einem obskuren Zustand gelassen, sondern eine entsprechende Deutung mitgeliefert. 108 Dieser Tempelmarkt ist nach ÅDNA, Stellung, 247–251; DERS., Jesus‘ Symbolic Act, 463, vgl. auch SNODGRASS, Temple Incident, 449–452, architektonisch-archäologisch in der basilikalen Halle an der südlichen Wand des Tempelbezirks zu lokalisieren, der sog. königlichen Stoa, die in erster Linie dem Handel mit kultischem Tempelequipment diente, vgl. Jos Ant 15,411–416, sowie mSheq 5,3; 6,5; 7,2; mBek 2,4; tSheq 3,9. 109 ÅDNA, Stellung, 301–306; DERS., Jesus‘ Symbolic Act, 463.471; PESCH, Mk II, 198. Nach SANDERS, Jesus and the Temple, 372f., handelt es sich um eine prophetische Zeichenhandlung, welche die kommende Zerstörung des Tempels symbolisch andeuten soll. Deutlich ist jedoch, dass es weder um eine vollständige Besetzung des Tempels 106

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Kapitel V: Jesus, der Tempel und das Jerusalemer Priestertum

tention ausschließlich eine Signalwirkung war und keine nachhaltige Veränderung der Zustände,110 führt Snodgrass eine Reihe von Gründen an, die für eine umfangreichere Aktion sprechen und diese auch als historisch denkbar erscheinen lassen.111 Im Hintergrund steht bei ihm allerdings der Versuch, die Tempelaktion als Anlass für Jesu Verhaftung plausibel zu machen.112 Ein Konnex zwischen beiden Ereignissen ist zwar durchaus möglich, aber alles andere als sicher. Konkret behindert Jesus den Geldumtausch durch die Geldwechsler,113 den Handel mit Opfertauben114 und den Transport von Gefäßen mit Geld oder Opfergaben wie Mehl, Öl oder Wein.115 Jede einzelne dieser Maßnahmen dient nicht wie oft angenommen der „Reinigung“ von einer illegitimen Kommerzialisierung des Tempelbezirkes oder der Wahrung seiner angeblich gefährdeten Heiligkeit,116 sondern zur Einschränkung und zumindest symbolischen Unterbindung des Opferkultes, der ganz wesentlich

ging, so LOHMEYER, Mk, 237, noch um eine unhistorische Fiktion, so HAENCHEN, Weg Jesu, 382–389. 110 Sonst hätte Jesus seine Aktion in viel umfangreicherer und massiverer Art und Weise planen und durchführen müssen, freilich mit dem Ergebnis, dass sich der Konflikt mit den jüdischen Autoritäten augenblicklich zugespitzt hätte, und eine weitere öffentliche Wirksamkeit in Jerusalem undenkbar gewesen wäre. 111 SNODGRASS, Temple Incident, 447–454. 112 SNODGRASS, Temple Incident, 447: „The more one makes the event a minor incident, the more difficult it is to see it as causing Jesus’ arrest.“ 113 Da im Tempel nur mit dem tyrischen Shekel bezahlt werden konnte, vgl. tKet 12,6, hatten die Geldwechsler eine sehr grundlegende Funktion für den Kultbetrieb. Sie ermöglichten den zahlreichen Pilgern aus der mediterranen Welt den Erwerb von Opfertieren und damit die Partizipation am und den geistlichen Profit vom Sühnekult. Der tyrische Shekel war allerdings keine „bildlose“ Münze, wie häufig behauptet wird, sondern diejenige mit der höchsten Qualität und dem höchsten Silbergehalt, vgl. SNODGRASS, Temple Incident, 455. 114 Armen, die sich teure Opfertiere wie Schafe, Lämmer, vgl. Lev 4,32; 12,6; 14,10.19f., oder Ziegen, Lev 4,28, nicht leisten konnten, wurden auf dem Tempelmarkt Tauben als Opfertiere angeboten, Lev 5,7; vgl. auch 12,8; 14,21–23. Nach SANDERS, Judaism, 91, wurden Tauben im 1. Jh. n.Chr. wesentlich häufiger geopfert als Vierfüßer. Die Taubenverkäufer ermöglichten so einer Mehrheit der Pilger überhaupt das Opfer. 115 Es lässt sich nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren, von welchem Inhalt Markus im Blick auf die von ihm erwähnten Gefäße ausgeht. Wahrscheinlich handelt es sich um Stein- oder Tongefäße, in denen entweder Geld oder vegetarische Opfergaben wie Wein, Öl oder Mehl transportiert wurde; vgl. ÅDNA, Stellung, 256–265. 116 SÖDING, Tempelaktion, 60, Anm. 116, macht darauf aufmerksam, dass die Händler durch die Bereitstellung makelloser Tiere gerade die Heiligkeit des Opferkultes garantierten. Hätte Jesus mit seiner Aktion gegen eine Entheiligung des Tempels protestieren wollen, wäre seine Aktion geradezu kontraproduktiv gewesen.

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auf dem reibungslosen Geldumtausch, dem Verkauf von Opfertauben und dem Transport von Opfergaben zum Altar basierte.117 Auffallend ist ferner, dass Jesus in keiner der synoptischen Versionen die Priester(schaft) anspricht oder gar kritisiert. Lediglich in Mt 21,15ff. wird ein kurzer Dialog mit den Hohepriestern und Schriftgelehrten erwähnt, der sich aber nicht direkt auf die Tempelaktion bezieht. Den eigentlichen Konflikt führt Jesus aber auch nicht mit den Taubenhändlern und Geldwechslern, sondern vielmehr mit der Hauptfunktion des Tempels: dem Opferkult. Durch die Sabotage der Dienstleistungen der Geldwechsler und Taubenhändler wird dieser Opferkult zeichenhaft an seinem sensibelsten Punkt unterbrochen.118 Die fehlende Kritik am Priestertum ist insofern bemerkenswert, als in der Zeit des zweiten Tempels alle Klagen über den Jerusalemer Kult immer mit einem kultisch und ethisch defizitären Priestertum und einem kultisch unzulänglichen Kultvollzug begründet wurden (→III.1.2). Dies gilt für die von Maleachi angekündigte „Reinigung“ und „Läuterung“ der „Söhne Levis“ (Mal 3,3) ebenso wie für die Kritik der Psalmen Salomos an der auch ethisch begründeten Unreinheit der im Tempel amtierenden Priester in hasmonäischer Zeit (PsSal 8,7–13). Nicht zuletzt wurzelt auch die Separation der Qumrangemeinschaft in der Kritik am sog. Frevelpriester (z.B. 1QpHab 12,8f.), dem Vorwurf priesterlichen Fehlverhaltens (z.B. CD 5,6–8), halachischer Fehlentscheidungen (4QMMT) und der Anwendung eines aus ihrer Sicht falschen Opferkalenders durch die Jerusalemer Priester, was automatisch alle Opfer ungültig macht (1QpHab 11,4–8). Verglichen mit der gesamten Agenda frühjüdischer Vorwürfe gegen das Jerusalemer Priestertum fällt der Bericht von der Tempelaktion Jesu gerade durch sein Schweigen gegenüber der Priesterschaft auf. Dennoch haben jüngst T. Wardle und K.R. Snodgrass versucht, die Tempelaktion Jesu im Zusammenhang der frühjüdischen Priesterkritik zu verstehen.119 Auf der Grundlage der fragwürdigen Kommerzialisierungsthese bzw. der damit verwandten, jedoch nicht deckungsgleichen, Korruptionsthese und einer höchst spekulativen, mit zahlreichen argumenti e silentio begründeten Beweisführung wollen beide Jesu Tempelaktion als einen Protest gegen hohepriesterlichen Amts- und Finanzmissbrauch („financial improprieties“, „economic malfeasance“), Korruption und Raffgier und umgekehrt als ein „enactment of restoration eschatology“120 deuten. Wardles These basiert auf einem nur oberflächlichen Verständnis des Begriffs sph,laion lh|stw/n, dem literarkritischen Zweifel

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Mit der Behinderung von Personen, die ein skeu/oj durch den Tempel trugen, waren wohl weniger Passanten gemeint, die den Weg durch den Tempel als Abkürzung zwischen Ölberg und Weststadt benutzten, vgl. mBer 9,5c, als vielmehr Pilger, die Kultgegenstände, speziell Opfergaben, in Richtung Tempel trugen. In der johanneischen Version werden auch die größeren Opfertiere mitsamt den Händlern und Geldwechslern aus dem Tempel getrieben, vgl. Joh 2,14f. 118 ÅDNA, Stellung, 385; ähnlich KRAUS, Tod Jesu, 210, und P AESLER, Tempelwort, 244. 119 W ARDLE, Jerusalem Temple, 172–181; SNODGRASS, Temple Incident, 455– 460.473–475. 120 SNODGRASS, Temple Incident, 474f.

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an der Echtheit der beiden atl. Zitate aus Jes 56,7 und Jer 7,11121 und einer Parallelisierung seiner postulierten (Hohe)Priesterkritik mit vier anderen frühjüdischen Texten. Dabei handelt es sich um zwei (!) „anecdotes“ des Josephus über hohepriesterlichen Amtsmissbrauch aus den Jahren 59–66 n.Chr.,122 einen sehr undeutlichen und schwer datierbaren Text aus AssMos 7,1–10 und einen späten rabbinischen Text aus tMen 13,21. Aufgrund dieser mehr als dürftigen Belege kommt Wardle zum Schluss, dass „there is good reason to think that this portrayal of priestly rapacity and corruption in these sources is founded on solid historical grounds“.123 Auch Snodgrass sieht in den vielfältigen frühjüdischen Anklagen gegen priesterliche Habgier und Korruption einen wesentlichen Hintergrund der Tempelaktion: „Jesus‘ action … was a critique of the ruling priests.“124 Dazu listet er die einschlägigen Belege frühjüdischer Tempel- und Priesterkritik auf, in denen auch von Habgier und finanziellen Unregelmäßigkeiten seitens der Priester die Rede ist.125 Nun ist in keiner Weise zu bestreiten, dass die Quellen ein gewisses Maß an Korruption widerspiegeln und die Situation zur Zeit Jesu nicht wesentlich besser gewesen sein dürfte als vorher und nachher. Gleichzeitig stehen wir aber vor der verblüffenden Tatsache, dass es nicht einen einzigen eindeutigen Beleg gibt, in dem Jesus die Priesterschaft diesbezüglich angreift. Die Aktion gilt eindeutig den Tempelhändlern und Geldwechslern, nicht den Priestern. Über die Kommerzialisierungsthese wurde oben das Nötige gesagt; die auf den einschlägigen frühjüdischen Belegen sich gründende Korruptionsthese ist jedoch eine andere. Wenn Jesu Aktion im Strom frühjüdischer Priester- und Tempelkritik verstanden werden soll, bleibt rätselhaft, warum diese nur auf die priesterliche Korruption und nie auf den viel umfassenderen, schwerwiegenderen und häufiger geäußerten Kritikpunkt der kultischen Verunreinigung zielt. Die (Hohe)Priesterschaft mag korrupt gewesen sein, aber nichts deutet darauf hin, dass Jesu Tempelaktion auf diesem Hintergrund motiviert gewesen wäre.126 Insofern scheitert Snodgrass‘ Deutung an dem von ihm selbst formulierten Kriterium:

121 W ARDLE, Jerusalem Temple, 176, behauptet einerseits die Unmöglichkeit, die exakten Worte Jesu im Kontext der Tempelaktion zu rekonstruieren, postuliert aber im gleichen Atemzug „that the content of this [sc. zwar artikulierten, aber nicht mehr rekonstruierbaren] pronouncement was directly tied to forms of commercialism sanctioned by the priestly overseers of the temple that he found particularly repugnant.“ 122 Jos Ant 20,181.206. 123 W ARDLE, Jerusalem Temple, 180. 124 SNODGRASS, Temple Incident, 470; vgl. ebd., 469: „[I]t was a protest against the temple leadership and the way temple affairs were being conducted.“ 125 SNODGRASS, Temple Incident, 455–460, listet folgende Belege auf: 1QpHab 8,7– 13; 4QpNah [4Q 169] f3 und 4 1,10; CD A 6,14–17; 4QpPs 37 2,14; 3,6.12; 4QMMT 82f.; äthHen 89,72f.; TestLev 14,1–15,1; 17,8–11; TestJud 23,1–3; AssMos 5,3-6,1; Jub 23,21; PsSal 1,8; 8,9–13; PesR 47,4; tMen 13,18–23; TJes 28,1–4; T1Sam 2,17–32; mBek 5,4; mKer 1,7; mSheq 1,3; Avot Rabbi Natan 4. Er schließt mit dem Fazit, 460: „It would be naive to argue corruption was not a factor.“ 126 SNODGRASS, Temple Incident, 471, geht selbst auf dieses Problem ein und kommt dann zu dem Fazit: „Regarding the question why Jesus did not attack the ruling priests more directly, it would seem that this concern was more commercialism than corruption, and the former would be most obvious at the southern end of the temple complex.“ Kommerzialisierung ist aber etwas anderes als Korruption. Während letztere im frühjüdischen Schrifttum häufig thematisiert wird, ist dies bei ersterer nicht der Fall.

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„Any acceptable conclusion must be able to bring together Jesus‘ action with his teaching in other contexts.“127

Eine sinnvolle Interpretation der Tempelaktion gelingt dagegen nur von der Komposition der markinischen Passionserzählung her, die beginnend mit der dritten Leidensanküngung Jesu messianischen Selbstanspruch herausstellt, sein Leben als messianischer Menschensohn und Gottesknecht stellvertretend als Sühnegeld „für die vielen“ hinzugeben (Mk 10,45/Mt 20,28; vgl. Jes 53,11).128 Aufgenommen wird dieses den Tod Jesu im Licht von Jes 53 und Ps 49,8 deutende Lösegeldwort in der markinischen Version vom Kelchwort in Mk 14,24, das ebenfalls eine Deutung des Todes Jesu im Sinne eines stellvertretenden Sühneopfers impliziert (vgl. Jes 53,11; Ex 24,8).129 Eingerahmt von diesen beiden sühnetheologisch konnotierten Todesdeutungen erscheint Jesu Beeinträchtigung des Opferbetriebs als eine Störung des kultischen Sühne- und Vergebungsrituals.130 In der synoptischen Einordnung zwischen Lösegeld- und Kelchwort muss die Tempelaktion vom Ende der Passawoche her und im Licht von Kreuz und Auferstehung interpretiert werden.131 Im Horizont der markinischen Passionsgeschichte erscheint die Perikope als eine symbolische Abrogation des Tempelkultes und des kultischen Sühneinstituts. Beide werden nun durch Jesu stellvertretenden Sühnetod und die mit diesem offenbarte neue Heilsordnung obsolet und abgelöst.132 127

SNODGRASS, Temple Incident, 464. STUHLMACHER, Theologie I, 120–122.128–130; GÄCKLE, Deutung, 54–58; ÅDNA, Stellung, 429. Letzterer macht a.a.O., 428f., auch darauf aufmerksam, dass „Jesu Tempelaktion […] zeitlich, kompositionell und sachlich vom Lösegeldwort Mk 10,45 und den Spendeworten Mk 14,22.24 umschlossen [ist] und […] in Kohärenz mit ihnen gedeutet werden [muß].“ 129 STUHLMACHER, Theologie I, 131–137; GÄCKLE, Deutung, 58–61. 130 ÅDNA, Jesus‘ Symbolic Act, 469; P AESLER, Tempelwort, 244: „zeichenhafte Verunmöglichung und Aufhebung des Jerusalemer Kultbetriebs“ (kursiv bei P.); vgl. auch GNILKA, Mk II, 129: Trifft dies zu [sc. dass es bei den Geräten um Opfergaben von Pilgern ging], betrachtete bereits der vormarkinische Bericht das Vorgehen Jesu gegen den Tempel nicht als Säuberung, sondern als Ausdruck der Abschaffung des Kultes.“ 131 ÅDNA, Jesus‘ Symbolic Act, 472; vgl. DERS., a.a.O, 472f.: „The claim of the postEaster Christian community that the death of Jesus, once for all, had brought about atonement and, consequently, had replaced the sacrificial cult in the Temple thus stood in continuity with this aspect of substitution in the mission of Jesus in accordance with the way he had conceived of it himself.“ 132 GNILKA, Mk II, 131; MERKLEIN, Botschaft, 134–144; DERS., Künder, 147–150; SÖDING, Tempelaktion, 41.61f.; P AESLER, Tempelwort, 249; HENGEL, Jesus und die Tora, 160: „Wo Gott selbst sein Volk ‚heimsucht‘, bedarf es der Vermittlung durch den Opferkult nicht mehr, der Tempel muß Gottes Gegenwart selbst Platz machen.“ Auch FREY, Temple, 469, deutet die Tempelaktion im Markusevangelium im Licht des Todes Jesu und des dabei sich spaltenden Vorhangs im Tempel als ein Geschehen, das von der Passion Jesu her zu verstehen ist: „Thus, the perspective adopted in Mark 11:17 is not 128

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Während es in den frühjüdischen Diskussionen und Schismen stets um die kultische Legitimität des Tempels und seiner Priesterschaft ging, geht es in den Synoptikern vor dem Hintergrund des messianischen Anspruchs Jesu und seines bevorstehenden Sühnetodes um die zentrale Funktion und Zweckbestimmung des Tempels als solcher: Es geht um den mediatorischen Sühnekult. Der Tempel als Ort der heilvollen Präsenz Gottes und der priesterlichen Mediation der Vergebung der Sünden hat im Horizont von Kreuz und Auferstehung Jesu seine wesentlichen Funktionen verloren, was nicht zuletzt – wie noch zu zeigen sein wird – auch in der synoptischen Tradition vom sich spaltenden Vorhang als unmittelbarer Konsequenz des Todes Jesu zum Ausdruck kommt (→V.3).133 Diese Interpretation der Perikope erklärt auch den Alarmzustand der Priesterschaft, denn mit dem Tempel war doch nicht weniger als ihre eigene Existenzberechtigung verquickt. Das Scheltwort Jesu in Anlehnung an Jer 7,11 vergleicht die Händler und Geldwechsler mit den Zeitgenossen Jeremias, die in gleicher Weise geblendet durch eine falsche Heilssicherheit die Zeichen der Zeit nicht erkannten. Ein weiteres Festhalten am Opferkult wäre angesichts des gekommenen Messias Selbstbetrug.134 simply a restoration of the ‚hand-made‘ Temple and its cult in a less commercialized manner. […] The episodes of Jesus and the Temple are related with the vision of salvation for all nations, opened up through Jesus himself; the tribulations in Judea and the impending destruction are understood to be simply a step towards eschatological salvation and the erection of another temple not made with hands.“ Von daher ist auch die psychologisierende Deutung ROWLANDS, Temple, 472, wonach Jesus aufgrund des Misserfolgs seiner „Jerusalem expedition“ seine reformistische Position in eine pessimistischsektiererisch-ablehnende Position gegenüber dem Tempel verändert hätte, völlig abwegig. 133 VERSEPUT, Geographical Motif, weist in diesem Zusammenhang auf die spezifische, tempeltheologische Komposition im Matthäusevangelium hin. In der Komposition des Evangeliums ist Jerusalem und insbesondere der Tempel der geographische Fixpunkt, auf den die gesamte Handlung zuläuft. VERSEPUT, a.a.O., 119f., beschreibt den Spannungsbogen als die Rückkehr des exilierten Königs in seine Stadt. Allerdings steht am Ende dieses „Pilgerweges“, auf den der Evangelist seine Erstleser mitnimmt, nicht die Annahme Jesu, sondern seine Ablehnung, Mt 23,37–39; vgl. 27,25. Jerusalem wird zur Stadt der Rebellion und des Abfalls. Deshalb werden die Jünger nach Tod und Auferstehung angewiesen, Jerusalem den Rücken zuzuwenden und nach Galiläa zu gehen, Mt 28,10. Von dort erfolgt ihre Sendung in die ganze Welt, Mt 28,16–20. 134 Vgl. SÖDING, Tempelaktion, 61: „Jesus kritisiert eine auf das Heiligtum fixierte Heilssicherheit, die trügerisch ist, weil sie gerade das übersehen läßt, was Gott seinem in Sünde verstrickten Volk zur Rettung werden lassen will“; und a.a.O., 63: „Die Kritik Jesu setzt voraus, daß es zwischen dem eschatologischen Heil der Basileia Gottes und dem Opferkult im Heiligtum keinen inneren Zusammenhang gibt, sondern angesichts der Ablehnung seiner Botschaft durch die Protagonisten des Tempels sogar ein Gegensatz aufbricht.“

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Wie ist das Verhältnis Jesu zum Tempel im Licht dieser Perikope nun zu beschreiben? Von einer direkten, den frühjüdischen Vorbehalten äquivalenten Kritik am Tempel selbst, geschweige denn an der Priesterschaft, kann kaum die Rede sein, im Gegenteil. Jesu Haltung ist hier vielmehr von einer innigen Leidenschaft für den Tempel geprägt und seine Wehklage über die erwartete Zerstörung Jerusalems und des Tempels (Mt 23,37– 39/Lk 13,34f.) darf nicht nur als rhetorisch stilisiertes Lamento, sondern muss als echte Trauer verstanden werden.135 Jesu messianische Symbolhandlung zielte im Kontext der synoptischen Passionserzählung auf die Funktion des Tempels, nicht auf das Gebäude an sich.136 Durch seinen bevorstehenden, als Teil seiner messianischen Sendung begriffenen Sühnetod, verliert der Opferkult in synoptischer Perspektive seine zentrale Funktion und soteriologische Bedeutung. Vorausgesetzt, es handelt sich beim Lösegeld- und Kelchwort um authentische Jesuslogien, dürfte diese synoptische Deutung Jesu eigenen, messianischen Selbstanspruch zum Ausdruck bringen. In diesem Zusammenhang ist auch die in Aufnahme von Jes 56,7 erwähnte Bestimmung des Tempels als „Bethaus“ von Bedeutung. Zwar war der Tempel schon immer die Stätte des Gebets und der Anrufung Gottes, sei es im Tempelgottesdienst, sei es im individuellen Lob und der persönlichen Fürbitte. Tatsächlich aber war die traditionelle Bestimmung und Hauptfunktion des Tempels die tägliche Darbringung der Opfer, durch die Sühne für Israel erwirkt wurde. Als „Bethaus“ hatte es im atl.-jüdischen Kontext eher eine Nebenfunktion.137 Indem Jesus den Tempel nun als „Bethaus für alle Völker“ definiert, stellt er seine bisherige Hauptfunktion als zentralen Sühneort Israels bewusst in Frage, denn einen „Kult, der Israel Sühne- und Sündenvergebung an seinem [sc. Jesu] messianischen Umkehrruf vorbei gewährte, konnte Jesus unmöglich dulden.“138 Im Licht seines messianischen Anspruches konnte der Tempel „nur“ ein Haus zur Anbetung Gottes sein, was für die spätere Urgemeinde schließlich tatsächlich die Hauptfunktion des Tempels wurde (vgl. Act 2,46f.; 3,1; vgl. 5,42).139

Von dieser „Funktionsstörung“ des Tempels war aber auch mittelbar die Priesterschaft betroffen, deren Reaktion nicht lange auf sich warten ließ (Mk 11,18). 2.3 Ergebnis (1) Jesu Verhältnis zu Priesterschaft und Tempel war ein differenziertes. Von einer grundsätzlichen Aggression, Feindschaft oder auch nur Opposition Jesu gegen das priesterliche Amt und/oder das Heiligtum erfahren wir in den Evangelien nichts. Weder den Heilungsgeschichten oder seiner 135

Mit SNODGRASS, Temple Incident, 433. Vgl. hierzu auch W ITHERINGTON, Christology, 113. 137 Vgl. 1Kön 8,29f.41–43; 3Makk 2,10 mit 2Makk 10,26; Lk 18,10. 138 STUHLMACHER, Stellung, 143. 139 Vgl. ÅDNA, Stellung, 276–287.

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Lehrtätigkeit im Tempel, noch dem Tempelwort oder der Tempelaktion Jesu lässt sich eine direkte oder indirekte Kritik an der zeitgenössischen Priesterschaft und dem Tempel entnehmen140 und auch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter gibt eine solche letztlich nicht her. H.D. Betz’ treffende Beschreibung von Jesu Verhältnis zum Tempel lässt sich ohne Weiteres auch auf die Institution der Priesterschaft übertragen: „The Gospel narratives show by many examples that Jesus was not opposed to the Temple as such. He frequently went into the Temple as a place where he and his disciples worshiped and where he taught. In doing so, he as well as his followers must have conformed to the rules and regulations.“141 (2) Anders als in zahlreichen frühjüdischen Schriften findet sich im Munde Jesu nirgendwo eine Kritik an disqualifizierenden Abstammungsverhältnissen, illegitimen Ehen, kultisch-ethischer Unreinheit oder insuffizienter Heiligkeit des Priestertums bzw. einzelner (Hohe)Priester, die in irgendeiner Weise mit der zeitgenössischen Kritik an dieser Institution vergleichbar wäre. (3) Ebenso wenig finden wir eine Kritik am Tempel, die den frühjüdischen Vorbehalten gegenüber dem nachexilischen Heiligtum entspräche.142 Vielmehr ist es ausschließlich Jesu Kommen selbst, das zu einer heilsgeschichtlichen Relativierung der zentralen jüdischen Heilsinstitutionen führt. Mit dem stellvertretenden und sühnenden Sterben des Messias Jesus verliert der priesterliche Kult mit seinen sühnenden Opfern seinen Sinn und sein Recht.143 Um es pointiert zu formulieren: Wir haben es bei der 140

Dies gilt auch für die „Schwüre beim Tempel“ (Mt 23,21f.), hinter denen HOGETERP, God’s Temple, 168, eine polemische Anspielung auf das priesterliche Establishment vermutet. In gleicher Weise sieht HOGETERP, a.a.O., 174–178, eine priestertumskritische Pointe hinter der Perikope von der armen Witwe (Mk 12,41–44) und dem Winzergleichnis (Mt 21,33–46/Mk 12,1–12/Lk 20,9–19). Eine solche Deutung trägt jedoch mehr in die Texte hinein als aus ihnen heraus. 141 H.D. BETZ, Jesus, 461. Ähnlich auch P AESLER, Tempelwort, 262: Jesus hat „den Jerusalemer Tempel und die mit ihm verbundenen Kultgesetze grundsätzlich respektiert; jedoch konnte er, wie Mt 5,23f. zeigt, ihre Verbindlichkeit dort relativieren, wo die neue Wirklichkeit der Gottesherrschaft von Menschen ein unmittelbares, anderes Tun forderte“. 142 BROADHEADS Urteil, Jesus, 131: „Jesus‘ engagement of the temple space is a limited one, and it is wholly negative“ ist deshalb nur für die erste Satzhälfte nachvollziehbar. 143 Insofern vertritt GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 94, eine zu harmonistische Sicht, wenn er schreibt: „An keiner Stelle [sc. des Lukasevangeliums] wird eine Kritik oder Änderung der durch die Tora gebotenen Praxis des Tempelkults auch nur angedeutet. Weder die Institution des täglichen, öffentlichen Opfers im Tempel, noch das Reinigungs- und Privatopfer und das Almosenwesen oder die Institution der Wallfahrt zum Jerusalemer Tempel werden in ein negatives Licht gestellt. Im Gegenteil erscheint der Tempelkult als ein Proprium Israels in positivem Licht. Auch die jesuanische Tempelkritik richtet sich nicht prinzipiell gegen das kultische Geschehen am Tempel.“

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frühjüdischen Tempel- und Priesterkritik auf der einen und Jesu Haltung zu den Institutionen des Tempels und des Priestertums auf der anderen Seite mit zwei völlig verschiedenen Positionen und Perspektiven zu tun, die von gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen geprägt waren und nicht miteinander verschmolzen werden können. (4) Dass die Priesterschaft v.a. das Tempelwort und die Tempelaktion unabhängig von der Intention Jesu als Provokation verstehen musste, ist evident und auch konsequent. Beides geht aber nicht auf eine grundsätzliche, sozial- oder institutionskritische Haltung Jesu zurück, sondern auf Jesu messianischen Anspruch, die überkommene Heilsordnung durch sein stellvertretendes Sterben und Auferstehen abzulösen. Dieselbe Haltung zum Tempel und Priestertum lässt sich nach der Darstellung des Lukas auch in der frühen Jerusalemer Urgemeinde beobachten. Sie zeichnet sich durch eine prinzipielle Loyalität zum Tempel aus, der zum Versammlungsort der Urgemeinde wurde (Lk 24,53; Act 2,46; 3,11; 5,12.42). Wir hören aber nichts mehr von einer Beteiligung am Opferkult. Gleichzeitig wiederholt sich derselbe Konflikt mit der Priesteraristokratie und dem Hohepriester, der bereits zum Prozess und Tod Jesu führt. Nach Act 4,1–22 und 5,17–41 werden Petrus und Johannes Verhören durch das Synhedrium, sowie einer Verhaftung und Auspeitschung unterzogen, und Stephanus erleidet sogar das Martyrium (Act 7). Ausgangspunkt und Brennpunkt des Konflikts ist jedesmal die Proklamation der Messianität und Auferstehung Jesu, die von den christlichen Protagonisten des lukanischen Berichts mit steter Regelmäßigkeit öffentlich thematisiert wurde, verbunden mit der Anklage gegen jene Kräfte, welche die Kreuzigung Jesu maßgeblich betrieben haben (vgl. Act 2,22–36; 3,12–26; 4,2.8–12; 5,29–32).144

(5) Jesu Anspruch, sein Leben als messianischer Menschen- und Gottessohn als ein Sühnegeld bzw. -opfer „für die vielen“ hinzugeben, bedeutete für den Tempel und das Priestertum aber auch eine Infragestellung und Herausforderung, die viel grundsätzlicher an den Fundamenten des antiken Judentums rüttelte, als es irgendeine andere Gruppierung in der Zeit des zweiten Tempels je getan hatte. Wenn heilvolles „Sein vor Gott“ nicht mehr durch einen korrekt vollzogenen priesterlichen Kult, durch eine gesteigerte kultische Heiligkeit des ganzen Volkes, durch einen vollkommenen Toragehorsam und jüdische Gebetsfrömmigkeit oder in einem alternativen Heiligtum und Kult in Ägypten oder der Wüste kompensiert werden konnte, sondern durch Jesu Kommen, Sterben und Auferstehen Wirklichkeit geworden war, dann musste sich in Jesus Gott selbst offenbart haben. 144 W ARDLE, Jerusalem Temple, 191–206, unterstellt auch der Jerusalemer Urgemeinde dieselbe subtile (Hohe)Priesterkritik aufgrund von Habgier, Korruption und Arroganz, die er bereits bei Jesus nachzuweisen versuchte. Er gesteht zwar zu, dass auf der narrativen Ebene eine urchristliche Kritik des Jerusalemer Priestertums abgesehen von der Stephanusrede kaum nachweisbar ist, a.a.O., 202, möchte aber hinter dem Gebrauch des Stein-Zitats aus Ps 118,22 in Act 4,11 einen subtilen Ausdruck der Feindschaft und Animosität auch auf Seiten der Urgemeinde entdecken, a.a.O., 202–206.

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Genau dies ist die Botschaft der Notiz vom gespaltenen Vorhang (Mk 15,38par). (6) Möglicherweise liegen im Tempelwort Jesu (Mk 14,58par) auch die Wurzeln von Röm 3,25 und der späteren christlichen Metaphorisierung des Tempels.145 Jesu Ankündigung, in drei Tagen einen „nicht mit Händen gebauten“ Tempel aufzurichten, trägt bereits eine Metaphorisierung in sich. Denn es ist evident, dass das Adjektiv avceiropoi,htoj kein analoges Bauwerk zum bestehenden Tempel bezeichnen kann. Somit bietet bereits das Tempelwort die Grundlage für eine metaphorische Weiterentwicklung nicht nur des Tempelbegriffs, sondern aller Kultbegriffe, wie sie dann in der ntl. Briefliteratur zu Tage tritt. (7) Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum die ntl. Metaphorisierung der Kultbegriffe einen anderen Weg nehmen musste als dies in der spiritualisierenden Metaphorisierung der Kultbegriffe bei Philo von Alexandrien der Fall war. Die Metaphorisierung der Begriffe „Tempel“, „Opfer“ und nicht zuletzt „Priester“ ist nach dem Verständnis der ntl. Autoren in der Offenbarung einer neuen, in Jesu messianischem Selbstanspruch proklamierten Wirklichkeit begründet, die sich im Kommen, Sterben und Auferstehen Jesu Christi ereignet hat, und die in ihrem Verhältnis zur Wirklichkeit des jüdischen Kultes nicht anders als durch die Metaphorisierung eben dieser atl. Kultbegriffe angemessen zu beschreiben war. Exkurs 3: Der Tempel im lukanischen Geschichtswerk Exkurs 3: Der Tempel im lukanischen Geschichtswerk Die größte Relevanz und Beachtung unter allen Evangelisten erfährt der Tempel bei Lukas.146 Dies zeigt sich bereits an der Gestaltung und Komposition seines Evangeliums nach lokalen Gesichtspunkten.147 So stellt Lukas unmittelbar nach dem Prolog den Priester Zacharias und seinen Dienst im Tempel vor (Lk 1,5–23). Auch der das Evangelium maßgeblich prägende Bericht der Reise Jesu und seiner Jünger nach Jerusalem ist auf den Tempel fokussiert (Lk 19,28–48). Schließlich endet das Evangelium mit der Notiz, dass die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu „allezeit im Tempel“ waren und dort Gott priesen (Lk 24,53). Der Tempel erscheint als Ausgangs- und Zielpunkt des Wirkens Jesu und auch die Verkündigungstätigkeit der Apostel nimmt ihren Ausgangspunkt im Tempel.148 145 So auch KRAUS, Tod Jesu, 194–234, der jedoch einer gänzlich anderen Argumentationslinie folgt. 146 Vgl. hierzu B ALTZER, Meaning; W AAL, Temple; REITZEL, Use; B ACHMANN, Jerusalem; C ASALENGO, Gesú; CHANCE, Jerusalem; W EINERT, Meaning; DERS., Meaning of the Temple, 85–89; DERS., Luke; DERS., Stephen, 88–90; ESLER, Community; B ARRETT, Attitudes; GANSER-KERPERIN, Zeugnis des Tempels; FULLER DOW, Images, 148–160. 147 Zur Inclusio-Technik in Bezug auf das Tempelmotiv vgl. GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 311–314. 148 GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 95: „Weil der Tempel in der Darstellung des lukanischen Doppelwerkes der eigentliche Ort Israels ist, muß Gottes Geschichte mit Israel

Exkurs 3: Der Tempel im lukanischen Geschichtswerk

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So sind die lukanischen Geburtsgeschichten auf das Engste mit dem Tempel verbunden. Dort treten bei der Beschneidung Jesu die Propheten Simeon und Hanna auf (Lk 2,25ff.36ff). In der einzigen Kindheitsgeschichte aller Evangelien (Lk 2,41–51) diskutiert der zwölfjährige Jesus mit den jüdischen Lehrern im Tempel (V. 46), wo programmatisch der Satz fällt, dass Jesus „in dem sein muss, was meines Vaters ist“ (V. 49). Entsprechend spielt der Tempel in keiner anderen Passionserzählung eine größere Rolle als in der lukanischen (vgl. Lk 19,28–48; 20,1–21,38; 23,45; 24,52f.). Nur das Lukasevangelium bietet das Gleichnis über den Pharisäer und Zöllner (Lk 18,9–14), die sich im Tempel im Gebet der Präsenz Gottes aussetzen. Die Zerstörung Jerusalems wird bei Lukas im Rahmen der jesuanischen Apokalypse präziser geschildert als bei den synoptischen Seitenreferenten (Lk 19,43f.; 21,20–24). In der Apostelgeschichte ist der Tempel der erste Versammlungsort der Gemeinde (Act 2,46; 5,12.42), der Ort von Wundertaten durch die Apostel (Act 3,1–11) und offensichtlich auch der zentrale Verkündigungsort (Act 3,12ff.; 4,1ff.; 5,20f.25).149 Doch diese positive Konnotation des Tempels beginnt sich im Laufe der Apostelgeschichte zu wandeln. Schon in Act 4,3 wird der Tempel zum Ort einer ersten Verhaftung von Petrus und Johannes, die sich in 5,26 diesesmal gewaltfrei wiederholt. In Act 6,13 fokussiert sich die Anklage gegen Stephanus auf „Worte gegen die heilige Stätte und das Gesetz“, wobei dem Angeklagten das sog. Tempelwort Jesu in den Mund gelegt wird.150 In der anschließenden Verteidigungsrede (Act 7,2–53) sind es wiederum die sehr nüchternen und den Tempel eher depotenzierenden Aussagen über die Bedeutung des Jerusalemer Heiligtums, die vor der abschließenden Scheltrede einen theologischen Höhepunkt bilden (Act 7,44–50).151

immer wieder den Tempel in den Blick nehmen. Von dieser heilsgeschichtlichen Konzeption des lukanischen Doppelwerkes aus gesehen, bildet der Tempel den notwendigen ‚starting point‘ der Erzählung.“ 149 Ein gemeinsames Strukturmerkmal der beiden Teile des Geschichtswerkes ist, dass sich die Tempelepisoden stets auf den Anfang und das Ende des jeweiligen Buches konzentrieren, vgl. Lk 1,5–2,52; 19,45–21,38 und Act 3,1–4,4; 21,15–22,29. 150 Vgl. hierzu bereits →V.2.1.1. 151 In der Stephanusrede wird innerntl. die kritischste Stimme im Blick auf den Tempel laut, die aber in der nachkanonischen Literatur immer wieder anklingt, vgl. Barn 16,7; Justin Dial 35. In der Stephanusrede findet eine subtile Depotenzierung und Relativierung des Tempels statt. In V. 43f. wird das Zelt des Moloch gemeinsam mit der Stiftshütte, dem Zelt der Begegnung, aufgelistet, ohne dass ein signifikanter Unterschied erkennbar würde. In V. 44 wird der Befehl zur Anfertigung der Stiftshütte nicht auf Gott selbst, sondern nur auf einen Engel zurückgeführt, vgl. V. 38. Gott wird somit auf subtile Weise von den Ordnungen der Wüstenzeit distanziert und damit letztlich auch vom Tempel. In V. 46ff. erscheint der Tempelbau Salomos wie ein Missverständnis, das dem eigentlichen Wunsch Gottes, der nach Jes 66,1 nicht in mit Händen gemachten Tempeln wohnt, widerspricht, vgl. schon 2Sam 7,6f.; 1Chr 17,6; sowie 1Kön 8,27. Es gilt allerdings zu beachten, dass auch in der Stephanusrede nicht der Tempel im Zentrum der Kritik steht, sondern die Selbstsicherheit der jüdischen Führer, die sich dem in Jesus offenbaren Wirken Gottes widersetzen und das Wirken seines Geistes ignorieren; vgl. hierzu SWEET, House, 385–387. Durch die Anspielungen an die prophetische Kultkritik, vgl. Am 5,25–27 und Jes 66,1f. mit Act 7,42f. und 7,49f., und die Anklänge an das Tempelwort Jesu, „mit Händen gemacht“, Mk 14,58, unterscheidet sich die Stephanusrede gleichzeitig jedoch von der

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In Act 15,13–21 findet sich in der Jakobusrede auf dem Apostelkonzil eine bemerkenswerte Bezugnahme auf Am 9,11f. Demnach sieht Jakobus in der Jerusalemer Urgemeinde die Erfüllung der Verheißung von der Restitution der zerfallenen Hütte Davids. Durch die Identifikation der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem mit dem erhofften und wiedererstandenen Heiligtum bekommt die Suchbewegung der Völker einen Orientierungs- und Zielpunkt.152 Die Jakobusrede markiert den Übergang der eschatologischen Hoffnung vom Tempel auf die judenchristliche Gemeinde, die nun zum endzeitlichen Tempel und „Hoffnungsträger“ wird. Schließlich kommt der Tempel auch im letzten Viertel der Apostelgeschichte in einem ambivalenten Licht zu stehen. Er ist der Ort, den Paulus wie selbstverständlich als geographisches Zentrum seines theologischen Denkens aufsucht (Act 21,26; vgl. Röm 15,19), in dem er aber bei seinem Besuch auch den jüdischen Volkszorn zu spüren bekommt (21,27ff.).153 Nachdem Paulus aus dem Tempel „gezogen“ wird, werden hinter ihm die Tore des Tempels geschlossen (21,30)154 und damit die endgültige jüdische Ablehnung des Evangeliums dokumentiert155 und „das Band kultischer Gemeinschaft, das bisher Verkündiger und Volk geeingt hatte, zerschnitten“156. In seiner Rede vor der aufgeheizten jüdischen Volksmenge gibt Paulus den Tempel als den Ort an, in dem er durch eine abermalige Offenbarung Christi die Weisung bekam, Jerusalem wegen der Verstocktheit des jüdischen Volkes zu verlassen (22,17–21).157 Und das letzte Wort über den

frühjüdischen Tempelkritik. Während diese den Tempel aufgrund seiner Verunreinigung entweiht sah und deshalb einen vollkommenen eschatologischen Tempel erwartete, stellt die Stephanusrede die Notwendigkeit eines Tempels überhaupt in Frage. 152 Vgl. GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 266: „[D]ie Suche der Völker nach Gott kann gerade im Zeugnis der Jerusalemer Gemeinde als Ort der Erfüllung der Heilshoffnung von Am 9,11f. ihr Ziel finden.“ 153 Die Parallelität zwischen Jesus und Paulus ist hier auffallend: Beide gehen nach Jerusalem aufgrund eines göttlichen Befehls und mit prophetischer Vorahnung, vgl. Lk 9,22.51; 13,33 mit Act 20,22f.; 21,11ff. Beide werden in Jerusalem bzw. im Tempel von den jüdischen Autoritäten feindlich empfangen und beiden wird am Ende der Prozess gemacht – wenn auch zunächst mit unterschiedlichem Ausgang. 154 GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 282, macht darauf aufmerksam, dass die Türen des Tempels hier eine gegenüber Act 3,1ff. konträre Funktion bekommen. Waren sie in der Perikope über die Heilung des Gelähmten an der „schönen Pforte“ Ausdruck der durch die Heilung vollzogenen sozialen und religiösen Integration eines bis dato Ausgegrenzten, so bekommen sie nun eine ausgrenzende Funktion, indem der bisher im Judentum integrierte Apostel aus dem Tempel und damit letztlich auch aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen wird. Ferner weist er, ebd., darauf hin, dass die verschlossenen Tempeltüren im Horizont des Makrokontextes des lukanischen Doppelwerkes als Prodigium für die von Jesus in Lk 21,5f. prophezeite Tempelzerstörung verstanden werden können. Er erinnert an die talmudische Überlieferung in yYom 6,43c und bYom 39b, wonach sich 40 Jahre vor der Zerstörung des Tempels die Tempeltore selbständig geöffnet und erst wieder geschlossen hätten, als Rabbi Johanan b. Zakkai zu ihnen gesprochen habe: „Tempel, warum erschreckst du uns? Wir wissen, daß du schließlich zerstört wirst. Denn es ist gesagt: ‚Öffne, Libanon, deine Tore, und Feuer fresse deine Zedern‘ (Sach 11,1).“ 155 FREY, Temple, 472. 156 GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 281. 157 Mit der Verortung seiner ekstatischen Offenbarung im Tempel, im Zuge derer ihm der erhöhte Christus die Verstockung des Volkes enthüllt, spielt Lukas bewusst auf die

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Tempel in der Apostelgeschichte im Rahmen der paulinischen Verteidigungsrede vor Agrippa hat deshalb einen finalen Charakter: „... [ich] verkündigte denen in Damaskus zuerst und in Jerusalem und in der ganzen Landschaft von Judäa und den Nationen, Buße zu tun und sich zu Gott zu bekehren, indem sie der Buße würdige Werke vollbrächten. Deshalb haben mich die Juden im Tempel ergriffen und versucht, mich zu ermorden“ (26,20f.).158 Die Apostelgeschichte schildert auf diese Weise auch anhand des Tempelmotivs die Ablehnung der Heilsbotschaft durch das jüdische Volk. War der Tempel am Beginn des Lukasevangeliums noch der idealtypische Ort jüdischen Lebens, und am Beginn der Apostelgeschichte noch der Verkündigungs-, Heilungs- und Versammlungsort der Gemeinde und damit der Offenbarungs- und Wirkungsort göttlicher Gnade, schließen sich am Ende die Tore des Tempels hinter dem hinausgeschleppten Christuszeugen Paulus. Anstelle der Buße reagiert die prophetenmordende Stadt (vgl. Lk 13,33) mit einem weiteren Mordanschlag gegen einen göttlichen Gesandten. Im lukanischen Duktus kommt damit eine eigentümliche Tragik zum Ausdruck: Der Tempel wird vom idealtypischen Erscheinungsort des Messias (Lk 2) zum Symbol jüdischer Ablehnung desselben und seiner Jünger und Apostel. Sowohl das „Scheitern“ Jesu als auch das des Stephanus und Paulus ist unlöslich mit dem Tempel verbunden. Der Tempel als das Symbol der Identifikation und Integration des so vielgestaltigen Judentums wird im lukanischen Geschichtswerk zum Symbol des Streites, der Spaltung und schließlich auch der Verstockung (vgl. auch Act 22,22f.; 28,24f.). Trotz der starken Aufmerksamkeit, die Lukas dem Tempel widmet, erscheint dieser häufig als Teil der Stadt Jerusalem, die noch wesentlich öfter im Fokus des Evangelisten ist. Dies könnte darauf hinweisen, dass der Jerusalemer Tempel letztlich keine entscheidende Bedeutung mehr für die lukanische Leserschaft hatte. Er ist mit seiner heilsgeschichtlichen Rolle ans Ende gekommen und hat seine Tore auch für die heidenchristlichen Gemeinden des Völkerapostels ein für allemal geschlossen.

3 Die synoptische Tradition vom gespaltenen Vorhang 3 Die synoptische Tradition vom gespaltenen Vorhang

Die Tradition vom gespaltenen Vorhang im Tempel, die unmittelbar im Zusammenhang des Todes Jesu geschildert wird (Mk 15,37–39/Mt 27,50– 54/Lk 23,44–47), ist eine der theologisch interessantesten und gleichzeitig historisch irritierendsten Notizen der synoptischen Passionserzählungen, ja der Evangelien überhaupt. Ihre ursprünglichste und kürzeste Form hat diese Notiz im Markusevangelium gefunden.159 Dort aber ragt sie wie ein erratischer Block aus dem Berufung und den Verstockungsauftrag in Jes 6,1–13 an. Durch diese motivische und thematische Anknüpfung macht Lukas deutlich, dass Paulus, ähnlich wie Stephanus, in Act 7 vom Umkehrruf an Israel zur Gerichtsrede über Israel übergegangen ist, vgl. hierzu GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 286–290. 158 Revidierte Elberfelder Bibel. 159 Im Matthäusevangelium ist der gespaltene Vorhang nur ein Element in einer ganzen Reihe von Jesu Tod begleitenden, außergewöhnlichen bzw. übernatürlichen Zeichen, welche Ezechiels Vision von der Wiederbelebung der Totengebeine in Ez 37 reflektieren, Mt 27,51–53. Das folgende Bekenntnis des Zenturios bezieht sich bei Matthäus entspre-

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markinischen Kreuzigungsbericht heraus. Während sich ab Mk 15,22 der gesamte Erzählduktus auf Golgatha abspielt und in V. 39 dort auch wieder weitergeführt wird, unterbricht die Notiz vom gespaltenen Vorhang160 in V. 38 diesen Erzählduktus und „schwenkt“ blitzlichtartig zu einem Geschehen im Tempel hinüber, um unmittelbar darauf wieder an den bisherigen Erzählort zurückzukehren.161 Gleichzeitig findet unmittelbar nacheinander nicht nur ein Orts-, sondern auch ein doppelter Perspektivwechsel statt: von Jesu Todesschrei zum Tempel und schließlich zum Zenturio und seinem Kommentar zu diesem Tod und seinen Begleitumständen. Diesen auffälligen Zäsuren steht jedoch die Beobachtung von H.L. Chronis gegenüber, dass in den beiden den V. 38 umrahmenden Versen zwei beherrschende Motive des Markusevangeliums ihre Klimax erreichen:162 Während mit dem in V. 37 beschriebenen Sterben Jesu seine Ablehnung und sein Leiden ihren „Höhepunkt“ finden, wird in V. 39 die Frage nach der Identität Jesu ultimativ beantwortet. Jesus ist der „Sohn Gottes“, wobei die Bedeutung dieser göttlichen Identifikation erst jetzt im Licht des Kreuzestodes endgültig offenbart und erkennbar wird.163 Die chend auf alle diese Phänomene und nicht nur auf den gespaltenen Vorhang. Lukas berichtet von dem Phänomen unmittelbar vor dem Sterben Jesu, im Anschluss an seine Erwähnung der Sonnenfinsternis, Lk 23,44f. 160 Gewöhnlich ist sowohl in Übersetzungen wie Kommentaren vom „Zerreißen“ des Vorhangs die Rede, was die übliche Bedeutung des Verbs sci,zein in Verbindung mit Stoffen ist, vgl. z.B. LXX Jes 36,22; 37,1; Joel 2,13; sowie Mk 2,21; Joh 19,24. Das Verb kann jedoch auch ein „(Sich-)Spalten“ zum Ausdruck bringen kann. An der einzigen anderen Stelle, an der das Verb im Markusevangelium nochmal auftaucht, nämlich bei der Taufe Jesu, Mk 1,10, ist vom „Sich-Öffnen“ des Himmels die Rede, was eher für ein „Spalten“ als für ein „Zerreißen“ spricht, da keine Zerstörung damit angedeutet werden soll. Für das Zerreißen des hohepriesterlichen Gewandes durch den Hohepriester verwenden die Evangelien das Verb diarrh,gnai, Mk 14,63/Mt 26,65. Man muss also nicht notwendigerweise eine Zerstörung des Tempelvorhangs voraussetzen. Es kann sich bei dem beschriebenen Vorgang um ein Spalten des geschlossenen, zweibahnigen Tempelvorgangs gehandelt haben; vgl. FELDMEIER, Gnadenstuhl, 215, Anm. 9. 161 Bereits B ULTMANN, Geschichte, 295, betrachtete Mk 15,33–39 als „stark von der Legende entstellt“. Auch für ZUNTZ, Heide, 216, handelt es sich bei der in V. 38 beschriebenen Szene um ein „Flickstück“, das den Zusammenhang von V. 37 und 39 zerreißt und nur als sekundäre Angleichung an Mt 27,51 verstanden werden könne; vgl. auch SCHMITHALS, Mk II, 695. Dagegen sieht P ESCH, Mk II, 491, „keinen Grund, einzelne Verse als red[aktionelle] Zutaten zu bewerten“. 162 CHRONIS, Veil, 99.101. 163 Diese Identifikation wird im Markusevangelium zwar bereits vorher im Petrusbekenntnis, Mk 8,29, und im jüdischen Prozess, Mk 14,61f., angedeutet, aber gleichzeitig durch das petrinische, Mk 8,31–33, als auch durch das hohepriesterliche Missverständnis, Mk 14,63f., wieder in der Schwebe gehalten. Als ui``o.j qeou/ wird Jesus im Markusevangelium vorher lediglich von Gott, Mk 1,11, und von den bösen Geistern, Mk 3,11, benannt. Erst das Bekenntnis des Zenturio unter dem Kreuz ist frei von Missverständnissen und Verhüllungen, vgl. CHRONIS, Veil, 101.

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Kulmination und Gegenüberstellung dieser beiden zentralen Themen binnen drei Versen kann kein kompositorischer Zufall sein. Vielmehr will Markus die Offenbarung und Erkenntnis des Sohnes Gottes im Licht des Leidens und Sterbens Jesu lokalisieren. Paradoxerweise wird seine Göttlichkeit und Gottessohnschaft im zutiefst menschlichen und „ungöttlichen“ Geschehen des Sterbens offenbart.164 Zieht man diese Rahmung von V. 38 in Betracht, muss dem Vers eine zentrale theologische Funktion in diesem Versgefüge zukommen, die in der Forschung freilich alles andere als unumstritten ist. 3.1 Die Bedeutung des Vorhangs In sachlicher Hinsicht bleibt in der Notiz unklar, um welchen Tempelvorhang es sich genau handelt. Diese Frage ist exegetisch und historisch kaum zu klären. Aus theologischen Gründen gehen die meisten Exegeten gewöhnlich vom inneren Tempelvorhang aus,165 der den Raum des Allerheiligsten des Tempels vom Hauptraum des Heiligen trennte.166 Dieser Vorhang ist der aus theologischer und kultischer Sicht bedeutendere, da er den Ort der Präsenz Gottes verhüllte, in dem am Yom-Kippur der Hohepriester den Sühneritus zugunsten des Volkes vollzog. Es lässt sich allerdings historisch nur schwer erklären, wie es zu einer allgemeinen Kenntnis von diesem Vorgang kommen konnte, wenn er sich in dem nur wenigen Priester zugänglichen Inneren des Tempels abgespielt hat.167 Anders verhielte es sich bei einer Spaltung des äußeren Vorhangs, der am vorderen Tempeleingang bei geöffneten Flügeltüren den Raum des Heiligen verhüllte und mit höchster Wahrscheinlichkeit bis in den Vorhof der Männer, möglicherweise sogar bis in den Vorhof der Heiden sichtbar war.168 Eine plötzliche und unerklärliche Spaltung wäre bei diesem Vorgang zumal während des Passahfestes mit den angereisten Pilgerscharen sofort bemerkt worden. R. Feldmeier hat nun darauf aufmerksam gemacht, dass der äußere Vorhang nicht nur die für alle Nichtpriester entscheidende Trennwand zum Tempelinneren war, sondern auch eine weit höhere theologische Bedeu164

CHRONIS, Veil, 106. GNILKA, Mk II, 324; B AYER, Mk, 575; vgl. GURTNER, Veil, 97f.; DERS., Syntax. 166 Vgl. zu diesem Vorhang 2Chr 3,14; 1Makk 4,51; Jos Ant 14,72. 167 Man sollte nicht voraussetzen, dass der Zenturio bereits am Kreuz Kenntnis von dem Vorgang bekommen hatte, auch wenn Golgatha nur etwa 300 m Luftlinie vom Tempel entfernt war. Erstens liegt Golgatha auf der Rückseite des Tempels – er hätte also unter keinen Umständen einen Sichtkontakt mit dem Tempeleingang herstellen können – und zweitens wird eine solche Kenntnis in V. 39 auch nicht vorausgesetzt; vgl. auch MOTYER, Rending, 157, Anm. 2; gegen SCHMITHALS, Mk II, 695. 168 Vgl. die Rekonstruktion und Abbildungen bei BUSINK, Tempel II, 1064.1085.1095. 1106.1119.1149, und darauf Bezug nehmend bei FELDMEIER, Gnadenstuhl, 218–223. 165

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tung hatte als allgemein angenommen.169 Während Josephus in Ant 3,123 das dreigeteilte Stiftszelt als eine Nachahmung des Kosmos interpretiert, wobei der Vorhang des Allerheiligsten symbolisch den Himmel von der Erde trennt,170 kann Josephus in scheinbarem Widerspruch dazu in Bell 5,208 davon reden, dass das äußere Tor des Tempels (gemeint ist der Eingang zur Vorhalle) die Offenheit des Himmels abbildete. Josephus erwähnt unmittelbar darauf, dass auf diesem äußeren Vorhang das Himmelsgewölbe aufgestickt gewesen sei (Bell 5,214). „So wie das Himmelsgewölbe den himmlischen Sitz und Thron Gottes von der irdischen Welt abgrenzt, so trennt eine Abbildung des Himmels in Form eines Vorhangs den irdischen Ort der Gegenwart Gottes, das Tempelgebäude, von der übrigen Welt ab.“171 Die Spannung zu den erstgenannten Interpretationen erklärt sich aus der jeweiligen Perspektive: Von innen nach außen betrachtet bildet der Tempel den gesamten Kosmos ab und die Trennlinie zwischen Himmel und Erde ist der Vorhang vor dem Allerheiligsten; von außen betrachtet ist der gesamte Tempel Ausdruck der von der irdischen Welt abgegrenzten heiligen und „himmlischen“ Welt Gottes.172 In der Konsequenz bedeutet dies, dass die kaum lösbare historische Frage nach dem in Mk 15,38 beschriebenen Vorhang theologisch nicht so entscheidend ist, wie zunächst angenommen. Für die jüdischen Zeitgenossen und Zeugen des Phänomens konnten beide Vorhänge als symbolische Scheidewände zwischen Himmel und Erde bzw. Gott und Welt verstanden werden.173 3.2 Die Bedeutung der Spaltung des Vorhangs Diese Einsichten bilden auch für die Fragen nach der theologischen Intention der markinischen Erzählkomposition einen wichtigen Hinweis. Wenig wahrscheinlich ist die immer wieder geäußerte Vermutung, dass der ge-

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203.

FELDMEIER, Gnadenstuhl, 219.224–227; vgl. auch GANSER-KERPERIN, Zeugnis,

170 Dies entspricht auch der Deutung Philos, der den Vorhang vor dem Allerheiligsten als Trennwand zwischen der veränderlichen und der unveränderlichen Welt (Gottes) interpretiert, Quest Ex 2,91 zu Ex 26,31a. 171 FELDMEIER, Gnadenstuhl, 225. Vgl. hierzu auch Philo, Mos 2,81f., der die fünf Säulen des äußeren Vorhangs als die Grenze, h`` meqo,rioj cw,ra zwischen Sinnenwelt und Geisteswelt deutet. 172 FELDMEIER, Gnadenstuhl, 225f.; vgl. EGO, Himmel, 21: „Wenn Himmel und Erde als großes harmonisches Ordnungsgefüge beschrieben werden können, so konstituiert der Tempel geradezu eine Verdichtung und Konzentration dieser Ordnung, auf die sich die gesamte Schöpfung gründet. Der Tempel ist ein Mikrokosmos und eine imago mundi, seine einzelnen Teile korrespondieren mit den kosmischen Elementen.“ 173 FELDMEIER, Gnadenstuhl, 226.

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spaltene Vorhang ein Gerichts- oder Strafzeichen,174 ein Trauerzeichen175 und/oder ein Prodigium der Tempelzerstörung ist176 und damit auch ein Vorzeichen für das kommende Ende des atl.-jüdischen Tempelkultes. Es ist sehr fraglich, ob für Markus die Tempelzerstörung eine solche Bedeutung besaß, dass er sie unmittelbar mit dem Tod Jesu verknüpfte und deshalb eigens den Zusammenhang von V. 37 und 39 unterbrach. Vieles spricht dafür, dass V. 38 eine Sinndeutung des Todes Jesu enthält und deshalb auch diesen prominenten Platz nicht nur verdient, sondern geradezu fordert: Der Tod Jesu (V. 37) hat zur Folge, dass sich im Tempel der Himmel und Erde bzw. Gott und Mensch trennende Vorhang „von oben nach unten“ spaltet (V. 38).177 Die Identifikation „dieses Menschen“ als „Gottes Sohn“ durch den heidnischen Zenturio (V. 39)178 soll deutlich machen, dass dieser kausale Geschehenszusammenhang in der Identität des Gekreuzigten begründet liegt.179 174 So deuten bereits EvBarth 1,27; EvPetr 20, vgl. 25–27; Hier Ep 120,8; TestLev 10,4; PsClemRecogn 1,41,3f. und syrDidask 23 das Ereignis; vgl. auch LOHMEYER, Mk, 347; P ESCH, Mk II, 498f. 175 SCHMITHALS, Mk II, 695, spricht von einem Akt der Trauer des Tempels über den eigenen, bevorstehenden Untergang. 176 Vgl. JosBell 6,289-299; bYom 39b; sowie MOTYER, Rending of the Veil, 155. 177 Ähnlich GNILKA, Mk II, 324. Diese Schlussfolgerung wird man nach dem zum äußeren Vorhang Ausgeführten in jedem Fall treffen können. Ob hier auf die Sühnewirkung des Todes Jesu im Horizont des großen Versöhnungstages, Lev 16, Bezug genommen wird, hängt dagegen davon ab, ob es sich um den inneren Vorhang vor dem Allerheiligsten handelt. Exakt dies lässt sich aber nur postulieren, nicht beweisen. 178 PESCH, Mk II, 500: „Für die historische Wahrscheinlichkeit der Reaktion des (gebildeten?) Centurio spricht die korrellierbare Nachricht, die Plutarch, Cleom. P. 823e, überliefert: Die Kunde vom te,raj beim Tod des gekreuzigten Kleomedes […] hat zur Folge, daß man den Hingerichteten für einen Göttersohn […] hält.“ 179 FELDMEIER, Gnadenstuhl, 217f.227f., macht noch auf Mk 1,9–11 als eine bemerkenswerte Parallele zu Mk 15,37–39 aufmerksam. Während in Mk 15,37 Jesus stirbt, wird er in 1,9 von Johannes im Jordan getauft. Im Licht von Mk 10,38f.par und Lk 12,50 (ba,ptisma baptisqh/nai) hat Jesus diesen Vorgang als ein symbolisches Todesgeschehen verstanden. Während sich in Mk 15,38 der Tempelvorhang spaltet (to. katape,tasma tou/ naou/ evsci,sqh), öffnet/spaltet sich in 1,10 der Himmel (scizome,nouj tou.j ouvranou,j), wobei es sich um die beiden einzigen Belege von sci,zein im Markusevangelium handelt. Und während in 15,39 ein römischer Zenturio „diesen Menschen“ als „Sohn Gottes“ identifiziert, bekennt sich in 1,11 Gott selbst, umschrieben als göttliche Stimme vom Himmel, zu seinem Sohn. Durch diese verblüffende Parallelität wird deutlich, dass das Bekenntnis des Zenturio durch das (diesem wohl unbekannte) Spalten des Vorhangs von Gott selbst bestätigt wird: „Was am Anfang in dem nur für Jesus sichtbaren Geschehen durch den geöffneten Himmel und die Taube symbolisiert wird, das wird nun am Ende durch das Zerteilen des Tempelvorhanges (der im Falle des äußeren Vorhanges sogar den Himmel abbildete!) öffentlich ausgedrückt“, a.a.O., 227f. MOTYER, Rending, 155, spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem „markan pentecost“: „Then at the end of the Gospel, at the very moment God in whom he delights, another rending of the heavens

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Ein interessantes Detail stellt die Formulierung evx evnanti,aj auvtou/ in V. 39 dar. Chronis bringt sie mit der kultischen Formel „vor das Angesicht Gottes treten“ bzw. „vor dem Angesicht Gottes stehen“ in Verbindung, welche im Kontext des Tempelkultes ihren Sitz im Leben hatte.180 Damit bestünde eine Entsprechung zwischen der kultischen Begegnung des Frommen bzw. des Priesters mit dem „Angesicht“ bzw. der „Gegenwart“ Gottes im Tempel und dem Stehen des Zenturio vor dem gekreuzigten Jesus. Die theologische Intention ist deutlich: War das „Angesicht“ bzw. die Gegenwart Gottes im Allerheiligsten des Tempels verhüllt, ist diese(s) nun nach dem Tod Jesu und der Spaltung des Vorhangs im gekreuzigten Jesus enthüllt, oder paraphrasiert ausgedrückt: In Jesus zeigt Gott sein Gesicht.

Die Schilderung der Spaltung des Vorhangs bekommt auf diese Weise den Sinn einer göttlichen Enthüllung seines Sohnes coram publico und gleichzeitig einer Identifikation Gottes mit dem Gekreuzigten.181 Zudem bestätigt Gott selbst durch das Geschehen im Tempel die soteriologische Wirksamkeit dieses Todes.182 Durch den Tod seines Sohnes überwindet Gott selbst die Grenze zwischen Himmel und Erde, Gott und Mensch, und indem der römische Zenturio die wahre Identität des Gekreuzigten ausspricht, signalisiert der Evangelist, dass dieser „Zugang“ zu Gott nun auch für ihn als Heiden offen steht.183 Durch die Verknüpfung des Todes Jesu mit der Öffnung des Vorhangs im Tempel erscheint der am Kreuz sterbende Jesus selbst als Offenbarungsort Gottes, an dem Gott erkannt und erfahren werden kann.184 Nicht takes place, and another testimony is given, this time from this side of the rend, by one who, like Mark himself, has attained insight into Jesus’ real nature and thus displays what it means to be baptized in the Holy Spirit. The moment of death is the moment at which the Spirit is given. […] When we note finally that Mark chooses the word evkpne,w, cognate with pneu/ma, to describe Jesus’ actual death, the circle is complete.“ 180 CHRONIS, Veil, 110; vgl. das evnanti,on in der LXX in Ex 27,21; 28,12; 34,24; Lev 1,3; 4,7; Dtn 12,18; 18,7; Y 87,2; 94,6; 108,14f. 181 Vgl. CHRONIS, Veil, 110: „But because 15:38 is already a natural cipher for theophany, the impact of its insertion here must be obvious: it characterizes the christophany as a theophany!“ (kursiv bei CHR.). 182 HOFIUS, Art. katape,tasma, 657: „Jesus hat durch seinen stellvertretenden Sühnetod den Menschen ein für allemal den Zugang zu Gott erschlossen, so daß sie weiterer Sühnopfer nicht bedürfen.“ 183 GNILKA, Mk II, 324. Vgl. auch GANSER-KERPERIN, Zeugnis, 198f.: „Dabei bietet sich der Tempel als Symbol besonders deshalb an, weil er schon durch seine architektonischen Abstufungen die Ausgrenzung der Heiden symbolisiert.“ Dagegen will FELDMEIER , Gnadenstuhl, 228f., die Gültigkeit des Vorgangs im Tempel auf Jesus allein beschränken. Nur ihm habe dieses Zeichen gegolten. Dies wäre jedoch nach Mk 10,45 und 14,24 völlig widersinnig. Jenseits der Frage, ob es sich bei den genannten Stellen um authentische Jesuslogien handelt oder nicht, ist vom Duktus des Markusevangeliums nicht zu bestreiten, dass der Evangelist den Tod Jesu als einen stellvertretend „für die vielen“ erlittenen Tod verstanden wissen will. 184 CHRONIS, Veil, 111; vgl. FELDMEIER, Gnadenstuhl, 230: „Als erste und einzige unmittelbare Reaktion Gottes in der Passion muß diese aus ihrem Doppelbezug zum gott-

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mehr der Tempel bzw. das Allerheiligste, sondern das Kreuz ist nunmehr der Ort der Begegnung mit Gott.185 Die merkwürdige Mittelposition von V. 38 zwischen der Notiz vom Sterben Jesu und dem Bekenntnis des römischen Zenturio hat nun einen tiefen theologischen Sinn im Kontext der markinischen theologia crucis: „in the ‚rending‘ of his flesh, Jesus ‚unveils‘ his divine identity.“186 3.3 Ergebnis Die Relevanz dieser Verse für unsere Themen- und Fragestellung nach dem Verständnis des Priestertums im Neuen Testament liegt in exakt dieser theologischen Konsequenz: Wenn sich im Tod Jesu der Vorhang zur Gegenwart Gottes und der Zugang zur himmlischen Welt und Heilswirklichkeit geöffnet haben, dann hat der Tempel und der dortige Kult im Sinne eines heilsgeschichtlichen Interim ausgedient.187 Mit dem Tempel haben aber auch die Priester ihre an den Tempelkult gebundene mediatorische Funktion verloren. Wiederum wird deutlich, dass die Evangelisten das Verhältnis Jesu zum Priestertum nicht im Sinne einer polemischen Ablehnung verstanden wissen wollten. Die antagonistische Rolle der Priesterschaft gegenüber Jesus ergibt sich vielmehr aus ihrer Funktion als Tempelpersonal. Es war der Tempelkult als Heilsinstitution Israels, zu dem Jesus als messianischer Menschensohn in eine soteriologische Konkurrenz trat. Diese fand ihren prägnantesten Ausdruck in Jesu messianischen Anspruch: „Hier ist Größeres als der Tempel“ (Mt 12,6).

verlassenen Sterben Jesu Christi wie zum Tempel als Ort göttlicher Gegenwart so gedeutet werden, daß dadurch ein innerer Zusammenhang zwischen beidem hergestellt wird“ (kursiv bei F.). 185 Das hermeneutische Deutungspotential für die Erfahrung von Leid und Tod, die in der Verknüpfung dieser beiden Vorgänge liegt, kann hier nur angedeutet werden. Ihre sachgemäße Entfaltung hat diese Verknüpfung in der paulinischen Kreuzestheologie gefunden. 186 CHRONIS, Veil, 113; vgl. ebd.: „Seen in this light, the seemingly artless and disruptive position of 15:38 becomes a literary felicity.“ 187 GNILKA, Mk II, 323f.; B AYER, Mk, 575; CHRONIS, Veil, 111.

Kapitel VI

Kultmetaphorik bei Paulus Die ersten christlichen Schriften, die wir besitzen, sind etwa 20 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung entstanden und richten sich in der Regel an Gemeinden in einem hellenistisch-römischen Kontext. Im Unterschied zu den Evangelien finden wir hier einerseits eine breite Verwendung atl. Kultbegriffe, aber auf der anderen Seite eine „auffällige Kultlosigkeit und – wie es scheint – Sakralfeindlichkeit des urchristlichen Lebens.“1 Es fällt weiter auf, dass alle ntl. Autoren es konsequent vermeiden, den christlichen Gottesdienst inklusive Taufe und Herrenmahl2 sowie die Funktionsträger der christlichen Gemeinden mit kultischen Begriffen zu beschreiben.3 Dem entspricht, dass die vorhandene Kultterminologie völlig losgelöst und ohne unmittelbaren Bezug zu den noch existierenden Jerusalemer Kultinstitutionen verwendet wird.4 Diese spielen für diese frühchristlichen Autoren höchstens am Rande eine Rolle. Das gilt auch für Paulus. Der Apostel schreibt zudem in einer Zeit, in der sich bereits eine mehr oder weniger erzwungene Ablösung der jungen christlichen Gemeinden von ihren jüdischen Wurzeln vollzieht. Waren die ersten Jerusalemer Christen noch sehr selbstverständlich mit dem Tempel verbunden,5 so kommt es nun zu dem viel zitierten und untersuchten „Parting of the Ways“.6 1

SCHÜRMANN, Marginalien, 303f. In einem eigenen Exkurs weist VAHRENHORST, Sprache, 194, auch darauf hin, dass im Rahmen von paulinischen Herrenmahlstexten die kultische Terminologie völlig abwesend, vgl. 1Kor 11,17–34, bzw. nur indirekt präsent ist, vgl. Blut und Leib Christi in 1Kor 10,16. Eine kultische Deutung des Mahles im Sinne eines Opfermahls lässt sich damit kaum begründen. 3 SCHÜSSLER-FIORENZA, Language, 168. 4 Vgl. FREY, Temple, 461: „[T]he Pauline letters show extensive use of cultic terms, but the notion of purity or holiness is always used metaphorically, without any concrete reference to the Jerusalem Temple.“ 5 Vgl. Lk 24,53; Act 2,46; 3,1–26; 5,19–21.42. Der Tempel war für die früheste Jerusalemer Gemeinde offensichtlich der selbstverständlichste Ort ihrer Zusammenkünfte. Hier traf sie sich zum Gebet, zur Lehre und zur missionarischen Verkündigung unter den Tempelbesuchern. Dass die Anhänger der frühen Jesusbewegung auch noch am Opferkult teilnahmen, ist nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich. Zwar löst Paulus in Act 21,26 durch ein Opfer die Gelübde von vier Männern aus. Eine soteriologische Absicht verbindet er damit aber nicht mehr. Diese Opfer sind Teil seiner jüdischen Identität, die ihm die Freiheit in Christus lässt. Wir finden jedoch im Neuen Testament keinen Hinweis 2

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

Im Blick auf die zentralen Kultinstitutionen vollzieht sich diese schmerzhafte Scheidung allerdings in allen ntl. Schriften – einmal abgesehen von der Stephanusrede in Act 77 – völlig unpolemisch. Wir finden nirgendwo einen dezidierten Angriff bzw. eine direkte und explizite Infragestellung von Tempel und Priestertum. Lediglich der Hebräerbrief macht deutlich, dass es neben dem ein für allemal gültigen Opfer Jesu Christi keine weiteren Tieropfer mehr geben kann (Hebr 9,24–28).8 Bleiben die Kultinstitutionen eher im Hintergrund, so finden sich kultische Begriffe und Sprachformen dagegen häufig in der paulinischen Briefliteratur, allerdings fast durchweg in metaphorischem Sprachgebrach.9 Mit diesen verbindet sich ein kultisches Weltbild, das für die paulinische Theologie kaum zu überschätzen ist.

1 Das kultische Weltbild in der paulinischen Theologie 1 Das kultische Weltbild in der paulinischen Theologie

Vor nun 60 Jahren identifizierte K. Weiß den Apostel Paulus als „Priester der christlichen Kultgemeinde“.10 Aufgrund seiner Interpretation der einschlägigen Belege, v.a. von Röm 15,16 und Phil 2,17, kommt er zur Überzeugung, dass Paulus sich als „Priester Christi Jesu für die oder bei den Heiden“ 11 gesandt sah und „als Priester im Dienste des Christuskultes für mehr darauf, dass Christen Opfer mit soteriologischer Intention dargebracht hätten. Erst im Ebionäerevangelium in Frg. 6 = Epiphanius Pan 30,16,4–5; vgl. auch 28,1,4 und 29,1,6; sowie PsClem Hom 3,56,4 und Recogn 1,39, findet sich eine Polemik gegen die (judenchristliche?) Teilnahme an Opfern: „Ich bin gekommen, die Opfer abzuschaffen, und wenn ihr nicht ablasst zu opfern, wird der Zorn von euch nicht ablassen.“ Ob dies als ein Reflex auf eine fortgesetzte Teilnahme (von einzelnen Mitgliedern?) der Jerusalemer judenchristlichen Gemeinde am Opferkult gewertet werden darf, muss offen bleiben. 6 Vgl. hierzu den von J.D.G. DUNN herausgegebenen Sammelband Jews and Christians. The Parting of the Ways A.D. 70 to 135. 7 Vgl. hierzu →Exkurs 3, Anm. 151. 8 Allerdings hat G. GÄBEL, Kulttheologie, 469–472, gezeigt, dass auch der Hebräerbrief den Jerusalemer Kult nicht an sich kritisiert. Er hat lediglich vor dem Hintergrund des in Christus offenbarten himmlischen Kultes seine Relevanz verloren. 9 Vgl. z.B. Röm 1,9: latreu,ein; 3,25: i``lasth,rion; 9,4: latrei,a ; 11,16: h`` avparch. a``gi,a/to. fu,rama; 12,1: qusi,a /h`` logikh. latrei,a ; 15,16: leitourgo,n, i``erogou/nta to euva gge,lion, h`` prosfora. tw/n evqnw/n euvpro,sdektoj; 1Kor 3,16f.; 1Kor 6,19; 2Kor 6,16: nao,j [qeou/]; 1Kor 9,13: qusiasth,rion; 2Kor 2,14–16: ovsmh,n; Phil 2,17: spe,ndomai evpi. th/| qusi,a | kai. leitourgi,a | th/j pi,stewj u`mw/n; Phil 4,18: ovsmh.n euvwdi,a j( qusi,an dekth,n( euva ,reston tw/| qew/|. Hinzu kommen noch die Begriffsfelder „rein/unrein“ in Röm 14,20; 1Kor 7,14; 2Kor 6,17; 7,11; vgl. auch Eph 5,5, und „heilig/heiligen/Heiligung“ mit zahlreichen Belegen. 10 So lautete der Titel seines 1954 in der Theologischen Literaturzeitung erschienenen Beitrags „Paulus – Priester der christlichen Kultgemeinde“. 11 WEISS, Paulus, 357.

1 Das kultische Weltbild in der paulinischen Theologie

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die Christusgemeinde Opfer darbringend“12 verstand. Kaum ein Exeget kann diese vollmundigen Sätze heute noch nachsprechen, da sich die Einsichten in die Funktion kultischer Begriffe bei Paulus seither wesentlich vertieft haben und ein differenzierteres Bild der paulinischen Kultmetaphorik entstehen ließen. In den vergangenen 20 Jahren haben W. Strack13 und M. Vahrenhorst14 umfangreiche Studien zur kultische Terminologie und Sprache15 in der paulinischen Briefliteratur vorgelegt, die sich in vielerlei Hinsicht ergänzen und einen wichtigen Beitrag zur Erhellung kultischer Denkformen in der Theologie des Apostels liefern, die von der Paulusforschung oft unterschätzt wurden und werden. 1.1 Die Bedeutung von Heiligkeit und (Un)Reinheit Bei Paulus begegnet das kultische Weltbild dergestalt, dass er die Gemeindeglieder der von ihm gegründeten Gemeinden als „Heilige“ ansprechen kann16 und in seiner Ethik und Ekklesiologie durchgängig bemüht ist, ihren kraft der Einwohnung des Heiligen Geistes durch Gott hergestellten Status der Heiligkeit zu betonen. Anders als im mosaischen Kultgesetz kennt Paulus jedoch zum einen keinen Bereich des Profanen bzw. keinen Zustand der Profanität mehr, in dem es unerheblich wäre, ob ein Mensch sich im Status der Reinheit oder der Unreinheit befindet. „Für ihn ist das Gegenteil von heilig nicht profan, sondern unrein (1Kor 7,14) bzw. ungerecht (1Kor 6).“17 Zum anderen verlieren in seiner Ethik auch die Maßstäbe kultisch qualifizierter Reinheit um die Lebensvollzüge der Geburt, der Speisen, der (nicht ethisch relevanten) Geschlechtlichkeit und Sexualität und nicht zuletzt des Todes ihre Bedeutung. Relevant für seine Gemeinden war ausschließlich die ethisch qualifizierte Unreinheit, denn „rein“ bzw. „unrein“ waren für Paulus keine physischen bzw. ontischen Qualifikationen mehr, sondern ausschließlich Relationsbegriffe.18 „Unreinheit impliziert automatisch die Trennung von Gott – Zugehörigkeit zu Gott automatisch die Reinheit.“19 Entsprechend muss 12 W EISS, a.a.O., 358. Diesen priesterlichen Opferdienst vollzieht Paulus nach W EISS, a.a.O., 360, „am Heiligtum des Christus-Jesus-Evangeliums“. 13 STRACK, Terminologie. 14 VAHRENHORST, Sprache. 15 Wenn im Folgenden von „kultischen Begriffen“ bzw. „kultischen Institutionen“ die Rede ist, dann wird „Kult“ nach B AUDY, Art. Kult/Kultus, 1799ff., verstanden als rituell gestaltete Begegnung mit dem Heiligen, die sich in der Regel in einem Heiligtum vollzieht. 16 Vgl. 1Kor 1,2; 2Kor 1,1; Phil 1,1 vgl. auch Eph 1,1; Kol 1,2. 17 VAHRENHORST, Sprache, 332. 18 Vgl. hierzu neuerdings REHFELD, Relationale Ontologie. 19 VAHRENHORST, Sprache, 334.

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

Unreinheit ganz analog zum mosaischen Kult vom Bereich des Heiligen, der in der Gemeinde als Ganzer und auch in den einzelnen Gemeindegliedern als Individuen durch die Präsenz des Geistes konstituiert wurde, ferngehalten werden. Weil es für Paulus keine zeitlich befristete Heiligkeit oder Profanität mehr gibt, sondern die an Jesus glaubenden Glieder seiner Gemeinden dauerhaft Heilige sind, ist Unreinheit auch ganz grundsätzlich auszuschließen. Folglich kennt Paulus nur noch die Polarität von Heiligkeit und Unreinheit. Entsprechend geht es in seiner Ekklesiologie und Ethik um die Heiligung der Gemeinde, die vor dem Eindringen des Unreinen geschützt werden muss, und in seiner Missionstheologie konsequenterweise um die Heiligung der Welt, d.h. um die Ausweitung des Bereiches des Heiligen auf die Völker (vgl. Röm 15,16). Mit den Begriffen des „Eindringens“ und der „Ausweitung“ ist aber bereits ein weiterer wesentlicher Aspekt kultischer Sprache angedeutet: das räumliche Denken. 1.2 Kultisches Denken als räumliches Denken Auch die räumliche Dimension der kultischen Wirklichkeit findet in der paulinischen Theologie in mehrfacher Hinsicht einen Widerhall. Wie noch zu zeigen sein wird, hat Paulus Jesus Christus als den eschatologischen Ort der Gottesbegegnung verstanden (Röm 3,25). Wenn nun der Geist dieses Jesus Christus in der Gemeinde des neuen Bundes einwohnt, dann ist in der Gemeinde dieser eschatologische Ort der Gottesbegegnung gegeben. In der Konsequenz kann er die Gemeinde als „Tempel Gottes“ bezeichnen, d.h. als den Ort, wo der Mensch in den Bereich des Heiligen eintreten und zu Gott bzw. auf die Seite Gottes kommen kann. Durch die Gabe des heiligen Geistes wird der Glaubende in diesen Bereich des Heiligen „eingemeindet“ und kommt so in die permanente und heilvolle Gemeinschaft mit Gott. Entsprechend geht es Paulus immer wieder darum, diesen Bereich des Heiligen zu schützen, was im Extremfall bedeuten kann, ein Gemeindeglied, das sich beharrlich der Heiligung widersetzt, aus der Gemeinde auszustoßen (1Kor 5) bzw. sich von Menschen, die sich den „Heiligkeitsstandards“ der Gemeinde Jesu verweigern, zu distanzieren (2Kor 6,14– 7,1). 1.3 Kultisches Denken als antikes, interkulturelles Gemeingut Wenn Paulus kultische Begriffe verwendet, dann bedient er sich einer Fachterminologie, die grenz- und kulturübergreifend verstanden werden konnte. Die Einführung in die paganen Priesterschaften der griechischrömischen Antike hat gezeigt, wie interkulturell kommunikabel kultische Sprache war. Trotz aller Besonderheiten in den einzelnen Kulten waren

2 Kultische Metaphern bei Paulus

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nicht nur die kultischen Institutionen und Vollzüge relativ ähnlich, sondern auch das kultische Wirklichkeitsverständnis an sich war vergleichbar. Diese interkulturelle Kommunikabilität von Reinheitsbestimmungen und Heiligkeitskonzeptionen war für Paulus eine entscheidende Voraussetzung für die Kommunikation kultischer Begriffe gegenüber nichtjüdischen Menschen. Wie sich noch zeigen wird, waren seine christologischen, ekklesiologischen und ethischen Erläuterungen, bei denen er sich kultischer Begriffe bediente, ohne weiteres auch für seine nichtjüdischen Hörer, die aus einer paganen Alltagswelt kamen, verständlich.

2 Kultische Metaphern bei Paulus 2 Kultische Metaphern bei Paulus

2.1 1Thess 3,13–5,23 In jüngster Zeit haben M. Vahrenhorst und E.D. Schmidt gezeigt, wie bereits im 1. Thessalonicherbrief der kultische Vorgang der Heiligung die paulinischen Ausführungen bestimmt, und zwar sowohl in soteriologischer als auch in ethischer Hinsicht.20 Während Paulus in 1Thess 3,13 und 5,23 die Heiligung der Gemeinde von Gott erbittet, ermahnt er in 1Thess 4,1–12 und 5,1–22 gleichzeitig die Gemeinde, dem Willen Gottes gemäß ihre Heiligung in den alltäglichen Lebensvollzügen zu verwirklichen (1Thess 4,3f.).21 Es geht hier um ein komplementäres Geschehen, das auf dem Hintergrund des kultischen Weltbildes und der sowohl frühjüdischen wie frühchristlichen Metaphorisierung der Kultbegriffe verständlich wird.22 Damit es zu einem heilvollen „Sein vor Gott“ kommen kann, muss der Mensch auf diese Begegnung vorbereitet werden und in einen Status der Heiligkeit im Sinne einer Kontakt- und Begegnungsfähigkeit überführt werden. Aufgrund seiner pessimistischen Anthropologie erwartet Paulus nicht, dass dieser statusverändernde Vorgang der Heiligung aus dem Status der Unreinheit in den Status

20

VAHRENHORST, Sprache, 115–139; SCHMIDT, Eschaton, 211–413. SCHMIDT, Eschaton, 398, vermutet, dass „dem Heiligungs-/Heiligkeitsverständnis des Paulus in 1Thess eine größere Einheitlichkeit und dogmatische Platzierung zugrundeliegt, als aufgrund der sporadischen Einzelbelege vermutet werden“ kann. Denn hinter der paulinischen Terminologie steht ein Konzept, das „reif genug ist, um bereits bei der Erstverkündigung schlüssig formulierbar gewesen zu sein, und jung genug, um noch nicht (z.B. liturgisch) fixiert zu sein“. 22 VAHRENHORST, Sprache, 122: „Diese Rahmung macht deutlich, dass es zum Gelingen der Heiligung der Gemeinde ihres eigenen Tuns ebenso bedarf, wie des bewahrenden Handelns Gottes. In 5,23 wird sichtbar, dass Paulus sich beides als analoges Geschehen vorstellt: Die Gemeinde vollzieht in ihrem Tun die Heiligung – zugleich ist es Gott, der die Gemeinde heiligt.“ 21

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

der Heiligkeit in den ethischen Möglichkeiten des Menschen liegt.23 Vielmehr sieht Paulus diesen Statuswechsel in der durch die Gabe des Heiligen Geistes geschehenen „Heiligung“ durch Gott vollzogen (1Thess 1,4f.; 4,8).24 Nun geht es aber in c. 4f. darum, dass die Thessalonicher diesem Status der Heiligkeit, in den sie durch Gottes Geist hineingestellt wurden, auch in ihren alltäglichen Lebensvollzügen entsprechen.25 Die christliche Ethik zielt somit auf die Bewahrung und „Vervollkommnung“26 des verliehenen Status.27 Im Konkreten gehört dazu, anders als in der mosaischen Kulttora oder den paganen Leges Sacrae, nicht mehr die kultische Reinheit im Umkreis von Geburt, Krankheit, Körperausflüssen, Speisen und Tod, wohl aber die ethische Reinheit, v.a. im Zusammenhang der Sexualität (1Thess 4,3–5).28 Neu ist auch, dass Paulus, wie oben bereits angedeutet, nicht mehr zwischen einem Status der Profanität und der Heiligkeit trennt, sondern gemäß 1Thess 4,7 (vgl. Röm 6,19.22) nur noch die beiden polar entgegengesetzten Zustände der Unreinheit und der Heiligung bzw. Heiligkeit kennt.29

23

Vgl. WEISS, „Heilig“, 47: „Der a``giasmo,j in 4,3 dürfte tatsächlich einen Modus meinen, durch den die Glaubenden zur Heiligkeit geführt werden, die Heiligung. Die Heiligung ist darin eine passive, den Glaubenden von außen her zukommende Bestimmung. In dieser Weise bedeutet die Formulierung ‚dies ist der Wille Gottes‘ (4,3) nicht eine Forderung an die Glaubenden, sondern die von Gott gesetzte Ausrichtung ihres Seins.“ 24 SCHMIDT, Eschaton, 396: „Bei aller hoher, selbst soteriologischer Relevanz von Ethik wird durch sie jedoch nicht Heiligung erwirkt: Heiligung erfolgt von Gott alleine.“ Das Verb a``gia,zein bezeichnet in der LXX den Transfer von Dingen oder Personen aus dem Bereich des Profanen in den Bereich des Heiligen, vgl. z.B. Ex 13,2; 28,38; Lev 8,11. 25 Vgl. SCHMIDT, Eschaton, 395: „Diesem eschatologisch ausgerichteten Stand ist ein bestimmtes Verhalten angemessen bzw. ein anderes unangemessen. Die dem Heiligungsstand entsprechende Ethik ist von höchster Relevanz, Verstoß gegen sie kann Verlust der Heilsgemeinschaft zur Folge haben.“ 26 Vgl. die Begriffe o``lotelei/j und o``lo,klhron in 1Thess 5,23. 27 W EISS, „Heilig“, 46, vermutet, dass wir in 1Thess 4,1–8 die früheste Verbindung des „Heiligmotivs“ mit der Paränese im Neuen Testament vorliegen haben. 28 Es geht in 1Thess 4,3 wohl um eine Warnung vor jedem regelwidrigen Sexualverkehr. 29 Der auffällige Wechsel der Präposition zwischen evpi. avkaqarsi,a | und evn a``giasmw/| in 4,7 ist wohl in theologischer Absicht zu verstehen. Während evpi, mit Dativ ein Ziel angibt, das in diesem Falle abgelehnt wird, umschreibt die Präposition evn mit Dativ einen Ort bzw. Raum, in den es einzutreten gilt, oder einen Zustand, in den der Betreffende hineinversetzt werden soll. Daher stehen avkaqarsi,a und a``giasmo,j nicht einfach in einer Parallelität, wie dies z.B. von der Lutherübersetzung suggeriert wird. Vielmehr versetzt die Berufung den Glaubenden in den Zustand der Heiligkeit bzw. in den Raum der Heiligung, der umgekehrt eine Entsprechung im Lebenswandel nach sich ziehen soll; vgl. auch WEISS, „Heilig“, 48.

2 Kultische Metaphern bei Paulus

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Durch die Gabe des Geistes sind die Gemeindeglieder dauerhaft in die Sphäre des Heiligen gestellt und damit in den Status der Heiligkeit versetzt.30 Sie entsprechen mit diesem permanenten Status der Heiligkeit im metaphorischen und das heißt „wirklichkeitsenthüllenden“ Sinn den atl.jüdischen Priestern, die qua definitionem dem Herrn heilig sind (vgl. Lev 21,6) und in der Folge gehobene Standards kultischer Reinheit zu erfüllen hatten. Diese Analogie wird von Paulus in seinen uns erhaltenen Briefen nirgends ausgeführt.31 Aber in der Formulierung der paulinischen Ekklesiologie und Ethik mit Hilfe kultischer Sprachformen und auf dem Hintergrund des kultischen Weltbildes wird die in späteren ntl. Schriften vollzogene Identifikation der Gemeinde als eine „heilige Priesterschaft“ (1Petr 2,5) vorbereitet. Im Horizont des in zahlreichen Gruppierungen des Frühjudentums wahrgenommenen Bemühens um eine Kompensation der als defizitär und unzulänglich empfundenen priesterlichen Kultpraxis fällt auf, dass der ehemalige Pharisäer Saulus Paulus an das pharisäische Programm anknüpft. Auch als Apostel verfolgt er die Absicht, den Status der Heiligkeit auf das ganze Volk und in den Raum des „Profanen“ und Alltäglichen zu übertragen, womit dieser faktisch abgeschafft wird, da „sich christliche Existenz immer in der Sphäre des Heiligen abspielt“ und „alles Tun und Lassen nicht nur ethisch, sondern auch kultisch qualifiziert“ ist.32 Hier enden freilich die Analogien. Denn anders als im Pharisäismus geht es bei Paulus nicht um eine priesterliche Heiligkeit in abgestufter Form, die v.a. in einer schärferen Speisehalacha verwirklicht wurde, sondern um einen Status, dessen Herstellung nicht in den menschlichen Möglichkeiten liegt, sondern der durch den Heiligen Geist verliehen wird. Die vom Menschen erwartete Entsprechung zu dieser Heiligkeit ereignet sich auch nicht in der Beachtung kultischer Reinheits- und Speisehalachot, sondern in einem der verliehenen Heiligkeit entsprechenden ethischen Verhalten im alltäglichen Leben. Schließlich versteht Paulus diese Heiligkeit auch nicht als eine Kompensation für die Unzulänglichkeit der Jerusalemer Priester und ihrer Kultpraxis, sondern als einen durch Gottes Heilshandeln in Kreuz und Auf30

VAHRENHORST, Sprache, 138: „Da Gott durch den heiligen Geist in den Gemeindegliedern gegenwärtig ist, ohne dass diese Gegenwart als zeitlich befristet zu denken wäre, ist auch die Heiligung nicht zeitlich begrenzt. […] Entsprechend lesen sich die paulinischen Ausführungen nicht als Maßstäbe, die für den Zugang zur Sphäre des Heiligen gelten, sondern als Richtlinien, die Orientierung für das gesamte Leben in der Gegenwart Gottes geben.“ 31 Durch die Beständigkeit des christlichen Seins im Raum des Heiligen und der damit implizierten Aufhebung eines profanen Seinszustandes, fehlt der paulinischen Konzeption auch das kultische Element des Herausgehobenseins des Heiligen aus dem Profanen; vgl. VAHRENHORST, Sprache, 138; SCHMIDT, Eschaton, 399. 32 VAHRENHORST, Sprache, 138; ebenso SCHMIDT, Eschaton, 401.

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

erstehung eröffneten, durch das Wirken des Heiligen Geistes geschenkten und durch das „Sein in Christus Jesus“ realen Status für Juden und Heiden, der die Begegnung mit Gott und das heilvolle Sein vor Gott ermöglicht. 2.2 1Kor 1,2; 1,30; 6,11 Bis auf die Briefe an die Gemeinden in Galatien und Thessalonich findet sich in allen Gemeindebriefen des Corpus Paulinum in der Adscriptio des Präskripts die Adressatenangabe [toi/j] [klhtoi/j] a``gi,oij, ergänzt z.B. mit pa/sin oder evn Cristw/| VIhsou/ (vgl. Röm 1,7; 1Kor 1,2; 2Kor 1,1; Eph 1,1; Phil 1,1; Kol 1,2). 1Kor 1,2 adressiert noch zusätzlich an die h``giasme,noij evn Cristw/| (vgl. 1Kor 6,11).33 Im Licht des zu 1Thess 3,13–5,23 Gesagten und in →VI.1 Ausgeführten, muss auch hier das kultische Weltbild als Deutungsparadigma herangezogen werden. Durch den pneumatischen Vorgang der Heiligung durch Gott bzw. den Geist, der sich „in Christus“ (in der Taufe?)34 und auf der Grundlage seiner Heilstat – die pneumatologische Dimension tritt hier zurück (vgl. dagegen Röm 15,16) – vollzieht, wurden die Adressaten in einen Status der Heiligkeit und damit in eine „neue Existenzform und deren Identität“35 transferiert. Sie besitzen aufgrund dieses transformatorischen Vorgangs der Heiligung und des zugesprochenen (klhtoi/j) Status der Heiligkeit36 die Kontakt- und Begegnungsfähigkeit mit Gott und gehören zum

33

MERKLEIN, 1Kor I, 74, und W OLFF, 1Kor, 16, möchten diese Erweiterung der sonst üblichen Adscriptio der paulinischen Briefpräskripte von den besonderen ethischen Herausforderungen in Korinth her verstehen und interpretieren sie als ethische Erinnerung. Dagegen meint ZELLER, 1Kor, 74, zurecht, „[d]er mahnende Zeigefinger wird im Präskript noch nicht erhoben …“ 34 WEISS, „Heilig“, 52; MERKLEIN, 1Kor II, 64; SCHRAGE, 1Kor I, 433 und WOLFF, 1Kor, 16.121, halten für 1Kor 6,11 eine Herkunft aus der Taufterminologie für sehr wahrscheinlich. Für die Präposition evn plädiert SCHNABEL, 1Kor, 62, sowohl für eine instrumentale als auch lokale Bedeutung: „Unheilige Menschen werden allein durch Jesus Christus heilig, indem Gott durch den Kreuzestod und in der Auferstehung Jesu die Schuld des Sünders gesühnt und Sünde vergeben hat. […] Unheilige Menschen erhalten und bewahren allein in Jesus Christus Heil und Heiligkeit, d.h. in dem von Jesus Christus und seiner Heilstat bestimmten Heils- und Herrschaftsbereich.“ Die Formel evn Cristw/| VIhsou/ ist auch in heilsgeschichtlicher Sicht nicht zu unterschätzen, da sie den einzigen Legitimationsgrund für die Statusverleihung der „Heiligkeit“ an nicht-jüdische Menschen darstellt. 35 WEISS, „Heilig“, 60. 36 SCHNABEL, 1Kor, 61: „Es ist die Berufung durch Gott, die Heiligkeit verleiht und garantiert, nicht das moralische Handeln der Gemeindeglieder“; ebenso MERKLEIN, 1Kor I, 74.

2 Kultische Metaphern bei Paulus

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räumlich gedachten, heiligen Nahbereich Gottes.37 Die paulinischen Gemeinden stehen damit in einer Tradition von atl. und frühjüdischen Kollektiven, die ebenfalls als „Heilige“ angesprochen wurden.38 Dass Christus Grundlage und Mittler dieses transformatorischen Prozesses der „Heiligung“ (vgl. 1Thess 4,3.4.7; Röm 6,19.22) ist, wiederholt Paulus in 1Kor 1,30, wo er Christus als Quelle der „Weisheit“ (sofi,a), „Gerechtigkeit“ (dikaiosu,nh), „Heiligung“ (a``giasmo,j) und „Erlösung“ (avpolu,trosij) bezeichnet. Es geht hier um die Betonung des von Gott in Christus geschenkten und verliehenen neuen Status und Seins der Glaubenden.39 Paulus bringt mit diesen vier Begriffen verschiedene Dimensionen der soteriologischen Wirkung des Heilsgeschehens zum Ausdruck und will dabei offensichtlich auf den kultischen Aspekt der Aussonderung des Geheiligten aus dem unheilvollen Raum des Unreinen und seine Eingliederung in den heilvollen Raum des Heiligen nicht verzichten. In ähnlicher Weise geht es auch in 1Kor 6,11 um verschiedene Aspekte des Heilsgeschehens, wenn Paulus in einem paränetischen Kontext (vgl. 1Kor 6,9f., bzw. 1Kor 5–6) die Wirklichkeit des neuen Heilsstatus der Glaubenden mit „reingewaschen“ (avpelou,sasqe), „geheiligt“ (h``gia,sqhte) und „gerechtfertigt“ (dikaiw,qhte) beschreibt. Weiß macht zu Recht darauf aufmerksam, dass es „nicht die ethischen Konsequenzen [sind], die 1Kor 6,11 bestimmen, sie hat Paulus zuvor breit konkret und katalogisch vor Augen geführt. Insofern ist 6,11 begründender Abschluss. Thematisiert wird in 6,11 die Existenzkehre als eine passive, von Gott herbeigeführte Existenz, wofür das Gegenüber von h=te und dem dreimaligen avlla, steht. Die Glaubenden sind in dem frühchristlichen typologisch ausgebildeten Status der Reingewaschenen, Geheiligten und Gerechtgemachten versetzt worden.“40 Auch hier will der ehemalige Pharisäer die kultische Dimension des Heilsgeschehens neben der sakramentalen und juridischen nicht ungenannt lassen. In Christus sind die Glaubenden geheiligt worden und somit 37 Vgl. auch SCHRAGE, 1Kor I, 103: „Christen gewinnen ihre Heiligkeit allein durch Christus Jesus und sein heilschaffendes Handeln, und sie bewahren sie allein in Christus Jesus, d.h. in dem von ihm und seiner Heilstat bestimmten Heils- und Herrschaftsbereich“ (kursiv bei SCH.). 38 Vgl. Ex 19,6; Dtn 7,6; 28,9; Dan 7,18.21f.25.27; 8,25; äthHen 62,8; Tob 8,15; 12,15; 1Makk 1,46; 1QM 3,5; 12,7; 1QSa 1,9; 1QSb 1,5; 1QH 7,19; CD 4,6. 39 Vgl. auch WEISS, „Heilig“, 61: „Heiligung ist zuerst Indikativ, nur mittelbar Imperativ.“ 40 W EISS, a.a.O., 56f.; ähnlich auch MERKLEIN, 1Kor II, 65: „Für ihn [sc. Paulus] sind Reinheit und Heiligkeit nicht wie bei Philo durch Tugend zu erlangen. […] Kultische Reinigungsriten sind keine magischen Handlungen, sondern symbolische Repräsentation einer von Gott eingeräumten Möglichkeit, wodurch Menschen von den begangenen Sünden befreit und somit wieder kultfähig (und insofern heilig) gemacht werden“ (kursiv bei M.).

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

in einen Zustand der Kontakt- und Begegnungsfähigkeit mit Gott versetzt worden. Erst auf dem Hintergrund der frühjüdischen und insbesondere pharisäischen Bemühungen um einen zwar abgestuften, aber doch gehobenen priesterlichen Heiligkeitsstandard für alle Juden im Land, kann das unerhört Neue der paulinischen Heiligkeitskonzeption erfasst werden. 2.3 1Kor 9,13 Hier zieht Paulus einen Vergleich zwischen dem mit seinem apostolischen Dienst gegebenen Versorgungsrecht und der rechtlich geregelten Partizipation von Priestern an den Opfergaben, die auf dem Altar geopfert werden. Die Frage ist nun, ob sich diese Analogie im Blick auf die bestehenden Rechte von Apostel und Priester auch auf die Identität des Amtes ausweiten lässt, ob sich also Paulus in seinem apostolischen Dienst als Priester begreift.41 Im Licht von Röm 15,16 ist dies durchaus zu erwägen, wobei Paulus sich auch dort „nur“ als leitourgo,j vorstellt und offenbar bewusst auf den naheliegenden Priestertitel verzichtet.42 Umgekehrt würde aber niemand durch den vorangehenden Vergleich mit dem dreschenden Ochsen, dem man nicht das Maul verbinden solle (1Kor 9,9), auf die Idee kommen, dass sich Paulus für einen Ochsen hält.43 Insgesamt ist die Textbasis zu dürftig, um ihr eine paulinische Identifikation mit dem Priesteramt entnehmen zu können. Mehr als eine funktionale Analogie wird man aus dem Vers kaum herauslesen dürfen. Klauck weist zu Recht darauf hin, „daß es nur auf das evsqi,ein bzw. summeri,zesqai ankommt, weitergehende Schlüsse sich also verbieten, so daß die Verwendung von Kultterminologie und -vergleichsmaterial noch kein Rechtstitel für die Etablierung eines christlichen Kultes oder für die Bezeichnung der Verkündiger des Evangeliums als ‚Priester‘ ist.“44

41

Während MERKLEIN, 1Kor II, 224, und STRACK, Terminologie, 116f., dieses erweiterte Verständnis ablehnen, sieht VAHRENHORST, Sprache, 188, diese Identifikation durchaus gegeben: „Paulus hat dieses Recht nicht nur wie ein Mitarbeiter bei einem kultischen Vorgang, sondern als Mitarbeiter eines kultischen Dienstes“ (kursiv bei V.). Er wertet den inhaltlichen Überschuss des Vergleiches als Hinweis darauf, dass er auch für das paulinische Selbstverständnis fruchtbar gemacht werden darf, ebd. 188f.: „Paulus tut nichts anderes, als das, was zum Wesen priesterlichen Dienstes gehört, nämlich Opfergaben – in seinem Fall Menschen – in die Sphäre des Heiligen zu überführen.“ 42 Man könnte zu diesem Verzicht eine weitere Analogie in 1Kor 9 sehen, insofern Paulus die Korinther ebenfalls dazu motivieren will, auf Freiheitsrechte zu verzichten; vgl. GÄCKLE, Die Starken, 250f. 43 Vgl. VAHRENHORST, Sprache, 188, Anm. 242. 44 SCHRAGE, 1Kor II, 308.

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Eine andere Frage ist, auf welchen Kult sich Paulus hier bezieht: Hat er den Jerusalemer Kult vor Augen45 oder redet er bewusst vom Kult im Sinne eines allgemeinantiken Phänomens?46 Dass Paulus auch an den jüdischen Kult denkt, zeigt der Terminus qusiasth,rion, der ausschließlich in der LXX belegt ist.47 Umgekehrt fehlt das Verb paredreuei,n in der LXX völlig, ist aber in der paganen Kultsprache häufig belegt. Auch aus rezeptionsästhetischer Perspektive legt es sich nahe, dass Paulus in ganz allgemeiner Weise von allen antiken Kulten, einschließlich des jüdischen, spricht.48 Was hätten sich die korinthischen Heidenchristen auch sonst darunter vorstellen sollen? Sie hatten die kultische Praxis in den zahlreichen paganen Kulten ihrer Stadt täglich vor Augen. An diesem Beispiel zeigt sich die weitgehende Kommunikabilität der kultischen Sprache in der antiken Welt. 2.4 Röm 3,25f. Die Literatur zu diesem locus classicus paulinischer Sühnetheologie bzw. zur Widerlegung einer solchen ist Legion.49 Es kann hier nicht darum gehen, alle geführten Diskussionen nachzuzeichnen, sondern lediglich die Frage nach der kulttheologischen Relevanz dieses Verses zu erörtern, wobei die Vielzahl der diskutierten Fragen nicht völlig ausgeklammert werden kann. Umstritten ist bereits die Provenienz dieser Aussage. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine geprägte Tradition, die Paulus wie viele andere auch übernommen hat und nun als Spitzensatz an das Ende seiner Argumentation in 3,21–26 stellt.50 Zentrales Problem in der Deutung dieses Verses ist die Interpretation des substantivierten Adjektivs i``lasth,rion, das im Neuen Testament an45

So SCHRAGE, 1Kor II, 308; LINDEMANN, 1Kor, 206. So FEE, 1Cor, 412. 47 BEHM, Art. qu,w ktl., 182; SCHRAGE, 1Kor II, 307; vgl. Num 18,8f.31; Dtn 18,1–4. 48 So auch VAHRENHORST, Sprache, 188–190; MERKLEIN, 1Kor II, 223f.; KLAUCK, 1Kor, 66; SCHNABEL, 1Kor, 493; dagegen sieht HOGETERP, God’s Temple, 350.379, hier ausschließlich den Jerusalem Tempel im Blick. 49 Einen voluminösen Überblick über die Beiträge der vergangenen 20 Jahre gibt KRAUS, Erweis, 193f., Anm. 6. 50 Die Diskussion über die Provenienz von V. 25f. ist weit von einem Konsens entfernt. Nach KRAUS, Erweis, 195, Anm. 13, spricht sich etwa die Hälfte der neueren Kommentatoren für ein Überlieferungsstück aus, während die andere Hälfte eher an eine genuin paulinische Formulierung denkt. Den Charakter eines Traditionsstücks indizieren nicht nur der relativische Satzanschluss, vgl. z.B. auch Röm 4,25; 8,32; Phil 2,6–11 u.ö., der deutliche Aussageüberschuss im vorliegenden Kontext und die außerordentlich dichte und überladene Satzkonstruktion, sondern auch die Zahl der Hapaxlegomena. Ferner ist die Verknüpfung der Vergebung der Sünden mit einem bestimmten Zeitraum für Paulus ungewöhnlich. Das Motiv erscheint jedenfalls im Corpus Paulinum nur hier. 46

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sonsten nur noch in Hebr 9,5 mit Artikel belegt ist. Der Begriff bezeichnet einen in irgendeiner Weise mit dem Sühnegeschehen verbundenen Gegenstand oder Ort, wobei sich in der Forschung zwei unterschiedliche Deutungsvarianten herauskristallisiert haben. Häufig wird mit dem Begriff im Anschluss an 4Makk 6,28f.; 17,21f. eine Sühnegabe oder ein „Sühneopfer“ bezeichnet.51 Das 4. Makkabäerbuch bezeichnet dort den Tod der Märtyrer als Ersatz für die nicht mehr mögliche Sühne im entweihten Tempel. Allerdings ist die Datierungsfrage des Buches unklar und vieles spricht dafür, dass es erst gegen Ende des 1. Jh. n.Chr.52 – möglicherweise als Reaktion auf christliche Überlieferungen – entstanden ist. Als Hintergrund für Röm 3,25f. kommen die Belege daher nicht in Frage.53 Eine jüngst von S. Schreiber angebotene Deutung ist die sich an paganen Belegen orientierende Interpretation von i``lasth,rion als „Weihegeschenk“, das Gott für sich selbst zugunsten der Menschen aufgestellt habe.54 Gegen diese Deutung hat Kraus zu Recht Einspruch erhoben:55 (1) Es gibt nur relativ wenige, v.a. pagane Belege für diese Verwendung. 56 Warum sollte Paulus an so herausgehobener Stelle einen so selten belegten Begriff für „Weihegeschenk“ verwenden, wenn deutlich geläufigere Begriffe für „Weihegeschenk“ wie avna,qhma, caristh,rion bzw. euvcaristh,rion oder dw/ron zur Verfügung gestanden hätten und der von ihm gewählte Begriff bei seinen jüdischen Lesern eindeutig die Assoziation zur tr,PoK; herstellte? (2) Bei keinem der Belege mit der Bedeutung „Weihegeschenk“ spielt Blut bzw. Lebenshingabe irgendeine Rolle. (3) Es gibt nur drei mit Sicherheit substantivische Belege für i``lastrh,rion in der Bedeutung „Weihegeschenk“, die sämtlich aus dem nichtjüdischen Bereich stammen.

51 So u.a. E. LOHSE, Märtyrer, 149ff.; DERS., Gerechtigkeit Gottes; DERS., Röm (KEK), 134f.; DUNN, Rom I, 171; HAACKER, Röm, 90f.; eher unentschieden MICHEL, Röm, 151f. Ein Vergleich mit dem Sühnedeckel auf der Bundeslade sei nach LOHSE unwahrscheinlich, da er in der vorliegenden Form von den römischen Christen kaum verstanden worden wäre (Märtyrer, 151). Dies gelte umso mehr, als der in der Septuaginta übliche Artikel (to. i``lasth,rion) fehlt. Hinzu kommt, dass der Vergleich insofern hinkt, als der Sühnedeckel im Allerheiligsten verborgen war, während Jesus „öffentlich aufgestellt“ wurde. Schließlich sei auch das Bild „schief“, weil bei einer Gleichsetzung Christi mit dem Sühnedeckel sein eigenes Blut an ihn selbst gesprengt werden würde, a.a.O., 152. 52 KLAUCK, 4. Makkabäerbuch, 668f.; ebenso HENTEN, Datierung. 53 Ebenso KNÖPPLER, Sühne, 114, und MOO, Rom, 234f.; Anm. 74. 54 SCHREIBER, Weihegeschenk, 88–110. 55 KRAUS, Erweis, 202f. 56 Es gibt fünf bisher bekannte Belege für diesen Gebrauch: Zwei Inschriften der Insel Kos, Nr. 81 und 347 (ed. PATON/H ICKS); Dion Chrys Or 11,121; Jos Ant 16,182 und einen Beleg aus der Lindischen Tempelchronik, zugänglich bei B LINKENBERG, Lindische Tempelchronik, 12 (Inschrift B 49 Z. 48–50).

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Schließlich versteht eine dritte Interpretationslinie i``lasth,rion als die LXX-Übersetzung von tr,PoK;.57 Mit i`lasth,rion epi,qema wird in Ex 25,17LXX; 38,7LXX der (Sühne)Deckel auf der Bundeslade bezeichnet.58 Diese Deckplatte ist nach Ex 25,22 der Ort der Gottespräsenz und der Gottesbegegnung. Hier erscheint Gott (Lev 16,2), von hier aus spricht er mit Mose (Ex 25,22; Num 7,89) und hier wird am Yom-Kippur der Blutritus vollzogen (Lev 16,14f.).59 Für diese Interpretation des Begriffs hat P. Stuhlmacher gewichtige Argumente ins Feld geführt.60 Ist diese Identifikation richtig, dann stellt Paulus aufgrund der hier vorliegenden Verbindung von Blut und Sühnestätte den Tod Jesu antitypisch dem Sühnegeschehen am Yom-Kippur gegenüber (vgl. Lev 16,14f.) und greift damit in Röm 3,25 auf einen theologisch höchst aufgeladenen kultischen Begriff zur Deutung des Todes Jesu zurück.61 Dies geschieht bei Paulus zwar sel57

Von den 40 jüdischen Belegen erscheint i``lasth,rion 21mal im Pentateuch, davon sechsmal in Lev 16, sechsmal bei Philo, Cher 25; Mos 2,95.97; Fug 100f.; Her 166, einmal in TestSalomon 21,2 und schließlich auch in Hebr 9,5 als die griechische Übersetzung von tr,PoK;. Hinzu kommen drei weitere Belege, in denen dies sehr wahrscheinlich der Fall ist, nämlich die Symmachus-Übersetzung von Gen 6,15f. und der Beleg in Am 9,1. Damit beziehen sich über drei Viertel aller Belege auf den Sühnedeckel auf der Bundeslade. 58 Oft auch nur mit i``lasth,rion wiedergegeben, vgl. Ex 25,17ff.; Lev 16,2.13–15 u.ö. 59 Im Tempelentwurf Ezechiels bezeichnet der Begriff in der LXX die Einfassung des Altars, vgl. Ez 43,14.17.20. In Am 9,1 ist die Bedeutung unklar. Entweder ist ein bestimmter Ort im Tempel von Bethel gemeint oder die trpk im Jerusalemer Tempel. 60 STUHLMACHER, Exegese, 117–135, vgl. auch HULTGREN, Paul’s Gospel, 47–81; MOO, Rom, 230–236, und die Literatur bei MOO, Rom, 232, Anm. 67. STUHLMACHER weist zunächst darauf hin, dass die Gleichsetzung von i` lasth,rion mit dem Sühnedeckel der Lade sehr gut in den Zusammenhang der judenchristlich-hellenistischen Gemeinde und ihrer Tempelkritik passen würde. Auch für eine so judenchristlich geprägte Gemeinde wie in Rom wäre dies nicht unverständlich, a.a.O., 124. Das Fehlen des Artikels erklärt STUHLMACHER mit dem Umstand, dass der Begriff als Prädikatsnomen gebraucht wird, was den Artikel überflüssig macht, a.a.O., 125; ebenso KRAUS, Erweis, 201. Die von LOHSE angeführte Verborgenheit der Lade im Allerheiligsten war nicht nur für Paulus, sondern auch für das ganze Neue Testament kein Hindernis, um einen Vergleich zu ziehen, vgl. Mk 15,38; Hebr 9f. und 13,10f. Schließlich ist der Vergleich nach STUHLMACHER auch keineswegs „schief“, da es Paulus nicht auf eine exakte Aufsplittung der Motive ankomme, sondern lediglich darauf, dass „Gott Jesus öffentlich zur Stätte der Begegnung mit Gott, seiner Offenbarung und jener Versöhnung eingesetzt habe, die kraft der in Jesu Lebenshingabe, seinem Blut, vollbrachten Sühne wirksam ist“, a.a.O., 127. Gegen diese sühnetheologische Deutung wurde und wird von verschiedenen Seiten Widerspruch erhoben. So lehnt u.a. HAHN, Verständnis, 74f., eine Sühneaussage in Röm 3,25 aufgrund ihrer Unbeweisbarkeit ab. Skeptisch auch HOGETERP, God’s Temple, 279. 61 Eine Anknüpfung an den Yom-Kippur hält auch DUNN, Rom I, 171f., für wahrscheinlich. Vgl. auch VORHOLT, Priester, 71: „Wenn aber die Funktion dieser Metaphorisierung in der Öffnung unterschiedlicher Bedeutungs- und Verstehensebenen ohne Negation des Konkreten liegt, dann wird klar, weshalb Paulus in Röm 3,25 auf einen Zentral-

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ten, aber hier an herausgehobenem Ort.62 Jesus wird von Gott durch seinen stellvertretenden Sühnetod als der eschatologische Sühne- und Kultort der Gottesbegegnung und Gottespräsenz „inauguriert“, an dem die Darbringung seines Blutes sühnend wirksam wird.63 Damit ist jedoch nicht mehr länger die Kapporet des Tempels, sondern der gekreuzigte Christus der Ort der rettenden Präsenz Gottes. Die soteriologischen Folgerungen dieser Inauguration werden von Paulus nun aber bemerkenswerterweise nicht mehr in kultischer Sprache entfaltet. Vielmehr greift Paulus unmittelbar im Anschluss auf die den Römerbrief bestimmende Gerechtigkeits- bzw. Rechtfertigungsterminologie zurück: „zum Erweis seiner Gerechtigkeit, im jetzigen Zeitpunkt, dass er gerecht sei und rechtfertige den, der des Glaubens an Jesus ist.“ Paulus kann offensichtlich kultische und juristische Sprachformen problemlos miteinander verbinden, um seine theologische Intention zum Ausdruck zu bringen.64

begriff des altisraelitischen Kultes zurückgreift. Mit ihm verbindet sich nämlich die Vorstellung, dass die Kapporet im Innern des Begegnungszeltes nicht bloßes Inventarstück, sondern Wohnstätte Gottes und Ort der Gegenwart Jahwes selbst ist. Diese Ebene kultischer Konkretion wird von Paulus gerade nicht negiert – sonst hätte er auf den Ausdruck i``lasth,rion wohl verzichtet –, sondern vielmehr transformiert und in ihrer Sinnrichtung umgekehrt: Der von Gott am Kreuz öffentlich hingestellte Jesus Christus tritt an die Stelle, die zuvor die Kapporet innehatte, und wird so zu dem Ort, an dem sich jetzt die Reinigung von Sünden ereignet.“ 62 Eine Parallele findet dieser Beleg in 1Kor 5,7, wo Christus mit dem Passalamm identifiziert wird. Ob auch die sog. Sterbeformel „Christus ist für unsere Sünden gestorben“, vgl. 1Kor 15,3, und ihre Kurzform, die u``pe.r u``mw/n-Wendung, sühnetheologischen Charakter haben, hängt stark davon ab, ob man der von HENGEL, Sühnetod, erwogenen Ableitung der Formel aus den Abendmahlsworten Jesu, die sich wiederum auf Jes 53 beziehen, folgen will, und ob man schon in Jes 53 einen sühnetheologischen Hintergrund annimmt, vgl. ALBRECHT, Sühne, 45–51. 63 STÖKL-B EN EZRA, Impact, 203: „He [sc. Jesus] functions as an alternative to the central instrument of atonement in the biblicial ritual of the Day of Atonement. […] Jesus‘ death (‚in his blood‘) fulfills the same function as the blood sprinkling rite on Yom Kippur in the temple“; ähnlich J ANOWSKI, Sühne, 354; KNÖPPLER, Sühne, 116; MOO, Rom, 235. KRAUS, Tod Jesu, 45–70; DERS., Erweis, 207–215, will die Bedeutung von Röm 3,25 aufgrund seiner Deutung von Lev 16 jedoch auf die Bedeutung einer Heiligtumsweihe begrenzen, was höchst fraglich erscheint; vgl. z.B. MILGROM, Leviticus I, 1082: „There can be no doubt that the scapegoat rite is an integral part of the sanctuary’s purgation and that initially its purpose was to carry off the impurities removed from the sancta to the wilderness. According to MT, however, a new purpose has been attached to this rite – to expiate for the sins of the Israelites.“ Der sühnende Charakter der Einsetzung Jesu zum i``lasth,rion sollte aufgrund des Gesamtbezuges auf den YomKippur nicht bestritten werden. Zur Diskussion vgl. KRAUS, Tod Jesu, 45–70; B AILEY, Review; KNÖPPLER, Sühne, 22–24.113–120, zu KRAUS vgl. 116, Anm. 25; MOO, Rom, 230–236; STÖKL-B EN EZRA, Impact 202–205. 64 Vgl. 1Thess 2,10; 1Kor 1,30; 6,11; 2Kor 6,14–7,1; Röm 5,1f.

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Kraus und Vahrenhorst machen zudem darauf aufmerksam, dass dieser Bezug auch für pagane bzw. heidenchristliche Leser nicht so unverständlich war, wie es zunächst scheint. Schon an der Wortendung -thrion konnte jeder des Griechischen mächtige Leser den Begriff als eine Ortsbezeichnung identifizieren. Und wenn sich an diesem Ort das vollzog, was der griechische Verbstamm i``lask- mit der Bedeutung „(eine Gottheit) gnädiggeneigt-machen“ bezeichnet, dann konnte sich auch der nicht jüdisch gebildete Leser die allgemeine Bedeutung des Begriffs philologisch erschließen.65 Schließlich stellt sich noch die wichtige, aber kaum lösbare Frage nach dem Zusammenhang der kultischen Deutung des Todes Jesu in Röm 3,25 und dem Gebrauch kultischer Metaphern in der paulinischen Ekklesiologie und Ethik.66 Im Licht der sukzessiven Einführung kultischer Begriffe an den Eckpunkten des Römerbriefes (Röm 3,25; 5,1f.; 12,1; 15,16) behält die Ableitung der kultischen Identitätsbestimmung der Gemeinde von der kultischen Interpretation des Todes Jesu ihr theologisches Recht.67 Hierin liegt auch der unbetonte und von Paulus gewiss nicht intendierte Ausgangspunkt für eine metaphorische Repräsentation des Jerusalemer Tempels durch Jesus.68 So wenig eine solche Repräsentation, geschweige denn Substitution im Interesse des Apostels lag,69 so zwangsläufig wird diese Inter65

VAHRENHORST, Sprache, 271; vgl. KRAUS, Erweis, 202, Anm. 55. Während STRACK, Terminologie, 401, das kultische Verständnis des Kreuzesgeschehens im Anschluss an MERKLEIN, Tod Jesu, 188, als „Voraussetzung für die Anwendung kultischer Terminologie zur Aussage ekklesiologischer Sachverhalte“ betrachtet, spricht sich VAHRENHORST, Sprache, 275ff., zwar für ein kultisches Verständnis von Röm 3,25 aus, wehrt sich aber gegen eine solche Systematisierung des kultischen Denkens bei Paulus, vgl. 275, Anm. 74: „Das Ergebnis des Heilsereignisses kann auch in kultischer Begrifflichkeit ausgesagt werden, der Kreuzestod Jesu erscheint hingegen nirgends ausdrücklich als Basis für die Verwendung kultischer Terminologie.“ Merkwürdigerweise lässt VAHRENHORST in seiner ansonsten exzellenten Studie Röm 5,1f. völlig unberücksichtigt, wo Paulus wiederum an hervorgehobenem Ort mit dem Terminus prosagwgh, einen weiteren Kultbegriff aufgreift, um den Heilsgrund in Kreuz und Auferstehung Jesu (vgl. Röm 4,25) mit der Heilszueignung an den Christen (Frieden, Gnade) zu verknüpfen. 67 Anders VAHRENHORST, Sprache, 275, der die kultische Interpretation des Todes Jesu als eine Konsequenz der kultischen Bestimmung der paulinischen Ekklesiologie und Ethik betrachtet. 68 FREY, Temple, 456. 69 Auch S TÖKL-B EN EZRA, Impact, 203f., und HORN, Tempel, 197, sehen entgegen einer gewissen Mehrheitsmeinung in Röm 3,25f. noch keine automatische Ablösung des Tempelkultes intendiert; anders z.B. BREYTENBACH, Art. Sühne, 1691. STÖKL-B EN EZRA weist vielmehr darauf hin, dass Paulus in Röm 9,4 den Tempelgottesdienst nach wie vor als göttliches Ehrenprädikat Israels bewertet. So wenig, wie die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes eine Kritik des Offenbarungscharakters der Tora ist, so wenig ist der Erweis der Gerechtigkeit Gottes in der Inauguration Jesu zum i``lasth,rion eine implizite 66

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pretationsmöglichkeit durch die paulinische Deutung des Todes Jesu auf dem Hintergrund des Yom-Kippur hier eröffnet. Betrachtet man abschließend Röm 3,25f. im Licht der frühjüdischen Kritik am vorfindlichen Jerusalemer Kult, so sticht wiederum die Einzigartigkeit und Unerhörtheit der paulinischen bzw. ntl. Botschaft ins Auge: Anstelle einer wie auch immer gearteten Kompensation der kultischen Defizite des Priestertums und in der Folge auch der sühnenden Opfer wird Christus selbst als i``lasth,rion und damit als eschatologischer Sühne- und Kultort verstanden, der den Tempel und die Opfer in ihrer Funktion ablöst. Die Kontinuität besteht in einem metaphorischen Sprachgebrauch, mit dem das durch den Kult ermöglichte „Sein vor Gott“ für das in Jesus Christus offenbarte Heilsgeschehen neu konzeptualisiert wird. 2.5 Röm 5,1f. Mit dem 5. Kapitel eröffnet Paulus im Römerbrief die Erörterungen, wie sich die erfahrene Rechtfertigung durch den stellvertretenden Sühnetod Jesu und die damit verbundene Befriedung des Gottesverhältnisses des Sünders (5,1: „Frieden mit Gott“) auf die Relation des Menschen zu Sünde, Tod, Gesetz und Gericht auswirkt (Röm 5–8). Bemerkenswerterweise beginnt Paulus in Röm 5,2 damit, den neuen Heilsstand des Glaubenden mit kultischen Termini zu beschreiben: „Durch ihn [sc. Jesus Christus] haben wir Zugang (prosagwgh,) zu dieser Gnade, in der wir stehen (e``sth,kamen).“

Es sind das Substantiv prosagwgh, und das Verb i[sthnai, die hier zur Debatte stehen.70 Prosagwgh, ist auch in transitiver Bedeutung belegt („Hinführung“), aber in Röm 5,2 (ebenso wie in Eph 2,18 und 3,12) liegt mit großer Wahrscheinlichkeit eine intransitive Bedeutung („Zugang“) vor.71 Alle drei ntl. Belege beschreiben mit dem Begriff, dass die Gemeinde Jesu (aus Juden und Heiden) unter der Bedingung und im Modus des Glaubens den durch Christi Sühnetod eröffneten „Zugang“ zur Gnade bzw. zum Vater hat, also zum Heilsraum und zur Gegenwart Gottes und damit zur Gemeinschaft mit Gott. In der frühjüdischen Literatur fehlt der Begriff sowohl bei Philo als auch bei Josephus. Lediglich im Aristeasbrief findet sich in 42,7 ein Beleg, der dort die Darbringung der Opfer beschreibt. Auch in der LXX fehlt das Substantiv prosagwgh,, während das Verb häufig in priesterlichen Texten mit der Bedeutung „hinführen“ oder „opfern“ auftaucht. Das griech. Verb ist dabei zusammen mit prose,rcesqai72, evggi,zein73 und Kritik am Tempelkult. Der heilsgeschichtliche Bedeutungsverlust, der damit faktisch einhergeht, ist etwas anderes als eine Kritik. 70 Zu den beiden Begriffen vgl. die detaillierte Begriffsstudie von W OLTER, Rechtfertigung, 103–126, welche dem folgenden Exkurs zugrunde liegt. 71 So zu Recht B ORSE, Art. prosagwgh,, 388f.; vgl. zu prosagwgh, auch SCHMIDT, Art. avgwgh, ktl., 128–134, v.a. 131f.133f. 72 Vgl. z.B. Ex 12,48; Num 9,6; 18,4; Lev 9,5.7.8; 10,4.5.

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eivse,rcesqai74 die Übersetzung von etwa einem Dutzend hebräischer Verben, wobei brq (Hiph.) und vgn deutlich herausragen, etwas seltener auch awb (Hiph.). Sowohl die hebräische wie die griechische Wortgruppe weisen im Alten Testament auf einen dezidiert kultischen Kontext.75 Die ersten beiden Verben brq und vgn gehören zu den termini technici des Opferkultes und bezeichnen das Darbringen der Opfer.76 Das Verb brq (Hiph.) findet sich v.a. im Zusammenhang des priesterlichen Dienstes im Heiligtum und bezeichnet das Hineingehen der Priester und Leviten in das Heiligtum77 und damit das Herantreten in die Gegenwart Gottes78 im Zuge der Ausübung des priesterlichen Dienstes. Grundbedingung für ein solches Eintreten bzw. Herantreten ist der Status kultischer Reinheit und Heiligkeit. Aber auch von der kultischen Versammlung wird gesagt, dass sie „vor Gott tritt“ und vor ihm „steht“.79 Die „grundlegende Denkvoraussetzung für diesen Vorstellungszusammenhang ist die Annahme eines bestimmten räumlichen Heiligkeitsbereiches, der den Aufenthaltsort Jahwes umgibt – ob sich dieser nun in der Stiftshütte, im Tempel oder auf dem Gottesberg befindet“.80 Erst im Zustand kultischer Reinheit ist der Mensch befugt, in die Sphäre der Heiligkeit Gottes einzutreten. Ansonsten stellt dieser „Raum“ für den Menschen eine nicht passierbare Grenze dar, die nur von Seiten Gottes geöffnet werden kann. Die in der LXX für die Übersetzung von brq (Hiph.) und vgn verwendeten Begriffe prosa,gein und prose,rcesqai werden im griechischen und hellenistischen Kulturraum semantisch völlig analog gebraucht. Auch hier bezeichnen die Verben häufig das kultische Hinzutreten zum König oder zu einer Gottheit.81 Bei Philo wird der priesterliche Eintritt in den Tempel bzw. das Herzutreten zur Gegenwart Gottes – wie üblich – allegorisiert und „auf den mystisch-pneumatischen Auszug der Seele aus dem Leibe und ihren Aufstieg in den Himmel und der dortigen Gottesschau als der höchsten Stufe des Aufstiegs“ auf dem Weg zu ihrer Vergottung gedeutet.82 Eine Variation des semantischen Feldes findet in der Qumranliteratur statt. Auch hier bezeichnet das Verb brq das kultische Hintreten des Kultpersonals in die Gegenwart Gottes. Da sich der yaḥad jedoch vom Jerusalemer Tempelkult separiert hatte, ist damit nicht mehr das Hineingehen des Priesters in den Tempel gemeint, sondern der Eintritt der Frommen in die priesterlich gedachte Gemeinde83 bzw. die Wiederaufnahme von vorübergehend ausgeschlossenen Pönitenten.84 Weil anstatt des Tempels nun die Gemeinde selbst als Ort der Gegenwart Gottes geglaubt wurde, ist dies die konsequente Fortent73

Vgl. z.B. Ex 3,5; Lev 21,21; Ez 40,46. Vgl. z.B. Ex 20,21; Lev 18,14.19; 2Chr 29,16. 75 W OLTER, Rechtfertigung, 107. 76 Vgl. Lev 1,2f.14f.; 2,8; 3,6f.; 4,14; 7,33; 8,18.22; 16,1; 23,8; Num 15,7.13; 26,61. 77 Vgl. Lev 9,23;10,9; 16,2.17.23; 21,23; Num 4,5.19.20; 8,15.22; 16,9; 18,4; Ez 42,14; 44,15f.21.27; 2Chr 7,2; 23,6; vgl. auch 2Makk 14,3. 78 Vgl. Ez 40,46; 45,4; Lev 7,35; Num 16,5. 79 Lev 9,5; Dtn 29,9; Jos 24,1. 80 W OLTER, Rechtfertigung, 108; vgl. Ex 20,21; Lev 10,9; 16,2; 21,23; Num 4,20; Ez 45,4. 81 Cass Dio 56,9,2; Xenophon Inst Cyr 1,3,8; 7,5,45; Porph Abst 2,47; Jer 7,16LXX und v.a. Dan 7,13Q; vgl. dagegen den unreligiösen Gebrauch in Sir 1,28; 12,13 und 2Makk 6,19. 82 W OLTER, Rechtfertigung, 112; vgl. Phil QEx 2,40; Post 27. 83 1QS 6,16.19.22; 11,13; 4Q181 1,3. 84 1QS 7,21; 8,18. 74

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wicklung der priesterlich-kultischen Rituale. Konstant ist die Konzeption eines abgegrenzten Heiligkeitsbereiches, der vom Eintretenden einen besonderen Status kultischer Reinheit und Heiligkeit verlangt. Wolter macht in diesem Zusammenhang auf eine wichtige Akzentverschiebung im Begriffsgebrauch der Qumrantexte aufmerksam. Während der atl. Gebrauch von prosa,gein stets ein zeitlich befristetes Geschehen während der kultischen Handlung bezeichnet, wird es nun für den zeitlich unbefristeten Eintritt in den yaḥad verwendet.85 Die Analogien zu den frühchristlichen Gemeinden sind hier evident: Der Zutritt zu Gott und in seine permanente Gemeinschaft führt über die (dauerhafte) Zugehörigkeit zur Gemeinde.86 Eine kultische Konzeption steht auch hinter dem zweiten hier relevanten Begriff, dem Verb i[sthnai.87 Das Verb hat vordergründig keinerlei kultische Konnotation, dient aber in der LXX häufig als Übersetzung von ~wq und dm[, welche das „Stehen“ des Priesters „vor Gott“ im Zuge der Ausübung ihres priesterlichen Dienstes ebenso beschreiben88 wie das „Stehen“ der Gemeinde „vor Gott“ während des Kultgottesdienstes.89 Während das priesterliche „Stehen vor Jahwe“ bei Philo allegorisiert wird,90 findet es sich in der herkömmlichen Semantik in den Qumrantexten wieder.91 Hier findet der Fromme seinen „Stand vor Gott“ durch den Eintritt in den yaḥad. In der paulinischen Briefliteratur können die Verben i[sthnai und sth,kein zur Umschreibung der christlichen Existenz im Sinne von „(Fest)Stehen [im Glauben]“ dienen92 und nach M. Wolter hat auch das johanneische „Bleiben“ (me,nein) seinen traditionsgeschichtlichen Hintergrund in diesem priesterlichen Stehen vor Gott.93

Wird die paulinische Rezeption kultischer Begrifflichkeit und eines kultisch-priesterlichen und damit auch räumlichen Deutungshorizontes wahrgenommen,94 entfaltet sich für Röm 5,2 eine Aussage, die in ihrer Kühnheit erst verstanden wird, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Paulus hier 85

W OLTER, Rechtfertigung, 117: „Es geht hier nicht mehr um die sich aktuell versammelnde Kultgemeinde, sondern um die fortdauernd bestehende Gruppe, die aufgrund ihrer Heiligkeit Zulassungsbedingungen formuliert“. 86 Hebr 12,22ff. und Eph 2,18ff.; vgl. aber auch Hebr 4,16; 11,6; 1Petr 2,4; 3,18; Eph 3,12. 87 W OLTER, Art. i[sthmi ktl., 509; vgl. dagegen die unkultische Deutung von GRUNDMANN, Art. sth,kw, i[sthmi, 651. 88 Vgl. z.B. Ex 34,2; Lev 9,5; Dtn 10,8; 1Kön 3,15; 2Chr 5,14; 29,11; Ps 24,3; 134,1; 135,2; Jer 7,10, vgl. auch 1Kön 19,11. 89 W OLTER, Art. i[sthmi ktl., 506; vgl. Lev 9,5; Dtn 29,9; 1Kön 8,14; 2Chr 29,11 u.ö. 90 Vgl. Phil Post 27; Somn 2,225–231; QEx 2,40. 91 1QS 11,13.16f. 92 Röm 11,20; 14,4; 1Kor 7,37; 10,12; 15,1; 16,13; 2Kor 1,24; Gal 5,1; Phil 1,27; 1Thess 3,8; vgl. 1Petr 5,12. 93 W OLTER, Rechtfertigung, 122f.; vgl. Joh 8,3; 15,4–10; 1Joh 2,6.10.14.17.24.27f.; 3,24; 4,16; 2Joh 9. 94 B ORSE, Art. prosagwgh,, 389: „Auszugehen ist von kultischen Vorstellungen: Zugang zum Tempel, zum Allerheiligsten (vgl. Hebr 10,19–22), und von daher: ‚zu Gott‘ …“ So auch KÄSEMANN, Röm, 124; MICHEL, Röm, 177; B ARRETT, Rom, 103; HAACKER, Röm, 113. Dagegen lehnt DUNN, Rom I, 247f., einen kultischen Bezug von prosagwgh, ab und favorisiert die für Nicht-Juden verständlichere Deutung als „court imagery of access through the royal chamberlain into the king’s presence“.

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an eine in ihrer Mehrheit wohl heidenchristliche Gemeinde in Rom schreibt: Aufgrund des stellvertretenden Sühnetodes Jesu ist eine neue heilsgeschichtliche Situation eingetreten – andernorts spricht er von einem kairo,j (vgl. Röm 3,26; 2Kor 6,2) –, die es nun nicht mehr nur Juden, sondern auch Heiden ermöglicht, unter der Bedingung und im Modus des Glaubens an Jesus Christus in den göttlichen Heilsbereich der Gnade einzutreten.95 Dieser Zutritt verlangt vom Zutretenden einen Zustand der Reinheit, Heiligkeit und Sündlosigkeit, der nun aber anders als im alten Bund nicht mehr kultisch-rituell durch die Mittel von Zeit, Opfer oder Wasser hergestellt wird. Dieser Status wird vielmehr durch die kraft des Sühnetodes Jesu Christi erfolgte Rechtfertigung des Gottlosen (Röm 4,5) und der damit verbundenen Vergebung der Sünden dem Glaubenden (in der Taufe) performativ zugesprochen. Der Glaubende erhält – wenn man so will – durch die Sündenvergebung eine „Kultfähigkeit höherer Ordnung“, die formal der des Priesters im Jerusalemer Kult entspricht. Die Wirkung dieser Kultfähigkeit bzw. dieser „Zutrittserlaubnis“ ist die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott, die sich gegenwärtig in der Gabe des Heiligen Geistes realisiert und eschatologisch im Schauen (vgl. 2Kor 5,7) und in vollendeter Gemeinschaft mit Gott selbst (vgl. 1Thess 4,17). Aus der Distanz betrachtet vollzieht sich durch die Aufnahme kultischer Terminologie in der Beschreibung des in Jesus Christus offenbarten göttlichen Rettungsgeschehens auch ein Stück Identitätsbildung der jungen (heiden)christlichen Gemeinden. Auch sie treten als „im Glauben“ Geheiligte, Gereinigte und kraft der Rechtfertigung und Sündenvergebung „Entsündigte“ in einen von Gott eröffneten „Heilsraum“ ein, der sie auf eine Ebene mit dem Volk Israels stellt und sie deshalb auch in jenem metaphorischen Sinn „kultfähig“ macht. Gleichzeitig vollzieht sich in diesem Geschehen, das seinen Ausdruck in einem dem zugesprochenen Heil entsprechenden Lebenswandel finden soll, eine deutliche Abgrenzung zur paganen Umwelt. Der nächste und in sich konsequente Schritt einer metaphorischen Applikation des Priesterbegriffs auf die Glaubenden erfolgt jedoch weder hier noch sonst in der paulinischen Literatur. Die Grundlagen für eine solche Metaphorisierung und Applikation des Priestertitels auf die christliche Gemeinde wurden jedoch hier gelegt, längst bevor der 1. Petrusbrief und die Johannesapokalypse sie explizit vollzogen haben. 95 Vgl. hierzu insbesondere Eph 2,18 und Hebr 10,19f. sowie Just Dial 11,5 und Const Apost 7,36. Zusammen mit Röm 3,25 hat Röm 5,2 eine interessante Parallele in der synoptischen Überlieferung vom zerrissenen Tempelvorhang, Mk 15,38par. Hier wie dort wird der Tod Jesu auf Golgatha mit dem Tempelinneren in Verbindung gebracht und hier wie dort wird als Folge dieses Vorgangs die „Öffnung“, vgl. proe,qeto in Röm 3,25: „öffentlich aufgerichtet“, einer Grenze angedeutet; vgl. KNÖPPLER, Sühne 116, Anm. 28; BREYTENBACH, Art. Sühne, 1691.

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Aus dieser Perspektive unternimmt Paulus in letzter Konsequenz eine Sozialisierung und Ausweitung zwar noch nicht des Priesterbegriffs, sehr wohl aber priesterlicher Standards und Privilegien und nicht zuletzt auch priesterlichen Seins, was wir ansatzweise bereits in den Qumranschriften, der priesterlichen Levi-Tradition und in spiritualisierter Form bei Philo von Alexandrien beobachten konnten. Während diese frühjüdischen Bemühungen aber stets im Rahmen der von der Tora vorgegebenen Grenze im Blick auf die priesterliche oder jüdische Abstammung blieben, geht Paulus den ihm mit Jesu stellvertretendem Sühnetod und seiner eigenen Berufung zum Heidenapostel durch Gott selbst gewiesenen Weg konsequent weiter. 2.6 Röm 12,1 In den beiden einleitenden Versen zum paränetischen Teil des Römerbriefes (12,1–15,13) beschreibt Paulus das Wesen christlicher Existenz als eine Reaktion auf die erfahrenen Barmherzigkeitserweise Gottes (dia. tw/n oivktirmw/n tou/ qeou/), bei der die Glaubenden als Ausdruck einer logikh. latrei,a ihren Leib als „lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer“ hingeben.96 Die hier verwendeten kultischen Termini sind im Blick auf ihre Provenienz nach wie vor Gegenstand intensiver Diskussion. Für das Verb paristh,nai ist ebenso wie für i[stanai in Röm 5,2 ein atl.-jüdischer Hintergrund wahrscheinlich, auch wenn eine große Breite unterschiedlichster – in der Regel unkultischer – Bedeutungen für das Verb belegt sind.97 Zwar wird es in der Opfersprache der LXX nicht verwendet, aber es kann sowohl für das Stehen eines Menschen vor einem König,98 für das priesterlich-liturgische „Stehen vor Gott“99 als auch für das Stehen von Engeln vor Gott100 gebraucht werden. In der griechisch-hellenistischen Literatur kann pari,sthnai dagegen den Akt der Opferdarbringung selbst bezeichnen.101 Im Duktus des Römerbriefes wurde das Verb bereits in 6,13.16.19 für das „Bereitsstellen der Glieder“ zum Dienst für Gott verwendet. Die Wahrscheinlichkeit für eine kultische Konnotation des Begriffs in Röm 12,1 ergibt sich schon allein vom Kontext her.102

96

In der LXX entspricht der Plural oivktirmoi, dem ebenfalls pluralisch gebildeten ~ymix}r;, vgl. 2Sam 24,14; 1Kön 8,50; Ps 25,6; 40,12; 51,3. Möglicherweise ist der Hinweis auf die „Erbarmungen“ bzw. „Barmherzigkeiten“ ein Widerhall von Röm 11,32 „dass er sich aller erbarme“, dem letzten Wort der Argumentation in Röm 1–11, sieht man von dem Röm 9–11 abschließenden Lobpreis in 11,33–36 ab. 97 Vgl. B ERTRAM/REICKE, Art. pari,sthmi ktl., 835–840; SAND, Art. pari,sthmi, 96– 98; MUNZER/SCHMIDT, Art. pari,sthmi, 165–167. 98 1Kön 10,8; 2Chr 9,7; Prov 22,29; 2Kön 5,25. 99 Dtn 10,8; 17,12; 18,5.7; 21,5; vgl. auch Ri 20,28. 100 Tob 12,15S; Hi 1,6; 2,1; Dan 7,10.13S; 2Chr 18,8; Sach 6,5. 101 Vgl. Xen An 6,1,22; Polyb 16,25,7; Jos Ant 4,113; LSAM 15,48 [Pergamon 129 v.Chr.]. 102 REICKE, Art. pari,sthmi, 840; MUNZER/SCHMIDT, Art. pari,sthmi, 167.

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Der Schlüsselbegriff in 12,1 ist das Syntagma logikh. latrei,a, das in dieser Weise einzigartig in der bekannten Literatur der Antike ist. Es ist in der Forschung ein seit langem diskutiertes Problem, dass dieses Syntagma so gut wie keine atl.-jüdischen Analogien hat und von der philologischlexikalischen Evidenz eher auf einen pagan-philosophischen, möglicherweise stoischen Hintergrund deutet. Das Adjektiv logiko,j ist ein verbreiteter Begriff in der hellenistischen Philosophie und Frömmigkeit.103 In seiner Grundbedeutung bezeichnet es zum einen etwas, das einen Bezug zum Sprechen bzw. zur Sprache hat, und zum anderen etwas, das zum lo,goj gehört, was also im weitesten Sinn „vernünftig“ oder „geistig“ ist.104 Während der Begriff in der LXX und bei Josephus fehlt, nimmt es vor diesem Hintergrund nicht wunder, dass er bei Philo und auch im hermetischen Schrifttum relativ häufig anzutreffen ist. Die wichtigste jüdische Parallele zu Röm 12,1 stellt der einzige Beleg im frühjüdischen Schrifttum dar: In TestLev 3,6, wo von einem Kult der Engel die Rede ist, wird der Begriff auf „vernünftige und unblutige Opfer“ angewandt und kommt damit dem Opferbegriff von Röm 12,1 schon sehr nahe.105 Bei Philo legt sich neben der Übersetzung mit „vernünftig“106 an einigen Stellen die Übersetzung mit „geistigen Opfern“ nahe,107 denn für ihn ist der äußere Kultus nur ein Gleichnis für das eigentliche und wesentliche Geschehen im Inneren der Seele. Weil Gott keinen Wert auf die Fülle der Opfer lege, sondern auf das reine, geistige Pneuma des Opfernden (SpecLeg 1,277), habe er weniger Interesse an der Unversehrtheit eines Opfertieres als an der „Unversehrtheit“ des Verstandes (SpecLeg 1,283) und der Reinheit des Willens und der Gesinnung (SpecLeg 1,290). Die hermetischen Texte, die allerdings allesamt nachchristlich sind und deshalb eher zur Wirkungsgeschichte als zum Hintergrund von Röm 12,1 gehören, lehnen jegliche materiellen Opfer ab. Hier sind die logikai. qusi,ai Gebete und Hymnen des göttlichen Logos im Betenden, der letztlich zu sich selbst betet.108 Das Substantiv latrei,a bezeichnet zunächst ebenso wie das Verb latreu,ein ganz allgemein den Dienst bzw. das Dienen im Auftrag eines Übergeordneten und ist in der LXX die Übersetzung von db[. Entsprechend kann es oft auch ein Synonym für douleu,ein sein. Im Rahmen dieser Grundbedeutung kann v.a. das Verb auch eine religiöse Bedeutung im Sinne von „Gott [kultisch] dienen“ bekommen (Plat Apol 23c; Phaedr 244e; vgl. Röm

103 Vgl. z.B. Seneca, fr. 12, bei Lact Ira 21,10: „Nicht durch Opferhandlungen und viel Blut ist Gott zu verehren […], sondern mit der reinen Vernunft und sittlich gutem, anständigem Vorsatz.“ Epiktet bezeichnet den Menschen als ein zw/|on logiko,n, Diss 2,9,2. 104 LIDDELL/SCOTT/J ONES, Art. logiko,j, 1056; ebenso KITTEL, Art. logiko,j, 145. 105 Die Übersetzung mit „vernünftig“ ist auch für die sieben Belege in den Apostolischen Konstitutionen wahrscheinlich, vgl. Const Ap 7,34,6; 7,35,10; 7,37,6; 7,38,5; 8,9,8; 8,12,17; 8,15,7. 106 Phil Cher 39; Somn 1,215.255; Post 66.68; LegAll 1,10; Plant 41; Migr 3.47.185.213; Abr 32 u.ö. 107 Z.B. SpecLeg 1,171.277. 108 Vgl. CH 1,31; 13,21.

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9,4). Dieser Begriffsgebrauch dominiert auch die LXX, wo der Begriff fast ausschließlich kultisch zu bestimmen ist.109 Paulus kann mit dem Begriffsfeld sehr allgemein „gottes-“ und auch „götzendienstliches Verhalten“ beschreiben, ohne von vornherein auf den atl.-jüdischen oder paganen Kontext festgelegt zu sein. So bezeichnet latreu,ein in Röm 1,25 den heidnischen Gottesdienst, während Paulus an zwei anderen Stellen mit dem Begriff einen Gottesdienst „im Geist“, einmal am Evangelium (Röm 1,9) und ein andermal für Gott (Phil 3,3) bezeichnet. Wie in Röm 12,1 beschreibt Paulus mit dem Verb dort den im Licht der Christusoffenbarung nunmehr gültigen Gottesdienst, der frühere „Gottesdienstformen“ eschatologisch ablöst.

Vor dem Hintergrund dieser Begriffsgeschichte110 stellt sich die Frage, warum Paulus „uns mit einem philosophisch geprägten Kultverständnis stoischer oder mystischer Ausformung konfrontiert“,111 wo es doch gerade um einen alles andere als „geistigen“ Gottesdienst geht. Denn von einer griechisch-hellenistisch verstandenen „Spiritualisierung“ des Gottesdienstes etwa im stoischen, philonischen oder mystischen Sinn kann in Röm 12,1 keine Rede sein,112 da durch die Bezogenheit auf den sw/ma der Gottesdienst ein höchst leiblicher und konkreter ist, was Paulus sowohl in der anschließenden Charismenliste (12,4–8) als auch in der darauf folgenden Paränese (12,9–21) illustriert. Wilckens schlägt vor, den Begriff an dieser Stelle im Sinne von „eigentlich“ zu verstehen.113 Das Opfer des Leibes in der alltäglichen Lebenshingabe an den Willen Gottes ist dann der im eschatologischen Horizont eigentliche Gottesdienst, der vice versa alle Tieropfer zu uneigentlichen Opfern macht. Freilich kann dieser Vorschlag den Makel einer Notlösung nicht abstreifen und bleibt letztlich unbefriedigend. Moo kommt nach einem Referat der diversen Übersetzungsoptionen zum Vorschlag, das Syntagma als „true worship“ im Sinne einer nicht nur veräußerlichten Teilnahme, sondern eines von einem erneuerten Sinn (12,2) getragenen Lebensvollzugs zu verstehen.114 Strack will logikh. latrei,a im Licht von 1Petr 2,5 und logiko,j (vgl. 1Petr 2,2) in Analogie zu pneumatiko,j verstehen,115 was im Blick auf den gesamten Kontext, die kulti109

Vgl. Ex 3,12; 4,23; 7,16.26; 8,16; 9,1.13; Dtn 10,12f. u.ö., sowie STRATHMANN, Art. latreu,w, latrei,a , 58–66, hierzu 61f.; B ALZ, Art. latreu,w, latrei,a, 848–852; GÜNTHER /SEEBASS, Art. latreu,w, 551–553. 110 KLAUCK, Gemeinde, 353, spricht von einer „eindeutig heidnischen Kultterminologie“; M ICHEL, Röm, 370, denkt an „die liturgische Sprache des hellenistischen Judentums, die auch philosophische Motive verarbeitet hat“. 111 STRACK, Terminologie, 301. 112 Ebenso MICHEL, Röm, 370; STRACK, Terminologie, 301f., und HOGETERP, God’s Temple, 285f. Vgl. dagegen HAACKER, Röm 253, der in diesem Zusammenhang immer noch von einer „‘Spiritualisierung‘ des Gottesdienstgedankens“ spricht. 113 So W ILCKENS, Röm III, 5f.; zustimmend STRACK, Terminologie, 298f. 114 MOO, Rom, 752–754. 115 STRACK, Terminologie, 362; ebenso bereits W ENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 127, und KLINZING, Umdeutung, 216f.; vgl. auch auch K ITTEL, Art. logiko,j, 146, der logiko,j als einen Terminus verstehen will, „der die Spiritualisierung des Kultischen aus-

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sche Terminologie und den Begriffsgebrauch von pneumatiko,j bei Paulus durchaus einen passenden und treffenden Sinn ergeben würde,116 aber philologisch nicht nachweisbar ist.

Angesichts des unbefriedigenden Befundes stellt A. Reichert die grundsätzliche Frage, welchen Sinn die übliche, sich am philosophischen Begriffsgebrauch orientierende Übersetzung mit „vernünftig“, „geistig“, „geistlich“, „wahr“ oder „eigentlich“ macht, wenn der gesamte Kontext der Übereignung der leiblichen Existenz an Gott in eine völlig andere Richtung deutet.117 Stattdessen schlägt sie vor, den Begriff gemäß der anderen Bedeutungsebene im Sinne von „sprechend“ zu übersetzen und die logikh. latrei,a als „sprechenden Gottesdienst“ aufzufassen.118 Das Problem ist allerdings, dass Reichert und im Anschluss an sie auch Vahrenhorst119 diese semantische Option im Licht des paulinischen Gebrauchs von lo,goj120 so weit dehnen, dass sie am Ende zu einem „botschaftsgemäßen“ bzw. „wortgemäßen“ Gottesdienst gelangen,121 was zwar inhaltlich durchaus treffend, aber ein völlig singulärer Wortgebrauch wäre. Dem Adjektiv wird hier eine semantische Last aufgebürdet, die es im Licht der bisherigen philologischen Evidenz nicht zu tragen vermag. Gleichwohl bleibt es das Verdienst von Reichert, sich nicht einfach mit einem scheinbar unausweichlichen philologischen Befund zufrieden zu geben, der im Kontext von Röm 12,1 nur sehr schwer einen Sinn ergibt. Einen Schritt weiter führen hier die Beobachtungen von F. Siegert, der das Syntagma im Licht des diasporajüdischen Synagogengottesdienstes betrachtet.122 Leider bietet uns auch die jüdisch-hellenistische Literatur weder die Fülle noch die Qualität von philologisch und theologisch unmissverständlichen Belegen, welche den traditionsgeschichtlichen Hintergrund des Syntagmas logikh. latrei,a zweifelsfrei klären würden.123 Aber in der Synagoge finden wir jenen Charakter eines einerseits opferlosen und drückt“ und diese „sittliche Spiritualisierung“ als Folge des atl. Prophetismus versteht; vgl. dagegen B ARTSCH, Art. logiko,j, 877, und B ALZ, Art. latreu,w, latrei,a, 851. 116 K ITTEL, Art. logiko,j, 146: „Es ist genau das gemeint, was in 1 Pt 2,5 die pneumatikai. qusi,ai waren.“ Skeptischer dagegen DUNN, Rom II, 712. 117 REICHERT, Gratwanderung, 240f. 118 REICHERT, Gratwanderung, 244: Damit wolle Paulus ausdrücken, dass sich die Selbstübereignung des Menschen „nicht stillschweigend und unmerklich vollzieht“. Es ist jedoch weder vom engeren noch vom weiteren Zusammenhang des Römerbriefes zu erkennen, an wen oder was diese Bemerkung adressiert sein sollte. 119 VAHRENHORST, Sprache, 301ff. 120 Vgl. 1Thess 1,6; 2,13; 1Kor 1,18; 2,4; 14,36; 15,54; 2Kor 1,18; 2,17; 4,2; 5,19; Gal 5,14; Phil 1,14. 121 VAHRENHORST, Sprache, 303. 122 Vgl. hierzu auch →IV.7.1. 123 Zwar möchte S IEGERT, Synagoge, 351, in TestLev 3,6 und der dortigen Rede von einem „vernünftigen und unblutigen Opfer“ (logikh. kai. avnaeimakto.j qusi,a ) den „entscheidenden Fund“ sehen, womit er diesen einen Beleg aber überstrapaziert.

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unblutigen und andererseits an der Schrift und einem (Kontrast)Ethos orientierten Gottesdienstes,124 den Paulus nun in einem weiteren Schritt zu einem alltäglichen Gottesdienst des Leibes, d.h. aller menschlicher Lebensbezüge, weiterentwickelt.125 Es erscheint mir deshalb angesichts der unveränderten Quellensituation „vernünftig“, sich nicht zu eng an eine bestimmte, notwendigerweise spekulative Deutung von logiko,j zu binden und sich auch nicht mangels Alternative zu schnell auf die paganen Äquivalente einzulassen. Vielmehr ist Folgendes festzuhalten: (1) Bei dem Syntagma logikh. latrei,a handelt es sich offensichtlich um eine (Anspielung an eine) geprägte und bekannte Formel, bei der sich die beiden Begriffe wechselseitig erklären, sonst könnte Paulus sie nicht ohne jegliche Erläuterung programmatisch an den Anfang bzw. in die „Präambel“ seines paränetischen Teils des Römerbriefes stellen. (2) Das Adjektiv logikh, verleiht dem Substantiv latrei,a denselben metaphorischen Sinn, wie dies das attributiv verwendete Partizip zw/san mit dem Substantiv qusi,a tut,126 was auch immer logikh, konkret bedeuten mag. (3) Im diasporajüdischen Synagogengottesdienst lag das entwicklungsfähige Modell einer Gottesdienstform vor, die sowohl Paulus als auch seinen jüdischen und nicht wenigen seiner heidenchristlichen Leser aus dem Kreis der „Gottesfürchtigen“ bestens bekannt war und durch seine Wort- und Schriftgebundenheit sowie durch die starke ethische Ausrichtung ideale Ansätze einer gottesdienstlichen Identität für die jungen christlichen Gemeinden „aus Juden und Heiden“ bot. Dass Paulus den paränetischen Teil des Römerbriefes so auffallend deutlich mit kultischer Begrifflichkeit einleitet, kann kein Zufall sein. So scheint auch dieser Einstieg im Dienst der urchristlichen Identitätsformation zu stehen. Die Adressaten sollen sich inmitten einer von unterschiedlichen Opferkulten und Gottes-/Götter- bzw. Götzendiensten geprägten Umwelt als Priester und Opfer gleichermaßen verstehen. Sie sollen durch die priesterliche Darbringung ihrer leiblichen Existenz als ein Opfer im Dienst für Gott eine Kontrastgemeinschaft in ihrer paganen Gesellschaft bilden. Wieder vermeidet Paulus allerdings die naheliegende Konsequenz einer priesterlichen Identifikation der Glaubenden, die hier ein Opfer darbringen sollen. Dabei ist ihre Würde keine geringere als die der Jerusale124 Vgl. auch Jos Ap 2,192, wo Josephus dafür plädiert, Gott zu „verehren durch Übung der Tugend: das sei die heiligste Art des Gottesdienstes.“ 125 Ähnlich DUNN, Rom II, 711: „Paul has in view not simply a worship offered by the mind, but, in contrast to the Hermetic devotion, a worship expressed in the bodily reality of everyday living …“ 126 Der metaphorische Sinn des qusi,a wird durch das attributive Partizip zw/san unterstrichen, das den Unterschied zu einem getöteten Tieropfer betont.

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mer Priester bei ihrem Gottesdienst im Tempel. Faktisch ist ihr Gottesdienst aus heilsgeschichtlicher Perspektive der sachgemäßere, weil er endzeitlich „im Geist“ vollzogen wird. Auffallend ist jedoch auch hier, dass es bei Paulus nicht zu einer expliziten Abwertung des Jerusalemer Tempelgottesdienstes kommt. Aber allein durch die Dignität jenes „lebendigen, heiligen und Gott wohlgefälligen Opfers“ im Rahmen dieser neuen, urchristlichen logikh. latrei,a musste es de facto zu einem Bedeutungsverlust des Jerusalemer Kultes kommen. Was sich hier in der paulinischen bzw. der frühchristlichen Theologie und Gemeindepraxis vollzog, war im Grunde die konsequente Weiterentwicklung des diasporajüdischen Synagogengottesdienstes im Horizont des Heilshandelns Gottes in Jesus Christus. Fand im Diasporajudentum eine schleichende, durch die Lebensmacht des Alltags erzwungene Substitution und Kompensation einer kultisch am Tempel orientierten Frömmigkeit durch eine ethisch an der Tora orientierten Frömmigkeit und Lebenspraxis statt, so setzt Paulus diese Entwicklung in seiner geistlich am Evangelium orientierten und durch die Berufung der Heidenvölker ethnisch entgrenzten Mission fort. Die logikh. latrei,a wird zum Gottesdienst einer Gemeinde aus Juden und Heiden, die jenseits des priesterlichen Kultes im Jerusalemer Tempel, aber auch jenseits der für das Diasporajudentum so identitätsstiftenden Tora ein heilvolles und priesterliches „Sein vor Gott“ auf der Grundlage des Evangeliums von Jesus Christus gefunden hat. 2.7 Phil 4,18 Eine inhaltliche Entsprechung findet Röm 12,1 in gewisser Weise in Phil 4,18. Der Vers gehört zu einem Abschnitt, in dem sich Paulus bei den Philippern für die finanzielle Unterstützung seiner Mission bedankt (Phil 4,10–20). Die Gemeinde verbindet mit Paulus eine Partnerschaft des „Gebens und Nehmens“.127 Diese Formulierung stammt aus der Kaufmannsund Bankierssprache. Der Begriff eivj lo,gon bezeichnet ein eröffnetes Konto, auf dem nun „Soll“ und „Haben“ verzeichnet werden.128 Schließlich „quittiert“ Paulus in V. 18 in aller Form den Empfang der philippischen

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„VEkoinw,nhsen eivj lo,gon do,sewj kai. lh,myewj“. Bereits DIBELIUS, 1–2Thess/Phil, 75, beobachtete, dass die Formulierung do,sij kai. lh/myij einen Widerhall der Begriffe spei,rein und qeri,zein in 1Kor 9,11 darstellt. 128 Vgl. Sir 42,3.7; Epict Diss 2,9,12; POxy 2,275,19.21; Mt 18,23; 25,19; sowie B AUER, Wörterbuch, 959.971. HAUCK, Art. koinwno,j ktl., 809, Anm. 71, übersetzt: „auf Konto von Eingabe und Ausgabe“. W ALTER, a.a.O., 99, paraphrasiert „eine Abrechnung auf der Basis von Geben und Nehmen“. Eine ausführliche Sammlung antiker Belege bietet PRATSCHER, a.a.O., 285, Anm. 8.

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Gaben, die ihm über Epaphroditus übermittelt wurden.129 Sofort aber bricht Paulus das Bild wieder auf und wechselt von der Kaufmanns- in die kultische Opfersprache der LXX, um damit deutlich zu machen, dass es sich bei der finanziellen Unterstützung um ein „Opfer“ handelt und somit Gott der eigentliche Empfänger dieser Gaben ist. In gewisser Weise lösen die Philipper damit das von Paulus in Röm 12,1 beschriebene Programm ein. Indem Paulus den Philippern dies in kultischer Sprache vermittelt, weist er sie auf die eigentliche Dimension ihres Handelns hin: Es geht um mehr als um die finanzielle Unterstützung seiner Mission; es geht um ein Opfer für Gott, das sie in dieser Form darbringen.130 Ausgehend von dieser Beobachtung stellt sich die weitergehende Frage, welche Rolle Paulus im Rahmen dieser kultischen Interpretation der philippischen Unterstützung einnimmt. M. Bockmuehl zieht den konsequenten Rückschluss, dass Paulus im Rahmen dieses kultischen Geschehens die Priesterrolle einnimmt: „He views his own role as that of the Israelite priest who received and benefited from the offerings of the people.“131 Ähnlich wie in Röm 15,16 kommt hier die priesterliche Dimension des paulinischen Apostolats in den Blick, ohne dass Paulus dies expressis verbis formulieren würde. Die Zurückhaltung gegenüber einer Metaphorisierung und Applikation des Priesterbegriffs auf sein apostolisches Amt hin ist hier ebenso evident, wie die Tatsache, dass die theologischen Grundlagen für einen solchen Schritt längst vorhanden waren. Warum Paulus diesen Schritt der metaphorischen Applikation des Priestertitels auf seinen Dienst nicht vollzogen hat, wird im nächsten Abschnitt noch zu erörtern sein.

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Das Verb avpe,cein taucht als kaufmännischer terminus technicus einer Empfangsbestätigung in vielen Papyrus- und Scherbenfunden auf und gehört zur alltäglichen Geschäftssprache. 130 VAHRENHORST, Sprache, 246. 131 B OCKMUEHL, Phil, 266. NEWTON, Concept, 62f., hat mit Hinweis auf Sir 7,31 [do,sij] und Dtn 12,11 [Alexandrinus: do,mata] vermutet, dass der Begriff do,ma in 4,17 zur Bezeichnung der Gaben und Opferanteile diene, von denen die Priester ihren Lebensunterhalt bestreiten. In der Tat gebraucht die LXX do,ma zur Bezeichnung solcher Abgaben, vgl. Lev 7,30; Num 18,11.29. Dann hätte Paulus hier eine doppelte priesterliche Rolle: Als Priester würde er Gott die philippischen Gaben übereignen und sie gleichzeitig als den ihm zustehenden Priesteranteil in Empfang nehmen. Allerdings macht VAHRENHORST, Sprache, 244f., darauf aufmerksam, dass do,ma schon in der LXX ein deutlich weiteres Bedeutungsspektrum besitzt. Es kann das profane Geschenk, Gen 25,6, ebenso bezeichnen, wie die Opfergabe, Lev 7,30. Von daher muss es ungewiss bleiben, ob NEWTONS Erwägung in Phil 4,17f. einen Anhaltspunkt hat.

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2.8 Röm 15,16 Im ersten Textabschnitt des Schlussteils des Römerbriefes (Röm 15,14–21) kommt Paulus noch einmal auf die im Briefeingang (1,1–17) entfaltete Thematik seines apostolischen Dienstes an den Heiden zu sprechen.132 Im Rahmen dieses Schlussabschnitts stellt Paulus in V. 15f. in der verdichteten Form einer Spitzenaussage133 seinen apostolischen Dienst der Heidenmission in eine Analogie zum priesterlichen Dienst im Tempelgottesdienst. Er assoziiert sein Apostelamt mit dem Priesteramt, wobei die verwendeten Begriffe wiederum auch für pagane Leser mit einer Grundkenntnis paganer Kultfrömmigkeit verständlich waren. 2.8.1 Zur kultischen Begrifflichkeit in Röm 15,16 Mit großer Wahrscheinlichkeit will Paulus alle potentiellen Kultbegriffe in V. 16 auch in einer kultischen Konnotation verstanden wissen:134 (1) Der Begriff leitourgo,j ist im Unterschied zum Verb leitourgei/n weder im Neuen Testament noch in der Profangräzität ein dezidiert kultischer Funktionsbegriff.135 Viel132 Der Briefschluss des Römerbriefes in 15,14–33 korreliert in vielfältiger Weise mit dem Briefeingang in 1,1–17. Insofern kann man in der Tat im Blick auf 1,1–7 und 15,16– 21 von einer Inclusio sprechen. Genau besehen gilt dies jedoch nicht nur für die grundlegende Thematik des paulinischen Apostolats für die Heidenvölker, vgl. 1,5f.14f. mit 15,15f., sondern auch für zahlreiche sachliche wie terminologische Bezüge, wie die Ankündigung des Rombesuchs, vgl. 1,10 mit 15,22–24.28f.32, die Verbundenheit im Gebet, vgl. 1,9f. mit 15,30–33, die Aufrichtung des Glaubensgehorsams unter den Heiden, vgl. 1,5 mit 15,18; 16,26 u.a. Interessanterweise verwendet Paulus sowohl in 1,9 wie in 15,16 kultische Begriffe zur Bestimmung seines apostolischen Dienstes. Vgl. zum Ganzen STRACK, Terminologie, 37ff, der in diesen Parallelen Elemente einer peroratio erblicken möchte, mit der in der rhetorischen Konvention der Antike ein behandelter Themenkomplex in verdichteter Form abgeschlossen werden soll, a.a.O., 35. 133 V. 16 besteht aus vier engstens miteinander verbundenen Aussagen, wobei zweimal eine Partizipialkonstruktion einer finalen Aussage angeschlossen und der zweite Finalsatz vom ersten abhängig ist. In diesen vier Aussagen des Verses formuliert Paulus wesentliche Grundzüge seines Apostolats. Insofern kann zu Recht von der „argumentativen Mitte“ des Abschnitts 15,14–21 gesprochen werden, vgl. VAHRENHORST, Sprache, 315. 134 Vgl. zum Folgenden STRACK, Terminologie, 44–80. Zu leitourgo,j: STRATHMANN, Art. leitourgo,j, 236–238; BALZ, Art. leitourgi,a ktl., 858–861; HESS/B IETENHARD, Art. leitourge,w ktl., 935f. Zu i``erourgei/n: SCHRENK, Art. i``erourge,w, 251f.; SEEBASS, Art. i``ero,j, 897. Zu prosfora,: W EISS, Art. prosfora,, 71; SCHENK, Art. prosfora,, 430f.; VORLÄNDER/B ECKER, Art. dw/ron, 599f. Zu euvpro,sdektoj: GRUNDMANN, Art. dekto,j ktl., 57–59; LINK/B ECKER, Art. de,comai ktl., 585–589. Zu a``gia,zein: P ROCKSCH, Art. a[gioj ktl., 112–114; B ALZ, Art. a[gioj ktl., 38–48; SEEBASS/GRÜNWALDT, Art. a[gioj/heilig/ rein, 887–892. 135 Im Alten Testament kann der Begriff sowohl eine profane, vgl. 2Sam 13,18; 2Kön 4,43; 6,15, wie sakrale Funktion, vgl. den Kultfunktionär in Esr 7,24; Neh 10,40; Jes 61,6, anzeigen. In Röm 13,6 werden die römischen Staatsbeamten als Gottes leitourgoi,

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mehr bezeichnet der Terminus ganz allgemein eine Person, die im Auftrag einer öffentlichen Dienstleistung oder einer übergeordneten Autorität steht. Von dieser Grundbedeutung her kann der Begriff aber auch zur Bezeichnung einer sakralen Aufgabe verwendet werden und wird gelegentlich sogar als Titel gebraucht.136 Genau dies ist nun in den frühjüdischen Apokryphen und Pseudepigraphen,137 sowie bei Josephus138 und Philo139 häufig der Fall. In der überwiegenden Zahl der Belege bezeichnet der Begriff den/die Priester.140 Dagegen hat der Begriff in der LXX nur an drei Stellen diese kultische Konnotation.141 Ansonsten folgt sie dem allgemeinen Sprachgebrauch für untergeordnete Funktionsträger.142 Die Entscheidung für das Verständnis des Begriffs in Röm 15,16 muss also vom Kontext her erfolgen, der im Licht der folgenden Begriffe eindeutig kultisch bestimmt ist.143 Es bleibt jedoch auffällig, dass Paulus nirgendwo in den überlieferten Briefen und deshalb bewusst wohl auch an dieser Stelle nicht den klassischen Priesterbegriff i``ereu,j verwendet. Er stellt sich als Diener Gottes in einem kultisch beschriebenen Missionsgeschehen dar, möchte aber offensichtlich gleichzeitig vermeiden, dass sein apostolisches Amt mit dem mediatorischen Priesterdienst in einen Zusammenhang gebracht wird. (2) Das Verb i``erourgei/n ist ein ntl. hapax legomenon. Es fehlt sowohl in der LXX, 144 als auch in der frühjüdischen Literatur, und selbst im klassischen Griechisch ist es in den vorntl. oder zeitgenössischen Texten sehr selten.145 Dagegen finden sich bei Josephus (11 mal)146 und Philo (31 mal)147 zahlreiche Belege. In der Regel ist das Satzsubjekt ein Priester, und wenn das Verb ein Objekt mit sich führt, dann bezeichnet es das, was geopfert wird. Nur selten, aber doch in mehreren Belegen, sind andere Opfernde neben den Priestern die Satzsubjekte.148

bezeichnet und in Phil 2,25 stellt Paulus Epaphroditus als seinen leitourgo,j vor. In beiden Kontexten liegt kein kultischer Bezug vor. Auch in Hebr 1,7, einem Zitat aus Y 103,4, liegt wohl eher eine unkultische Bedeutung vor, während in Hebr 8,2 der Hohepriester Christus als leitourgo,j des Heiligtums und wahrhaftigen Zeltes in einer eindeutig kultischen Funktion vorgestellt wird. 136 Vgl. CIG 3,1005, sowie die Belege bei STRATHMANN, Art. leitourgo,j, 237. 137 TestLev 2,10; 4,2; TestAbr A/15,1; Arist 95. 138 Jos Ant 13,55; 20,218; Bell. 2,409.417. 139 Bei Philo ist leitourgi,a wie in der LXX der terminus technicus für den priesterlichen Kult. Entsprechend wird der Titel leitourgo,j meistens auf die Jerusalemer Priester angewandt: Phil Post 185; Mos 2,94.276; Spec Leg 1,152.249; 4,191. 140 TestLev 2,10; 4,2; 8,3–10; 9,3; Arist 95,3; Jos Bell 2,417; Phil Mos 2,94.276; Spec Leg 1,152.249; 4,191. 141 Jes 61,6; 2Esr 20,40 = Neh 10,40. 142 Jos 1,1A; 2Sam 13,18; 1Kön 10,5; 2Kön 4,43; 6,15; 2Chr 9,4;Sir 10,2; 3Makk 5,5. In Y 102,21 und 103,4 werden Engel als leitourgoi, Gottes bezeichnet. 143 So auch STRATHMANN, Art. leitourgo,j, 237; B ALZ, Art. leitourgi,a ktl., 859f., und HESS/B IETENHARD, Art. leitourge,w ktl., 936. 144 Lediglich in vl 4Makk 7,8 taucht das Verb, allerdings textkritisch sehr schlecht bezeugt, in einer Verbindung mit to.n no,mon auf. 145 Vgl. Plut Alex 31,9; CIG Addenda zu 4528. Zu den späteren Texten vgl. STRACK, Terminologie, 48. 146 Jos Ant 5,263; 7,333; 9,43; 14,65.67; 17,166; Bell 5,14.16. 147 Phil Cher 96; Ebr 138; Migr 67.98.140; Plant 164; Somn 2,72. 148 Jos Bell 5,14.16; Ant 14,65.67; Phil Cher 96; Plant 164.

2 Kultische Metaphern bei Paulus

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Das Verb ist somit durch und durch im Opferkult beheimatet, es bezeichnet eine kultische Handlung, aber es weist den Opfernden nicht zwangsläufig als Priester aus, was für den paulinischen Gebrauch in Röm 15,16 nicht unwesentlich ist. Weil dieses kultischkonnotierte Verb seinen metaphorischen Charakter auch auf alle anderen Begriffe des Satzes, die einen potentiell kultischen Hintergrund haben, überträgt, erweist es sich für die Interpretation des Verses als Schlüsselbegriff. (3) Der Begriff prosfora, hat im Profangriechischen im Aktiv die Bedeutung „das Hinzutragen“ bzw. „das Darbringen“149 und im Passiv entsprechend „das Hinzugetragene“, „das Dargebrachte“ bzw. auch einfach „das Geschenk“ oder „die Gabe“150 und ist zunächst ganz unkultisch zu verstehen.151 Erst im biblischen Kontext bekommt der Begriff einen kultischen Bezug und bedeutet im Neuen Testament immer „Opfer(gabe, -darbringung bzw. -handlung)“.152 Im Corpus Paulinum findet sich noch in Eph 5,2 ein Beleg, bei dem der kultische Kontext evident ist,153 ebenso wie in Act 21,26; 24,17 und Hebr 10,5f.10.14.18. Damit erweist sich der ntl. Begriffsgebrauch als ein ausschließlich kultischer. Dies entspricht auch dem LXX-Befund, wo prosfora, zwar kein klassischer LXX-Terminus der mosaischen Opfertora ist, aber außerhalb des Pentateuch durchgängig in Parallelität zu Opferbegriffen steht.154 Eine unkultische Konnotation ist lediglich an zwei Stellen bei Philo und Josephus belegt: In Phil Virt 130 ist von der „Zuführung von Babynahrung“ die Rede und in Jos Ant 19,352 wird der Begriff im Sinn von „Einkünften“ gebraucht.155 Wesentlich mehr Belege für einen profanen Gebrauch finden sich beim Verb prosfe,rein. Zwar ist auch dieses in der LXX fast durchgängig kultisch bestimmt, aber sowohl bei Josephus als auch bei Philo und im Neuen Testament finden sich zahlreiche Belege mit nichtkultischer Bedeutung.156 Eine unkultische Konnotation ist deshalb in Röm 15,16 nicht ganz auszuschließen, aber im Licht der dominierenden Begriffsbedeutung in der LXX, der frühjüdischen Literatur und im Neuen Testament, sowie vor allem aufgrund der Verbindung mit den anderen hier verwendeten Begriffen ist der kultischen Bedeutung von prosfora, in Röm 15,16 der Verzug zu geben. (4) Das Adjektiv euvpro,sdektoj bezeichnet in seiner profanen Grundbedeutung „das, was man annehmen kann“. In der LXX ist es terminus technicus für die göttliche Akzeptanz eines Opfers.157 Von den ntl. Belegen steht 1Petr 2,5 dem paulinischen Gebrauch in 149

Plat Leg 638C; 792A. Soph OedCol 1270: Geschenk, Gabe; Theophr Char 30,19: Hochzeitsgeschenk. 151 Auf diesen Umstand weist STRACK, Terminologie, 49, Anm. 74 hin. Der Begriff gehöre zu den Beispielen, die in Lexikonartikeln vorschnell kultisch qualifiziert worden seien. 152 WEISS, Art. prosfora,, 71. 153 In Eph 5,2 und Hebr 10,5f. steht der Begriff in einer Parallelität zu qusi,a . 154 Vgl. Y 39,7; Dan 3,38LXXs/q; Sir 14,11; 34,18f.; 35,1f.; 38,11; 46,16; 50,13f. Bemerkenswert sind Dan 3,38LXX und Sir 35,1f., wo der Begriff ähnlich wie im Neuen Testament ethisch metaphorisiert wird. Ähnliche Metaphorisierungen des Begriffs finden sich auch in der frühjüdischen Literatur, vgl. TestLev 3,6; Arist 170,7. 155 Dagegen liegt in Ant 11,77 wieder ein kultischer Gebrauch vor. 156 Jos Ant 2,66; 4,72; 6,67.337; 11,188; 13,101; 20,106; Phil Imm 7; Mt 2,11; 4,24; 8,16; 9,2.32; 12,22; 14,35; 17,16; 22,19; Mk 10,13par; Lk 23,14.36; Joh 19,29. 157 GRUNDMANN, Art. dekto,j ktl., 58; vgl. Ex 28,38; Lev 1,3f.; 17,4; 19,5; 22,19; 22,19f. u.ö. 150

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Röm 15,16 am nächsten. Auch dort wird der Begriff mit kultischer Konnotation auf den ethischen Wandel der Gemeinde angewendet.158 In Röm 15,16 bezeichnet das Adjektiv in Anlehnung an die priesterliche Terminologie den Wunsch, dass das Opfer der Heiden die Akzeptanz bzw. das Wohlgefallen Gottes finde. (5) Mit dem Verb a``gia,zein hat Paulus schließlich noch einen Begriff aufgenommen, der sich fast ausschließlich dem LXX-Griechisch verdankt und dort als Übersetzung der hebräischen Wurzel vdq dient. Die Bedeutung schwankt je nach Stammform zwischen „heiligen“ und dem reflexiven „sich heiligen“, wobei die Niph'al-Form („sich als heilig erweisen“) immer Gott als Subjekt hat.159 Geheiligte Gebäude (z.B. Stiftshütte/Tempel), Gegenstände (kultische Gerätschaften) oder Personen (in der Regel Priester) werden durch den Akt der Heiligung in ein besonderes Verhältnis zu Gott gestellt. Sie werden Jahwe in besonderer Weise zugeordnet. Dies bringt für sie eine besondere Verpflichtung zur Reinheit mit sich und umgekehrt die erhöhte Achtung und Wertschätzung der Gemeinde. Die Heiligkeit des erwählten Ortes, der Gerätschaften und der Priester strahlt im Kultgottesdienst gewissermaßen auf die versammelte Gemeinde ab.160 Im Neuen Testament findet sich das Verb in den unterschiedlichsten Kontexten und Bezügen. In den Evangelien beschreibt es Gottes Selbstheiligung seines Namens (Mt 6,9; Lk 11,2), die Heiligung des Sohnes durch den Vater (Joh 10,36), die Selbstheiligung Jesu (Joh 17,19) oder die Heiligung der Jünger bzw. der Gemeinde durch Gott (Joh 17,17; Act 20,32; 26,18). Im Hebräerbrief wird das Verb in deutlich kultischen Kontexten verwandt, wobei Christus meist das Subjekt des Heiligens ist.161 Bei Paulus gehört die passive Form des Verbs in der Regel zur Taufsprache „und bezeichnet die durch Gott selbst bewirkte Teilhabe des in der Taufe von den Sünden ‚gereinigten‘ Christen an Gottes Heiligkeit …, die durch die Gabe des Geistes bewirkt wird … und im Wandel nach dem Geist bewährt werden soll“.162 Während die Heiligkeit von Gebäuden oder Gegenständen im Neuen Testament nicht mehr erwähnt wird, bringt das Verb aus ntl. Perspektive v.a. ein besonderes Verhältnis zwischen Gott und Mensch zum Ausdruck. Waren es im Alten Testament zunächst nur die Priester, denen dieser Status verliehen wurde, wird er spätestens in nachexilischer Zeit auf die gesamte Kultgemeinde ausgeweitet. Bei Paulus bringt der Begriff den Aspekt der Erwählung zu einer unmittelbaren Gottesgemeinschaft zum Ausdruck.163

Durch die eindeutig kultische Bestimmung von i``erourgei/n müssen auch die anderen in Frage kommenden Begriffe des Verses kultisch bestimmt werden, auch wenn sich für sie im Einzelnen durchaus auch eine unkultische Verwendung belegen lässt. Die „gemeinsame semantische Sinnlinie [ist] fraglos die kultische Konnotation, die vom Verfasser Paulus bewußt gewollt ist.“164 158 In 2Kor 6,2 ist der kultische Zusammenhang weniger eindeutig und in 2Kor 8,12 ist er nicht gegeben. 159 Vgl. z.B. Gen 2,3; Ex 13,2; 29,21.43f.; 30,29; Lev 10,3; Ez 28,22.25 u.ö. 160 Vgl. hierzu z.B. Num 16,3; Lev 11,44ff.; 19,2. 161 Hebr 2,11; 10,14; 13,12; vgl. auch Hebr 9,13f.; 10,10; 10,29. 162 STRACK, Terminologie, 64; vgl. neben Röm 15,16; 1Kor 1,2; 6,11; 7,14 (2x) und aktivisch in 1Thess 5,23. 163 STRACK, Terminologie, 65. 164 STRACK, Terminologie, 65.

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2.8.2 Zur Vermeidung des Priesterbegriffs in Röm 15,16 Die Aufnahme der kultischen Begrifflichkeit in V. 16 ist durch Kontinuität und Diskontinuität geprägt. Auf der einen Seite versteht Paulus seinen Dienst in einer gewissen Analogie zur priesterlichen Mediation zwischen Gott und Mensch: „Indem Paulus das Evangelium unter den Heiden verkündigt, bringt er Menschen aus den Völkern zum Gott Israels – so wie ein Priester oder ein anderer Mitwirkender am Kult eine Opfergabe zu Gott bringt. […] Weil Menschen, die Christen werden, aus der Gottesferne in die (Macht-)Sphäre Gottes versetzt, Gott übereignet und damit selbst geheiligt werden, kann derjenige, der diesen Schritt ermöglicht und fördert, auch als jemand beschrieben werden, der die heilige Handlung einer Gabendarbringung vollzieht.“165 Diese „mediatorische Funktion“ seines Apostolats kann Paulus immer wieder in unterschiedlichsten Zusammenhängen und Begrifflichkeiten zum Ausdruck bringen. In verdichteter Form geschieht dies im Rahmen der apostolischen Apologie in 2Kor 2,14–7,4. So versteht er sich als „Wohlgeruch Christi für Gott“ (2Kor 2,15); durch seinen Dienst werden die Gemeinden zu einem „Brief Christi“ (2Kor 3,3); ihm und den anderen Aposteln ist in antithetischer Überbietung zur diakoni,a des Mose die diakoni,a des neuen Bundes gegeben, die er als eine diakoni,a tou/ pneu,matoj beschreiben kann (2Kor 3,8), und als ein Amt, das durch die Verkündigung des Evangeliums „Leben“ (3,6), „Gerechtigkeit“ (3,9), „Herrlichkeit“ (3,7ff.) und „Freiheit“ (3,17) vermittelt. Paulus ist ferner das „Wort von der Versöhnung“ anvertraut (5,19) und entsprechend bittet er die Korinther als „Botschafter an Christi Statt“: „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (2Kor 5,20).166 Eng verbunden mit dieser mediatorischen Funktion ist auch die repräsentative Charakterisierung seines Amtes. Er erscheint als „Knecht um Jesu willen“ (2Kor 4,5) und in den Peristasenkatalogen (1Kor 4,9–13; 2Kor 4,7–12; 6,3–10) wird er durch sein Leiden zum Repräsentanten des Gekreuzigten.167

Umso auffälliger ist aber auf der anderen Seite, dass Paulus konsequent – und im Licht der zahlreichen sich anbietenden Belege (vgl. 1Kor 9,13; Phil 2,17; 4,18) wohl auch sehr bewusst – den Begriff i``ereu,j für sein Amt vermeidet.168 Die Gründe können nur in der theologischen Konnotation des 165 VAHRENHORST, Sprache, 319f.; ebenso W ILCKENS, Röm III, 118. VAHRENHORST, ebd., weist ferner darauf hin, dass diese „Denkfigur“ für Paulus die Grundlage für die gesamte Anwendung kultischer Termini auf sein apostolisches Wirken ist, vgl. 1Thess 2,10; 1Kor 4,1; 1Kor 9,13; 2Kor 2,14; Phil 2,17; Röm 1,9. 166 SCHRÖTER, Versöhner, 297f., möchte aus 2Kor 5,18–20 über die Verkündigung des Evangeliums hinaus eine aktive Beteiligung des Apostels am Versöhnungsgeschehen zwischen Gott und Mensch ableiten, was aber sowohl philologisch als auch theologisch im Licht von Röm 5,6–10 kaum zu begründen ist, vgl. zur Kritik SÄNGER, Amt, 640, Anm. 99. 167 Vgl. zum Ganzen VORHOLT, Priester, 69. 168 STRACK, Terminologie, 78. Dagegen formulierte WENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 128, noch sehr forsch: „Deutlich bezeichnet sich Paulus hier als Priester.“ Ähnlich W EISS, Paulus, 356–360, in dem einleitend erwähnten Artikel von 1954, sowie SCHENK, Art. prosfora,, 431; MOO, Rom, 890, und NEWTON, Concept, 60ff.; vgl. zur Frage, ob

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i``ereu,j-Titels liegen.169 Paulus will sich wohl als „Vermittler der Heilsbotschaft“ aber nicht als „Mediator des Heils“ verstehen und unter keinen Umständen als ein solcher erscheinen; diese Rolle gebührt ausschließlich Jesus Christus. Als dessen leitourgo,j stellt sich Paulus vor und durch die priesterliche „Verwaltung“ bzw. „Ausrichtung“ des Evangeliums170 vergegenwärtigt er Christus und sein Heil bei seinen Hörern. Als leitourgo,j hat er allenfalls die Funktion eines Gehilfen bzw. Funktionärs, aber kein mittlerisches Priesteramt – so bedeutend seine Rolle in Gottes Heilswerk auch sein mag.171 Möglicherweise steht im Hintergrund dieser apostolischen Selbstdefinition Jes 61,6LXX: „Ihr aber werdet Priester des Herrn (i``erei/j kuri,ou) genannt werden, Diener Gottes (leitourgoi. qeou/).“

Falls Paulus auf diese Prophetie in Röm 15,16 Bezug nimmt,172 dann hat er offensichtlich den leitourgo,j-Titel sehr bewusst dem i``ereu,j-Titel vorgezogen und verwendet letzteren lediglich in Partizipialform, um metaphorisch seine Funktion aber nicht seine Identität damit zu definieren.173 Es lässt sich also aus christologischen Gründen allenfalls indirekt von einer Paulus sich als Priester versteht, den zu Recht skeptischen Exkurs bei STRACK, Terminologie, 73–76. 169 Dagegen meint VAHRENHORST, Sprache, 188, Anm. 242 und 337, dass das Fehlen des Priesterbegriffs bei Paulus mit seiner benjaminitischen Herkunft, Phil 3,5, in Verbindung steht. Angesichts der ansonsten sehr großzügigen Übertragung von jüdischen Kultbegriffen sogar auf heidenchristliche Gemeinden wäre diese Zurückhaltung überraschend. Denn dass Paulus in priesterlicher Funktion handelt, wird hier explizit deutlich. 170 Auf etwas anderes als die Verkündigung des Evangeliums kann sich i``erourgei/n nicht beziehen, denn dies ist der einzige Sinn und Inhalt seines Apostolats. 171 SÄNGER, Amt, 644f.; anders VORHOLT, Priester, 72–76, der Paulus sehr wohl als Priester und Kultdiener verstehen möchte und bei ihm „ein priesterliches Selbst- und Amtsverständnis“ wahrnimmt, ebd., 74, aber nicht das Fehlen des i``ereu,j-Begriffs, ja die auffallende Vermeidung desselben in Röm 15,16 erklären kann. 172 Ob Ex 19,6 und Jes 61,5f. eine Rolle im Hintergrund von Röm 15,16 spielen, wie STRACK, Terminologie, 75f., meint, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Auf der Textebene sind – abgesehen vom Begriff leitourgo,j in Jes 61,6LXX – nicht die geringsten Anklänge zu finden. Eine Sachparallele wäre nur dann gegeben, wenn Israels Priestertum in Ex 19,6 so verstanden werden könnte, dass es eine mediatorische Funktion für die Völkerwelt hätte. Dieses Verständnis ist aber in Ex 19,6 nirgendwo intendiert. Vielmehr zielt die Formulierung „Volk von Priestern“ ausschließlich auf das einzigartige Gottesverhältnis Israels ab, das Jahwe als Eigentumsvolk zugeordnet ist. Eine Funktion für die Völkerwelt ist hier noch nicht gegeben, vgl. hierzu auch →II.4.2→II.4.3. 173 SÄNGER, Amt, 645, der zu Recht betont, dass es im Blick auf die paulinischen Briefe „irreführend [ist], von einem ‚priesterlich-apostolischen Dienst‘ oder einem ‚priesterlich-apostolischen Amt‘ zu reden, sofern damit ein später dominant gewordenes ekklesiologisches Strukturmodell auf Paulus zurückgeführt werden soll.“ Ähnlich auch DUNN, Rom II, 859: „Paul does not have Christology of Christ as priest …“

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funktionalen Mediation des Apostels im Sinne der Verkündigung der Heilsbotschaft reden, nicht von einer essentiellen Identität.174 Damit steht Paulus – wie noch zu zeigen sein wird – im Einklang mit dem metaphorischen Gebrauch des Priesterbegriffs im ganzen Neuen Testament. Auch in 1Petr 2,5.9 und Apk 1,6; 5,10 und 20,6 wird die Priestermetapher nie in funktionaler Hinsicht auf die Glaubenden übertragen, sondern ausgehend vom vor-levitischen Begriff des „Königreichs von Priestern“ (MT) bzw. der „königlichen Priesterschaft“ (LXX) in Ex 19,6 soll sie das priesterliche Sein mit seinem Status der Heiligkeit und Integrität sowie der Zugehörigkeit, Ähnlichkeit und Unmittelbarkeit zu Gott zum Ausdruck bringen. In Röm 15,16 geht es aber um eine Funktion des levitischen Priestertums, auf die Paulus Bezug nimmt. Offensichtlich hat sich die gesamte frühe Christenheit bewusst zurückgehalten, einen levitisch konnotierten und funktional bestimmten Priesterbegriff auf die Gemeinde und ihre Funktionsträger zu applizieren. 2.8.3 Zur heilsgeschichtlichen Dimension des Apostolats in Röm 15,16 Von großer Bedeutung ist auch die in diesem Vers vollzogene Verquickung kultischer Terminologie mit dem eindeutig unkultischen Begriff euvagge,lion. Damit stellt Paulus das, was sich in Gottes „neuer“ Heilstat in Kreuz und Auferstehung endzeitlich ereignet hat, in eine Beziehung zu Gottes vormaligem Heilshandeln an Israel in der Stiftung des Sühnekultes. Die priesterliche Ausrichtung des Heilswortes Gottes (dem Evangelium) von der Heilstat Gottes (Kreuz und Auferstehung) versteht Paulus als endzeitliche Vollendung von Gottes umfassendem Heilswillen, der seinen atl. Ausdruck im Sühnekult fand. Eine schwierige Frage ist die Bestimmung des Genitivs in der Wendung h` prosfora. tw/n evqnw/n. Gewöhnlich wird der Genitiv als genitivus obiectivus übersetzt und die Heiden als Opfer verstanden. Hogeterp will im Anschluss an Ponthot die Heiden als genitivus subiectivus oder auctoris verstehen.175 Danach würde Paulus die frühjüdische Diskussion aufgreifen, ob und inwiefern Opfer von Heiden im Jerusalemer Tempel akzeptabel sind.176 Durch seinen priesterlichen Dienst der Evangeliumsverkündigung 174 Vgl. auch STRACK, Terminologie, 76: „Allein auf dieser abgeleiteten Ebene kann analog davon gesprochen werden, daß Paulus Priester ist“, und PESCH, Priestertum, 71: „Paulus … hebt alles Priesterliche auf, indem er es degradiert zur Bildsprache für sein ‚unpriesterliches Tun‘.“ 175 HOGETERP, God’s Temple, 287f.; P ONTHOT, L’expression, 254–262; DUNN, Rom II, 860f. bleibt unentschieden. 176 Vgl. z.B. Jos Bell 2,409 und 4QMMT B 8, wo sich einerseits die radikalen Kräfte im Vorfeld des Jüdischen Krieges und andererseits der yaḥad aus jeweils unterschiedlichen Gründen strikt gegen die Akzeptanz von Opfern heidnischer Spender aussprechen, während Jos Bell 2,411–414; mZev 4,5 und mMen 5,3.5 und 6,1 auf eine begrenzte Teil-

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würden dann auch Heiden in die Lage versetzt, in Erfüllung von Jes 60,3 und Sach 8,23 Gott wohlgefällige Opfer zu bringen (vgl. auch Röm 12,1 und Phil 3,3). Diese Interpretation bereitet jedoch aus einer ganzen Reihe von Gründen Schwierigkeiten. Zum Ersten spielte der Jerusalemer Kult für die heidenchristlichen Gemeinden nirgendwo mehr irgendeine Rolle. Zum Zweiten ist von einer Geldsammlung für die Jerusalemer Gemeinde erst in Röm 15,26ff. die Rede, die zudem nicht für den Jerusalemer Tempel, sondern für die Armen der Jerusalemer Gemeinde bestimmt ist, und zum Dritten bezeichnet Paulus das „Opfer der Heiden“ als h``giasme,nh evn pneu,mati a``gi,w|. Diese Qualifikation ist charakteristisch für die Glaubenden, aber für Gegenstände, wie z.B. finanzielle Opfer, im gesamten Neuen Testament nicht belegt. Doch auch sprachlich hat das herkömmliche Verständnis der Heiden als genitivus obiectivus oder epexegeticus nicht nur die meisten Kommentatoren,177 sondern auch die höhere Wahrscheinlichkeit für sich, denn Paulus ist in Röm 15,14–21 das einzige handelnde Subjekt und nirgendwo wird auch nur leise ein Subjektwechsel angedeutet.178 Im gesamten Abschnitt steht wie in Röm 1,8–17 Paulus als Apostel den Heidenvölkern als den Adressaten seines Dienstes gegenüber. Insofern empfiehlt es sich auch hier, die Heiden als Objekte seines Opferhandelns zu betrachten und nicht als Subjekte eigener Opferhandlungen. Das bedeutet aber, dass der apostolische Opferdienst des Paulus als Erfüllung und Vollendung an die Stelle des atl.-priesterlichen Opferdienstes getreten ist.179 Fragt man nach dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Vorstellung, dass die Heidenvölker als Opfer Gott dargebracht werden, so stößt man schnell auf Jes 66,18–21:180 (18) Ich aber, ich kenne ihre Taten und ihre Gedanken, und ich bin gekommen, alle Völker und Zungen zu versammeln. Und sie werden kommen und meine Herrlichkeit sehen. (19) Ich richte unter ihnen ein Zeichen auf und sende Entkommene von ihnen zu den Völkern nach Tarschisch, Put und Lud, Meschech und Tubal und Jawan, zu den fernen Inseln, die die Kunde von mir nicht gehört und meine Herrlichkeit nicht gesehen haben. Und sie verkünden meine Herrlichkeit unter den Völkern. (20) Und sie bringen alle eure nahme von Heiden am Jerusalemer Opferkult hindeuten; vgl. zum Ganzen KRAUTER, Bürgerrecht, 201–210. 177 Vgl. z.B. KÄSEMANN, Röm, 379; MICHEL, Röm, 457; W ILCKENS, Röm III, 118; STUHLMACHER, Röm, 210; MOO, Rom, 890 u.a. 178 STRACK, Terminologie, 29f. 179 Richtig beobachtet von VORHOLT, Priester, 72. 180 STRACK, Terminologie, 77, denkt hier eher an das priesterschriftliche Priestertum, wie es in Num 3,12f. und 8,5–22 geschildert wird. Dort werden die Leviten ausgesondert und Jahwe als Schwingopfer (avpo,doma) dargebracht. Die Bezüge zu den in Jes 66,20 erwähnten Heidenvölker sind jedoch auch im Licht von Jes 61,6 wesentlich umfassender.

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Brüder aus allen Völkern als Opfergabe (dw/ron) für Jahwe, auf Pferden, auf Wagen und in Sänften, auf Maultieren und auf Dromedaren zu meinem heiligen Berg, nach Jerusalem, spricht Jahwe, ebenso wie die Söhne Israel das Speiseopfer (ta.j qusi,a j auvtw/n) in einem reinen Gefäß zum Haus Jahwes bringen (evne,gkaisan). (21) Und auch von ihnen nehme ich mir einige zu Priestern und zu Leviten, spricht Jahwe.181

Jes 66,18–21 (→II.4.4) ist möglicherweise in ganz umfassender Hinsicht maßgeblich für die Mission des Apostels. R. Riesner vermutet, dass die Liste der in V. 19 aufgeführten Orte und Landschaften die missionarische Reiseroute des Apostels wesentlich beeinflusst hat,182 denn Jes 66,18–21 ist der einzige Beleg außerhalb der Gottesknechtslieder, in dem von einer Verkündigung an Heiden durch menschliche Boten183 und von einer Menschengruppe als Opfergabe die Rede ist. Sollte das der Fall sein, würde dies das Verständnis von Röm 15,16 im Licht von Jes 66,20 stützen. Paulus hätte sich dann dazu berufen gewusst, auf der von Jes 66,19 vorgezeichneten Route die „Vollzahl der Heiden“ (Röm 11,25) als Weihegabe (Jes 66,20: dw/ron; Röm 15,16: prosfora,) Gott zu bringen,184 möglicherweise in der eschatologischen Erwartung, dass dann „ganz Israel gerettet wird“ (Röm 11,26: pa/j VIsrah.l swqh,setai).185 181

Übersetzung in Anlehnung an die Revidierte Elberfelder Übersetzung. R IESNER, Frühzeit, 216–225. 183 R IESNER, Frühzeit, 219; vgl. auch WESTERMANN, Jes (40–66), 337: „Hier ist zum erstenmal ganz eindeutig von Mission in unserem Sinn die Rede: Sendung einzelner Menschen zu den fernen Völkern, um dort die Herrlichkeit Gottes zu verkündigen. Es entspricht genau der apostolischen Mission am Anfang der christlichen Kirche.“ 184 M ICHEL, Röm, 457, Anm. 13: „‚h` prosfora. tw/n evqnw/n‘ […] erinnert an Jes 66,20. Dort erscheinen die nach Jerusalem zurückgebrachten Diaspora-Juden als Opfergabe für den Ewigen.“ 185 R IESNER, Frühzeit, 219; STUHLMACHER, Theologie I, 233. Damit – soviel kann hier nur angedeutet werden – könnte Paulus evtl. auch die Erwartung der Völkerwallfahrt zum Zion, vgl. Jes 2,2–5; Mi 4,1–4, verbunden und somit seiner zentrifugalen Mission, die nach Röm 15,19 ihren Ausgang von Jerusalem nahm, eine zentripetale Bewegung der Völker nach Jerusalem gegenüber gestellt haben. Jerusalem bzw. der Zion, vgl. Röm 11,26, wären damit Ausgangs- und Zielpunkt der paulinischen Mission und des göttlichen Heilshandelns insgesamt. HORN, Paulus und der Herodianische Tempel, 202, schließt daran die – von ihm selbst rasch wieder verworfene – Überlegung an, ob es möglicherweise ein Ziel des Paulus war, in Christus geheiligte Heiden tatsächlich in den inneren, ausschließlich Juden vorbehaltenen Bereich des Tempels zu bringen. Die einzige Grundlage für eine solche Erwägung stellt aber lediglich Act 21,28f. dar, wo kleinasiatische Juden Paulus vorwerfen, er habe Griechen, gemeint ist der ephesinische Paulusbegleiter Trophimus, in den Tempel gebracht. Diese Überlegung macht jedoch v.a. aus zwei Gründen keinen Sinn: (1) Ein solches Vergehen hätte auch im anschließenden Prozess gegen Paulus eine Rolle spielen müssen, was aber nicht der Fall ist. (2) Vor allem aber spielt der Jerusalemer Tempel als eschatologische Pilgerstätte für Heidenchristen nirgendwo in den paulinischen Briefen auch nur die geringste Rolle. Hier wäre seine Rolle deutlich überschätzt und die Dignität der Tempelidentität der Gemeinde unterschätzt. 182

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

2.8.4 Zur ekklesiologischen Dimension der Heiligung in Röm 15,16 Auch in ekklesiologischer Hinsicht markiert Röm 15,16 sowohl Kontinuität wie Diskontinuität zum atl. Kultgeschehen. Mit dem Verb a``gia,zein ist der göttliche Akt der Heiligung beschrieben, durch den im atl. Kultgeschehen Menschen, Gebäude oder Gegenstände für eine befristete Dauer in die Sphäre des Heiligen als dem Präsenzbereich Gottes bzw. in den Status der Heiligkeit versetzt werden. Im Rahmen der paulinischen Adaption des kultischen Denkens an die neue Heilswirklichkeit in Christus werden Menschen aufgrund der Heiligung durch den Heiligen Geist selbst wesenhaft zu „Heiligen“ und befinden sich nunmehr dauerhaft im Heilsbereich und in der Gemeinschaft Gottes.186 Der Akt der Heiligung konstituiert ein Eigentumsverhältnis zwischen Gott und Mensch, das sowohl den Aspekt der Erwählung als auch den der Aussonderung und Abgrenzung gegenüber der Umwelt enthält. Soweit erfolgt die Heiligung in völliger Entsprechung zu Israel bzw. zum Priestertum Israels. Völlig neu ist dagegen, dass nunmehr auch den in Christus berufenen Heiden solche Erwählung, Aussonderung und Abgrenzung zuteil wird. Im metaphorischen Sinne findet tatsächlich eine Universalisierung des exklusiven Gottesverhältnisses des israelitischen Priestertums statt. Neu ist auch, dass diese Heiligung durch die – möglicherweise in der Taufe vermittelten – Gabe des Geistes Gottes erfolgt.187 2.8.5 Zur interkulturellen Dimension von Röm 15,16 An welchen Kult denkt Paulus in Röm 15,16? Dass Paulus selbst an den Jerusalemer Kultus dachte, dürfte durch die Wendung i`erourgou/nta to. euvagge,lion tou/ qeou/ als einer inhaltlichen Bestimmung des beschriebenen Dienstes deutlich sein.188 Dennoch wird es kein Zufall sein, dass Paulus seinen Worten eine gewisse Deutungsoffenheit verleiht. Es geht ihm letztlich um den Kult des einen Gottes, der nicht zwangsläufig auf den Jerusalemer Tempel zu beziehen ist. Auf diesem Hintergrund kann er seine Argumentation in einer in der Antike allgemeinverständlichen, kultischen 186

Das Adjektiv euvpro,sdektoj nimmt den von der LXX her bekannten Begriff dekto,j auf, der dort die Makellosigkeit von Opfern beschreibt, vgl. Ex 28,38; Lev 1,3f.; 17,4; 19,5 u.ö. Damit bringt Paulus zum Ausdruck, dass die als prosfora, dargebrachten Heiden die an jedes Tempelopfer geknüpfte Bedingung der Heiligkeit erfüllen – und damit im Rahmen seines Kultverständnisses auch die Zugangsbedingungen zum Tempel. 187 Es ist auffallend, dass die Gabe des Heiligen Geistes in vielen Belegen, die durch die gewählte Terminologie eine kultische Konnotation haben, eine wesentliche Rolle spielt, vgl. neben Röm 15,16 auch 1Kor 3,16f.; 6,19; Phil 3,3f., sowie STRACK, Terminologie, 67: „In der Betonung des Geistes Gottes drückt sich das eschatologisch bestimmte Denken des Paulus aus.“ 188 Für W EISS, Paulus, 362, ist es ein „unmöglicher“ Gedanke, der sich von allein verbietet, „daß er [sc. Paulus] die Herrlichkeit seines Amtes und seiner Gemeinden in heidnischen Kultvorstellungen sollte dargestellt haben.“

2 Kultische Metaphern bei Paulus

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bzw. gottesdienstlichen Terminologie plausibilisieren. Nahezu alle von Paulus verwendeten Begriffe mit kultischer Konnotation besitzen diese auch in ihrem Gebrauch außerhalb des jüdisch-christlichen Schrifttums. Insofern ist Röm 15,16 auch für pagane Leser verständlich, und zwar nicht obwohl Paulus kultische Sprache benützt, sondern weil er das tut. Eine sachliche Parallele zu Röm 15,16 findet sich in Phil 2,17. Dort bezeichnet sich Paulus durch das Verb spe,ndesqai als ausgegossenes Trankopfer, das sowohl im jüdischen Kult wie in paganen Kulten geläufig war, und verwendet damit eine weitere kultische Kategorie für seinen apostolischen Verkündigungsdienst.189 Entscheidend für die Parallelität zu Röm 15,16 ist nun die Interpretation der Genitivkonstruktion qusi,a kai. leitourgi,a th/j pi,stewj u``mw/n in V. 17b. Philologisch lässt sich der Genitiv sowohl als genitivus subiectivus als auch obiectivus begreifen. Mit etwas größerer Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um letzteren,190 womit der Glaube der Philipper als eine von Paulus dargebrachte Opfergabe beschrieben wird, zu der das „Trankopfer des paulinischen Aposteldienstes“ als eine Art „Beigabe“ hinzu gegossen wird.191 Für diese Lösung spricht der gesamte Kontext Phil 1,27–2,18 (und insbesondere 2,12–18), wo Paulus seinen apostolischen Dienst reflektiert.192 Wie in Röm 15,16 erscheint damit die apostolische Mission des Paulus als ein Opferund Gottesdienst, bei dem durch die Verkündigung des Evangeliums der Glaube der Gemeinde geweckt und als Opfer dargebracht wird.

2.9 Der Kultus und die paulinischen Ämterbezeichnungen D. Sänger hat in einem wichtigen Artikel auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass Paulus in seinen Briefen in Übereinstimmung mit der gesamten frühchristlichen Tradition offensichtlich ganz bewusst auf kultische

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Unklar ist, ob Paulus mit dem „als Trankopfer ausgegossen werden“ auch auf sein Martyrium Bezug nimmt, vgl. 2Tim 4,6 und Ign Röm 2,2, das er dann als eine Folge seines Verkündigungsdienstes verstehen würde, oder ob schon allein sein Dienst am Evangelium eine solche spondh, darstellt. Vom Kontext des Philipperbriefes und im Licht von 2Tim 4,6 sollte man ersteres nicht kategorisch ausschließen, auch wenn die Evidenz letztlich uneindeutig bleibt; ähnlich KLAUCK, Symbolsprache, 115; STRACK, Terminologie, 305, und VAHRENHORST, Sprache, 235. 190 Die Alternative wäre das Verständnis als genitivus epexegeticus bzw. subiectivus, womit die Lebensführung im Glauben als die Form des Opferdienstes der Gemeinde erscheinen würde, vgl. Röm 12,1f., zu dem der apostolische Dienst von Paulus als Trankopfer beigefügt wird; so GNILKA, Phil, 154f.; KLAUCK, Kultische Symbolsprache, 355f.; FEE, Phil, 254; BOCKMUEHL, Phil, 161; VAHRENHORST, Sprache, 237f. 191 STRACK, Terminologie, 306, paraphrasiert sachlich korrekt: „Aber wenn mein Leben auch ausgegossen wird wie eine Trankopferspende, hinzugefügt zu dem Opferdienst, der euren Glauben bewirkt“. Das Ausgießen einer Trankspende über dem eigentlichen „Hauptopfer“ ist verschiedentlich belegt in der antiken Literatur, vgl. Hom Il 1,462; 11,775; Od 3,459; vgl. auch Gen 35,14LXX und Ex 30,9LXX. 192 Vgl. auch WENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 128; KÄSEMANN, Phil 2,12–18, 297; B ALZ, Art. leitourgi,a ktl., 860, und THYEN, Art. qusi,a ktl., 399–405.

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

Amtsbezeichnungen verzichtet hat.193 Auch Titel und Begriffe, durch die eine hierarchische Über- oder Unterordnung angezeigt wird, wie te,loj oder avrch, wendet Paulus nicht auf christliche Amtsträger an.194 Der bei Paulus häufig belegte Begriff evxousi,a kennzeichnet anders als in der Profangräzität keinen Ehrentitel, sondern die göttlich verliehene Vollmacht (1Kor 9,4f.12; 2Kor 10,8; 13,10 u.ö.) und der oivkono,moj-Titel, den Paulus auch für sich selbst in Anspruch nimmt (1Kor 4,1), stammt aus der antiken Ökonomik.195 Dies deutet schon an, dass Paulus für seine Gemeinden Ämterbezeichnungen bevorzugt, die nicht kultisch konnotiert sind.196 Dazu gehören in erster Linie Derivate des Verbalstamms diakon-, mit denen der Dienstcharakter gegenüber Gott bzw. dem Nächsten, die Beauftragung zur Überbringung einer Botschaft oder Nachricht und auch die Gleichrangigkeit der Amtsträger vor dem einen Herrn unterstrichen wird.197 Auch als Apostel ordnet sich Paulus als dia,konoj selbst in dieses Dienstverständnis und -verhältnis ein.198 Auf diese Weise beugt Paulus „dem Missverständnis vor, es handele sich bei den ekklesialen Diensten um mit besonderen Rechten und Kompetenzen ausgestattete kultische Ämter.“199 Vor diesem Hintergrund ist es auch kein Wunder, dass in den paulinischen Charismen- und Dienstlisten in 1Kor 12,4–11 und Röm 12,4–8 nirgendwo ein priestliches oder kultisches Amt, geschweige den ein i``ereu,j auftaucht. 2.10 Ergebnis (1) Der sachliche Ausgangspunkt für die Metaphorisierung kultischer Begriffe liegt bei Paulus in der grundstürzenden Erkenntnis, dass Gott selbst Jesus zum eschatologischen Sühne- und Kultort für Juden und Heiden ge193 SÄNGER, Amt, 636f. Nirgendwo benützt Paulus einen der zahlreichen kultisch konnotierten oder sakralrechtlich begründeten Amtsbegriffe wie z.B. do,xa oder timh,, vgl. Röm 13,7, und ebd., Anm. 80. 194 In den Evangelien und den Acta werden mit avrch, sowohl römische wie jüdische Beamte, Behörden oder einflussreiche Personen bezeichnet, vgl. Mt 20,25; Lk 12,58; 18,18; Joh 3,1; 7,26.48; Act 4,26; 14,5; 16,19 u.ö. und auch Act 23,5; vgl. Lk 23,13; 24,20; Act 4,5. Bei Paulus ist der Titel kosmischen und in der Regel antigöttlichen Mächten vorbehalten, vgl. 1Kor 2,6.8; Röm 8,38. 195 SÄNGER, Amt, 638. 196 Vgl. SÄNGER, Amt, 639: „Paulus kennt und benutzt einen Großteil der Begriffe, die innerhalb und außerhalb des biblischen Sprachgebrauchs die spezifische Eigenart profaner oder religiöser Ämter charakterisieren. Zur Bezeichnung kirchlicher Aufgaben und Tätigkeitsbereiche verwendet er sie jedoch nicht.“ 197 Vgl. dazu ausführlich HENTSCHEL, Diakonia, v.a. 85–85.180–184. 198 Vgl. 1Kor 3,5; 2Kor 6,4; vgl. Röm 16,1. Auch sein apostolisches Amt versteht er ebenso als diakoni,a , Act 20,24, wie die Kollekte für die Jerusalemer Gemeinde, Röm 15,25.31; 2Kor 8,4.19f.; 9,1.12f. 199 SÄNGER, Amt, 642.

2 Kultische Metaphern bei Paulus

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macht hat. Durch seinen stellvertretenden Sühnetod am Kreuz hat Gott ihn „öffentlich“ als i``lasth,rion und damit als endzeitlichen Ort der Gottespräsenz und -begegnung „inauguriert“ (Röm 3,25). Damit tritt Jesus eo ipso an die Stelle der alten Sühne- und Kultstätte im Jerusalemer Tempel. Dies macht für Paulus alle frühjüdischen Bemühungen um eine Kompensation der als defizitär und unzulänglich empfundenen priesterlichen Kultpraxis obsolet. (2) Das gilt umso mehr als durch die endzeitliche Gabe des Heiligen Geistes allen Glaubenden „aus Juden und Heiden“ ein dauerhafter Status der Heiligkeit verliehen wurde (1Thess 4,1–8; 1Kor 1,2.30; 6,11; Röm 15,16). Diese Heiligkeit verdankt sich nicht mehr kultischer oder ethischer Maßnahmen seitens des Menschen, sondern ausschließlich dem Wirken des Heiligen Geistes. Der auf diesem Wege verliehenen Heiligkeit hat der so Beschenkte in seinem alltäglichen Wandel ethisch zu entsprechen (1Thess 3,13; 4,1–8; 5,23). Die auf diese Weise „im Geist Geheiligten“ sind in einen Zustand der „Kultfähigkeit höherer Ordnung“ versetzt und besitzen somit jenseits aller kultischen, hereditären oder ethnischen Mängel die Kontakt- und Begegnungsfähigkeit mit Gott im Raum des Heiligen (Röm 15,16). (3) Mit diesem neuen, dem Evangelium von Jesus Christus verpflichteten Heiligkeitsbegriff knüpft Paulus zwar in gewisser Weise an das Heiligungsprogramm seines pharisäischen Herkunftsmilieus an, entwickelt dieses jedoch konsequent weiter. Bemühte sich der Pharisäismus als Heiligungs- und Volksbildungsbewegung um eine Hebung der kultischen und ethischen Heiligkeit des gesamten Volks, so erkennt Paulus im stellvertretenden Sühnetod Jesu und in der Ausgießung des Geistes die endzeitliche Heiligung Gottes, die allen Juden und Heiden zu Teil wird, die durch den Geist „berufen“, „reingewaschen“ und „gerecht gesprochen“ sind in Jesus Christus (1Kor 1,2; 6,11). Heilvolles „Sein vor Gott“ ist nicht mehr ein Ergebnis kultischer und ethischer Bemühungen, sondern der Vergebung, Erlösung, Rechtfertigung und Taufe durch Gott in Christus. (4) Mit der Verleihung einer geistgewirkten und dauerhaften Heiligkeit wird den Glaubenden letztlich ein Status priesterlichen Seins verliehen, verbunden mit dem priesterlichen Recht und Privileg des „Zugangs“ zu Gott und dem räumlich vorgestellten Bereich des Heiligen (Röm 5,2). Mit der Sozialisierung und Universalisierung dieser „priesterlichen Kult- und Begegnungsfähigkeit“ vollzieht sich eine Ausweitung priesterlicher Standards und Privilegien auf alle „Juden und Heiden“, die „aus Glauben an Jesus Christus“ sind. Diese Ausweitung wurde zwar von verschiedenen Gruppierungen des Frühjudentums (Qumranschriften, Pharisäismus, priesterliche Levi-Tradition) als Kompensation des insuffizienten Jerusalemer

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

Kultes ersehnt, blieb aber aufgrund der Vorgaben der Tora stets nur auf hereditär definierte Personenkreise (Priester, Juden) begrenzt. (5) In verschiedenen Belegen stellt Paulus seinen apostolischen Dienst in eine Analogie zu den Funktionen der levitischen Priester (Röm 15,16; Phil 2,17; 4,18). Vor allem in Röm 15,16 beschreibt er seine heilsgeschichtlich verstandene Mission im Licht von Jes 66,18ff. mit einer Vielzahl kultisch konnotierter Begriffe. Paulus begreift die durch seinen Apostolat zum Glauben gekommenen Heiden als eine Opfergabe, die er aus der Gottesferne vor und zu Gott und in die Sphäre seiner Heiligkeit bringt, analog zum priesterlichen Opferritual. Hier und an anderen Stellen (1Kor 9,13; Phil 2,17; 4,18) liegen eigentlich alle Voraussetzungen für eine Metaphorisierung des Priestertitels bereit. Dennoch vollzieht Paulus an keiner Stelle die naheliegende metaphorische Applikation des Titels auf seinen apostolischen Dienst. Der Grund für diese Zurückhaltung muss in seinem Rollenverhältnis zu Jesus Christus gesucht werden. Paulus versteht sich als Mittler einer Botschaft, jedoch nicht als Mittler des Heils. Diese Rolle kommt in der paulinischen Theologie exklusiv Jesus Christus zu. Damit steht Paulus in einer Linie mit dem Gesamtzeugnis des Neuen Testaments, denn alle ntl. Zeugen haben sich offensichtlich bewusst zurückgehalten, einen levitisch konnotierten und funktional bestimmten Priesterbegriff auf die Gemeinde und ihre Funktionsträger zu applizieren. Dies geschieht lediglich im Hebräerbrief im Blick auf das Hohepriestertum Christi. Im 1. Petrusbrief und der Johannesapokalypse dient ausschließlich die vor-levitische „königliche Priesterschaft“ aus Ex 19,6 als Bildspender für diese Metapher und bringt dort den priesterlichen Status der Heiligkeit, Integrität, Zugehörigkeit, Ähnlichkeit und Unmittelbarkeit zu Gott zum Ausdruck. (6) Wenn Jesus zur neuen Sühne- und Kultstätte geworden ist und den Glaubenden durch das Wirken des Heiligen Geistes eine dauerhafte Heiligkeit und ein Status priesterlichen Seins verliehen wurde, dann ist es evident, dass dies für Paulus auch Konsequenzen für den Gottesdienst dieser priesterlichen Gemeinde haben musste. In Röm 12,1 stellt er mit dem schwierig zu übersetzenden Programmbegriff logikh. latrei,a einen Gottesdienstbegriff vor, dessen Ursprünge in sachlicher Hinsicht im opferlosen und unblutigen Synagogengottesdienst des Diasporajudentums liegen. Während jedoch in der Synagoge eine schleichende, durch die Lebensmacht des Alltags erzwungene Substitution und Kompensation einer kultisch am Tempel orientierten Frömmigkeit durch eine ethisch an der Tora orientierten Frömmigkeit und Lebenspraxis stattfand, ist für Paulus die im Evangelium Juden und Heiden offenbarte Wirklichkeit göttlichen Heils in Jesus Christus die Grundlage heilvollen „Seins vor Gott“. Somit wird die logikh. latrei,a zum tempel-, opfer-, priester- und torafreien Gottesdienst

3 Die Tempelmetaphorik bei Paulus

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der eschatologischen Gemeinde aus Juden und Heiden, der an jedem Ort zu jeder Zeit durch die Hingabe des „Leibes“ im tätigem „Dienst für Gott“ im Alltag „gefeiert“ werden kann. (7) Schließlich ist noch auf die interkulturelle Kommunikabilität der paulinischen Kultmetaphorik hinzuweisen. Weil kultische Sprache in der antiken Welt eine internationale und interkulturelle Sprache war, die ein allerorts bekanntes Phänomen beschrieb, eignete sie sich für Paulus in besonderer Weise zur Kommunikation seines Evangeliums, dessen Relevanz ja auf der Wirksamkeit einer kultischen Seinsordnung basiert. Von daher ist es kein Zufall, dass Paulus im Umgang mit Kultmetaphern häufig bewusst offen formuliert. Auch wenn er sich am Jerusalemer Tempel und Kult als bildspendendem Bereich orientiert haben sollte, kann seine Metaphorik von jedem antiken Leser verstanden werden, auch wenn er keinen Bezug zum antiken Judentum gehabt haben sollte.

3 Die Tempelmetaphorik bei Paulus 3 Die Tempelmetaphorik bei Paulus

Paulus benützt in den unumstrittenen Paulinen dreimal die Tempelmetapher für die Gemeinde (1Kor 3,16f.; 2Kor 6,16) bzw. für den einzelnen Christen (1Kor 6,19)200 und kann diese ekklesiologische Metapher offensichtlich als bekannt voraussetzen. Er muss das Syntagma nirgendwo einführend erläutern, sondern kann dabei wohl auf seine gemeindegründende Unterweisung (vgl. 1Kor 3,16, und 6,19: „Wisst ihr nicht ...“) und die interkulturellen Kommunikationsfähigkeit kultischer Metaphern aufbauen. 3.1 1Kor 3,16f. Der Abschnitt 1Kor 3,5–17 gehört zum ersten Hauptteil des 1. Korintherbriefs, der von 1Kor 1,10–4,21 reicht und in der Hauptsache den beklagenswerten Zustand der korinthischen Gemeinde, konkret die Spaltungen und Parteiungen in verschiedene Gemeindegruppen, thematisiert. Auch 1Kor 3,5–17 greift dieses Thema auf, indem Paulus mit Apollos und sich selbst auf die beiden Schlüsselfiguren für die sich streitenden Gruppen zu sprechen kommt. Er stellt beide als Diener des Herrn der Gemeinde vor und depotenziert sie damit. Die verschiedenen Bilder des Ackerbaus, sowie des Haus- und Tempelbaus (3,9.16f.) erscheinen auf den ersten Blick sehr

200 Interessanterweise kommt bei Paulus der Begriff i``ero,n mit Ausnahme von 1Kor 9,13 nicht vor. Dort bezeichnet der Begriff wahrscheinlich sowohl das Jerusalemer als auch ganz allgemein jedes pagane Tempelheiligtum. Auch skhnh, findet sich in den Paulusbriefen nicht. Paulus verwendet stets den Begriff nao,j, wenn er in theologisch relevanter Weise auf den Tempel Bezug nimmt.

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

inhomogen, sind aber traditionell vorgegeben.201 Mit diesen Metaphern beschreibt Paulus sowohl das Wesen des apostolischen Dienstes wie des christlichen Gemeindebaus. Am Ende des Argumentationsganges vollzieht Paulus dann noch mit einem dritten Bild die vom Argumentationsduktus her durchaus überraschende, weil nicht zwingende Identitätsbestimmung der Gemeinde als Tempel Gottes.202 In den 60er und 70er Jahren wurde im Blick auf 1Kor 3,16f. und auch 2Kor 6,16 immer wieder eine Abhängigkeit203 von bzw. „Verwandtschaft“204 mit Qumrantexten wie 1QS 5,5f.; 8,4f.8f.; 9,6; 11,8; CD 3,19 oder 4QpPs 37,3.15f. diskutiert.205 Eine solche konnte jedoch nie eindeutig nachgewiesen werden.206 Nach Lage der Quellen kann man höchstens von einem gemeinsamen Traditionsbezug der Texte sprechen. Die Suche nach einer beiden Textgruppen vorliegenden Quelle, welche die atl. Texte und Motive entsprechend reflektiert und verarbeitet, muss allerdings spekulativ bleiben. Wichtig für unsere Fragestellung ist jedoch vielmehr, in welcher Weise Paulus diese auch in frühjüdischen Schriften begegnenden Motive eigenständig aufnimmt und verarbeitet.

Paulus skizziert hier einen Weg von sich in ihrer theologischen Aussagekraft steigernden ekklesiologischen Metaphern: vom Ackerbau über den Hausbau zum Tempel bzw. vom profanen zum sakralen Bauwerk.207 Diese Mehrzahl der traditionell vorgegebenen Metaphern kann durchaus dahingehend gedeutet werden, dass ein einziges Bild nicht ausreicht, um die ekklesiologische Wirklichkeit der Gemeinde Gottes zu bestimmen.208 Sie kann aber auch so verstanden werden, dass die Identitätsbestimmung der Gemeinde Gottes nur mit metaphorischen Bildern gelingt, ja sogar nur mit einer Vielzahl unterschiedlicher Metaphern möglich ist,209 weil es um die sprachschöpferische Beschreibung einer neuen Wirklichkeit geht, für die es noch keine Reflexionsbegriffe gegeben hat. Mit Hilfe der Tempelmetapher macht Paulus eine zentrale Aussage über das Gottesverhältnis der Gemeinde. Durch ihre Zugehörigkeit zu Gott, der 201 Vgl. Jes 61,3f.; Jer 1,10; 18,9; Ez 36,9f.; Am 9.11.15; 1QS 8,5; 11,8; äthHen 90,28f.; 91,13; 93,7f.; vgl. auch Kol 2,7; Eph 3,17, sowie SCHRAGE, 1Kor I, 294f., Anm. 102f. Während beim Ackerbau der Akzent auf dem Wachstumsprozess und damit auf dem Zeitfaktor liegt, steht beim Hausbaumotiv die Qualität des Baumaterials im Vordergrund, vgl. 1Kor 3,12–15 und 1Chr 29,2LXX. 202 Der Relativsatz von 1Kor 3,17b oi[tine,j evste u``mei/j ist im Sinne einer Wiederaufnahme von 3,16a auf nao,j und nicht auf a[gioj zu beziehen, BDR §131,4. 203 GÄRTNER, Temple, 56f. 204 KLINZING, Umdeutung, 168–172.183. 205 Vgl. auch SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 408f. 206 Kritisch bereits COPPENS, Spiritual Temple, 62–66. 207 Vgl. hierzu ausführlich MÜLLER, Pflanzung, 66–112. 208 HASITSCHKA, Tempel, 182. 209 MÜLLER, Pflanzung, 115: „Metaphernkombinationen ermöglichen eine tiefere Sicht der Wirklichkeit. […] Die Vielzahl der Bilder versorgt und bereichert nicht nur das Konzept, sondern bewahrt dieses auch vor Eingleisigkeit.“

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in ihr durch seinen Geist präsent ist, wird in ihr auch umgekehrt der Zugang zur Wirklichkeit Gottes eröffnet.210 Die Bezugnahme auf den Jerusalemer Tempel wird durch die beiden Elemente der Shekhina-Tradition und der Heiligkeit angezeigt. Während in atl. Perspektive Gott selbst bzw. sein Name im Tempel einwohnt, ist es hier der Geist Gottes, der den Tempel der Gemeinde zu einem heiligen Bau bzw. Raum werden lässt. Dabei kommt die Heiligkeit der Gemeinde als Ganzer zu und nicht als einer Summe heiliger Individuen. Die Bestimmung der Gemeinde als einer „Wohnung des Geistes“ verhindert, dass der Geistbesitz individualisiert und zu Lasten der Gemeinde gedacht werden kann.211 Die Tempelmetapher dient hier der Klärung des korinthischen Parteienkonflikts und macht seine ekklesiologische Dimension deutlich. Weil die Gemeinde das Eigentum Gottes ist und als Tempel zu seinem Macht- und Herrschaftsbereich gehört, in dem er mit seinem Geist gegenwärtig ist, stehen die Gemeindeglieder als „Geheiligte“ und „Heilige“ (1Kor 1,2) in einer besonderen Zugehörigkeit zu „dem Heiligen“.212 Der Gemeinde eignet somit „die Qualität einer tabuisierenden Größe“213: Wer sich an der Gemeinde vergeht, vergeht sich an der Heiligkeit Gottes und muss folglich mit dem Gericht Gottes rechnen. Darin besteht die Pointe der Hinzufügung der Tempelmetapher, die als ein deutlicher Hinweis an die korinthischen Parteiführer verstanden werden soll, sich mit ihrem Machtanspruch zurückzunehmen. Die Tempelmetapher hat hier eine egalisierende Funktion im Blick auf die Gemeinde und eine ethische Funktion im Blick auf das Verhalten der einzelnen Gemeindeglieder gegenüber der Gemeinde als Ganzer. Schließlich hat die Tempelmetapher wie alle Kultbegriffe auch die Eigenschaft, dass sie jüdischen wie nichtjüdischen Lesern vertraut ist. Das Wissen um die Funktion und die Schutzbedürftigkeit eines Tempels bzw. eines heiligen Bereiches als Begegnungsort mit Gott bzw. einer Gottheit war antikes Allgemeingut und Paulus konnte folglich davon ausgehen, dass seine Argumentation auch paganen Lesern verständlich war. Der ethische Appell zum respektvollen Umgang unter den einzelnen korinthischen Par210

MÜLLER, Pflanzung, 107. STRACK, Terminologie, 233. 212 HASITSCHKA, Tempel, 183; STRACK, Terminologie, 232. Die Heiligkeit der korinthischen Christen gründet freilich nicht in kultischen oder ethischen Voraussetzungen, sondern in ihrer Berufung und Heiligung durch Christus (1Kor 1,2). 213 B ÖTTRICH, Tempelmetaphorik, 416; ähnlich STRACK, Terminologie, 232, der die paulinische Paränese an dieser Stelle mit den Verbotstafeln im Vorhof des herodianischen Tempels vergleicht, die einen zu schützenden Tabubereich beschreiben und eine „sakralrechtliche Norm“ darstellen. Zum archäologischen und literarischen Befund dieser Warntafeln vgl. OMERZU, Prozeß, 336–346. 211

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

teien, um den es Paulus in 1Kor 3 letztlich geht, konnte somit unabhängig von der ethnischen und religiösen Provenienz der Leser bzw. Hörer sein Ziel erreichen. Mit der Übertragung der Tempelmetapher auf die christliche Gemeinde entfaltet Paulus die in Christus neu offenbarte Wirklichkeit mit Hilfe kultischer Sprache und entwickelt damit die frühjüdischen Ansätze in den Qumranschriften und bei Philo von Alexandrien konsequent weiter. Denn die metaphorische Identitätsbestimmung des yaḥad als Tempel war lediglich ein heilsgeschichtliches Interim, das bis zur Offenbarung des endzeitlichen, vollkommenen und als reales Bauwerk erwarteten Tempels die Insuffizienz des Jerusalemer Kultes substituieren und kompensieren sollte. Auch bei Philo ist die Tempelmetapher lediglich ein Bild für mikrooder makrokosmische Vorgänge in der Seele oder dem Kosmos, die mit dem Heiligtum eigentlich überhaupt nichts zu tun hatten. Dagegen ist die Gemeinde für Paulus die eschatologische Offenbarung der endzeitlichen Heilsgemeinde, und die dabei enthüllte Wirklichkeit der neuen Gemeinde, verbunden mit der Erfahrung der Einwohnung des Heiligen Geistes in derselben, beschreibt er mit Hilfe der Tempelmetapher. Dabei werden wesentliche Inhalte des bildspendenden Hintergrunds auf die als neu erfahrene Wirklichkeit appliziert und diese damit konzeptualisiert. Unabhängig davon, ob Paulus von der metaphorischen Beschreibung des yaḥad als Pflanzung und Tempel wusste oder nicht, geht er mit seiner Metaphorisierung des Tempels sehr viel weiter als die Schreiber der in Qumran gefundenen Gemeinderegel. Was im yaḥad letztlich nur ein Gleichnis bleibt, das auf seine eschatologische Ablösung wartet, ist für Paulus die eschatologische Wirklichkeit selbst. 3.2 1Kor 6,19 Der Vers steht im Kontext der Erörterung v.a. ethischer Themen des aktuellen korinthischen Gemeindelebens. Die Kapitel 5f. können als eine Paränese gegen die „Entwürdigung des sw/ma“ thematisch zusammengefasst werden.214 Paulus sieht sich genötigt, den Status der Heiligkeit der Gemeinde dadurch zu schützen, dass er einige deutliche Zäsuren einklagt. Weil verschiedene Praktiken, v.a. im Bereich der Sexualität, unvereinbar sind mit der Zugehörigkeit der Gemeinde zu Gott und der Sphäre des Heiligen, fordert Paulus eindeutige Trennungen und Abgrenzungen bis hin zum Ausschluss eines unzüchtigen Gemeindegliedes (1Kor 5,9–13). In 1Kor 6,12–20 geht Paulus auf den sexuellen Verkehr von korinthischen Christen mit Hetären ein.215 In der Argumentation der Korinther und 214

STRACK, Terminologie, 242. Es lassen sich noch V. 12–14 und V. 15–20 in ihrer Funktion unterscheiden. Während in den ersten drei Versen noch die korinthische Parole „Alles ist erlaubt!“ relativiert 215

3 Die Tempelmetaphorik bei Paulus

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der antiken Lebenswirklichkeit lagen freie Speisen und freie Liebe, d.h. die nicht reglementierte Befriedigung körperlicher Bedürfnisse und Triebe, auf einer Ebene. Offensichtlich wurde der Konsum erotischen Amüsements von einigen korinthischen Christen nicht als problematisch empfunden. In seiner Ermahnung greift Paulus wieder auf seine gemeindegründende Unterweisung zurück. Nicht weniger als dreimal taucht die Satzeinleitung „Wisst ihr nicht ...?“ auf (V. 15.16.19). Er macht deutlich, dass der Verkehr mit einer Prostituierten ebenso wie die Gemeinschaft mit Christus eine identitätsverändernde Wirkung hat (6,16f.). Während die Gemeinschaft mit Christus den Glaubenden als ganzen Menschen mitsamt seiner Leiblichkeit und sogar seinem Beziehungsgefüge (vgl. 1Kor 7,14) in den Heilsraum Gottes transferiert, zieht ihn der Verkehr mit einer Prostituierten zurück in die Sphäre der „Unreinheit“. Im Hintergrund steht das kultische Weltbild: Die Sphäre der Heiligkeit schließt den Kontakt mit der Unreinheit bzw. der Unzucht kategorisch aus, weil sonst die Kontaminierung des Heiligen, letztlich der Ausschluss aus dem „Reich Gottes“ und damit der Heilsverlust droht (vgl. 1Kor 6,9–11).216 Die argumentative Klimax, welche die abschließende Paränese in V. 20 vorbereitet, bildet V. 19. Paulus bezeichnet den Leib eines Christen als Tempel des Heiligen Geistes und überträgt und individualisiert damit die bereits in 3,16 für die Gemeinde beschriebene Einwohnung des Geistes auf den einzelnen Christen bzw. dessen sw/ma:217 Gott selbst wohnt durch den Heiligen Geist im einzelnen Glaubenden, der damit in seiner Ganzheit und Totalität zur Wohnstatt und zum Eigentum Gottes wird. Wie in 1Kor 3,16f. und 2Kor 6,16 sollen aus diesem Faktum ethische Konsequenzen folgen. Der Glaubende ist verpflichtet, auch mit seiner leiblichen Existenz seiner Identität als Tempel des Heiligen Geistes zu entsprechen.218 Durch den Gebrauch der kultischen Metapher macht Paulus darüber hinaus deutlich, dass er die pornei,a nicht nur als eine soziale Sünde betrachtet. Vielmehr tangiert sie auch das Gottesverhältnis des Glaubenden, und eingegrenzt wird, widmen sich V. 15–20 mit vier rhetorischen Fragen, von denen drei mit ouvk oi;date eingeleitet werden, dem Problem des korinthischen Dirnenverkehrs. 216 VAHRENHORST, Sprache, 170. 217 Die Bezeichnung des Leibes als Tempel Gottes bzw. des Heiligen Geistes ist ein bemerkenswerter Vorgang in der (jüdisch-)hellenistischen Antike. Bei Philo und im Hellenismus wird gewöhnlich die Seele als einzig möglicher Wohnort Gottes, des Geistes oder des Logos vorgestellt, vgl. →IV.7.2.1 und 7.2.2. 218 Der Vers hat eine gewisse Nähe zu Röm 12,1. Auch dort wird die christliche Existenz mit kultischer Terminologie umschrieben und auf die Leiblichkeit bezogen. Indem gerade der sw/ma bzw. die Leiblichkeit in 1Kor 6,19 und Röm 12,1 kultisch umschrieben werden, kann von einer „Spiritualisierung“ keine Rede sein, vgl. STRACK, Terminologie, 246.

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indem sie den Leib „kontaminiert“, der durch die Einwohnung des Geistes zum Heiligkeitsbereich Gottes gehört.219 Die Analogien zu 1Kor 3,16f. sind evident und die Tatsache, dass Paulus das Thema im Rahmen von 1Kor 5f. anspricht, macht deutlich, dass er auch durch diese Sünde die Heiligkeit der gesamten Gemeinde berührt sieht.220 Somit liegt die ekklesiologische Bedeutung der Paränese in den „kultischen Implikationen“ begründet, den der Umgang eines einzelnen Gemeindeglieds mit einer Hetäre für die ganze Gemeinde hat, weil mittelbar auch ihre Heiligkeit davon betroffen ist.221 Die individualisierte Tempelterminologie bildet deshalb in keiner Weise einen Kontrast zur kollektiven Tempelidentifikation, denn das eschatologische Ziel einer geheiligten Gemeinde steht in einer direkten Wechselwirkung mit den individuellen Lebensvollzügen ihrer Glieder.222 Die Frage, ob Paulus auch hier vom Hintergrund des Jerusalemer Tempels aus argumentiert, ist wiederum falsch gestellt. Denn auch die paganen Tempel im hellenistisch-römischen Kulturkreis waren Wohnstätten zumindest der Götterbilder, die an prominenter Stelle im Tempel den Blick auf sich zogen. Auch der Zutritt zu diesen Heiligtümern war vielfältig ethisch normiert,223 wenn auch weit geringer als jener zum Jerusalemer Tempel auf dem Hintergrund der atl.-jüdischen Tradition. Selbst wenn Paulus als Jude und Apostel natürlich das Jerusalemer Heiligtum als Referenzgröße für die Einwohnung Gottes bzw. seines Geistes vor Augen hatte, so hat er seine Argumentation dennoch wieder so arrangiert, dass auch seine heidenchristlichen Leser diese von ihrem paganen Erfahrungshintergrund her sehr gut nachvollziehen konnten.224 Die Weiterentwicklung gegenüber dem atl. und frühjüdischen Heiligkeitsbegriff wird hier in der Transformation kultischer Barrieren in ethische Grenzen wahrnehmbar. Sah man das heilvolle „Sein vor Gott“ im Kontext der nachexilisch-frühjüdischen Debatten v.a. durch die kultische Unzulänglichkeit der Priesterschaft und ihre defizitäre Kulthalacha bedroht, kann es für die durch Jesu Sühnetod ein für allemal entsühnte Ge219 STRACK, Terminologie, 247f. Eine gewisse Parallele findet sich in TestRub 6,1: „Hütet euch nun vor der Hurerei. Wollt ihr rein sein im Herzen, dann hütet eure Sinne vor jeder Frau.“ Übersetzung nach B ECKER, Testamente, 38. 220 Entsprechend sind die Imperative und die rhetorischen Fragen auch im Plural formuliert: „Fliehet …“, „Wisst ihr nicht …?“ So wenig der sw/ma des Einzelnen nur eine individuell-soteriologische Bedeutung hat, so wenig lässt sich die Paränese hier individualethisch engführen. 221 STRACK, Terminologie, 251. 222 VAHRENHORST, Sprache, 171. 223 Vgl. dazu die Beschreibung der Leges Sacrae bei VAHRENHORST, Sprache, 73– 113, und KRAUTER, Bürgerrecht, 242–264. 224 So auch B ÖTTRICH, Tempelmetaphorik, 419f.

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meinde nur noch eine Gefährdung durch die „Vergemeinschaftung“ mit der Sünde geben (vgl. auch 1Kor 10,20f.). Die Entweihung des Leibes als des „Tempels des Heiligen Geistes“ ist nicht mehr kultisch denkbar, sehr wohl aber ethisch, was Paulus jedoch mit der kultischen Metapher des Tempels zum Ausdruck bringt. 3.3 2Kor 6,16 Der Vers gehört in die große apostolische Apologie, die von 2Kor 2,14–7,4 reicht. Im Vordergrund der Debatte stehen nicht mehr die Parteiungen und die verschiedenen innergemeindlichen Autoritäten, sondern der Apostel und Gemeindegründer Paulus selbst, konkret im Blick auf seine Autorität und Legitimation. 2Kor 6,16 ist Teil der auffällig eigenständigen Passage von 2Kor 6,14– 7,1, die den stringenten Argumentationsduktus von 2Kor 6,13 und 7,2 deutlich unterbricht. Es ist an dieser Stelle nicht möglich und auch nicht sinnvoll, die umfangreiche literarkritische Diskussion, die sich zu diesem Abschnitt entwickelt hat, weiterzuführen.225 In Anbetracht der neueren Beiträge zu diesem Thema226 gibt es jedoch kaum mehr einen Grund, an 225 Die literarkritische Diskussion über den Ursprung und den Charakter dieses Abschnitts ist lang und reich an unterschiedlichen Hypothesen; vgl. zum Überblick über die Diskussion FURNISH, 2Kor, 371–383; MURPHY-O-CONNOR, Relating, 272–275, und HEIL, Absonderung. Gegen die Authentizität werden im wesentlichen fünf Argumente angeführt, vgl. STRACK, Terminologie, 254: (1) Die Unterbrechung des harmonischen Duktus von 2Kor 6,13 und 7,2, vgl. dazu die Kritik von de OLIVEIRA, Diakonie, 332–339; (2) die zahlreichen Hapaxlegomena; (3) Auffälligkeiten in der Liste der Schriftzitate in V. 16b-18; (4) starke Ähnlichkeiten mit der Theologie der genuinen Qumrantexte und (5) eine „unpaulinische Theologie“, vgl. dazu LAMBRECHT, Fragment, 145. Aufgrund dieser Argumente sah der langjährige Forschungskonsens hinter den Versen einen nichtpaulinischen Ursprung, wobei diskutiert wurde, ob Paulus diesen fremden Text selbst zitiert habe und wenn ja, ob er ihn selbst an dieser Stelle eingefügt habe; vgl. FITZMYER, Qumran, 197–199; GNILKA, 2 Korinther 6,14–7,1, 86–99. H.D. BETZ, 2Corinthians 6:14– 7:1; DERS., Gal, 554, Anm. 1–2, geht von einem antipaulinischen Fragment aus, dessen Inhalt die Theologie der galatischen Pauluskontrahenten wiedergebe; zur Kritik vgl. FEE, Food, 141.157. HULTGREN, Evidence, 55f., geht nach einem Vergleich der Verse mit Apk 21,3–8 und Eph 5 von einer Interpolation der Verse durch einen ephesinischen, judenchristlichen, ursprünglich aus Palästina stammenden Redaktor in den 90er Jahren des 1. Jh. aus. Eine Reihe von Beiträgen geht jedoch auch von einer paulinischen Authentizität aus, wobei sich auch in diesem Fall verschiedene Spielarten einer Interpolationsthese unterscheiden lassen; vgl. W INDISCH, 2Kor, 212; FEE, a.a.O., 142f.; HURD, Origin, 235–237; B ULTMANN, 2Kor, 182. Als genuiner Teil des 2. Korintherbriefes wird der Abschnitt von DE O LIVEIRA, Diakonie, 332–339, und G OULDER , Integral Part, betrachtet. 226 Vgl. LAMBRECHT, Fragment; DE OLIVEIRA, Diakonie, 332–339; SASS, Literarkritische Waffen; GOULDER, Integral Part, 47–57; W OYKE, Götter, 288–294.

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der paulinischen Authentizität dieses Einschubs zu Zweifeln, wobei Paulus möglicherweise ein geprägtes Traditionsstück übernommen oder zugrunde gelegt hat. Stil, Inhalt und Aussageüberschuss des Abschnitts erinnern in der Tat an ein geprägtes Traditionsstück, das möglicherweise zu seinem eigenen katechetischen Material im Rahmen seiner gemeindegründenden Unterweisungen gehörte. Vahrenhorst macht darauf aufmerksam, dass der Einschub des Stückes an dieser Stelle nicht so unpassend ist, wie häufig behauptet.227 Wenn Paulus in 7,2 um Raum bei den Korinthern bittet, dann ist es nicht überraschend, wenn er seine Adressaten gleichzeitig ermahnt, seinen Konkurrenten keinen Raum zu geben. Ob der Abschnitt an dieser Stelle seinen ursprünglichen Ort hatte, ist für die hier zu behandelnde Fragestellung unerheblich.228 Der Abschnitt ist geprägt von Appellen zur Gerechtigkeit, Reinheit und Heiligkeit (6,14.17; 7,1),229 sowie der Distanz zur und Absonderung230 von der heidnischen Umwelt (6,14.17).231 In fünf Gegensatzpaaren wird in Form rhetorischer Fragen die „fremde Jochgemeinschaft“ illustriert, von der sich die Gemeinde lösen soll.232 Als Klimax erscheint als fünftes Ge227

VAHRENHORST, Sprache, 207.214. Eine originelle These vertritt SCHMELLER, Kontext, 225–238, der die Verse für genuin paulinisch hält, sie jedoch als aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst betrachtet. Er vermutet den ursprünglichen Kontext der Verse am Ende von c. 9, wo sie als Übergang zu den polemischen c. 10–13 dienten. Paulus habe an dieser Stelle bewusst eine Tradition der Jerusalemer Urgemeinde aufgenommen, auf die sich seine Gegner berufen haben. Der unpaulinische Charakter der Verse sei später als antipaulinisch missverstanden worden, a.a.O., 237. 229 Bemerkenswert ist, dass Paulus in 2Kor 6,14–7,1 gerechtigkeits- und kulttheologische Begriffe parallel gebrauchen kann, vgl. 1Thess 2,10; 1Kor 1,30; 6,11. Die Begriffsfelder schließen sich offensichtlich nicht aus, sondern interpretieren sich gegenseitig. 230 Eine besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das Verb avfori,zein, V. 17ab; vgl. hierzu STRACK, Terminologie, 100f.105f. 231 Die dualistische Prägung von V. 14–16 erinnert an diverse Qumrantexte, vgl. z.B. 1QS 3,19–21; 1QM 13,10f. Entsprechend intensiv wurden diese Texte auch als möglicher Hintergrund dieses Abschnitts diskutiert, vgl. FITZMYER, Interpolated Paragraph; GÄRTNER , Temple, 49–56; K LINZING, Umdeutung, 172–182; J. G NILKA, 2 Cor 6:14–7:1; MCKELVEY, New Temple, 93–98, der jedoch gezeigt hat, dass die Qumrantexte die in diesem Abschnitt vorliegende Komplexität nicht erreichen. Es finden sich in den Qumrantexten an zahlreichen Stellen tatsächlich eine ganze Reihe von Anklängen und Motivverbindungen, aber kein Text, der als Vorlage oder Quelle für 2Kor 6,14–7,1 in Frage käme – dies gilt auch für 4Q174 3,1–6, der von GÄRTNER, Temple, 49ff., favorisiert wurde, vgl. zur Kritik K LINZING, Umdeutung, 175–182. So ist die These, 2Kor 6,14–7,1 basiere auf dem Gedankengut, das sich in den Schriften des yaḥad spiegelt, über den Status einer Hypothese nie hinausgekommen. 232 Kontrovers diskutiert wird die Frage nach den Gegnern, die Paulus bei den fünf Gegensatzpaaren im Blick hat. Die Mehrheit der Exegeten hält es für unwahrscheinlich, dass Paulus mit den a;pistoij, 2Kor 6,14, christliche Irrlehrer adressiert. Allerdings ist die Charakterisierung seiner Konkurrenten in 2Kor 10–13 nicht wesentlich schmeichel228

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gensatzpaar der „Tempel Gottes“ im Vergleich mit den Götzen. An dieses letzte Gegensatzpaar und die explizite Identifikation der Gemeinde als „Tempel Gottes“ schließt sich ein atl. „Zitatenmosaik“233 an, das den Charakter eines eigenständigen Traditionsstückes trägt. Der Tenor dieses Mosaiks oder Florilegiums ist die Zusage eines besonderen Gottesverhältnisses.234 Gott und sein Volk sind sich in besonderer Weise verbunden, was durch das Wohnen Gottes unter seinem Volk zum Ausdruck kommt (V. 16ba) und dieses umgekehrt zu seinem Tempel werden lässt.235 Das Thema des Abschnitts ist die Identität der Gemeinde im Verhältnis zur paganen Umwelt und ihrer Götzenverehrung. Diese Identität wird hier – wohlgemerkt nur in „religiöser“ Hinsicht – ausschließlich kontrastierend definiert (vgl. 1Kor 10,1–22). Zu diesem Zweck verwendet Paulus eine Reihe kultisch bestimmter Begriffe: nao.j qeou/ (6,16), avfori,zein236 (6,17), avka,qartoj237 (6,17), kaqari,zein (7,1), molusmo,j238 (7,1). Sie dienen auch hier dazu, ein ethisch-ekklesiologisches Thema argumentativ auf dem Hintergrund kultischer Wirklichkeit zu erörtern und zu illustrieren.239 Die bereits bekannte Metapher vom „Tempel Gottes“ ruft noch einmal die bereits im 1. Korintherbrief (und wahrscheinlich schon bei der gemeindegründenden Unterweisung) dargelegte Identitätsbestimmung der Gemeinde als Ort der Gegenwart Gottes in Erinnerung. Diese Identität erfordert aber von den Gemeindeglieder einen Status der durch den Heiligen Geist verliehenen Heiligkeit und eine entsprechende Abgrenzung und Absonderung von der „Unreinheit“ (vgl. 6,17) bzw. umgekehrt eine Reinigung und Heiligung (vgl. 7,1; sowie 2Kor 12,21). Zur Illustration zitiert Paulus Jes 52,11, wo die Träger heiliger Kultgeräte ermahnt werden, sich von der Unreinheit abzusondern, um nicht ihre Kult- und somit auch Dienstfähigkeit zu verliehafter, wenn er sie als „Diener Satans“ brandmarkt, 2Kor 11,14f. Wenn Paulus tatsächlich ein geformtes Traditionsstück hier eingefügt hat, dann darf die Frage, wer das Ziel der Polemik sein könnte, nicht zu „feinkörnig“ gestellt werden. 233 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 362. 234 V. 16bb: „und ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein“, vgl. Lev 26,12; V. 18a: „und werde euch Vater sein, und ihr werdet mir Söhne und Töchter sein“. 235 Ob Paulus in V. 16b neben Lev 26,11 auch auf Ez 37,26f. und damit auf die Shekhina-Tradition anspielt, die er nun auf den neuen Tempel der Gemeinde bezieht, bleibt angesichts der Textdifferenzen unsicher. 236 Vgl. Lev 20,24–26; Num 8,11; Jes 29,22. Häufig wird das Verb auch als Synonym für a``gia,zein verwendet. 237 Vgl. Lev 5,3; 7,21; 11,1ff.; 14,40.45; 15,24; Num 9,6; Ri 13,7; Am 7,17 u.ö. 238 Vgl. Jes 65,4; Jer 23,11; 2Makk 6,2; 14,3; Tob 3,15. Im Neuen Testament vgl. 1Kor 8,7; Apk 3,4; 14,4. 239 Für LAMBRECHT, Fragment, 153ff., und DE OLIVEIRA, Diakonie, 337, Anm. 399, ist genau dies ein wichtiges Indiz für die paulinische Authentizität des Abschnitts, da solches bei Paulus immer wieder zu beobachten ist, vgl. 1Kor 5,7f.; 6,9–11; Röm 6,17– 19; Röm 12,1f.

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ren. Letztlich geht es bei diesem Appell zur Trennung und Abgrenzung um einen weiteren Akt der Identitätsformation der jungen paulinischen Gemeinden. Mit ihrem Status der Heiligkeit steht und fällt die Anwesenheit Gottes in ihrer Mitte und damit ihr Verbleib in der heilvollen Sphäre Gottes. Verglichen mit den beiden Tempel-Belegen aus dem 1. Korintherbrief wird die Tempelmetaphorik hier ähnlich wie in 1Kor 3,16f. wieder auf die gesamte Gemeinde übertragen. Im Vordergrund steht nunmehr aber weniger die tabuisierende Qualität oder die Egalisierung menschlicher Autoritäten, sondern die aus seiner Heiligkeit resultierende Exklusivität dieses Tempels. Allerdings erhebt Paulus aufgrund der exklusiven Heiligkeit des Gemeindetempels und der damit erforderlichen Trennung und Distanz von allem Unreinen keine kultischen Forderungen mehr, sondern ausschließlich ethische. Und die geforderte Abgrenzung und Absonderung der Heiligen vollzieht sich auch nicht mehr in konzentrisch gestuften Heiligkeitsräumen, wie sie in der Architektonik des Tempels angelegt waren, noch sollen sich die Heiligen in die räumliche Distanz der Wüste zurückziehen. Die Abgrenzung vollzieht sich nach dem Willen des Apostels vielmehr in der Bildung einer ethischen „Kontrastgesellschaft“ (G. Lohfink) inmitten der paganen Alltagswirklichkeit der hellenistisch-römischen Welt. 3.4 Paulus und der Jerusalemer Tempel Eine vieldiskutierte Frage im Zusammenhang der paulinischen Tempelmetaphorik war und ist jene nach der Relevanz des Jerusalemer Tempels und Kultes für die paulinische Existenz und Theologie. Um es pointiert zu formulieren: Ist mit der Übertragung der Tempelmetapher auf die christliche Gemeinde eine Opposition gegen bzw. eine implizite Kritik am Jerusalemer Kult verbunden oder wird gar dessen Substitution intendiert?240 T. Wardle sieht in der frühchristlichen Aneignung der Tempelmetapher auf dem Hintergrund der Errichtung verschiedener Alternativtempel in frühjüdischer Zeit einen zeitgenössisch geläufigen Ausdruck für die Kritik am und Sezession vom Jerusalemer (Hohe)Priestertum und dem von diesem verwalteten Heiligtum: „[I]n the centuries prior to the advent of Christianity, the most drastic step a group could take to register dispute and disagreement with the religious leadership in Jerusalem was to construct an alternative temple. […] In light of this, the early Christian construction of a temple that could be an alternative to that in Jerusalem was likely a bold and calculated statement that would 240

Vgl. z.B. SCHLATTER, 1Kor, 137, und MERKLEIN, 1Kor I, 270f., der von einer paulinischen Distanzierung zum Tempel und einer Aufhebung des Tempelkults spricht; vgl. auch SCHÜSSLER-F IORENZA, Language, 170: „[T]heir [sc. the NT autors] transference of cultic language signifies not only a fundamental criticism of the Jerusalem cult but a redefinition and metamorphosis of both cultic language and cultic reality through Christology.“

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have held a particular cultural currency in the Judaism of its day. It was a cognizable way of registering dissent.“241 Wardle muss freilich selbst eingestehen, dass die frühchristlichen Texte, welche die Gemeinde als Tempel identifizieren, völlig unpolemisch sind und keinerlei explizite Kritik am jüdischen Tempel oder seiner Priesterschaft üben.242 Deshalb muss er auf 1Thess 2,14–16 und auf nicht-paulinische Texte wie den synoptischen Bericht von der Tempelaktion Jesu, das Tempelwort Jesu, die Acta-Erzählungen vom Konflikt der Urgemeinde mit der Priesteraristokratie (Act 4–7) und Josephus zurückgreifen, um seiner These Gewicht zu verleihen. Keiner dieser Texte besitzt aber die Beweiskraft, um die metaphorische Identifikation der Gemeinde als Tempel als eine polemische Separationserklärung in Analogie zu den frühjüdischen Konkurrenztempeln auf dem Garizim und in Leontopolis oder zum Tempel des yaḥad in Qumran zu interpretieren, zumal die Urgemeinde über ganz Jerusalem und das Urchristentum in den 50er Jahren bereits über ganz Judäa und Galiläa verbreitet war. Eine Separation macht nur Sinn, wenn sie auch eine räumlich-geographische Dimension hat. Es lässt sich zudem nicht belegen, dass die ersten Christen ihre Identität von ihrer kritischen Haltung zum Tempel und Hohepriestertum ableiteten, wie Wardle, a.a.O., 335, meint. Vielmehr prägte umgekehrt ihr Glaube an den Messias Jesus und die daraus erwachsene Jünger-Identität ihr Verhältnis zu beiden Instanzen.

Betrachtet man das Verhältnis des Apostels zum Jerusalemer Tempel, so ist das Ergebnis schillernd: Auf der einen Seite spielt der Jerusalemer Tempel als die zentrale Kultinstitution des antiken Judentums für das paulinische Denken keine Rolle mehr.243 Nirgendwo in den erhaltenen Paulusbriefen des Neuen Testaments finden wir eine Reflexion über das Verhältnis des Heilshandelns Gottes in Jesus Christus zum Jerusalemer Tempel.244 Der einzige wirklich relevante Beleg ist der sühnetheologische locus classicus Röm 3,25f., der gleichzeitig zeigt, dass Paulus die Kultbegriffe in großer Freiheit metaphorisch verwenden kann. Eine Kritik des Jerusalemer Tempels und Kultes ist das allerdings noch nicht. Anders als in den Qumrantexten konstruiert Paulus nirgendwo einen 241

W ARDLE, Jerusalem Temple, 225; vgl. 229f. W ARDLE, Jerusalem Temple, 225. 243 W ICK, Gottesdienste, 192: „Der Jerusalemer Kult ist für ihn [sc. Paulus] eine Größe, die er nicht ersetzen will, die aber für ihn als Jesusanhänger nicht mehr im Zentrum seines religiösen Bemühens steht. [...] [Z]ur Umschreibung der gemeindlichen Versammlungen und Gottesdienste gebraucht Paulus bezeichnenderweise keine Kultmetaphorik. Versammlungen und Mahl- und Gebetsgemeinschaften sind weder Kultersatz noch werden sie in Richtung Kult aufgewertet noch durch Metaphorik in dessen Nähe gerückt. Die gottesdienstlichen Versammlungen der Ekklesia haben keinen kultischen Anspruch.“ 244 In diesem Zusammenhang ist auch die Aufzählung der jüdischen Heilsgüter in Röm 9,4f. bemerkenswert. In dieser Liste findet zwar der Gottesdienst (h`` latrei,a ) Erwähnung, nicht jedoch der Tempel, geschweige denn das Priestertum und der Opferkult. Nun lässt sich freilich spekulieren, ob diese zentralen Kultinstitutionen im Begriff latrei,a als enthalten zu denken sind, was jedoch im Licht von Röm 12,1 unwahrscheinlich und im Neuen Testament singulär wäre. In Hebr 9,1.6 ist das Tempelheiligtum bzw. die Stiftshütte ausdrücklich nicht unter diesem Begriff subsumiert, sondern wird eigens erwähnt. 242

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expliziten Gegensatz zwischen dem Tempel der Gemeinde und dem Jerusalemer Heiligtum. Vorsichtig sollte auch der lukanische Bericht vom Tempelbesuch des Apostels bei seinem letzten Jerusalembesuch machen, der am Ende der sog. „Wir-Berichte“ der Acta steht (Act 21,26–30; 22,17) und auch aufgrund der folgenden Ereignisse historische Plausibilität besitzt. Bereits Act 18,18 berichtet davon, dass Paulus ein Nasiräatsgelübde eingegangen ist, dessen Auslösung mit einem Jerusalembesuch verbunden war (vgl. Act 18,22). In ähnlicher Weise übernimmt Paulus bei seinem letzten Jerusalembesuch die Auslösungskosten für vier Nasiräer (Act 21,23–26).245 Erst anschließend geht er mit ihnen in den Tempel (Act 21,26). Dieses Handeln ist ausschließlich im Licht der jüdischen Identität des Paulus zu begreifen, die mit seiner Berufung zum Apostel Jesu Christi nicht endete. Im Rahmen dieser Identität spielte der Kult noch eine marginale und durchaus positive Rolle für Paulus – nicht mehr, aber auch nicht weniger.246

Schenkt man den lukanischen Angaben Vertrauen, so war der Tempel für Paulus nach wie vor ein legitimer Ort jüdischer Anbetung und Gottesverehrung, aber – und das ist für den (Diaspora!-)Judenchristen und Apostel Paulus höchst relevant – nicht der einzige. Indem Christus den eschatologischen „Zugang“ (vgl. Röm 5,2) zu Gott für Juden und Heiden eröffnet hat, können diese nun „im Glauben“ (Röm 3,25) in die Gegenwart Gottes treten und finden in der Gemeinde der Glaubenden den eschatologischen Ort der Gottesbegegnung (1Kor 3,16f.; 2Kor 6,16).247 Wir werden die paulinischen Tempelmetaphern daher weniger im Sinne einer impliziten Tempelkritik verstehen dürfen, sondern vielmehr als einen theologischen und ekklesiologischen Sprachgewinn, den Paulus in erster Linie für seine ethische Unterweisung fruchtbar macht. Gleichzeitig ist zweifellos zuzugestehen, dass dieser Metaphorisierung jenseits der paulinischen Intentionen eo ipso eine tempelkritsche Dynamik 245 Ob dieser Vorgang ein diplomatischer Akt war, um die gesammelten Spendengelder loszuwerden, die von der Jerusalemer Gemeinde möglicherweise nicht angenommen worden sind, muss offen bleiben. 246 So bereits W ENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 110: „Als Jude hat er [sc. Paulus] den Tempelkult mitgemacht, natürlich ohne ihn irgendwie für heilsnotwendig zu halten. Der Tenor seiner Polemik ist ja nie Umsturz des Bestehenden: er wollte vermeiden, daß den Heiden das Gesetz aufgelegt wird, nicht aber wollte er, daß alle Juden das Halten der gesetzlichen Bestimmungen aufgeben.“ Vgl. zu den Details HORN, Paulus und der Herodianische Tempel, 198ff. 247 Nicht umsonst spielt Christus in allen drei Belegen der Tempelmetapher eine wichtige Rolle: Nach 1Kor 3,11 ist der Bau und damit auch der Tempel der Gemeinde auf dem Fundament, das Jesus Christus selbst ist, gegründet; nach 1Kor 6,15.19 sind die Leiber der Glaubenden, die Tempel des Heiligen Geistes sind, gleichzeitig die „Glieder Christi“, der somit genaugenommen selbst der Tempel ist; und in 2Kor 6,16 kommt die Gemeinde als Tempel Gottes im Rahmen der Gegensatzpaare in einer Parallelität zu Christus selbst zu stehen, vgl. 6,15.

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innewohnt, die von den Erstlesern bzw. -hörern seines Briefes durchaus wahrgenommen werden konnte, vielleicht sogar musste.248 Dies gilt umso mehr, als die Identität der jungen christlichen Gemeinden aus Juden und Heiden unabhängig vom Jerusalemer Tempel und Kult formuliert und etabliert wurde249 und die ersten Christen sich nie – wie die Qumrangemeinschaft – als eine zwischenzeitliche Substitution des Jerusalemer Tempels betrachteten. Der Tempel war nie ein entscheidender Teil ihrer religiösen Identität; diese wurde ausschließlich über das Verhältnis zu Christus begründet (vgl. 2Kor 5,17; Gal 2,20). Auch wenn Jerusalem und die dortige Gemeinde für Paulus immer der heilsgeschichtliche Ausgangspunkt des Evangeliums und seiner apostolischen Sendung blieb (vgl. Röm 15,19.25; sowie 11,26) und er deshalb auch die von ihm gegründeten Gemeinden in einer bleibenden Verpflichtung gegenüber der Jerusalemer Gemeinde sah (Röm 15,26f.; vgl. 1Kor 16,1–4; 2Kor 8–9), so fühlten sich die heidenchristlichen Gemeinden (und letztlich auch Paulus!) niemals intensiver dem Tempel verpflichtet.250 Ihr Verhältnis zum jüdischen Heiligtum ist mit den Begriffen der „Gleichgültigkeit“ und „Unabhängigkeit“ am treffendsten zu beschreiben. Die christlichen Gemeinden hatten längst ihren eigenen „Tempel“ – „jeden Sonntag, überall.“251 3.5 Ergebnis (1) Im Licht der Erkenntnis Jesu Christi als dem von Gott eschatologisch „inaugurierten“ Sühne- und Kultort war für Paulus auch die theologische und sprachschöpferische Grundlage geschaffen, um die Gemeinde, die im Glauben Zugang (Röm 3,25; 5,2) zu diesem Kultort gewonnen und in welcher der Geist Christi Wohnung genommen hatte, als metaphorischen Tempel zu identifizieren (1Kor 3,16f.; 2Kor 6,16).

248

Vgl. SIEGERT, Tempel, 134: „Eine Konkurrenz des Urchristentums zum Tempel (solange er noch stand) ist damit faktisch, wenn auch nicht intentionell, gegeben“ (kursiv bei S.). 249 FREY, Temple, 460, weist ferner darauf hin, dass es keinen Hinweis gibt, dass Heidenchristen jemals versucht hätten, die jüdische Tempelsteuer zu zahlen. 250 W ICK, Gottesdienste, 192: „Paulus bemüht sich nicht, die jüdischen Gläubigen vom Jerusalemer Tempelkult abzubringen und diesen durch einen neuen, noch höheren Kult zu ersetzen. Das entspräche überhaupt nicht seinem argumentativen und theologischen Interesse. Allerdings bindet er die bekehrten Heiden auch nicht an den Tempel. In der Diaspora kamen diese bei einem Übertritt zum Glauben an Jesus in eine jüdische Gemeinschaft, die nur einen fernen Tempel hatte. Nachfolge Christi hieß für sie, im Gegensatz zu ihren hellenistischen Landsleuten radikal auf jeden Opferkult zu verzichten, da eine Teilnahme an hellenistischen Kulten aus Glaubens- und Gesetzesgründen nicht mehr möglich war und der Jerusalemer Tempel gleichfalls nur eine ferne Größe blieb.“ 251 SIEGERT, Tempel, 128.

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Ob „Paulus an diesen Stellen eine ihn leitende, wenngleich in der Substanz ältere Vorstellung im Blick auf die korinthischen Christen aktiviert“,252 oder anders ausgedrückt: ob Paulus bei der metaphorischen Identifikation der Gemeinde als Tempel auf ein Jesuslogion wie das Tempelwort (Mk 14,58par) zurückgreifen konnte, ist sehr schwer zu entscheiden, und dementsprechend kontrovers fallen die Urteile der Forschung aus.253 Die Untersuchung des Tempelwortes im Rahmen dieser Studie ergab eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Authentizität des Logions und die Möglichkeit, dass bereits Jesus den „nicht mit Händen gemachten Tempel“ in einem metaphorischen Sinn verstanden wissen wollte. Nimmt man weiter wahr, dass die Kultmetaphern des Tempels, Opfers und der Priesterschaft auch in 1Petr 2,5 in einer von Paulus nicht direkt abhängigen Form auftauchen, hat die Annahme einer Paulus vorliegenden Tradition, die möglicherweise auf Jesus selbst zurückgeht, eine gewisse Wahrscheinlichkeit.254 Mehr lässt sich auf der Basis der verfügbaren Quellen kaum sagen. (2) Verglichen mit der Metapher vom „Leib Christi“ oder der Bezeichnung „Volk Gottes“ spielt die Tempelmetapher eher eine untergeordnete und periphere Rolle in der paulinischen Ekklesiologie. Allerdings haben Metaphern wie „Tempel Gottes“, „Leib Christi“ oder „Volk Gottes“ mit ihrem sprachschöpferischen Potential eine grundlegende Bedeutung nicht nur für die paulinische Ekklesiologie, sondern auch für die frühchristliche Identitätsbildung im Allgemeinen: Mit ihrer Hilfe kann die neu erfahrene, bildempfangende Wirklichkeit der ntl. Heilsgemeinde – und hierbei ist in erster Linie an ihr Gottesverhältnis zu denken – mimetisch abgebildet und konzeptualisiert werden. So ist die Gemeinde als Tempel Gottes nunmehr der eschatologische Ort der Gegenwart Gottes: Gott wohnt inmitten dieses neuen, eschatologischen Tempels in gleicher Weise, wie er es im Jerusalemer Tempel getan hatte.

252

HORN, Paulus und der Herodianische Tempel, 187. Für den Ursprung der Tradition in der Jerusalemer Urgemeinde, die dann über die Jerusalemer Flüchtlinge nach Antiochia gekommen und dort von Paulus aufgenommen worden sei, spricht sich HORN, a.a.O., 189, aus; ähnlich SCHRAGE, 1Kor I, 288, und LANG, 1/2Kor, 55. Im Geiste der religionsgeschichtlichen Schule, welcher am Erweis einer deutlichen Kluft zwischen der Theologie der palästinischen Urgemeinde und der hellenistischen Theologie des Paulus gelegen war, plädiert dagegen WEISS, 1Kor, 84, für einen genuin paulinischen Ursprung. 254 W EISS, 1Kor, 84; MÜLLER, Pflanzung, 106; W ARDLE, Jerusalem Temple, 220f. W ARDLE geht freilich noch wesentlich weiter und interpretiert die Rede von den Jerusalemer „Säulen“ in Gal 2,9 als eine schon relativ früh verbreitete Metapher, die auf dem Bild der Gemeinde als Tempel beruht, der in den führenden Mitarbeitern und Aposteln seine wesentlichen Stützen bzw. „Säulen“ besitzt, Jerusalem Temple, 207–210, vgl. auch Apk 3,12. 253

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Mit der Tempelmetapher gehen auch die Würde, die Heiligkeit und die Erwählung Israels auf die Gemeinde über – ohne dass Israel sie damit verlieren würde. Umgekehrt kann die Gemeinde nun aber auch exakt auf diese Würde, Heiligkeit und Erwählung hin ethisch angesprochen und ermahnt werden. (3) Im Wesentlichen sind es zwei Kontexte, in welche die Tempelmetapher eingebettet ist. Der primäre Kontext für die Verwendung der Tempelmetapher bei Paulus ist die Paränese.255 Gleich, ob es in 1Kor 3,16f. um die Lösung des korinthischen Parteienkonflikts, in 1Kor 6,19 um die Gefahr der „Vergemeinschaftung“ mit der Sünde im Kontext der pornei,a, oder in 2Kor 6,16 um die Abgrenzung von der paganen Umwelt geht, jedesmal begründet Paulus seine Paränese mit der Identität der Gemeinde und jedes einzelnen Glaubenden als Tempel Gottes bzw. Wohnort seines Geistes. Als solcher bilden sowohl die Gemeinde wie auch der einzelne Glaubende einen Raum exklusiver Heiligkeit, der nun zwar nicht mehr kultisch, sehr wohl aber ethisch „entweiht“ werden kann und deshalb besonderen Schutzes bedarf.256 Entsprechend hat die in 1Kor 5,9; 6,18; 10,14.20f. und 2Kor 6,16 geforderte Trennung und Distanz von der verunreinigenden Sünde bzw. den Sündern keinen kultischen und kaum noch einen räumlichen Charakter mehr, sondern „nur“ noch einen ethischen. So äußert sich die Tempelstruktur der Gemeinde nicht mehr in konzentrisch gestuften Heiligkeitsbereichen, die mit Mauern und Warntafeln dem Unheiligen, sowie dem hereditär und ethnisch Nicht-Legitimierten den Zutritt verwehren, und auch nicht in der Absonderung in die Abgeschiedenheit der (judäischen) Wüste, sondern in der Formierung einer ethischen „Kontrastgesellschaft“ inmitten ihrer paganen Umwelt (vgl. 1Kor 5,10). Die zweite Bezugsgröße der Tempelmetaphorik ist die Pneumatologie.257 Dies mag zum einen mit der dominierenden ethischen Bedeutung der Metapher zusammenhängen, zum anderen aber damit, dass die Gabe des Heiligen Geistes von der frühen Gemeinde als eine eschatologische Vergegenwärtigung Gottes und seines Heils in ihrer Mitte, konkret im Got255

Vgl. FREY, Temple, 20, und HOGETERP, God’s Temple, 384: „Paul’s temple imagery should in my view be interpreted as a normative model which serves a paideutic purpose of teaching the Corinthians a holy way of life.“ 256 Vgl. FREY, Temple, 461: „Cultic language qualifies the status of the community and its members as ‘holy’, ‘belonging to God’, or even as a ‘temple’ […] in which God or his Spirit dwells, and such a qualification has consequences for an ethical lifestyle“. 257 Vgl. Röm 15,16; 1Kor 3,16f.; 6,19; vgl. auch Eph 2,22 und 1Petr 2,5. Bemerkenswert ist der deutliche pneumatologische Bezug in 1Kor 3,16f. und 6,19; vgl. auch Eph 2,22, wo die atl. Shekhina-Tradition in den paulinischen Gebrauch der Tempelmetapher eingegangen ist. Der Geist „im Tempel“ garantiert an diesen Stellen die Gegenwart Gottes in seiner Gemeinde bzw. im einzelnen Glaubenden.

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tesdienst, erfahren und verstanden wurde. Damit aber trat die Wirklichkeit des Heiligen Geistes, der nun im Tempel der Gemeinde einwohnt, ganz von selbst in eine Konkurrenz zum Jerusalemer Tempelkult, der nicht mehr den Anspruch erheben konnte, ausschließlicher Begegnungsort mit Gott zu sein.258 (4) Mit der metaphorischen Applikation des Tempelbegriffs auf die Gemeinde Jesu Christi und den an Christus Glaubenden geht Paulus über die frühjüdischen Metaphorisierungen des Tempelbegriffs hinaus. Während der yaḥad in den Qumranschriften seine Tempelidentität lediglich als zeitliches Interim bis zur Errichtung eines eschatologischen Tempelbaus betrachtete und sich somit in einem Status der „Uneigentlichkeit“ wähnte, betrachtet Paulus den Tempelstatus der Gemeinde aufgrund der Einwohnung des endzeitlich verheißenen Geistes als Verwirklichung der endzeitlichen Heilsgemeinde. Für diese Gemeinde ist der Jerusalemer Tempel bedeutungslos geworden und sie wartet auch, anders als das zeitgenössische Judentum, nicht mehr auf die endzeitliche Erneuerung eines physischen Tempels. Die Tempelmetapher ist für Paulus, anders als für Philo, nicht nur ein Sprachbild, dessen eigentliche Bedeutung sich im mikrokosmischen Bereich der menschlichen Seele oder im makrokosmischen Bereich des Universums erschließt, wobei der bildspendende Hintergrund letztlich substituiert und bedeutungslos wird. Vielmehr legt Paulus bei der Tempelmetaphorik den Akzent gerade auf die Kontinuität der Inhalte zwischen bildspendendem und bildempfangendem Bereich.

4 Ergebnis 4 Ergebnis

(1) Den Anstoß zur Reflexion über und der Verwendung von kultische[n] Begriffe[n] empfing Paulus mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die ihm überlieferten Traditionen der Jerusalemer Urgemeinde, die bereits sehr früh die Offenbarung von Gottes endzeitlichem Heil im Kommen, Sterben und Auferstehen Jesu Christi im Licht des im Jerusalemer Kult priesterlich vermittelten „Seins vor Gott“ theologisch-heilsgeschichtlich bedenken musste (vgl. die Traditionsstücke in Röm 3,25; 1Kor 5,7; 11,23–25; 2Kor 5,21 u.ö.). Die frühesten Traditionsstücke zeigen, dass der Kreuzestod gar nicht losgelöst vom kultischen Wirklichkeitshorizont verstanden werden konnte, sondern im Rahmen der kultischen Sühneinstitution als ein stell258

Für GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 126, steht das Pneuma für die „Akzessibilität Gottes“, die denen eröffnet wird, die durch sein Heilswerk in seine Unmittelbarkeit gerufen werden. Somit tritt der Geist, indem er Unmittelbarkeit herstellt, an die Stelle der Reinheit des atl. Priesters.

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vertretender Tod mit sühnender Wirkung begriffen wurde (Röm 3,25f.). Es ist letztlich die kultische Ordnung, welche erst die Heilswirksamkeit des Todes Jesu konstituiert. Möglicherweise lag ein allererster Anstoß zu dieser Reflexion bereits in verschiedenen Jesuslogien wie dem Lösegeldwort (Mk 10,45par), dem Kelchwort (Mk 14,24parr) und nicht zuletzt dem Tempelwort Jesu (Mk 14,58par) begründet, in dem Jesus die Zerstörung des alten, „mit Händen gemachten“, und den Bau eines „nicht mit Händen gemachten“ Tempels ankündigte. Diese mit dem Adjektiv avceiropoi,htoj verbundene Ankündigung könnte schon ein metaphorisches Verständnis des neuen im Verhältnis zum alten Tempel implizieren, das Paulus möglicherweise in seiner Applikation der Tempelmetapher auf die Gemeinde deutend verarbeitet hat (1Kor 3,16f.; 2Kor 6,16). Eine letzte Gewissheit über die Traditionswege lässt sich kaum mehr gewinnen. (2) Die Notwendigkeit zu einer eigenständigen Reflexion der Implikationen und Konsequenzen ergab sich für Paulus spätestens in dem Moment, in dem er sein Evangelium von Gottes rettender Heilstat antiken Menschen verkündigen wollte, die einem jüdischen, jüdisch-hellenistischen oder hellenistisch-römischen Kulturkreis angehörten. In der Begegnung des Evangeliums mit der antiken Welt war es angezeigt, die Relevanz seiner Botschaft im Horizont einer kultisch organisierten Welt der Antike erläutern.259 Denn wenn der eine Gott durch den stellvertretenden Kreuzestod seines Sohnes diesen als eschatologischen Sühne- und Kultort für „Juden und Heiden“ öffentlich aufgerichtet hatte (Röm 3,25), dann tangierte dies eo ipso auch alle anderen Sühne- und Kultorte der antiken Welt, v.a. aber den Jerusalemer Tempel, dem nach atl.-jüdischer Tradition einzig legitimen Sühne- und Kultort überhaupt. Wenn heilvolles „Sein vor Gott“ im Licht des Kommens, Sterbens und Auferstehens Jesu nur noch im Glauben an Jesus Christus möglich war, dann lag die Frage auf der Hand, in welchem Verhältnis das im Glauben zugängliche „Sein vor Gott“ zum priesterlich-kultisch vermittelten „Sein vor Gott bzw. den Göttern“ nicht nur im jüdischen, sondern auch im paganen Kontext stand. (3) Auch wenn andere Sprachformen und Begriffsfelder bei Paulus wesentlich stärker in den Vordergrund treten und er die kultische Terminologie problemlos mit anderen Begriffsfeldern, v.a. der Gerechtigkeitstermi259

Vgl. auch MERKLEIN, 1Kor II, 224: „[W]egen dieses eschatologischen Sühnegeschehens ist es ebenso richtig und selbstverständlich, daß Paulus die Verkündigung dieses Heilsgeschehens und das, was dadurch bewirkt wird, in kultischen Kategorien darstellen kann, in bestimmter Hinsicht vielleicht sogar muß. […] Gerade wenn er die in Christus erreichte und geschenkte Unmittelbarkeit zu Gott zum Ausdruck bringen wollte, mußte er auf Begriffe und Sachverhalte des Tempels und des Kultes zurückgreifen, wo die vom Menschen ersehnte und zugleich gefürchtete, nie aber erreichte Nähe zu Gott ihre menschlich kaum mehr zu überbietende Symbolgestalt gefunden hatte.“

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

nologie (1Thess 2,10; 1Kor 1,30; 6,11; 2Kor 6,14–7,1; Röm 6,19) oder der Taufterminologie (1Kor 6,11)260 verbinden kann, so bleibt die Verwendung kultischer Sprache für Paulus unverzichtbar – und zwar nicht nur, weil sich der Sühnetod Jesu nur vor dem Hintergrund eines kultischen Wirklichkeitshorizont verstehen lässt und das Evangelium in eine kultisch organisierte und geordnete Welt hinein verkündigt werden musste. Vielmehr kann Paulus mit Hilfe der kultischen Terminologie die in der Christusoffenbarung neu erfahrenen Wirklichkeits- und Sinnzusammenhänge in einer Art und Weise aussagen, konzeptualisieren und mimetisch abbilden, wie dies durch andere Begriffe oder Sprachformen nicht oder nur sehr ungenügend möglich wäre. Aus diesem Hintergrund verwendet Paulus kultische Sprache vorrangig dort, wo er das heilvolle „Zu-Gott-Kommen“ des Menschen bzw. das „Zum-Menschen-Kommen“ Gottes in räumlichen Dimensionen zum Ausdruck bringen möchte (1Kor 6,11; Röm 3,25; 5,1f.; 15,16). Die so zum Ausdruck gebrachte Zugehörigkeit und Unmittelbarkeit zu bzw. Gemeinschaft mit Gott, die dem Glaubenden durch Christus eröffnet worden ist, lässt sich für den antiken Menschen nur kultisch angemessen beschreiben. Deshalb war die Verwendung kultischer Sprachformen auch wesentlicher Bestandteil bei der Identitätsformation der jungen Gemeinden. Zum einen wurde sie durch die metaphorische Beschreibung als „Tempel Gottes“ und als eine heilige, Gott unmittelbare Gemeinschaft herausgehoben aus einer antiken Welt ungezählter Heiligtümer und Kulte, die immer nur einen mittelbaren Zugang zu Gott bzw. den Gottheiten eröffneten. Zum anderen eignete sich die kultische Sprache auch in besonderer Weise, um den Aspekt der Kontinuität zur Offenbarung Gottes gegenüber den Vätern bzw. Israels zu markieren. Denn der in Christus sich offenbarende Gott wurde ja als kein anderer denn als jener erkannt, der den Kult, den Tempel, die Priesterschaft und die Opfer des alten Bundes gestiftet hatte. (4) Auf der Grundlage des Vergebung der Schuld wirkenden Sühnetodes Jesu und der endzeitlichen Begabung durch den Heiligen Geist beschreibt Paulus die Rechtfertigung und Erlösung des Menschen auch als seine „Heiligung“ (1Kor 1,30). Diese versteht er im Unterschied zur priesterlichen, frühjüdischen, v.a. pharisäischen Tradition als einen durch den Geist vermittelten, dauerhaften Status (1Kor 1,2; 6,11; Röm 15,16), der 260 Die Taufterminologie ist insofern komplementär zur Kultterminologie, als sich in der Taufe dieser Übergang in den Heilsraum Gottes real vollzieht. Vgl. aber die Mahnung von VAHRENHORST, Sprache, 329: „Man wird sicherlich sagen können, dass kultische Begrifflichkeit und Tauftheologie auf die gleiche Sache zielen, nämlich auf die Herstellung der Verbindung mit Christus. Aber begrifflich bleibt doch eine gewisse Distanz, die davor warnt, alle Stellen, an denen Paulus den Transfer auf die Seite Gottes beschreibt, auf die Taufe zu beziehen.“

4 Ergebnis

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unabhängig von hereditären oder ethnischen Voraussetzungen jedem von Gott verliehen wird, der an Jesus Christus glaubt, und dem der so „im Geist Geheiligte“ durch seinen ethischen Wandel zu entsprechen hat (1Thess 3,13; 4,1–8; 5,23; 2Kor 7,1; Röm 12,1ff.). Die ethische Dimension der durch den Geist gewirkten Heiligkeit bringt Paulus in den Korintherbriefen an drei Stellen mit der Applikation der Tempelmetapher zum Ausdruck. Weil die Gemeinde als endzeitlicher Tempel zum heiligen Ort der Präsenz Gottes geworden ist, können sich in ihr nicht mehr einzelne Protagonisten oder Parteien auf Kosten des ganzen Gemeindetempels gegenseitig profilieren und spalten (1Kor 3,16). Weil auch der Leib des einzelnen Glaubenden ein Tempel im Sinne einer Wohnung des Heiligen Geistes ist, muss diesem eine Vergemeinschaftung mit der Sünde in Form der pornei,a verwehrt werden, denn die Gegenwart des Geistes ist mit der Präsenz der Sünde und widergöttlicher Mächte unvereinbar (1Kor 6,18f.; vgl. auch 10,20f.). Der Tempel der Gemeinde und des Leibes kann zwar nicht mehr kultisch verunreinigt werden, wohl aber ethisch, und bedarf deshalb besonderen Schutzes. Deshalb kann Paulus den „Gemeindetempel“ auch zur Absonderung und Distanz von allen verunreinigenden Faktoren auffordern (2Kor 6,16), was freilich nicht im Sinne eines Auszugs aus der antiken Gesellschaft verstanden werden soll (1Kor 5,9f.), wohl aber als ein Appell zur Bildung einer ethischen „Kontrastgesellschaft“ (G. Lohfink). (5) Die durch das Wirken des Heiligen Geistes auf der Grundlage des Sühnetodes Jesu verliehene Heiligkeit vermittelt den „Heiligen“ (1Kor 1,2 u.ö.) einen Status der Integrität, Idealität und der „Kultfähigkeit höherer Ordnung“ im Sinne einer Kontakt- und Begegnungsfähigkeit mit Gott im Raum des Heiligen, der nunmehr die Gemeinde als der Tempel Gottes selbst ist. Dieser Status der Heiligkeit und Integrität entspricht dem Status priesterlichen Seins in der kultischen Weltordnung. So wie der Priester sowohl im Jerusalemer Tempel wie in allen anderen hellenistischrömischen Tempeln als integrer und gottgemäßer Mensch Zugang zum Bereich bzw. Raum des Heiligen hatte, so hat nun der Glaubende, Geheiligte bzw. Heilige „Zugang“ zu Gott (Röm 5,2). Vor dem Hintergrund der frühjüdischen Bemühungen um höhere Heiligkeitsstandards und eine Ausweitung priesterlichen Seins vollzieht sich in der paulinischen Theologie eine Sozialisierung und Universalisierung der priesterlichen Integrität, Kult- und Begegnungsfähigkeit auf alle Glaubenden aus Juden und Heiden, die damit alle hereditären und ethnischen Grenzen im Judentum und alle sozialen Grenzen in paganen Priestertümern sprengt und irrelevant werden lässt. Diese Ausweitung priesterlichen Seins spiegelt sich auch im christlichen Gottesdienst wieder. Nunmehr ist jeder Heilige in Christus nicht nur

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

ermächtigt, sondern sogar aufgefordert, seine leibliche Existenz im alltäglichen Lebenswandel als ein priesterliches Opfer darzubringen und auf diese Weise eine logikh. latrei,a zu „feiern“ (Röm 12,1).261 Durch diesen tempel-, opfer-, priester- und torafreien Gottesdienst vollzieht sich nicht nur eine Heiligung des alltäglichen Lebens, sondern letztlich die Heiligung der Welt im Sinne einer Ausweitung der Heiligkeit Gottes in den Raum des Profanen (vgl. Röm 14,5f.). (6) Nicht nur den durch Christus im Geist Geheiligten eignet ein priesterliches Sein, sondern auch dem Apostel selbst. Mehrfach beschreibt Paulus seinen apostolischen Dienst in Analogie zu den Funktionen der levitischen Priester (Röm 15,16; Phil 2,17; 4,18). Obwohl v.a. in Röm 15,16 alle Voraussetzungen für eine metaphorische Übertragung des Priestertitels auf Paulus und seinen Apostolat gegeben sind, vollzieht Paulus diese naheliegende Metaphorisierung an keiner Stelle. Die Gründe für diese Zurückhaltung dürften in der Rollenbestimmung seines Apostolats im Verhältnis zur heilsmediatorischen Sendung Jesu liegen. Paulus ist Botschafter vom Heil in Christus (vgl. 2Kor 2,14–16; 3,3.8; 5,18–20), jedoch nicht dessen Mittler. Darin dürfte auch der Grund liegen, weshalb Paulus im Einklang mit allen anderen Schriften des Neuen Testaments nirgendwo einen levitisch konnotierten und funktional bestimmten Priesterbegriff auf die Gemeinde oder ihre Funktionsträger übertragen hat. Eine solche Metaphorisierung blieb der Hohepriesterchristologie des Hebräerbriefes vorbehalten. (7) Die Metaphorisierung kultischer Terminologie impliziert auch den Hinweis auf das heilsgeschichtliche Ende der kultisch organisierten Welt durch das Christusgeschehen. In Christus ist das Ziel des in der Tora reglementierten Kultes zu seiner heilsgeschichtlichen Erfüllung gekommen (vgl. Röm 10,4). Die unmittelbare Gemeinschaft des Menschen mit Gott und Zugehörigkeit zu seiner Heilssphäre, die im atl. Kult nie erreicht wurde bzw. immer nur in hierarchischer Abstufung den Priestern zugänglich war, ist in Christus Wirklichkeit geworden und nun sogar nicht mehr nur für Juden, sondern auch für Heiden. Mit der Offenbarung der neuen Heilsordnung in der Auferstehung Jesu, der „Tempelwerdung“ der Gemeinde und der Ausweitung priesterlichen Seins auf die Glaubenden haben die Tora, der Jerusalemer Tempel, seine Priesterschaft und ihre Opfer und damit die gesamte Kultordnung ihre

261 Vgl. W ICK, Gottesdienste, 192: „Paulus verwendet die Kultmetaphern vor allem, um das Bedeutungsfeld der Christusnachfolge auszuweiten. Der richtige Lebensvollzug wird so zu gottgewolltem Gottesdienst, ohne aber eigentlicher Kultgottesdienst zu sein. Paulus gebraucht den Jerusalemer Tempelkult als Bildmaterial, um seine ethischen Positionen argumentativ zu stützen und zu vertiefen.“

4 Ergebnis

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heilsgeschichtliche Bedeutung verloren.262 Mit dem Messias Jesus Christus, seinem stellvertretenden, sühnenden Sterben und seiner Auferstehung hat aus paulinischer Sicht Gott selbst eine neue Heilsordnung an Stelle der alten eingesetzt. Für den Juden Paulus und die ihm theologisch verpflichteten Judenchristen mochte diese alte Ordnung noch eine marginale Bedeutung gehabt haben (vgl. Act 21,26f.), aber für seinen apostolischen Dienst als Heidenmissionar und für die Heidenchristen in der hellenistischrömischen Welt war diese Ordnung und ihr Kult obsolet geworden. Dennoch finden wir nirgendwo in den paulinischen Briefen (und abgesehen von der Stephanusrede auch nirgendwo im ganzen Neuen Testament) eine Kritik an oder Polemik gegen die Institutionen des alten Bundes, weil es ja letztlich immer von Gott selbst gestiftete Institutionen waren. (8) Das erreichte Ergebnis wirft auch ein Licht auf die Kontinuität und den Kontrast zu den frühjüdischen Entwürfen eines heilvollen „Seins vor Gott“ jenseits des priesterlichen Kultes in Jerusalem. War dem vorchristlichen Pharisäer Saulus Paulus an der Ausweitung priesterlicher Heiligkeit durch die Anwendung der priesterlichen Halacha auf das ganze jüdische Volk gelegen, so findet dieses Anliegen nach seiner Lebenswende insofern eine Fortsetzung, als er die Ausweitung der in Jesu Sühnetod gestifteten Heiligkeit verkündigte. Allerdings vollzog sich diese Heiligung nicht mehr durch die Observanz der Tora bzw. der pharisäischen Halacha, sondern durch das Wirken des Heiligen Geistes, dem der so Geheiligte in seinem Lebenswandel zu entsprechen hatte. Insofern die Heiligung der glaubenden Juden- und Heidenchristen nicht mehr durch kultische Rituale und Halachot hergestellt wurde, sondern durch den Geist gewirkt und im alltäglichen Leben verwirklicht wird, vollzieht sich auf diesem Wege letztlich die Heiligung der Welt. 262

Dagegen möchte VORHOLT, Priester, 75f., nicht ganz ohne konfessionelles Interesse die kultische Bestimmtheit auch für das frühchristliche Theologie- und Gemeindeverständnis behaupten: „Die Metaphorisierung des Kultes bedeutet darum nicht, dass der Kult als solcher a priori an sein Ende gelangt sei. Fragt man nach dem Spezifikum eines sich im Licht der neutestamentlichen Botschaft vollziehenden Kultes, liegt dieses also weder im christlichen Umgang mit dem Kult als solchem noch in der angeblichen oder tatsächlichen Tendenz zur Metaphorisierung, sondern in jenem christologischen Bedingungs- und Sinngefüge, das einen genuin christlichen Kult im Sinne deutender Aneignung allererst vollziehbar macht. […] So entstanden geheimnisvoll wirkende neue Riten, die als solche über alle bisherigen Riten hinausweisen und zugleich geeignet sind, die überkommene Opfersemantik und alle Opferfunktionen an sich zu ziehen und zu einem Äquivalent für den Opferkult werden zu lassen.“ Freilich muss auch er das Fehlen einer urchristlichen Kulttheologie eingestehen, und ob die kultischen Muster im Hebräerbrief, 1. Petrusbrief und der Johannesapokalypse genügen, um ein christliches Kultverständnis in der urchristlichen Gottesdienstpraxis zu postulieren, darf bezweifelt werden.

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Kapitel VI: Kultmetaphorik bei Paulus

Mit der Ausweitung der christologisch gestifteten und pneumatologisch vermittelten Heiligkeit fand eo ipso auch eine Ausweitung priesterlichen Seins auf alle Glaubenden – wiederum aus Juden und Heiden – statt. Was in der pharisäischen Bewegung, den Qumranschriften und der priesterlichen Levi-Tradition im Rahmen der hereditären und ethnischen Grenzziehungen der Tora immer wieder angestrebt wurde, ist für Paulus durch das Evangelium nicht nur erfüllt, sondern übertroffen und universal vollendet. Gleiches gilt auch im Blick auf die Bemühungen der Oniaden und des yaḥad, durch die Gründung zeitlich befristeter Interimstempel, sei es in Form eines alternativen Tempelbaus in Leontopolis oder in Form eines metaphorischen Menschentempels, die als unzulänglich empfundene Kultpraxis der Priester im Jerusalemer Tempel zu kompensieren. Mit der Offenbarung Jesu Christi als dem eschatologischen Sühneort wurde die Gemeinde Christi zum Tempel Gottes, nämlich zu eben jenem eschatologischen Ort der Präsenz Gottes, der keiner Mauern und Säulen mehr bedurfte und von Paulus nicht nur als ein befristetes Interim, sondern als eine endzeitliche Vollendung proklamiert wurde. Auch die diasporajüdische „Erfindung“ eines priester- und opferlosen Synagogengottesdienstes, der durch die Lebensmacht des Alltags in der Diaspora faktisch zu einer Form jüdischen „Seins vor Gott“ nicht jenseits, aber doch zumindest in räumlicher Distanz zum Jerusalemer Kult wurde, hat Paulus im Licht des Evangeliums insofern konsequent theologisch weiterentwickelt, als für ihn auch die Tora nicht mehr die sinnstiftende Mitte des christlichen Gottesdienstes sein konnte, sondern das Evangelium. Indem dieses auf einen leiblichen Opfergottesdienst der Glaubenden in den alltäglichen Lebensvollzügen drängte, formte sich jene logikh. latrei,a (Röm 12,1), die mit dem kultischen Tempelgottesdienst in Jerusalem nur noch Gott als Adressaten des gottesdienstlichen Tuns gemein hatte. Somit erweist sich im Horizont des frühjüdischen Bemühens um eine Kompensation der mangelhaften Kultpraxis die Theologie des Apostels Paulus als eine weitere jüdische Stimme am Ende der Epoche des zweiten Tempels. Paulus thematisiert zahlreiche Anliegen der unterschiedlichen jüdischen Religionsparteien und Gruppierungen. Aber die Antwort, die er auf die dem Frühjudentum gestellte Herausforderung gibt, bedeutet letztlich nicht nur die Auflösung der Fragestellung, sondern in letzter Konsequenz auch die Auflösung des Frühjudentums, insofern dieses seine hereditäre, ethnische und toraorientierte Formatierung als heilsrelevant betrachtete (vgl. Gal 3,28). (9) Schließlich wurde deutlich, dass die kultische Sprache in der antiken Welt anders als heute eine internationale und interkulturelle Sprache war.

4 Ergebnis

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So sehr Paulus theologisch stets den Jerusalemer Kult vor Augen hatte,263 so bemerkenswert ist doch die hermeneutische Offenheit seiner Formulierungen für heidnische oder heidenchristliche Leser aus der paganen Welt des römischen Reiches. Aufgrund der zahlreichen und weitreichenden Analogien in der Welt des Kultes konnten die paulinischen Ausführungen auch ohne atl.-jüdische Vorkenntnisse in hohem Maß verstanden werden.264 Die immer wieder diskutierte Alternative zwischen dem Jerusalemer Tempelkult und paganen Kulten und Heiligtümern geht deshalb an den paulinischen Texten vorbei. Der Jude Paulus und seine jüdischen Leser werden sofort die Assoziationen an das Jerusalemer Heiligtum erkennen, was aber nicht bedeutet, dass den heidenchristlichen oder auch heidnischen Lesern und Hörern diese Texte unverständlich bleiben müssen. Die kultischen Bezüge sind so vielfältig, die kultische Sprache in der antiken Welt so international und die paulinischen Ausführungen so offen, dass sich auch der nicht jüdisch vorgebildete Leser das Gemeinte problemlos erschließen konnte.

263

HORN, Paulus und der Herodianische Tempel, 188, erinnert an die sprachlichen Hinweise in der Genitivverbindung nao.j qeou/ (1Kor 3,16; 2Kor 6,16) sowie an die Bezügen zu pneu/ma a[gion. Vgl. auch VAHRENHORST, Sprache, 338: „Paulus denkt und schreibt ganz im jüdischen Referenzrahmen und bindet seine nichtjüdischen Adressatinnen und Adressaten in ‚jüdisches Wirklichkeitsverständnis‘ ein.“ 264 So auch W ARDLE, Jerusalem Temple, 222f.

Kapitel VII

Die Gemeinde als königliche Priesterschaft nach 1Petr 2,4–10 Mit der Untersuchung von 1Petr 2,4–10 wenden wir uns dem locus classicus des Theologumenon vom Allgemeinen Priestertum zu. Das hat zur Folge, dass der Interpret in diesen Versen nicht nur mit einer komplexen Textstruktur und Traditionsgeschichte konfrontiert ist, sondern auch mit einer gewaltigen Wirkungsgeschichte, die mit der reformatorischen Interpretation und Instrumentalisierung dieser Verse einen gewissen Höhepunkt erreichte (→IX.2.2). Die moderne Forschungsgeschichte dieser Texte ist überraschenderweise schnell erzählt. So sehr diese Verse im Mittelpunkt reformatorischer Interessen standen, so stiefmütterlich wurden sie in der Neuzeit behandelt. Es dürfte zur Ironie der Auslegungsgeschichte dieses Textes gehören, dass sich im 20. Jahrhundert mehrheitlich römisch-katholische Exegeten um ihn bemüht haben.1 Die wichtigste, umfangreichste und in der Tat auch gründlichste Arbeit zu diesem Text stammt allerdings von einem amerikanischen Lutheraner. Die Münsteraner Dissertation von J.H. Elliot, The Elect and the Holy, aus dem Jahre 1966, hat eine Vielzahl wichtiger und wesentlicher Einsichten in den Text geliefert, die auch fast ein halbes Jahrhundert später noch Gültigkeit beanspruchen können. Kein Kommentator kann seither auf das Gespräch und die Diskussion mit Elliot verzichten und de facto erfährt Elliots Untersuchung nach wie vor viel Zustimmung. Dies gilt im Großen und Ganzen auch für dieses Kapitel.

1 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier nur P. DABIN über Le sacerdoce royal des fidèles dans le Livres Saints (1941); P. KETTER, Das allgemeine Priestertum: II. Das allgemeine Priestertum der Gläubigen nach dem ersten Petrusbrief (1947); J. B LINZLER, IERATEUMA (1949); K.H. SCHELKLE, 1. Petrusbrief (1959); J. COPPENS, Le sacerdoce royal des fidèles (1969); A. FEUILLET, Les ‘sacrifices spirituelles’ du sacerdoce royal des baptises (1 P 2,5) et leur préparation dans l’Ancien Testament (1974) und N. BROX, 1. Petrusbrief (31989; 11979) genannt.

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Kapitel VII: Die Gemeinde als königliche Priesterschaft

1 Die Situation der Adressaten des 1. Petrusbriefes 1 Die Situation der Adressaten des 1. Petrusbriefes

Der Anlass des Schreibens ist in der spezifischen Situation der Adressaten begründet, die unter wachsenden Repressionen ihrer Umwelt zu leiden haben.2 Das Stichwort „leiden“ zieht sich wie ein roter Faden durch den Brief und bestimmt einen wesentlichen Teil seiner Inhalte.3 Dreimal wird das Leiden Christi in eine direkte Relation zum Leiden der Christen gesetzt.4 Der Brief versteht sich in weiten Teilen als eine apostolische Hilfestellung zur Bewältigung dieser Situation.5 Versucht man allerdings diese Situation etwas präziser zu beschreiben, beginnen die historischen Probleme.6 Handelt es sich bei der vom Autor vorausgesetzten Situation um eine offizielle, staatliche und reichsweite Christenverfolgung,7 oder ist eher an eine soziale Stigmatisierung und Repression der heidenchristlichen Gemeinde8 seitens der Bevölkerung in den 2

1–9.

Vgl. 1Petr 5,12, sowie B ROX, 1Petr, 245; FELDMEIER, Christen, 105; DERS., 1Petr,

3 Vgl. 1Petr 1,6; 2,12.19ff.; 3,9.13ff.; 4,1.4.12ff.; 5,9f. Insgesamt findet sich das Verb pa,scein zwölfmal im 1. Petrusbrief, hinzu kommen vier Belege von pa,qhma. Im gesamten Neuen Testament finden sich 42 Belege für pa,scein, von denen sich 35 auf die Leiden Christi bzw. der Christen beziehen. Dies gilt auch für 14 der insgesamt 16 Belege für pa,qhma. Damit konzentrieren sich ein Drittel aller ntl. Belege auf die fünf Kapitel dieses Briefes. 4 1Petr 2,19–25; 3,13–18; 4,12–19. 5 HORRELL, Epistles, 11: „… the author’s major concern was to instruct and encourage Christians who, because of their faith, were experiencing hostility, persecution and suffering.“ 6 Vgl. zum Folgenden ALAND , Kirche und Staat, 200–210; SCHÄFKE, Frühchristlicher Widerstand, 627–630; FELDMEIER, Christen, 105–132; DERS., Außenseiter, 163–169; ENGBERG, Impulsore Chresto, 152–162; KELHOFFER, Persecution, 94–126. Eine Sammlung der relevanten Quellen findet sich bei GUYOT/KLEIN, Christentum; KRAUTER, Studien; COOK, Roman Attitudes. 7 In diese Richtung deuten Hinweise wie der Begriff „Feuersbrunst“ (4,12), das Leiden w``j Cristiano,j (4,16), der Hinweis, dass „eure Brüder in der ganzen Welt die gleichen Leiden ertragen müssen“ (5,9) und die Bezeichnung Roms mit der Chiffre „Babylon“ (5,13). 8 Folgende Gründe sprechen für eine heidenchristliche Adressatenschaft: (1) Nach 1Petr 1,14 wurden die Adressaten früher von ihrer „Unwissenheit“ beherrscht (1Petr 1,14). Auch wenn in Act 3,17 Juden der Unwissenheit angeklagt werden konnten, deutet diese Charakterisierung doch eher auf einen paganen Hintergrund hin. (2) Die Bezeichnung des väterlichen Wandels als eitel bzw. nichtig (matai,a avnastrofh,) ist zwar für Juden nicht gänzlich ausgeschlossen, aber doch eher unwahrscheinlich. (3) Für Judenchristen wäre die Identifikation mit den jüdischen Ehrenprädikaten in 1Petr 2,9f. eine Selbstverständlichkeit und der Wandel vom „Nicht-Volk“ zum Eigentumsvolk ein lange zurückliegendes Ereignis. Viel wahrscheinlicher ist, dass hier der heidenchristliche Identitätswandel ausgedrückt werden soll.

1 Die Situation der Adressaten des 1. Petrusbriefes

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römischen Provinzen Kleinasiens zu denken, die keinen organisierten Charakter hatte?9 R. Feldmeier hat diese Frage in seiner Habilitationsschrift in einem eigenen Kapitel behandelt.10 Er weist im Anschluss an die Arbeiten von Aland, Schäfke, Freudenberger, Stockmeier und Wlosok zunächst darauf hin, dass die beschriebene Alternative nicht der historischen Wirklichkeit in der zweiten Hälfte des 1. Jh. entsprach.11 Die Situation der Christen war bis ins 4. Jh. hinein von einer Rechtsunsicherheit geprägt. Der staatliche Umgang mit Christen war der Deutung und Rechtsauslegung der lokalen Behörden überlassen. Folglich waren Christen immer in der Gefahr, durch Denunziation in den Fokus staatlicher Behörden zu geraten, wodurch die Alternative zwischen sozialer Repression und staatlicher Verfolgung unscharf wird und mit verschiedenen Grauzonen zu rechnen ist.12 (4) Sowohl in 1Petr 2,9 (Finsternis-Licht), vor allem aber in 4,3 wird der VorherNachher-Kontrast im Blick auf den Lebenswandel hervorgehoben. Die in 4,3 erwähnten Verhaltensweisen gehören zu den klassischen, jüdischen Lasterkatalogen, mit denen heidnisches Wesen gebrandmarkt wurde. (5) Wenn die Adressaten in 1Petr 4,12 ermahnt werden, sich vom Läuterungsfeuer nicht irritieren zu lassen, dann deutet dies ebenfalls stärker auf einen heidenchristlichen Kontext. Juden waren antijüdische Pogromstimmungen auch in der Antike zu allen Zeiten wohlbekannt. Sie dürften kaum als ein überraschendes Ereignis gewertet worden sein. Für Heiden war religiöse Anfeindung dagegen eine durchaus neue Erfahrung. Vgl. zur Adressatenfrage auch ACHTEMEIER, 1Peter, 50f.; DAVIDS, 1Peter, 7–9; STENSCHKE, Funktion, 97–103. 9 Darauf deutet zunächst einmal der Umstand hin, dass die römischen Behörden nirgendwo direkt als Verursacher der Repressionen benannt werden. Im Unterschied zu den heidnischen Sklavenherren, 1Petr 2,18–20, und Ehemännern, 1Petr 3,1f., werden die staatlichen Behörden ausnahmslos positiv charakterisiert, 1Petr 2,13–17, vgl. ENGBERG, Impulsore Chresto, 156f. Zum anderen, haben wir nach neuester Sachlage keine Kenntnisse von einer reichsweiten, staatlich organisierten Christenverfolgung im 1. Jh. n.Chr. Weil die neronische Verfolgung allem Anschein nach auf die Stadt Rom begrenzt blieb, die domitianische Christenverfolgung sich in der Forschung der vergangenen Jahre mehr und mehr in Luft auflöste und auch die Situation, die im Pliniusbrief reflektiert wird, nicht auf eine organisierte staatliche Verfolgung hindeutet, fehlen eindeutige Referenzgrößen für eine solche Vermutung. Von einer systematischen staatlichen Christenverfolgung kann man eigentlich erst bei Decius, Valerian und Diokletian im 3. Jh. sprechen. 10 FELDMEIER, Christen, 105–132. 11 ALAND, Kirche und Staat, 60–246; SCHÄFKE, Frühchristlicher Widerstand; FREUDENBERGER , Verhalten; STOCKMEIER , Christlicher Glaube; W LOSOK, Rechtsgrundlagen. 12 FELDMEIER, Christen, 106f. Auch der Vergleich mit der Johannesapokalypse, die ein deutlich düstereres Bild des römischen Reiches und ein wesentlich distanzierteres Verhältnis zu ihm pflegt, ist nur bedingt aussagekräftig. Denn selbst im Anschluss an Zeiten eindeutiger Unterdrückung finden sich noch erstaunliche Zeugnisse christlicher Loyalität zum Staat. So kann am Ende der Regierungszeit Domitians der 1. Clemensbrief trotz der Erfahrungen der neronischen Verfolgung (und möglicherweise einiger Repressi-

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Die Adressaten des 1. Petrusbriefes haben zunächst einmal Probleme mit ihren Mitbürgern und Nachbarn.13 Die Initiative für Repressionsmaßnahmen gegen Christen ging in den ersten beiden Jahrhunderten fast immer von der Bevölkerung14 aus, oftmals sogar von den eigenen Verwandten.15 Staatliche Verfolgungsmaßnahmen waren deshalb in der Regel der Endpunkt, nicht der Ausgangspunkt der Feindseligkeiten. Die Mitbürger sind „befremdet“ über den veränderten Lebensstil der Christen (4,3f.)16 und reagieren mit Stigmatisierung, Diffamierung, Schmähungen, Denunziation und Anzeigen (2,12.16.20; 3,13f.16f.; 4,1.4.14f.19; 5,9f.), die vom Schreiber pauschal mit „mancherlei Anfechtung“ (1,6; vgl. 2,19; 4,12) umschrieben werden. Allerdings fällt umgekehrt auch auf, dass das Wortfeld diw,kein/diwgmo,j ebenso fehlt wie Hinweise auf Märtyrer. Ferner deutet auch nichts darauf hin, dass der Kaiserkult bei den erwähnten Spannungen irgendeine direkte Rolle gespielt hätte. Vielmehr spiegelt der 1. Petrusbrief ein Klima gesellschaftlicher Intoleranz und Exklusion wieder, das in der Folge den Nährboden für gewaltsame Übergriffe bildete, v.a. auf die schwächsten (christlichen) Glieder der Gesellschaft, die Sklaven paganer Herren (2,18–20) und die Frauen nichtchristlicher Ehemänner (3,1–6). Staatliche Behörden kommen dann ins Spiel, wenn Denunziationen in eine Anzeige münden, Christen eines Verbrechens beschuldigt werden (4,15; vgl. 2,20), und es zum Prozess kommt. In einen solchen Kontext gehört möglicherweise auch die Bereitschaft zur avpologi,a des Glaubens (3,15) und der Appell zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit (2,13f.).17 Die Ursachen für die Ablehnung der Christen sind multikausal: Neben allgemeinen Vorbehalten gegenüber „traditionslosen“ Kulten18 aus dem onen unter Domitian) immer noch von der gottgegebenen Macht der Obrigkeit sprechen und die Gemeinde zum Gebet für dieselbe aufrufen, vgl. 1Clem 60,4–61,2. 13 ENGBERG, Impulsore Chresto, 158. 14 Vgl. Tert Apol 35,8: „Es gibt keine größeren Schreier gegen die Christen als die Menge.“ Auch 1Thess 2,14 erwähnt als Ausgangspunkt des Leidens der Gemeinde die „eigenen Landsleute“. Ein ähnliches Bild liefert die Apostelgeschichte, vgl. Act 14,4f.; 16,19–22; 17,8.13; 19,23–40; 21,27–40. FELDMEIER, Christen, 112, weist ferner darauf hin, dass auch die neronische Verfolgung nur möglich war, weil in der Bevölkerung genügend Aversionen gegenüber den verhassten Christen vorhanden waren, die sich dann entsprechend mobilisieren ließen, vgl. Tac Ann 15,44,2. 15 Vgl. Mt 10,17f.; Mk 13,9–13/Lk 21,12–17. 16 Vgl. ENGBERG, Impulsore Chresto, 158–161. 17 Entsprechende Vorgänge reflektiert auch die Apostelgeschichte, wo die Obrigkeit immer nur auf Anzeigen aus der Bevölkerung hin einschreitet; vgl. Act 13,50; 16,19–40; 17,5–9; 19,23–40; vgl. auch Mt 10,19/Mk 13,11/Lk 21,14f. Auch der bithynische Statthalter Plinius wird zu Beginn des 2. Jh. erst auf Anzeigen aus der Bevölkerung hin gegen Christen aktiv, vgl. Plin Ep 10,96f. 18 Der Begriff der anerkannten religio war wesentlich durch die Eigenschaft einer weit zurückreichenden Tradition charakterisiert. Hatte sich eine bestimmte religiöse Tradition

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Osten, der Verehrung eines bildlosen Gottes mit einem exklusiven Anspruch19 und der für römische Wahrnehmung irritierenden Verehrung eines in einem römischen Rechtsprozess rechtskräftig verurteilten und von einem römischen Hinrichtungskommando gekreuzigten galiläischen Juden,20 dürfte vor allem ein Grund ausschlaggebend gewesen sein: In allen Zeugnissen römischer Geschichtsschreiber aus den ersten Jahrzehnten des 2. Jh., die über das Phänomen berichten, sticht der Begriff der superstitio heraus.21 Obwohl sich die Anklagen hinsichtlich der den Christen unterstellten Verbrechen als haltlos herausstellten, was von allen antiken Historikern unisono zugegeben wird, reichte offenbar der superstitio-Vorwurf aus, um die vollzogenen Strafen und Hinrichtungen zu rechtfertigen.22 Die Weigerung zur Teilnahme an den öffentlichen, lokalen oder staatlichen Kulten tangierte bei aller religiösen Toleranz, zu der das römische Reich in der Lage war, den empfindlichen Nerv antiker Religiosität und den Kern der römischen Staatsidee.23 So wenig vom antiken Menschen eine inbrünstige oder individuelle Frömmigkeit mit einem persönlichen Gottesverhältnis erwartet wurde, so sehr achtete man auf die kollektive Verehrung der Götter als Grundlage des gemeinsamen, kommunalen und staatlichen Wohlergehens. Die Verweigerung einer Gruppe der Polis bzw. des Staates, den Göttern die buchstäblich „Not-wendige“ Verehrung entgegenzubringen, wurde als „Gottlosigkeit“ und als Bedrohung des Gemeinwesens empfunden und entsprechend geahndet.24 Die Christen galten als Zerstörer der „althergebrachten, so nützlichen, so heilbringenden Religion“.25 Insofern erklärt sich aus dieser als Aberglaube gewerteten Verweigerung gegenüber

über lange Zeit hinweg bewährt, dann konnte sie als religio licita anerkannt werden, wie dies z.B. trotz aller Vorbehalte beim Judentum der Fall war. Verglichen mit dem Judentum wurde das junge Christentum trotz aller Rückbindung an die jüdische Tradition als traditionslos empfunden. 19 Die Exklusivität der Verehrung nur eines Gottes unter Ablehnung aller anderen wurde vom Christentumskritiker Celsus als ein sich „Abmauern und Losreißen von den übrigen Menschen“ und in der weiteren Konsequenz als eine „Stimme des Aufruhrs“ interpretiert, Orig Cels 8,2, die zum politischen Zerfall und Chaos führen müsse, Orig Cels 8,67f. 20 W LOSOK, Rom, 14: „Der Römer hört in der Hinrichtung durch einen römischen Statthalter zuallererst das gerechte Verdammungsurteil. Der Stifter der christlichen Religion war für ihn dadurch als Verbrecher abgestempelt.“ 21 Tac Ann 15,44,2; Suet Nero 16,2; vgl. auch Plin Ep 10,96. 22 FELDMEIER, Christen, 114. 23 Vgl. hierzu Polyb 6,56,6–8; Cic Nat Deor 2,8; Min Fel Oct 6,1f. 24 Vgl. ENGBERG, Impulsore Chresto, 159–161, der die Anfeindungen als „xenophobic and realistic“ charakterisiert (162). 25 Min Fel Oct 8,1.

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den offiziellen Kulten und überhaupt der Distanz zum öffentlichen Leben26 auch der Vorwurf des odium humani generis im Sinne einer „gemeinschaftsfeindlichen Gesinnung“27. Der christliche Glaube wurde als Bedrohung der elementarsten antiken Vollzüge zwischenmenschlicher Interaktion und als Angriff auf die tiefsten Werte der antiken Welt wahrgenommen.28 Das christliche Bekenntnis wurde nach den Worten von Clemens von Alexandrien als ein „Vergehen am Leben“ bewertet29 und in der Folge wurde sogar das Existenzrecht der Christen in Frage gestellt: „Euch darf es gar nicht geben!“30 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie nahe die gesellschaftliche Stigmatisierung und Diffamierung einerseits und die Verfolgung durch lokale oder staatliche Behörden andererseits beieinander lagen. Aufgrund der für antike Augen irritierenden Haltung der Christen zu den selbstverständlichen Grundlagen des antiken Gemeinwesens mussten entsprechende Anzeigen bei den Behörden auf ein sensibles Gehör treffen. In der Folge war entweder der Schritt zu offiziellen Gegenmaßnahmen entsprechend kurz, oder spontane pogromartige Übergriffe der Bevölkerung auf Christen wurden eher geduldet, als dies in vergleichbaren Fällen üblich war.31 Feldmeier kommt aus diesen Beobachtungen heraus zu dem Schluss: „So hat der politische Anstoß letztlich dieselbe Ursache wie der gesellschaftliche: Er gründet in der exklusiven religiösen Bindung der Christen, die zugleich ein eigenes soziales und ethisches Bezugssystem schafft, das zu 26

Vgl. Min Fel Oct 12,5–7, und W ILKEN, Christen, 79: „Wenn die Römer sagten, das Christentum sei ein Aberglaube, so bedeutete dies keine einfache Voreingenommenheit oder die Folge eines Unwissens; es bringt vielmehr ein bestimmtes religiöses Empfinden zum Ausdruck. Als Tacitus schrieb, das Christentum sei ‚der Feind des Menschengeschlechts‘, meinte er damit nicht bloß, dass er die Christen nicht mochte und sie als Ärgernis empfand …, sondern daß sie für seine gesellschaftliche und religiöse Welt eine Beleidigung waren.“ 27 FELDMEIER, Christen, 119. Diese in römischen Augen die Gesellschaft zersetzende Wirkung des christlichen Glaubens musste umso bedrohlicher wirken, als die christlichen Gemeinden v.a. in den Städten wuchsen, die der natürliche geographische Ausgangspunkt der römischen Integrationspolitik waren. 28 Vgl. FELDMEIER, Christen, 119, Anm. 97: „Von der Verehrung eines Gekreuzigten bis zur Rechtfertigung des Sünders wird im Christentum alles mit Füßen getreten, was dem antiken Menschen heilig und göttlich war.“ 29 Clem Al Strom 4,79,3. 30 Tertullian, Apol 4,4: „Non licet esse vos“, vgl. auch 1,4 sowie Mk 13,13par. 31 Vgl. FREUDENBERGER, Verhalten, 198f.: „Superstitio wird so zwar nicht Gegenstand der Anklage und des Prozesses oder der juristischen Begründung eines Urteils, aber der Umstand, daß superstitiones verabscheuenswert, ja gefährlich sind, rechtfertigt das Vorgehen gegen superstitiosi auch mit an sich einer näheren Prüfung nicht lange standhaltenden Vorwürfen, dieses Vorgehen gegen superstitiones externae wirft sogar auf sonst verwerfliche Taten ein mildes Licht.“

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der bisherigen religiösen, gesellschaftlichen und politischen Koine in Konkurrenz tritt.“32 Zusammenfassend stellt sich die Situation der Christen im 1. Petrusbrief und die Kommunikationssituation zwischen Autor und Adressaten also wie folgt dar: (1) Die Adressaten erleben in Kleinasien (vgl. 1Petr 1,1) eine Situation zunehmender Repression, die vom Autor als Leiden beschrieben wird, die auch über ihre Brüder evn tw/| ko,smw| geht (5,9), d.h. gegenwärtig eine mehr oder weniger allgemeine Erfahrung von vielen Christen im römischen Imperium darstellt. (2) Christen werden als solche „um des Namens Christi willen“ (4,14) stigmatisiert. Sie leiden w``j Cristiano,j (4,16), d.h. sie sind mit diesem Namen und als vom Judentum unterscheidbare Gruppe in ihrer Umwelt bekannt. (3) Die Christen erleiden eine verbale Stigmatisierung und öffentliche Denunziation (2,12.15.23; 3,9.16; 4,4; 4,12–19), aber es scheint noch keine Inhaftierungen (vgl. Apk 2,10) oder gar Märtyrer (vgl. Apk 2,13) zu geben. Alles deutet auf ein Anfangsstadium einer Verfolgungssituation hin (1,6; 2,19f.; 3,13–17; 4,12–19; 5,8–10). (4) Die Gemeinde hat bisher offensichtlich noch keine Erfahrungen mit Verfolgungen gemacht. Die Situation scheint für sie neu zu sein und entsprechend verunsichert ist die Gemeinde (4,12). Der Autor reklamiert in dieser Hinsicht einen gewissen Erfahrungsvorsprung und Überblick für sich (5,9). (5) Der Autor schreibt noch in der Erwartung, dass die Gemeinde durch ein gutes und vorbildliches Verhalten eine Gesinnungsänderung bei ihrer Umwelt herbeiführen kann (2,12.15; 3,13). (6) Der Autor vertritt in keiner Weise eine Abgrenzungsethik, wie wir sie z.B. in den Sendschreiben der Johannesapokalyse finden (vgl. Apk 2,10.13; 13,1–18). Vielmehr ist die Ethik des 1. Petrusbrief durchaus weltzugewandt und optimistisch (2,12.13–17; 3,14–17; 4,16). (7) Der Autor bringt sowohl dem römischen Staat als auch dem Kaiser und den Statthaltern als den regionalen Autoritäten ein uneingeschränktes Vertrauen entgegen und wirbt auch um ein solches bei seinen Lesern (2,13–17; vgl. auch 3,13). Es kann sich also noch nicht um eine offizielle bzw. behördlich organisierte Verfolgung handeln und der christliche Glaube ist auch noch nicht offiziell als eine religio illicita verboten. Die Situation ist offensichtlich eine andere als jene, die in der Johannesapokalyse reflektiert wird (vgl. Apk 13). (8) Es gibt im Brief auch keinen Hinweis, dass von den Christen die Teilnahme am Kaiserkult gefordert würde. Die Christen können sich viel32

FELDMEIER, Christen, 124 (kursiv bei F.).

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mehr noch problemlos von den Verhaltensmustern ihrer Umwelt distanzieren und erfahren dafür bisher „nur“ Spott und Lästerungen (4,3f.). Diese Situation ist der Hintergrund, in den der 1. Petrusbrief hineinspricht. R. Feldmeier hat in seiner Arbeit deutlich gemacht, wie die Terminologie der Fremde/Fremdheit das Lebensgefühl seiner Adressaten aufnimmt und theologisch verarbeitet.33 Im Folgenden soll dieselbe Reflexion nun auch für die Perikope in 1Petr 2,4–10 geleistet werden. Exkurs 4: Zur Verfasserfrage des 1. Petrusbriefes Exkurs 4: Zur Verfasserfrage des 1. Petrusbriefes In der gegenwärtigen Forschung hat sich zumindest im deutschsprachigen Raum ein Konsens für die pseudepigraphische Abfassung des 1. Petrusbriefes herausgebildet, der demnach irgendwann zwischen 80 und 100 n.Chr. verfasst und mit der Verfasserfiktion Pe,troj avpo,stoloj VIhsou/ Cristou/ versehen worden ist.34 Nur noch vereinzelt gibt es Stimmen, die an der Authentizität und petrinischen Verfasserschaft festhalten.35 Dabei beruht der „pseudepigraphische Konsens“ auf dem kumulativen Gewicht einer Reihe verschiedener Beobachtungen, die je für sich genommen, die Last nicht tragen könnten: „However, it should be noted that no single argument can be considered compelling and that my judgment is informed by the cumulative weight of arguments.“36 In diesem Licht erscheint es als durchaus lohnend, die einzelnen Argumente einer kurzen Revision zu unterziehen: (1) Das Problem der sprachlichen und rhetorischen Kompetenz des Petrus Der Brief ist in einem so überdurchschnittlich guten, gepflegten, gehobenen und stilsicheren Griechisch abgefasst, dass man es einem galiläischen Fischer wie Petrus kaum zutrauen möchte, eine solche Schrift verfasst zu haben.37 Der Argwohn gegenüber den Griechischkenntnissen des historischen Petrus ist aber ganz grundlegend von der Rekonstruktion der Persönlichkeit und Bildung eines galiläischen Fischers in den Jahrzehnten nach der Zeitenwende bestimmt, die immer noch sehr von einer gewissen „Fischerromantik“ geprägt ist. In den letzten Jahrzehnten hat die 33

FELDMEIER tritt damit in eine Auseinandersetzung mit ELLIOT, Home, 59–84, der die „Fremdheit“ der Adressaten des 1. Petrusbriefes als eine soziale Kategorie versteht und die Adressaten als eine sozial und ethnisch ausgegrenzte und lokal auf Kleinasien begrenzte Sekte versteht und damit keineswegs als eine aufgrund ihres Christseins verfolgte Gemeinde; vgl. hierzu auch DANKER, Sociological Perspective, 85f. 34 SCHNELLE, Einleitung, 445–449; P OKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 702–705. 35 U.a. NEUGEBAUER, Deutung, 61–86; MICHAELS, 1 Peter, lv-lxvii; SCHNABEL, Mission, 1458–1463; MARSHALL, 1Peter, 21ff.; CARSON/MOO, Einleitung, 766–785; J OBES, 1Peter, 5–18; GREEN, 1Peter, 4–11; W ITHERINGTON, 1–2Peter, 21–54. 36 So zu Recht DOERING, 646, Anm. 9, der selbst im Blick auf den 1. Petrusbrief von einem Pseudepigraphon ausgeht. 37 SCHNELLE, Einleitung, 446; ACHTEMEIER, 1Peter, 2–7; P OKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 703. Wie selbstverständlich dieses Argument mittlerweile verwendet wird, zeigt KELHOFFER, Persecution, 102, Anm. 32: „The inference that the apostle Peter – the illiterate, Aramaic-speaking fisherman depicted in the NT Gospels – would not, in all likelihood, have been capable of penning the sophisticated Greek of First Peter […] is widely accepted in present scholarship and hardly requires substantiation here.“

Exkurs 4: Zur Verfasserfrage des 1. Petrusbriefes

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Forschung jedoch vertiefte Einsichten in die Zweisprachigkeit Galiläas gewonnen, 38 so dass wir bei einem galiläischen Fischer nicht zu rasch sowohl ein fremdsprachliches Unvermögen als auch eine lebenslange Lernunfähigkeit voraussetzen sollten, zumal wir abgesehen vom noch wesentlich umstritteneren 2. Petrusbrief keine Referenzdokumente von Petrus haben, die zweifelsfrei über seine sprachlich-rhetorischen Kompetenzen Auskunft geben.39 (2) Das Fehlen biographischer Notizen und Erinnerungen Der Brief lässt so gut wie nichts von der Persönlichkeit oder Biographie seines prominenten Verfassers durchscheinen.40 Allerdings sind unsere Erwartungen, in welchem Maße ein frühchristlicher Briefautor mit seiner Persönlichkeit und Biographie in seinen Schreiben transparent werden sollte, maßgeblich durch die paulinische Briefliteratur bestimmt. Der 1. Petrusbrief ist dagegen wie auch der Epheser-, Jakobus-, Judas- und Hebräerbrief ein „frühchristlicher Diasporabrief“41, die alle von demselben unpersönlichen Charakter geprägt sind. Die Erwartung persönlicher Notizen beruht auf einer an den Paulusbriefen orientierten Vorstellung des Verhältnisses von Verfasser und Adressaten, das so in diesem Fall wahrscheinlich nie existierte.42 (3) „Babylon als Chiffre für Rom In 1Petr 5,13 wird der Abfassungsort mit „Babylon“ angegeben. Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Metapher für Rom. 43 Denn zum einen ist weder eine Missionstätigkeit von Petrus in Babylon, noch die Existenz einer christlichen Gemeinde in jener Stadt bzw. in ganz Mesopotamien im 1. Jh. nachweisbar.44 Zum anderen wird „Babylon“ auch in Apk 14,8; 16,19; 17,5; 18,2.10.21, sowie in frühjüdischen und frühchristlichen Schriften wie syrBar 10,1f.; 11,1; 67,7; 4Esr 3,1f.28.31; Sib 5,143.158f. als Metapher für 38 Vgl. die von S. PORTER gesammelten und herausgegebenen Beiträge in DERS., Diglossia; sowie HENGEL, Judentum, 108–114.191–195; DERS., Problem, v.a. 12–34; LUND, Language; RIESNER, Jesus als Lehrer, 382–392; DERS., Messianic Teacher, 416f. 39 Die einzigen Referenztexte sind die Petruspredigten in der Apostelgeschichte. Bereits SELWYN, 1Peter, 33–36, und jüngst W ITHERINGTON, 1–2Peter, 122–126, in betontem Anschluss an SELWYN haben auf die zahlreichen Berührungspunkte zwischen den Petruspredigten der Apostelgeschichte und dem 1. Petrusbrief hingewiesen. 40 Vgl. M ICHAELS, 1Peter, lv: „[T]he author consistently keeps his personality out of the letter.“ 41 Vgl. hierzu L. DOERING, First Peter, 229–236, sowie DERS., Apostle, 673ff. Nach DOERING ist auch das Aposteldekret in Act 15,23–29 zu dieser Briefgattung zu zählen. 42 Vgl. MICHAELS, 1Peter, lxii, der an einen semi-offiziellen Sendbrief der Gemeinde in Rom denkt und ihn mit der Sekretärshypothese verbindet: „But if, as appears likely, 1 Peter was a semi-official communication from the Christian community at Rome (similar in this respect to 1 Clement), addressed as a diaspora letter to a wide circle of congregations on the far frontiers of the Roman Empire, then it need not be assumed that Peter composed it personally.“ 43 „Babylon“ als Metapher für Rom entspricht auch der gegenwärtigen Mehrheitsmeinung der Exegeten, vgl. hierzu DOERING, Apostle, 668, Anm. 109, und M. DURST, a.a.O., passim, mit den entsprechenden Literaturhinweisen. 44 Vgl. zur frühesten Kirchengeschichte in Parthien und Babylonien SCHNABEL, Mission, 866–876, und zur Frage eines Petrusaufenthaltes in Babylon oder Babylonien neuerdings B AUM, Babylon, 181–184.

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Rom verwandt.45 Exakt an dieser Stelle entzündet sich nun aber der Zweifel an der petrinischen Verfasserschaft. Die genannten Stellen datieren alle nach 70 n.Chr. und verwenden die Metapher, weil sowohl die Babylonier als auch die Römer für die Zerstörung des Jerusalemer Tempels verantwortlich zeichnen.46 In der Tat handelt es sich bei „Babylon“ aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Ortsnamenmetapher, die im antiken Judentum und der frühen Christenheit sehr beliebt und weit verbreitet waren.47 Weit weniger eindeutig ist dagegen, dass der Vergleichspunkt zwischen dem bildspendenden Begriff „Babylon“ und dem bildempfangenden Ort die Eigenschaft der „tempelzerstörenden Stadt“ sein soll. A.D. Baum hat in einer eingehenden Untersuchung deutlich gemacht, dass mit dem bildspendenden Begriff „Babylon“ in der Antike eine Vielzahl von Vergleichsgrößen verbunden werden konnten.48 Allerdings deutet nichts darauf hin, dass der für Hunzinger49 zentrale Aspekt der „tempelzerstörenden Stadt“ hier im Vordergrund steht. Baum hat stattdessen gezeigt, dass im Licht der anderen, für den 1. Petrusbrief zentralen, Metaphern der „Fremde bzw. Fremdlingschaft“ (1Petr 1,1.17; 2,11) der Aspekt der „Stadt des Exils“ der deutlich näherliegende ist: „So wie ‚Babylon‘ für die Juden im 6. Jahrhundert v. Chr. Hauptstadt des Exils war, ist Rom für den ersten Petrusbrief und seine christlichen Leser im 1. Jahrhundert n.Chr. die Hauptstadt der irdischen Fremde, in der sie – fern der himmlischen Heimat – ihr Leben verbringen.“50 Wird „Babylon“ als eine Ortsnamenmetapher im Sinne einer „Stadt des Exils bzw. der Fremde“ verstanden, kann umgekehrt auch nicht mehr von einem Deck-, Tarn- oder Codenamen bzw. einem Kryptonym die Rede sein.51 Der Brief bedient sich an keiner anderen Stelle ähnlicher, verschleiernder Methoden. So werden auch die Gemeinden in den Gegenden und Provinzen in Kleinasien, an die der Brief adressiert ist, ohne spürbare Scheu genannt. Vielmehr ist zu bedenken, dass eine Angabe des Abfassungsortes bei keinem ntl. Brief als notwendig empfunden wurde. Wenn überhaupt, so erfahren wir immer nur beiläufig in anderen Zusammenhängen vom Abfassungsort.52 Das Nötige konnte in der Regel vom Briefüberbringer erfragt werden. (4) Der weit gestreute Adressatenkreis in Kleinasien Die Adressierung des Briefes in 1Petr 1,1 legt eine weite Verbreitung frühchristlicher Gemeinden in Kleinasien nahe, die man mit der Missionstätigkeit des Petrus nur schwer 45

Vgl. auch MShir 1,6,4: „Sie nannten den Ort Rom Babylon.“ Von großer Bedeutung war hier der Beitrag von HUNZINGER, Babylon, 71ff., aus dem Jahr 1965; ihm folgen u.a. SCHNELLE, Einleitung, 449, und POKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 703. 47 Vgl. B AUM, Babylon, 188–191. 48 B AUM, Babylon, 193–205. Babylon galt als (1) die Stadt der Sprachverwirrung, (2) große Stadt, (3) reiche Stadt, (4) schwer bezwingbare Stadt, (5) religiöse, götzendienerische Stadt, (6) tempelzerstörende Stadt, (7) Stadt des Exils und (8) als eine Stadt, die dem Untergang geweiht war. Es ist in 1Petr 5,13 nicht einfach, den vom Autor intendierten Vergleichspunkt zu identifizieren. In Frage kommen vor allem die letzten vier Optionen. 49 HUNZINGER, a.a.O., 67–77. 50 B AUM, Babylon, 215 (kursiv bei B.), ebenso J OBES, 1Peter, 164; kritisch dagegen DURST, Babylon, 435–438. 51 B AUM, Babylon, 216f. 52 Vgl. Röm 16,1; 1Kor 16,8.19; Hebr 13,24. 46

Exkurs 4: Zur Verfasserfrage des 1. Petrusbriefes

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in Verbindung bringen kann und die man erst in den letzten drei Jahrzehnten des 1. Jh. erwartet, aber noch nicht in den 60er Jahren.53 Der weit verstreute Adressatenkreis ist aber nur dann überraschend, wenn man davon ausgeht, dass der Autor die Gemeinden selbst besucht hat. Diese Voraussetzung ist aber alles andere als zwingend. Der Brief selbst deutet weder an, dass der Verfasser die Gemeinden schon einmal besucht hat, noch dass er sie besuchen will und auch nicht, dass die Adressaten ihm persönlich bekannt wären. Das Evangelium haben sie von anderen empfangen (1,12), von deren Identität und Mission wir im Neuen Testament leider so gut wie nichts erfahren, deren frühes Wirken wir deshalb aber auch nicht ausschließen können. (5) Ein Brief in das paulinische Missiongebiet? Es erscheint als fraglich, ob Petrus einen Rundbrief in eines der zentralen Missionsgebiete des Paulus schicken und diesen dabei im Brief völlig übergehen konnte, zumal Paulus zumindest in den Jahren 60–62 n.Chr. in Rom weilte, wenn auch unter Hausarrest (Act 28,30f.). Allerdings ist die Lokalisierung der Adressaten des 1. Petrusbriefes im paulinischen Missionsgebiet eine recht voreilige Festlegung. J. Herzer erhebt zu Recht Zweifel gegenüber einer Identität der Adressaten mit den von Paulus gegründeten Gemeinden.54 (6) Die Nähe zur paulinischen Theologie Auch wenn wichtige Themen der paulinischen Theologie wie z.B. die Torapolemik, die Gerechtigkeit aus Glauben, die Spannung zwischen Israel und der Gemeinde sowie die Gemeinde als Leib Christi fehlen, wurde der 1. Petrusbrief von vielen Exegeten bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in einer direkten Abhängigkeit von Paulus, konkret vom Römerbrief gesehen.55 Eine solche theologische Gefolgschaft erscheint nach allen Konflikten zwischen den beiden Protagonisten der lukanischen Apostelgeschichte als völlig ausgeschlossen. Gerade in jüngerer Zeit wurde jedoch mehrfach darauf hingewiesen, dass sich die postulierte Abhängigkeit von Paulus, die lange als Konsens galt, so nicht halten lässt.56 Die Ähnlichkeiten zu paulinischen Briefen beziehen sich meist nur auf einzelne Begriffe oder gar nur auf Wortstämme. Die Kontexte der postulierten Pauluszitate sind meistens paränetische Passagen, die auch dem großen Traditionsstrom frühchristlicher Katechetik entstammen können. Literarisch eindeutige Übereinstimmungen liegen nur bei atl. Zita53

SCHNELLE, Einleitung, 446; P OKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 703. HERZER, Petrus, 35–38.263f.; ähnlich B ERGER, Theologiegeschichte, 263; LINDEMANN, Paulus, 252, Anm. 129; vgl. dazu auch die Analyse der paulinischen Reisewege bei RIESNER, Frühzeit, 250–261. V.a. Pontus, Kappadokien und Bithynien tauchen weder im Corpus Paulinum noch in der Apostelgeschichte auf, vgl. aber Act 16,7. Von den in 1Petr 1,1 genannten Gebieten findet sich bei Paulus eigentlich nur Galatien, vgl. Gal 1,2. 55 Vgl. hierzu HORRELL, Product, 29–60; KARRER, Petrus, 222–225; GOLDSTEIN, Gemeinde, 12–17.50–103; GOPPELT, 1Petr, 48–51; BROX, 1Petr, 47–51, und KELHOFFER, Persecution, 94–96; vgl. auch die Literatur bei ACHTEMEIER, 1Peter, 15, Anm. 139.141.150f., sowie KELHOFFER, Persecution, 94, Anm. 3. 56 NEUGEBAUER, Deutung, 73–86; ELLIOT, Rehabilitation, 246–248.253f.; SHIMADA, Is 1 Peter Dependent on Ephesians?; DERS., Is 1 Peter Dependent on Romans?; KNOCH, 1Petr, 18.143–146; OSTMEYER, Taufe, 205f.; HERZER, Petrus, 257–269 und passim; STENSCHKE, Review of Herzer, 590f.; ACHTEMEIER, 1Peter, 15–19; vgl. auch die Literatur bei KELHOFFER, Persecution, 95, Anm. 4. 54

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ten vor, die ebenfalls zur allgemeinen frühchristlichen Tradition gehörten.57 Insbesondere J. Herzer hat dies in seiner umfänglichen Untersuchung zu diesem Thema bestätigt: „[V]or allem hinsichtlich der gemeinsamen Begriffe und Wendungen erweist sich, daß geprägte paulinische Termini und Vorstellungen nicht mehr als solche aufgenommen, sondern unabhängig von ihrem paulinischen Entstehungskontext inhaltlich neu entfaltet wurden. Von einem paulinischen Einfluß, einer paulinischen Prägung des 1Petr oder einer Abhängigkeit von der paulinischen Tradition kann daher nur mit äußerster Zurückhaltung gesprochen werden, während die Verschiedenheit wesentlich stärker hervorzuheben ist. [...] Der 1Petr muß als ein eigenständiges Zeugnis innerhalb der frühchristlichen Traditionen neben Paulus und seiner Schule wahrgenommen werden.“58 Es mag eine formale, linguistische und theologische Verwandtschaft zur paulinischen Briefliteratur geben, aber keine Abhängigkeit. Viel wahrscheinlicher ist eine grundsätzliche theologische Nähe beider Autoren und ein gemeinsames Schöpfen aus christlicher Tradition.59An dieser Stelle ist freilich umgekehrt zu fragen, warum ein Paulusschüler (oder Petrusschüler?) in nachapostolischer Zeit einen Brief mit paulinischer Begrifflichkeit garniert haben soll, dann den fiktiven Boten Silvanus erfindet, der im gesamten Neuen Testament durchweg als Begleiter und Co-Autor des Paulus auftaucht,60 und ihn dann dem Apostel Petrus zuschreibt. (7) Die historische Einordnung des Briefes Nach 1Petr 5,9, aber auch bereits nach der Adressatenliste in 1Petr 1,1, scheint die von den Adressaten erfahrene Bedrängnis eine reichsweite Christenerfolgung zu sein. Eine solche lässt sich aber zwischen der Mitte des 1. Jahrhunderts und den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts an den Quellen nirgendwo zweifelsfrei verifizieren. Dieser mittlerweile allgemein anerkannte Tatbestand bedeutet jedoch gleichzeitig, dass die Notiz auch für spätere Datierung nichts hergibt, und er bedeutet nicht, dass es nicht regionale Christenverfolgungen gegeben hat, so wie es immer wieder begrenzte Pogrome gegen zahlreiche Minderheiten im römischen Reich gab. Die lokal und regional verantwortlichen römischen Behörden hatten dann einen weiten Ermessensspielraum im Umgang mit Christen. Unterschiedliche Behörden konnten zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Regionen auch unterschiedliche Auslegungen der jeweiligen Gesetzeslage vornehmen. Sporadische Maßnahmen gegen Christen bedurften auch keines kaiserlichen Erlasses. Vielmehr war die verweigerte Teilnahme am Kaiserkult in Verbindung mit den Christen üblicherweise vorgeworfenen Straftatbeständen für die lokalen Behörden vollkommen ausreichend, um im Rahmen der gegebenen Gesetzeslage gegen Christen aktiv zu werden.61 Regionale Verfolgungen waren somit immer und überall

57 Vgl. 1Petr 2,6–8/Röm 9,32–33 mit Jes 8,14/28,16; 1Petr 2,10/Röm 9,25 mit Hos 2,25; 1Petr 2,4–6/Eph 2,20–22 mit Jes 28,16. 58 HERZER, Petrus, 260f. 59 Vgl. das Urteil von ACHTEMEIER, 1Peter, 19: „Rather, it appears that the language is more Pauline than the actual content; as a result, the notion of the dependence of 1 Peter on Pauline theology, to say nothing of literary dependence on the Pauline corpus, seems often to have been exaggerated.“ 60 Vgl. Act 15,40; 16,25; 17,4.10.14; 18,5; 2Kor 1,19; 1Thess 1,1; 2Thess 1,1. 61 BRINGMANN, Christentum, 5; vgl. auch BERGMEIER, Zeugnis, 622.646.

2 Struktur und Gliederung von 1Petr 2,4–10

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denkbar, jedoch ist, abgesehen von der neronischen Verfolgung und der im Pliniusbrief geschilderten Situation, keine historisch eindeutig belegbar.62 Im 1. Petrusbrief werden noch keine gewalttätigen Übergriffe erwähnt, erst recht nicht von Seiten der offiziellen Behörden. Eine traumatische Erfahrung wie die neronische Christenverfolgung (vgl. Tac Ann 15,44,4f.) ist auch bei dem aus Rom schreibenden Verfasser noch nicht wahrnehmbar, weshalb auch die Organe des römischen Reiches noch uneingeschränkt positiv bewertet werden. Das Zutrauen in einen demonstrativ positiven Lebensstil und die öffentliche Apologie des Glaubens ist noch ungebrochen (1Petr 2,12; 3,15). Historisch wäre damit auch ein Zeitfenster zwischen 60 und 65 n.Chr. und damit eine petrinische Verfasserschaft durchaus denkbar. (8) Fazit Die allgemeine Skepsis in der gegenwärtigen Forschung gegen eine petrinische Verfasserschaft lässt sich zumindest von der historischen Perspektive aus nicht rechtfertigen. Allerdings bleibt auch die Evidenz für eine petrinische Verfasserschaft vage und unsicher. Die Lage der Dinge ist zu kompliziert, um Urteile im Brustton felsenfester Überzeugung abgeben zu können. P. Achtemeier hat den Sachverhalt bereits am Anfang seines Kapitels zur Verfasserfrage treffend beschrieben: „However carefully or exhausttively that is done, it remains the case that conclusions will […] inevitably be based more on surmise than on hard evidence in either direction.“63 Angesichts dieser Quellenlage wird im Folgenden trotz einer gewissen Sympathie für die petrinische Verfasserschaft im Blick auf den Verfasser des Briefes schlicht vom „Autor“ die Rede sein.

2 Struktur und Gliederung von 1Petr 2,4–10 2 Struktur und Gliederung von 1Petr 2,4–10

2.1 Kontextanalyse Die Perikope ist der letzte Abschnitt des überwiegend paränetischen Eröffnungsteils (1,3–2,10) des 1. Petrusbriefes.64 Dieser erste Hauptteil65 stellt eine Art theologische Grundlegung des Briefes dar, in der die christliche 62 In die gleiche Richtung weist auch das Urteil von ENGBERG, Impulsore Chresto, 162: „[E]xperience from previously examined confrontations has shown that local authorities could take part in the resistance to Christianity. On the basis of this, it is more likely then that it were the local authorities that were involved in the reader’s ‘trial by fire’ than it was Nero or Domitian.“ 63 ACHTEMEIER, 1Peter, 2, Anm. 7, mit einem Zitat von MEADE, Pseudonymity, 166. 64 Zwar endet die Eulogie, die mit V. 3 beginnt, in V. 12, aber das mit V. 3 angesprochene Thema reicht bis 2,10, und die beiden Abschnitte 1,3–12 und 1,13–2,10 werden durch ein folgerndes dio, miteinander verknüpft. 65 Während sich die Abgrenzung des ersten Hauptteils auf einen einigermaßen großen Konsens stützen kann, erweist sich die weitere Gliederung als wesentlich schwieriger. Von 2,11–5,12 reicht der Hauptkorpus des Briefes, wobei es umstritten ist, ob man ihn noch einmal in die Abschnitte 2,11–4,11 und 4,12–5,11 untergliedern sollte, oder ob es sich hier lediglich um eine kleinere Zäsur einer thematisch nicht zu differenzierenden Einheit geht, vgl. zur Diskussion FELDMEIER, Christen, 136. Für eine Abgrenzung zwischen 4,1a und bc plädiert KELHOFFER, Persecution, 105.115.

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Identität im Licht der in Christus neu eröffneten Gottesbeziehung entfaltet wird. Nach Feldmeier geht es dem 1. Petrusbrief darum, „die Erfahrungen des Leidens im Licht von Gottes Zukunft neu zu qualifizieren und so aus der Anfechtung zur Gewißheit zu führen.“66 Entsprechend dominieren in ihm indikativische Aussagen, die das neue Sein bzw. die neue Identität der Christen beschreiben67 und in 2,4–10 ihre theologische Klimax finden. In diesen sieben Versen werden viele Themen des gesamten ersten Hauptteils (1,3–2,10) noch einmal motivisch in Erinnerung gerufen, wie Heiligkeit (2,5.9, vgl. 1,15f.22), Glaube und Vertrauen (2,6f., vgl. 1,7–9.21), Gehorsam und Ungehorsam (2,8, vgl. 1,14.22), Wort Gottes (2,8, vgl. 1,23–25; 2,2), Ruf Gottes (2,9, vgl. 1,15) und Barmherzigkeit (2,10, vgl. 1,13).68 Die Abgrenzung zu V. 3 ist ambivalent.69 Einerseits schließt V. 4 relativisch an ku,rioj in V. 3 an, der ebenso christologisch ausgerichtet ist wie V. 4. Andererseits wird die Zäsur schon durch den abrupten Wechsel von Stil, Sprache und Wortfeld angezeigt. Während V. 1–3 von einem paränetischen Charakter und den Motiven der Wiedergeburt (w`j avrtige,nnhta bre,fh) und der Speise geprägt sind, dominiert ab V. 4f. die Steinmetapher und das Hausbau-Motiv. Darüber hinaus haben V. 4–10 einen deutlich indikativischen Charakter.70 Die abrupten und disharmonischen Bildwechsel im 1. Petrusbrief gaben und geben den Auslegern immer wieder Rätsel auf. So vollzieht sich der Motivwechsel von den „neugeborenen Babys“ und der „vernünftigen, unverfälschten Milch“ zum „lebendigen Stein“ völlig unvorbereitet und unmotiviert. Über die Gründe für diese Zusammenstellung wur66

FELDMEIER, Christen, 140 (kursiv bei F.). FELDMEIER, Christen, 134. Begrifflich dominieren Begriffe wie swthri,a , klhronomi,a, e;lpij und pi,stij. 68 HERZER, Petrus, 183f., macht auf die Rolle der Exodustradition im gesamten Eröffnungteil, 1Petr 1,13–2,10, aufmerksam: Es beginnt mit dem Motiv des „Gürtens der Lenden“ in V. 13, vgl. Ex 12,11, und reicht über die soteriologischen Motive des Loskaufs in 1,18, vgl. Ex 13,2–16; Jes 52,3, des (Passa)Lammes in 1,19, vgl. Ex 12,5; Jes 53,7, bis zur „königlichen Priesterschaft“ und dem „heiligen Volk“ in 2,5.9, vgl. Ex 19,6. 69 Eine Reihe älterer Kommentare betrachtet den Abschnitt 2,1–10 als Einheit; vgl. REICKE, Epistles, 88, und SCHWEIZER, Priesthood, 286, Anm. 1. In der Tat findet sich auch zwischen 1,25 und 2,1 sowohl eine inhaltliche (vgl. 1,23–25: Wort Gottes, mit 2,1– 3: Ermahnung) als auch formale (vgl. 1,23–25: Indikativ, mit 2,1–3: Imperativ) Zäsur. Man könnte 2,1–3 und 2,4–10 als zwei Unterabschnitte eines Abschnitts bezeichnen und mit der Überschrift „das ethische und geistliche Leben der Erwählten und Geheiligten“ überschreiben. 70 Charakteristisch für den 1. Petrusbrief im Ganzen ist der Wechsel zwischen Imperativ und Indikativ, wobei anders als bei Paulus indikativische Formulierungen nachträglich vorhergehende imperativische Aussagen begründen. So werden die paränetischen Ausführungen des ersten Hauptteils, vgl. 1,13–17; 1,22; 2,1–3, mit indikativischen Passagen, vgl. 1,18–21; 1,23–25; 2,4–10, begründet, wobei 2,4–10 die Klimax dieses ersten Hauptteils bildet. Der Wechsel setzt sich auch in den folgenden Kapiteln fort: Imperativ in 2,11–20; 3,1–17; 4,1–13; 5,1–9; Indikativ in 2,21–25; 3,18–22; 4,14–19; 5,10f. 67

2 Struktur und Gliederung von 1Petr 2,4–10

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den zahlreiche Erwägungen angestellt.71 Ein wichtiger Fortschritt war Bests Hinweis auf 1Kor 3,2 (Milch!).6–8.9–17; v.a. V. 9 (Ackerfeld und Bau) und Eph 2,21 (ähnlich Eph 4,12.16), wo sich ebenfalls die Wachstums- und Hausbaumetaphern berühren.72 Beide Metaphern sind durch das semantische Feld „Wachstum“ bzw. „Entwicklung“ miteinander verbunden.73 Schließlich weist Martin darauf hin, dass im ersten Hauptteil des 1. Petrusbriefes die oi=koj-Metapher das dominierende Konzept für den ontologischen Status der Gemeinde bzw. ihrer Mitglieder ist.74 Durch die Doppelbedeutung des Begriffes oi=koj im Sinne von (Groß)Familie und Gebäude (das eine Familie beherbergt) ist der Begriff geeignet, die auf den ersten Blick so disharmonischen Metaphern der „gehorsamen Kinder“ (1,14), des göttlichen pater potestas (1,17), der Geschwisterschaft (1,22), der „neugeborenen Kinder“ (2,2) und des „geistlichen Hauses“ im Sinne des Tempels (2,5) unter einem Konzept zu vereinen.75

Der folgende Abschnitt 2,11–17 bildet den Auftakt zum zweiten Hauptteil des Briefes76 und ist deutlich durch die feierliche, paränetische und an die grundlegenden Themen des 1. Petrusbriefes erinnernde Einleitung in V. 11 (avgaphtoi,( parakalw/ w`j paroi,kouj kai. parepidh,mouj) von V. 4–10 unterschieden. 2.2 Textstruktur 2.2.1 Beobachtungen In 2,4–10 springt schon auf den ersten Blick die Fülle atl. Zitate und Begriffe ins Auge. In hoher, ja für ntl. Verhältnisse einzigartiger Dichte werden atl. Zitate, Anspielungen, Kultbegriffe und Theologumena aneinandergereiht, und es lässt sich nur schwer ein Überblick über die Struktur dieses Textes gewinnen. Erst bei näherem Hinsehen heben sich einzelne Themenkomplexe voneinander ab. So wird V. 4–8 von der li,qoj-Metapher geprägt, die in V. 6–8 durch ein Florilegium atl. li,qoj-Belege breit ausge71 ACHTEMEIER, 1Peter, 153, zählt in einem Exkurs zu dieser Frage nicht weniger als sieben Lösungs- bzw. Erklärungsvorschläge für diesen abrupten Bildwechsel auf. Unter anderem wurden V. 3 und 4 auf dem Hintergrund von Mysterienreligiosität gedeutet, in der Milch und Steine eine gemeinsame Rolle spielen, vgl. HILLYER, Spiritual Milk, 126. Weitere Ableitungen wurden von 1QH 9,28; Dtn 32,18; Joel 4,18; der Quelle von 1Kor 10,4 und schließlich von Y 33,9 erwogen. Keines dieser Modelle ist jedoch wirklich überzeugend. 72 BEST, Reconsideration, 281; vgl. auch VIELHAUER, Oikodome, 121.133, und MARTIN, Metaphor, 178.180. 73 Auch V IELHAUER, Oikodome, 74f., betrachtet die Verquickung von Wachstumsund Baumetapher als traditionell und führt in Anm. 4 eine lange Liste atl., frühjüdischer, griech.- und jüdisch-hellenistischer Beispiele für die Verbindung an. 74 MARTIN, Metaphor, 161–188, der in diesem Zusammenhang von einem „oi=kojcluster“ spricht. 75 MARTIN, Metaphor, 185.187. 76 Vgl. GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 34: „Der Neuansatz ist offenkundig. Während bisher Ermahnung und Heilsverkündigung stets in engster Verflechtung erschienen, wird jetzt die Paränese ganz ausdrücklich.“

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führt wird. Während der Autor mit Hilfe der in V. 4 eingeführten li,qojMetapher in V. 6–8 ein christologisches Thema in tempeltheologischem Horizont entfaltet, wendet er sich in V. 5 seinen Lesern bzw. der Gemeinde zu. Das kultisch geprägte li,qoj-Motiv als Synonym für den Tempel/das Heiligtum wird hier ebenfalls aufgenommen, aber nun vom Autor selbst auf die Gemeinde übertragen und über das Bild des Haus- bzw. Tempelbaus weiter ausgeführt (w`j li,qoi zw/ntej oivkodomei/sqe oi=koj pneumatiko,j). Bedeutend für die Gesamtstruktur von 1Petr 2,4–10 ist, dass die beiden Begriffe i`era,teuma a[gion in V. 9 wiederkehren, wenn auch in neuen Syntagmata. So wie der christologische und tempeltheologische li,qoj-Vergleich von V. 4 in V. 6–8 ein Echo findet, so wird auch das ekklesiologische Thema von V. 5 in V. 9f. wieder aufgenommen. Die Begriffe in diesen beiden letzten Versen ranken sich um das Thema „Gottesvolk“. Mit dem li,qoj-Motiv und dem Gottesvolkthema sind die beiden zentralen Motive von V. 4–10 genannt: Es geht um Jesus Christus als neuem Tempel und um die glaubende Gemeinde, die zu diesem Christus-Tempel auferbaut wird. Beide werden maßgeblich durch das Erwählungsthema charakterisiert und beide bilden so die zwei elliptischen Brennpunkte des gesamten Abschnitts, wobei das christologische li,qoj-Motiv letztlich eine dienende Funktion zur Charakterisierung und Vergewisserung der Gemeinde als dem neuen Gottesvolk hat.77 Es liegt also ein Parallelismus zwischen V. 4f. und V. 6–10 vor, wobei V. 4 und 6–8 einerseits und V. 5 und 9 andererseits in einer Korrelation stehen.78 2.2.2 Alternativen J.H. Elliot hat dafür plädiert, dass die Zitatensammlungen von V. 6–8 und 9f. nicht Auslegungen oder Schriftbeweise von V. 4 bzw. 5 sind, sondern dass umgekehrt V. 4 „contains a condensation and reformulation of longer, more original material contained in vv. 6–7“.79 Ein entsprechendes Ver77

Vgl. hierzu auch GOLDSTEIN, Paulinische Gemeinde, 57f. Einen völlig abweichenden Gliederungsvorschlag hat SCHWEIZER, Priesthood, 285ff., unterbreitet, der in 2,1–10 eine Dreiteilung in V. 1–3.4–6.7–10 vornimmt, ebenso REICHERT, Praeparatio, 112ff. Dies würde jedoch den gesamten li,qoj-Komplex von V. 6–8 sprengen und zwischen V. 6 und 7 eine Zäsur postulieren, die sowohl sprachlich wie inhaltlich ganz unwahrscheinlich ist. 79 ELLIOT, Elect, 19.146; vgl. auch DERS., 1Peter, 407f.; FELDMEIER, 1Petr, 88; BROX, 1Petr, 94f.; zustimmend GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 46.50: „So darf man vermuten, daß die VV. 4–5 eine vom Vf. den Schriftstellen vorausgeschickte theologische Interpretation der Zitatenfolge darstellen.“ ELLIOT verweist auf die Wiedergabe der atl. Zitate. Während V. 6–10 relativ eng am LXX-Wortlaut bleibt, beinhaltet V. 4f. deutliche Neuformulierungen, Zusammenfassungen und Reflexionen dieser Zitate in z.T. chiastisch vertauschter Reihenfolge dar: V. 6–7: Jes 28,16 – Y 117,22 [– Jes 8,14]; V. 4: Y 117,22 – Jes 28,16. 78

2 Struktur und Gliederung von 1Petr 2,4–10

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hältnis nimmt Elliot dann auch für V. 5 auf der einen und V. 9f. auf der anderen Seite an. Sachlich müsste nach Elliot eigentlich V. 6–10 vor dem zusammenfassenden V. 4f. gelesen (und interpretiert) werden, jedoch beginnt die Textfolge in 2,4–10 mit der antizipierenden und konzentrierenden Zusammenfassung und lässt die ausführlichere Begründung folgen.80 Diesem Modell hat drei Jahre später E. Best widersprochen.81 Im Anschluss an eine Untersuchung des Gebrauchs atl. Belege im 1. Petrusbrief kommt er zu dem Fazit, dass diese stets eine vom Autor selbst gemachte Aussage wiederholen und sie gleichzeitig inhaltlich weiterentwickeln.82 Dies trifft zweifellos für V. 6–8 im Verhältnis zu V. 4 zu, wo das christologische und tempeltheologische li,qoj-Motiv im Blick auf die NichtGlaubenden, die den Stein verwerfen, weiter entfaltet und vertieft wird. Es trifft auch für V. 9f. im Verhältnis zu V. 5 zu:83 Während V. 5 die Bestimmung der Gemeinde nur metaphorisch mit dem Darbringen „geistlicher Opfer, die Gott wohlgefällig sind“, beschreibt, wird diese Bestimmung in V. 9 durch die Verkündigung der avretai, Gottes wesentlich konkreter entfaltet.84 Auch umgekehrt lässt sich V. 5 von V. 10 überhaupt nicht und von V. 9 nur sehr gezwungen ableiten. Eine inhaltliche Kongruenz besteht nur zu den Begriffen i`era,teuma a[gion und zur ekklesiologischen Thematik als solcher. Deshalb wollen Best und Michaels V. 6–10 in einer Linie mit dem generellen Gebrauch atl. Belege im 1. Petrusbrief als eine vertiefende, entfaltende und weiterführende Auslegung der V. 4f. verstehen.85 Dieses Modell ist zwar für das Verhältnis von V. 5 zu V. 9f. eindeutig plausibler,86 aber für das Verhältnis von V. 4 zu V. 6–8 trotz der eben konstatierten Entfaltung des in V. 4 anklingenden Motivs in V. 6–8 ganz unwahrscheinlich. Denn V. 6–8 nehmen aufgrund der Ähnlichkeit zu Röm 9,32f. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine vorliegende Tradition auf (→VII.4.1). Diese wurde vom Autor zwar redigiert und 80

So auch B ROX, 1Petr, 94–96; MICHAELS, 1Peter, 94f.99; B AUCKHAM, James, 310f. Aufgrund dieser Argumentationsstruktur entscheidet sich ELLIOT dafür, V. 4–5 erst nach V. 6–10 am Ende seiner Untersuchung auszulegen; vgl. DERS., Elect, 146–198. 81 BEST, Reconsideration, 270–278. 82 BEST, Reconsideration, 275.278. 83 Außer den beiden Stichworten i`era,teuma und a[gion ist hier jedoch keine terminologische Überschneidung festzustellen. 84 So neben B EST, ebd., auch M ICHAELS, 1Peter, 110. 85 BEST, Reconsideration, 278; MICHAELS, 1Peter, 110. 86 Es geht hier nach MICHAELS, 1Peter, 101, weniger um eine „Textgrundlage“, die antizipierend zusammengefasst wird, als vielmehr um einen durch zwei miteinander verschmolzene Schriftzitate (die in V. 10 durch ein weiteres konflationiertes Zitat ergänzt werden) hergestellten thematischen Anknüpfungspunkt, der V. 5 als „schriftgemäß“ begründet und gleichzeitig fortführt, wobei noch offen ist, ob die Sammlung der atl. Anspielungen in 9f. dem Autor bereits vorgegeben waren.

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kommentiert, aber in der Zusammenstellung der drei Belege geht sie nicht auf ihn zurück. Von daher wurde V. 4 mit Sicherheit von V. 6–8 her formuliert und nicht umgekehrt. 2.2.3 Ergebnis Während für V. 4 und 6–8 Elliots Modell zu favorisieren ist, erweist sich für V. 5 und 9f. Bests Vorschlag als plausibler. Wir werden uns wohl von dem Ideal einer Universallösung für die Entstehung des Abschnitts verabschieden und mit komplexen Zusammenhängen rechnen müssen. Während Bests Modell einer Weiterführung bestimmter Themen mit Hilfe atl. Zitate grundsätzlich auch für 1Petr 2,4–10 gilt, muss für V. 6–8 aufgrund der ähnlichen Zitatenkombination in Röm 9,32f. mit einer Vorlage gerechnet werden, auf die hin V. 4 antizipierend entworfen wurde, die dann aber durch die midraschartige Kommentierung selbst wieder eine Weiterführung und Vertiefung von V. 4 darstellen. V. 9f. stellt dagegen eine wesentlich freiere und unabhängigere Ausführung von V. 5 dar, deren Zusammenstellung vermutlich ganz auf den Autor zurückgeht. Dieser könnte dazu allerdings Anleihen bei traditionellen Schriftbeweisen genommen haben, worauf die Nähe von V. 10 zu Röm 9,25f. hindeutet. Entsprechend schwierig ist auch die Übersetzung des V. 4f. mit V. 6–10 verbindenden dio,ti. Sowohl die kausale Bedeutung „weil/denn“, als auch die konsekutive Bedeutung „deshalb“ sind möglich. Während sich für das Verhältnis von V. 4 zu V. 6–8 die kausale Bedeutung aufdrängt, stellt V. 9f. eher eine Entfaltung von oder Folgerung aus V. 5 dar. Goldstein schlägt daher für V. 6a die offene Übersetzung „dazu heißt es in der Schrift“ vor, die in der Tat das komplexe Verhältnis am wenigsten eng führt.87 Betrachtet man die Perikope aus der Perspektive der Abfolge der Themen „Stein“ – „Reaktion auf den Stein“ – „Wesensbestimmung der Gemeinde“, so ergibt sich zwischen V. 4f. und V. 6–10 auch eine parallele Struktur:88 A B C A’ B’ C’

87 88

Christus, der lebendige Stein (V. 4a) Unterschiedliche Einschätzungen dieses Steins (V. 4b) Wesensbestimmung der an ihn glaubenden Gemeinde (V. 5) Christus der kostbare und erwählte Stein (V. 6a) Unterschiedliche Einschätzungen dieses Steins (V. 6b-7a und 7b-8) Wesensbestimmung der an ihn glaubenden Gemeinde (V. 9f.)

GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 106f. Vgl. ACHTEMEIER, 1Peter, 160, Anm. 139.

2 Struktur und Gliederung von 1Petr 2,4–10

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2.3 Textimmanente Bezüge Elliots bleibendes Verdienst besteht darin, dass er auf die vielfältigen begrifflichen Verflechtungen aufmerksam gemacht hat, die zwischen diesen Versen bestehen, und die in der folgenden Darstellung sichtbar werden:89 Vers 6–8 Vers 4 6 dio,ti perie,cei evn grafh/|( VIdou. ti,qhmi pro.j o]n proserco,menoi li,qon zw/nta u`po. avnqrw,pwn me.n avpodedokimasme,non para. de. evn Siw.n li,qon avkrogwniai/on evklekto.n qew/| evklekto.n e;ntimon( e;ntimon kai. o` pisteu,wn evpV auvtw/| ouv mh. kataiscunqh/|Å 7 u`mi/n ou=n h` timh. toi/j pisteu,ousin( avpistou/sin de. li,qoj o]n avp edoki,masan oi` oivkodomou/ntej( ou-toj evgenh,qh eivj kefalh.n gwni,aj 8 kai. li,qoj prosko,mmatoj kai. pe,tra skanda,lou\ oi] prosko,ptousin tw/| lo,gw| avpeiqou/ntej eivj o] kai. evte,qhsanÅ Vers 9–10 Vers 5 9 ~Umei/j de. ge,noj evklekto,n( kai. auvtoi. w`j li,qoi zw/ntej oivkodomei/sqe basi,leion i`era,teuma( e;qnoj a[gion( lao.j oi=koj pneumatiko.j eivj i`era,teuma a[gion avnene,gkai pneumatika.j qusi,a j eivj peripoi,hsin( o[pwj ta.j avreta.j evxageuvprosde,ktouj Îtw/|Ð qew/| dia. VIhsou/ Crisgei,lhte tou/ evk sko,touj u`ma/j kale,santoj tou/Å eivj to. qaumasto.n auvtou/ fw/j\ 10 oi[ pote ouv lao.j nu/n de. lao.j qeou/( oi` ouvk hvlehme,noi nu/n de. evlehqe,ntejÅ

2.4 Syntaktische und semiotische Beobachtungen V. 4 beginnt mit einem relativischen Anschluss an V. 3: pro.j o]n proserco,menoi. Die Partizipialkonstruktion bezieht sich dabei auf o` ku,rioj am Ende von V. 3. Der ku,rioj wird nun in V. 4 mit der auf einem breiten atl. Bildmotiv basierenden Metapher des Steins, und zwar eines „lebendigen Steines“, als eschatologischer Tempel umschrieben. Die Metapher wird sofort im Anklang an Y 117,22 und Jes 28,16 polarisierend gedeutet: von Menschen verworfen, bei Gott kostbar. Dabei erweist sich wie schon erwähnt V. 4 als summarische Antizipation von V. 6–8. Die Metapher des Steines wird in V. 5 weitergeführt, nun aber auf die Gemeinde übertragen, 89

Vgl. ELLIOT, Elect,17ff. Die obige Darstellung ist mit Elliots ausführlicherer Analyse nicht völlig deckungsgleich, sondern will lediglich die zahlreichen Begriffsverbindungen markieren. Die fettkursiv gedruckten Begriffe markieren die vertikale Relation zwischen V. 4+5, die nur fett gedruckten Begriffe markieren die horizontalen Parallelen zwischen V. 4 und 6–8 einerseits und V. 5 und 9f. andererseits, die nur kursiv gedruckten Worte markieren die vertikalen Parallelen und Doppelungen innerhalb von V. 5 einerseits und von V. 6–10 andererseits, wobei es sich sowohl um Parallelen zwischen V. 6–8 und 9f. als auch um Parallelen innerhalb der jeweiligen Textpassagen handeln kann.

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die eine Gemeinschaft der „lebendigen Steine“ bildet. Der Satz wird dominiert durch den Indikativ Passiv, der die li,qoj-Metapher mit dem Motiv des Haus- bzw. Tempelbaus verbindet. Ausschlaggebend für den Vorzug des Indikativ Passiv90 sind v.a. folgende Gründe: (1) Das Verb hat in seiner passiven Form nirgendwo in der LXX einen imperativen Sinn. Die reflexive Medium-Form ist hier nicht belegt. (2) Im Neuen Testament sind alle nicht-aktiven Formen von oivkodomei/n stets passiv, niemals medial (Lk 4,29; 6,48; 1Kor 8,10; 14,17). Gleiches gilt für die verwandte Form evpoikodomei/n in Eph 2,20 und Kol 2,7. (3) In 1Thess 5,11 ist deutlich ein imperativischer Sinn formuliert und entsprechend wird die aktive Form gebraucht (oivkodomei/te), nicht die mediale. Auch in Jud 20 wird das wechselseitige „sich einander auferbauen“ ebenfalls nicht mit einer medialen Form, sondern mit einer aktiven Form und einem reflexiven Pronomen gebraucht (evpoikodomou/ntej e``a utou,j). (4) Ein imperativischer Sinn würde einen weiteren Bruch im an sich bereits inhomogenen Bildgebrauch des Verses bedeuten, da man Steinen keine Befehle erteilen kann. Die Metapher des Steins bzw. der Steine legt ein indikativisches und passivisches Geschehen nahe. (5) Während fast alle anderen Hauptverben in 1,13–2,10 im Imperativ stehen, formuliert der Autor den zusammenfassenden Schlussabschnitt des ersten Hauptteils im Indikativ. Hier geht es um das Wesen der Gemeinde, das sie nicht ihrem Bestreben verdankt, sondern der göttlichen Erwählung. Eine imperativische Formulierung wäre hier irreführend. (6) Schließlich deuten auch sämtliche Hauptthemen des Abschnitts wie Erwählung und Heiligkeit auf einen indikativischen Charakter hin, wobei dieses Argument zugegebenermaßen nicht mehr als ein Indiz ist.

Die auf den Autor zurückgehende Verknüpfung der beiden Motive als Bild für die Gemeinde ist von der Bildseite her nur vordergründig betrachtet unharmonisch. Wenn die Steinmetapher – wie sich noch zeigen wird – sowohl in ihrer messianischen wie tempeltheologischen Bedeutung zu verstehen ist und das Syntagma oi=koj pneumatiko,j weniger als „geistliches Haus“, sondern vielmehr als „geistlicher Tempel“ verstanden wird, dann wirkt die Fortführung mit zwei Begriffen aus dem Bereich des atl. Kultus 90 Für die Deutung von oivkodomei/sqe als 2. Person Plural Präsens Indikativ Passiv entscheiden sich W OHLENBERG, 1Petr, 54f. (mit ausführlicher Diskussion); SELWYN, 1Peter, 159; HORRELL, Epistles, 40; MICHAELS, 1Peter, 97.100; GRUDEM, 1Peter, 100; B LINZLER, IERATEUMA, 50f.; ELLIOT, Elect, 16, Anm. 1; 163, Anm. 1; DERS., 1Peter, 413; B ALCH, Wives, 124; MARSHALL, 1Peter, 66f.; ACHTEMEIER, 1Peter, 149.155; JOBES, 1Peter, 156; W ITHERINGTON, 1–2Peter, 114; MBUVI, Temple, 109. Für die Übersetzung als Imperativ Passiv/Medium plädieren GOPPELT, 1Petr, 144; MARTIN, Metaphor, 181, und FELDMEIER, 1Petr, 90. SCHELKLE, 1Petr, 58, Anm. 2, betrachtet das Problem als unentscheidbar. GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 93f., sieht die Unentscheidbarkeit der Frage als im Duktus des Briefes begründet, in dem immer wieder Indikativ und Imperativ ineinander verwoben sind. Er sieht die Alternative und das Problem daher nur für die deutsche Übersetzung gegeben.

3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5)

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(i`era,teuma a[gion und pneumatika.j qusi,aj) nicht mehr als ein scharfer Bruch des Hausbaumotivs,91 sondern als eine Weiterführung des Kultmetaphorik. Welche semantische Synergie in dieser Motivkollation steckt, wird die spätere Auslegung zeigen. In V. 6–8 liegt ein Florilegium aus drei atl. Belegen (V. 6b: Jes 28,16; V. 7b: Y 117,22; V. 8a: Jes 8,14) vor, deren Auswahl durch den allen gemeinsamen li,qoj-Begriff motiviert ist. Die mehrfachen ntl. Anspielungen und Zitierungen dieser Verse deuten darauf hin, dass es sich dabei um ein schon festgeprägtes Florilegium handelt, das seinen prominenten Platz im urchristlichen Schriftbeweis hatte. V. 6–8 werden inklusorisch gerahmt durch das Verb ti,qhenai in V. 6b und 8b. Damit ist auch das Thema der Erwählung bzw. der göttlichen „Setzung“ als zentrales Thema dieses Abschnitts unterstrichen. Über das Stichwort evklekto,j wird das Thema in allen drei Teilen verankert (V. 4.6.9).92 Während V. 6–8 durch das Stichwort li,qoj zusammengehalten wird, scheint V. 9f. durch eine Reihe von Ehrenprädikaten dominiert zu sein. Diese waren im Alten Testament Israel vorbehalten und werden nun metaphorisch auf die Gemeinde übertragen. Eher unwahrscheinlich ist, dass es sich um einen traditionell vorgeprägten lao,j-Komplex handelt, da das Stichwort lao,j in den zentralen, aus Ex 19,6 übernommenen Formulierungen gar nicht auftaucht.93 Klar ist dagegen, dass auch hier wieder ein Florilegium atl. Belege vorliegt, wobei in V. 9 die Exodusformel (Ex 19,6) mit Jes 43,20f. geradezu verflochten wurde, während die Anspielungen auf Hos 1,6.9 und 2,3.25 in V. 10 gesondert stehen. An V. 5 erinnern hier nur noch die beiden Glieder der Exodusformel (basi,leion i`era,teuma( e;qnoj a[gion) aus Ex 19,6, die in V. 5 mit dem neu gebildeten Syntagma i`era,teuma a[gion eine Art Ankündigung erfahren.

3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5) 3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5)

Eine crux interpretum in der bisherigen Erforschung dieser beiden Verse ist die irritierende Inhomogenität der verwendeten Bilder. Auf der einen Seite die li,qoj-Metapher, die später in V. 6–8 zum thematischen Bezugspunkt für eine midraschartige Verschmelzung dreier atl. li,qoj-Verse wer91

FELDMEIER, 1Petr, 89, meint, dass das Bild „im katechetischen Interesse strapaziert“ wird. Entsprechend auch das Urteil von ELLIOT, Elect, 163: „This transition was not accomplished without a certain lack of syntactical cohesion, however.“ 92 B AUCKHAM, James, 311; ELLIOT, 1Peter, 407.424. 93 ELLIOT, Elect, 138f.; DERS., 1Peter, 408. B AUCKHAM, James, 311, will dennoch von lao,j als dem verbindenden „catchword“ von V. 9f. sprechen.

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den wird, und auf der anderen Seite das vollständige Arsenal von atl. bzw. antiken Kultbegriffen. Eine der Thesen, die durch die folgenden Ausführungen begründet wird, ist, dass die li,qoj-Metapher von dem bzw. den lebendigen Stein(en) kein kultfremdes Bild darstellt, sondern bereits atl. und frühjüdisch als ein Synonym für ein Heiligtum bzw. den Tempel verwendet wurde. Versteht man die Metapher in diesem Sinne, dann entfaltet sich eine erstaunliche Kongruenz zur Tempeldiskussion in den Evangelien und zur Rede von der Gemeinde als Tempel bei Paulus. 3.1 „Zu ihm herzutretend“ Der relative Anschluss an den vorigen Vers durch den einleitenden Partizipalsatz wirft eine Reihe von Fragen auf. Während klar ist, dass sich pro.j o]n proserco,menoi auf o` ku,rioj in V. 3 bezieht, könnte der Satzanfang durch das Zitat aus Y 33,9 in 2,3 (Stichwort [ev]geu,sasqe) motiviert sein, da Y 33,6 mit den Worten prose,lqate pro.j auvto,n beginnt.94 Offen ist jedoch, wie dieses „Herzutreten“ zu verstehen ist.95 Für ein indikativisches Verständnis sowohl des Partizips wie des Hauptverbs oivkodomei/sqe in V. 596 spricht neben der indikativischen Grundstruktur des gesamten Abschnitts auch,97 dass diese Konstruktion eines initialen Partizips und eines diesem folgenden finiten Indikativverbs häufig im 1. Petrusbrief zu beobachten ist.98 Prose,rcesqai bezeichnet in der LXX und im Frühjudentum das Nahen der Priester zu Gott bzw. dem Heiligtum.99 Ein ganz analoger Begriffsgebrauch liegt im Hebräerbrief vor, wo es ebenfalls durchgängig um das (kultische) Nahen zu Gott geht.100 Damit ist der kultische Horizont, unter 94

So J OBES, 1Peter, 145. GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 86, will Y 33 gar als Scharnier zwischen 2,1–3 und 2,4f. verstehen. 95 BROX, 1Petr, 97 , der das „Geht zu ihm“ mit „stellt euch auf seine Seite“ paraphrasiert und es als „‚Parteinahme‘ für den verachteten Verworfenen“ verstehen möchte, deutet das Partizip im Sinne eines Bekenntnisaktes. Die Frage ist jedoch, ob das Partizip wirklich imperativisch zu verstehen ist. MICHAELS, 1Peter, 97, interpretiert die Formulierung als Resultat der christlichen Mission: „as more and more of you come to him“, und ELLIOT, 1Peter 409, interpretiert die Wendung als Ausdruck der Solidarität christlicher Konvertiten mit ihrem Herrn. Dieser Sinn ist für prose,rcesqai allerdings nirgendwo sonst belegt. 96 Vgl. →VII.2.4, Anm. 90. 97 ELLIOT, Elect, 16.163, Anm.1; MICHAELS, 97. 98 Vgl. 1Petr 1,8.13.22; 2,12.20(2x).23(2x); 3,18f., vgl. ELLIOT, 1Peter, 409. 99 KETTER, Priestertum, 45; SEIDENSTICKER, Opfer, 264; B EST, Reconsideration, 283; DERS., Spiritual Sacrifice, 280f.; GRUDEM, 1Peter, 97; ACHTEMEIER , 1Peter, 153. Vgl. Lev 9,7f.; 21,17f.; 22,3 u.ö.; Phil Imm 8; Sacr 12; VitAd 29,4; äthHen 14,24; 15,1; Jub 17,16; grBar 11,9. 100 Hebr 4,16; 7,25; 10,1.22; 11,6; 12,18.22; vgl. auch Röm 5,2, sowie KETTER, Priestertum, 45. Hebr 4,16 spricht vom „Hinzutreten zum Thron der Gnade mit Freimut“.

3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5)

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dem die folgenden Aussagen zu verstehen sind, markiert. Die kultische Deutung entspricht auch dem inhaltlichen Duktus von V. 4f.: Geht es im atl. Kultgeschehen um das Hinzutreten der Priester und Opfernden zum Heiligsten und Allerheiligsten des Tempels als dem Ort der Präsenz Gottes, so geht es nun um das glaubende Hinzutreten zu Christus, der in Kreuz und Auferstehung als der eschatologische Ort der heilvollen Gegenwart Gottes offenbart wurde und nun als „lebendiger Stein“ der eschatologische Tempel ist. Für den Autor des 1. Petrusbriefes wie für die gesamte frühe Christenheit ist Jesus Christus nicht nur an die Stelle des Jerusalemer Tempels getreten, sondern zum neuen, eschatologischen Tempel geworden (vgl. Joh 2,19; Eph 2,20 u.ö.). Das „Hinzutreten“ ist daher als eine metaphorische Beschreibung des Glaubens in der Sprachwelt kultischer Wirklichkeit zu verstehen: Die Glaubenden treten in die Gegenwart des ku,rioj als dem eschatologischen Heiligtum und werden in dieser Gegenwart selbst in ein solches transformiert. Wird die Metapher der „lebendigen Steine“ als Synonym für „Tempel/Heiligtum“ verstanden, dann werden die Herzutretenden zu einem solchen „geistlichen Haus“ und einer „heiligen Priesterschaft“ auferbaut (V. 5). Mit dieser Satzeinleitung stellt der Autor den gesamten Abschnitt in einen kultischen Horizont, in dem es um das „Zu-Gott-Kommen“ des Menschen bzw. um die Herstellung der Kontaktund Begegnungsfähigkeit des Menschen mit Gott durch Jesus Christus geht. In sachlicher Hinsicht entspricht die Satzeinleitung damit Röm 5,2. Wie in →VI.2.5 gezeigt, bedient sich Paulus mit dem Terminus prosagwgh, einer kultischen Metapher, die den Glauben als einen (priesterlichen) „Zugang“ zum heiligen Präsenzbereich Gottes bestimmt. Durch diese prosagwgh, im Glauben wird den Glaubenden eine Integrität und „Kultfähigkeit höherer Ordnung“ und letztlich ein priesterlicher Status verliehen, der sie zur räumlich vorgestellten Nähe, Begegnung und Gemeinschaft mit Gott befähigt. Exakt dieser Sinnzusammenhang darf nun auch für 1Petr 2,4 vorausgesetzt werden: Als „heilige bzw. königliche Priesterschaft“ sind die Glaubenden legitimiert, zum neuen Tempel, dem „lebendigen Stein“ Jesus Christus herzuzutreten. 3.2 Der lebendige Stein Die christologisch gewendete Metapher des Steins, die für unsere modernen Ohren sehr abrupt und völlig unvorbereitet eingeführt zu werden SCHRÖGER, Gemeinde, 105, formuliert für die Hebr-Belege als Ergebnis: „prose,rcesqai beschreibt in 7,25; 10,1; 11,6; 12,18.22 in theologischer Weise, was den Glaubenden durch den Tod Jesu erwirkt wurde: das ‚Hinzutreten‘ zu Gott“, das sich SCHRÖGER in einem gottesdienstlichen Zusammenhang vorstellt, was aber eine vom Kontext her kaum belegbare Engführung wäre.

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scheint, ist augenscheinlich dem li,qoj-Florilegium entnommen, das in V. 6–8 kommentierend zitiert wird.101 Mit diesem Motiv greift der Autor jedoch eine durch und durch kultisch konnotierte Metapher für den Jerusalemer Tempel auf, wie der folgende Exkurs zeigen soll. Exkurs 5: Zur Traditionsgeschichte der Stein- und Felsmetapher Exkurs 5: Zur Traditionsgeschichte der Stein- und Felsmetapher Während in der antiken Gräzität die Formulierung li,qoj zw/n nicht belegt ist, bezeichnet in zahlreichen lateinischen Schrift der vivum saxum den naturbelassenen Stein bzw. Felsen.102 Dagegen ist der Begriff li,qoj in der Gräzität eher der behauene, bearbeitete, baufertige Stein, während pe,tra den großen und unbehandelten Felsen in seiner natürlichen Umgebung bezeichnet.103 Der Unterschied der beiden Begriffe lässt sich prägnant in Mk 15,46/Mt 27,60 zeigen: Das Grab Jesu wurde in einen natürlichen Felsen (pe,tra) hinein gehauen, während der Stein (li,qoj), mit dem das Grab verschlossen wurde, ein handwerklich hergestellter Rundstein war. Im Blick auf die (tempel)theologische und christologische Verwendung der Steinmetapher spielt dieser Unterschied nicht immer eine Rolle. Hier finden beide Begriffe eine metaphorische Deutung. Die wahrscheinlich früheste Stufe des bereits atl. Metaphorisierungsprozesses ist die theologische Ebene: Die Stein-/Felsmetapher wurde auf Gott bzw. die Götter fremder Völker (vgl. Dtn 32,31.37; Jes 31,9) übertragen. Jahwe ist der Fels (Israels) und als solcher ein Ort der Sicherheit, Verlässlichkeit und Treue.104 Die Stein- und Felsmetapher scheint schon früh ein Epitheton des Gottes Israels bzw. Jerusalems gewesen zu sein.105 (1) Stein/Fels als Tempelmetapher In einer zweiten Stufe bekam der Begriff „Stein“ bzw. „Fels“ schon in vorexilischer Zeit eine metaphorische Bedeutung für den Tempel bzw. das Heiligtum Gottes, die sich auch im Frühjudentum belegen lässt. Grundlage dieser Metaphorisierung könnte entweder die topographische Lage des Zion auf einem großen Felsen oder 1Kön 5,31 sein, wo vom Gebot Salomos an seine Tempelbauhandwerker berichtet wird, „große Steine, kostbare [bzw. wertvolle] Steine zu brechen, um das Haus [des Tempels] auf Quadersteinen [d.h. behauenen Steinen] zu gründen“.106 1Kön 6,7 erwähnt dann, dass die zum Tempelbau benötigten Steine bereits vollständig zugerichtet waren, so dass man auf der Baustelle keinen Lärm von Steinwerkzeugen hörte. Die Größe und Schönheit der Tempelsteine war noch in ntl. Zeit sprichwörtlich (vgl. Mk 13,1par; Jos Bell 5,184-206; bSuk 51b). Jes

101 Vgl. Mk 12,10/Mt 21,42/Lk 20,17 und Act 4,11 mit Ps 118[117],22; Mt 21,44/Lk 20,18 mit Dan 2,34f.44f., und Röm 9,32f. mit Jes 8,14 und 28,16. 102 Vergil Aen 1,166; 3,688; Ov Met 5,316; 13,810; 14,713; Ov Fasti 5,661; Ov Her 6,88; vgl. dazu P LUMPE, Vivum saxum; sowie MARTIN, Metaphor, 175f., Anm. 132. 103 Vgl. Ex 17,6; Num 20,8.10, vgl. 1Kor 10,4; Jes 28,16; Y 80,17; Mt 7,24f.; 27,51; Lk 6,48; 8,6.13; Apk 6,15f. 104 Dtn 32,4.15.18.31; 1Sam 2,2; 2Sam 23,3; Jes 17,10; 26,4; 30,29; 44,8; Hab 1,12; Ps 18,3.32.47; 19,15; 28,1; 31,3; 62,3.7; 73,26; 75,6; 78,35; 89,27; 92,16; 94,22; 95,1; 144,1. 105 HILLYER, Imagery, 58. 106 Bedauerlicherweise gibt es keine LXX-Übersetzung dieses Verses. 1Kön 5,31 fehlt in der LXX; an V. 30 schließt hier direkt V. 32 an.

Exkurs 5: Zur Traditionsgeschichte der Stein- und Felsmetapher

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28,16 ist dann der erste Beleg für eine Metaphorisierung entweder des topographisch auf dem Zionsberg gelegenen Felsens oder der Quadersteine von 1Kön 5,31: „Darum, so spricht der Herr Jahwe: Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen Burgstein, einen kostbaren Eckstein, felsenfest gegründet [LXX: eivj ta. qeme,lia Siw.n li,qon polutelh/ evklekto.n avkrogwniai/on e;ntimon]. Wer [LXX: auf ihn] vertraut, wird nicht ängstlich eilen [LXX: nicht zuschanden].“ Im Anschluss an die Prahlerei der Führer Judas in V. 15 formuliert der Prophet ein Gottesurteil, in dem ein Stein als Ausdruck der Solidität und Verlässlichkeit im Gegenüber zum Lug und Trug der Führer des Südreichs (V. 15) die zentrale Rolle einnimmt. Die Identität des Steins ist nicht eindeutig.107 Klar ist durch die Formulierung „felsenfest gegründet“ nur, dass es sich um einen Fundamentstein handeln muss. W. Beuken plädiert neuerdings dafür, dass es sich um einen terminus technicus für einen Fundierungsquader beim Tempelbau handelt,108 denn das Wortfeld sowie der Kontext deuten klar auf die Grundsteinlegung eines Tempels hin.109 In seiner metaphorischen Bedeutung „kann sich der Grundstein nur auf Zions Erwählung durch JHWH beziehen, indem er dort Wohnung nimmt.“ Der Tempel ist der Ausgangspunkt von Jahwes Herrschaft und der „Stein“ dient somit in Anlehnung an 1Kön 5,31 als Synonym im Sinne eines pars pro toto für den Tempel, der in der Verkündigung Jesajas als Ort der Gegenwart Jahwes zum Fokus des glaubenden Vertrauens wird.110 Auch in Jes 8,14LXX ist die Parallelität des Steins zum (Tempel)Heiligtum Gottes offensichtlich. Im Satzanfang von Jes 8,14LXX – der in 1Petr 2,8a zwar nicht zitiert wird, aber dem Autor sicher präsent gewesen sein muss – wird der Stein, der für die NichtVertrauenden ein Stein des Anstoßes ist, für die Vertrauenden zu einem Heiligtum (a``gi,a sma).111 Ein tempeltheologischer Bezug liegt spätestens auch in der Rezeptionsgeschichte des für die Verkündigung Jesu und das ganze Neue Testament so wichtigen Psalmenbelegs Y 117,22 nahe. In diesem Gebet eines leidenden Gerechten dankt dieser Gott im ersten Hauptteil des Psalms zunächst für die Erlösung von seinen Bedrückern (vgl. V. 5–18). Der zweite Hauptteil (V. 19–29) hebt sich dagegen sowohl in stilistischer als auch in szenischer Hinsicht davon ab.112 Die Szenerie bewegt sich vom Tor (der Stadt oder des Tempels?) bis zum Altar im Tempelhof. Zum äußeren Ausdruck seines Dankes will der Beter durch das „Tor Jahwes“ (V. 20) einziehen. Im Licht des Segenswunsches für „die vom Hause Jahwes“ (V. 26) und der Erwähnung eines Festes (V. 27), ist mit diesem Tor aller Wahrscheinlichkeit nach das Tor des Jerusalemer Tempelvorhofs gemeint. Trifft dieser Zusammenhang zu, dann handelt es sich bei dem „Stein, den die Bauleute verworfen haben“, um einen Eckstein des Tempels, der von den Bauarbeitern zunächst als untauglich aussortiert wurde, sich dann aber als höchst geeignet erwies. Die Frage, welcher Stein mit hnp var gemeint sein könnte, ist umstritten und wohl nur vom Kontext her zu 107 Die Übersetzung der Steinbegriffe, speziell von !x;Bo !b,a,, schließt an B EUKEN, Jes 28–39, 42.77, an. 108 BEUKEN, Jes 28–39, 77; vgl. 1Kön 5,31; 7,9–11; Jer 51,26; Ps 118,22; Hi 38,6. W ILDBERGER, Jes 28–39, 1064.1075, übersetzt ähnlich mit „Fundamenteckstein“, denkt dagegen bei !x;Bo !b,a, eher an einen „Stein der Erprobung“, ebd., 1076. 109 W ILDBERGER, Jes 28–39, 1076. 110 W ILDBERGER, Jes 28–39, 1075, erinnert an die Asylfunktion des Heiligtums. 111 BEST, Reconsideration, 283. 112 HOSSFELD/ZENGER, Ps 101–150, 327.

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entscheiden.113 E. Zenger argumentiert aufgrund der Sichtbarkeit des Steins gegen einen Fundamentstein und für einen wichtigen Eckstein im oberen Teil des Gebäudes, evtl. einen Giebel- oder Schlussstein.114 Der Stein erhält somit überraschender- und wunderbarer Weise eine zentrale Funktion für den Tempel, um dessen Bau es hier geht.115 Dieser Eckstein wird im Kontext von Y 117 zu einer Metapher für den leidenden Gerechten, der nicht nur von Heiden (V. 10), sondern wohl auch von seinen Volksgenossen nicht nur geringgeschätzt, sondern sogar verfolgt, dann aber von Gott vor aller Augen gerechtfertigt wurde.116 Ein weiterer Beleg für den synonymen Gebrauch von Tempel und Stein bzw. für die Verwendung der Steinmetapher als pars pro toto für den Tempel findet sich auch in der Reflexion über den Bau des nachexilischen Tempels in Sach 4,6–10: „Da antwortete er und sprach zu mir: Dies ist das Wort des Herrn an Serubbabel: Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht Jahwe der Heerscharen. Wer bist du, großer Berg? Vor Serubbabel werde zur Ebene! Und er wird den Schlussstein [hv'aroh' !b,a,h'] herausbringen unter lautem Zuruf: Gnade, Gnade für ihn! Und das Wort des Herrn geschah zu mir: Die Hände Serubbabels haben die Grundmauern dieses Hauses gelegt, und seine Hände werden es vollenden. Und du wirst erkennen, dass Jahwe der Heerscharen mich zu euch gesandt hat. Denn wer hat den Tag kleiner Anfänge verachtet? Und sie werden sich freuen und den Schlussstein [lydIB.h; !b,a,h'] in der Hand Serubbabels sehen.“ Stehen die großen, kostbaren Quadersteine in 1Kön 5,31 am Anfang des salomonischen Tempelbaus, so steht der Schlussstein in der Hand Serubbabels in Sach 4,7.10 für die Vollendung des nachexilischen Tempelbaus. Beide werden somit zu pars-pro-totoSynonymen für den Tempel. Der synonyme Gebrauch von Stein/Fels (LXX pe,tra) und Zelt (LXX skhnh/) im Sinne der Stiftshütte bzw. des Tempels findet sich auch in Y 26,5: „Denn er wird mich bergen im Zelt [evn skhnh/|] an meinen bösen Tagen, er wird mich verbergen im Versteck seines Zeltes [th/j skhnh/j auvtou/]; auf einen Felsen wird er mich heben [evn pe,tra| u[ywsen me].“ Analog zum Stein/Felsen kann auch der „Berg“ als Synonym für den Tempel(berg) dienen (vgl. Sach 4,7) und in Jes 30,29 als „Fels Israels“ (laer'fy rWc) beschrieben werden. Insofern ist es nur konsequent, wenn Tan Gen 6,20 den Schlussstein des Tempels aus Sach 4,7 mit dem Stein aus Dan 2,34f. identifiziert. Sollte dieser Stein, der „ohne Hände“ „vom Berg“ herunterkommt, ebenfalls tempeltheologische Bezüge haben,117 ergäbe sich eine Nähe zu dem „nicht mit Händen gemachten Tempel“ aus dem Neuen Testament.118 Auch in den Qumranschriften findet sich in 1QS 8,7f. eine Stelle, in der in Aufnahme von Jes 28,16 eine Stein- oder Gebäudemetapher auf die eschatologische Gemeinschaft 113 DALMAN, Arbeit und Sitte VII, 66, plädiert für einen Quaderstein im Fundament, dagegen votiert JEREMIAS, Eckstein, für die Deutung als Schluss- bzw. Zinnenstein. 114 HOSSFELD/ZENGER, Ps 101–150, 329. 115 ZENGER, ebd., 329, vermutet, dass es um den Kontext des Wiederaufbaus des zerstörten Tempels geht; vgl. Jes 28,16; Sach 4,6–10; Neh 3,34; 6,16. 116 B EALE, Temple, 184; vgl. auch TestSalomo 22,7–23,4 wo auf eben diesen Stein aus Ps 118 Bezug genommen wird. 117 So die Überzeugung von B EALE, Temple, 144–153. 118 Vgl. Mk 14,58; 2Kor 5,1; Hebr 9,11.24 sowie Act 7,48.

Exkurs 5: Zur Traditionsgeschichte der Stein- und Felsmetapher

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bezogen wird, die sich selbst als (Interims)Tempel verstand. Möglicherweise spielte hier die tempeltheologisch verstandene Metapher eine bedeutende Rolle bei der Aufnahme in die Gemeinschaft.119 Im rabbinischen Judentum findet sich ferner die Vorstellung, dass die Schöpfung vom Zionsfelsen aus, der als „Nabel der Welt“ verstanden wird, ihren Anfang nahm. Dieser Felsen sei von Gott in die Chaosfluten des Ozeans gesetzt worden, um damit den Schlund der großen Tiefe zu verschließen und um als Burgstein für seinen Tempel zu dienen (mYom 5,2; bYom 54b; TPsJ zu Ex 28,29). (2) Stein/Fels als messianische Metapher Die Verwendung des Stein- bzw. Felsbegriffs als messianische Metapher lässt sich erst im Frühjudentum belegen. Die erste messianische Deutung des Begriffs finden wir bereits in einer LXX-Übersetzung von Jes 28,16.120 Die meisten Handschriften lesen hier ein gegenüber dem masoretischen Text hinzugefügtes evp v auvtw/|: „[W]er auf ihn (d.h. auf den kostbaren und auserwählten Stein) vertraut, wird nicht zuschanden.“ Die Hinzufügung verändert signifikant den ursprünglichen Sinn des Verses. Nun ist der Stein die Grundlage für die Sicherheit und das Objekt des Glaubens. Der Weg zu einem personalen und damit auch messianischen Verständnis war eröffnet und es ist kein Zufall, dass sich evp v auvtw/| auch in den Zitaten der Jesaja-Stelle in Röm 9,33 und 1Petr 2,6 findet.121 In den Targumim zu Jes 28,16 und Ps 118,22–29 finden sich dann eindeutige messianische Anspielungen, in denen der Stein bzw. Eckstein mit einem (mächtigen) König und Herrscher (TJes 28,16) und mit einem Jugendlichen, der im Anschluss als David enthüllt wird, identifiziert wird (TPs 118,22ff.). Im Talmud wird Jes 8,14 auf den kommenden Davidssohn und den Beginn des messianischen Zeitalters bezogen (bSanh 38a). Auch der Stein aus Sach 4,7 und 4,10 wird in Tan Gen 6,20 (par Aggadath Bereshith 33a) mit dem Messias identifiziert.122 Wie verbreitet die messianische Konnotation der Steinmetapher war, zeigt sich in Justins Dialogus com Tryphone. Als der Jude Trypho mit dem li,qojTitel als messianischem Attribut für Jesus konfrontiert wird, ist dies für ihn in sich folgerichtig, auch wenn er die Messianität Jesu bestreitet.123 (3) Ergebnis Alle diese Belege zeigen, dass die Stein- und Felsmetaphern in den hier relevanten atl. Texten schon im Frühjudentum tempeltheologisch und/oder messianisch interpretiert werden konnten und im Judentum des 2. Jh. n.Chr. gängige und akzeptierte tempeltheologische und messianische Metaphern waren. 119

So BETZ, Felsenmann, 51. Auch in Sib 4,8 wird der Stein als pars pro toto-Äquivalent für den Tempel gebraucht. 120 JEREMIAS, Art. li,qoj, 276. 121 H ILLYER, Imagery, 59. Es ist eine häufig diskutierte Frage, ob das im LXX-Text enthaltene evpV auvtw/| eine spätere christliche Interpolation ist, so GOPPELT, 1Petr, 148, Anm. 49, oder schon zum ursprünglichen Text gehört hat. Es fehlt im MT und in LXX MS B, ist aber in MS A enthalten. Die Frage lässt sich letztlich nicht eindeutig klären. Wenn es sich allerdings tatsächlich um eine Interpolation handelt, dann hätte sie bereits vor der Abfassung des Römer- und 1. Petrusbriefes in den LXX-Text eingefügt worden sein müssen. SNODGRASS, Formation, 99, argumentiert deshalb für die Präsenz der Worte im vorchristlichen Text. 122 Vgl. hierzu auch JEREMIAS, Art. li,qoj, 276f. 123 Just Mart Dial 34,2 und 36,1; vgl. auch SELWYN, 1Peter, 158.

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Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Aufnahme von Y 117,22 durch Jesus selbst in Mk 12,10/Mt 21,42/Lk 20,17.124 Sowohl der tempeltheologische wie der messianische Bezug sind hier evident: Wenn sich Jesus mit jenem Eckstein des Tempels identifiziert, den die Bauleute verworfen haben, dann erhebt er einen messianischen Anspruch. Er bezeichnet sich damit als das entscheidende Element bzw. „Baustück“ des neuen, eschatologischen Tempels und Ortes der Präsenz Gottes, der von den zeitgenössischen jüdischen „Bauleuten“ (vgl. yYom 3,40c; MShir 1,5 und Bill. 1,876) verkannt und verworfen wird,125 aber letztlich durch den im Schriftbeweis dokumentierten Willen Gottes gerechtfertigt und erhöht wird. Diese Deutung von Y 117,22 ist in Lk 20,17f. auch mit Dan 2,34f. verknüpft.126 Dort zerstört ein Stein „ohne [Zutun von] Menschenhände[n]“ das Standbild der vier Weltreiche. Im Zusammenhang mit Ps 117[118],22 und im Kontext des Weingärtnergleichnisses wird dann Jesus als der Stein gedeutet, an dem die jüdischen Autoritäten scheitern. In Anbetracht dieser langen und breiten Traditionsgeschichte des Begriffs ist es nicht mehr überraschend, dass die Metapher im frühen Christentum auf breiter Front als nunmehr tempeltheologisch-messianischer Schriftbeweis auf Jesus Christus hin gedeutet wurde.127 Auch die Spannung, dass Christus sowohl als Fundament-, Eck- oder Schlussstein auf der einen, als auch als der Tempel selbst auf der anderen Seite identifiziert wird, beruht nicht auf einer begrifflichen Inkonsistenz, sondern auf der Breite des Begriffsfeldes: „The former picture underscores that he is the fulfilment of the foundation of the eschatological temple, while the latter affirms that he is the fulfilment of the prophecies of the temple, and he is the substance which the Old Testament temples foreshadowed.“128 Exakt diese Begriffsbreite lässt sich nun auch in 1Petr 2,4f. beobachten: Jesus ist der „lebendige Tempel(stein)“ und auf ihm als Grundstein wird „das Haus/der Tempel der lebendigen Steine“ als Metapher der Gemeinde auferbaut. 3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5)

Begreift man die li,qoj-Metapher als bereits atl. und frühjüdisch gängiges Synonym für den Tempel und seit der Zeit des zweiten Tempels auch als messianische Metapher, dann fügt sich der Begriff logisch sinnvoll in die 124

Es war vor allem J. J EREMIAS, der sich für die Authentizität des Logions ausgesprochen hat, Art. li,qoj, 277. Ihm folgen GUNDRY, Verba Christi, 221; BEST, Gospel Tradition, 101; ELLIOT, Elect, 32, mit Bezug auf SELWYN, 1Peter, 269; ELLIS, Use, 88. Skeptisch dagegen GOPPELT, 1Petr, 142. Für eine frühe mündliche, möglicherweise aramäische Tradition spricht, dass das „Verwerfen“ bei den Synoptikern mit avpodokima,zein wiedergegeben wird, während es in Act 4,11, trotz Lk 20,17f., mit evxouqenei/n überliefert ist. 125 Vgl. auch KIM, Jesus, 138–148. 126 Nach HILLYER, Imagery, 73, ist das Verb likma/n in Lk 20,18 nur von Dan 2,44LXX(Q) her verständlich. 127 Act 4,11; Röm 9,32f.; Eph 2,20; 1Petr 2,4.6–8; Barn 6,2–4; EvThom 66. Im Licht dieser Traditionsgeschichte wäre auch Mt 16,18 noch einmal neu in tempeltheologischer Hinsicht zu bedenken. Es wäre zu prüfen, ob sich mit dem Logion nicht der Anspruch verbindet, dass unabhängig von der umstrittenen Frage, auf wen oder was sich die pe,troj-Identifikation bezieht, vgl. hierzu CARAGOUNIS, Peter and the Rock, die Gemeinde als der neue Ort der Gottespräsenz proklamiert wird, weil sie auf den einen, traditionsgeschichtlich tempeltheologisch normierten pe,troj gegründet worden ist. LUZ Mt II, 462f., hält diesen Gedanken zwar für „verführerisch“, bleibt aber insgesamt skeptisch. 128 BEALE, Temple, 263.

3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5)

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durchweg kulttheologische Terminologie der beiden Verse ein. Christus wird durch die li,qoj-Metapher als der eschatologische Tempel und Ort der Präsenz Gottes präsentiert, zu dem die Adressaten wie Priester im Kult herzutreten sollen, wodurch sie selbst zu „lebendigen Steinen“ dieses pneumatisch-metaphorischen Tempels werden. Auch wenn der Autor seinen Lesern bekanntes und verbreitetes Traditionsgut mitteilt, so fügt er doch durch das Partizip zw/n eine eigene Erweiterung hinzu.129 Das Partizip muss als ein Hinweis auf die Auferstehung verstanden werden: Christus ist der „lebendig gemachte“ (Tempel)Stein (vgl. zw|opoihqei,j in 3,18).130 Im Hintergrund der nun folgenden antithetischen Beschreibung dieses messianischen (Tempel)Steins steht das bekannte Kontroversschema „Kreuzigung-Auferweckung“.131 Dieses wird hier zum ersten Mal mit Hilfe der bereits aus der Jesustradition bekannten li,qoj-Metapher (vgl. Mt 21,42/Mk 12,10/Lk 20,17), und dem Vokabular der beiden ersten li,qojBelege aus V. 6f. (Y 117,22; Jes 28,16LXX) in umgekehrter Reihenfolge entfaltet:132 von Menschen verworfen (avpodedokimasme,non), bei Gott auserwählt und kostbar (evklekto.n e;ntimon).133 In diesem Kontroversschema ist die Auferweckung Jesu der Beweis für die Fehleinschätzung der „jüdischen Baumeister“ und die göttliche Rehabilitation Jesu. Mit dem Kontroversschema spricht der Autor die Verborgenheit, Unscheinbarkeit und Missverständlichkeit als einen wesentlichen Grundzug der irdischen Gestalt Jesu und der Gemeinde an. Dasselbe Unverständnis 129

Dafür spricht schon allein die Tatsache, dass die Wendung in der gesamten ntl. und antiken (vorchristlichen) Gräzität singulär ist, und zum anderen, dass die lateinischen Parallelen des vivum saxum im Kontext von 1Petr 2,4f. keinen Sinn ergeben. MICHAELS, 1Peter, 98, weist darauf hin, dass das Partizip bereits vorher an prominenter Stelle im 1. Petrusbrief Verwendung fand (1Petr 1,3.23) und spricht sogar von „Petrine vocabulary“. Im frühen Mittelalter taucht die Bezeichnung in medizinischen Schriften als Umschreibung eines Magneten auf, vgl. Aetius Amidenus Lib med 7,61,22; Paulus Aeginta Epitomae Lib med 7,17,75. 130 Vgl. 1Petr 1,3; 3,21f.; Lk 24,5; Act 1,3; Apk 1,18. So SCHELKLE, 1Petr, 57; MARSHALL, 1Peter, 67; ACHTEMEIER, 1Peter, 154; W ITHERINGTON, 1–2Peter, 113f.; MBUVI, Temple, 102, vgl. auch ELLIOT, Elect, 34: „zw/nta describes the stone as the ‚livingʻ stone. This adjective does not connote allegorical or mythical, mystical or polemical associations but primarily the result of God’s election and favor, that is, resurrection.“ Dagegen denkt SELWYN, 1Peter, 158, auch noch an eine Reihe weiterer Bezüge, wie z.B., dass Christus selbst Ps 118,22 auf sich bezogen und erfüllt habe, dass Christus beziehungs- und kontaktfähig ist, oder dass der Stein für die jüdische Hierokratie stehe. Er bringt auch die johanneischen Analogien zum „lebendigen Wasser“, Joh 4,14, und „Brot des Lebens“, Joh 6,35, ins Spiel. Keiner dieser Vorschläge kommt jedoch über den Grad des Spekulativen hinaus. 131 Mk 8,31parr; 9,31par; 10,33f.; Lk 24,46; Act 2,23f.; 4,10; 10,39f.; 13,29f. 132 Darauf macht wiederum ELLIOT, Elect, 34, aufmerksam. 133 Vgl. Act 3,14f.; 5,30; 10,39f.; 13,29–31.

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und dieselbe Zurückweisung, unter dem Jesus zu leiden hatte, trifft nun auch die Gemeinde, wobei die „Zurückweisenden“ nunmehr nicht nur die Juden, sondern alle nichtglaubenden Menschen sind. Gleichzeitig darf sich die Gemeinde im Glauben an Jesus auch derselben Erwählung und Kostbarkeit bzw. Ehre in den Augen Gottes gewiss sein, die vom „lebendigen Stein“ Jesus Christus ausgesagt wird. Im Kontext des 1. Petrusbriefes konnten die Leser zweifellos ihre Situation im Licht dieses Kontrastschemas deuten, auch wenn es vom Autor nicht explizit auf die Gemeinde übertragen wird.134 Das Adjektiv e;ntimoj gehört zum Wortfeld timh, (1Petr 1,7; 2,7; 3,7), tima/n (1Petr 2,17), ti,mioj (1Petr 1,19) und polu,timoj (1Petr 1,7), das in der mediterranen Welt der Antike und bis heute in allen schamorientierten Kulturen eine immense Bedeutung hat.135 Es geht dabei um Kategorien wie Wert(schätzung), Ansehen und Sozialprestige. Der Kontrastbegriff ist entsprechend „Schande“, die für den einzelnen „Scham“ zur Folge hat. Im Rahmen von 1Petr 2,4–10 (und des ganzen Briefes) wird Heil bzw. Unheil immer wieder in den Kategorien von Ehre bzw. Scham zum Ausdruck gebracht: Der von Menschen verworfene, d.h. missachtete, nicht geschätzte Stein „Jesus Christus“ war ohne gesellschaftliche Ehre und damit nach menschlichem Urteil heillos. Eben dieser Stein kommt nun para. qew/| zu Ehren. Genau dasselbe vollzieht sich nun auch mit den Gemeindegliedern, die ebenso wie Christus in ihrem gesellschaftlichen Umfeld soziale Ächtung und Stigmatisierung erfahren. Im Rahmen des Zitats aus Jes 28,16 in V. 6 werden sie als solche, die auf den lebendigen (Tempel)Stein Jesus Christus vertrauen, nicht „zuschanden“ werden (mh. kataiscunqh/|). Wieder wird das zu erwartende Heil in Kategorien des Ehr- bzw. Schamdenkens ausgedrückt, was auch im anschließenden Kommentar in V. 7a (u`mi/n ou=n h` timh. toi/j pisteu,ousin) und in den „Ehren“prädikaten von V. 9f. unterstrichen wird. Umgekehrt haben die Nicht-Glaubenden im eschatologischen Gericht „Schande“ als Kontrastbegriff zur „Ehre“ zu erwarten (V. 7f). Im Rahmen einer schamorientierten Kultur muss der gesellschaftliche Prestigeverlust, den die Gemeindeglieder aufgrund ihres Glaubens zu verkraften hatten, zum Leiden der Adressaten gezählt werden (vgl. 1Petr 2,12.13–17.18–25; 3,1–7.8.13–17; 4,1–6.12–16; 5,10f.).

3.3 Die lebendigen Steine Die Übertragung der christologischen Aussage von V. 4 auf die ekklesiologische in V. 5 beschränkt sich auf die Metapher des „lebendigen Steins“ als Ausdruck für den Mensch gewordenen, gekreuzigten und vom Tode auferstandenen neuen eschatologischen Tempel und Ort der Präsenz Gottes. Diese Übertragung ist im Rahmen der frühchristlichen Tradition der 134 So richtig gesehen von B ROX, 1Petr, 96; FELDMEIER, 1Petr, 88; ACHTEMEIER, 1Peter, 154. Letzterer will die Zurückweisung Jesu und der Gemeinde jedoch alternativ verstehen und entscheidet sich gegen die jüdische Verwerfung Jesu als Verständnishorizont. Es ist jedoch gerade die Schematik „so wie er, so auch ihr“, die der Aussage ihre Überzeugungskraft verleiht. 135 Gesehen von ELLIOT, 1Peter, 411; vgl. dazu MALINA, Honor and Shame; DERS., Welt, 40–66.

3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5)

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Metapher völlig neu und originär.136 Die Glaubenden werden im Plural als li,qoi zw/ntej und damit auf dem Hintergrund der tempeltheologischen Konnotation der Steinmetapher als Bausteine eines eschatologischen Tempels angesprochen.137 Diese Prädikation ruft unweigerlich die paulinische Identifikation der Gemeinde, aber auch ihrer einzelnen Glieder als Tempel in Erinnerung (vgl. 1Kor 3,16f.; 6,19; 2Kor 6,16; siehe auch Eph 2,19–22). Mit der Übertragung der Metapher des „lebendigen (Tempel)Steins“ auf das Kollektiv der Gemeinde ist ein neues Sein impliziert: Durch das (priesterliche) „Herzutreten“ zum ku,rioj Jesus Christus als dem eschatologischen Tempel(stein) bekommen die Glaubenden Anteil an seiner Identität ohne mit ihm zu verschmelzen. Dies gilt nun in doppelter Hinsicht: So wie Christus verworfen wurde, erleben sich die Adressaten als ausgegrenzte „Fremde“ im Kontext ihrer paganen Mitwelt. Im Licht der Verwerfung Christi können und sollen sie diese irritierenden Erfahrungen verstehen.138 Aber so wie Christus sind damit auch sie „erwählt“ und „kostbar“.139 Die Hoheitsaussagen gelten nun auch den Glaubenden als Gemeinde, wobei die Gemeindeglieder nur als Kollektiv ihrer Bestimmung, als „lebendige Steine“ und als „geistliches Haus“ eine „heilige Priesterschaft“ zu bilden, gerecht werden können.140 136

Die Hausbaumetapher wird auch in 1Kor 3,9–15 und Eph 2,19–22 auf die Gemeinde angewandt und stets wird Christus als Fundament bzw. Eckstein vorgestellt. Jedoch werden die einzelnen Glaubenden dort nicht als Steine bezeichnet. Der Vergleich von (erwählten) Menschen mit einem Stein bzw. Steinen findet sich neben Jes 28,16 und Y 117,22 auch in den Qumranschriften, vgl. 1QS 8,7–8; 1QpHab 10,1 und bei Ign Eph 9,1; zum jüdischen Hintergrund vgl. auch FORD, Jewel. Doch auch diese Belege stellen nicht den Hintergrund der Übertragung dar, denn die Formulierung li,qoi zw/ntej leitet sich eindeutig von der christologischen und tempeltheologischen Prädikation Jesu als li,qoj zw/n ab. 137 B LINZLERS Ableitung der Metapher der „lebendigen Steine“ für die Glaubenden vom „Lebensbegriff“ ist dagegen völlig unwahrscheinlich, vgl. a.a.O., 52–54. MBUVI, Temple, 102, möchte in der Qualifikation der Christen als „lebendige Steine“ auch einen intendierten Kontrast zu den „‘unliving‘ stones of the literal temple“ heraushören, so auch bereits SELWYN, 1Peter, 158, der an den Kontrast der lebendigen, christlichen Gemeinden zu den „toten“ Steinen der paganen Tempel denkt. 138 Richtig gesehen von J OBES, 1Peter, 148, die darauf hinweist „that the living stones will suffer as the Living Stone has suffered, not in spite of being chosen by God but because they are chosen by God“ (kursiv bei J.). 139 Auch GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 125, weist darauf hin, dass die Metapher vom Bau mit dem Grundstein und den anderen Steinen nur dann einen Sinn ergibt, „wenn man den Gedanken der Einheit als tertium comparationis zwischen Bild- und Sachhälfte auffaßt“. 140 Die Satzkonstruktion in V. 5 ist sehr kompliziert, weil das sich aus dem Verb ergebende Subjekt „ihr“ mit drei Zusätzen (auvtoi,, li,qoi zw/ntej, oi=koj pneumatiko,j) überlastet ist. Da die Wendung oi=koj pneumatiko,j noch vor der eivj-Konstruktion steht, ist sie eher als Apposition zu den li,qoi zw/ntej zu verstehen – auch wenn zwischen beiden das

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Was dies für die Adressaten in ihrer bedrängten Lage bedeutet haben mag, ist unschwer vorzustellen. Während die Umwelt polemisch, diffamierend und ausgrenzend reagiert, „adelt“ sie der Autor des 1. Petrusbriefes mit einem aristokratischen Identitätszuspruch. Durch diese Stärkung ihres Selbstbewusstseins will er sie in die Lage versetzen, auf die äußeren Anfeindungen mit ebenso aristokratischer Gelassenheit zu reagieren. Sie sollen sich weder zu einer ängstlichen Weltflucht treiben, noch sich zu einer erneuten Anpassung an die an sie von ihrer Umwelt herangetragenen Erwartung eines paganen Lebensstils kompromittieren lassen. Hört man diese Verse als eine frühjüdische Stimme vor dem Hintergrund der vielfältigen frühjüdischen Hoffnungen auf einen neuen, eschatologischen Tempel (→III.2.3), wird die radikale Alternative deutlich: Der 1. Petrusbrief sieht diese Erwartungen im Einklang mit Paulus (und evtl. Jesus selbst) in Jesus und der Gemeinde erfüllt. Auch wenn die frühjüdischen Fragen nach alternativen Formen des „Seins vor Gott“ jenseits des Jerusalemer Tempels für die heidenchristlichen Adressaten des 1. Petrusbriefes kaum eine Rolle gespielt haben dürften, so ist der mit Sicherheit judenchristliche Autor eine weitere jüdische Stimme, die in Jesus Christus die Offenbarung heilvollen „Seins vor Gott“ unabhängig vom priesterlichen Kult proklamiert – und diese Proklamation in kultische Metaphern kleidet. 3.4 Die Auferbauung als geistliches Haus Im weiteren Fortgang wird die Auferbauung des Gemeindetempels als ein von Gott gewirktes Geschehen verstanden.141 Das Ziel dieser Auferbauung

Hauptverb zu stehen kommt –, denn als Nominativprädikat bzw. als weiteres Objekt neben i`era,teuma a[gion; so FELDMEIER, 1Petr, 88; ACHTEMEIER, 1Peter, 150.155, und J OBES, 1Peter, 150; anders BROX, 1Petr, 94.97. ELLIOT, 1Peter, 412f., möchte das syntaktische Wirrwarr dadurch lösen, dass er eine Ellipse annimmt, ein neues Hilfsverb konjiziert und den Vers damit de facto in zwei Sätze zerteilt: „Ihr selbst als lebendige Steine werdet auferbaut; ihr seid ein Haus des Geistes, um eine heilige Priesterschaft zu sein ...“ Damit ist das syntaktische Geflecht aber nicht minder gewaltsam entflochten, zumal nun oivkodomei/sqe und oi=koj in unterschiedlichen, inhaltlich unzusammenhängenden Sätzen zu stehen kommen. Die Komplexität der Satzstruktur hat auch in der Textgeschichte ihre Spuren hinterlassen. So wird die Präposition eivj im Mehrheitstext, in P, der Vulgata und bei Clemens von Alexandrien ausgelassen. Damit ist i`era,teuma a[gion nicht mehr Ziel und Zweck der Auferbauung der Gemeinde, sondern neben oi=koj pneumatiko,j nur noch eine Apposition zu li,qoi zw/ntej. Die Bezeugung von eivj ist aber überwältigend (P 72 a A B C Y u.a.). 141 Der Indikativ Passiv von oivkodomei/n wird auch in der LXX häufig als passivum divinum verwandt, vgl. Y 88,3; Jes 44,28; 54,14; 58,12; Jer 12,16. ACHTEMEIER, 1Peter, 155, paraphrasiert den Versanfang im Anschluss an ELLIOT, Elect, 163, Anm. 1, im Sinne eines ehrerbietenden Passiv („reverential passive“): „God is constituting you, who are

3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5)

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ist die Bildung eines i`era,teuma a[gion.142 Es ist auf den ersten Blick evident, dass beide Bestimmungen auf einer völlig unterschiedlichen (Bild-) Ebene liegen. Nur das „geistliche Haus“ kann von dem den Satz dominierenden Verb oivkodomei/sqe und dem damit vorgegebenen Hausbau- bzw. eigentlich Tempelbaumotiv wirklich eingeholt werden: Die einzelnen Gemeindeglieder sollen sich als Steine eines größeren Bauwerks, nämlich eines Tempels verstehen und entsprechend einordnen lassen.143 Auf der anderen Seite können Menschen nicht zu einem Bauwerk werden, wohl aber zu einer (heiligen) Priesterschaft. Insofern korreliert das Personalpronomen auvtoi, auf der Bildebene mit i``era,teuma. Die Tempelbaumetapher bildet den Abschluss des von Martin sog. „oi=koj–clusters“, das aufgrund der Doppelbedeutung des Begriffes oi=koj im Sinne von (Groß)Familie und Gebäude (einer Familie) die auf den ersten Blick so disharmonischen Metaphern im ersten Hauptteil des 1. Petrusbriefes (1,14.17.22; 2,2.5) unter einem Konzept vereint und somit den roten Faden für die metaphorische Bestimmung der Gemeinde im ersten Hauptteil bildet.144 Im Blick auf die „heilige Priesterschaft“ wirkt die im Verb enthaltene Baumetapher zwar inhomogen,145 jedoch wird die mit dem „Herzutreten“ und den tempeltheologischen Metaphern des „Steins“ und des „geistlichen Hauses“ bereits eingeführte Kultmetaphorik konsequent weitergeführt. Der Autor überträgt in V. 5 mit i`era,teuma a[gion und pneumatika.j qusi,aj euvprosde,ktouj Îtw/|Ð qew/| weitere zentrale atl.-jüdische Kultbegriffe metaphorisch auf die Gemeinde. Sie empfängt damit die Identität sowohl des like living stones, a spiritual house, to the end [eivj] that a holy priesthood offers spiritual sacrifices“. 142 Der Versuch SCHRÖGERS, Gemeinde, 86, zwischen oi=koj pneumatiko,j als einer gegenwärtigen Wesensbestimmung der Gemeinde und i`era,teuma a[gion als einer metaphorisch-eschatologischen Zielbestimmung dessen, was die Gemeinde werden soll, zu unterscheiden, muss schon von V. 9 her als gescheitert gelten, wo die Gemeinde explizit und präsentisch als basi,leion i``era,teuma bezeichnet wird. 143 GOLDSTEIN, Paulinische Gemeinde, 55, macht darauf aufmerksam, dass die Metapher des aus lebendigen Steinen erbauten oi=koj pneumatiko,j inhaltlich kongruent ist mit der paulinischen Metapher des „Leibes Christi“. Es geht jeweils um die Verdeutlichung der Gemeinde als einer „pneumatisch strukturierten ekklesialen Einheit zwischen Christus und den Gläubigen“. 144 Vgl. MARTIN, Metaphor, 161–188, ebenso J OBES, 1Peter, 146. 145 METZNER, Rezeption, 176, erinnert in diesem Zusammenhang an einen analogen Fall in Mt 16,18. Dort wird der atl. Gottesvolkbegriff der LXX evkklhsi,a, der eigentlich zum Wortfeld „versammeln“, „zusammenbringen“ oder „vereinigen“ gehört, mit dem Hausbaumotiv (oivkodomei/n) verbunden: „Die Ekklesia ist das neue Volk Gottes [...] und der auf dem Felsenfundament des Petrus errichtete Bau Jesu Christi.“ Schon in der Evangelientradition, deren Einfluss auf den 1. Petrusbrief Metzner in seiner Studie nachgeht, war motivischer Purismus nicht die Regel.

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Kultortes als auch des Kultpersonals, allen voran die Erwählung, die Heiligkeit und die damit verbundene, restituierte Integrität. Als ideale Menschen werden die Glaubenden selbst zum idealen Ort der Präsenz Gottes und zu einer „geistlichen“ Erfüllung des atl. Vorbildes. Wird dieser umfassende Horizont wahrgenommen, dann kann auch oi=koj pneumatiko,j gar nicht mehr anders denn als Tempel verstanden werden,146 zumal das Syntagma auch syntaktisch eng mit i`era,teuma a[gion verflochten ist. Best gibt darüber hinaus den wichtigen Hinweis, dass immer wenn in der LXX das Verb oivkodomei/n für den Tempelbau verwendet wird, dieser in der Regel als oi=koj bezeichnet wird.147 Im Ergebnis heißt das, 146

ELLIOT, Elect, 153.157–159.162; DERS., 1Peter, 414–418, und ihm folgend GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 91.93, und BROX, 1Petr, 98, bestreiten die Deutung von oi=koj pneumatiko,j als Tempel und möchten das Syntagma als Entsprechung zum substantivisch verstandenen Begriff basi,leion in V. 9 als „Königshaus(halt)“ verstehen. Nach ELLIOT, Elect, 161f.; ders., 1Peter, 415 und BROX, 1Petr, 98, muss oi= koj pneumatiko,j eine Entsprechung in V. 9 haben, weil es sonst als einziges Glied in V. 5 keine Entsprechung in V. 4 oder den folgenden Schriftzitaten habe. Es ist jedoch alles andere als plausibel, dass diese postulierte Gesetzmäßigkeit von Detailentsprechungen existiert. Auch die pneumatikai. qusi,a i finden in V. 9f. keine Entsprechung, will man nicht Jes 43,20f. als dann wirklich allegorische Analogie verstehen. Generell steht V. 9f. auch in einer anderen Beziehung zu V. 5 als V. 6–8 zu V. 4. V. 9f. bildet keine auch nur annähernd analoge „Textgrundlage“ für V. 5 wie dies bei V. 6–8 für V. 4 der Fall ist, sondern mehr einen Hintergrund zur thematischen Anknüpfung. Auch die Ableitung des geistlichen Hauses vom substantivisch als Königshaus(halt) verstandenen basi,leion ist mehr als fragwürdig und lässt den gesamten Kontext von V. 5 völlig außer Acht, vgl. SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 98f. B ROX, ebd., 99, gesteht selbst ein, dass die „Bildlichkeit vom ‚Königshaus’ ... durch V 5 in ihrer ersten Hälfte (‚König’) dezidiert aufgegeben“ wird. Begreift man das „geistliche Haus“ dagegen als Tempel, dann wird es durch die Auflistung aller zentralen Kultbegriffe in V. 5 weiter entfaltet. In einer ausführlichen Diskussion hat FELDMEIER, Christen, 203–210, gezeigt, dass ELLIOTS Argumentation vom Interesse geprägt ist, oi=koj als eine Entsprechung zu pa,roikoj zu verstehen. Dagegen plädieren SELWYN, 1Peter, 160; BEST, Reconsideration, 282; B LINZLER, IERATEUMA, 54f.; GOPPELT, 1Petr, 144f.; SCHRÖGER, Gemeinde, 66; MARSHALL, 1Peter, 67f.; METZNER, Rezeption, 177f.; HERZER, Petrus, 185f.; ACHTEMEIER , 1Peter, 156–159; FELDMEIER , 1Petr, 90; J OBES, 1Peter, 148f.; W ITHERINGTON, 1– 2Peter, 114f.; MBUVI, Temple, 90f., zu Recht für den Bezug auf den Tempel; vgl. auch M ICHAELS, 1Peter, 100: „[I]t is difficult to imagine a house intended for priesthood as being anything other than a temple of some sort“. Im Übrigen bezieht sich auch der zweite oi=koj-Beleg des Briefes in 4,17 auf den Tempel. Der Hinweis, dass das Gericht am oi=koj tou/ qeou/ beginnt, nimmt Ez 9,6 auf, wo die Aufforderung an die Gerichtsvollstrecker über Jerusalem mit den Worten ergeht: „Fangt an bei meinem Heiligtum!“ Deshalb muss auch 4,17 auf die Gemeinde als metaphorischem Tempel bezogen werden; vgl. METZNER, Rezeption, 177, Anm. 149. 147 B EST, Reconsideration, 280: „To a mind as saturated as Peter’s was with the language of the LXX the two words oi=koj and oivkodomei/n together would inevitably imply the temple.“ BEST verweist auf 1Kön 5–7; 1Chr 6; 17; 22; 2Chr 2–6; Esr 1–2; 5–6; Hag

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dass die Gemeinde nunmehr der Ort geworden ist, in dem der Geist Gottes gegenwärtig und Gottes Heil zu finden ist.148 Damit übernimmt der Autor eine Identifikation, wie sie auch von anderen ntl. Autoren vollzogen wird.149 Vor allem Eph 2,19–22 erweist sich als enge Parallele zu 1Petr 2,5, jedoch nicht als Ursprung der metaphorischen Applikation auf die Gemeinde. Es geht hier um eine analoge Verknüpfung von Christus als dem Eckstein mit dem Haus(bau)- und Tempelmotiv: Die Adressaten werden zunächst als ehemalige xe,noi kai. pa,roikoi angesprochen (Eph 2,19), eine Bezeichnung, die auch charakteristisch ist für die Gemeinde im 1. Petrusbrief. Allerdings ist die Begriffsverwendung im Epheserbrief eine andere als im 1. Petrusbrief,150 wo die Gemeindeglieder gerade als Christen „Fremde“ in der Welt bleiben. Es folgt aber auch hier über die Verwendung des Wortfeldes die Einführung des Hausbaumotivs (oivkei/oi tou/ qeou/( evpoikodomhqe,ntej evpi. tw/| qemeli,w|, avkrogwniai,ou, oivkodomh,, sunoikodomei/sqe eivj katoikhth,rion tou/ qeou/) mit den Aposteln und Propheten als Fundament,

und Sach; ebenso ACHTEMEIER, 1Peter, 156.159, mit Hinweis auf 2Chr 36,23; Ps 69,10; Jes 56,7. 148 MBUVI, Temple, 95: „1 Peter’s combination of the term pneumatiko,j with oi=koj ... implies that he intends this structure to be understood as the realm within which the Spirit of God dwells.“ 149 1Kor 3,16f.; 2Kor 6,16; Eph 2,19–22; 1Tim 3,15; Hebr 3,1–6; 8,1f.; 10,21f.; Apk 21,2; vgl. auch 2Clem 9,3; Barn 16,10; Ign Mag 7,2; Herm 9,13,9; 9,14,1 sowie im Frühjudentum v.a. 1QS 8,4–10, aber auch 1QS 9,3–6, wo sich der yaḥad der Qumranschriften selbst als neuen Tempel und „heiliges Haus“ betrachtet. Auch Paulus spricht zunächst vom qeou/ oivkodomh,, 1Kor 3,9, um dieses Haus/Bauwerk dann später als nao.j tou/ qeou/ zu „enthüllen“, 1Kor 3,16f. Die Bezeichnung des Tempels als oi=koj tou/ qeou bzw. tou/ patro,j mou findet sich im Neue Testament in den LXX-Zitaten von Jes 56,7 im Rahmen der Tempelaktion Jesu, vgl. Mt 21,13/Mk 11,17/Lk 19,46, und im David/Abjatar-Vergleich in Mt 12,4/Mk 2,26/Lk 6,4, sowie in Joh 2,16b; Lk 11,51, hier als Synonym für nao,j im Parallelbeleg Mt 23,35. Die Belege machen deutlich, dass der durch Kontext, Genitivkonstruktion oder Attribut näher bestimmte Begriff oi=koj als Synonym für den Jerusalemer Tempel diente. ELLIOTS Argument, Elect, 157, dass oi=koj pneumatiko,j im Neuen Testament keine „technical designation“ für Tempel ist und der bloße Begriff oi=koj niemals – mit Ausnahme von Lk 11,51 – als Synonym für Tempel steht, basiert auf zu enggeführten Kriterien. Der Kontext in 1Petr 2,5 entwirft eine Grobskizze des gesamten atl. Kultus, und die Analogie zu Eph 2,19–22 zeigt, dass die Interpretation der Gemeinde als ein geistgewirkter Tempel in der frühen Christenheit durchaus gängig war. 150 In Eph 2,19–22 steht nao,j statt oi=koj, evpoikodomei/n bzw. sunoikodomei/n statt oivkodomei/n; Jesus wird als Eckstein, avkrogwniai/oj, eines Gebäudes bezeichnet, das auf dem Fundament der Apostel und Propheten ruht. Hinzu kommt, dass die Verknüpfung des Hausbaumotivs mit dem Wachstumsmotiv in Eph 2,21; 4,12.16 deutlich stärker ist als in 1Petr 2, wo das individuelle Wachstum des Christen in 2,1–3 thematisiert wird, um anschließend mit Hilfe der Hausbaumetapher die korporative Identität der Gemeinde zu beschreiben. Im Epheserbrief werden diese beiden Motive mit Hilfe des Bildes von der Gemeinde als Leib besser miteinander verbunden, vgl. MICHAELS, 1Peter, 93.

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Christus als avkrogwniai/oj151 und der Gemeinde als eines ineinander gefügten Bauwerks, als einer Wohnung Gottes und als eines nao.j a[gioj evn kuri,w| (Eph 2,21f.). Schließlich charakterisiert auch Eph 2,22 diesen Tempel analog zum oi=koj pneumatiko,j als eine katoikhth,rion tou/ qeou/ evn pneu,mati. Der Epheserbrief bezeichnet die Glaubenden nicht explizit als die „Steine“ des Hauses bzw. Tempels, aber die Wahl der Metapher impliziert dies – wie im obigen Exkurs gezeigt wurde – durchaus.152 Wie in 1Petr 2,4–10 ist Christus der Ausgangspunkt der Gemeinde. Er ist der primarius und die Glaubenden die secundarii.153 Auch wenn Eph 2,19–22 mit Sicherheit nicht als Vorlage von 1Petr 2,4f. diente,154 so deuten die zahlreichen Analogien doch auf ein verbreitetes Traditionsmaterial hin, das in der frühen Christenheit im Umlauf war.

Der bis zum Äußersten verdichtete Gebrauch der Kultmetaphorik zeigt, dass diese Sprachform für den Autor ein heuristisches Potential enthält, um diese analogielose Erfahrung der frühen Christen zu konzeptualisieren. Für die neue Wirklichkeit, die mit der Gemeinde Jesu Christi in die Welt getreten ist, versagen die herkömmlichen soziologischen Begriffe und Reflexionsformen. Um das Neue und neu Erfahrene aussagen zu können, knüpft die metaphorische Redeweise in Kontinuität und Diskontinuität an das Alte des bildspendenden atl. Kultes an, der damit in keiner Weise negiert, wohl aber sprachschöpferisch transformiert wird. 3.5 Die heilige Priesterschaft Das Ziel und der Zweck der Auferbauung als „geistliches Haus“ ist eine „heilige Priesterschaft“.155 Bei diesem Syntagma handelt es sich um eine Reduktion und Kombination der beiden in V. 9 zitierten Glieder der Exodusformel basi,leion i`era,teuma und e;qnoj a[gion (Ex 19,6) und damit um eine kreative Neuformulierung des Autors, denn das Syntagma i`era,teuma a[gion ist ausschließlich hier belegt. Das ursprüngliche Ver151

Anders als in 1Petr 2,6 scheint hier weniger an einen Grundstein, vgl. oivkodomei/sqe in V. 5, als an einen Schlussstein gedacht zu sein, der nicht die Basis des Bauwerkes darstellt, sondern als Abschluss den Zusammenhalt garantiert. Auch die Akzentsetzung gegenüber dem 1. Korintherbrief ist in Eph 2 eine deutlich andere. Während in 1Kor 3,11 Christus als das konkurrenzlose Fundament bezeichnet wird, sind es in Eph 2,20 die Apostel und Propheten. 152 HILLYER, Imagery, 62. 153 GOLDSTEIN, Paulinische Gemeinde, 78. 154 Dies gilt auch für die paulinischen Identifikationen der Gemeinde als „Tempel Gottes“, vgl. 1Kor 3,16f.; 2Kor 6,16, bzw. dem einzelnen Christen als „Tempel des heiligen Geistes“, vgl. 1Kor 6,19. Paulus verwendet stets den Begriff nao,j im Unterschied zu oi=koj und die Verbindung der Metapher mit der Gemeinde als einer heiligen bzw. königlichen Priesterschaft ist in den paulinischen Briefen nicht zu finden. Umgekehrt liegt bei Paulus der Akzent auf dem Wohnen Gottes bzw. des heiligen Geistes in diesem Tempel, was im 1. Petrusbrief unbetont bleibt. 155 Die Präposition eivj ist teleologisch zu verstehen. Auch in der LXX in 1Chr 22,5; 28,10 und Tob 14,5 hat oivkodomei/n in Verbindung mit eivj diesen Sinn.

3 Der lebendige Stein und die lebendigen Steine (1Petr 2,4–5)

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ständnis des Begriffs ist deshalb auch aus der Exodusformel zu erschließen und nicht etwa vom levitischen Priestertum abzuleiten. 3.5.1 Zur Begriffsgeschichte von i`era,teuma Der Begriff i`era,teuma156 ist in der profangriechischen Literatur nicht belegt. Er taucht ausschließlich in jüdischen und christlichen Schriften auf, wobei die LXX-Übersetzung der Exodusformel in Ex 19,6 (vgl. auch Ex 23,22LXX) mit hoher Wahrscheinlichkeit der Ursprung der Begriffsbildung ist, denn alle weiteren Belege (2Makk 2,17; Phil Sobr 66; Abr 56 und eben 1Petr 2,5.9) stellen spätere Reflexionen der LXX-Version der Exodusformel dar. Wie alle Substantive, die auf -euma enden, hat auch i`era,teuma eine enge Beziehung zum entsprechenden Verb i``erateu,ein, das die Grundbedeutung „Priester sein“ bzw. „als Priester agieren“ hat und das seinerseits wiederum von i``ereu,j bzw. i``era,teuj abgeleitet wurde. Ähnlich wie bei to. bou,leuma (Senatorenschaft), to. tecni,teuma (Handwerkerschaft) oder to. pre,sbeuma (Gesandtschaft) besitzt auch i`era,teuma einen personalen, kommunalen, ontologischen, funktionalen und kollektiven Aspekt. Es geht jeweils um eine Gemeinschaft von miteinander in Beziehung stehenden Personen, die ein gemeinsames Sein verbindet, die in einer bestimmten Funktion gemeinsam aktiv sind, und die durch die Begriffsbildung mit -euma auch als Kollektiv wahrgenommen werden sollen.157 Folglich bezeichnet i`era,teuma eine Gemeinschaft von Personen, die gemeinsam Priester sind.158 Nach Elliot ist die Begriffsbildung im Zusammenhang mit der religiösen und politischen Identitätssuche des (alexandrinischen) Diasporajudentums in der hellenistischen Welt des 3. Jh. v.Chr. zu sehen. Das Diasporajudentum wollte sich weder im Vergleich mit dem Palästinajudentum nur als „Judentum zweiter Klasse“ begreifen, noch im Verhältnis zur heidnischen Umwelt in Alexandria als eine Fremdenkolonie unter anderen. In der Adaption der Exodusformel in der LXX und in der Begriffsbildung i`era,teuma vollzieht sich eine Identitätsbestimmung, nach der sich die alexandrinische Diasporajudenschaft als eine Priesterschaft im Sinne einer Korporation von Priestern versteht, deren Existenz mit einer priesterlichen Mission in einer heidnisch-hellenistischen Welt geadelt ist.159 Die Begriffsbildung der Septuaginta spiegelt somit einen ganz ähnlichen Prozess der Identitätsbestimmung wieder, wie wir ihn in 1Petr 2,4–10 vorfinden. Das alte Identitätskonzept Israels hatte im Diasporajudentum seine Plausibilität verloren und wird nun in kühner und kreativer Weise fortentwickelt. Der Prozess, den wir in 1Petr 2,4–10 beobachten können, unterscheidet sich davon nur insofern, als er mit einem heilsgeschichtlichen Eingreifen Gottes in Jesus Christus begründet wird. 156 Die folgende Begriffsanalyse verdankt sich der umfassenden Arbeit von ELLIOT, Elect, 64–69; die einschlägigen Lexika helfen hier leider kaum weiter. 157 SCHRENK, Art. i``erourge,w, 249f.; ELLIOT, Elect, 67. 158 ELLIOT, Elect, 68. 159 ELLIOT, Elect, 69; vgl. auch SCHRÖGER, Gemeinde, 83.

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Wenn i``era,teuma eine Korporation von Priestern meint, dann ist eine individualistische Auslegung von 1Petr 2,5.9, die den einzelnen Christen als „Priester“ tituliert, nicht mehr möglich. Eine Priesterschaft sind Christen nicht als Individuen, sondern stets nur als Gemeinschaft.160 Die reformatorische Idee des Allgemeinen Priestertums im Sinne individueller Priesterrechte und -privilegien jedes einzelnen Christen lässt sich von diesem Vers nicht ableiten. 3.5.2 Zur Referenzgröße von i`era,teuma in 1Petr 2,5.9 Im Neuen Testament wird das Thema des priesterlichen Amtes bzw. Dienstes entweder von der Exodusformel (so in 1Petr 2,5.9 und Apk 1,6; 5,10; 20,6) oder vom levitischen Priestertum her entfaltet (so in Röm 15,16; Phil 2,17; 4,18; Hebr passim). Eine Art Sonderfall bildet lediglich Hebr 7, wo das Hohepriestertum Melchisedeks als christologischer Deutungshintergrund herangezogen wird. Eine Vermischung der verschiedenen Hintergründe findet jedoch nirgendwo statt,161 und eine Applikation der Priestermetapher auf die Gemeinde erfolgt nur auf der Basis der Exodusformel in Ex 19,6.162 160

ELLIOT, Elect, 167; DERS., 1Peter, 420; GOPPELT, 1Petr, 146; ACHTEMEIER, 1Peter, 156. BEST, Spiritual Sacrifice, 296f., erhebt an dieser Stelle allerdings nicht ganz von der Hand zu weisende Einwände. Er weist darauf hin, dass abgesehen von 2Makk 2,17; Philo und 1Petr 2,5.9, die alle i``era,teuma lesen, alle anderen Wiedergaben des LXX-Begriffs bei Aquila, Symmachus, Theodotion, Syrohexapla, Peshitta, Targum; Apk 1,6; 5,10, ebenso wie die hebr. Wendung ~ynIh]Ko tk,l,m.m; von Priestern im Plural reden. Diese Beobachtung legitimiert zwar noch lange keine individualistische Deutung, aber sie macht darauf aufmerksam, dass auch i``era,teuma nicht als abstrakte und gesichtslose Größe verstanden werden darf, sondern sehr wohl eine Gruppe von Individuen beschreibt. BESTS berechtigtes Anliegen ist es, gegenüber einer modernen Überhöhung des Kirchenbegriffs den Christen als Individuum nicht aus dem Auge zu verlieren; ähnlich auch SCHÜSSLERF IORENZA, Priestertum, 83f., die auf den personalen Charakter des Begriffs verweist. 161 ELLIOT, Elect, 220. 162 Der Argumentation von BEST, Reconsideration, 282–288, der ELLIOTS Abgrenzung zwischen der Konzeption von Ex 19,6 und dem levitischen Priestertum und damit auch die korporative Interpretation von i``era,teuma bestreitet, fehlen an dieser Stelle die Belege. Es ist weder legitim, dem Autor jegliche kreative Kompetenz abzusprechen, ihn lediglich als Tradenten frühchristlicher Theologumena darzustellen und die Ursprünge der i``era,teuma-Applikation auf die Gemeinde in der dem Autor vorliegenden Tradition zu postulieren, a.a.O., 284, noch die Qumrangemeinschaft einfach als Wiege der ntl. Konzeption von Tempel und Priesterschaft der Gemeinde zu deklarieren, ebd.; ähnlich SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 408f. Weiter kann das Fehlen eines Belegs von Ex 19,5f. in den Qumranschriften nicht durch den Verweis auf Jub 16,18; 33,20 aufgewogen und davon eine allgemeine Zustimmung des yaḥad zu Buch, Zitat und Inhalt abgeleitet werden, a.a.O., 284f. Auch alle von ihm angeführten Belege für eine unproblematische Verschmelzung der Exodusformel mit neolevitischen Konzeptionen im Frühjudentum, v.a. bei Philo und in der Johannesapokalypse, a.a.O., 285f., können die ihnen aufgebürdete Last nicht tragen.

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Hier liegt auch einer der wesentlichen Unterschiede zur Priesterkonzeption der Qumranschriften, zu der sich von 1Petr 2,5.9 aus in der Tat manche Parallelen ziehen lassen, vgl. v.a. die Belege in der Gemeinderegel 1QS 8,5–8 mit Anspielung auf Jes 28,16 und 1QS 9,4–5.163 Dort ist das Priestertum ganz von den levitischen Vorgaben her konzipiert und in keiner Weise korporativ oder gar universal verstanden. Hinzu kommt eine Reihe weiterer Unterschiede: (1) Der 1. Petrusbrief bezeichnet Laien und Heiden(christen) als Priester, was für das Priesterverständnis in den Qumranschriften aus hereditären Gründen ausgeschlossen war, auch wenn die Gemeinschaft in CD 3,19–4,4 im Anschluss an Ez 44,15 als priesterlich charakterisiert wird (→IV.2.6). (2) In den Qumranschriften kommt es nirgendwo zu einer Übertragung der Steinmetapher auf die Mitglieder des yaḥad. (3) Für die in 1Petr 2,4f. in einem einzigen Satz verdichtete metaphorische Identifikation der Gemeinde als Kultort und Kultpersonal, das kultische Opfer darbringt, findet sich in der gesamten Qumranliteratur kein auch nur annähernd vergleichbarer Beleg.

Allerdings ist mit dem Begriff des „heiligen Priestertums“, v.a. aber mit der hohen Dichte von Kultmetaphern in einem einzigen Vers, die Frage nach der Beziehung zum levitischen Priestertums eo ipso gestellt. Aus rezeptionsästhetischer Perspektive ist der Gedanke an das levitische Priestertum als Referenzgröße für jüdische Leser unausweichlich: Es waren die levitischen Priester, die zum Heiligtum bzw. zum Altar „herzugetreten“ sind, deren Dienst im oi=koj des Tempels geschah, an die sich die Forderung besonderer Heiligkeit richtete und deren Hauptaufgabe es war, Opfer in einer solchen Art und Weise darzubringen, dass sie das Wohlgefallen Gottes erzielen konnten. Sowohl dem antiken jüdischen und judenchristlichen, als auch dem modernen, schriftkundigen Leser steht unweigerlich die Institution des levitischen Priestertums vor Augen. Diese Assoziation konnte gar nicht vermieden werden. Der Autor des 1. Petrusbriefes macht jedoch im Konsens mit dem Seher der Johannesoffenbarung (Apk 1,6; 5,10; 20,6) deutlich, dass er das „heilige Priestertum“ der Gemeinde als eine Erfüllung der in der Exodusformel gegebenen Verheißung versteht, die im Rahmen einer kanonischen Lektüre des Alten Testaments vor der Einsetzung Aarons und der Söhne Levis in das Priestertum erfolgte. Dieser bewusste Rückbezug auf die Exodusformel kann nicht anders als eine bewusste Abgrenzung zum levitischen Priestertum verstanden werden, dessen heilsgeschichtliche Bedeutung ebenso wie die der Tora, des Tempels und des gesamten Kultes in Christus an ein Ende gekommen ist.164 Im Neuen Testament ist es der Hebräerbrief, 163

Vgl. hierzu KLINZING, Umdeutung, 191–196. Vgl. Röm 10,4, sowie →VI.3.4, und MBUVI, Temple, 105.107. Auf diese implizite Konsequenz hat bereits vor 60 Jahren KINDER, Allgemeines Priestertum, 9f. hingewiesen. Er zeigt, a.a.O., 11, dass die Erfüllung des levitischen Priestertums nach dem Hebräerbrief im Priestertum Christi und nicht im Priestertum der Christen erfolgte. Allerdings leitet er nun das Priestertum der Christen vom Priestertum Christi ab, a.a.O., 13f.20, was so aber nirgendwo im Neuen Testament bezeugt ist. 164

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der auf diese Tatsache immer wieder hinweist (vgl. Hebr 7,11–28; 8,13; 10,9). Schließlich ist auch zu bedenken, dass das Syntagma nicht nur Assoziationen zum levitischen Priestertum geweckt haben dürfte, sondern auch zu den antik-paganen Priestertümern überhaupt. Diese standen den heidenchristlichen Adressaten in Kleinasien in ihrer Mehrheit möglicherweise weit mehr vor Augen als der Jerusalemer Kult. Auch wenn der Bezug zur Exodusformel eindeutig im Vordergrund steht, wird dem Autor das assoziative Potential dieser Zeilen bei seinen Lesern bewusst gewesen sein, was nicht unterschätzt werden sollte. In allen hellenistischen Stadtstaaten galten die lokalen Priester bzw. Priesterschaften als ein höchst angesehener Personenkreis mit hohem Sozialprestige (vgl. Kapitel I). Mit dieser Assoziation verstärkt der Autor das aristokratische Selbstbewusstsein der kleinasiatischen Christen, das im Folgenden mit einer nicht minder aristokratischen Verpflichtung verknüpft wird. 3.5.3 Zur Bedeutung der „Heiligkeit“ der Priesterschaft Der theologische Akzent der Exodusformel, der auch hier durch die wiederholte Verwendung von evklekto,n (V. 4.6.9) und a[gion (V. 5.9) dokumentiert wird, liegt in der Erwählung, Heiligung, Gottesunmittelbarkeit, ähnlichkeit und -zugehörigkeit der Gemeinde, die als „heilige Priesterschaft“ vom Status der Unreinheit befreit und durch die Gabe des Geistes in den Status der Heiligkeit und Integrität versetzt wurde (vgl. 1Petr 1,2) und nun in Entsprechung zu diesem Status einen ethisch angemessenen Lebenswandel führen soll (vgl. 1Petr 1,15). Die Heiligung und Heiligkeit der Christen ist ein zentrales Thema des ersten Hauptteils bzw. der theologischen Grundlegung des 1. Petrusbriefes und der Identitätsbestimmung der Christen (vgl. 1,2.15f.22; 2,5.9; 3,5.15). In der Teilhabe an dem neuen Leben aus der Hoffnung und der offenbarten Gnade heraus (1,13) soll der Lebensstil der Gemeinde nun von einer „Kontrastethik“ gegenüber ihrer Umwelt (1,14; vgl. auch 1,18)165 und einer „Entsprechungsethik“166 gegenüber dem heiligen Gott (1,15f.; vgl. Lev 19,2) geprägt sein. So sehr der ursprünglich kultisch konnotierte Begriff der Heiligkeit im 1. Petrusbrief wie generell im Neuen Testament einen ethischen Ausdruck finden soll, so sehr geht es nach wie vor um mehr als 165

Die Abgrenzung gegenüber dem „nichtigen, von den Vätern überlieferten Lebenswandel“, 1,18, hat ebenso polemische Züge wie die Beschreibung des heidnischen Lebensstils in 4,3f. Dieser exzessive Lebensstil war auch in der hellenistischen Alltagskultur nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Die ärmeren Bevölkerungsschichten hätten sich den dort beschriebenen Lebensstil im Alltag gar nicht leisten können. Es werden hier vielmehr die Ausnahmen vom Alltäglichen beschrieben, die freilich immer wieder in Exzesse ausarten konnten. 166 Vgl. hierzu Mt 5,48; Lk 6,36.

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nur um eine ethische Haltung. Die göttliche Zuwendung des Heils in Jesus Christus hat die Glaubenden geheiligt und in einen Status der restituierten Integrität und Gottgemäßheit versetzt. Es geht nun um die Bewahrung dieses Status, der die Gemeinde als heilige Priesterschaft zur unmittelbaren Begegnung und Gemeinschaft mit Gott befähigt. Sie soll die „göttliche Eigenschaft“ der Heiligkeit im ethischen Lebenswandel bewahren, um begegnungs- und kontaktfähig mit Gott zu bleiben. Indem die Gemeinde zu einer heiligen Priesterschaft wird, kommt gewissermaßen der atl. Kult zu seiner heilsgeschichtlichen Vollendung. Das Gottesvolk bedarf nun nicht mehr der mediatorischen Vermittlung durch eine besondere Priesterkaste, sondern ist selbst zur geheiligten, heiligen und integren, d.h. mit Gott kontakt- und begegnungsfähigen und mit dem Privileg der Gottesunmittelbarkeit und -gemäßheit geadelten Priesterschaft geworden. Das durch die Heilstat Jesu Christi und das heiligende Wirken des Heiligen Geistes veränderte Gottesverhältnis der Glaubenden findet für den Autor des 1. Petrusbriefes in der Metaphorisierung des Begriffs i``era,teuma offenbar seinen angemessensten Ausdruck. 3.6 Die Darbringung geistlicher Opfer Der Status der Heiligkeit und die Konstitution als eine heilige Priesterschaft ermöglicht nun das Darbringen167 von „geistlichen Opfern, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus“. Die Nähe zu Röm 12,1 ist unüberhörbar. Die Opfermetapher ist an dieser Stelle vom Begriff i`era,teuma her eingeführt, nicht umgekehrt: Ihre Identität als eine „heilige Priesterschaft“ befähigt die Gemeinde zu „geistlichen Opfern“.168 Mit dem Begriff pneumatikai. qusi,ai wird wiederum Kontinuität und Diskontinuität zwischen dem alten und neuen Kultus der Heilsgemeinde ausgesagt. Auch im nun mit Jesus Christus angebrochenen Äon geht es um „Opfer“, die freilich nicht mehr den Charakter von Tieropfern haben,169 aber sehr wohl 167 Das Verb avnafe,rein ist in der LXX terminus technicus der Opfersprache und kann mit „opfern“ übersetzt werden, vgl. Lev 14,20; 16,25; 17,5f.; Jes 57,6; 2Makk 1,18; 2,9. In der LXX wird mit dem Verb in der Regel die Handlung des Priesters beim Opfer bezeichnet, während prosfe,rein das Tun des Opferherrn beschreibt; vgl. Lev 2,14.16; 4,33.35, sowie SELWYN, 1Peter, 161. Im Neuen Testament wird das Verb sowohl in kultischen, vgl. Hebr 7,27; 13,15; Jak 2,21, wie nichtkultischen Zusammenhängen verwendet, vgl. z.B. Mt 17,1/Mk 9,2; Lk 24,51. 168 ELLIOT, Elect, 168: „The Church is not a ‚body of priests’ because she offers sacrifice, but she offers sacrifice because she is a ‚body of priests’.“ 169 „Opferobjekte“ im Neuen Testament sind zum einen Jesus Christus, dessen stellvertretender Sühnetod am Kreuz in Eph 5,2 und Hebr 9,26 als kultisches Opfer interpretiert wird, sodann die gehorsame Lebens- bzw. „Leibeshingabe“ der Glaubenden, vgl. Röm 12,1, Werke und Taten der Barmherzigkeit, vgl. Hebr 13,16, finanzielle Gaben, vgl. Phil 4,18, Gebete, Lobpreis und das Bekenntnis, vgl. Hebr 13,15; Apk 8,3f., und auch

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noch Gaben darstellen, die den Willen und das Wohlgefallen Gottes170 im Blick haben,171 da im biblischen Kontext Opfer stets ausschließlich Gott und nicht Menschen dargebracht werden. Aus dem Kontext des 1. Petrusbriefes und des gesamten Neuen Testamentes liegt es nahe, dass es dabei um die Äußerungen des Gotteslobes und um Vollzüge eines geheiligten Lebenswandels geht.172 Entscheidend ist jedoch weniger die Frage, was die Opfer beinhalten, als vielmehr die Tatsache, dass die Funktion des Priestertums in 1Petr 2,5 – ebenso wie in V. 9 – auf die Beziehung zu Gott beschränkt bleibt. Das Priestertum hat hier keine mediatorische oder missionarische Funktion gegenüber den Heiden bzw. der Mitwelt, sondern ist – eben das soll der Opferbegriff an dieser Stelle aufgrund seiner Einbettung in die Reihe der anderen Kultbegriffe aussagen – ganz und gar auf Gott hin ausgerichtet.173 Menschen, die durch die missionarische Verkündigung gewonnen wurden, vgl. Röm 15,16; 1Kor 16,15 [Erstlingsgabe]; Kol 1,28; Apk 14,4ff. 170 Dass rechte Opfer Gottes Wohlgefallen finden, ist eine atl. Grundüberzeugung, vgl. Pss 40,9f.; 50,13f.23; 51,16–19; 69,31f.; 141,2; Jes 1,11–17; Jer 6,20; 7,21–23; 14,12; Hos 6,6; 9,4; Am 4,4f.; 5,21–24; Mi 6,6–8, die sich auch in Qumran, vgl. 1QS 8,2–6; 9,3–5, und im Neuen Testament, vgl. Röm 12,1: qusi,a n zw/san a`gi,an euva,reston tw/| qew/|; 15,16: h` prosfora. tw/n evqnw/n euvpro,sdektoj; Phil 2,17; 4,18: qusi,an dekth,n( euva ,reston tw/| qew/|; 2Tim 4,6; Hebr 13,15f.: qusi,a ij euvarestei/tai o` qeo,j; Apk 8,3f., vgl. auch Act 10,4 und Eph 5,2, findet. SELWYN, 1Peter, 161f., bietet darüber hinaus noch eine Reihe altkirchlicher Belege. 171 Dass sich hinter den „geistlichen Opfern“ die Eucharistie und damit das eucharistische Opfer, so B EST, Spiritual Sacrifice, 279, und KETTER, Priestertum, 47; vgl. dagegen GOPPELT, 1Petr, 146f., Anm. 40, oder gar ein neuer (Opfer)Kult verbirgt, vgl. z.B. SCHELKLE, Jüngerschaft, 102, lässt sich vom Neuen Testament her nicht begründen. Ebenso wenig kann hier von einer Teilhabe am priesterlichen Opferdienst Jesu gesprochen werden, da im 1. Petrusbrief weder von einer Teilhabe an Christus noch von einem priesterlichen Opferdienst Christi oder – anders als im Hebräerbrief – von einer Priesterschaft Christi die Rede ist. Die Priesterschaft der Gemeinde wird einzig und ausschließlich aus Ex 19,6 entwickelt. 172 Vgl. 1Petr 2,9.12; 3,2.15f.; 4,11; 5,11; Röm 12,1; Phil 2,17; 4,18; Hebr 13,15; u.a.; Wie schon oben unter →II.4.1 beschrieben, entwickelt sich bereits im Alten Testament ein metaphorischer Opferbegriff, vgl. Pss 50[49],13f.23; 51[50],18f.; 69[68],31f.; 107[106], 22; 141[140],2, und auch 1QS 9,3–5; 10,6; 4Q174 3,6f., der das Lob, den Gehorsam bzw. das gute Werk zum Inhalt hat; vgl. auch die zahlreichen Parallelen zu Röm 12,1: parasth/sai/avnene,gkai; qusi,a n/qusia,j; zw/san/zw,ntej; a[gian/a[gion; tw/| qew/| euva ,reston/euvprosde,ktoj qew/|. Die beiden Verse haben in ihrem jeweiligen Kontext eine unterschiedliche Funktion und haben über die äußere Ähnlichkeit hinaus keinen traditionsgeschichtlichen Zusammenhang. 173 Richtig gesehen von W ITHERINGTON, 1–2Peter, 115, und B EST, 1Peter, 104: „There is no idea that the priesthood acts on behalf of the world as the Levitical priesthood acted on behalf of Israel; nowhere in the references of the New Testament to the sacrifices which Christians offer is there any suggestion that these are provided by others or presented on their behalf. The New Testament priesthood presents its own sacrifices.“

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Der Opferbegriff entspricht hier der kultmetaphorischen Wesensbestimmung der Gemeinde, die der Autor zudem mit dem Adjektiv pneumatiko,j beschreibt.174 Das Adjektiv pneumatiko,j175 beschreibt in Röm 7,14 die Zugehörigkeit des Gesetzes zu Gott im Gegensatz zum Wesen des Menschen, der als sa,rkinoj qualifiziert wird. In 1Kor 2,13.15 kennzeichnet pneumatiko,j den mit Gottes Geist erfüllten Menschen, dessen geistliche Erkenntnis menschliche Weisheit (avnqrwpi,nhj sofi,a j) überragt, während der yuciko,j für die durch den Geist enthüllte Wirklichkeit blind bleibt. Der geistliche Mensch ist der zum pneumatischen Heilsbereich Gottes gehörige Mensch, der deshalb auch einen Einblick in die ganz anders geartete, „nicht-fleischliche“, „nicht-irdische“, „nicht-psychische“ Wirklichkeit Gottes hat, die jedoch alles andere als „irreal“, „geistig“ oder „uneigentlich“ ist.176 Das Adjektiv pneumatiko,j wird somit zum terminus technicus für die unsichtbare Wirklichkeit Gottes, zu welcher der Mensch im Glauben Zugang findet.

Im Kontext von 1Petr 2,5 entspricht das Adjektiv nicht zufällig dem zweiten, die Gemeinde charakterisierenden Adjektiv „heilig“. Beide drücken hier die besondere Zuordnung zum Bereich Gottes aus. Entsprechend qualifiziert das Adjektiv auch in 1Petr 2,5 die Begriffe „Haus“ und „Opfer“ als kultische Metaphern, die ansonsten gemäß ihrem Literalsinn als Gebäude bzw. als geschlachtetes und verbranntes (Tier)Opfer verstanden werden müssten.177 Oi=koj und qusi,ai sollen aber offensichtlich in einem metaphoSo richtig eine missionarische Sendung der Gemeinde zu den Grundthemen des Neuen Testaments und auch des 1. Petrusbriefes gehört, so wenig kann in 1Petr 2,5 davon die Rede sein, dass die Gemeindeglieder zur „labour force“ zur Rettung aller Nationen gemacht werden und Gott vor der Welt und die Welt vor Gott repräsentieren, wie ROBINSON, Missiological Perspectives, 181, meint. Es geht hier auch nicht um die „evangelization of the world“ wie J OBES, 1Peter, 150, im Anschluss an ACHTEMEIER, 1Peter, 158, meint. 174 Dem widerspricht ohne Begründung am Text KINDER, Allgemeines Priestertum, 16, der darauf pocht, „daß das christliche Priestertum, in erster Linie funktional und nicht habituell verstanden werden darf“ (kursiv bei K.). Auch E LLIOT, Elect, 184.186; GOPPELT, 1Petr, 146; GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 101; METZNER, Rezeption, 174; ACHTEMEIER, 1Peter, 150.157f., denken im Horizont von V. 9a an die missionarische Verkündigung. 175 Vgl. Röm 1,11; 7,14; 15,27; 1Kor 2,13[2x].15; 3,1; 9,11; 10,3.4[2x]; 12,1; 14,1.37; 15,44[2x].46[2x]; Gal 6,1; Eph 1,3; 5,19; 6,12; Kol 1,9; 3,16. Ein adverbialer Gebrauch liegt vor in 1Kor 2,14; Apk 11,8. 176 MARSHALL, 1Peter, 68, schlägt hier die Bedeutung „metaphorical“ vor, was jedoch die pneumatische, im Sinne „von Gottes Geist gefüllte“ Wirklichkeit nicht angemessen zum Ausdruck bringt. 177 BEST, Reconsideration, 292, hat darauf aufmerksam gemacht, dass dies das übliche Verfahren des Autors des 1. Petrusbriefes ist: „Whenever he introduces a term which could be understood in a secular, literal or physical manner but which he wishes to indicate should not be so understood he normally adds an adjective or adjectives or a qualifying phrase which will remove all doubt about the meaning he intends for the word.“

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rischen, aber in keiner Weise „unrealen“ oder „uneigentlichen“ Sinn verstanden werden. Auf diese Weise wird das Adjektiv pneumatiko,j zum Inbegriff der durch die Christusoffenbarung vermittelten Geisterfahrung, welche die Gemeinde erst ins Sein gerufen haben. In Ermangelung von Sprach- und Reflexionsformen für diese durch den Heiligen Geist neugeschaffene Wirklichkeit greift der Autor auf kultische Begriffe zurück, deren metaphorischen Charakter er mit pneumatiko,j beschreibt. Wie bei Paulus meint pneumatiko,j eine „reale“ Wirklichkeit, die vom Heiligen Geist verursacht und durchwirkt, aber in dieser Eigenschaft nicht empirisch verifizierbar ist.178 Schließlich ist noch der innere Zusammenhang zwischen der Gottwohlgefälligkeit179 der geistlichen Opfer180 und der Aussage, dass sie dies „durch Jesus Christus“181 sind, zu bedenken. Mit der emphatischen Position am Ende des Verses bekommt der Satzteil ein besonderes Gewicht. Sowohl Opfer als solche als auch die „geistlichen Opfer“ können nur aufVgl. 1,4: klhronomi,a n a;fqarton kai. avmi,a nton kai. avma,ranton; 1,7: crusi,ou tou/ avpollume,nou; 1,13: ta.j ovsfu,a j th/j dianoi,aj; 1,19: avmnou/ avmw,mou kai. avspi,lou; 1,23: avnagegennhme,noi ouvk evk spora/j fqarth/j avlla. avfqa,rtou; 2,2: to. logiko.n a;dolon ga,la; 2,4.5: li,qon zw/nta, li,qoi zw/ntej; 2,25: to.n poime,na kai. evpi,skopon tw/n yucw/n u`mw/n; 3,4: o` krupto.j th/j kardi,aj a;nqrwpoj; 4,7: nh,yate eivj proseuca,j; 4,10: oivkono,moi poiki,lhj ca,ritoj qeou/; 4,12: purw,sei pro.j peirasmo,n; 5,2: poi,mnion tou/ qeou/; 5,4: to.n avmara,ntinon th/j do,xhj ste,fanon; 5,10: th.n aivw,nion auvtou/ do,xan evn Cristw/|. 178 ELLIOT, Elect, 153f., mit Verweis auf ältere Literatur, vgl. auch SCHELKLE, 1Petr, 59, und GOPPELT, 1Petr, 144, Anm. 29: „pneumatiko,j drückt bei oi=koj und qusi,a nach dem Kontext nicht eine spirituelle Opposition gegen einen irdischen, leiblichen, von Menschen gemachten Kult aus, sondern lediglich den Unterschied vom herkömmlichen zum übertragenen, nämlich durch den Geist gegebenen Charakter“, und ACHTEMEIER, 1Peter, 155: „The adjective pneumatiko,j [...] is not so much symbolic or metaphoric as it is intended to indicate its nature: it is the place where the Spirit is to be found.“ HAINZ, Ekklesia, 324, spricht von einem Haus, das im „Kraftfeld des pneu/ma“ steht, „das alle Glaubenden und Getauften umströmt und zugleich erfüllt“. 179 Im Alten Testament wurde das Wohlgefallen Gottes am Opfer mit dem Feuer verbunden, welches die Opferteile verzehrte, vgl. Gen 15,17; Lev 9,24, und am „lieblichen Geruch“, der vom verbrannten Opfer aufstieg, vgl. z.B. Gen 8,21; Lev 2,2; vgl. 2Kor 2,14. 180 Das Akkusativ-Adjektiv euvprosde,ktouj ist dabei auf das folgende Îtw/|Ð qew/| zu beziehen und nicht auf die vorangehenden pneumatika.j qusi,a j. Diese werden durch den Infinitiv avnene,gkai bestimmt, vgl. ELLIOT, Elect, 161; GOPPELT, 1Petr, 147, Anm. 41; SCHELKLE, 1Petr, 59; MICHAELS, 1Peter, 102. Damit wird ausgeschlossen, dass es auch geistliche Opfer geben könnte, die Gott nicht wohlgefällig wären. Vielmehr bedingt der pneumatische Charakter der Opfer gerade ihre Gottwohlgefälligkeit. Umgekehrt wird damit auch zum Ausdruck gebracht, dass die regulären Opfer Israels im Jerusalemer Tempel jenseits von Jesus Christus keinen pneumatischen Charakter hatten bzw. haben – je nachdem, wie der 1. Petrusbrief zu datieren ist. 181 Eine ähnlich Funktion hat Christus in 1Petr 1,3.21; 3,21 und 4,11; vgl. auch B LINZLER, IERATEUMA, 56f.

4 Das Λίθος-Florilegium (V. 6-8)

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grund des mediatorischen Werkes Christi und nicht aufgrund menschlicher Opferbereitschaft und Leistungsfähigkeit Gott wohlgefällig sein. Durch den Sühnetod Jesu sind alle obligatorischen Tieropfer des Jerusalemer Heiligtums hinsichtlich ihrer soteriologischen Zweckbestimmung (Mediation zwischen Gott und Mensch) grundsätzlich in Frage gestellt.182 Hat der Autor durch die Identifikation der Gemeinde als Tempel und Priesterschaft ein aristokratisches Standesbewusstsein bei seinen Lesern geweckt, so knüpft er an diese bewusst geweckten Assoziationen nun auch ethische Ansprüche: noblesse oblige. Im Kontext der besonderen Situation seiner Adressaten könnte dies als Aufforderung verstanden werden, sich durch die erfahrenen Anfeindungen seitens der heidnischen Umwelt nicht zu einer ebenso feindseligen Reaktion oder einer isolationistischen Weltflucht hinreißen zu lassen, sondern im Sinne von 1Petr 2,12 ein „standesgemäßes“ Leben in ihrer Umwelt zu führen, verbunden mit der „verwegenen Hoffnung“,183 die Widersacher mit einem solchen, im besten Sinne „aristokratischen“ Lebensstil zu überwinden (1Petr 2,12).184

4 Das Li,qoj-Florilegium (V. 6–8) 4 Das Λίθος-Florilegium (V. 6-8)

Das Florilegium in V. 6–8 wird durch das Stichwort li,qoj dominiert und zusammengehalten. Die Einleitung dio,ti perie,cei evn grafh/| zeigt an, dass es als Schriftgrundlage für den bereits antizipierend und verdichtet vorangestellten V. 4 dient.185 In zwei Jesaja-Belegen (Jes 28,16; 8,14) und einer

182

Zur Frage, wie die in Act 21,62 erwähnten paulinischen Opfer zur Auslösung der Nasiräatsgelübde zu verstehen sind, vgl. →VI.3.4. 183 Mit der schönen Formulierung „Audacity of Hope“ hat KELHOFFER, Persecution, 94, sein Kapitel über die Leiden der Christen im 1. Petrusbrief überschrieben. 184 FELDMEIER, Christen, 181: Es „wird somit nicht der Eindruck erweckt, als sei die Gemeinde dieser ‚Welt‘ entnommen oder gehöre eigentlich nicht mehr zu dieser. Gerade als Teil dieser Welt muß sie Gottes Ruf in die Fremdlingsexistenz entsprechen. Es geht somit nicht um Entweltlichung, sondern um Anderssein, nicht um Trennung, sondern um Unterscheidung“ (kursiv bei F.). 185 Es ist im Rahmen des 1. Petrusbriefes die dritte ausführliche Zitierung atl. Belegmaterials nach 1,16 und 1,24f. Bereits hier zeigt sich, dass sich der Autor dezidiert als „Schrifttheologe“ versteht. Die atl. Offenbarung hat ihre Relevanz auch für eine heidenchristliche Leserschaft in keiner Weise verloren, im Gegenteil. Der Autor begegnet seinen Adressaten mit der dezidierten Erwartung, sich in der ersten Offenbarung Gottes kundig zu machen und das Christusereignis im Licht dieser Offenbarung zu verstehen. Die Formulierung perie,cei evn grafh/| ist ungewöhnlich, entspricht aber dem sonst üblichen ge,graptai, so MICHAELS, 1Peter, 102f.; ACHTEMEIER, 1Peter, 159. Dass die Formulierung evn grafh/| im Unterschied zum bestimmten evn th/| grafh/| einen Bezug auf außerbiblisch „Geschriebenes“ impliziert und damit ein Hinweis auf eine „documentary

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dazwischen eingeschobenen Psalmenstelle (Y 117,22) wird sowohl die präsentisch von der Gemeinde erfahrene, wie die eschatologisch wirksame Scheidung, die sich zwischen Glaubenden und Nicht-Glaubenden am „Eckstein“ Jesus Christus vollzieht, entfaltet. 4.1 Traditionsgeschichtliche Überlegungen Ein zentrales Forschungsinteresse bezüglich dieses Florilegiums galt und gilt der Quellen- bzw. Herkunftsfrage. Zwar gibt es nirgendwo sonst im Neuen Testament eine Zitatkombination dieser drei Stellen, aber dennoch dürfte dieses Florilegium seinen Ursprung kaum in der Feder des Autors des 1. Petrusbriefes haben, weil sich bei Paulus in Röm 9,33 eine ganz ähnliche Zusammenstellung der beiden Jesaja-Belege findet.186 Im Römerbrief begründet Paulus in Röm 9,30–10,4 das Scheitern Israels an der Gerechtigkeit aus dem Glauben an Jesus Christus mit einer Zitatkombination aus Jes 8,14 und 28,16: prose,koyan tw/| li,qw| tou/ prosko,mmatoj( kaqw.j ge,graptai( [Jes 28,16:] VIdou. ti,qhmi evn Siw.n li,qon [Jes 8,14:] prosko,mmatoj kai. pe,tran skanda,lou( [Jes 28,16:] kai. o` pisteu,wn evpV auvtw/| ouv kataiscunqh,setaiÅ Neben der Zitatenkombination an sich ist bemerkenswert, dass 1Petr 2,6 und Röm 9,33 zwar am Versende der LXX-Version fast buchstäblich folgen (siehe Unterstreichung), aber im Verseingang einen gemeinsamen Text formulieren, der von der LXX-Version abweicht (kursiv gedruckt) und der masoretischen Fassung von Jes 28,16ab.ba näher steht.187 Gleichzeitig findet sich in der gemeinsamen Abweichung auch ein kleiner aber für die Frage nach den Quellen bedeutender Unterschied: Der Römerbrief liest das abschließende Verb des Relativsatzes im Futur, während 1Petr 2,6 die Aoristform der LXX übernimmt. Hinzu kommt, dass Paulus aufgrund seiner Aussageintention die LXXPassage aus Jes 28,16 evklekto.n avkrogwniai/on e;ntimon (1Petr 2,6: avkrogwniai/on evklekto.n e;ntimon) durch die (weitgehend) Jes 8,14 entlehnte Formulierung li,qoj prosko,mmatoj kai. pe,tran skanda,lou ersetzt. Damit wird der ursprüngliche Charakter der Stelle als Drohwort forciert, während dieselbe Passage dem Zitat in 1Petr 2,6 einen Verheißungscharakter verleiht.188

source“ ist, wie SELWYN, 1Peter, 163, meint, bleibt spekulativ. Ausführlich widmet sich H IRŠS, Volk, 99ff., der gesamten Thematik. 186 Zum Vergleich der beiden Texte vgl. auch OSS, Interpretation, 181–200; H IRŠS, Volk, 104–110. 187 Die LXX-Version lautet am Eingang: ivdou. evgw. evmbalw/ eivj ta. qeme,lia Siw.n li,qon polutelh/. Die Unterschiede wurden kursiv gedruckt. Zu den Details der Textveränderungen vgl. auch B EST, Reconsideration, 275f., GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 47; HILLYER, Imagery, 60; HERZER, Petrus, 148f., und ÅDNA, Zitate, 241–245. 188 Der von Paulus in Röm 9,33 ausgelassene avkrogwniai/oj aus Jes 28,16 findet sich in Eph 2,20 wieder, ohne dass der Zusammenhang eine größere Rolle spielt. Der avkrogwniai/oj ist hier bereits zu einer gängigen Bezeichnung für Jesus Christus geworden: Aus dem messianischen Schriftbeweis wurde ein Titel.

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Ergänzt wird das Bild durch die Hosea-Zitate in 1Petr 2,10 und Röm 9,25f. Zunächst erscheinen die Hosea-Belege in beiden Briefen in einem Sinnzusammenhang mit den Jesajabelegen, jedoch in umgekehrter Reihenfolge und auch nicht identisch, was die Auswahl der Belege angeht. Nur die Anspielung auf Hos 2,25 ist beiden Briefen gemeinsam. Aber während in Röm 9,25f. v.a. Hos 2,1 wörtlich zitiert wird, klingt in 1Petr 2,10 Hos 1,6.9 an.

Die Unterschiede in der Textwiedergabe und der völlig unterschiedliche Kontext – dort die Israelproblematik, hier der universale christologischtempeltheologisch-ekklesiologische Horizont – sprechen gegen eine Abhängigkeit von Paulus.189 Die textlichen Gemeinsamkeiten und die einmalige Zitatkombination sprechen jedoch für eine gemeinsame Quelle bzw. Texttradition, die von beiden Autoren unterschiedlich aufgenommen wurde.190 Ob dies eine in der Forschung mehrfach postulierte Testimoniensammlung war, in der messianische Erfüllungsbelege (nach Stichwortanordnung?) gesammelt wurden,191 lässt sich nicht beweisen. P. Achtemeier dürfte mit seiner Annahme von Elementen einer frühen judenchristlichen Tradition, die dann von einer hellenistisch-christlichen Gemeinde übernommen wurde, der Wahrheit am nächsten kommen. Diese Elemente hat der Autor des 1. Petrusbriefes benützt und sie in diesem Abschnitt in einer

189

Vgl. hierzu sehr ausführlich HERZER, Petrus, 143–157, und MICHAELS, 1Peter, 94, der mit Recht darauf hinweist, dass der Autor des 1. Petrusbriefes kaum das paulinische Kombinationszitat wieder auseinandergerissen hätte, um eine weitere Psalmenstelle einzufügen. 190 H ILLYER, Imagery, 60; M ICHAELS, 1Peter, 103; ACHTEMEIER, 1Peter, 159; HERZER, Petrus, 155; MARSHALL, 1Peter, 67, und J OBES, 1Peter, 146, die anmerkt: „It is highly unlikely that all seven occurences of the stone imagery in the NT [Mk 12,10f.; Mt 21,42–44; Lk 20,17f.; Röm 9,32f.; Eph 2,20–22; 1Petr 2,4–8] can be accounted for by literary independence; therefore, the unanimous voice of the NT on this issue likely represents a common, well-established Christian tradition that most likely went back to Jesus himself.“ HERZER, a.a.O., 149, zieht für Jes 28,16 einen gemeinsamen, auf bloßer Erinnerung beruhenden Rückbezug auf den hebräischen Text in Erwägung, der zwar die Auslassung von eivj ta. qeme,lia gut erklären würde, aber beim gemeinsamen ti,qenai anstelle von evmbalei/n mit einem Zufall rechnen muss. B AUCKHAM, James, 311, sieht dagegen in der Wahl von ti,qhmi eine bewusste Entscheidung: „[T]he author of I Peter has selected it for his purpose, because it can also mean ‘appoint’, and so again stresses the theme of election at the outset of his series of texts“ (kursiv bei B.). MBUVI, Temple, 99, denkt generell an „independent traditions“, die Paulus und der Autor des 1. Petrusbriefes wiederum nach ihren Bedürfnissen verändert hätten. 191 So schon im 19. Jh. HATCH, Essays, 203–214; VOLLMER, Citate, 38–48; und im 20. Jh. HARRIS, Testimonies; DODD, According to the Scriptures, 35f.41–43, mit Hinweis auf die späteren Testimoniensammlungen, die von Cyprian u.a. herausgegeben wurden, vgl. Testimonia ad Quirinium, in: CSEL 1,35–184, und MPL 4,679–780; ELLIS, Use, 89f.; SCHELKLE, 1Petr, 62, und GOPPELT, 1Petr, 148; skeptisch bis ablehnend dagegen ELLIOT, Elect, 130–133; DERS., 1Peter, 423; HILLYER, Imagery, 61f.; SNODGRASS, Formation, 105f.

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einzigartigen und kreativen Weise kombiniert, um die erwählte christliche Gemeinde zu beschreiben.192 4.2 Jesus Christus, der erwählte Grundstein Mit V. 6 und der Wiedergabe von Jes 28,16 verfolgte der Autor ein doppeltes Ziel. Die Jesaja-Stelle dient ihm einerseits als messianischtempeltheologischer Schriftbeweis zum Stichwort li,qoj und andererseits als Einleitung zum eigentlichen Thema des Florilegiums, der Gegenüberstellung zwischen Glaubenden und Nicht-Glaubenden, die sich von der präsentischen Reaktion auf den „Eckstein“ Jesus Christus bis ins eschatologische Ergehen hinein erstreckt. Insofern hat der Vers zwei elliptische Schwerpunkte: Zum einen stellt er Jesus als den li,qoj avkrogwniai/oj und damit als Grundstein des Gemeindetempels vor,193 der von Gott grundge192

GOPPELT, 1Petr, 139f. (ausführlich); ACHTEMEIER, 1Peter, 152, ähnlich ELLIOT, Elect, 32, und FELDMEIER, 1Petr, 91. Vgl. zum Ganzen den traditionsgeschichtlichen Exkurs zum li,qoj-Motiv bei ELLIOT, Elect, 26–33. Dass der ursprüngliche Sitz im Leben dieses Florilegiums in der „antijüdischen Polemik der christlichen Gemeinde“ gelegen habe, wie GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 62, meint, lässt sich dagegen nicht wahrscheinlich machen, geschweige denn beweisen. 193 Die Frage nach der Bedeutung des Begriffs avkrogwniai/oj und seiner Position im Gefüge eines Hauses ist seit altkirchlichen Zeiten umstritten. Nach SIEGERT, Eckstein, 142, bieten auch die antiken Lexika keine Hilfe in dieser Hinsicht. Irenäus, Haer 4,25,1, deutete den Begriff als Winkel- bzw. Angelstein, der zwei Mauern im rechten Winkel verbindet. Tertullian, Marc 3,7, verstand den Terminus als (Ab)Schlussstein. Diese Deutung vertrat dann auch JEREMIAS, Kefalh. gwni,a j, 264–280; neuerdings auch W ITHERINGTON, 1–2Peter, 117. Nach Prüfung zahlreicher Belege, vgl. Ps 118,22 und Jes 28,16 im MT, LXX, Targum, Talmud und Symmachus; 2Kön 25,17; Hipp Elenchos 5,7.35; Aphraates Hom 1,6f.; v.a. aber seinen „Kronzeugenbelegen“ Test Sol 22,7; 23,4, kommt JEREMIAS zu dem Ergebnis, dass avkrogwniai/oj den oberen Abschlussstein eines Torbogens meint. Da es jedoch keine profangriechischen Belege für den umstrittenen Begriff selbst gibt, der nur in Jes 28,16LXX und in den ntl. Zitaten des Verses in Eph 2,20 und 1Petr 2,6 (vgl. Barn 6,2) vorkommt, muss seine Bedeutung aus dem Kontext ermittelt werden. Gegen J EREMIAS’ Deutung spricht im Kontext von 1Petr 2,4–10, dass es um einen Stein geht, auf den aufgebaut werden soll, über den man stolpern und an dem man sich stoßen kann. Es muss sich also wie in Jes 28,16 um einen entscheidenden Eckstein eines Fundamentes handeln; vgl. HORRELL, Epistles, 41; BROX, 1Petr, 100, vgl. auch Lit. in Anm. 334; MARSHALL, 1Peter, 70f.; ACHTEMEIER, 1Peter, 160, und J OBES, 1Peter, 157. Diese Identifikation legt sich sowohl von der Aufnahme von Jes 28,16 in 1QS 8,6–8 her nahe, wo es ebenfalls um den Eckstein oder Grundstein eines Fundamentes geht, H ILLYER, Imagery, 70, als auch von den rabbinischen Reflexionen, die in Jes 28,16 den Grundstein sehen, auf dem Gott die Welt errichtet hat, yYoma 5,4 [42c,34–39]; bSanh 26b. Eine interessante, in gewissem Sinne heilsgeschichtliche Deutung bietet neuerdings F. SIEGERT, a.a.O., 142–146. Er schlägt vor, dass es bei dem fraglichen Stein um einen sog. „Kämpfer“ geht, der für den verstärkten Mauerabschluss eines Kämpfergesimses dient, auf das dann das Gewölbe oder Dach eines Hauses aufgesetzt wird. Die theologi-

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legt wurde und von dem her die „lebendigen Steine“ dieses Tempels ihre Grundlage, Berufung und Würde empfangen. Die Adjektive evklekto,j und e;ntimoj fungieren in V. 4 zunächst als christologische Eigenschaften, um dann in V. 5 und V. 9 ekklesiologisch entfaltet zu werden, wobei nur evklekto,j explizit durch die Zitierung der Exodusformel (Ex 19,6) auf die Gemeinde appliziert wird. Zum anderen aber wird mit dem zweiten Teil des Verses die heuristische und eschatologische Funktion dieses Grundsteins hervorgehoben: An ihm scheiden sich Glaubende und Nicht-Glaubende schon in der Gegenwart, während das ouv mh. kataiscunqh/194 erst in der eschatologischen Rechtfertigung offenbar werden wird.195 4.3 Jesus Christus, der verworfene Grundstein Der Akzent der Scheidung und der eschatologischen Offenbarung wird in V. 7 in Form einer asymmetrischen Antithese aufgenommen und in V. 7a glossierend kommentiert. Im ersten Satzteil werden in einer sehr reduzierten, prädikatlosen Satzkonstruktion die Glaubenden im Sinne eines dativus commodi dem Satzsubjekt h` timh, zugeordnet („Kostbarkeit/Ehre für die Glaubenden“),196 wobei unklar bleibt, ob von V. 7b her Jesus Christus die „Kostbarkeit“ (in Analogie um Adjektiv e;ntimon) für die Glaubenden ist –

sche Bedeutung dieses „Kämpfers“ wird in der vertikalen Dimension deutlich. Während die Mauer, auf welcher der „Kämpferstein“ ruht, den alten Bund bzw. Israel symbolisieren soll, die der „Kämpfer“ abschließt, stehen die „lebendigen Steine“, mit denen das Dachgewölbe gebaut wird, für die Gemeinde des neuen Bundes. Damit verbindet S IEGERT, a.a.O., 146, eine heilsgeschichtliche Verhältnisbestimmung von Israel und Gemeinde im 1. Petrusbrief. So anregend der Vorschlag auch ist, so unsicher bleibt allerdings die exegetische Begründung, für die der Autor auf die Arbeit von HIRŠS, Volk, verweist. 194 Ob das ouv mh. kataiscunqh/ neben der Wiedergabe von Jes 28,16LXX – MT hat hier einen deutlich anderen Sinn, vgl. ÅDNA, Zitate, 242f. – noch eine Erinnerung an Y 33,6b enthält, der für den 1. Petrusbrief offensichtlich eine große Bedeutung hat, vgl. 1Petr 2,3 mit Y 33,9 und 1Petr 3,10–12 mit Y 33,13–17a, kann allenfalls vermutet werden. Es empfiehlt sich jedoch, nicht zu weitreichende Schlussfolgerungen auf diese Vermutung zu gründen. 195 Die Kombination von ouv mh, mit einem Aorist Konjunktiv ist die stärkste Verneinung, die mit der griechischen Sprache ausgedrückt werden kann. Sie dient hier zur Vergewisserung des Heils der Glaubenden; vgl. auch SCHELKLE, 1Petr, 60, und MICHAELS, 1Peter, 104: „ouv mh. kataiscunqh/ [...] is a negative way of expressing vindication“, mit Verweis auf 1Petr 3,16; 4,16. Sowohl atl. wie frühjüdisch und frühchristlich findet sich die Überzeugung, dass Gott im endzeitlichen Gericht seine Feinde der Schande und Entehrung preisgibt, vgl. Y 30,2.18; 118,31.78.116; Jes 47,3; Jer 23,40; Ez 16,52; Dan 3,41LXX; 1Kor 1,27. 196 BROX, 1Petr, 101; ACHTEMEIER, 1Peter, 161, Anm. 147.

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im Unterschied zu den Unglaubenden, die ihn ablehnen –,197 oder ob ihnen im Fortgang von V. 6c im Endgericht Ehre zuteil werden wird (vgl. dazu 1,7; 4,13).198 Vom Gesamtduktus der Argumentation her ist eher der zweiten Option der Vorzug zu geben und timh, mit „Ehre“ zu übersetzen.199 Im zweiten Satzteil und im gesamten V. 8 wird die Ablehnung des Evangeliums von Jesus Christus durch die Nicht-Glaubenden als schon in der Schrift in Y 117,22 und Jes 8,14 vorgezeichnet interpretiert.200 Das Psalmzitat ist exakt der LXX entnommen, die an dieser Stelle ohne Variation dem MT folgt. Mit den Ablehnenden sind, anders als im Kontext der Evangelien, an dieser Stelle nicht die jüdischen Autoritäten gemeint, sondern die heidnische Umwelt der römischen und kleinasiatischen Christen, angefangen von denunzierenden Nachbarn bis zu den feindlich gesinnten kommunalen Magistraten und Provinzstatthaltern.201 Anders auch als in den Evangelien liegt der Ton hier nicht auf der Offenbarung der messianischen Identität Jesu in der Auferstehung (vgl. Act 4,11), sondern vielmehr auf den Konsequenzen der Ablehnung des Messias für die Nicht-Glaubenden. 4.4 Jesus Christus, der Stein des Anstoßes Das Psalmenzitat wird in V. 8 durch eine Anspielung auf Jes 8,14 ergänzt und damit fortgeführt: Der zum Eckstein gewordene Stein, den die Bauleute verworfen hatten, wird für die Nicht-Glaubenden zum „Stein des Anstoßes“ und „Fels des Ärgernisses“.202 Es sind lediglich diese beiden Begriffe, die an die LXX-Version von Jes 8,14 erinnern,203 denn dort steht eine Verheißung für die Glaubenden, für die der Stein nicht zum „Stein des Ansto197

FELDMEIER, 1Petr, 91; BROX, 1Petr, 101, übersetzt konsequent in Anlehnung an das Adjektiv mit „Wert“. 198 GOPPELT, 1Petr, 149; MICHAELS, 1Peter, 104; ACHTEMEIER, 1Peter 160f. 199 ACHTEMEIER, 1Peter, 161, Anm. 148. 200 Damit ergibt sich im Vergleich mit 2,4b eine chiastische Struktur: Während in V. 6b-7a die Glaubenden beschrieben werden, welche die Kostbarkeit des Steins erkennen, vgl. V. 4bb, werden in V. 7b-8 die Nicht-Glaubenden charakterisiert, die den Stein verworfen haben, vgl. V. 4ba. 201 MICHAELS, 1Peter, 105; ACHTEMEIER, 1Peter, 161. 202 Es existiert keine erkennbare inhaltliche Verbindung zwischen Jes 8,14 und den beiden vorausgegangenen Zitaten. Während Jes 28,16 und Y 117,22 vermutlich auf David bzw. das davidische Königtum anspielen, wird in Jes 8,14 Gott selbst als der Stein identifiziert, an dem Israel zu Fall kommen soll, Jes 8,13–15. 203 Während sowohl Röm 9,33 als auch 1Petr 2,8 pe,tra skanda,lou lesen, steht in der LXX pe,tra[j] ptw,mati. Allerdings kann ska,ndalon als eine sachgemäße Übersetzung des hebräischen lAvk.mi gelten, so auch bei Aquila, Symmachus und Theodotion. Wieder gehen Paulus und der Autor des Petrusbriefes gemeinsame Wege, was jedoch aus besagten Gründen, →VII.4.1, nicht im Sinne einer direkten Abhängigkeit, sondern als Schöpfen aus gemeinsamen Quellen interpretiert werden muss.

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ßes“ und „Fels des Ärgernisses“ werden wird. Weil sowohl Paulus in Röm 9,33 als auch der Autor des 1. Petrusbriefes an dieser Stelle dem Drohwort des masoretischen Textes folgen, sollte man weniger von einem Zitat als von einer Anspielung reden. Eine Unschärfe bildet die Zuordnung des Dativs tw/| lo,gw|204 in der Interpretation dieser Anspielung in V. 8b: Entweder die Nicht-Glaubenden stoßen sich am Wort, weil sie nicht glauben bzw. nicht gehorchen,205 oder die Nicht-Glaubenden stoßen sich, weil sie dem Wort nicht glauben bzw. gehorchen.206 Für die erste Option spricht, dass prosko,ptousin mit einem Dativ-Objekt verständlicher ist, während die zweite Version die Verbindung von avpeiqei/n mit tw/| lo,gw| in 1Petr 3,1 (vgl. auch 4,17) auf ihrer Seite hat.207 Eine letzte Sicherheit ist nicht möglich, aber letztlich auch nicht entscheidend. Wichtiger ist, dass hinter diesen Formulierungen konkrete Erfahrungen des Autors wie der Adressaten stehen, die sie in der Verkündigung des Evangeliums gegenüber ihrer heidnischen Umwelt sammeln konnten. 4.5 Jesus Christus, der Stein der Scheidung Die Botschaft des Florilegium der li,qoj-Zitate ist, dass Christus als erwählter und kostbarer Stein zur Wegscheide für die Menschheit geworden ist: An der Annahme oder Ablehnung dieses von Gott zu Grunde gelegten messianischen Steins (vgl. ti,qeinai in V. 6) und dem Glauben/Gehorsam bzw. Unglauben/Ungehorsam gegenüber seinem Wort bzw. dem Evangelium entscheidet sich das eschatologische Schicksal des Menschen.208 Diese Botschaft wird in V. 8b durch den Hinweis ergänzt, dass das Anstoßnehmen der Nicht-Glaubenden am „erwählten und kostbaren Stein“ 204 Mit der Einführung von lo,goj greift der Autor auf seine Ausführungen in 1,23–25 und 2,1–3 zurück, wo er bereits eine kleine „Worttheologie in nuce“ bietet, die an Jak 1,18.21 erinnert. Inhaltlich dürfte mit dem Wort weniger Christus selbst als vielmehr sein Evangelium bzw. die frühchristliche Missionsverkündigung gemeint sein. 205 Mit dem Partizip avpeiqou/ntej weist der Autor auf die enge Verbindung von Glaube und Gehorsam hin. Unglaube ist deshalb immer auch Ungehorsam, hier nun konkret „dem Wort“ gegenüber. GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 130, macht darauf aufmerksam, dass der 1. Petrusbrief auch den Gehorsam der Christen vom Gehorsam Christi, vgl. 1,2, ableitet: „Man darf annehmen, daß das Verhältnis des Gehorsams Christi zu dem der Christen sich verhält wie die Ermöglichung zum Ermöglichten.“ 206 GOPPELT, 1Petr, 150, Anm. 57; BROX, 1Petr, 101; ELLIOT, 1Peter, 433; FELDMEIER , 1Petr, 89.92. 207 ACHTEMEIER, 1Peter, 162, erinnert daran, dass das Verb avpeiqei/n auch in Joh 3,36; Act 14,2; 19,9 und Röm 15,31 als Bezeichung für die Nicht-Glaubenden dient und möglicherweise christliches Traditionsgut darstellt. W ITHERINGTON, 1–2Peter, 118, betont die Schärfe des Verbs avpeiqei/n, das er als „refusal to obey“ interpretiert. 208 Vgl. MARSHALL, 1Peter, 73: „[The author] has reiterated in effect that Christ is the only way of salvation; to reject him is to land oneself in ruin and destruction.“

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Jesus Christus bzw. „am Wort“ und ihr Unglaube (gegenüber dem Wort?) ihrer Bestimmung entspricht. Das Verb evte,qhsan ist fraglos als passivum divinum zu lesen: Gott hat die Nicht-Gehorchenden bzw. NichtGlaubenden „dazu“ (eivj o[) bestimmt. Die entscheidende und in der Exegese umstrittene Frage ist nun, worauf eivj o[ zu beziehen ist. R. Feldmeier zieht mit logischer Stringenz die Schlussfolgerung, dass dieses „dazu“ als Kehrseite der Erwählung der Gemeinde eine prädestinatianische Verstockung und eine Setzung zum Unheil meint.209 Er räumt jedoch gleichzeitig ein, dass dies nicht das einzige und letzte Wort des 1. Petrusbriefes zu dieser Thematik ist, sondern der Fokus in gleicher Weise auf die missionarische Gewinnung der NichtGlaubenden gerichtet ist (vgl. 1Petr 2,12; 3,1f.;15f.). Auf der anderen Seite des theologischen Spektrums steht beispielsweise J. Elliot. Für ihn enthält die Formulierung gerade keinen prädestinatianischen Bezug, sondern mehr eine Art „Tun-Ergehens-Zusammenhang“. Was von Gott „gesetzt“ wurde, sei nicht der Ungehorsam, sondern das Anstoßen an Christus, dem Stein des Anstoßes und Fels des Ärgnernisses, welches aus dem selbst gewählten Unglauben und Ungehorsam gegenüber dem Wort resultiert: „[I]t is the result of disobedience that is foreordained, not the decision itself.“210 Vielmehr rechne der Autor aufgrund von 2,12 und 3,1 mit dem freien Willen und der freien Entscheidung im Blick auf die Annahme und Ablehnung Jesu als dem Christus.211 Wir werden auch für den 1. Petrusbrief im Allgemeinen wie für diese Stelle im Besonderen festhalten müssen, dass sich das eschatologische Heil bzw. Unheil des Einzelnen an seinem Christusverhältnis entscheidet: Wer auf ihn vertraut, wird nicht zuschanden werden (V. 6 bzw. Jes 28,16LXX). Der Abschnitt 2,4–8 ist fern davon, die Verantwortung des Einzelnen zu eliminieren, im Gegenteil.212 Entsprechend finden wir durch den gesamten Brief hindurch appellative Sequenzen, in denen zum Gehorsam und zur Bewährung des Glaubens ermahnt wird.

209 FELDMEIER, 1Petr, 92: „Das ist die Kehrseite der Überzeugung, dass die Erwählten sich durch Gottes Erbarmen berufen wissen. Wenn der Glaube seinen Ursprung nicht im menschlichen Willen hat, dann muss das auch für den Unglauben gelten (vgl. auch 1Thess 5,9).“ Eine doppelte Prädestination sehen auch GRUDEM, 1Peter, 106–110, und J OBES, 1Peter, 154–156, in diesem Vers. 210 ELLIOT, 1Peter, 434; ähnlich MARSHALL, 1Peter, 71; W ITHERINGTON, 1–2Peter, 119. 211 ELLIOT, 1Peter, 434.448. 212 Vgl. ACHTEMEIER, 1Peter, 163: „Either one builds on him as a precious cornerstone and thus belongs to God’s people, or one stumbles over him and rejects him and is not a member of that people. … [I]t does not exclude the responsibility of those who have rejected Christ.“

5 Das Gottesvolk-Florilegium (V. 9–10)

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Andererseits unterstreicht die hier behandelte Perikope mindestens ebenso deutlich die Tatsache der göttlichen Erwählung, womit den bedrängten Gemeinden auch die Gewissheit der Bewahrung im Glauben vermittelt werden soll. Somit kommt es auch hier zur Gleichzeitigkeit der sich logisch widersprechenden und nicht auszugleichenden Theologumena der Vorherbestimmung und Verantwortung, welche die dogmatische Fragestellung als eine falsche Alternative erweisen. Dies hat L. Goppelt zu Recht herausgestellt: „Sie nehmen Anstoß, d.h. sie versagen den Glauben. Dies ist Ungehorsam gegenüber dem Ruf des Wortes (Gottes) und zugleich Verstockung durch Gott. Die beiden Aussagen sind rational nicht vereinbar, aber sie sind beide für den Glauben notwendig; denn der Glaube muss sich einerseits als ein von Gott geschaffenes neues Ich bekennen (1,2; Röm 8,28ff.) und ist gerade als ein solches ein verantwortliches Ich Gott gegenüber (1,17; 2Kor 5,10). Daher ist auch die Ablehnung der Botschaft verantwortlicher Willensakt, Ungehorsam und zugleich Verblendung durch Gott.“213

5 Das Gottesvolk-Florilegium (V. 9–10) 5 Das Gottesvolk-Florilegium (V. 9–10)

V. 9f. hat verglichen mit V. 6–8 trotz aller äußeren Ähnlichkeiten einen anderen Charakter. Während V. 6–8 über das Stichwort li,qoj eine Schriftgrundlage für die verdichtete und antizipierte Zusammenfassung von V. 4 darstellt, enthält V. 9f. mit i`era,teuma und a[gion zwar zwei wesentliche Stichworte aus V. 5, verfolgt aber ansonsten eine eigene Aussageintention. Während V. 5 ausgehend von der li,qoj-Metapher die Identität der Gemeinde durch die Metaphorisierung der atl. Kultbegriffe des Tempels, der Priesterschaft und des Opfers bestimmt, geschieht dies in V. 9f. mit der Charakterisierung der Gemeinde als Gottesvolk und den Prädikaten bzw. Eigenschaften der Erwählung (Ex 19,6; Jes 43,20f.; Hos 1,6.9), der Priesterschaft (Ex 19,6), der Heiligkeit (Ex 19,6), des Eigentums (Jes 43,20f.) und der Barmherzigkeit (Hos 2,25). Der Auftrag der Gemeinde wird im Anschluss an Jes 43,20f. mit der lobenden Verkündigung der Wohltaten Gottes gegenüber Gott selbst entfaltet. 5.1 Traditionsgeschichtliche Überlegungen Umstritten ist auch für diese Verse die Herkunftsfrage. Während für V. 6– 8 aufgrund der komplexen Parallelen und Unterschiede zu Röm 9,32f. ein Rückgriff auf frühe judenchristliche Traditionen nicht unwahrscheinlich ist (→VII.4.1), gibt es für die Belegzusammenstellung von V. 9f. keine ana213

GOPPELT, 1Petr, 150.

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logen Vorlagen, geschweige denn für eine gemeinsame Quelle beider Florilegien aus V. 6–10. Natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass es möglicherweise judenchristliche oder auch jüdische Vorlagen gegeben hat214 – schließlich handelt es sich samt und sonders um Ehrenprädikate Israels, – aber aus Mangel an Beweisen muss die Zusammenstellung der Feder des Autors gutgeschrieben und als Ausdruck seiner theologischen Konzeption interpretiert werden.215 L. Goppelt hat darauf hingewiesen, dass auch diese beiden Verse „Zug um Zug in der essenischen Überlieferung vorgezeichnet“ sind216: Auch der yaḥad verstand sich als das wahre Israel, als der einzig legitime Erbe der Bundesverheißungen an die Väter (CD 8,17f.; 19,29ff.33ff.). Ähnlich wie die späteren kleinasiatischen Gemeinden in ihrer feindlichen Umwelt, führte der yaḥad eine Existenz in der Isolation, Abgrenzung und Distanz zur Außenwelt, die für ihn lediglich das Objekt der Willenskundgabe Gottes war (CD 8,17; 19,20). Sich selbst betrachtete der yaḥad ebenfalls als eine Gemeinschaft von Erwählten (CD 8,15) und Erleuchteten, die auf der Seite dessen stehen, der von der Mehrheit des Volkes verworfen wurde (1QH 4,5.8.23). Ähnlich wie die Gemeinde bezeugte auch der yaḥad die großen Machttaten Gottes (1QM 14,12f.; 18,7.10). Die Ehrenprädikate „Volk Gottes“ und „Israel“ dürfen freilich erst dann in Anspruch genommen werden, wenn die „Söhne des Lichts“ in einem eschatologischen Endkampf gegen die „Söhne der Finsternis“ antreten (1QM 3,13; 10,9f.; 13,7). In CD 3,19–4,4 werden durch die Aufnahme von Ez 44,15 Priesterbegriffe auf den yaḥad bezogen und Glieder der Gemeinschaft als Priester, Leviten und Söhne Zadoks angesprochen. Es wäre jedoch überinterpretiert, hier bereits von einem explizit priesterlichen Selbstverständnis der Gemeinde zu reden.217 Die strikte Unterscheidung von Priestern und Volk wird im yaḥad nie aufgehoben (→IV.2.6). Ein direkter Bezug zu Qumran ist aber aus mehreren Gründen unwahrscheinlich:218 (1) In traditionsgeschichtlicher Perspektive spielt der für 1Petr 2,9 zentrale Bezug auf Ex 19,6 nirgendwo in den Qumranschriften eine wesentliche Rolle.219 214

GOPPELT, 1Petr, 139.151, sieht auch hinter V. 9f. analog zu V. 6–8 eine judenchristliche Tradition. Auch GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 48f.64f., geht aufgrund der Hosea-Belege in V. 10 von einer gegebenen Vorlage aus, will sich aber zwischen den Alternativen „common tradition“ oder Testimonium nicht entscheiden. Er vermutet, dass es eine urchristliche Exegese gab, die ausgehend vom Terminus e;leoj die heilsgeschichtliche Dialektik zwischen Juden und Heiden verdeutlichen wollte, a.a.O., 65, vgl. auch 67: „Man darf also vermuten, dass die Gemeinsamkeiten zwischen Röm 9,25f.27–29 und 1Pt 2,10 und 9 nicht auf einem Zufall beruhen, sondern den Reflex einer bestimmten Lesart des AT darstellen, mittels derer man die Frage nach der heilsgeschichtlichen Zuordnung Israels und der christlichen Bruderschaft beantworten wollte.“ Es konnte bisher jedoch weder eine Testimoniensammlung, noch ein frühchristlicher Hymnus, noch ein überlieferter und dem Autor vorliegender lao,j-Komplex wirklich wahrscheinlich gemacht werden; vgl. ELLIOT, Elect, 129–145. 215 ELLIOT, Elect, 140; ACHTEMEIER, 1Peter, 163, Anm. 179. 216 GOPPELT, 1Petr, 151; vgl. auch MBUVI, Temple, 92f. 217 Vgl. hierzu KLINZING, Umdeutung, 74–80.142. 218 Vgl. hierzu auch ACHTEMEIER, 1Petr, 163, Anm. 179, sowie MBUVI, Temple, 93f.109. 219 Ebenso SANDEVOIR, Royaume, 227; HERZER, Petrus, 183, Anm. 116.

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(2) In historischer Perpektive besteht der fundamentale Unterschied zum 1. Petrusbrief darin, dass sich die Existenz des yaḥad einer selbstgewählten Isolation aufgrund einer theologischen Entscheidung verdankt, die eine aggressive Polemik gegenüber dem Jerusalemer Kult(personal) zur Folge hatte. Demgegenüber wurde die Konfliktsituation, mit der sich der 1. Petrusbrief auseinandersetzt, aufgrund des eingangs beschriebenen exklusiven religiösen Bekenntnisses und des für die pagane Umwelt irritierenden, ethischen Andersseins an die Gemeinde herangetragen. Im 1. Petrusbrief findet sich trotz der Applikation der Ehrenprädikate Israels auf die Gemeinde nicht der Hauch einer antijüdischen Polemik, erst recht nicht gegen die israelitischen Kultinstitutionen, auch wenn die Kultbegriffe nunmehr sehr unbefangen metaphorisiert und auf die Gemeinde übertragen werden. (3) Nach allem, was wir wissen, hielt der yaḥad immer an der Erwartung eines zwar eschatologischen aber doch physischen Tempels fest, weshalb der yaḥad stets nur als ein Interimstempel verstanden wurde. Sowohl Paulus wie auch der 1. Petrusbrief sehen dagegen in der Gemeinde den eschatologischen Tempel bereits verwirklicht. (4) Während sich die Verwirklichung des Priestertums im yaḥad durch einen Rückzug aus der (jüdischen) Mitwelt vollzog, appelliert der Autor des 1. Petrusbriefes trotz der offensichtlichen Spannungen für ein Engagement in und für diese Mitwelt (vgl. nur 1Petr 2,12–17; 3,15f. u.ö.).

Auch die Satzeinleitung gibt Rätsel auf: Geben die einleitenden Worte u``mei/j de, den Satzanfang der Exodusformel aus Ex 19,6LXX wieder220 oder will der Autor des 1. Petrusbriefes die folgende Identitätsbestimmung der Gemeinde in einen betonten Kontrast zur Beschreibung der NichtGlaubenden in V. 7b-8 setzen?221 Da der unauffällige Satzbeginn faktisch mit jenem in Ex 19,6LXX identisch ist, kann man nur über die mögliche Intention des Autors spekulieren. Vom Duktus des Gedankenganges ist jedoch eher an einen adversativen Satzanfang im Blick auf die vorausgehenden Verse zu denken, der dann die bereits innerhalb von V. 7 formulierte Antithese aufnimmt und weiterführt.222 Die folgenden Identitätsbestimmungen heben die Gemeinde damit bewusst von jener massa perditionis von V. 8 ab, die an Christus zu Fall kommt. Es folgen vier Ehrenprädikate, die allesamt Ehrentitel des atl. Bundesvolkes aus Jes 43,20f. und Ex 19,6 sind und nun auf die Gemeinde adaptiert werden.223 Die damit implizit aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis der Gemeinde zu Israel wird unten erörtert (→Exkurs 6).

220

So ELLIOT, Elect, 143. So BEST, Reconsideration, 277; BROX, 1Petr, 103, Anm. 343. 222 GOPPELT, 1Petr, 152; MICHAELS, 1Peter, 107. Wenn es sich bei der Satzeinleitung um ein Zitat aus Ex 19,6 handeln sollte, dann wäre bei diesem die ursprüngliche Gottesrede nicht mehr erkennbar. Das Zitat könnte im neuen Kontext nur als adversative Satzeinleitung des Autors verstanden werden; so mit Recht B EST, Reconsideration, 277. 223 ELLIOT, Elect, 40, Anm. 2, weist darauf hin, dass größere Gemeinsamkeiten zwischen Jes 43,20f. und der Bundesformel in Dtn 7,6 bestehen als zwischen Jes 43,20f. und Ex 19,5f. 221

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5.2 Das auserwählte Volk Mit ge,noj evklekto,n ist der erste Titel aus Jes 43,20f. entnommen.224 Die Betonung bei diesem Syntagma liegt im Kontext von 1Petr 2,4–10 eindeutig auf dem die Erwählung anzeigenden Adjektiv, da der Begriff ge,noj im Sinne von Abstammung/Herkunft (Act 7,13; Phil 3,5), Geschlecht (Act 17,28f.; Apk 22,16), Rasse oder Volk (Act 7,19) für die Gemeinde eigentlich unpassend ist, da sie keine ethnische Größe auf der Grundlage von Abstammungsverhältnissen ist. Deshalb wird der Begriff auch nirgendwo sonst im Neuen Testament auf die Gemeinde angewandt.225 Dies geschieht erst in der Wirkungsgeschichte ab dem 2. Jh.226 Dagegen ist die Erwählungsthematik von grundlegender Bedeutung für den 1. Petrusbrief im Allgemeinen (vgl. 1,1) und für die Periokope 2,4–10 im Besonderen. Schon mit der einführenden christologischen Interpretation des „erwählten und kostbaren Steins“ aus Jes 28,16 in V. 4 und der davon abgeleiteten Interpretation der Gemeinde als „lebendige Steine“, die zu einer „heiligen Priesterschaft“ erbaut werden (V. 5), wird die Wirklichkeit des Erwähltseins durch Gott für die Gemeinde in Anspruch genommen.227 Am Beginn des li,qoj-Florilegiums in V. 6 wird mit dem Zitat aus Jes 28,16 noch einmal die Erwählung des kostbaren Steins erwähnt, um dann den Abschnitt in V. 8 mit der Bestimmung der Nicht-Glaubenden zum Anstoß und Ungehorsam gegenüber dem Wort zu schließen. Die Erwählung der Gemeinde wird auf diese Weise auf das Engste mit der Erwählung Christi verknüpft, ja mehr noch: Die Erwählung der Gemeinde gründet in der Erwählung Christi.228 Für die in V. 9 sich in so verdichteter und emphatischer Form vollziehende Identitätsbestimmung der Gemeinde Jesu ist die göttliche Erwählung von herausragender Bedeutung. Sie ist letztlich in allen in V. 9f. zitierten 224 Das atl. Bundesvolk wird häufig als „erwähltes“ Volk bezeichnet, vgl. auch Ex 6,7; 19,5; Lev 26,12; Dtn 7,6; 14,2; Ps 95,7; 2Sam 7,24; Jer 11,4; Ez 34,30. 225 Der Begriff findet sich 55 Mal in der LXX und im Frühjudentum und bezieht sich insbesondere in frühjüdischen Schriften auf Israel bzw. die Juden; vgl. z.B. Est 3,7.8.11; 6,13; AddEst 8,12f.; 3Makk 1,3; im Neuen Testament vgl. Act 7,17; 13,26; 2Kor 11,26; Gal 1,14; Phil 3,5. 226 Vgl. Mart Pol 3,2; 14,1; 16,1; vgl. 17,1; Diogn 1,1; Tert Nat 1,8. Bei Clemens von Alexandrien, Strom 6,5,41, werden die Christen als tertium genus, d.h. als drittes Geschlecht neben Juden und Heiden vorgestellt, vgl. 1Kor 10,32. Im Unterschied zu dieser Begriffsentwicklung im 2. Jh. hat der 1. Petrusbrief kein Interesse daran, Christen, Juden oder Heiden als Rassen zu charakterisieren und erst recht nicht, sie als solche voneinander zu unterscheiden, vgl. MICHAELS, 1Peter, 108. 227 Zur gesamtntl. Bedeutung des Theologumenons der (Aus)Erwählung, vgl. Mt 22,14; Mk 13,20.22.27par; Lk 18,7; Joh 13,18; 15,16; Röm 8,33; 16,13; Kol 3,12; 2Tim 2,10; Tit 1,1; 1Petr 1,1; 2Joh 1.13; Apk 17,14. 228 Ähnlich ELLIOT, 1Peter, 411.

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atl. Belegen präsent, auch wenn nur in Jes 43,20f. explizit davon die Rede ist. 5.3 Die königliche Priesterschaft 5.3.1 Zur Bedeutung von basi,leion Das zweite Ehrenprädikat stellt den Leser zuerst vor ein grammatisches Rätsel, denn bei der Formulierung basi,leion i`era,teuma lässt es sich auf philologischem Wege nicht klären, ob es sich bei basi,leion um ein neutrisches Substantiv („Königshaus“/“Palast“, „Krone/Diadem“ oder „Königreich“) oder schlicht um ein neutrisches Adjektiv zu i`era,teuma („königliche Priesterschaft“) handelt. Selwyn, Elliot und Schüssler-Fiorenza haben dieser Frage in ihren umfassenden Studien zur Exodusformel in Ex 19,6 besondere Aufmerksamkeit gewidmet.229 Die Bedeutung des hebräischen Syntagmas ~ynIh]Ko tk,l,m.m; im MT wurde bereits in →II.4.2 ausführlich erörtert. Die LXX übersetzt diese Wortverbindung mit dem besagten und syntaktisch uneindeutigen basi,leion i`era,teuma. Diese Übersetzung könnte entweder als Wiedergabe einer Status-constructus-Verbindung gemeint sein, bei der dann basi,leion die adjektivische Übersetzung von hk;l,m.m; wäre. Die LXX-Übersetzer hätten in diesem Fall den Parallelismus membrorum des MT zu einem literarischen Chiasmus umgeformt. Oder die masoretische Wortverbindung wurde von den Übersetzern als eine Apposition verstanden, und dementsprechend wären beide Nomina substantivisch wiedergegeben worden. Das Substantiv basi,leion käme damit gleichwertig und unverbunden im Sinne eines Hendiadyoin neben i``era,teuma zu stehen (Königsherrschaft und [zwar] Priesterherrschaft).230 Das Gottesvolk wäre damit in toto als Träger königlicher und priesterlicher Macht und Würde beschrieben. In der Wirkungsgeschichte der LXX-Version der Exodusformel finden sich nun sowohl das adjektivische wie das substantivische Verständnis von basi,leion. Die attributivadjektivische Variante im Sinne von „königlich“ ist allerdings abgesehen von Ex 19,6 und 23,22 nur viermal in der LXX belegt, wovon zwei Belege (Dtn 3,10; 3Makk 3,28) textkritisch zweifelhaft sind und deshalb neben der Exodusformel letztlich nur zwei eindeutige Belege (SapSal 18,15; 4Makk 3,8) für den adjektivischen Gebrauch von basi,leion existieren.231 229

SELWYN, 1Peter, 166; ELLIOT, Elect, 50–128; SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 78–101.113–120; vgl. auch B LINZLER, IERATEUMA, 58–62, und BEST, Reconsideration, 288ff. Bedenkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings der Hinweis von J. KLAWANS, Purity, 170f.: „[T]he Exodus verse in question has been of greater interest and importance to modern scholars […] than it was to the ancient sources“; ebenso auch SCHWARTZ, Kingdom, 57–66, und H IMMELFARB, Kingdom, 1. So findet die Stelle weder in den Qumranschriften noch in der Mischna oder Tosefta eine Erwähnung. Lediglich im babylonischen Talmud finden sich drei Belege, vgl. bShab 86b.87a; bZev 19a. 230 B AUER, Könige; vgl. Ps 68,17; Prov 5,19; Sach 1,13, sowie SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 85.117. 231 4Makk 3,8 zeigt, dass das Adjektiv hier auch vor dem Substantiv stehen kann, was eine Analogie zu 1Petr 2,9 wäre.

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Bei der substantivischen Variante würde basi,leion entweder den Herrschaftsbereich eines Königs, d.h. sein Königreich, seine aktive Herrschaft und Regierung oder seine Herrschaftsresidenz, konkret das Königshaus bzw. den Königspalast, die Königsstadt oder auch den Königsthron bezeichnen. Gelegentlich findet sich auch die Bedeutung „Königskrone“ bzw. „Königsdiadem“. 232 Die substantivische Variante findet sich 24mal in der LXX und auch in den anderen griechischen Übersetzungen von Ex 19,6 bei Aquila (basilei,a i``ere,wn: Königtum von Priestern), Symmachus, Theodotion und der Syrohexapla (basilei,[a] i``erw/n: Königtum, Priester), sowie in der Peshitta, dem sahidischen und armenischen Text.233 Darüber hinaus findet sich das substantivische Verständnis von basi,leion in der Aufnahme der Exodusformel in den Targumim,234 im Jubiläenbuch (Jub 16,18),235 in 2Makk 2,17,236 bei Philo (Sobr 66; Abr 56)237 und in Apk 232

Mit „Königreich“ ist in 1Chr 28,4; 2Makk 2,17; SapSal 1,14; 5,16; Dan 4,34.37; 5,23.30; 7,22 zu übersetzen. Mit „Krone“ ist der Begriff in 2Sam 1,10; 2Chr 23,11 wiederzugeben, mit „königlicher Würde“ in 1Esdr 4,40, mit „Thron“ in 1Esdr 4,43; mit „Königspalast“ in Prov 18,19 und als Adjektiv „königlich“ in 4Makk 3,8; vgl. ACHTEMEIER, 1Peter, 164, Anm. 196. 233 ELLIOT, Elect, 78, Anm. 1, und SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 101f., bieten beide zusammenfassende Übersichten über alle Traditions- und Übersetzungsvarianten der Exodusformel. 234 ELLIOT, Elect, 76–78; SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 79–81. Alle Targumim lösen den Status-constructus in einen Status-absolutus auf und geben das kollektive Abstraktum tk,l,m.m; mit dem pluralen Konkretum !ykil;m; wieder. Während TNeof I, TFrag (TJII) und TPsJ die beiden Nomina mit einem Kopulativpartikel verbinden, vgl. Apk 5,10, lässt TO analog zu Apk 1,6 die beiden Nomina unverbunden nebeneinander stehen. 235 ELLIOT, Elect, 78–85; SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 92f. Der äthiopische Text von Jub 16,18 spricht von „Königtum und Priester“. Die Exodusformel wird hier allerdings nicht im Zusammenhang des Sinaibundes in Erinnerung gerufen, sondern zur Erläuterung des Abrahambundes. Zweck der Aufnahme von Ex 19,6 ist jedoch auch hier die Erwählung und Heiligkeit der Nachkommenschaft Abrahams und damit Israels in toto zu unterstreichen. Allerdings werden in Jub 33,20 die beiden Substantive in Adjektive verwandelt und in umgekehrter Reihenfolge zum MT von einer „priesterlichen und königlichen Nation“ gesprochen. Bemerkenswert ist an dieser Stelle ferner, dass Jub 33,20 das Königsprädikat nicht mit basi,leion, sondern mit basiliko,j wiedergibt. 236 ELLIOT, Elect, 90–96; SCHÜSSLER-F IORENZA, Priesterum, 90f. Der Kontext des Zitats ist hier völlig unterschieden vom Kontext der Exodusformel. Es geht hier um eine Erinnerung an die Erwählung und Berufung Israels im Zusammenhang der Feier des Purimfestes im Rahmen der Tempelreinigung durch Judas Makkabäus am 25. Kislev 164 v.Chr. Bei der Reflexion von Ex 19,6LXX wird die Undeutlichkeit der dortigen Formulierung so behoben, dass der Autor jeweils den bestimmten Artikel sowie eine Kopula einführt: to. basi,leion kai. to. i`era,teuma kai. to.n a`giasmo,n. Mit basi,leion ist hier offenbar die durch die Makkabäer neu gewonnene Unabhängigkeit gemeint, mit i`era,teuma das levitische Priestertum und mit a`giasmo,n die Tempelreinigung. 237 ELLIOT, Elect, 96–101; SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 91f. In Sobr 66 stellt Philo Jakob als den Vater der zwölf Stämme vor, denen das Orakel gilt, dass sie Gottes königliche Residenz und Priesterschaft (basi,leion kai. i``era,teuma qeou/) sein werden. Basi,leion hat hier also die Bedeutung von „Königshaus/-palast“ und ist sowohl durch den Kontext wie durch die Kopula eindeutig substantivisch zu verstehen. In Abr 56 preist Philo das moralische Vorbild der jüdischen Heilsgeschichte und erwähnt dabei die beiden

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1,6; 5,10.238 Zu beachten ist nach wie vor der Hinweis von Selwyn, dass basi,leion zwar im 2. Makkabäerbuch, bei Philo und in der Johannesapokalypse substantivisch verstanden wird, aber jedes Mal eine andere Bedeutung hat.239 In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde viel Mühe in die Unterscheidung von verschiedenen Textgruppen in der Überlieferung der Exodusformel investiert.240 Die damalige Euphorie ist mittlerweile wieder deutlich abgeebbt, weil die Fülle gelehrter Beobachtungen nicht zu einem Konsens führte. Letztlich bleiben solche Konstruktionen höchst spekulativ und zu vage, um weitreichende traditionsgeschichtliche Thesen darauf zu gründen. Aus dem quantitativen Übergewicht der substantivischen Evidenz folgert Elliot, dass auch in 1Petr 2,9 ein substantivisches Verständnis unabweisbar sei. Hinzu kommt, dass im Griechischen die Stellung eines Adjektivs vor dem Substantiv äußerst ungewöhnlich und mit 2Makk 2,17 und den beiden Philo-Belegen zwei zeitgenössische Parallelen mit substantivischem Verständnis von basi,leion existieren.241 In der Konsequenz interpretiert er basi,leion in Parallelität zum oi=koj pneumatiko,j in V. 5 als „royal palace“ bzw. „house of God the king“.242 Best versucht, durch eine Weiterentwicklung von Elliots Argumentation für basi,leion die Übersetzung „body of kings“ mit Verweis auf Jes 62,3 und Dan 7,18.22.27 zu rechtfertigen, was aber in den einschlägigen Kommentaren zu Recht keine weitere Berücksichtigung fand.243

Dass der Autor des 1. Petrusbriefes den Begriff, trotz seines mehrheitlich substantivischen Verständnisses in der atl. und frühjüdischen Literatur und in der Apokalypse, dennoch im adjektivischen Sinn verstanden wissen wollte, ist durch folgende Überlegungen begründet:244 Triaden Abraham, Isaak und Jakob sowie Noah, Henoch und Enosch. Er vergleicht die Vaterschaft Adams und Noahs mit jener von Abraham, Isaak und Jakob, von denen die Orakel als einer bedeutenden Trias eines Volkes sprechen, das „königliche Residenz und Priesterschaft und heilige Nation (basi,leion kai. i``era,teuma kai. e;qnoj a[gion) genannt wird. Wie in Sobr 66 und 2Makk 2,17 wird durch eine Kopula der substantivische Charakter von basi,leion herausgestellt. 238 In Apk 1,6 und 5,10 taucht allerdings nicht die exakte Form der Exodusformel auf, sondern es ist von basilei,an und i``erei/j die Rede. In Apk 20,6 ist die Exodusformel nur undeutlich zu erkennen, denn anstelle des ersten Prädikats basi,leion bzw. basilei,a steht hier das Verb basileu,sousin. 239 SELWYN, 1Peter, 166. Ferner weist er, ebd., darauf hin, dass basi,leion bei den altkirchlichen Zeugen fast durchweg substantivische Bedeutung hat, ausgenommen in den Zitaten von 1Petr 2,9; vgl. Aug Civ Dei 17,5; Eus VC 3,38; Greg Nys OrCat 18 (Palast); 2Clem 6,9; Just Apol 1,32; Eus VC 9,5; 29,4 (Königreich); 2Clem 17,5 (Herrschaft); Athan Ep ad Jov 4 (Majestät). 240 Vgl. hierzu ausführlich SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 103–113. 241 ELLIOT, Elect, 150. 242 ELLIOT, Elect, 73.196; DERS., 1Peter, 436f. mit zusätzlichem Verweis auf Strab Geogr 12,5,2f.; 12,2,7; 14,2,16.23. So bereits schon SELWYN, 1Peter, 166, und dann ELLIOT folgend G OLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 73; SCHRÖGER , Gemeinde, 82; BROX, 1Petr, 103, und neuerdings W ITHERINGTON, 1–2Peter, 120. 243 BEST, Reconsideration, 290f. 244 Vgl. hierzu v.a. MICHAELS, 1Peter, 108f., und ACHTEMEIER, 1Peter, 164f. Ein adjektivisches Verständnis vertreten auch SEIDENSTICKER, Opfer, 267; B LINZLER, IERATEUMA, 62; KETTER, Priestertum, 50; SCHELKLE, 1Petr, 64; GOPPELT, 1Petr,

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(1) Im Rahmen des Polysyndetons in V. 9 werden alle vier Ehrenprädikate durch ein Adjektiv bzw. einen Zusatz (ge,noj evklekto,n, e;qnoj a[gion, lao.j eivj peripoi,hsin) modifiziert. Dass bei dem Syntagma basi,leion i`era,teuma das Adjektiv nicht wie bei den anderen Ehrenprädikaten und wie im Griechischen üblich dem Substantiv nachfolgt, sondern vorangeht, ist der engen Anlehnung an den LXX-Text geschuldet. Alle vier Titel wurden exakt nach der LXX-Vorlage wiedergegeben. (2) Alle Ehrenprädikate in V. 9 bezeichnen eine Menschengruppe (Rasse/Geschlecht, Priesterschaft, Nation, Volk). Wenn basi,leion im substantivischen Sinn als „Königshaus“ oder „Palast“ verstanden wird, würde dies einen motivischen Bruch bedeuten. (3) Auch in V. 5 wird i`era,teuma durch ein Adjektivattribut (a[gion) modifiziert. Dort findet sich auch in dem Syntagma pneumatika.j qusi,aj ein vorangestelltes Adjektiv ohne hinzugefügten Artikel. (4) Das adjektivische Verständnis von basi,leion im Sinne von „königlicher Priesterschaft“ würde auch semantisch mit den anderen Ehrenprädikaten harmonieren, weil dann auch hier die von Gott verfügte und bestimmte Zugehörigkeit und Zuordnung einer Gruppe zu Gott selbst durch ein Adjektiv zum Ausdruck käme. (5) Der Autor macht weder durch einen Artikel noch durch eine Kopula zwischen basi,leion und i``era,teuma deutlich, dass er den Begriff substantivisch verstehen will. Er würde in diesem Fall zumindest die Missverständlichkeit in Kauf nehmen. 5.3.2 Zur Bedeutung von i``era,teuma Durch das adjektivische Verständnis wird die Gemeinde als eine Priesterschaft beschrieben, die einem bestimmten König zugeordnet wird bzw. in dessen Dienst steht. Für die Interpretation der Formel ist im Licht der Wirkungsgeschichte Folgendes anzumerken: (1) Die Titulierung der Gemeinde als Priesterschaft ist wie in Ex 19,6 in relationsontologischer und nicht in funktionaler Hinsicht zu verstehen. Es geht hier um das Sein der Gemeinde vor Gott und in Relation zur ihrer paganen Umwelt, nicht um irgendwelche Funktionen, die sie als Priesterschaft auszuüben hätte. So wie eine Priesterschaft sowohl in Israel wie in der antiken paganen Welt eine Gruppe von Personen darstellt, die aus einer größeren Personengruppe (eines Volkes, einer Stadt, der Völkergemeinschaft [Ex 19,6]) durch ihren Status der Gottesunmittelbarkeit, -gemäßheit, -zugehörigkeit, Heiligkeit und Integrität herausgehoben ist, so gilt dies

152f., Anm. 65; SCHWEIZER, 1Petr, 45f.; DERS., Priesthood, 291f.; MARSHALL, 1Peter, 74, und FELDMEIER, 1Petr, 92f.

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auch für die Gemeinde.245 Eine mediatorische Funktion im Sinne eines Mittleramtes zwischen Gott und den Menschen liegt dem 1. Petrusbrief mit der Aufnahme dieses Begriffes ebenso fern, wie der ursprünglichen Exodusformel (→II.4.2).246 Eine solche ist schon deshalb völlig ausgeschlossen, weil die Gemeinde die Nicht-Glaubenden zwar durch ihr Wortund Tatzeugnis zum Glauben einlädt, aber sie diesen Glauben nicht umgekehrt wieder an Gott „vermittelt“.247 Ein solches mediatorisches Amt übt „die Gemeinde“ bzw. „die Kirche“ auch nicht für ihre einzelnen Glieder aus. So sehr der Begriff i`era,teuma korporativ und nicht individualistisch zu verstehen ist (→VII.3.5.1), so sehr gilt die in diesem Begriff implizierte Heiligkeit, Integrität und Idealität sowie Gottesunmittelbarkeit, -gemäßheit und -zugehörigkeit doch für jeden Glaubenden, weil er von nun an keiner Mediation in seinem Gottesverhältnis mehr bedarf. (2) Deutlich ist, dass dieses Ehrenprädikat nur in der Relation zur nichtpriesterlichen paganen Umwelt seinen Sinn erhält. Das heißt, dass mit diesem Titel in keiner Weise innergemeindliche Rechte, Funktionen oder Pflichten verbunden sind.248 Von solchen ist im 1. Petrusbrief an ganz anderer Stelle die Rede (4,7–11; 5,1–5) und zwar in völlig unkultischer Terminologie und mit den typischen funktionsspezifischen Titeln der frühen Christenheit wie presbu,teroi und sumpresbu,teroj (5,1), sowie dem Wortfeld poim- und avrcipoi,menoj (5,4).249 (3) Das Syntagma basi,leion i`era,teuma darf ebenso wenig wie i`era,teuma a[gion in V. 5 individualistisch missverstanden werden, was immer dann nahe liegt, wenn der Begriff referentiell zum levitischen Priestertum verstanden wird. Wie in V. 5 und in allen anderen frühjüdischen Belegen ist der Begriff i``era,teuma auch in V. 9 von Ex 19,6 her zu interpretieren. Dort geht es darum, dass Israel im kollektiven Sinn die Identität und Bestimmung einer Gott als dem König zugeordneten Priesterschaft zugesprochen wird, die gerade als eine Korporation ein priesterliches Sein in dieser Welt besitzt. (4) Es handelt sich bei i``era,teuma um einen dezidierten Kultbegriff. Eine Priesterschaft war sowohl in Israel wie in der paganen Welt exklusiv be245

STRACK, Terminologie, 369: „Mit der Bezeichnung i``era,teuma kommt der Gemeinde des 1 Petr eine neue Qualität der Gottesnähe und Gottunmittelbarkeit zu. Die Christen haben einen neuen Status im Umgang mit Gott als ein Volk, dessen Glieder allesamt mit ihm in vertrautem Umgang leben, wie das sonst nur bei Priestern der Fall ist‘ (H. W ILDBERGER , Jahwes Eigentumsvolk, 83).“ 246 Anders dagegen JOBES, 1Peter, 160f. 247 So richtig gesehen von ELLIOT, Elect, 186.197f.221. An dieser Stelle lässt sich der konfessionelle Dissens freilich nicht mehr vermeiden; vgl. dazu Kap. →VII.8. 248 BROX, 1Petr, 104; ELLIOT, 1Peter, 420; gegen BEST, Reconsideration, 288. 249 Vgl. auch die funktionalen Ämtertitel in der christologischen Bezeichnung in 1Petr 2,25: to.n poime,na kai. evpi,skopon tw/n yucw/n u`mw/n.

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rechtigt, im Raum des Tempels den Dienst vor Gott bzw. der Gottheit zu vollziehen und im unmittelbaren Nahbereich des- bzw. derselben zu wandeln. Priester hatten sowohl in Israel wie in allen Kulturen der mediterranen Welt das Prestige des idealen, integren und gottgemäßen Menschen, der legitimiert ist, am idealen Ort göttlicher Präsenz zu dienen. Was es für die kleinasiatischen Christen bedeutet haben mag, als in ihrer Umwelt stigmatisierte und ausgegrenzte Gruppe diese priesterliche Identität zugesprochen zu bekommen und sich deshalb der besonderen Nähe und Unmittelbarkeit zu Gott selbst gewiss sein zu dürfen, ist nach 2000 Jahren christlicher Kultur kaum mehr zu ermessen. (5) Schließlich ist auf die besondere Wirkung des Begriffs im Blick auf die Situation der Adressaten hinzuweisen. Das allgemeine hellenistischpagane Verständnis des Begriffs signalisiert den Brieflesern, dass sie sich als einen aristokratischen, dem König zugeordneten, auserwählten Kreis von Priestern verstehen sollen, die sich in der antiken Welt allerorten eines hohen Sozialprestiges erfreuten. Die damit verliehene aristokratische Identität wird vom Autor in den folgenden Kapiteln in mindestens doppelter Hinsicht fruchtbar gemacht. Einmal gründet er auf diesem königlichpriesterlichen „Standesbewusstsein“ seine Ermutigung, in schwierigen Zeiten das Leiden geduldig zu ertragen. Zum anderen entwickelt er aus dieser Identitätsbestimmung der Gemeinde auch seine Paränese, in der er die Christen ermahnt, in „standes-gemäßer“ Weise und mit guten Werken auf die feindselige Gesellschaft zu reagieren. (6) Von der Wirkungsgeschichte her ist dem Titel „königliche Priesterschaft“ eine verglichen mit den drei anderen Ehrenprädikaten überragende Bedeutung zugewachsen, die ihm eigentlich weder aus syntaktischer noch aus semantischer Perspektive zusteht. Denn die vier Ehrenprädikate stehen syntaktisch in einer Reihe nebeneinander, ohne dass eines die anderen dominieren würde, und auch das Thema „Priesterschaft“ wird im 1. Petrusbrief nirgendwo mehr aufgenommen oder gar vertieft.250 Vielmehr liegt der Tenor der vier Ehrenprädikate auf der Erwählung, Aussonderung, Inbesitznahme, Heiligung und damit auch auf der Aufwertung durch Gott gegenüber anderen Personen(gruppen), konkret den Nicht-Glaubenden.251 5.4 Das heilige Volk Auch das dritte Ehrenprädikat e;qnoj a[gion ist der LXX-Übersetzung der Exodusformel entnommen. Dort ist der Begriff e;qnoj eine Bezeichnung

250 Es kann keine Rede davon sein, „daß der Gedanke daran [sc. an das Priestertum] den ganzen Abschnitt beherrscht“, wie KETTER, Priestertum, 44, meint. 251 Richtig von BROX, 1Petr, 105, gesehen.

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Israels,252 auch wenn die Pluralform sowohl in der LXX wie im Neuen Testament in aller Regel die Heidenvölker meint.253 Die Titulierung der Gemeinde als e;qnoj findet sich im Neuen Testament auch noch in Mt 21,43 und im Zitat von Dtn 32,21LXX in Röm 10,19. Mit e;qnoj a[gion wird die Prädikation Israels als dem (einzig) „heiligen Volk“ auf die Gemeinde übertragen, ohne dass dies hier oder an anderer Stelle thematisiert oder gar problematisiert würde (→Exkurs 6). Vielmehr empfängt nun die Gemeinde aus den vielen Völkern das einheitsstiftende Prädikat eines e;qnoj a[gion. Das Adjektiv a[gion beschreibt die erforderliche kultische Qualität und den Status von Menschen oder Gegenständen, die kontakt- und begegnungsfähig mit Gott sind und sich in diesem Nahbereich des göttlichen Raumes aufhalten können (→II.2.2.1). Exakt diese Qualität bzw. diesen Status der Heiligkeit und Integrität und darüber hinaus ganz generell die priesterliche Identität wird der Gemeinde Jesu Christi nun in toto zugesprochen. Mit der Applikation des Prädikats „heilig“ auf die Gemeinde vollzieht sich auch eine theologische Distanzierung dieser Gemeinde von ihrer Umwelt.254 Sie ist kraft ihrer Erwählung (ge,noj evklekto,n!) in Gottes Augen herausgehoben aus den Völkern, unter denen sie lebt, und soll dies auch in ihrem ethischen Wandel transparent werden lassen.255 Dieser Aspekt ist für das Verständnis von basi,leion i`era,teuma (V. 9) und i`era,teuma a[gion (V. 5) von zentraler Bedeutung. So wie eine Priesterschaft – und hier ist nicht nur an die levitische Priesterschaft zu denken, die in Ex 19,5f. gar nicht im Blick war – durch einen qualitativ bestimmten Status der Heiligkeit aus dem Rest des Volkes herausgehoben war und dieser Heiligkeit durch besondere kultische Verpflichtungen gerecht werden musste, so ist die Gemeinde nicht nur in gradueller, sondern in Relation zu ihrer Umwelt in absoluter Weise heilig und soll diesem Status durch einen entsprechenden Lebensstil nicht in kultischer, sondern in ethischer Weise entsprechen.

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Der hebr. Terminus yAg für Israel findet sich neben Ex 19,6 auch in Dtn 4,6; Jos 3,17; 4,1; 10,13; Jer 31,36 u.ö. Der griech. Terminus e;qnoj ist darüber hinaus noch in Y 32,12; 105,5; SapSal 17,2; Jos Ant 19,278 belegt. Die in der LXX übliche Bezeichnung für Israel als „heiliges Volk“ ist eigentlich lao.j a[gioj, vgl. nur die zentralen Belege Dtn 7,6; 14,2.21; 26,19; 28,9. 253 Vgl. auch 1Petr 2,12; 4,3. Die Singularform bezieht sich auf Israel in Lk 7,5; 23,2; Joh 11,48.50–52; 18,35; Act 10,22; 24,2.10.17; 26,4; 28,19. 254 Vgl. Röm 12,2; 13,13; 2Kor 6,14–7,1. 255 ELLIOT, Elect, 177, unterscheidet hier zu Recht zwischen einer passiven Dimension der Heiligkeit, die in der Erwählung Gottes begründet ist, und einer aktiven Dimension, die ihren Ausdruck im Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes finden soll.

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5.5 Das Volk des Eigentums Das vierte und letzte Ehrenprädikat ist wieder eine Anlehnung an Jes 43,21LXX, was durch die ähnliche Satzfortführung (lao,n mou o]n periepoihsa,mhn ta.j avreta,j mou dihgei/sqai) als sicher gelten kann.256 Dass eine ähnliche Formulierung auch in der Exodusformel in Ex 19,5 präsent ist (lao.j periou,sioj), dürfte für den Autor ein willkommener Zufall gewesen sein und die Zitatenkombination aus Jes 43,20f. und Ex 19,5f. abrunden. Theologisch klingt im Begriff lao,j die gesamte atl. Erwählungs- und Bundestheologie an.257 Etwas schwieriger ist dagegen die Bedeutung von eivj peripoi,hsin zu beantworten. Der Begriff ist nur fünfmal im Neuen Testament belegt258 und jedes Mal mit einer eivj-Konstruktion, die auf die Gewinnung des Heils bzw. die Errettung abzielt; lediglich in Eph 1,14 ist der Akzent etwas verschoben. Dieser Umstand ist für Michaels ausschlaggebend, um in peripoi,hsij ein Äquivalent für swthri,a zu sehen, und er übersetzt die Wendung dann konsequent eschatologisch mit „‚a people destined for vindicationʻ [...] in the sense of future or final salvation“.259 So sehr die Parallelen für Michaels Deutung sprechen mögen, sie können nicht die Konjektur des ansonsten mit „Eigentum“ (Eph 1,14) bzw. „Gewinnung“ (1Thess 5,9; 2Thess 2,14) oder „Bewahrung“ (Hebr 10,39) wiederzugebenden Begriffes mit der Bedeutung „Heilsgewinn“ oder „eschatologische Rechtfertigung“ begründen. Vielmehr muss die Wendung von ihrem atl. Hintergrund her verstanden und auf das besondere und exklusive Gottesverhältnis der Gemeinde Jesu bezogen werden. Ein futurischer Aspekt ist damit nicht eigens betont. 5.6 Die Bestimmung der Gemeinde Mit o[pwj werden die Konsequenzen aus dieser Identitätsbestimmung der Gemeinde Jesu eingeleitet. Wiederum in Anlehnung an Jes 43,21b soll sie die avretai, Gottes verkündigen. Auch wenn der Begriff im Griechischen mit der Grundbedeutung „Tugend“ oder „Lob“ wiederzugeben ist, spricht 256

Die Formulierung ist wörtlich in der LXX so nicht belegt. Für die Anlehnung an Jes 43,21 gibt das Akkusativobjekt ta.j avreta,j den Ausschlag. Der Autor hat den Relativsatz mit der Aorist-Verbform in eine eivj-Konstruktion verwandelt. 257 In der LXX dient es über 1600 Mal als Übersetzung für das hebr./aram. ~[. In den Evangelien findet die Übertragung des lao,j-Begriffs auf die Gemeinde noch nicht statt, was seinen Grund in der Begrenzung der Sendung Jesu zu Israel hat. 258 Neben 1Petr 2,9 noch in 1Thess 5,9; 2Thess 2,14; Hebr 10,39 und Eph 1,14; vgl. auch Act 20,28. 259 M ICHAELS, 1Peter, 109. Zusätzlich verweist er noch auf die Entsprechung zum ebenso eschatologisch konnotierten h` timh, in V. 7 und auf die eivj swthri,a -Formulierungen in 1Petr 1,5 und 2,2.

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vom atl. Hintergrund und dem dortigen Wortgebrauch von evxagge,llein (s.u.) alles dafür, ihn mit den „lobenswerten Taten“ bzw. Macht- und Rettungstaten Gottes in Verbindung zu bringen.260 Umstritten ist bei dieser Verkündigung aber v.a. die Adressatenfrage. Von vielen Exegeten und in besonderer Weise von Missionstheologen wie V. Steuernagel261 und P.J. Robinson262 wird ausgehend von V. 9b der missiologische Akzent des Abschnitts hervorgehoben. Nun ist überhaupt nicht zu bestreiten, dass der 1. Petrusbrief einen prononciert missionarischen Impetus hat, ob dieser jedoch in 1Petr 2,4–10 und insbesondere in V. 9b enthalten ist, muss bezweifelt werden. D. Balch hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich in den einschlägigen Psalmenbelegen die Verkündigung stets im gottesdienstlichen und damit kultischen Rahmen an Gott selbst wendet, der für seine Wundertaten gelobt und gepriesen wird.263 Es geht im Zusammenhang des Verbs evxagge,llein z.B. um das Erzählen „seines Lobes/Ruhmes … in den Toren der Tochter Zion“ (Y 9,15; 72,28; vgl. Sir 39,10), das Verkünden der Gerechtigkeit und des Heils (swthri,a) Jahwes im Rahmen des kultischen Lobpreises und Dankgebetes (Y 70,15; vgl. V. 8.14.22f.). In Y 116,22 steht die Verkündigung der Werke Jahwes in einem synonymen Parallelismus membrorum zum Dankbzw. Lobopfer und auch in Y 118,26 ist das Erzählen von den Wegen des Beters direkt an Gott gerichtet. Dagegen sind die Adressaten nirgendwo Heiden, Fremdvölker oder Außenstehende.264

Von einer missionarischen Verkündigung an die Mitwelt kann an dieser Stelle (noch) keine Rede sein, denn „there is no Septuagint text where this verb is used to refer to mission preaching“.265 Mit der kultmetaphorischen 260 Vgl. Jes 63,7; Phil SpecLeg 1,209; Jos Ant 17,56. SCHLATTER, Petrus, 100: „Die avretai, eines Gottes sind nicht ihm anhaftende Eigenschaften, sondern seine mächtigen Taten und Hilfe schaffenden Leistungen. Die avretalogi,a eines Gottes verkündet, was in seinem Tempel als wunderbare Hilfe erlebt worden ist.“ So auch ELLIOT, Elect, 42; GOPPELT, 1Petr, 153; MICHAELS, 1Peter, 110; ACHTEMEIER, 1Peter, 166. SELWYN, 1Peter, 167, denkt konkret an die „redemption brought about by Christ’s death and resurrection, and the divine wisdom, love, power, and mercy which lay behind it and in it.“ GRUDEM, 1Peter, 112f., Anm. 1, will die avretai, auf dem Hintergrund des Begriffsgebrauchs bei Philo und Josephus mit „excellence“ übersetzen, womit er das Lob der Güte Gottes und damit seiner lobenswerten Eigenschaften meint. 261 STEUERNAGEL, Exiled Community, 8–18; vgl. v.a. 10–15. 262 ROBINSON, Missiological Perspectives, 176–187; vgl. v.a. 183. 263 So z.B. KÄSEMANN, Amt, 123, der darauf hinweist, „daß ta.j avreta.j evxaggei,lhte technischer Terminus jener Exhomologese ist, mit welcher der Geheilte oder Errettete oder der, dem Schuld vergeben ward, pflichtgemäß und öffentlich die gnädige Macht der Gottheit in einer Epiphanie als von sich erfahren bekennt.“ Auch SCHNIEWIND, Art. avggeli,a ktl., 68, weist auf die dominierende kultische Konnotation des Begriffs in der LXX hin. 264 Vgl. darüber hinaus noch Y 55,9; 78,13; Sir 18,4; 44,15. 265 B ALCH, Wives, 132–136, v.a. 133, und HOFIUS, Ordination, 264, Anm. 14: „Wo der Gedanke des Priestertums der Glaubenden begegnet …, da fehlt eine Bezugnahme

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Adressierung des Lobpreises an Gott, den Wundertäter, entspricht der o[pwj-Satz dagegen exakt V. 5b, wo mit einem finalen Infinitivsatz ebenfalls die Aufgabenbestimmung der Gemeinde (avnene,gkai pneumatika.j qusi,aj) im Anschluss an ihre Identitätsbestimmung zunächst im Gottesdienst beschrieben wird.266 Somit ist in 1Petr 2,4–10 nicht nur die Identitätsbestimmung, sondern auch der Auftrag der Gemeinde noch ganz auf das Gottesverhältnis ausgerichtet. Es geht in diesen Versen (noch) nicht um einen wie auch immer gearteten missionarischen Sendungsauftrag der Gemeinde an die Mitwelt. Man mag den missionarischen Sinn des nach außen gerichteten „Weitersagens“ in dieser Formulierung zwar mithören können,267 aber der Akzent liegt auf dem in kultmetaphorischer Sprache ausgedrückten, nach oben gerichteten Gotteslob der Gemeinde. Die Verse bleiben konsequent in dem von Ex 19,6 vorgegebenen Rahmen. Auch dort hat – wie in →II.4.2 gezeigt wurde – die priesterliche Identität Israels keine wie auch immer geartete mediatorische Funktion für die Völkerwelt, sondern ist vielmehr ein Ausdruck des allein Israel gewährten exklusiven Gottesverhältnisses. Damit soll die missionarische Beauftragung der Gemeinde im 1. Petrusbrief nicht in Abrede gestellt werden, im Gegenteil. Mit dem aristokratischen Standesbewusstsein, das in der Übertragung der Ehrenprädikate Israels zum Ausdruck kommt, verbindet der Autor auch eine Erwartung an und Verpflichtung für die Adressaten: Diese sollen als die Fremden in ihauf den Dienst der Verkündigung und Lehre. Man kann dagegen nicht die Worte o[pwj ta.j evxaggei,lhte ktl. von 1Petr 2,9 ins Feld führen; denn diese beziehen sich keineswegs auf die Predigt des Evangeliums, sondern … auf den die Heilstaten Gottes proklamierenden Lobpreis“. 266 Mit MICHAELS, 1Peter, 110, der im Widerspruch gegen ELLIOT, s.o. unter 2.2.2, in V. 9 eine Auslegung von V. 5 sieht und die „geistlichen Opfer“ vor allem anderen als Lob Gottes versteht. 267 Im Profangriechischen spielt das Verb v.a. in der Tragödie eine Rolle, wo ein Bote, evxa,ggeloj, dem Publikum „nach außen verkündet“, was den Augen der Zuschauer entzogen ist, vgl. SCHNIEWIND, Art. avggeli,a ktl., 68. Entsprechend vermuten ROBINSON, Missiological Perspectives, 183; ACHTEMEIER, 1Peter, 166; BROX, 1Petr, 103; METZNER, Rezeption, 164.173, Anm. 138; WELLS, People, 229; ELLIOT, 1Peter, 439f., und HIRŠS, Volk, 131f., auch für 1Petr 2,9 eine missionarische Konnotation. Dass missionarische Verkündigung und Gotteslob keine Alternativen, sondern komplementär aufeinander bezogen sind und in einem kausalen Zusammenhang stehen, wird in 1Petr 2,12 und 4,11 deutlich. In 2,9 ist dieser Akzent aufgrund des durchweg kultisch bestimmten Kontextes jedoch noch unwahrscheinlich. Wie folgenschwer diese exegetische Entscheidung werden kann, wird bei ROBINSONS radikalem und letztlich verfehltem Urteil in Missiological Perspectives, 185, deutlich: „A congregation that does not, through its members, take the Word of God and the witness about his saving acts to every walk of life, is not the church referred to by 1 Peter. They are not God’s people!“ Dagegen wird in 1Petr 2,4–10 exakt das Gegenteil ausgesagt: Die Identität der Gemeinde gründet nicht in ihrem (missionarischen) Handeln, sondern in Gottes Handeln und Berufung.

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rem feindlich gesinnten Umfeld durch einen vorbildlichen Lebenswandel und gute Werke die Heiden zum Gotteslob anreizen (2,12), christliche Frauen ungläubiger Männer sollen diese „gewinnen“ (3,1), die Christen sollen jene, die sie verspotten, diffamieren und möglicherweise sogar denunzieren, segnen (3,9), und sie sollen nicht zuletzt allezeit bereit zur Apologie des Glaubens und der Hoffnung, die in ihnen ist, sein (3,15).268 Allerdings ist dieser missionarische Auftrag noch nicht in 2,5 und 2,9 enthalten. Hier geht es im Rahmen einer kultmetaphorischen Identitätsbestimmung der Gemeinde zunächst ausschließlich um ihr Gottesverhältnis. Diese feine Differenzierung wurde in der Auslegungsgeschichte fast durchgängig ebenso übersehen, wie die Tatsache, dass der o[pwj-Satz sich nicht nur auf die „königliche Priesterschaft“ bezieht, sondern von allen der Gemeinde verliehenen Ehrenprädikaten abgeleitet wird. Bei diesen handelt es sich aber samt und sonders um Identitäts-, nicht um Funktionsaussagen. Dabei wird die Identität der Gemeinde in allen Ehrenprädikaten relationsontologisch aus dem Gottesverhältnis abgeleitet (evklekto,n, basi,leion, a[gion, eivj peripoi,hsin) und nicht aus ihren Weltverhältnis. Aufgrund der Ausblendung dieser Sachverhalte kam es immer wieder zu einer Funktionalisierung der Metapher der „Priesterschaft“, über deren mediatorisches oder missionarisches Handeln dann spekuliert werden konnte. Ganz gleich ob man in der Alten Kirche die Aufgabe eines Weihepriestertums in einer priesterlichen Mediation des Heils verstand, oder reformatorisch priesterliche Funktionen allen Gläubigen zusprach, immer wurde der Text überlastet und mit Erwartungen konfrontiert, die er nicht erfüllen konnte und wollte. Der Wunsch, das im (levitisch verstandenen!) Priestertitel inhärente Potential in die eine oder andere Richtung fruchtbar zu machen, führte immer wieder zur semantischen Überdehnung dieser Verse. Es geht hier vielmehr um die kultmetaphorische Konzeptualisierung der erfahrenen Erwählung und Heiligung der Gemeinde durch Gott und ihre aristokratische Unmittelbarkeit und Zugehörigkeit zu Gott, wofür sie ihn lobt und preist – nicht mehr, aber auch nicht weniger.269

268 Vgl. auch GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 134: „Die Passage vom geistgewirkten Haus und von der heiligen Priesterschaft und vom Volk, das durch Gottes Erbarmen gegründet wurde, ist in den paränetischen Rahmen (1,22–2,3; 2,11ff.) eingespannt und wird im Folgenden auf das missionarische, staatsbürgerliche, soziale, familiäre und generationsbezogene Handeln hin entfaltet.“ 269 Zu dieser Einsicht vgl. bereits SANDEVOIR, Royaume, 228: „[O]n ne peut trouver en 1 P 2,4–10 la moindre connexion entre hiérateuma et une function ministérielle.“

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5.7 Die Berufung der Gemeinde Den Abschluss des Verses bildet eine Charakterisierung Gottes durch einen Partizipialsatz,270 der als attributiver Nebensatz Gott als den Autor der avretai, präzisiert. Mit dem Stichwort des Rufens (kale,santoj)271 bzw. der Berufung wird an das zentrale Thema der Erwählung angeknüpft: Der durch vier Ehrenprädikate beschriebene Heilsstatus der Gemeinde beruht nicht auf der Qualifikation ihrer einzelnen Glieder, sondern auf diesem göttlichen (Be)Rufen.272 Der Übertritt zum Glauben an Jesus Christus wird antithetisch als ein Wechsel von der Finsternis ins Licht verstanden.273 Der Autor nimmt hier in Anspielung an Gen 1,2–5274 die dualistische Metaphorik der jüdisch-hellenistischen und frühchristlichen Bekehrungs- und Missionsterminologie275 auf und unterscheidet zwischen einem dunklen Drau270 Zu Gottesprädikationen im Partizipialsatz vgl. im 1. Petrusbrief auch 1,3.17.21; 2,23; 4,5; 5,10. 271 Kalei/n ist gesamtbiblisch terminus technicus für Gottes rettendes und erwählendes Handeln, vgl. im Alten Testament v.a. Jes 41,9; 42,6; 43,1.22; 48,12.15; 49,6; 51,2; 54,6; 65,12; 66,4, und im Neuen Testament Mt 20,16; 22,14; Röm 1,1; 8,30; 1Kor 1,1.9; 7,15.17–24; Gal 1,15; 5,13; Eph 4,1.4; Kol 3,15; 1Thess 2,12; 4,7; 5,24; 2Tim 1,9; 2Petr 1,3; Apk 17,14. 272 Der Ruf Gottes kann im 1. Petrusbrief einerseits einen Ruf zur endzeitlichen Errettung meinen, so hier und in 5,10, oder einen Ruf zu einer bestimmten ethischen Verhaltensweise, 2,21; 3,9 oder zu beidem, 1,15. 273 Dunkelheit wird atl.-frühjüdisch als Symbol für Sünde, Unwissenheit, z.B. Prov 2,13; vgl. Eph 4,17f., Unsicherheit, Hiob 24,14–17, und den Bereich des Satans gebraucht, während das Licht sowohl die Gegenwart Gottes und das eschatologische Heil symbolisieren können, z.B. Ps 36,10; 43,3; Jes 2,5; 8,23–9,1; 42,6.16; 49,6; 58,10; 60,1ff.; äthHen 58,3; 1QS 1,9–11. ELLIOT, 1Peter, 440, versteht die Wendung in erster Linie auf dem Hintergrund der atl. Befreiungsgeschichten aus Ägypten und Babylonien, die jeweils mit der Finsternis-Licht-Antithetik beschrieben werden, vgl. Jes 42,16; 58,10. 274 Vgl. hierzu auch die zahlreichen frühjüdischen Belege, in denen in Auslegung des Schöpfungsberichts das Licht des ersten Tages metaphorisch auf die Erkenntnis der Wahrheit oder des Lebens bezogen wird: 4Esr 6,40; LibAnt 28f.; 60,2; 4Q392 1,4–7; slHen 24,4j; 25; Aristobul bei Eus PraepEv 13,12,9–11 und Phil Op 29–35. 275 Ähnliche Konversionsformulierungen finden sich in Act 26,17f.; Röm 13,12–14; 2Kor 4,6; Kol 1,12f.; Eph 5,8f.; 1Thess 5,4–8; 1Clem 36,2 (hier in Codex H sogar mit Anklang an 1Petr 2,9); 59,2; Barn 14,5–7 und schon in Qumran, 1QH 4,5.6.23, v.a. aber in der Missionsterminologie des hellenistischen Judentums, vgl. JosAs 8,9f., sowie AUNE, Dualism, 289–291. In der Konsequenz können die Glaubenden selbst als „Licht der Welt“, Mt 5,14–16, vgl. Joh 8,12, „Kinder des Lichts“, Eph 5,8–14; 1Thess 5,4f., oder als im Licht Lebende, 1Joh 1,5–7; 2,9–11, bezeichnet werden. Warum sich diese Wendungen „eindeutig auf die Taufe“ beziehen und „mit ihrer Terminologie das Taufbekenntnis“ widerspiegeln sollen, wie KÄSEMANN, Amt, 123, und GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 79, meinen, bleibt ihr Geheimnis. GOLDSTEIN, a.a.O., 80, sieht darin dann konsequenterweise einen Hinweis auf den Gemeindegottesdienst und folgert: „Die Gemeinden werden ermahnt, bei ihren [...] Zusammenkünften die Großtaten Gottes in Jesus Christus zur Rettung der Glaubenden zu preisen.“ Dass die Gemeinden genau das getan

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ßen der Verlorenheit und einem erleuchteten „Drinnen“ der Errettung.276 Die Trennlinie ist die Zugehörigkeit zur Gemeinde, die in diesen Versen mit im Neuen Testament einzigartigen Ehrenprädikaten geadelt wird. Das schroffe „Vorher-Nachher“-Schema zieht sich durch den gesamten Brief: Vorher waren die Adressaten in der Unwissenheit (1,14) und der „Nichtigkeit“ (1,18), nun aber sind sie im Licht, d.h. sie sind als Glaubende gleichzeitig Sehende und damit auch Erkennende. 5.8 Das Volk Gottes In V. 10 führt der Autor das am Ende von V. 9 eingeführte „Vorher-Nachher“-Schema nun explizit aus (pote ... nu/n)277 und zwar anhand einer weiteren Kombination aus Anklängen an Hos 1,6.9 und 2,3.25. Der Autor überträgt hier die durch Hosea proklamierte Verwerfung und Annahme Israels auf die einst in paganen Lebensmustern gefangene (vgl. 1,14) heidenchristliche Gemeinde. Damit wird die ursprüngliche Antithese zwischen einem von Gott nicht erwählten Heidenvolk und einem erwählten Bundesvolk auf die Dialektik zwischen der ungläubigen Vergangenheit und der christlichen Gegenwart der Adressaten übertragen.278 Der Prophet hatte in einer prophetischen Zeichengeste für das abtrünnige Nordreich Israel seine zweitgeborene Tochter „Kein Erbarmen“ (Ouvk&hvlehme,nh; Hos 1,6) und seinen drittgeborenen Sohn „Nicht mein Volk“ (Ouv&lao,j&mou; Hos 1,9) genannt.279 Anders als Paulus in Röm 9,26 lässt der Autor das Ehrenprädikat aus Hos 2,1 (ui``oi. qeou/ zw/ntoj) aus und nimmt Hos 2,3 und 2,25 auf. Offensichtlich kommt es ihm auf den lao,j-qeou/-Titel an, der die vier Ehrenprähaben, ist sicher, dass sie hier dazu aufgefordert werden, lässt sich aus dem Text nicht begründen. 276 Man sollte den göttlichen Ruf ins Licht nicht zu einseitig eschatologisch verstehen, wie M ICHAELS, 1Peter, 111f., dies tut. Auch wenn das verborgene Wesen der Gemeinde und ihrer Glieder noch nicht vor aller Welt offenbar geworden ist, so ist das Leben und Erkennen des Glaubenden doch bereits jetzt schon erleuchtet, vgl. 2Kor 4,6; 1Clem 59,2. Dass die Glaubenden immer wieder zu einem Leben im Licht ermahnt werden, vgl. 1Thess 5,4f.; Eph 5,8f.; 1Joh 1,5–7; 2,9–11, widerspricht dem nicht, sondern bestätigt dies nur. 277 Vgl. zum Vorher-Nachher-Schema auch Röm 6,21; 11,30f.; Gal 4,3–9; Eph 2,1– 7.11–13; 5,8; Kol 3,7–10, ähnlich auch Röm 7,4–6; 1Kor 6,9–11; Kol 2,12f. Das nu/n hat im Rahmen dieses Schemas eschatologischen Charakter und markiert den Anbruch der endzeitlichen Heilszeit. 278 SCHRÖGER, Gemeinde, 61. 279 Die Auslassung von mou lässt sich mehrfach begründen: Zum einen wird Gott anders als im Hosea-Kontext nicht als Sprecher dieser Worte eingeführt und zum anderen waren die hier adressierten Heidenchristen vorher nicht nur nicht das Volk Gottes, sondern sie waren in ihrer jetzigen Zusammensetzung überhaupt kein Volk, worauf M ICHAELS, 1Peter, 112, mit Recht hinweist.

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dikate in V. 9 besser zusammenfassen kann.280 Durch die Applikation der Hosea-Stelle auf die Gemeinde vollzieht sich bei dieser allerdings ein wesentlicher Bedeutungswandel. Während im Hosea-Kontext die Wiederannahme des bestehenden Volkes Israel ausgedrückt wurde, verkündet die Hosea-Stelle im Kontext des 1. Petrusbriefes die Gottes-Volk-Werdung einer Gruppe von Menschen, die ansonsten keine ethnischen Gemeinsamkeiten haben.281 So beschreibt V. 10 die Existenz der Gemeinde in gewisser Weise als eine creatio ex nihilo, denn anders als Israel zur Zeit Hoseas war die heidenchristliche Gemeinde vorher gar nicht existent. Durch die göttliche Berufung zum Glauben und zum endzeitlichen Heil in Christus werden die Heidenchristen überhaupt erst als Volk konstituiert. Die Gemeinde wird auf diese Weise zu einer sozialen und politischen Größe inmitten des antiken Schmelztiegels des römischen Reiches,282 und der Apologet Aristides kann schon im 2. Jh. an Kaiser Hadrian schreiben, dass es auf der Welt vier Gattungen von Menschen gibt: Barbaren und Griechen, Juden und Christen.283 Mit dem Florilegium in V. 9f. und dem Stichwort „Barmherzigkeit“ schließt der Autor den ersten Hauptteil seines Briefes (1,3–2,10) im Stile einer inclusio ab (vgl. e;leoj in 1,3).284 Dass dieser Abschluss durch ein (oder mehrere) Schriftzitat(e) erfolgt, ist im 1. Petrusbrief nicht ungewöhn-

280 Eine Abhängigkeit von Paulus bzw. Röm 9,25f. ist unwahrscheinlich. Denn außer der Bezugnahme auf dieselben Belege und Themen gibt es kaum Gemeinsamkeiten in den Details; so auch ELLIOT, Elect, 45f.; GOPPELT, 1Petr, 154, Anm. 72; ACHTEMEIER, 1Peter, 167, Anm. 243. HERZER, Petrus, 182, macht darauf aufmerksam, dass die HoseaStelle im Kontext der anderen atl. Referenzen gesehen werden muss, die eine völlig andere Aussageintention widerspiegeln als Röm 9, wo es in einer ebenfalls ausführlichen Zitatenkombination aus Hos 2,1.25; Jes 1,9; 10,22 um das Verhältnis von Israel zu den Heiden geht. Dagegen ist es auch hier nicht unwahrscheinlich, dass die ähnlichen Bezugnahmen auf einer vorgegebenen (jüdisch-?)christlichen Tradition beruhen, vgl. GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 48f. 281 SCHELKLE, 1Petr, 66. 282 Ge,noj, e;qnoj und lao,j sind soziologische und politische Begriffe. So bezeichnet lao,j in Griechenland schlicht die politische Gemeinde, vgl. Hom Il 11,676; Od 14,28; Aristoph Pax 920 und SELWYN, 1Peter, 168. GOPPELT, 1Petr, 154, erinnert daran, dass dieser Vorgang im Zusammenhang des damaligen Zeitgeschehens von immenser Bedeutung war. Während das Vielvölkerreich der Römer mehr und mehr zu einem individualistischen und nivellierenden Einheitskultus verschmolz, indem die politische Ordnung der alten po,lij zugunsten der römischen Provinzen verschwand, profilierte sich die junge Gemeinde als neues Volk mit einem ungeheueren Sendungs- und Selbstbewusstsein. 283 Aristides Apol 2,2. 284 GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 120: „Die Barmherzigkeit Gottes ist der Horizont, in dem alle weiteren Fragen nach Christus, Pneuma und Gemeinde angesiedelt sind und von dem her sie ihren Sinn beziehen.“

Exkurs 6: Die Bedeutung Israels im Licht von 1Petr 2,5.9f.

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lich. Auch der Abschnitt 2,11–3,12 wird mit einem ausführlichen Schriftzitat (3,10–12) abgeschlossen, Ähnliches gilt für kleinere Sinneinheiten.285 Exkurs 6: Die Bedeutung Israels im Licht von 1Petr 2,5.9f. Exkurs 6: Die Bedeutung Israels im Licht von 1Petr 2,5.9f. Spätestens mit der Applikation der traditionellen Ehrenprädikate Israels auf die Gemeinde lässt sich die Frage nach dem Verhältnis der Gemeinde Jesu Christi zum atl. Bundesvolk Israel, dem diese Ehrenprädikate zuerst und exklusiv zugesprochen wurden, nicht mehr verdrängen. Die Antwort auf diese Frage ist allerdings erheblich dadurch erschwert, dass der Autor des 1. Petrusbriefes nirgendwo eine Reflexion über diese Thematik anstellt. Dass diese Leerstelle lediglich auf einer „curious appearance of naivëte“286 beruht, ist völlig ausgeschlossen. Kein christlicher Autor konnte im 1. Jahrhundert mit naiver Ignoranz über diese Diskussion hinweggehen. Der Verständnishorizont der vier (bzw. fünf, wenn man lao.j qeou/ aus V. 10 mitrechnet) Ehrenprädikate basiert auf der Existenz Israels und des alten Bundes.287 Man konnte diese Titel schon im 1. Jahrhundert nicht verwenden, ohne automatisch mit der Frage nach der gegenwärtigen theologischen Bedeutung des ursprünglichen „Titelträgers“ konfrontiert zu werden. Wir haben davon auszugehen, dass der Autor sehr wohl eine dezidierte Position hatte, diese aber im vorliegenden Brief nicht explizit darlegt. „Eine Rechenschaft über Gottes Weg mit Israel angesichts des Evangeliums und der übertrittsfreien Heidenmission gehört nicht zu den Absichten des Autors.“288 Die in Römer 9–11 angesprochenen Fragen waren offensichtlich weder für den Autor noch die Adressaten des 1. Petrusbriefes virulent, weshalb wir auf Vermutungen und Rückschlüsse angewiesen sind. Folglich finden sich in der exegetischen Diskussion nahezu alle bekannten Entwürfe für die Verhältnisbestimmung dieser beiden heilsgeschichtlichen Größen wieder: Von der Substitutionstheorie289 über die Erfüllungsthese,290 das Modell der „Wiederaufführung“ des heilsgeschichtlichen Dramas der Erwählung und Heiligung des Gottesvolkes291 bis hin zur „Komplettierungs285

Vgl. dazu ELLIOT, 1Peter, 443. MICHAELS, 1Peter, 107. 287 Es fällt auf, dass sämtliche Ehrenprädikate keinen christologischen Bezug haben, sondern ausschließlich Adaptionen atl. Würdetitel Israels auf die Gemeinde sind. Diese Beobachtung entspricht durchaus der Grundtendenz des 1. Petrusbriefes, eher theozentrische als christozentrische Aussagen zu machen und selbst bei dezidiert christologischen Passagen wie z.B. 1Petr 1,18–21 und 3,18–22 theozentrische Aussagen einzubinden. 288 STENSCHKE, Funktion, 112. 289 Z.B. B LINZLER, IERATEUMA, 58, der meint, dass mit der Übertragung der Ehrenprädikate auf die Gemeinde „indirekt, wenn auch deutlich genug, gesagt ist, daß keine dieser Auszeichnungen mehr für das Judentum gilt“; vgl. auch V IELHAUER, Oikodome, 140: „… wie denn überhaupt der ganze Abschnitt V. 4–10 auch in Antithese, in impliziter und expliziter Polemik gegen das Judentum geschrieben ist“; sowie P ESCH, Priestertum, 307; B EST, 1Peter, 109, und MARSHALL, 1Peter, 72–74. 290 Vgl. STIBBS, 1Peter, 105: „The use of such phraseology here [sc. in 1Petr 2,9] implies that what is typically and prophetically anticipated in Old Testament history finds its fulfilment in the Christian community. The Church of Christ, so Peter unmistakably asserts, is the true Israel of God.“ 291 Vgl. MICHAELS, 1Peter, 112f.: „In their transformation from ouv lao,j to lao.j qeou/, these gentile Christians of Asia Minor are reenacting a chapter of Israel’s own history. 286

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theorie“292 und Integrationsthese, wonach die Gemeinde aus den Heidenvölkern in die heilsgeschichtlich nicht zurückgenommene Berufung Israels eingefügt wird (vgl. Röm 11,11–32),293 reicht die Palette der Lösungsvorschläge. Sich ausschließende Pole sind dabei nur das Substitutions- und die „Komplettierungstheorie“ bzw. das Integrationsmodell, während die Erfüllungsthese und das „Wiederaufführungsmodell“ Varianten von beiden erstgenannten Modellen sein können. Eine Entscheidung lässt sich im Rahmen des 1. Petrusbriefes nicht treffen, auch wenn Elliot in der Bezeichnung der christlichen Frauen als „Kinder Saras“ einen Hinweis auf die bleibende Berufung Israels erblicken will.294 Versucht man die Aussagen des 1. Petrusbriefes mit jüdischen Ohren des 1. Jahrhunderts zu hören, wirken sie provokant. Wenn der Autor die Bestimmung der Gemeinde nach 2,5 darin sieht, Gott pneumatische und wohlgefällige Opfer durch Christus zu bringen, bringt er damit vice versa zum Ausdruck, dass die regulären Opfer Israels im Jerusalemer Tempel jenseits von Jesus Christus keinen pneumatischen Charakter (mehr) hatten bzw. haben – je nachdem, wie der 1. Petrusbrief zu datieren ist. Und auch die kommentarlose Applikation der Ehrenprädikate und -rechte(!) des Bundesvolkes Israel auf zwar wachsende, aber vermutlich immer noch kleine, verstreute, gesellschaftlich stigmatisierte und vielfältigen Repressalien ausgesetzte christliche Gemeinden mit niedrigem Sozialprestige musste den Vertretern der jüdischen Synagogengemeinden als ungeheuerliche Anmaßung erscheinen. Die Usurpation der Ehrenprädikate erweckt den Eindruck, als ob diese nie einem anderen Adressaten gegolten hätten295 und ein unkundiger Leser würde wohl nicht auf die Idee kommen, dass das Bundesvolk Israel für den Autor noch eine relevante geschichtliche Größe ist.296 So gelesen hat der Brief sicherlich nicht den Charakter eines diplomatischen Gesprächsangebots an die kleinasiatischen Synagogen. Der Ton ist hier ein völlig anderer als in Röm 11,11–32.297 Man gewinnt den Eindruck, dass

[…] The experience of being ‘no people’ or ‘destitute of mercy’ was Israel’s experience by virtue of her disobedience long before it was the experience of these Gentiles. […] the Jews are the prototypes for the Christians to whom Peter writes.“ 292 Vgl. z.B. W ITHERINGTON, 1–2Peter: „Peter’s view is that the one people of God has kept going all along, only now the true expression of them is found in Jew and Gentile united in Christ.“ 293 BROX, Sara; SCHROEDER, People, 44f.; METZNER, Rezeption, 161f.; ELLIOT, 1Peter, 443.447; J OBES, 1Peter, 164. 294 ELLIOT, 1Peter, 443. Belege für diese Sicht sieht er auch in 1,4a.10–12; 3,7 und 3,20f. Sämtliche Belege sind jedoch alles andere als eindeutig. 295 MICHAELS, 1Peter, 107 mit Verweis auf 1Petr 1,1. 296 M ICHAELS, 1Peter, 107, ähnlich MARSHALL, 1Peter, 72f.: „It is impossible to avoid the impression that Peter deliberately says that the contemporary people of Israel are no longer God’s people, standing in continuity with his people in Old Testament times, but rather that the church is the true heir of Israel.“ So gesehen müsste der Brief nach 70 n.Chr. noch einmal polemischer empfunden worden sein als vor der Zerstörung des Tempels und der Vertreibung der Juden aus Jerusalem. 297 Der Autor bemüht sich auch nicht, wie z.B. Paulus, seine Adressatengemeinden an die Jerusalemer Gemeinde rückzubinden und die jüdischen Ursprünge des christlichen Glaubens gesondert zu betonen. Judenchristlichen Be- und Empfindlichkeiten werden in diesem Schreiben an keiner Stelle Rechnung getragen. Vgl. auch MBUVI, Temple, 92: „Either way, it is difficult to rule out polemical overtones against the Jerusalem temple

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die Verhältnisse zwischen Gemeinde und Synagoge geklärt sind – allerdings kaum schiedlich-friedlich und harmonisch. Auf der anderen Seite sind wir jedoch nicht legitimiert, einfach von einem Substitutionsmodell auszugehen. Dazu fehlen schlicht entsprechende Aussagen.298 Abgesehen von der beschriebenen Nicht-Thematisierung Israels und der Synagoge299 finden sich auch keine polemisch anti-jüdischen Äußerungen.300 Die Substitution Israels durch die Gemeinde wäre ein unbeweisbares Postulat. Angesichts dieser Quellenlage ist es ratsam, den 1. Petrusbrief bis auf Weiteres in der Linie der beiden ntl. Hauptzeugen für die Positionsbestimmung der Gemeinde gegenüber Israel zu deuten, zumal die engen Bezüge des Briefes sowohl zum Matthäusevangelium301 als auch zu Paulus302 unstrittig sind.303 Für das Matthäusevangelium hat M. Konradt gezeigt, dass die beiden Missionsbefehle in Mt 10,5f. und Mt 28,19f. ein sehr bewusstes theologisches Konzept darstellen. So ist

and its priesthood in the Petrine declaration of the community as the new dwelling place of God.“ 298 So problematisch ein argumentum e silentio auch ist, aber es fällt doch auf, dass die Adressaten nicht als das „Haus Israel“, Act 7,42, als „Volk Israel“, Act 4,10, „Söhne“ oder „Kinder Israel“, Act 5,21, „Stämme Israel“, Mt 19,28, „neues Israel“, „Israel Gottes“, Gal 6,16, oder als „Israeliten“ angesprochen werden. Auch das Wortfeld „Jude(n)/jüdisch“ fehlt völlig in diesem Brief. Hätte der Autor diese Bezeichnungen auf seine heidenchristlichen Adressaten appliziert, wäre die Substitutionsthese eine durchaus plausible Option; vgl. STENSCHKE, Funktion, 110. 299 BROX, Sara, 492, Anm. 28, spricht von einem „tendenzfreien Desinteresse“ des 1. Petrusbriefs an der Israelfrage; vgl. auch a.a.O., 490f.: „Die totale Aneignung ist vollzogen [...] Das Alte Testament ist – ohne jede Polemik oder Auseinandersetzung – ein Buch nicht ehedem Israels, sondern ein Buch von vornherein der Kirche allein.“ Diese Schlussfolgerungen basieren freilich auf einem argumentum e silentio, was sie zur bloßen Spekulation werden lässt. 300 W ITHERINGTON, 1–2Peter, 119; anders GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 22, Anm. 91, sowie 60f.63 und 116, der in den Versen neben einer Kritik am Unglauben der Heiden auch eine antijüdische Polemik sehen will. Dieselbe versteckte Polemik sieht er auch hinter 1,21 und 3,15, wo er den Glaubens- bzw. Hoffnungsbegriff kontroverstheologisch deutet. Von einer Polemik kann hier jedoch ebenso wie in 2,9f. nur insofern gesprochen werden, als der Autor mit großer Selbstverständlichkeit vom christlichen Glauben und christlicher Hoffnung schreibt, wobei er die jüdischen Ursprünge ebenso wenig erwähnt wie die gegenwärtige Synagoge. Eine direkte Polemik ist im Text nicht erkennbar. 301 Vgl. METZNER, Rezeption, 283 und passim. 302 Vgl. HERZER, Petrus oder Paulus?, passim. 303 Diesen Weg geht auch HIRŠS, Volk, 139–175, wenn auch mit etwas kühnerer Zuversicht. Rätselhaft bleibt freilich, wie H IRŠS, a.a.O., 174f., ohne weitere exegetische Begründung zu der Aussage kommt, dass der 1. Petrusbrief den Grund lege für die Auffassung, „dass Juden und christusgläubige Heiden in der Gegenwart in je unterschiedlicher Weise und von je unterschiedlichen Voraussetzungen her Volk Gottes sind: Die Juden aufgrund ihrer geschichtlichen Erwählung, die christusgläubigen Heiden hingegen aufgrund der an sie im Christusgeschehen ergangenen eschatologischen Verheissung [Zitat von J. ROLOFF im Blick auf die Verhältnisbestimmung von Israel und Gemeinde bei Paulus(!)].“

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Mt 28,19 in keiner Weise auf dem Hintergrund einer Verwerfung Israels aufgrund seiner kollektiven Ablehnung Jesu oder eines Bruches mit Israel als dem Erstadressaten des Evangeliums zu lesen. Der universale Missionsbefehl geht aus der Erwählung Abrahams hervor und ist ihr eigentlicher Zielpunkt. Er hebt die Heilszuwendung an Israel weder auf, noch schließt er sie ein. Vielmehr bleibt die in Mt 10,5f. ergangene Einladung des Messias an sein Volk und damit auch die Sonderstellung dieses Volkes über Kreuz und Auferstehung hinweg bestehen.304 Diese integrative Sicht entspricht voll und ganz der paulinischen Perspektive in Röm 9–11. Nimmt man die Übereinstimmung der beiden dem 1. Petrusbrief in unterschiedlicher Weise nahe stehenden Zeugen wahr, dann würde es überraschen, wenn der Autor eine dieser eschatologischen Perspektive diametral entgegengesetzte Position vertreten würde. Wenn also das Integrations- und Erfüllungsmodell immer noch der wahrscheinlichste Deutungsrahmen für den 1. Petrusbrief darstellt, dann erfüllt sich demnach in der Gemeinde der eschatologische Heilswille Gottes, der bereits in der Erwählung Abrahams sichtbar ist. Gottes Heilsgeschichte mit Israel wird mit der Erwählung der Gemeinde nicht annulliert, sondern fortgeschrieben und erfüllt.305 In diesem Erfüllungsgeschehen ist nun die Gemeinde aus Juden und Heiden das erwählte Geschlecht,306 das seine Identität nun jedoch nicht mehr aus einer bestimmten ethnischen Abstammung bezieht, sondern aus dem Glauben an Jesus Christus. Sie ist die königliche Priesterschaft, denn aufgrund der Offenbarung Gottes in Jesus Christus können fortan nur im Glauben und im Gehorsam gegenüber Jesus Christus „Gott wohlgefällige Opfer“ gebracht werden. Sie ist das „heilige Volk“, denn wahre Heiligkeit wird nicht mehr durch die minutiöse Observanz kultischer Regeln hergestellt, sondern durch die mit dem Heiligen Geist empfangene Heiligung durch das Blut Christi (vgl. 1Petr 1,2). Die Heiligung und Heiligkeit dieses neuen Volkes findet ihren Ausdruck nunmehr ausschließlich in einem entsprechenden Lebenswandel (vgl. 1Petr 1,15f.), nicht mehr in kultischer Korrektheit. Allerdings ist mit dieser in Christus geschenkten Heiligkeit für die leidende Gemeinde nunmehr ein Gottesverhältnis der Unmittelbarkeit und Gottgemäßheit verbunden, wie es vorher nur den Priestern gewährt worden war. Schließlich ist die christliche Gemeinde Gottes eigenes Volk, das in einer gegenüber allen anderen Völkern herausgehobenen und privilegierten Position vor Gott steht. Damit ist nun aber nicht ausgedrückt, dass Israel diese Prädikate, Privilegien und Verheißungen zukünftigen Heils verloren hätte oder gar durch die Gemeinde „substituiert“ worden wäre. Eine solche Aussage wäre singulär für das Neue Testament. Es bedeutet aber sehr wohl, dass Israel nicht mehr durch die Toraobservanz, sondern nur im Glauben an Christus und damit in der Einheit mit der Gemeinde des neuen Bundes in den eschatologischen Genuss dieser Privilegien kommen kann und die Erfüllung der ihm gegebenen Verheißungen erleben wird.307 Genau das ist aber auch der eschatologische Horizont von Paulus (vgl. Röm 11,25f.), des Matthäusevangeliums (Mt 23,38f.) und nicht zuletzt des gesamten Neuen Testaments, denn keine ntl. Schrift kennt eine von Jesus Christus losgelöste Heilshoffnung, weder für Heiden noch für Juden. 304

KONRADT, Israel, 334–346. SCHROEDER, People, 44: „It is in essence one story even though in Christ something new has been wrought.“ 306 In ganz analoger Weise bezeichnet Paulus in Röm 8,33 die gemischt juden- und heidenchristliche Gemeinde in Rom als die „Auserwählten Gottes“. 307 GRUDEM, 1Peter, 113f., Anm. 1. 305

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Die auf den ersten Blick so überladen wirkenden Verse mit ihrer hohen Dichte an Kultmetaphern, atl. Zitaten und Anspielungen geben bei näherer Betrachtung einen nicht minder großen Reichtum an christologischen und ekklesiologischen Einsichten frei, von denen die wichtigsten nun zusammengefasst werden sollen. (1) In diesen durch viele Verknüpfungen eng verbundenen Versen werden zahlreiche Themen aufgenommen, die einen festen Platz in der frühchristlichen Überlieferung hatten und schon sehr früh zum Kernbestand der Christologie und Ekklesiologie gehörten. Der theologische Hintergrund des Briefes ist daher nicht am Rand, sondern in der Mitte der frühen Christenheit zu suchen.308 Der Autor erweist sich zumindest als ein exzellenter Kenner dieser Traditionen. Sein eigener kreativer Anteil bleibt wie die Verfasserfrage umstritten. (2) In 1Petr 2,4–10 stich die Bestimmung der Gemeinde mit einer im Neuen Testament einzigartigen Dichte von kultischem Vokabular ins Auge. Wie schon beim paulinischen Umgang mit kultischer Terminologie sichtbar wurde, will auch der Autor des 1. Petrusbriefes die Identität der Gemeinde nicht ohne kultische Metaphern entfalten. Durch den Rückgriff auf den bildspendenden Bereich des Kultes vermag er der bildempfangenden Wirklichkeit dieser heilsgeschichtlich analogielosen Neuschöpfung namens „Gemeinde“ einen sprachlichen Ausdruck und ein begriffliches Konzept zu geben. Indem er die Gemeinde in V. 5 als geistliches (Tempel)Haus und als heilige Priesterschaft beschreibt, die legitimiert ist, in den Präsenzbereich Gottes „herzuzutreten“ (V. 4), und deren Berufung es ist, „geistliche Opfer“ zu bringen, die „Gott wohlgefällig“ sind, skizziert er die Gemeinde als metaphorische Erfüllung des Sinaikultes, dessen Intention es war, die Gemeinschaft zwischen Gott und seinem Volk zu verwirklichen.309 Doch erst jetzt, in der in Christus erwählten Gemeinde findet diese kultische Konzeption ihre Vollendung. (3) Mit der li,qoj-Metapher, die bereits atl. und frühjüdisch ein gängiges Synonym für den Tempel war und seit der Zeit des zweiten Tempels auch als messianische Metapher verwendet wurde, präsentiert der Autor Jesus Christus als den eschatologischen Tempel und Ort der Präsenz Gottes, zu 308

Dies hat BEST, Reconsideration, 279–282, herausgearbeitet. So auch STRACK, Terminologie, 368: „Die kultische Begrifflichkeit verhilft dem Verf des 1Petr auch deshalb das Selbstverständnis der Gemeinde auszusagen, weil das Ziel allen Kultes die Erfahrung der Nähe Gottes und die Ermöglichung des Zugangs zu Gott selbst ist, die angesichts der äußeren Bedrohung mit dem eschatologischen Heil identisch ist.“ 309

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dem die Adressaten wie Priester im Kult herzutreten sollen, wodurch sie selbst zu „lebendigen Steinen“ dieses pneumatisch-metaphorischen Tempels werden. (4) Die Identifikation der Gemeinde als eine „heilige bzw. königliche Priesterschaft“ ist in 1Petr 2,4–10 ausschließlich an der aus kanonischem Blickwinkel vor-levitischen Exodusformel in Ex 19,6 orientiert, nicht am levitischen Priestertum. Anders als bei Paulus in Röm 15,16; Phil 2,17; 4,18 kommen hier keine levitischen Funktionen und Aufgaben in den Blick. Vielmehr bleibt insbesondere die Priestermetapher auch für pagane Ohren und Kultvorstellungen verständlich und nachvollziehbar. In einer sowohl im atl.-jüdischen wie paganen Kontext kultisch konstituierten Welt war das heilvolle „Sein vor Gott bzw. den Göttern/Gottheiten“ im priesterlichen Sein präfiguriert. Sowohl der atl. und frühjüdische (vgl. Josephus und Philo) als auch pagane Priester wurde als idealer, integrer und gottgemäßer Mensch am idealen Ort der göttlichen Präsenz verstanden. Vor diesem Hintergrund wird die Gemeinde, die auf Jesus Christus als dem messianischen Tempel(grund)stein gegründet ist (V. 4), auferbaut zu einem Tempel im Sinne eines idealen Ortes der eschatologischen Präsenz Gottes und zu einer heiligen Priesterschaft im Sinne einer Gemeinschaft integrer, gottunmittelbarer, -gemäßer und -zugehöriger Menschen, in denen sich das heilvolle „Sein vor Gott“ verwirklicht. Mit der Metapher der „heiligen bzw. königlichen Priesterschaft“ etabliert der Autor bei seinen Adressaten somit eine Kontrastidentität: Während ihre momentane Situation von Spott und Anfeindung geprägt ist, stehen sie in einem Vollkommenheits-, Ähnlichkeits-, Zugehörigkeits- und Unmittelbarkeitsverhältnis zu Gott, das sie in einem Maße adelt, das alle irdische Wertschätzung und Anerkennung weit übertrifft und die Ablehnung der feindlichen Mitwelt bei weitem kompensieren kann. (5) Die ekklesiologischen Aussagen von 1Petr 2,4–10 sind durchweg korporativ und nicht individualistisch formuliert. Dies gilt sowohl für die metaphorische Übertragung der atl. Kultbegriffe in V. 5 (Tempel, Priesterschaft, Opfer) wie für die Applikation der Ehrenprädikate Israels in V. 9f. auf die Gemeinde. Hier unterscheidet sich der Autor des 1. Petrusbriefes sowohl von Paulus als auch vom Seher Johannes. Während Paulus die Tempelmetapher auch auf den einzelnen Christen beziehen kann (1Kor 6,19), benutzt der Seher die Priestermetapher zwar stets im Plural, aber eben nicht nur im korporativen, sondern durchaus auch im individuellen Sinn. (6) Die kultischen Metaphern als auch die Ehrenprädikate Israels haben eine ausschließlich relationsontologische und keine funktionale Bedeutung. Es geht um eine Identitätsbeschreibung der Gemeinde, nicht um eine Funktionsbeschreibung. Ihre Identität wird aus ihrem Gottesverhältnis ab-

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geleitet, nicht aus ihrem Weltverhältnis. So beziehen sich auch die finalen Funktionsaussagen bezüglich der Darbringung geistlicher Opfer (V. 5) und der Verkündigung der Wohltaten Gottes (V. 9) auf das Gottesverhältnis der Gemeinde und haben den Dank und den Lobpreis zum Gegenstand, nicht ein mediatorisches oder missionarisches Handeln gegenüber der paganen Umwelt. So sehr der 1. Petrusbrief ein dezidiert missionarisches Anliegen verfolgt, so wenig ist dies in diesen kultmetaphorisch bestimmten Versen im Blick. (7) Ein Schwerpunkt des Abschnitts liegt zweifellos auf dem Thema der Erwählung, auch wenn es nicht diese absolute Dominanz hat, die J.H. Elliot in seiner bis heute zentralen Arbeit für die Verse und den gesamten 1. Petrusbrief postuliert hat.310 Die Erwählungsaussagen sind vielmehr eng mit den Kultmetaphern verknüpft, zu denen auch die li,qoj-Metapher aufgrund ihrer tempeltheologischen Bedeutung zu zählen ist. Für den Autor des 1. Petrusbriefes ist die Erwählung Jesu Christi als messianischem Tempel(grund)stein die Grundlage für die Erwählung der Gemeinde als geistlichem (Tempel)Haus und als heiliger und königlicher Priesterschaft. In diesem Licht wird die Erwählung der Gemeinde zusammen mit der kultisch beschriebenen Heiligkeit, Integrität, Zugehörigkeit, Gottgemäßheit und unmittelbarkeit zum entscheidenden Hoffnungs- und Trostgrund für die von ihrer Umwelt angefochtenen Adressaten.311 (8) Weiter fällt auf, dass die gesamte Texteinheit V. 4–10 von zahlreichen Antithesen und Kontrastmotiven geprägt ist (vgl. V. 4.7f.9f.), die den am „Stein (des Anstoßes)“ ausgelösten Konflikt zwischen der glaubenden Gemeinde und ihrer feindlichen Umwelt aufgreifen. Ganz offensichtlich verfolgt der Autor das Ziel, die Gemeinde mit Hilfe einer auf die Identität Israels zurückgreifenden und damit heilsgeschichtlich begründeten Identitätsbestimmung (V. 9f.) auf die bedrohlicher werdende Auseinandersetzung und mögliche Verfolgung vorzubereiten. Aus der Vergewisserung über die Identität Christi, aus der sich ihre eigene einzigartige Identität ergibt, soll sie die Kraft schöpfen, um die alltäglichen Demütigungen, Beschimpfungen und Schikanen ertragen und erleiden zu können.312 (9) R. Feldmeier hat darauf hingewiesen, dass der Autor mit der in seiner Dichte im Neuen Testament ebenfalls einzigartigen Zusammenstellung atl. Ehrenprädikate ein völlig neues Bezugssystem für seine Adressaten konstituiert.313 Mit den Begriffen ge,noj evklekto,n, basi,leion i``era,teuma, e;qnoj a[gion und lao.j (eivj peripoi,hsin) spricht der Autor den kleinasiatischen Gemeinden eine hoheitliche Identität und ein aristokratisches Stan310

ELLIOT, 1Peter, 445–447. ELLIOT, 1Peter, 445. 312 ACHTEMEIER, 1Peter, 168. 313 FELDMEIER, Christen, 169. 311

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desbewusstsein zu, das sie in die Lage versetzen soll, in einem gesellschaftlichen Klima der Stigmatisierung und Diffamierung als „Fremde“ (1Petr 1,1; 2,11; vgl. Hebr 11,13) und Ausgegrenzte zu leben, die auferlegten Leiden zu erdulden314 und dieser feindlichen Umwelt dennoch positiv zu begegnen.315 (10) Schließlich ist auch hier auf den Horizont der frühjüdischen Bemühungen um ein alternatives „Sein vor Gott“ unabhängig vom Jerusalemer Kult und dessen Personal hinzuweisen. Da es sich bei den Adressaten des Briefes um Heidenchristen handelt, tritt dieser Aspekt stärker in den Hintergrund als in den paulinischen Briefen, bei denen häufiger mit einer diasporajudenchristlichen (Mit)Adressatenschaft zu rechnen ist. Aber weil die Adressaten auch in ihrem paganen Kontext in einer kultisch strukturierten und organisierten Welt lebten, der Autor unabhängig von einer petrinischen Verfasserschaft mit einiger Sicherheit ein Judenchrist gewesen ist und der 1. Petrusbrief damit auch eine jüdische Stimme im 1. Jahrhundert war, darf auch hier dieser Aspekt nicht unberücksichtigt bleiben. Die grundstürzende Botschaft bleibt dieselbe: Als „geistliches (Tempel)Haus“ und als „königliche Priesterschaft“ bedürfen die jungen christlichen Gemeinden weder eines erneuerten (eschatologischen) Tempels noch einer Mediation mehr. Vielmehr besitzen sie nun selbst einen priesterlichen Status der Erwählung, Heiligkeit, Intergrität, Zugehörigkeit, Ähnlichkeit und Unmittelbarkeit durch, vor und zu Gott, der sie selbst zum Ort der heiligen Präsenz Gottes werden lässt. Dieser Status ist jedoch ebenso wenig wie bei Paulus eine Kompensation für eine defizitäre und unzulängliche Kultpraxis oder eine Interimslösung bis zur Errichtung eines eschatologischen Heiligtums, sondern trotz des eschatologischen Vorbehalts selbst schon Ausdruck eines heilvollen „Seins vor Gott“.

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1Petr 2,19; 3,15; 4,1.12–14.16; 5,8f. FELDMEIER, Christen, 180: „Denn ist erst einmal klar, daß die Fremdheit mit dem daraus entspringenden Leiden zum Sein der Christen dazugehört, daß die Nichtidentität in dieser Gesellschaft gerade Kennzeichen christlicher Identität ist, so kann von hier aus auch das Verhältnis zur Umwelt sowohl im Blick auf das Tun wie im Blick auf das Erleiden noch einmal neu in den Blick kommen. Die Vergewisserung der eigenen Identität hat so auch für das Weltverhältnis befreiende Konsequenzen.“ 315

7 1Petr 2,4–10 im Rahmen der frühchristlichen Identitätsformation

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7 1Petr 2,4–10 im Rahmen der frühchristlichen Identitätsformation 7 1Petr 2,4–10 im Rahmen der frühchristlichen Identitätsformation

In diesen Versen spiegelt sich eine erstaunliche und gleichzeitig irritierende Identitätsformation der noch jungen, christlichen Gemeinde wieder.316 Denn der Autor des 1. Petrusbriefes schreibt seinen heidenchristlichen Adressatengemeinden eine essentiell jüdische Identität zu,317 mit der sich diese jedoch nicht gegenüber der Synagoge definieren sollten, sondern gegenüber einer aggressiven heidnischen Mitwelt.318 Mit dieser Identitätszuschreibung eröffnet der Autor den kleinen, bedrängten und stigmatisierten kleinasiatischen Gemeinden ein aristokratisches Selbstbewusstsein, das diesen helfen soll, den Verlust ihrer ethischen und sozialen Integration und Anerkennung zu bewältigen.319 Die Adressaten mussten die traumatische Erfahrung der Entfremdung von und Ausgrenzung aus ihrer ureigenen Heimatkultur hinnehmen, indem sie von ihren Volksgenossen und Nachbarn zu Fremden und Beisassen degradiert wurden (1,1; 2,11). Vor diesem Hintergrund leistet der Autor mit einer solchen Identitätszuschreibung einen wichtigen Beitrag zum Aufbau eines neuen Selbstbildes, das mit einem kaum überbietbaren Anspruch auftritt. Es verleiht der Gemeinde eine Würde, einen Wert und ein Standesbewusstsein, das einen wichtigen und ermutigenden Kontrast zu den erfahrenen Bedrängnissen und Repressionen bildet.320 Die gesellschaftliche Stigmatisierung wird auf diese Weise zu einem wesentlichen Bestandteil einer neuen Identität: Ihre Fremdheit im Blick auf ihre Umwelt bzw. ihre „NichtZugehörigkeit“ zu derselben wird als Kehrseite ihrer Zugehörigkeit und Unmittelbarkeit zu Gott interpretiert.321 Mehr noch: Indem der Autor die Gemeinde mit den atl. Ehrenprädikaten beschreibt, schafft er inmitten des römischen Reiches, in dem Völkerschaften mehr und mehr verschwanden und ihre Identität einbüßten, eine neue Größe mit einer besonderen Identität und einem aristokratischen Sen316

Das Thema „Identität“ war in den vergangenen Jahren Gegenstand einer intensiven Diskussion, die hier freilich nicht nachgezeichnet werden kann. Es sei hier lediglich auf einige Publikationen verwiesen: GAY, Identity; KONRADT, Ethos; FREY, Jewish Identity; LIEU, Christian Identity; HOLMBERG, Identity; DERS., Exploring. 317 Zu dieser zugeschriebenen Identität gehört auch die jüdische Geschichte und Vergangenheit, vgl. M ICHAELS, Art. 1Peter, 917: „Christian salvation is theirs, but they lack a past and a sense of identity. The letter confers on them a Jewish past and a quasi-Jewish identity by claiming that certain titles of privilege once given to Israel are now theirs as well.“ 318 MICHAELS, 1Peter, 95. 319 BROX, 1Petr 107. 320 STENSCHKE, Funktion, 108f. 321 FELDMEIER, Außenseiter, 170.

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Kapitel VII: Die Gemeinde als königliche Priesterschaft

dungsanspruch. Gleichzeitig nimmt diese Identität die Christen auch in die Pflicht und fordert von ihnen eine authentische und ihrem Wesen bzw. dem Wesen Gottes (vgl. 1,15f.) entsprechende Lebensführung. Diese Identität ist nun nicht eine frei erfundene oder aufgrund bestimmter Leistungen erworbene, sondern nach dem Verständnis des Autors eine göttlich verliehene. Er versteht die Gemeinde als die Erfüllung der atl. Bundesverheißung und überträgt aus dieser Einsicht heraus die Ehrenprädikate, -rechte und -privilegien Israels auch auf die heidenchristlichen Gemeinden. Indem er schließlich auch die gesamte Gemeinde wie schon Paulus vor ihm als „Heilige“ anspricht und damit eine auch im paganen Kontext gut verstehbare, kultische Eigenschaft Gottes bzw. des Göttlichen auf gewöhnliche Menschen anwendet, verankert er die Identität dieser Gemeinde so sehr in der räumlich vorgestellten Nähe bzw. im kultisch gedachten Nahbereich Gottes, dass die Übertragung des i``era,teuma-Begriffs auf die Gemeinde als Ausdruck ihrer Gottunmittelbarkeit, -gemäßheit und -zugehörigkeit eine innere Folgerichtigkeit darstellt. Dieser äußerst kühne wie provokative Vorgang hat seinen Grund allerdings kaum in den jüdisch-christlichen Kontroversen des 1. Jh., als vielmehr in der theologischen Unausweichlichkeit dieser Schlussfolgerung: Wenn die Christusoffenbarung als die Offenbarung des einen Gottes verstanden werden soll, der in Jesus Christus alle seine Verheißungen bestätigt und verwirklicht (vgl. 2Kor 1,20), dann muss die neue Geschichte der Gemeinde als die Erfüllung der bisherigen Geschichte mit Israel zusammengesehen werden.322 Diese theologische Leistung transformiert jedoch zwangsläufig den bisherigen Gottesvolkbegriff und führt – worauf R. Feldmeier zurecht hingewiesen hat – letztlich zur Etablierung eines soziologischen Gegenentwurfs zur antiken Gesellschaft.323 War in der Welt der Antike die Hochschätzung des Überkommenen, die Rückbindung an die tradierte religio, die Verpflichtung gegenüber der Sitte der Väter und die Einheit von politischer und religiöser Gemeinschaft die „axiomatische Voraussetzung der religiösen und gesellschaftlichen Legitimation“, so tritt mit der jungen Christenheit etwas Neues auf die Bühne der antiken Welt.324 Diese Andersartigkeit 322 Damit begründet sich das frühe Christentum wesentlich anders als die Qumrangemeinde, die ihre Identität aus dem Protest gegenüber einem aus ihrer Sicht depravierten Volk, Priestertum und Tempelkult zog. Die Christen und christlichen Gemeinden definierten sich nicht bewusst als Protestbewegung – so sehr sie dies de facto in allen antiken Gesellschaften waren –, sondern als Einzelne und Gemeinschaften, die der Offenbarung Gottes in Jesus Christus mit ihrem individuellen und kollektiven Glauben, Leben und Handeln Rechnung trugen. 323 FELDMEIER, Christen, 141. 324 FELDMEIER, 1Petr, 95; ebenso in DERS., Christen, 141. Zum presbu,teron krei/tton vgl. Cic Leg 2,10,27; Nat deor 3,2,6; MinFel Oct 6,1.

7 1Petr 2,4–10 im Rahmen der frühchristlichen Identitätsformation

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der noch kleinen christlichen Gemeinden wurzelt jedoch nicht in einer revolutionären Aversion gegen die antike Gesellschaft mit ihren Traditionen und Religionen, sondern vielmehr in der analogielosen Erfahrung des göttlichen Eintritts in diese Welt durch die Offenbarung des „lebendigen Tempel(grund)steins“ Jesus Christus und dessen Proklamation einer zukünftigen Welt. Weil die hier aufleuchtende Zukunft in einer radikalen Diskontinuität zu allem Bisherigen steht, hängt diesem im Licht des Kommenden der Makel des Vergehenden an. Pointiert formuliert: Während die antike Welt durch die Traditionen der Vergangenheit bestimmt war, empfingen die christlichen Gemeinden ihre Identität durch die Orientierung an einer neu offenbarten Zukunft.325 Doch für die sprachliche Beschreibung dieser „offenbarten Identität“ bedurfte es Sprach- und Reflexionsformen, welche die frühen Christen im Anschluss an erste Ansätze bei Paulus (und möglicherweise schon bei Jesus) in der kultischen Sprache fanden. Ihre Erfahrung der durch den Heiligen Geistes geschenkten Gegenwart, ja sogar Unmittelbarkeit Gottes und Christi konnte nur mit der Metaphorisierung dieser Terminologie angemessen und „der Sache gemäß“ konzeptualisiert werden. Den Bruch mit der hellenistisch-römischen Umwelt konnten jedoch alle christlichen Loyalitätsbekundungen gegenüber den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nicht übertönen.326 Die Metaphorisierung des Tempel-, Opfer- und Priester(schafts)begriffs war möglicherweise keine exklusiv christliche Praxis, da ähnliches auch in der Mysterienterminologie beobachtet werden kann. Aber im Kontext der beschriebenen inhaltlichen Zäsuren musste auch dieser Vorgang als Provokation verstanden werden.327 Entsprechend reagierte die antike Umwelt mit denselben Reflexen, 325 FELDMEIER, 1Petr, 96: „Etwas formelhaft könnte man sagen, dass sich die Mitwelt am Gewordenen orientiert, ihre Gegenwart aus der Vergangenheit legitimiert, während die christliche Gemeinde alles auf die in Christus bereits angebrochene Zukunft Gottes bezieht, die das Bisherige als alt und nichtig erscheinen lässt – wobei dieses Neue dann wieder das ganz Ursprüngliche, schon vor der Schöpfung der Welt durch Gottes Vorbestimmung Festgelegte ist (vgl. 1,20).“ Vgl. auch STENSCHKE, Funktion, 109: „Während die Heidenchristen mit ihrer Bekehrung einen für sie neuen Status empfangen hatten, wurden sie in eine Gemeinschaft mit einer langen, bewährten Vergangenheit, großer Würde, anerkannter Legitimität und großer Attraktivität aufgenommen“ [kursiv bei St.]. 326 Der Autor des 1. Petrusbriefes kann die Lebensweise der Väter (patropara,dotoj) als nichtig bezeichnen, vgl. 1Petr 1,18. Und während die Wirklichkeit der antiken Umwelt eine todverfallene ist, lebt die Gemeinde aus dem unvergänglichen, lebendigen und bleibenden Wort Gottes, vgl. 1Petr 1,23–25. 327 Diese Beobachtung muss auch für die Interpretation des sog. Haustafelethos, 1Petr 2,11–3,12, mit bedacht werden. Es kann hier nicht, wie oft kritisch behauptet wurde, darum gehen, dass sich die Gemeinde schlicht in die bestehenden gesellschaftlichen Normen hinsichtlich der Rollenbilder von Frauen und Sklaven einfügt. Indem die Gemeinde zu einem neuen Volk Gottes geworden ist, muss diese Neuheit auch die Alltags-

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mit denen sie schon immer auf jegliche Infragestellung der überkommenen Traditionen und Ordnungen reagierte. Mit dieser sich im 1. Petrusbrief widerspiegelnden Identitätsformation wollte der Autor die Gemeinde in die Lage versetzen, ihre aufgrund des Glaubens an Jesus Christus verlorene Beheimatung in der antiken Gesellschaft durch eine neue Beheimatung in einem völlig neuen Geschlecht, einer neuen Nation und einem neuen Volk zu kompensieren.328 In dem Maße, in dem der alte Lebenskontext zur Fremde wurde, dieser sich auch umgekehrt befremdlich gegenüber der Gemeinde zeigte und die Christen in einer Weise als Fremde behandelte, dass diese die Fremdheit gegenüber dieser Welt als Identitätsmerkmal empfanden, wurde die Gemeinde als „geistliches Haus“ und als „heilige“ und „königliche Priesterschaft“ zu einer neuen, von der Hoffnung auf die heilvolle Zukunft bestimmten Heimat.329

8 Allgemeines Priestertum in 1Petr 2,4–10? 8 Allgemeines Priestertum in 1Petr 2,4–10?

Die Bedeutung von 1Petr 2,4–10 und insbesondere von 1Petr 2,5.9 wird in der Regel dann missverstanden, wenn die Verse im Licht späterer dogmatischer und ekklesiologischer Entwicklungen gelesen und untersucht werden. In der römisch-katholischen Exegese wurde bis in das Zweite Vatikanische Konzil hinein330 immer wieder der Versuch unternommen, sowohl das Allgemeine Priestertum der Gemeinde als auch das von diesem abgevollzüge mitbestimmen. Die Markierung der tiefgreifenden Zäsur in 1,14.18; 2,1.10; 4,3 u.ö. müssen auch für die Interpretation der auf den ersten Blick konservativen und reaktionären Haustafelanweisungen berücksichtigt werden, vgl. dazu SCHROEDER, People, 37–65. 328 FELDMEIER, Christen, 188: „Äußerer Druck und Isolation können – wenn sie verarbeitet werden können – den inneren Zusammenhalt der Gruppe verstärken. So wirkt der 1 Petr ja auch darauf hin, den christlichen Gemeinden das Ertragen dieses Druckes und damit den Widerstand gegen die Gefahr der Anpassung zu ermöglichen.“ 329 FELDMEIER, Christen, 174, betont, dass diese Fremdheit gegenüber der antiken, paganen Gesellschaft nicht nur ein Unfall christlicher Existenz ist, sondern für den Autor des 1. Petrusbriefes die Berufung christlicher Existenz: „Die Christen sind Fremde in dieser Gesellschaft – und eben dies ist auch ihre Berufung, das sollen sie sein.“ Und weiter, a.a.O., 178: „Das Fremdsein wird nicht aus dem Widerspruch zur Gesellschaft, sondern aus der Entsprechung zu Gott und der Zugehörigkeit zu seinem Volk begriffen“ (kursiv bei F.). An anderer Stelle, Außenseiter, 169, weist FELDMEIER darauf hin, dass der 1. Petrusbrief durch die theologische Deutung der Fremdheit „die rechtlich und sozial negative Bezeichnung des Fremden religiös“ umpolt „und als Ausdruck für die bleibende Abhängigkeit von und Angewiesenheit auf Gott positiv“ deutet (kursiv bei F.). 330 Vgl. Lumen Gentium 9.10.34; Sacrosanctum Concilium 14; Apostolicam actuositatem 3; Presbyterorum ordinis 2; Ad gentes 15.

8 Allgemeines Priestertum in 1Petr 2,4–10?

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hobene „Priestertum des Dienstes“ von 1Petr 2,4–10 her zu begründen. Voraussetzung dafür war zum einen das funktionale Verständnis der „heiligen“ bzw. „königlichen Priesterschaft“ und gelegentlich auch das Postulat eines gottesdienstlichen Hintergrundes für diese Verse bzw. den gesamten 1. Petrusbrief. So meinte K.H. Schelkle noch 1957, dass das Amtspriestertum durch den 1. Petrusbrief nicht ausgeschlossen werde, ebenso wenig „wie die allgemeine priesterliche Würde Israels das besondere aaronitische Priestertum ausschloss“.331 Damit werden aber explizit levitische Kategorien herangezogen, die sich in 1Petr 2,4–10 gerade nicht finden. An anderer Stelle verknüpft Schelkle 1Petr 2,5 mit dem Priestertum Christi, wie es der Hebräerbrief entfaltet: Das ntl. Priestertum sei demnach „nur möglich und wirklich als Teilnahme am Priestertum Christi und als Dienst in dem in der Kirche wirksamen Geiste“332 und „[b]eide Aufgaben des priesterlichen Dienstes …, Wort und Kult, haben ein Gemeinsames, nämlich die mittlerische Funktion.“333 Neben die Funktionalisierung und Levitisierung der „heiligen“ und „königlichen Priesterschaft“ tritt hier auch eine „Rekultivierung“ des atl. Kultes als Modell des christlichen Gottesdienstes, und es nimmt nicht wunder, dass von daher auch die Darbringung der pneumatika.j qusi,aj im Sinne des vom Priester vollzogenen Messopfers interpretiert wird.334 Alle drei Kategorien lassen sich jedoch von 1Petr 2,4–10 her nicht begründen, ja sind diesem Text völlig fremd.335 331

SCHELKLE, 1Petr, 65, Anm. 1; vgl. auch B LINZLER, IERATEUMA, 64f., der weder das eucharistische Opfer noch das besondere Priestertum in 1Petr 2,4–10 gegeben sieht, auch wenn er beides dadurch noch nicht als ausgeschlossen betrachtet. Fragwürdig ist freilich seine Ableitung des besonderen Priesterbegriffs von den Begriffen evpi,skopoj bzw. presbu,teroj, a.a.O., 65. 332 SCHELKLE, Jüngerschaft, 103; vgl. auch KETTER, Priestertum, 49. Dagegen ACHTEMEIER, 1Peter, 157: „The attempt to find here a link between priesthood of the community and Christ as high priest, whereby the community is to participate in the priestly function of Christ, has no foothold in the letter itself; the only participation in Christ expressly mentioned in the letter is in his suffering (2:21–25; 4,13), not in his priestly functions.“ 333 SCHELKLE, Jüngerschaft, 103. 334 SCHELKLE, Jüngerschaft, 104: „Mittlerisch ist aber klärlich auch der andere priesterliche Dienst [sc. neben dem Wort], das Opfer, das ja immer vollzogen wird zwischen Erde und Himmel. Der mittlerische Dienst im Wort vollzieht sich dann von Gott zur Welt; jener des Opfers aber von der Welt zu Gott. Bleibt das Priestertum zwar in der Welt, so ist es von der Welt geschieden, indem es zwischen Gott und der Welt steht.“ Diese Deutung steht zwar im Einklang mit dem zweiten Vaticanum, lässt sich aber 1Petr 2,5.9 beim besten Willen nicht entnehmen. 335 Richtig gesehen von GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 132: „Ein sakralkultisches Verständnis liegt hier absolut fern“; ebenso auch ELLIOT, Elect, 187.225; ACHTEMEIER, 1Peter, 156f.; BROX, 1Petr, 106.

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Kapitel VII: Die Gemeinde als königliche Priesterschaft

Auch H. Schlier leitet in seinem Beitrag über „Die neutestamentliche Grundlage des Priesteramtes“ das Priestertum der Gemeinde aus dem Priestertum Christi ab.336 Anders als Schelkle begründet Schlier den priesterlichen Dienst der Gemeinde von Paulus und dem priesterlichen Verständnis seines apostolischen Amtes her (vgl. Röm 15,16),337 dessen priesterlicher Charakter sich in den kirchlichen Ämtern „abgeleitet fortgepflanzt“ hat bzw. „in Ämtern ausgliedert, die auf dem Apostelamt beruhen, seine innere Form teilen und in ausdrücklicher und formaler Kontinuität mit ihm stehen“.338 Dass nirgendwo im Neuen Testament von einem „priesterlichen Amt“ oder einem i``ereu,j als christlichem Funktionsträger die Rede ist, begründet er damit, dass der Begriff noch zu sehr (vom jüdischen Priester her?) belastet war.339 Ebenso wenig wie vom Priestertum Christi oder gar vom Apostolat her, lassen sich die Verse als Gottesdienst-340, Abendmahls-341 oder Taufliturgie342 verstehen. Das Notwendige dazu hat F. Schröger deutlich zum Ausdruck gebracht: „Bei genauer Prüfung der Texte gibt es keinerlei Anhaltspunkte über einen kultischen Gottesdienst. Von der Taufe ist zwar 1mal die Rede, aber es gibt keine Beschreibungen über den Taufvollzug und Taufgottesdienst. Die Eucharistie findet eigentümlicherweise nicht einmal Erwähnung.“343 Die Überfrachtung von 1Petr 2,4–10 mit Motiven aus anderen ntl. Schriften und der aus der altkirchlichen Tradition stammenden Unterscheidung von Allgemeinem Priestertum und dem (Weihe)Priestertum des Dienstes zieht sich auch durch die Konstitutionen und Dekrete des 336

SCHLIER, Grundlage, 83.97.99f.111. SCHLIER, Grundlage, 85.111. 338 SCHLIER, Grundlage, 103.111. 339 SCHLIER, Grundlage, 100. 340 So PREISKER, 1Petr, 156–162. Dies wurde jedoch in aller Deutlichkeit von HAHN, Gottesdienst, 72, Anm. 35, zurückgewiesen; vgl. auch ELLIOT, Elect, 187: „It is methodologically questionable to retroject the traditional identifications of later centuries when ‚milk‘ (2:2), ‚tasting the goodness of the Lord‘ (2:3), ‚drawing nearʻ (2:4), ‚Spiritual houseʻ, ‚sacrificesʻ (2:5) were incorporated into Eucharistic liturgies and rites, into the era of I P.“ 341 Vgl. LOHMEYER, Abendmahl, 168–227.273–312, der die „Darbringung geistdurchwirkter Opfer“ als Eucharistie versteht und Spuren des Herrenmahls auch in 1Petr 1,2 und 2,2 finden will. Eine eucharistische Deutung von 1Petr 2,2 vertreten auch noch W OHLENBERG, 1Petr 1915, 53; und SELWYN, 1Peter, 157.294–298. Dagegen hält GOPPELT, 1Petr, 138, eine solche Erinnerung an die Eucharistie zu Recht für „kaum beabsichtigt“. 342 KETTER, Priestertum, 44: „[S]icher aber steht der Gedanke an die Taufe, das Weihesakrament des allgemeinen Priestertums, in dem Abschnitt 2,1–10 so im Vordergrund, daß diese Verse als alte Tauflektion dienten“. 343 SCHRÖGER, Gemeinde, 108. 337

8 Allgemeines Priestertum in 1Petr 2,4–10?

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Vaticanum II.344 Allerdings hat auch die neuere katholische Exegese die Unhaltbarkeit dieser Erwägungen längst wahrgenommen und N. Brox brachte diese Einsicht in seinem großen EKK-Kommentar zum 1. Petrusbrief auch unmissverständlich auf den Punkt: „Teilhabe am Priestertum Christi (von dem der 1Petr nicht spricht), Verleihung dieser Teilhabe in der Taufe, dadurch gleiche Würde aller Christen unter Ein- oder Ausschluß eines besonderen (hierarchischen) Priestertums, – das alles sind im Zusammenhang des 1Petr Probleme und Produkte späterer Auslegung, nicht schon dieser frühchristlichen Schrift selbst.“345 Aber auch auf protestantischer Seite gibt es bis in die Gegenwart hinein nicht wenige Missdeutungen und „Überdehnungen“ dieses Textes, die immer dann unvermeidlich sind, wenn die Verse in den Fragenkreis von Ämtern, Aufgaben, Rechten oder Funktionen von Amtsträgern, Mitarbeitern und „Laien“ gerückt werden.346 In der Reformationszeit hat Luther zwar sowohl den zutiefst tröstlichen Zuspruch als auch den aristokratischen Anspruch der Gottesunmittelbarkeit und -zugehörigkeit, der in diesen Versen entfaltet wird, voll und ganz aufgenommen. Im Rahmen der reformatorischen Auseinandersetzungen um den geistlichen Stand und das Weihepriestertum hat er den Text jedoch gleichzeitig auch instrumentalisiert und auf Fragen des Amtes und Dienstes übertragen, zu denen 1Petr 2,4–10 nichts sagt.347 Somit speist sich auch Luthers Konzeption des „Priestertums aller Glaubenden bzw. Getauften“ aus einer „creative combination and elaboration“ von Elementen aus ganz unterschiedlichen biblischen Kontexten, wie dem funktional bestimmten Modell des levitischen Priestertums aus dem Alten Testament, dem soteriologisch bestimmten Priestertum Christi aus dem Hebräerbrief, dem individuellen und von der Herrschaftsfunktion bestimmten Priestertum des Einzelnen aus der Johannesapokalypse und dem Bild des einen Leibes in der Vielfalt der Charismen, das sich bei Paulus findet.348 Dieses Konzept findet sich so nirgends im Neuen Tes344

Vgl. →IX.2.1. BROX, 1Petr, 106. Auch in einer jüngst erschienen katholischen Meditation zu „Gleichheit, Würde und Priestertum aller in der Kirche“ von E. MITTERSTIELER unter dem Titel „Das wunderbare Licht, in dem wir leben“ werden die historisch-theologischen Zusammenhänge, a.a.O., 28–46, deutlich zurückhaltender und exegetisch nüchterner dargestellt als noch bei SCHELKLE und SCHLIER gesehen. 346 Vgl. hierzu nur die in der Einleitung erwähnte VELKD-Empfehlung „Ordnungsgemäß berufen“, 7. 347 HORRELL, Epistles, 44f.; ebenso MARSHALL, 1Peter, 75, und JOBES, 1Peter, 161. Vgl. dazu den kurzen Überblick im abschließenden „Ausblick“ →IX.2.2 dieser Untersuchung. 348 ELLIOT, 1Peter, 453; vgl. auch 451: „Luther’s initial ruminations on this doctrine and his recourse to 1 Pet 2 were prompted more by theological than exegetical concerns, and it must be questioned whether this did not color his reading and use of 1 Pet 2.“ 345

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Kapitel VII: Die Gemeinde als königliche Priesterschaft

tament, womit freilich nicht behauptet werden soll, dass die Sache selbst nicht durchaus neutestamentlich begründbar wäre, aber eben mehr im Sinne einer Theologie des gemeinsamen Dienstes aller Glieder der Gemeinde, wie sie sich neben den Charismentexten in 1Kor 12,4–31 und Röm 12,3–8 auch im 1. Petrusbrief findet (4,10f.).349 Der Begriff der „heiligen bzw. königlichen Priesterschaft“ taugt dagegen nicht dazu, irgendeine Form von Amt, Mitarbeit oder Mitarbeiterprivilegien bzw. -pflichten zu umschreiben.350 Es geht bei der metaphorischen Verwendung des Priestertitels bzw. des Begriffs i``era,teuma immer nur um den besonderen Status der Heiligkeit, Integrität, Idealität, der Unmittelbarkeit, Ähnlichkeit und Zugehörigkeit der Gemeinde vor bzw. zu Gott, dem sie geistliche Opfer bringt durch einen ihm entsprechenden Lebenswandel und dem Dank und Lob für die erfahrene Barmherzigkeit.351

349

Vgl. dazu z.B. HERLYN, Sache der Gemeinde, 36–59, v.a. 39–45. Vgl. z.B. PRENTER, Art. Priestertum, allgemeines, 581: „Vom a[llgemeinen] P[riester]tum wird gesprochen, wenn jedes Mitglied des Volkes ganze oder z[um] T[eil] p[riester]liche Rechte und Funktionen ausüben kann.“ Dagegen richtig GOPPELT, 1Petr, 145f.: „Dies Wort will nicht gegenüber anderen Auffassungen von Priestertum jedem Getauften priesterliche Rechte und Funktionen, das ‚allgemeine Priestertum‘, zusprechen“. 351 Richtig gesehen von GOLDSTEIN, Gemeindeverständnis, 132: „Im Grunde geht es darum, daß die Christen die im Heilswerk eröffnete Gottesunmittelbarkeit realisieren und der durch den Geist ‚erwirkten‘ ‚Akzessibilität‘ Gottes in ihrem täglichen Leben entsprechen.“ 350

Kapitel VIII

Die herrschenden Priester in der Johannesapokalypse In völlig anderen Kontexten als im 1. Petrusbrief taucht die Priestermetapher in der Johannesapokalypse auf. An drei Textstellen wird der Priestertitel auf die Gemeinde bzw. die Glaubenden übertragen. Der erste Beleg in Apk 1,5f. gehört zu einer Doxologie (1,5b-6) innerhalb des brieflichen Präskripts (1,4–6). Der zweite Beleg findet sich in Apk 5,9f. im Rahmen eines „neuen Liedes“, das vier Wesen und die 24 Ältesten, die um den Thron stehen, dem Lamm Gottes singen. Dieses wurde als allein würdig befunden, die siebenfach versiegelte Buchrolle (5,1) zu öffnen. Der letzte Beleg findet sich schließlich in Apk 20,6 im Rahmen der Vision des Millenniums (Apk 20,4–6). Unberücksichtigt bleibt hier die textkritische Variante in Apk 4,3. Während der Textus receptus und in seiner Folge auch NA27 und NA28 hier i=rij lesen, bezeugen a‫ ٭‬und der Alexandrinus (A), der wichtigste Textzeuge des Apokalypsetextes, an dieser Stelle i``erei/j. J. Schmid interpretiert die Variante der A-Gruppe noch als bloßen Schreibfehler.1 Dagegen versteht ihn M. Karrer als Itazismus, der sich einfacher von i``erei/j zu i=rij auflösen lässt als umgekehrt.2 Auch aufgrund des jüngeren Alters der i=rij-Zeugen schlägt Karrer vor, i``erei/j als ursprünglichste Lesart in Erwägung zu ziehen.3 Der Befund ist allerdings alles andere als eindeutig. Die Entstehungsfolge der Textzeugen könnte auch umgekehrt sein. Diese Variante hätte signifikante Auswirkungen für die gesamte Thronszenerie. Allerdings würde der Plural auch einen Plural beim Vergleichsbegriff samaragdi,nw| erwarten lassen. Zudem bliebe das Verhältnis dieser „Priester um den Thron“ zu den 24 Ältesten, die ebenfalls auf 24 Thronen kuklo,qen tou/ qro,nou (Apk 4,4) sitzen, ungeklärt – es sei denn, sie wären mit diesen zu identifizieren, was jedoch nirgendwo angezeigt wird. Im Unterschied zu allen anderen i``erei/j-Belegen in der Johannesapokalypse wäre hier auch keinerlei Bezug zur Exodusformel erkennbar. Diskutabel wäre bei dieser Variante freilich ein möglicher Bezug zu Apk 20,4.6, was die Interpretation der höchst komplexen Formulierung in 20,4 jedoch nicht einfacher machen würde.

Bereits ein erster Blick lässt erkennen, dass zumindest die beiden ersten Stellen ebenso wie 1Petr 2,5.9 auf Ex 19,6 zurückgehen.4 Evident ist aber 1

SCHMID, Studien, 73. KARRER, Text, 50. 3 KARRER, Text, 50f. 4 Während in den ersten beiden Belegen durch die Verbindung von basilei,a und i``ereu,j eindeutig die Exodusformel aus Ex 19,6 anklingt, ist dieser Bezug beim letzten 2

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Kapitel VIII: Die herrschenden Priester in der Johannesapokalypse

auch, dass hier das Thema der Herrschaft ein deutlich stärkeres Gewicht hat, ja das eigentliche Thema aller Priesterbelege, ihrer Kontexte und letztlich der gesamten Johannesapokalypse darstellt. Welche Absichten verfolgt der Verfasser der Johannesapokalypse mit der Aufnahme dieser Metapher, die nicht im korporativen Sinn die Gemeinde als i``era,teuma, sondern in individueller Weise den einzelnen Christen als i``ereu,j im Blick hat? Welche Botschaft verbindet der Seher mit der präsentischen Anrede der Adressaten als „Priester“ und der futurischen Verheißung des Herrschens? Welche Funktion hat die Priestermetapher im Millennium (Apk 20,4–6)? Und schließlich: In welchem Verhältnis steht der Priestertitel zur Gesamtbotschaft der Johannesapokalypse? Zur Beantwortung dieser Fragen, ist auch noch Apk 22,3–5 zu beachten. In diesem Beleg wird die Priestermetapher zwar nicht genannt, er muss aber sachlich den Priesterbelegen zugeordnet werden, insofern die Glaubenden bzw. Erlösten hier eine priesterliche und herrschende Funktion übernehmen. Die drei Belege in Apk 1,6; 5,10 und 20,6 zeichnen sich neben der Aufnahme des Priestertitels zum einen durch einen starken christologischen Bezug aus und zum anderen durch die Verbindung der priesterlichen Identität mit einer in unterschiedlicher Weise betonten Herrschaftsfunktion. Forschungsgeschichtlich ist für diese Belege nach wie vor die 1971 veröffentlichte Dissertation von E. Schüssler-Fiorenza über „Priestertum und Herrschaft“ von grundlegender Bedeutung. Ihre detaillierte und philologisch wie historisch scharfsinnige Exegese findet im Rahmen dieses Kapitels immer wieder eine dankbare, wenn auch nicht unkritische Aufnahme. So sehr ich Schüssler-Fiorenzas Untersuchung in zahlreichen philologischen Details zustimme, so sehr wird diese Arbeit in wichtigen exegetischen Fragen andere Entscheidungen treffen. Neben einer Reihe voluminöser Kommentare, die in den letzten Jahren erschienen sind, berührt auch die 2001 von H. Roose vorgelegte Habilitationsschrift, die 2004 unter dem Titel „Eschatologische Mitherrschaft“ erschien, das Thema.

Beleg in Apk 20,6 nicht so eindeutig, sondern eher von 5,9f. her abgeleitet. Insgesamt nimmt Apk 5,9f. eine Art Mittelstellung zwischen Apk 1,5f. und 20,6 ein. Während die ersten beiden Belege durch die klare Anspielung auf Ex 19,6 verbunden sind, gleichen sich die beiden letzten Belege durch die Verbindung von i``ereu,j mit der Verbform basileu,sousin (Futur Plural).

1 Die Situation der Adressaten der Johannesapokalypse

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1 Die vorausgesetzte Situation der Adressaten der Johannesapokalypse 1 Die Situation der Adressaten der Johannesapokalypse

Die Situation der Adressaten(gemeinden) der Johannesapokalypse war und ist Gegenstand einer ausführlichen Debatte und zahlreicher Publikationen, und es ist hier nicht der Ort, diese nachzuzeichnen oder zu diskutieren. An dieser Stelle sollen lediglich thesenartig die allgemeinen Voraussetzungen dargestellt werden, unter denen die folgenden Ausführungen stehen: (1) Der Abfassungszeitraum der Johannesapokalypse ist in der gegenwärtigen Diskussion wieder völlig offen.5 Von einer Frühdatierung vor 70 n.Chr. bis zu einer Spätdatierung unter Hadrian werden alle Optionen diskutiert.6 Ein negativer Konsens hat sich lediglich für die lange Zeit als opinio communis geltende Datierung in die Regentschaft Domitians (81–96 n.Chr.) herauskristallisiert.7 Weil sich die oft postulierte reichsweite Christenverfolgung in der Endphase von dessen Herrschaft buchstäblich in Luft aufgelöst hat, ist die bereits von Irenäus behauptete Entstehung in jenen

5 Einen Überblick über die neueren Datierungsansätze gibt W ITETSCHEK, Zeitfenster; vgl. auch die ausführliche Literaturliste, a.a.O., 117, Anm. 2. W ITETSCHEK selbst nimmt eine Datierung zwischen 100 und 110 n.Chr. an. 6 Vgl. zur Frühdatierung u.a. ROBINSON, Wann entstand das Neue Testament?, 232– 264; BELL, Date; W ILSON, Problem, und SLATER, Dating, die alle v.a. aufgrund ihrer Deutung von Apk 17,9–11 auf dem Hintergrund der Nero-Redivivus-Erwartung das sog. Drei- bzw. Vier-Kaiser-Jahr 68/69 n.Chr. als Entstehungsdatum vermuten. Eine Spätdatierung in die Zeit Hadrians wird von W ITULSKI, Ansatz; DERS., Kaiserkult, 173f., vertreten. Vgl. die Kritik sowohl der Früh- wie der Spätdatierung bei W ITETSCHEK, Zeitfenster, 3–18.19–24. AUNE, Rev I, lviii, wählt den goldenen Mittelweg, indem er eine ausgedehnte Entstehungszeit von den späten Jahren Neros bis in die frühen Jahre Trajans annimmt. 7 Vgl. W ILSON, Problem, 587–597; SLATER, Social Setting, 238; KRAYBILL, Imperial Cult, 34–38; AUNE, Rev I, lxiv-lxix; KELHOFFER, Relevance, 559–563, und T IMPE, Domitian, 215–233. T HOMPSON, Revelation, 95–115, hat gezeigt, dass das Bild Domitians als eines „megalomaniacal tyrant“, a.a.O., 95, tendenziös ist und sich einer bewussten Verzeichnung durch Plinius den Jüngeren, Tacitus und Sueton als Vertreter einer senatorischen Aristokratie verdankt, mit der Domitian in einem Dauerkonflikt stand, a.a.O., 101, und die in Domitians indirektem Nachfolger Trajan einen Patron und Förderer fand, der wiederum an einem negativen Bild des Flavier Domitians als Hintergrund für die eigene vorteilhafte Darstellung sehr interessiert war; vgl. hierzu Suet Dom 1,3; 2,3; 3,1; 12,1; 22,1; Plin Ep 1,12,6–8; 3,11,3; 7,27,14, und Tac Hist 4,2.52.68. FRIESEN, Imperial Cults, 147–151; THOMPSON, Revelation, 104–107; AUNE, Rev I, lxvii-lxviii.310f., und T IMPE, Domitian, 216–218.231–233, bezweifeln auch, dass die verstärkte Divinisierung, die Domitian erfuhr, auf ihn selbst zurückgeht. Sie habe vielmehr einem Bedürfnis jener Zeit, v.a. in den Provinzen, entsprochen, auf das Domitian selbst kaum Einfluss nahm.

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Jahren8 zwar nach wie vor möglich, aber nicht mehr zwingender als eine frühere oder spätere Datierung.9 (2) Die adressierten Gemeinden in Kleinasien sehen sich zweifellos mit einer ihnen feindlich gesinnten Umwelt konfrontiert. Allerdings liegen die Ursprünge dieser Feindschaft kaum in einer reichsweiten, vom Kaiser angeordneten Christenverfolgung, als vielmehr in regionalen Tendenzen in Kleinasien. Wahrscheinlich spielt hier die wachsende Popularität des Kaiserkultes in den kleinasiatischen Provinzen eine wesentliche Rolle. Diese Entwicklung scheint jedoch nicht „von oben“ her verordnet worden zu sein,10 sondern entsprach vielmehr dem allgemeinen Bedürfnis nach einer Divinisierung des Kaisers und wurde von den Provinzen und Städten entwickelt und propagiert.11 Es scheint eine regelrechte Konkurrenz zwischen den Provinzstädten und ihren Eliten in der Förderung und Ausgestaltung des Kaiserkults gegeben zu haben.12 Die Kaiserverehrung im Kaiserkult hatte dabei keine uniforme Gestalt und war auch kein statisches Phänomen, sondern in hohem Maße kontextualisiert und an den lokalen Traditionen orientiert.13 Die verschiedenen lokalen und regionalen Ausdrucksformen der Kaiserverehrung waren ein Teil der Identitätsformation ursprünglich unabhängiger Städte im neuen, ungleich größeren Kontext des römischen Reiches.14 Man kann deshalb beim Kaiserkult v.a. im Osten des Reiches

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Iren Haer 5,30,3; vgl. Eus HE 3,18,3. Ebenso KELHOFFER, Relevance, 561: „[T]he evidence neither compels nor excludes a date for Revelation at the time of Domitian“ (kursiv bei K.). 10 Nach W ITULSKI, Kaiserkult, 173f., ist eine von oben verordnete, kultisch-religiöse Verehrung des römischen Kaiser nur unter Kaiser Hadrian (117–135 n.Chr.) nachweisbar, weshalb W ITULSKI die Johannesoffenbarung auch in die Endphase der Regenschaft Hadrians datieren möchte. 11 Vgl. hierzu FRIESEN, Twice Neokoros, 29f.; sowie S LATER, Social Setting, 238.252. Im östlichen Teil des römischen Reiches herrschte traditionell die Überzeugung, dass der König ein adoptierter Sohn des jeweiligen Nationalgottes war, denn die Griechen kannten keine dem römischen Denken vergleichbare Kategorie einer Mittelstellung eines Herrschers zwischen Mensch und Gott, was in Rom durch das Attribut divus zum Ausdruck gebracht wurde. Der römische Titel Divi filius konnte im Griechischen nur mit Qeou/ ui``o,j übersetzt werden, was den damit bezeichneten Herrscher eindeutig auf die göttliche Seite rückte. Eine Divinisierung hatte daher im Osten eine grundsätzlich andere Bedeutung als im Westen des Reiches; vgl. dazu PRICE, Man and God, 36; DERS., Rituals, 75; FRIESEN, Twice Neokoros, 146–152; W ITULSKI, Kaiserkult, 35f. 12 FRIESEN, Twice Neokoros, 152–158; SLATER, Social Setting, 253; STEPHENS, Annihilation, 150. Die asiatischen Städte konkurrierten um den Titel newko,roj, „Tempelwärter“, der nicht nur einzelnen Priestern, sondern ganzen Städten verliehen wurde, wenn sie dem Kaiser einen Tempel errichtet hatten; vgl. dazu B URRELL, Neokoroi. So erlangten alle sieben Städte in Apk 2–3 den Titel im 1. und/oder frühen 2. Jh. n.Chr. 13 FRIESEN, Twice Neokoros, 142–145. 14 PRICE, Rituals, 239–248; SLATER, Social Setting, 253. 9

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von einem „grassroots movement“ sprechen,15 das ganz und gar von den lokalen religiösen und politischen Bedürfnissen gesteuert war und nicht von Rom selbst organisiert wurde. (3) Die Teilnahme am Kaiserkult entwickelte sich zu einem konstitutiven Teil antiker Frömmigkeit (euvse,beia), durch die auch die Loyalität zur Gesellschaft einer antiken po,lij ausgedrückt wurde. Schließlich waren Religiosität und Sozialität kulturell untrennbar verwoben. Die Ablehnung einer Teilnahme am Kaiserkult musste von der Umwelt als Ablehnung der Gesellschaft als solcher und in Folge als Gefährdung der inneren Ordnung, der pax deorum, und damit auch des Wohlergehens der Stadt und ihrer Bürger aufgefasst werden.16 (4) Die Situation scheint – bei aller Vorsicht im Blick auf die theologischen und ethischen Intentionen des Verfassers17 – gegenüber den im 1. Petrusbrief sich spiegelnden Verhältnissen fortgeschritten zu sein.18 Zumindest nimmt der Verfasser der Johannesapokalypse auf (eigene oder fremde?) Erinnerungen Bezug, die sich so im 1. Petrusbrief nicht finden.19 In Apk 2,13 ist von einem Märtyrer in Pergamon die Rede, wobei unklar bleibt, wie und unter welchen Umständen dieser zu Tode kam und wer da15 So SLATER, Social Setting, 252; vgl. KRAYBILL, Imperial Cult, 60; STEPHENS, Annihilation, 149. 16 PRICE, Rituals, 123–126, vermutet, dass die jungen christlichen Gemeinden noch keine alternative und von ihrer Mitwelt akzeptierte Form gefunden hatten, um ihren Respekt und ihre Ehrerbietung gegenüber dem Kaiser auszudrücken und es im Blick auf den Kaiserkult nur die Entweder-Oder-Alternative gab. Dem Judentum war es dagegen bereits gelungen, durch das regelmäßige Opfer „für den“ – nicht „dem“ – Kaiser einen akzeptierten Ausdruck der Ehrerbietung und Loyalität zu entwickeln. Das junge Christentum mit seinem opferlosen Gottesdienst hatte diese Möglichkeit nicht. 17 Vgl. hierzu die äußerst skeptische Sicht von THOMPSON, Revelation, 175: „In a nutshell, the conflict and crisis in the Book of Revelation between Christian commitment and the social order derive from John’s perspective on Roman society rather than from significant hostilities in the social environment. In this regard the Book of Revelation fits the genre to which it belongs. […] The presence of the theme tells us nothing about the social and political situation.“ 18 Zum Verhältnis der Johannesapokalypse zum 1. Petrusbrief vgl. SLATER, Social Setting, 243f.; B AUER, Messiasreich, 363f.376–389–383. 19 GOPPELT, Theologie, 528, macht darauf aufmerksam, dass in beiden Schreiben auch eine unterschiedliche Reaktion auf die der Gemeinde gegenüber feindlich gestimmte Umwelt vorliegt: „Die Offenbarung weist die Christen unter anderen Aspekten in die Geschichte ein als der 1. Petrusbrief. Der 1. Petrusbrief ruft zu sozialpolitischer Verantwortung in einer vorchristlichen Welt, die auf Christus hin gesehen wird. Die Offenbarung verpflichtet dagegen zum Durchhalten des Bekenntnisses wie des Zeugnisses in einer nachchristlichen Weltsituation, die einer antichristlichen Ideologie verfällt. Beide Aspekte sind für die christliche Existenz in der Gesellschaft richtungsweisend. Sie sind nicht deskriptiv, sondern kerygmatisch gemeint und schließen darum einander nicht aus, sondern ergänzen sich polar“ (kursiv bei G.).

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für verantwortlich zeichnet. Der Fall scheint auch bereits etwas länger zurückzuliegen. Dass es sich bei der Darstellung der Bedrohungssituation lediglich um einen rhetorischen bzw. literarischen Kunstgriff des Verfassers handelt, ist wenig wahrscheinlich.20 Verwirrend ist die Beobachtung, dass die Sendschreiben – abgesehen von dem in Apk 2,13 erwähnten Martyrium – nur von relativ moderaten und v.a. lokalen, auf bestimmte Gemeinden beschränkten Repressionen berichten (Apk 2,8–11; 3,8–10), während es im Hauptteil der Schrift sehr viele Hinweise auf deutlich drastischere Verfolgungen und Martyrien (Apk 1,9; 6,9–11; 7,9.14; 11,7f.; 12,11; 13,7; 14,13; 16,6; 17,6; 18,24; 20,4) gibt. Allerdings weist Slater zurecht darauf hin, dass die drei einschlägigen Angaben in den Sendschreiben (2,8–11.13; 3,8–10) die einzigen Angaben im Blick auf das Verhältnis der Gemeinden zur paganen Umwelt sind und alle drei sich ausschließlich um Repressionen und das Leiden von Christen unter ihrer Mitwelt drehen.21 Dies schließt aus, dass es sich um rein literarische Konstruktionen handelt. Während jedoch die Hinweise in den Sendschreiben auf eine noch moderate Situation in Kleinasien deuten, müssen die drastischeren Belege im Hauptteil nicht kleinasiatische Verhältnisse widerspiegeln, sondern können durchaus von Erinnerungen an die neronische Verfolgung gespeist sein.22 Der Verfasser hätte dann seine eigenen, noch verhältnismäßig moderaten regionalen Erfahrungen mit den traumatischen Erinnerungen der neronischen Verfolgung zu einer apokalyptischen Zeit- und Weltdeutung „universalisiert“. (5) Die Johannesapokalypse ist offensichtlich auch Teil einer „innerkirchlichen“ Debatte über die Frage, inwieweit sich die Gemeinden auf die kulturellen Entwicklungen einlassen können und dürfen bzw. wo klare Abgrenzungen vollzogen werden müssen. Die Sendschreiben in Apk 2–3 spiegeln solche Diskussionen bezüglich Fragen der Anpassung an die pagane Umwelt mehr als deutlich wieder.23 Der Seher selbst sieht für sich und die Gemeinden keine Möglichkeit eines schiedlich friedlichen Kom20 Vgl. DUFF, Beast, und ROYALTY, Rhetoric, 600; DERS., Streets, welche die These vertreten, dass Johannes mittels eines rhetorischen Kunstgriffs die Idee einer sozialen Krise kreiert habe, um seine theologischen und ethischen Ziele zu verfolgen. 21 SLATER, Social Setting, 241. 22 AUNE, Rev I, lxv.; FREY, Johannesapokalypse, 523–525, v.a. Anm. 189. FREY, ebd., 525, vermutet darüber hinaus, dass die Darstellung der Märtyrer im Hauptteil nicht nur eine Erinnerung, sondern auch eine Erwartung zukünftiger Verfolgung sein könnte: „Die Vielzahl der Märtyrer im Hauptteil bezieht sich insofern auf eine Situation, die in den adressierten Gemeinden noch nicht präsent ist, die der Autor aber in Bälde für alle Christen erwartet, die die von ihm propagierte Distanz von der paganen Gesellschaft wahren.“ 23 Apk 2,2–6.14–16.19–25; 3,2–4.8–11.15–20. Überraschenderweise fehlt die Diskussion falscher Anpassung und Kompromisse jedoch im Hauptteil der Johannesapokalypse völlig, was der Annahme widerrät, dass es sich um das Hauptthema des Werkes handelt, vgl. SLATER, Social Setting, 241.

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promisses mit der paganen Alltagskultur und ihren religiösen Anforderungen mehr gegeben (vgl. nur 2,14.20 mit 1Kor 8,1–13; 10,1–11,1).

2 Apk 1,5–6 2 Apk 1,5–6

Das Präskript (1,4–6) weist die Johannesapokalypse in V. 4 als ein Rundschreiben an sieben kleinasiatische Gemeinden (vgl. c. 2–3) aus. Bereits im Proömium (1,1–3) deutet der Autor seinen prophetischen Anspruch an, indem er im Stile atl. Prophetenbücher (vgl. Hos 1,1; Am 1,1; Jes 1,1) sich als Offenbarungsempfänger vorstellt, dem eine avpoka,luyij VIhsou/ Cristou/ zuteil geworden ist.24 Der Offenbarungsmittler ist also Jesus Christus selbst. Insofern kann man von einer dreifach vermittelten Botschaft sprechen, die ihren Ursprung bei Gott hat, der sie Jesus Christus offenbart, der sie wiederum durch (s)einen Engel dem Seher Johannes sendet, der sich in V. 2 konsequent und sachgemäß als Zeuge des „Wortes Gottes“ und des „Zeugnisses Jesu Christi“ vorstellt. 2.1 Kontext, Form, Textkritik, Genese, Struktur 2.1.1 Das Präskript Das Präskript enthält alle Merkmale eines antiken Briefpräskripts und weist darüber hinaus eine theologische Ausgestaltung auf. Diese erfolgte in enger Anlehnung an die paulinischen Briefpräskripte,25 wobei die Ähnlichkeit zum Präskript des Galaterbriefes (Gal 1,1–5) am größten ist.26 24

Vgl. die ausführliche Untersuchung von KARRER, Brief, 86–108, der Apk 1,1–3 ein „vortitulares Incipit“ nennt, das häufig in Werken der frühchristlichen, christlich-gnostischen und gnostischen Offenbarungsliteratur als offene Form anzutreffen ist, ebd., 108. 25 ROLOFF, Offb, 31; KARRER, Brief, 73f., und ihm folgend SATAKE, Offb, 128, sprechen von einer „Übernahme vorgegebener paulinischer Briefkonvention“; HOLTZ, Offb, 21, weist darauf hin, dass die Verwendung des paulinischen Briefpräskripts „als ein geradezu kanonisch zu nennendes Element verbindlicher Kommunikation zwischen dem mit dem Wort Gottes und dem Zeugnis Jesu beauftragten Zeugen und der christlichen Gemeinde“ betrachtet werden kann. Die formale Nähe zu den Paulusbriefen mache eine direkte Kenntnis derselben wahrscheinlich. 26 Wie der Seher seine Offenbarung, so sieht auch Paulus sein Apostelamt nicht von Menschen bzw. durch einen Menschen, sondern „durch Jesus Christus und Gott“ verliehen, Gal 1,1a. Wie in Apk 1,5 wird Christus als der von den Toten Auferweckte beschrieben, Gal 1,1b. Auch der Galaterbrief definiert sich als Rundbrief an alle galatischen Gemeinden, Gal 1,2b; vgl. Apk 1,4, die dort wie im Präskript der Johannesapokalypse aus guten Gründen ohne weitere (Ehren)Epitheta genannt werden. Identisch ist der Friedensgruß ca,rij u``mi/n kai. eivrh,nh und dabei der Bezug auf Gott und Jesus Christus als dem Ursprung der Gnade und des Friedens, wobei in der Johannesapokalypse noch „die sieben Geister vor dem Thron“ mitgrüßen. Gemeinsam ist auch der christologische Bezug auf das Erlösungswerk Jesu, Apk 1,5; Gal 1,4, und die abschließende Doxologie, Apk

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Die Superscriptio umfasst ohne Titel, Amtsbezeichnung oder Herkunftsangabe lediglich den Namen vIoa,nnhj, der damit und aufgrund der knappen Angaben in Apk 1,1f. als den Gemeinden allgemein bekannt vorausgesetzt wird. Auch in Apk 1,9 genügt als Vorstellung die Bezeichnung „euer Bruder und Mitgenosse in der Bedrängnis und dem Königtum und dem Ausharren in Jesus“. Die Adscriptio (V. 4a) richtet sich an „die sieben Gemeinden in (der Provinz) Asia“. Auch diese dürre Angabe, die erst ab 1,11 näher präzisiert wird, setzt eine allgemeine Bekanntheit dieser sieben Gemeinden auch in ihrer Verbundenheit und Zusammengehörigkeit voraus. Die Salutatio (V. 4b.5a) nennt als Urheber der Gnade und des Friedens Gott, die sieben Geister vor dem Thron (vgl. 3,1; 4,5; 5,6) und Jesus Christus. Die Doxologie beginnt bereits mit dem Dativ-Partizip tw/| avgapw/nti in V. 5b und endet mit avmh,n in V. 6.27 Gegenüber der klassischen, aus den Paulusbriefen bekannten Form, wurde das Präskript der Johannesapokalypse wohl vom Verfasser um (1) die dreifache Umschreibung des Gottesnamens als dem, „der ist und der war und der kommt“, (2) die Nennung der sieben Geister vor dem Thron in der Salutatio und (3) um die umfangreiche christologisch gefüllte Doxologie erweitert. 2.1.2 Form Die Doxologie steht natürlich mit Blick auf den Priestertitel im Mittelpunkt unseres exegetischen Interesses. Es ist eine aus zwei Hauptsätzen bestehende Doxologie, deren Objekt im Dativ, hier als dativus commodi zu interpretieren, genannt ist. Diese formale Struktur hat unter den ntl. Doxologien Seltenheitswert.28 In der Regel bestehen Doxologien aus den folgenden vier Elementen:29 (1) Sie beschreiben im Dativ (selten im Genitiv) das Objekt bzw. den Adressaten, dem die Attribute Ehre und/oder Herrlichkeit als Eigenschaften zugeschrieben werden.

1,5b-6; Gal 1,5. Dass es sich bei der Johannesapokalypse letztlich nicht um einen echten Brief handelt, wird jedoch auch an den Unterschieden zum Galaterbrief bzw. zu den Paulusbriefen deutlich: Nach der Salutatio fehlt in beiden Präskripten das Dankgebet für die Gemeinden. Die Analogien sollten nicht als ein Indiz für eine Abhängigkeit von Paulus gewertet werden. Es gibt ansonsten sehr wenig in der Johannesapokalypse, was eine Nähe zu Paulus nahe legen würde. 27 Während SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 172, die Doxologie lediglich auf V. 6b beschränkt, signalisiert der Genuswechsel von V. 5a (Nominativ) zu V. 5b (Dativ) den Übergang von der Salutatio in die Doxologie. 28 In formaler Hinsicht bestehen Ähnlichkeiten zu Röm 16,25–27; Eph 3,20f. und Jud 24f. 29 Vgl. AUNE, Rev I, 44.

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Gewöhnlich legen jüdische oder frühchristliche Doxologien30 Gott die Eigenschaft der do,xa und häufig auch noch andere Hoheits- und Herrlichkeitsattribute bei. Eine strenge Definition ist schwierig und lässt sich nicht immer am Begriff do,xa festmachen.31 (2) Es findet eine Aufzählung der speziellen Attribute statt, die sich begrifflich um die Themenkreise Ehre, Herrlichkeit, Macht, Kraft, Stärke etc. ranken. (3) Gewöhnlich wird in einer abschließenden Formel die ewige bzw. endlose Dauer dieser göttlichen Eigenschaften betont. (4) Das abschließende „Amen“ unterstreicht den liturgischen Charakter aller doxologischen Formeln. Doxologien erfüllen eine Funktion32 als Abschluss religiöser Texte, in der Eröffnung 33 oder am Ende34 eines Briefes oder eines Gebetes und als Abschluss einer Liturgie. Gelegentlich werden sie auch in indirekter Rede in narrativen Texten erwähnt (Apk 4,9).35

Es gilt hier in erster Linie die hohe Christologie dieser Doxologie wahrzunehmen, die charakteristisch für die Johannesapokalypse ist.36 Vor diesem Horizont ist auch die ausschließliche Bezogenheit dieser Doxologie auf Jesus Christus zu verstehen. Das ist singulär im Neuen Testament und impliziert auch hier, dass Christus eine gottgleiche Würde zugesprochen wird.37 Damit scheint diese Doxologie die früheste, rein christologische Doxologie überhaupt zu sein. Der zeitlich nächste Beleg findet sich in den Oden Salomos 17,17 um 125 n.Chr.38 Wirklich einzigartig wird diese Doxologie allerdings nicht nur aufgrund ihres exklusiven Bezugs auf Jesus Christus,39 sondern auch aufgrund der dreigliedrigen Aufzählung des Heilswirkens Jesu.40

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AUNE, Rev I, 43, macht darauf aufmerksam, dass Doxologien in jüdischen Texten deutlich seltener belegt sind als in frühchristlichen. 31 So taucht z.B. in 2Kor 1,20 der Begriff do,xa auf, aber der Satz spricht über Gottes Ehre, adressiert diese aber nicht an Gott. Umgekehrt fehlt der Begriff in 1Tim 6,16, wo es sich aber zweifellos um eine Doxologie handelt. 32 Vgl. wiederum AUNE, Rev I, 44. 33 Vgl. Gal 1,5; Apk 1,6. 34 Vgl. Röm 16,25–27; Phil 4,20; 1Tim 6,16; 2Tim 4,18; Hebr 13,21; 1Petr 5,11. 35 In der Johannesapokalypse finden sich Doxologien außer in Apk 1,5f. auch noch in Apk 4,9 (in indirekter Form); 5,13f.; 7,12 und 19,1. 36 Vgl. hierzu COMBLIN, Christ; HOLTZ, Christologie; FREY, Erwägungen, 399–403; HOFIUS, Zeugnis, sowie HENGEL, Throngemeinschaft. 37 Vgl. HOFIUS, Zeugnis, 512f. 38 AUNE, Rev I, 46; vgl. zu den Doxologien im 2. Jh. n.Chr. B AUCKHAM, Art. Jesus, Worship of, 812–819. 39 Diskutabel ist nur noch Röm 9,5, wobei auch hier eher Gott als Objekt der Doxologie anzusehen ist. 40 Eine gewisse inhaltliche Parallele besteht zu Tit 2,14. Dort handelt es sich zwar nicht um eine Doxologie, aber in diesem zweigliedrigen Satz wird zunächst ebenfalls Bezug auf die Heilstat Jesu genommen, um im zweiten Teil ihre Wirkung auf die Gemeinde mit einer Anspielung auf die Exodusformel, Ex 19,5f., zu beschreiben. Eine literarische Abhängigkeit oder Verwandtschaft liegt jedoch nicht vor.

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2.1.3 Die Struktur Die triadische Struktur der Doxologie fügt sich in die triadische Gesamtstruktur des gesamten Präskripts ein, angefangen von der Salutatio, die mit einem dreifachen avpo, einen dreifachen Ursprung der Gnade und des Friedens verbindet, in die auch noch eine triadische Umschreibung Gottes („der war und der ist und der kommt“41) und drei Titelprädikationen Jesu (V. 5a) eingebettet sind. Jesus Christus wird als der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und als der a;rcwn über die Könige der Erde vorgestellt.42 Das Ende der Salutatio führt in die universale Christologie der Johannesapokalypse ein, in dem in Aufnahme von Y 88,38.28 drei nominale Titelprädikationen auf Christus übertragen werden.43 Dabei ist die „treue Zeugenschaft“ Jesu ein zentrales Element der Vorbildchristologie: So wie Jesus sein Zeugnis treu bis in den Tod abgelegt hat, so sollen auch die Christen das Zeugnis Jesu in der gleichen Treue weitertragen.44 Jedoch sollte die Zeugenschaft Jesu nicht auf die Vergangenheit begrenzt werden.45 Die Gemeinde kann sich auch hier und jetzt – aus Perspektive der Leser sozusagen in den Wirren der Endzeit – auf Jesus verlassen, der mit seinem Kommen (vgl. V. 7) ihrer Not ein Ende bereiten wird. Die Prädikation als „Erstgeborener“ (vgl. Y 88,28) nimmt durch die Ergänzung „von den Toten“ die Auferstehungs- und Neuschöpfungshoffnung auf,46 und der eigentümliche und in dieser Form singuläre Titel a;rcwn tw/n 41 In Apk 11,17 und 16,5 findet sich die zweigliedrige Formel „der war und der ist“. Schüssler-Fiorenza, Priestertum, 183, zieht in Erwägung, dass dem Autor diese zweigliederige Formel aus der Tradition vorlag und er sie im Licht seines eschatologischen Anliegens um ein drittes Glied mit Blick auf die Parusie erweitert hat. 42 Vgl. hierzu KARRER, Brief, 117f. 43 Vgl. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 198–203; KARRER, Brief, 117f. SCHLATTER, Das Alte Testament, 39f., weist – leider ohne Belegangabe – darauf hin, dass die Stelle bereits im Frühjudentum von Natan, einem Jünger Rabbi Akibas, messianisch interpretiert wurde. 44 Ebenso KRAFT, Offb, 33; PRIGENT, Apoc, 118, Anm. 18; MOUNCE, Rev, 48, und OSBORNE, Rev, 62, mit Verweis auf Joh 3,32f.; 18,37. In der gesamten Johannesapokalypse ist der Begriff mit dem Tod des bzw. der standhaften Zeugen assoziiert, vgl. Apk 2,13; 11,3; 17,6. Anders dagegen KARRER, Brief, 118, und G IESEN, Offb, 77, die eine martyrologische Deutung aufgrund der Vorlage in Y 88,38 ablehnen und stattdessen den Akzent auf die Treue und Verlässlichkeit des Zeugen legen. Im Zusammenhang der Johannesapokalypse, die als zentralen christologischen Titel den des „Lammes, das geschlachtet ist,“ verwendet und einen starken Ton auf die motivierenden Appelle zur treuen Zeugenschaft bis in den Tod hinein legt, ist ein martyrologisches Verständnis jedoch nicht unwahrscheinlich. 45 MÜLLER, Offb, 73: „Wo Jesus als Subjekt zum Verbum ‚bezeugen‘ auftaucht, meint dieses immer eine vergangene bzw. gegenwärtige Offenbarertätigkeit des Erhöhten (1,2; 22,16.18.20).“ 46 Vgl. v.a. Kol 1,18, sowie 1Kor 15,20; Röm 8,29; Act 26,23.

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basile,wn th/j gh/j (vgl. Y 88,28) stellt Christus bereits in der Gegenwart als universalen Herrscher über alle irdischen Archonten und Könige vor.47 Daran schließt sich nun der erste Hauptsatz der Doxologie mit drei Verbalprädikationen Christi an. Damit folgen den drei Aussagen über die Person Christi drei über das Werk Christi. In V. 7 und 8 schließen sich zwei ursprünglich unabhängige Stücke an, die vom Autor nur lose mit der vorausgehenden Salutatio und Doxologie verbunden wurden, gleichzeitig jedoch durch das „Amen“ am Ende der Doxologie auch von dieser abgegrenzt sind. In V. 7 folgt in Form eines Prophetenspruchs eine prophetische Ankündigung der Parusie,48 die mit den drei Verben e;rcesqai, o;yesqai und ko,yesqai ebenfalls eine dreigliedrige Struktur hat und wie die Doxologie abermals mit einem zweisprachigen, feierlich-liturgischen „Amen“ schließt. Mit dieser Parusieankündigung kommt der Seher bereits im Präskript auf das Hauptthema seiner Apokalypse zu sprechen. Auch die abschließende Selbstprädikation Gottes in V. 8, welche die Gottesprädikation aus 1,4b wieder aufnimmt, enthält wie die Salutatio im Blick auf Jesus Christus (1,5a) drei Titelprädikationen Gottes (1. Alpha und Omega, 2. „der war, der ist, der kommt“, 3. o`` pantokra,twr). Damit werden die drei christologischen Teile des Präskripts, die sich in der Salutatio (1,5a), der Doxologie (1,5b-6) und der Parusieankündigung (V. 7) finden, umrahmt von zwei theologischen Gottesprädikationen in der Salutatio am Anfang (1,4b) und im Gotteswort am Ende (1,8).49 2.1.4 Textursprung und -genese Die durchkomponierte triadische Struktur deutet auf ältere liturgische Traditionen hin, die dem Verfasser vorlagen und die er mit mehr oder weniger starker Bearbeitung in sein Präskript integriert hat. Dafür spricht vor allem der Partizipialstil der Doxologie, der Parallelismus der Satzglieder und der Wechsel in der Anrede von u``mi/n in V. 4–5a zu h``ma/j in V. 5a-6.50 Ein wei47

Vgl. Apk 17,14; 19,16. Ausgehend von Ps 2,2 hat das Syntagma „Könige der Erde“ meist eine negative Konnotation im biblischen Kontext, so auch in der Regel in der Johannesapokalypse, vgl. Apk 6,15; 16,14; 17,2.18; 18,3.9; 19,19, sowie G IESEN, Offb, 77. Allerdings tauchen in Apk 21,24 in Aufnahme von Jes 60,3.10f.16 die Könige der Erde mit ihrer Herrlichkeit als Wallfahrer und somit wohl auch als Heilsteilhaber im neuen Jerusalem auf. Ausgehend von dieser Stelle will SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 258–262, die „Könige der Erde“ als Christen bzw. Gemeindeglieder deuten, was jedoch völlig singulär wäre und ganz unwahrscheinlich ist. 48 Es handelt sich hier um ein Mischzitat, das weder mit Mt 24,30 und Joh 19,37b wörtlich übereinstimmt, noch mit den atl. Basistexten aus Dan 7,13 und Sach 12,10.13. 49 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 212. 50 Vgl. die Analyse von SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 168–212. Für die Annahme einer eigenständigen Bearbeitung der liturgischen Tradition durch den Autor führt SCHÜSSLER-FIORENZA, ebd., 179, noch eine Reihe weiterer Gründe an, von denen aller-

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terer Hinweis auf eine ältere, möglicherweise hebräische Tradition ist der grammatisch ungelenke Anschluss von V. 6a an V. 5b, der eigentlich das Relativpronomen o[j verlangen würde. Durch dessen Auslassung wird unversehens V. 6a zum ersten Hauptsatz der Doxologie. Bereits Charles und neuerdings Beale erklären diese merkwürdige Konstruktion als einen Hebraismus bzw. Semitismus, bei dem das eigentlich erwartete Partizip in ein finites Verb aufgelöst wurde.51 Wenn dies zutrifft, dann lag dem Seher entweder eine judenchristliche oder eine jüdische Tradition vor, die er im letzteren Fall christlich überarbeitet hätte. Dafür spricht nicht nur das abschließende „Amen“, sondern nach E. Norden auch der Partizipialstil der Doxologie, der auf eine orientalische oder orientalisch-hellenistische Provenienz hindeutet, welche die griechische Sprache nur als äußeres „Gewand“ für ihre Gedanken und Stilgesetze benutzt.52 Schließlich spricht auch die Form des dem hebräischen Text nahestehenden Akkusativ-Syntagmas basilei,an i``erei/j für eine Tradition, zumal das Syntagma bei der zweiten Anspielung auf die Exodusformel in 5,10 durch die Konjunktion kai, aufgelöst und grammatisch koordiniert wurde. Für die Genese der Doxologie spielt die textkritische Analyse eine wesentliche Rolle. Ein exegetisches Grundproblem war und ist die verderbte Textgestalt aller für unsere Fragestellung relevanten Texte.53 Die zuverlässigste Überlieferung bietet eine Textgruppe, die neben dem Alexandrinus (A) auch noch den Ephraemi Rescriptus (C) und den Kommentar aus Oikumenius (Oik)54 enthält.55 Diese Textform kommt dem Urtext sehr nahe, ist mit diesem aber nicht identisch, da sich in ihrer Überlieferung bedauerlicherweise eine Vielzahl grammatischer und sprachlicher Fehler eingeschlichen haben. Eine zweite sehr alte Textform, die von der ersten (A, C, Oik) deutlich zu unterscheiden ist, wird von Papyrus 47 (enthält nur Apk 9,10–17,2), Sinaiticus (a) und Origenes bezeugt. Zudem gibt es noch zwei jüngere „Rezensionen“ des griechischen Apokalypse-Textes, einmal der dings nicht alle gleichermaßen stichhaltig sind. Für eine Bearbeitung spricht, dass (1) er im zweiten Glied der Salutatio mit den „sieben Geistern vor dem Thron“ eine Bezeichnung aufnimmt, die zur apokalyptischen Sprache der Johannesapokalyse gehört, (2) das Präskript mit dem pantokra,twr-Titel abschließt, der eine der bevorzugten Gottesprädikationen des Autors ist, und (3) auch das Gottesprädikat „Alpha und Omega“ in der Apokalypse mehrfach auftaucht, Apk 21,6; 22,13, womit es sich als ein Titel erweist, der dem Autor nahe lag. 51 CHARLES, Rev I, 14–16; B EALE, Rev, 192. Zur Aufnahme atl. Referenztexte in der Johannesapokalypse vgl. LABAHN, Anspielungen. 52 NORDEN, Agnostos Theos, 203; siehe auch SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 203f. 53 Grundlegend ist nach wie vor die Arbeit von SCHMID, Studien; vgl. auch MADFELD, Geschichte, und in jüngerer Zeit HERNANDEZ, Scribal Habits, sowie neuerdings KARRER, Text. Insgesamt erfreut sich die Textgestalt der Johannesapokalypse in jüngster Zeit einer großen Aufmerksamkeit in der Forschung. Eine umfassende textkritische Analyse der hier relevanten Verse bietet auch SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 68–78. 54 Vgl. hierzu OECUMENIUS, Commentary, und SCHMID, Oikumenios. 55 KARRER, Text, 77.

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Text aus dem Kommentarwerk des Andreas von Kaisareia (An) und zum anderen der Koine-Text, deren abweichende Lesarten größtenteils aus Korrekturen des ursprünglichen Textes bestehen. Allerdings haben diese Textüberlieferungen an einigen Stellen auch den ursprünglicheren Text gegenüber A, C, Oik einerseits und P 47, a und Origenes andererseits erhalten. Die textkritischen Hauptprobleme von Apk 1,6a betreffen v.a. drei Punkte: (1) Die Substitution des Verbum finitum evpoi,hsen durch das Partizip poih,santi, (2) die DativLesart h``mi/n anstelle des Akkusativs h``ma/j und (3) verschiedene Variationen für die beiden Begriffe basilei,an i``erei/j. (1) Unproblematisch ist die Entscheidung im ersten Fall. Das finite Verb wird von den bedeutendsten Textzeugen A, C, P 18, a und An bezeugt. Die Substitution durch das Partizip im Koine-Text, in zwei Minuskeln der An-Gruppe und in einigen weiteren Minuskelhandschriften lässt sich als stilistische Angleichung an die beiden in 1,5b vorausgehenden Partizipien avgapw/nti und lu,santi erklären. (2) Wesentlich schwieriger ist die Entscheidung bei den Textvarianten h``mi/n und h``ma/j in V. 6a. Während der Akkusativ zum Ausdruck bringt, dass Christus den Absender und die Adressaten zu einem Königreich und zu Priestern gemacht hat, würde der Dativ bedeuten, dass Christus ein Königreich und Priester für den Verfasser und die Adressaten „gemacht“ bzw. in diesem Fall besser „geschaffen und eingesetzt“ hätte.56 Nicht mehr die Gemeindeglieder würden als Priester bezeichnet, sondern eine Priesterschaft wäre für die Gemeinde eingesetzt, würde dieser somit vor- bzw. gegenüberstehen. Diese im Neuen Testament völlig singuläre Aussage bekommt freilich dadurch an Gewicht, dass sie vom alexandrinischen Text, dem bedeutendsten Textzeugen der Johannesapokalypse vertreten wird. Für den Akkusativ spricht allerdings, dass er lectio difficilior ist und auch der Akkusativ in der parallelen Aussage in 5,10 von keiner einzigen Handschrift durch einen Dativ korrigiert wurde. Auch keine der späteren lateinischen Handschriften überliefert in 1,6 den Dativ nobis, obwohl dieser ab dem frühen 3. Jh. n.Chr. geeignet gewesen wäre, die Entwicklung des sich ausbildenden christlichen Priesterstandes zu legitimieren. Schüssler-Fiorenza interpretiert die Dativform daher als den Versuch, die unschöne doppelte Akkusativ-Aussage zu umgehen.57 (3) Eine Vielfalt von Lesarten gibt es für die Wortfolge basilei,a n i``erei/j. Während der Koine-Text mit basi,leion i``era,teuma eindeutig vom LXX-Text bzw. 1Petr 2,9 beeinflusst ist,58 die schwach bezeugte Variante basilei,an kai. i``erei/j (Revision von a, die Minuskel 88 u.a.) zwar in 5,10 sicher bezeugt ist, aber hier ähnlich wie auch die konkretisierende Variante basilei/j kai. i``erei/j (einige Vulgatahandschriften, An, Codex Gigas, Tyconius, Hieronymus, Tertullian u.a.) vom Anliegen geprägt ist, die appositionelle Zuordnung eines Abstraktums zu einem Konkretum durch eine Konjunktion aufzulösen, kann sich die unverbundene Lesart basilei,an i``erei/j als lectio difficilior auf die mit Abstand beste Bezeugung berufen (A, C, a, Origenes und einige Minuskeln von An).

Auf der Basis dieser textkritischen Analyse gilt nach wie vor SchüsslerFiorenzas Schlussfolgerung, dass die grammatisch schwierige Wendung basilei,an i``erei/j weder vom LXX-Text noch von einem der bekannten Interpretationstexte von Ex 19,6 abhängig ist. Das Syntagma geht vielmehr 56

SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 71. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 71; ebenso BEALE, Rev, 195. 58 Vgl. LABAHN, Anspielungen, 372.

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auf den Grundtext in einer vom MT geringfügig abweichenden hebräischen Fassung oder auf eine im Gedächtnis bzw. der Erinnerung des Autors bestehende Formulierung zurück.59 Der Autor hat nun dieses komplizierte Wortsyntagma des singularen Abstraktums basilei,a und des pluralen Konkretums i``erei/j mit seiner nicht minder komplexen Interpretations- und Übersetzungsgeschichte in Apk 5,10 durch die Einfügung einer Konjunktion (kai,) aufgelöst und damit auch eindeutig interpretiert. Genau dies hat er aber in 1,6 (noch) nicht getan. Hier stehen beide Substantiva noch unverbunden in einer appositionellen Konstellation nebeneinander.60 Dies spricht entweder dafür, dass der Verfasser die gesamte Doxologie aus einer ihm vorliegenden (hebräischen?) Tradition unverändert übernommen hat, oder zunächst noch bewusst an der hebräischen Wendung festhalten möchte. Erst in 5,9ff. „klärt“ der Verfasser dann das grammatische Rätsel im Rahmen des „neuen Liedes“.61 Diese Beobachtungen untermauern die Wahrscheinlichkeit, dass Johannes die Doxologie und auch andere Teile des Präskripts62 in einer Tradition 59 SCHÜSSLER FIORENZA, Priestertum, 68–78.167. Dieser starke Einfluss des Hebräischen ist ein Grundzug der gesamten Johannesapokalypse. „Das Hebräische“ so deutet es jüngst LABAHN, Anspielungen, 366, „wirkt als im Gedächtnisraum des Sehers bewahrte Erinnerung einflussreich auf den Text der Johannesapokalypse ein“ (kursiv bei L.); vgl. auch a.a.O., 374. 60 LOHSE, Sprache, 330: „An den biblischen Wendungen hält er [sc. der Seher] selbst dann fest, wenn sie sich nicht mehr ganz in den Zusammenhang einfügen, in den er sie nun hinein rücken möchte. Späteren Abschreibern sind solche Ausdrücke gelegentlich unverständlich erschienen und daher des Öfteren von ihnen korrigiert worden.“ Vgl. auch LABAHN, Anspielungen, 372: „Die Formulierung basilei,a n, i``ereij … kann somit durch die Erinnerung an den hebräischen Text oder im Fluss jüdischer Interpretation des Textes formuliert sein.“ 61 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 77. 62 Den Eindruck einer Vorlage aus der Tradition weckt z.B. auch die Nominativform der Titelprädikationen Christi Apk in 1,5a, für die eigentlich aufgrund der appositionellen Verbindung mit avpo. vIhsou/ Cristou/ eine Genitivform zu erwarten wäre. Die mittlere Titelprädikation „der Erstgeborene von den Toten“ erinnert zudem stark an paulinische Formulierungen, v.a. in Kol 1,18, aber auch in 1Kor 15,20 und Röm 8,29, vgl. hierzu wiederum die ausführliche Analyse von SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 198–203. Auch für Apk 1,7 ist ein traditioneller Hintergrund nicht unwahrscheinlich, da die Zusammenstellung von Dan 7,13 und Sach 12,10ff. bereits in Mt 24,30 in einer ebenfalls bearbeiteten und von Apk 1,7 verschiedenen Weise vorliegt. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 187f.198, sieht drei Traditionsstufen: Auf der ersten Stufen stehen Dan 7,13 und Sach 12,10ff. noch unverbunden nebeneinander, auf der zweiten Ebene werden sie im Rahmen einer Testimoniensammlung oder Logienquelle vereinigt, um den Menschensohn mit dem Gekreuzigten zu identifizieren. Diese Stufe wird von Mt 24,30 und Joh 19,37b nicht dargestellt, wohl aber reflektiert. Die letzte Stufe ist dann die jeweils eigenständige redaktionelle Verknüpfung durch die Verfasser des Matthäusevangeliums und der Johannesapokalypse.

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vorlagen und er sie moderat bearbeitet und zusammengefügt hat.63 Dies entspricht durchaus den üblichen Gepflogenheiten dieses Autors, bei dem „[d]ie Rezeption von Referenztexten aus den Schriften Israels … in hohem Maße ein Prozess kreativer Transformation“ ist, der am besten mit der Metapher der „Einschmelzung“ beschrieben werden kann.64 Nun vertritt eine Reihe von Exegeten die These, dass diese Tradition ihren Sitz im Leben im Rahmen einer urchristlichen Tauffeier gehabt habe und es sich ursprünglich um ein judenchristliches Taufbekenntnis gehandelt habe.65 Als Grund nennt Schüssler-Fiorenza im Blick auf die erste Tatprädikation das Akkusativobjekt h``ma/j mit Hinweis auf Röm 6,6, den formelhaften Klang, sowie die Nähe zu 2Thess 2,16 und Eph 2,4 und der dortigen „Taufterminologie“. Auch für die zweite Tatprädikation sieht sie Taufbezüge in der Aoristform, weil in der Tauftheologie die „Theologie der Aoriste“ bewahrt und das Freiwerden von Sünden ganz generell als Wirkung der Taufe verstanden worden sei. Nicht zuletzt verweise auch die Wendung evn tw/| ai[mati auvtou/ ebenfalls auf das Taufgeschehen.66 Auch die dritte Tatprädikation deute aufgrund ihrer Aoristform auf einen Taufkontext, ebenso wie das Verb poiei/n in V. 6a auf die in der Taufe sich ereignende Neuschöpfung anspiele. Schließlich mache es auch die positive Charakterisierung der von Sünden Befreiten als Königtum/Könige und Priester wahrscheinlich, dass es sich um ein ursprüngliches Taufbekenntnis handle.67 Man muss diesen Optimismus wohl im Kontext der exegetischen Euphorie der neutestamentlichen Zunft verstehen, die im 20. Jahrhundert zahllose Taufbekenntnisse in der urchristlichen Literatur zu identifizieren versuchte. Mittlerweile ist hier zu Recht eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Bei Licht betrachtet legt nicht eines der angeführten Argumente zwingend ein Taufbekenntnis in Apk 1,5f. nahe. Das Problem beginnt bereits bei der Klassifizierung: Was macht ein Taufbekenntnis zu einem solchen? Welche Kriterien sind hier anzulegen? Wo haben wir es im Neuen Testament mit eindeutigen Taufbekenntnissen zu tun bzw. mit liturgischen Bestandteilen einer Tauffeier? Die Forschungslage ist mangels eindeutiger Daten hier nach wie vor sehr diffus. So ist es zwar durchaus möglich aber alles andere als sicher, dass in Eph 2,4f. Anklänge an ein Taufbekenntnis bestehen; in 2Thess 2,16 ist dies sogar eher unwahrscheinlich. Auch die Rede von einer

63 SATAKE, Offb, 132f., beobachtet, dass (1) das Wortfeld „lieben“ im Unterschied zu „schlachten“ in 5,9 nicht zum theologischen Wortschatz des Verfassers gehöre, dass sich (2) die Apokalyse nicht für die Sünden der Christen vor ihrer Bekehrung interessiere, während die vierfältige Herkunftsangabe der Freigekauften in 5,9 eine ganz typische Liste für die Apokalypse sei, und schließlich, dass (3) die Formulierung „Gott sein Vater“ in 1,6a ungewöhnlich für die Apokalypse sei, die normaler Weise eher „unser Gott“, wie in 5,10, verwendet. 64 LABAHN, Anspielungen, 342; vgl. auch ebd.: „Die rezipierten Texte begegnen nicht anders als im Text der Johannesapokalypse; die Rezeptionen werden ihr Text“ (kursiv bei L.). 65 SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 206–212; ebenso VON DER OSTEN-SACKEN, Christologie; ROLOFF, Offb, 31; MÜLLER, Offb, 75; GIESEN, Offb, 73.77f., und SATAKE, Offb, 132. Skeptisch bis ablehnend dagegen HOLTZ, Offb, 23, der eher an aufgenommene Elemente der Bekenntnistradition denkt. 66 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 206f. 67 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 208f.

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„Taufterminologie“ erweist sich bei näherem Hinsehen als höchst spekulativ.68 Das Wortfeld „Liebe/lieben“ ist im Neuen Testament so verbreitet, dass eine klare Eingrenzung auf die Taufe beim besten Willen nicht möglich ist.69 Die Befreiung bzw. das Freiwerden von Sünden ist ebenso wie die Wendung evn tw/| ai[mati auvtou/ im Neuen Testament ein soteriologischer Allgemeinplatz. Schließlich ist auch nicht einzusehen, warum der Aorist speziell auf ein Taufgeschehen deuten soll und sich daraus eine „Theologie der Aoriste“ ergibt, zumal das erste Partizip der Doxologie im Präsens steht. Hinzu kommt, dass in der gesamten Johannesapokalyse die Taufe nirgendwo explizit erwähnt wird, es sei denn man betrachtet die „im Blut des Lammes weiß gemachten Kleider“ in Apk 7,9.13f. als eine tauftheologische Formel. Schüssler-Fiorenzas These leidet schließlich an ihrer formgeschichtlichen Definition der Tatprädikationen in Apk 1,5b-6a, die sie noch zur Salutatio zählt und nicht zum ersten Hauptteil der von ihr auf V. 6b begrenzten Doxologie. Im Rahmen einer Doxologie ist die Verengung auf den Taufkontext von vornherein unwahrscheinlich.

Der höchst spekulative Vorschlag Schüssler-Fiorenzas zeigt, wie schwierig es ist, den Sitz im Leben einer liturgischen Tradition zu identifizieren. Weil die Johannesapokalypse jedoch von ihrem Verfasser als eine bewusste literarische Komposition angelegt wurde, ist es fruchtbarer, das Stück im Kontext des vorliegenden Textes zu interpretieren, als sich auf spekulative Rekonstruktionen einer bestimmten Tradition zu fokussieren. Es muss und kann daher genügen, die Doxologie als ein dem Autor überliefertes, liturgisches Traditionsstück zu bestimmen, das seinen Ort sicherlich irgendwo im urchristlichen Gottesdienst hatte. Weitere Präzisierungen würden ebenso spekulativ bleiben wie die Bestimmung einer Tauftradition.70 2.2 Die Doxologie (Apk 1,5b-6) Die beiden ersten Tatprädikative verbinden mit den Dativ-Partizipien die beiden Motive der Liebe und des stellvertretenden und von Sünden befreienden Todes Jesu. Diese Verbindung ist nicht überraschend, zieht sie sich doch durch die paulinischen Briefe71 und die johanneische Literatur72. Während die Liebe Gottes als Motiv des Todes Christi häufiger thematisiert wird,73 ist von der sich selbst stellvertretend in den Tod gebenden 68

Eindeutig liegt eine solche in Eph 5,25 und Tit 3,5f. Auch K ARRER, Brief, 112, wendet ein, dass das Motiv der Liebe Jesu nicht an sich einen bestimmten Sitz im Leben hat; vgl. z.B. Joh 13,1.34; 15,9.12, wo eindeutig kein Taufkontext gegeben ist. 70 Ebenso KARRER, Brief, 112, und OSBORNE, Rev, 62, Anm. 18. 71 Röm 5,8; 8,34f.; 2Kor 5,14f.; Gal 2,20; Eph 5,2.25. 72 Joh 3,16; 15,13; 1Joh 4,10; Apk 3,9. 73 Röm 5,8; Joh 3,16; 1Joh 4,10. Die Liebe Gottes zu einzelnen Menschen bzw. seinem Volk wird in ganz allgemeiner Weise in Röm 9,13; 2Kor 9,7; Eph 2,4; 1Thess 1,4; 2Thess 2,13.16; Hebr 12,6 ausgesagt und darüber hinaus in der nachneutestamentlichen Literatur in 1Clem 56,4; Barn 1,1; IgnTrall inscr; IgnRom inscr. Die Liebe Christi zu seinen Jüngern wird v.a. im Johannesevangelium in Joh 13,1.34; 14,21 und 15,9.12 erwähnt. 69

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Liebe Christi konkret in Röm 8,37; Gal 2,20; Eph 5,2.25 und evtl. Apk 3,9 die Rede.74 Nicht ganz eindeutig ist freilich, ob sich das Dativpartizip Präsens avgapw/nti überhaupt auf die im stellvertretenden Kreuzestod sichtbar werdende Liebe bezieht, oder nicht vielmehr auf die aktuelle Liebe Christi zu den adressierten Gemeinden der Apokalypse, in die sich der Autor einreiht. Gemessen an den drei anderen Belegen der Apokalypse, in denen Christus eine Gemeinde (Apk 3,9.19) bzw. die „geliebte Stadt“ (20,9) liebt, trifft die zweite Option zu.75 Die hier eröffnete Alternative ist jedoch nur eine Scheinalternative. Im ganzen Neuen Testament ist der Rückverweis auf die Selbsthingabe Jesu am Kreuz der „Erweis“ für die Liebe Christi/Gottes, die auch jetzt in der Gegenwart den Glaubenden unvermindert gilt.76 Es geht bei der Liebe Christi/Gottes nie nur um eine punktuelle Emotion, sondern um eine verlässliche und zugesprochene Haltung Gottes bzw. Christi, deren Erweis eben im Kreuzestod Christi erbracht wurde (vgl. Röm 5,8; 1Joh 4,10). Insofern kann die zweite Tatprädikation durchaus auch als eine Interpretation der ersten gelesen werden, insofern die Befreiung von den Sünden durch den Sühnetod (evn tw/| ai[mati auvtou/) am Kreuz als Ausdrucksform dieser Liebe Christi verstanden werden muss.77 Damit ist freilich nicht aus-, sondern eingeschlossen, dass das Partizip Präsens diese am

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Die freiwillige Selbsthingabe Christi wird ohne das Wortfeld „Liebe/lieben“ im Neuen Testament in Mk 10,45/Mt 20,28; Joh 10,11.15.17; Gal 1,4; Tit 2,14 und 1Tim 2,6 erwähnt. 75 In Apk 3,9 wird in einer Verheißung angekündigt, dass die Mitglieder der „Synagoge Satans“ einmal erkennen werden, dass Christus die Gemeinde in Philadelphia geliebt hat. Der Aorist erweist sich in einer auf die Zukunft gerichteten Zusage als eine Aussage, die heute für die Gemeinde gilt. Insofern gilt die Liebe Christi in Apk 3,9 der Gemeinde in einer gegenwärtigen Situation, die von Bedrängnis und Verfolgung geprägt ist. Wenn die Gegner in der Zukunft erkennen werden, dass Christus die Gemeinde in der Vergangenheit geliebt hat, dann soll dies der Gemeinde in der Gegenwart als Trost dienen. In Apk 3,19 nimmt die Liebe Christi für die Gemeinde in Laodizea die Gestalt der Ermahnung, Zurechtweisung und Züchtigung an und in Apk 20,9 wird die eschatologische Gemeinde in ihrem Kampf gegen Satan von Christus bzw. Gott geliebt. 76 So auch ROLOFF, Offb, 34. 77 Der Hinweis auf das Blut Jesu muss sühnetheologisch verstanden werden, weil der Blutverlust beim Kreuzestod eher eine untergeordnete Bedeutung hat, jedoch in den atl. Bestimmungen des Sühnekultes die zentrale Rolle einnimmt, vgl. Lev 16,14ff.; 17,11; Röm 3,25; 1Kor 11,25; sowie ROLOFF, Offb 77 und OSBORNE, Rev, 64. Ob daraus freilich bereits „a priestly function“ abgeleitet werden darf und Christus mit Hinweis auf die analoge Aussage des Hebräerbriefs als „priest and sacrifice“ in einem bezeichnet werden darf, wie B EALE, Rev, 191f., dies tut, ist dagegen sehr fraglich. Denn die Apokalypse vermeidet z.B. in Apk 1,13 den hier an sich nahe liegenden Priestertitel für Christus und tut dies durchgängig. Auch B EALES, ebd., 192, Verknüpfung von basilei,a in V. 6a mit dem Titelprädikat o`` a;rcwn tw/n basile,wn ist willkürlich.

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Kreuz offenbarte Liebe als eine in der bedrängenden Situation der Gemeinde aktuell nach wie vor gültige in Erinnerung rufen will.78 Die Einleitung der zweiten Tatprädikation mit dem Aoristpartizip lu,santi79 ist ein ntl. Hapaxlegomenon, obwohl der Sachverhalt an sich häufig mit dem Wortfeld des (Sklaven)Loskaufs bzw. der Erlösung ausgedrückt wird.80 Hier wird zum einzigen Mal das Verb lu,ein für den Sachverhalt der Befreiung von Sünde verwendet und bedeutet eigentlich so viel wie „retten“ bzw. „jemanden aus politischer Dominanz oder Gefangenschaft befreien“.81 Im Kontext dieser Tatprädikation ist natürlich die Befreiung/Lösung eines Menschen aus den Bindungen, der Dominanz bzw. der Gefangenschaft der Sünden gemeint, die in der Parallelstelle in 5,9 (vgl. auch Apk 7,14; 12,11) durch das Verb avgora,zein in den Kontext des Sklavenloskaufs gerückt wird. Ob dieser Zusammenhang auch hier vorliegt, ist nicht ganz eindeutig zu bestimmen. Anders als bei Paulus scheint hier nicht „die Sünde“, „der Teufel/Satan“ oder „der Tod“ im Sinne einer personalen Macht der Kontrahent zu sein, sondern „die Sünden“ im Sinne einer Vielzahl von einzelnen sündigen Taten bzw. Verhaltensweisen.82 Zurückhaltung legt auch das Verb lu,ein nahe, das im Neuen Testament nie für den Loskauf von Sklaven von ihren Herren oder Gefangenen von ihren Feinden verwendet wird. Umgekehrt legt aber zum einen das verwendete Bild vom Lösen von Fesseln durchaus diesen Vorstellungshorizont nahe.83 Zum Zweiten muss auch das Blut Christi (vgl. Apk 7,14; 12,11) hier als sühnendes Zahlungsmittel angesehen werden, wobei offen bleibt, wer der Empfänger dieses Preises ist. Zum Dritten spricht für diesen Hintergrund, dass das Loskaufmotiv im Neuen Testament häufig mit dem Sühnemotiv verknüpft ist, und dass auch das Motiv der Liebe Gottes schon in Jes 43,3f. mit dem Loskaufmotiv verbunden ist. Schließlich ist von 5,9 her klar, dass Gott der neue Eigentümer der Ausgelösten bzw. Befreiten ist (vgl. auch 14,4). Es ist vor allem die starke Parallelität zu Apk 5,9, die für 78

Vgl. auch HUBER, Jesus Christus, 445. Es gibt zu lu,santi die schlecht bezeugte Variante lou,santi, die eindeutig lectio facilior ist, die aber zeigt, dass die zweite Tatprädikation tatsächlich tauftheologisch verstanden werden konnte, vgl. 1Kor 6,11. Gewöhnlich wird der Aspekt der „Reinigung“ von Sünden im Neuen Testament aber nicht mit lou,ein, sondern mit kaqari,zein zum Ausdruck gebracht, vgl. Tit 2,14; Hebr 1,3; 9,14.22f.; 10,2; 1Joh 1,7. 80 Entsprechende Metaphern finden sich in 1Kor 6,20; 7,23; Gal 3,13; 4,5; vgl. auch 1Petr 1,18; 2Petr 2,1. 81 AUNE, Rev I, 47. 82 KARRER, Brief, 113: „Die von den Christen begangenen Sünden spielen in der Apk keinerlei Rolle mehr, sie konstituieren auch keine Machtsphäre, die auf die Christen neu Besitzansprüche erheben könnte. […] Der ihnen [sc. den Christen] geltende Heilsindikativ ist radikal formuliert: Sie sind aus den Sünden befreit ohne jegliche eigene Leistung, allein durch das Blut, den Tod Jesu Christi.“ 83 ROLOFF, Offb, 34; HOLTZ, Offb, 23. 79

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einen entsprechenden Motivhintergrund spricht, auch wenn eine letzte Sicherheit nicht mehr zu erreichen ist. Anders als die ersten beiden Tatprädikative, die gängige Themen der frühchristlichen Christologie und Soteriologie aufgreifen, nimmt die dritte Tatprädikation in Anknüpfung an Ex 19,6 ein Motiv auf, das sich – abgesehen von den Parallelstellen in Apk 5,10 und 20,6 – sonst nur noch in 1Petr 2,5.9 findet. Anders als in Ex 19,6 und 1Petr 2,9 ist hier jedoch nicht die Kopula das Verb des Satzes, sondern evpoi,hsen. Das ist deshalb überraschend, weil dieses Verb in keiner der bekannten Übersetzungen der Exodusformel Verwendung findet.84 Das Verb hat in 1,6 die Bedeutung von „einsetzen/investieren“. In dieser Bestimmung wird es bereits in Mk 1,17; 3,14–16 und Act 2,36 verwendet. In Mk 3,14–16 „macht“ Jesus „die Zwölf“, „damit sie bei ihm seien und damit er sie aussende, zu predigen und Vollmacht zu haben, die Dämonen auszutreiben“, d.h. Jesus setzt die Zwölf nicht nur in bestimmte Funktionen ein, sondern auch in eine bestimmte Lebensform, ohne dass hier bereits eine Amts- oder Funktionsbezeichnung genannt wird. In der berühmten Stelle Act 2,36 proklamiert Petrus in seiner Pfingstpredigt, dass Gott Jesus zum ku,rioj und cristo,j „gemacht“ habe.85 Poiei/n mit Prädikatsakkusativ bezeichnet hier die Einsetzung einer Person in eine bestimmte Position bzw. in eine Vorrang- oder Machtstellung.86 Die Formulierung „jemanden zum Priester machen“ findet sich zweimal in der LXX. In 1Kön 12,31 und 13,33 macht der Nordreichkönig Jerobeam ohne Rücksicht auf Her- bzw. Abkunft „allerlei Volk“ zu Priestern.

Angesichts des zwar seltenen aber doch stabilen Sprachgebrauchs in so unterschiedlichen Dokumenten wie der LXX, dem Markusevangelium und der Apostelgeschichte, und in so unterschiedlichen Kontexten, ist poiei/n auch in Apk 1,6 mit großer Wahrscheinlichkeit im Sinne von „einsetzen“, „ernennen“ oder „investieren“ zu übersetzen. Der Aorist deutet ferner an, dass es um einen Vorgang geht, der in der Vergangenheit lag und bereits abgeschlossen ist. 84 Das Verb ist in der LXX und im Neuen Testament häufig mit dem schöpferischen Handeln Gottes sowohl in der Schöpfung wie im Heilshandeln an seinem Volk verbunden, vgl. z.B. Gen 1,1; Eph 2,10. In der Apokalypse findet sich poiei/n im Kontext der Neuschöpfung Gottes, vgl. Apk 14,7; 21,5, und zweimal im Munde Christi, der Widersacher der Gemeinde in Philadelphia zur wahren Erkenntnis führt, Apk 3,9, und die Überwinder derselben Gemeinde zu „Pfeilern im Tempel Gottes“, Apk 3,12, macht. Bei aller Unterschiedlichkeit der Zusammenhänge geht es doch jedes Mal um ein eschatologisches Handeln Gottes. 85 Von einer adoptianischen Christologie, wie B ULTMANN, Theologie, 28f., sie hinter Act 2,36 vermutet, kann hier freilich keine Rede sein. Es geht hier nicht um den göttlichen Zuspruch einer messianischen Würde, die der jüdische Prophet und Rabbi Jesus vorher nicht besessen hätte, sondern um das Offenbarwerden eines bis dato noch verborgenen Tatbestandes, vgl. GÄCKLE, Argumente, 42–45. 86 HOFFMANN/S IEBENTHAL, Grammatik, 222f. sprechen von einem „Akkusativ des affizierten Objekts“. Dieser Sprachgebrauch hat zwar keine Parallelen im klassischen Griechisch, dafür aber in der LXX, vgl. 1Kön 12,31; 13,33; 2Chr 2,17.

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Die Geliebten und Erlösten aus den beiden ersten Tatprädikationen wurden zu basilei,an i``erei/j eingesetzt. Diese ungewöhnliche Nebeneinanderstellung eines singularen Abstraktums und eines pluralen Konkretums wurde im Verlauf der Untersuchung bereits in unterschiedlichster Hinsicht diskutiert. Deutlich ist, dass diese Wendung auf eine sehr alte hebräische Textform zurückgehen muss, die nur geringfügig vom MT abweicht. In ähnlicher Weise haben bereits Symmachus, Theodotion und die Syrohexapla (basilei,a i``erw/n: ein Königtum, Priester) und der äthiopische Text von Jub 16,18 (Königtum und Priester) die Exodusformel wiedergegeben. Auch die syrische Peshitta liest „ein Königtum und Priester“. Die jüdischen Targume87 und Midraschim88 verstehen das Syntagma ebenfalls mehrheitlich im Sinne zweier eigenständiger Substantive (→VII.4.1). Aufgrund dieser Ähnlichkeiten scheint Johannes ein frühjüdisches Verständnis der Exodusformel zu teilen, wonach dem Volk Israel bzw. nun der Gemeinde der Geliebten und Erlösten zwei unterschiedliche Privilegien in Aussicht gestellt werden, nämlich ein Königtum und der Priestertitel.89 Die Bedeutung dieser beiden Begriffe im Kontext des Präskripts und der Apokalypse als Ganzer soll in einem eigenen Abschnitt untersucht werden. Zuvor ist jedoch noch kurz auf den zweiten Hauptsatz der Doxologie in 1,6b einzugehen. Dieser hat als einzige ntl. Doxologie ausschließlich Christus zum Objekt, ist aber ansonsten ganz konventionell gestaltet und enthält alle typischen Merkmale einer Doxologie: Christus werden Herrlichkeit bzw. Ehre (h`` do,xa) und Macht bzw. Stärke (to. kra,toj) zugeschrieben und beide Attribute werden von dem Wunsch begleitet, dass sie Christus in Ewigkeit zukommen mögen. Das liturgisch-feierliche Amen beschließt die Doxologie.90 Diese ganz typische Form der Doxologie hat entsprechend viele Parallelen im Frühjudentum91 und in der frühchristlichen Literatur.92 2.3 Die Einsetzung zum Königtum und zu Priestern Die Bedeutung der Exodusformel mit dem Syntagma ~ynIh]Ko tk,l,m.m; wurde angesichts der zahlreichen Übersetzungsvarianten offensichtlich schon in der antiken Überlieferungsgeschichte als eine crux interpretum empfunden. Dies hat sich in der atl. Forschung bis heute nicht geändert und diese tief 87 TNeof Ex 19,6: „Könige und Priester“; TPsJ Ex 19,6: „gekrönte Könige, geheiligte Priester“; TO 19,6: „Könige, Priester, heiliges Volk“. 88 ShemR Ex 30,13; 51,4: „Königreich von Priestern“. 89 AUNE, Rev I, 48. 90 Vgl. Röm 1,25; 11,36; 15,33; Eph 3,21; Phil 4,20; Hebr 13,21. 91 1Chr 29,11LXX; 4Makk 18,24; 4Esra 7,16; TestHiob 53,10. 92 Röm 11,36; 16,27; Gal 1,5; 2Tim 4,18; 1Petr 1,3; 4,11; 2Petr 3,18; Hebr 13,21; 1Clem 20,12; 32,4; 38,4; 43,6; 45,7; 50,7; 58,2; 64,1; 65,2; 2Clem 20,5; TestAbr [Rec. A] 20,15; TestAbr [Rec. B] 14,9; vgl. v.a. 1Petr 4,11 und Apoc Sedr 16,10.

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empfundene exegetische Hilflosigkeit zieht sich auch durch die Exegese der Rezeptionen der Exodusformel in der Johannesapokalyse, wo die beiden Subtantive basilei,an i``erei/j in Apk 1,6 asyndetisch, unmoderiert und unkommentiert nebeneinander stehen. Entsprechend vielfältig sind die Interpretationsversuche der Kommentare. In den Kommentaren zu der Stelle ist eine allgemeine Hilf- und Ratlosigkeit nicht zu übersehen. Dies ist am eklatantesten bei D. Aunes dreibändigem WBC-Kommentar zu beobachten. Er widmet dem Syntagma auffallend wenig Beachtung, spricht lediglich von zwei Privilegien, welche der Gemeinde zugesprochen würden,93 ohne jedoch auszuführen, woran konkret zu denken ist. Während der Priestertitel nur eine negative Qualifikation erfährt (kein Opferdienst, keine Gemeinderepräsentation, kein Spezialistentum), wird der basilei,a -Begriff gar nicht interpretiert.94 Die profilierteste und pointierteste – aber wohl auch umstrittenste – Antwort gibt zweifellos G. Beale in seinem voluminösen NIGTC-Kommentar. Vor dem Hintergrund seiner präsentischen Deutung des Millenniums auf die Kirchengeschichte deutet er auch die basilei,a nicht nur als den Herrschaftsraum Christi, sondern auch als die Herrschaft der Christen, die er präsentisch nicht nur als Priester, sondern auch als Könige und Herrscher verstanden wissen will: „They not only have been made part of his kingdom and his subjects, but they have also been constituted kings together with him and share his priestly office by virtue of their identification with his death and resurrection.“95 Eine wesentliche Begründung für diese präsentische Deutung ist das von ihm konstatierte Entsprechungsverhältnis der Glaubenden zu Christus: „Believers spiritually fulfil the same offices in this age by following his model, especially by being faithful witnesses by mediating Christ’s priestly and royal authority to the world“.96 Somit sieht er die priesterliche Funktion v.a. im Zeugnis erfüllt. An eine aktive Herrschaft denkt auch U.B. Müller (ÖThK), der Apk 1,6a als eine Einsetzung in neue Würden und Funktionen versteht: „Durch die Taufe hat Christus sie ‚zur Herrschaft bestellt, zu Priestern für seinen Gott und Vater‘.“97 Anders als für Beale steht für ihn die Realisierung des eröffneten Heils angesichts des Widerstands dieser Welt noch aus, weshalb er auch die Futurform in 5,10 für gut begründet hält.98 Ferner bemerkt auch er, dass nirgendwo priesterliche Funktionen erwähnt werden, sondern die Israel zugesagte Priesterwürde nun in der christlichen Gemeinde verwirklicht wird.99

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AUNE, Rev I, 48. AUNE, Rev I, 47–49. Ähnlich verhält es sich im KEK-Kommentar von A. SATAKE. Er begnügt sich mit der Feststellung, a.a.O., 134: „Die Verheißung Gottes, die Israel im Anschluss an den Exodus gegeben wurde, hat sich jetzt durch Christus bei den Seinigen verwirklicht.“ Worin aber genau diese Verwirklichung besteht, darauf geht der Kommentator nicht ein. 95 BEALE, Rev, 192; vgl. auch 195. 96 BEALE, Rev, 193. 97 MÜLLER, Offb, 75f. 98 MÜLLER, 75; ebenso ZAHN, Offb, 174, der als Analogie auf Joh 18,36; Mt 5,2–5; 19,28; Lk 22,30f. verweist, wo Jesus den Jüngern Anteil an seiner zukünftigen Königsherrschaft verheißt. 99 MÜLLER, Offb, 76. 94

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Ähnlich versteht auch Holtz (NTD) die beiden Begriffe im Aktiv und übersetzt mit „Könige und Priester“.100 Jedoch will auch er die herrschaftliche Funktion eschatologisch verstehen.101 Einen anderen Weg geht dagegen Roloff (ZBK), der basilei,an nicht aktiv als (Königs)Herrschaft versteht, sondern räumlich als Herrschaftsbereich: „Die Christen sind – das soll hier gesagt werden – Gottes Herrschaftsbereich; da, wo sie sind, ist jetzt schon, inmitten der ihrem Ende zueilenden Welt, etwas von der endzeitlichen Neuschöpfung Gottes verwirklicht.“102

Auch E. Schüssler-Fiorenza kann diese Hilf- und Ratlosigkeit in ihrer Studie nicht überwinden, wohl aber erklären.103 Sie weist zum einen darauf hin, dass die drei i``erei/j-Belege der Apokalypse (1,6; 5,10 und 20,6) die einzigen Belege des Neuen Testaments überhaupt sind, in denen das Konkretum i``erei/j als Bezeichnung für Christen verwendet wird. In der einzigen Belegstellte außerhalb der Johannesapokalypse in 1Petr 2,5.9 wird bekanntlich der Kollektivbegriff i``era,teuma benutzt. Zum anderen wird der Begriff in keinem einzigen der drei Belege näher definiert, sondern scheint auf den ersten Blick wie ein Fremdkörper in einem ansonsten durchaus bekannten und verständlichen Kontext zu stehen. So sind innerhalb der Doxologie von 1,5b-6 die Theologumena der Liebe Christi bzw. im weiteren Horizont auch das der Liebe Gottes und der Befreiung bzw. (Er)Lösung von den Sünden durch das Blut Christi neutestamentliche und frühchristliche Allgemeinplätze. Aber die Identifikation der Geliebten und Erlösten mit den Prädikaten der Exodusformel ist nicht nur selten, sondern bleibt leider auch unerklärt. Aus diesem Grund bleibt dem Exegeten kein anderer Weg, als die wenigen Informationen, welche der Begriff bietet, mit anderen Beobachtungen inner- und außerhalb der Johannesapokalypse ins Gespräch zu bringen. Um einen besseren Überblick zu gewinnen, sollen die einzelnen Beobachtungen, Argumente und Gesichtspunkte der Reihe nach „von innen“ (d.h. ausgehend vom konkreten Beleg) „nach außen“ (im Blick auf die Gesamtwahrnehmung der Johannesapokalypse und des Neuen Testaments bis hin zur frühen Christenheit) aufgelistet werden: (1) Das Abstraktum basilei,a, das im hebräischen Text der Exodusformel entweder den Herrschaftsraum bzw. -bereich eines Königs oder die einem König zugeordnete (Volks)Gemeinschaft von Priestern im Blick hat (vgl. →II.4.2), bleibt im Kontext von Apk 1,6 unbestimmt und unerklärt. Wir wissen nicht, welche Bedeutung mit diesem Begriff in der liturgischen Tradition, aus der die Doxologie ursprünglich stammt, verbunden wurde. Es darf auch nicht einfach vorausgesetzt werden, dass der Seher die für den hebräischen Begriff oder die für die ihm vorliegende 100

HOLTZ, Offb, 23f. HOLTZ, Offb, 62 zu Apk 5,10. 102 ROLOFF, Offb, 34. 103 Zum Folgenden SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 227–234. 101

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Tradition wahrscheinlichste Deutung auch für seinen Text als gegeben ansieht. Das einzige, was sich aus der beigeordneten Stellung des singularen Abstraktums neben dem pluralen Konkretum i``erei/j entnehmen lässt, ist, dass der Autor offensichtlich bewusst nicht auf die in der Tradition auch belegte Übersetzung „Könige“ zurückgegriffen hat, die den abstrakten Begriff pluralisiert, konkretisiert und auf diese Weise an i``erei/j angleicht. Die Geliebten, Befreiten und Erlösten werden somit nicht alle als Einzelne zu Königen bestimmt, was im Übrigen auch nirgendwo sonst im Neuen Testament geschieht,104 sondern gemeinsam als eine Korporation begriffen, für die der Begriff basilei,a zutrifft. Eine Entscheidung muss also aus dem Kontext der Johannesapokalyse und möglicherweise des gesamten Neuen Testamentes gewonnen werden. (2) Anders als das Abstraktum basilei,a und der Kollektivbegriff i``era,teuma in 1Petr 2,5.9 signalisiert das plurale Konkretum i``erei/j in Apk 1,6, dass die Geliebten, Befreiten und Erlösten aus V. 5b nicht nur als Kollektiv bzw. als Gemeinde zu einer gemeinschaftlichen politischen Entität bzw. zu einer Priesterschaft „gemacht“ wurden, sondern dass sie vielmehr alle als Einzelne als Priester angesprochen werden dürfen.105 Damit ist freilich noch nichts über ihre Privilegien, Rechte, Pflichten oder Funktionen ausgesagt.106 Wie der Begriff in dieser Hinsicht zu verstehen ist, muss sich ebenfalls aus den weiteren Zusammenhängen ergeben. (3) Es deutet auch nichts darauf hin, dass möglicherweise nur eine bestimmte Gruppe innerhalb der Gemeinde, wie z.B. die Märtyrer, gemeint wäre. Insofern entspricht der Begriffsgebrauch der Vorlage der Exodusformel in Ex 19,6. Deshalb handelt es sich bei der Bezeichnung aller Christen als Priester zwangsläufig um eine Metaphorisierung des Priesterbegriffs, der in allen Kulturen der antiken, mediterranen Welt eine auserwählte Gruppe bezeichnete, die einen mittlerischen Dienst im Gegenüber zur gesamten Kultgemeinde einer bestimmten Religion ausübte. Wenn dieses Gegenüber bzw. diese Gruppenaufteilung nicht mehr gegeben 104 Wenn in der Apokalypse von Königen die Rede ist, dann geht es in der Regel um Feinde und Antagonisten Gottes und seines Reiches, vgl. Apk 6,15; 17,2; 18,3.9; 19,19; vgl. 16,14, sowie SATAKE, Offb, 131, mit Hinweis auf Ps 2,2 als traditionsgeschichtlichem Hintergrund. Nach B EALE, Rev, 191, sind dazu auch die satanischen Mächte hinter den Königen zu zählen. 105 KARRER, Brief, 114; HASITSCHKA, Priestermetaphorik, 181. 106 ROOSE, Mitherrschaft, 174.176, will den Priestertitel ohne weitere Begründung im ethischen Sinne verstehen und setzt ihn in eine Beziehung zu den in Apk 14,3f. erwähnten 144.000, die „sich mit Frauen nicht befleckt haben“, sondern „jungfräulich“ geblieben sind. Es bleibt unklar, wie ROOSE die Verbindung zu 1,6 herstellt und im Blick auf 14,4 von einem „priesterlich inspirierten Ideal“ sprechen kann, da „Jungfräulichkeit“ nirgendwo in der atl.-jüdischen Tradition eine Zugangsvoraussetzung für das Priesteramt war. Auch im paganen Raum ist die Forderung nach sexueller Enthaltsamkeit von Priestern sehr selten belegt.

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ist, gerät auch der Begriff in eine Definitionskrise und mutiert zur Metapher. (4) Durch den an die i``erei/j angehängten dativus commodi tw/| qew/| werden die Priester im Unterschied zur basilei,a ein wenig näher bestimmt. Ob damit dem zweiten Begriff der Exodusformel im Kontext dieser Doxologie mehr Gewicht zukommen soll, muss offen bleiben, denn diese Näherbestimmung des Priestertitels sagt auch nichts über etwaige Funktionen, Pflichten oder Privilegien aus,107 sondern betont die Ausrichtung der priesterlichen Existenz auf Gott hin. (5) Im Kontext der Doxologie in Apk 1,5b-6 haben die Geliebten und von Sünden Erlösten in den ersten beiden Tatprädikationen eine ausschließlich passive Rolle inne, was insofern bemerkenswert ist, als in 7,14 und 12,11, wo ebenfalls vom sühnenden „Blut des Lammes“ die Rede ist, die Rolle der Glaubenden bzw. Überwindenden im soteriologischen Geschehen eine deutlich aktivere ist. Überhaupt spielt die Gemeinde im gesamten Präskript keine aktive Rolle. Die Handelnden sind ausschließlich Gott und Christus. Nun ist zuzugeben, dass die Kategorie der Aktivität bzw. Passivität in diesem Kontext keine dominierende Rolle spielen muss, aber für die Interpretation des Priesterbegriffs liegt unter dieser Perspektive eine Deutung als Verhältnisbegriff näher als eine funktionale Bestimmung. (6) Auch im Kontext des Präskripts ist das Thema der Herrschaft, das schon in der Doxologie bereits durch die Form und die gattungsgemäßen Hoheits- und Herrschaftsattribute do,xa und kra,toj angezeigt ist, dominierend. Mit der Erwähnung des für die Johannesapokalypse prägenden Begriffs des Gottesthrons in V. 4b und der Titulierung Christi als a;rcwn tw/n basile,wn th/j gh/j in V. 5a, sowie der Selbstprädikation Gottes in V. 8, der vom Verfasser erstens als ku,rioj, zweitens als to. a;lfa kai. to. w=, drittens als o`` w;n kai. o`` h=n kai. o`` evrxomenoj und viertens als o`` pantokra,twr präsentiert wird, ist das die gesamte Johannesapokalypse bestimmende Thema der Herrschaft vorgegeben. Weitergehende Schlussfolgerungen können und sollen erst nach der Analyse von Apk 5,10 gezogen werden.

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Von den neueren Kommentatoren spricht lediglich B EALE, Rev, 193f., noch von „functions“, freilich ohne diese näher zu bestimmen. Eine Parallele zu 1Petr 2,5.9 ist im Blick auf die Darbringung Gott wohlgefälliger Opfer bzw. die Verkündigung der Wohltaten Gottes gerade nicht gegeben.

3 Apk 5,9–10

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3 Apk 5,9–10 3 Apk 5,9–10

Die Kapitel 4 und 5 stehen ebenfalls im Horizont des Herrschaftsantritts Gottes bzw. Christi. Dies ist durch die himmlische Thronvision in Kapitel 4 bereits überdeutlich. Mit dem Stichwort des qro,noj ist der Herrschaftsort Gottes zunächst im Himmel lokalisiert. Hier ist seine Herrschaft bereits voll anerkannt und von hier aus nimmt der Prozess der Herrschaftsübernahme Gottes bzw. Christi auf Erden seinen Ausgangspunkt: „[W]hat is true in heaven must become true on earth.“108 Das fünfte Kapitel der Johannesapokalypse wird dominiert von der „Investitur des Lammes“.109 Ausgangspunkt der Szene ist die Beschreibung eines siebenfach versiegelten Buches in der Hand dessen, der auf dem Thron sitzt, d.h. in der Hand Gottes. Es entsteht eine Verlegenheit, weil niemand als würdig befunden wird, dieses versiegelte Buch zu öffnen, bis schließlich in Apk 5,5 einer der um den Thron Gottes stehenden Ältesten auf den „Löwen aus dem Stamm Juda“ verweist, der appositionell als „Wurzel Davids“ bezeichnet und damit in Anlehnung an Gen 49,9f. und Jes 11,10 als Messias identifiziert wird. In einer neuen Szene tritt in V. 6 unmittelbar auf diese Aussage hin ein „Lamm, wie geschlachtet“ vor den Thron Gottes und unter die vier Gestalten und die Ältesten. Die Identität dieses Lammes mit dem in V. 5 beschriebenen Löwen wird lediglich aus dem Umstand ersichtlich, dass dieses Lamm die Buchrolle aus der Hand dessen nimmt, der auf dem Thron sitzt, woraufhin die vier Gestalten und die 24 Ältesten niederfallen und ein „neues Lied“ anstimmen (V. 8–9a), in dem sie eben dieses Lamm als würdig preisen, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen (V. 9b), und 108 STEPHENS, Annihilation, 189; vgl. auch a.a.O., 184f.: „[T]he entire section [sc. Apk 4f.] has an orienting function, in that it ‚recentresʻ the audience upon the throne of God … The sensibility that God was somehow absent in contemporary experience is here countered by John’s singling out of the divine throne, a strategy which creates ‚presenceʻ in the audience’s consciousness by evoking a transcendent reality that is normally distant from common perception.“ 109 Es gibt eine exegetische Diskussion, ob es sich bei dem hier beschriebenen Vorgang um eine „Inthronisation“ handelt. AUNE, Rev I, 336, widerspricht zu Recht dieser Einordnung, weil es im Text keinerlei Hinweise auf eine Thronbesteigung oder einen ähnlichen Vorgang gibt. Vielmehr wird das Lamm „lediglich“ für würdig befunden, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, nämlich die Öffnung der geheimnisvollen Buchrolle. AUNE, Rev I, 332, sieht in Apk 5 deshalb weniger einen Thronbesteigungsritus als eine „literary adaptation“ von Dan 7 und Ez 1–2. Analogien bestehen weiter zu 1Kön 22,1–38 und Jes 6, weil dort ähnliche Motive vorliegen: Auf eine einleitende Frage an eine Versammlung, Apk 5,2; vgl. 1Kön 22,7.20; Jes 6,8a, tritt zunächst eine verlegene Ratlosigkeit ein, Apk 5,3–4, bis dann eine würdige Person gefunden wird, die den Auftrag ausführen kann, was gleichzeitig die Beantwortung der Frage darstellt, Apk 5,5ff.; vgl. 1Kön 22,8.21; Jes 6,8b.

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diese Würde in dreifacher Weise begründen (V. 9c-10). Es folgt anschließend noch eine himmlische Akklamation des Lammes (V. 11f.) und abschließend eine Doxologie, die an Gott und das Lamm adressiert ist (V. 13f.).110 In der Akklamation und Doxologie wird die Herrschaftsthematik durch die Begriffe du,namij und ivscu,j in V. 12, kra,toj in V. 13, sowie timh, und do,xa in V. 12 und 13 wieder aufgenommen und mit dem qro,noj (V. 11.13) in Beziehung gesetzt. 3.1 Das neue Lied (Apk 5,9–10) Die Kategorie des „neuen Liedes“ in der Johannesapokalypse (vgl. Apk 14,3) nimmt die Sprache der Psalmen auf, wo das „neue Lied“ stets eine neue Komposition für besondere Anlässe bezeichnet und inhaltlich von den rettenden Taten Gottes berichtet.111 Das Judentum bezeichnet mit einem „neuen Lied“ den Lobpreis, mit dem das endzeitliche Gottesvolk die Vollendung besingt.112 „Neu“ meint hier keine relationale Bestimmung im Unterschied zu älteren Liedern, sondern ruft das qualitativ völlig Neue der neuen eschatologischen Wirklichkeit in Erinnerung.113 Formal reiht sich das neue Lied aufgrund des adjektivischen Einsatzes mit a;xioj in eine Linie von drei „Würdig“-Liedern in der Johannesapokalypse ein (Apk 4,11; 5,9.12), die sich alle in Apk 4f. finden. Gleichzeitig lehnt sich der Hymnus formal und inhaltlich stark an die Doxologie in 1,5b-6 an, nimmt in der zweiten und dritten Begründung eine Reihe der dort gänzlich aus der Tradition rezipierten Motive auf, bearbeitet sie jedoch sehr eigenständig und selbstbewusst.114 Inhaltlich begründet es im Stile eines Lobpreises die Würdigkeit des Lammes zum Öffnen des versiegelten Buches durch die Angabe von drei Gründen, die für unsere Fragestellung nach der Bedeutung des Priesterbegriffs in der Johannesapokalyse entscheidend sind.

110 Für das Verständnis des Lammes ist es in diesem Zusammenhang wichtig, dass der Titel sich in der Apokalypse in allen 28 Belegen stets auf den erhöhten, himmlisch handelnden Christus bezieht, niemals auf den irdischen. Das Lamm hat eine herrschende Rolle, ist mit unbegrenzten Machtprivilegien ausgestattet, trägt aber bleibend die tödliche Wunde. Diese wird zu einem Wesenszug dieses Lammes, das sich immer als „geschlachtet“ präsentiert, Apk 5,6.9.12. Wir haben hier gewissermaßen eine Parallele zur paulinischen theologia crucis in 1Kor 1,23; 2,2 vor uns. 111 Ps 33,3; 40,4; 96,1; 98,1; 144,9; 149,1; Jes 42,10. 112 Vgl. TJes 26,1; TCant 1,1; ShemR 23; MShir 1,5; MTeh Ps 98; aber auch PRIGENT, Apoc, 255–257, der das „neue Lied“ als eine Parallele zur „Geulla“ betrachtet, einer liturgischen Benediktion, in der das Frühjudentum im Kontext des Passafestes die Erlösungstat Gottes gepriesen hat. 113 HOLTZ, Offb, 62. 114 Vgl. dazu SATAKE, Offb, 212.

3 Apk 5,9–10

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Die erste Begründung erfolgt schlicht und ergreifend mit dem Verb evsfa,ghj. Sfa,zein beschreibt den Vorgang des Schlachtens bzw. Tötens in der Regel von Tieren. Nur in der Apokalypse wird das Verb zu einer Metapher für den Kreuzestod Jesu.115 Die Wahl des Verbs begründet sich aus dem Kontext bzw. aus dem Bezug auf das Lamm, das damit eindeutig als Opferlamm116 identifiziert und dessen Tod ebenso eindeutig als sühnender Tod deklariert wird. Der dem Lamm widerfahrene gewaltsame Tod wird in der Johannesapokalypse zum Wesensmerkmal und Erkennungszeichen des Lammes. Die Würde und die Investitur des Lammes gründen damit – um eine gelungene Formulierung von D. Aune zu zitieren – in „the irony of kingship through crucifixion“.117 Die zweite Begründung erinnert stark an die zweite Tatprädikation der Doxologie in Apk 1,5b. Auch hier wird mit dem Verb avgora,zein eine soteriologische Metapher aufgenommen,118 die das Thema Befreiung zum Gegenstand hat, hier nun konkret die Befreiung aus der Sklaverei119 durch den

115 Apk 5,6.9.12; 13,8. In den analogen Stellen in den Evangelien und bei Paulus findet sich in der Regel das Verb qu,ein, vgl. Mk 14,12; Lk 22,7; 1Kor 5,7. 116 HOFIUS, VArni,on, 279–281; KNÖPPLER, Sühne, 256.260. Die Frage nach der konkreten Bestimmung des Opferlammes ist komplex. Naheliegend ist zunächst der Gedanke an das Passalamm, vgl. 1Kor 5,7; 1Petr 1,18f.; Joh 19,36f; sowie HOLTZ, Christologie, 44–47.52.80; U.B. MÜLLER, Offb, 161f.; ROLOFF, Offb, 75f.158; FREY, Erwägungen, 388.346, Anm. 117; HOFIUS, ebd.; KNÖPPLER, Sühne, 260; PRIGENT, Apoc, 256f. und jüngst GIESEN, Christustitel. Das tertium comparationis wäre dann der Zusammenhang von Schlachtung des Lammes und Loskauf bzw. Befreiung durch das Blut. So wie beim ersten Passa durch die Schlachtung der Lämmer und die Blutapplikation am Türpfosten Israels Erstgeburt Verschonung erfuhr, so ereignet sich nun auch durch den Tod und das Blut des eschatologischen Lammes Vergebung, Verschonung und Heil, und so, wie das erste Passa den Anstoß zur Bildung eines Gottesvolkes gab, so ist der gewaltsame Tod dieses Lammes und die soteriologische Wirkung dieses Todes die Grundlage für die Bildung eines Königtums, das aus Priestern besteht. Allerdings ist die Identifikation mit dem Passalamm schon in Joh 1,29.36 nicht eindeutig; vgl. STUHLMACHER, Lamm, 529–535, und KNÖPPLER, Sühne, 257–260. Möglich wären neben dem Passalamm dort und hier auch Bezüge zum Tamidopfer, so STUHLMACHER , Lamm, 529–535.537f., und zu dem mit einem Lamm verglichenen Gottesknecht in Jes 53,7.10, so z.B. bereits CHARLES, Rev I, CXIIIf.140f.; LOHMEYER, Offb, 54f.57, ebenso KRAFT, Offb, 107–110.112; MOUNCE, Rev, 135, Anm. 31, und OSBORNE, Rev, 260. Die Frage ist darüber hinaus, ob überhaupt eine exklusive Identifikation mit einer bestimmten Opfergattung im Blick ist, oder die Bezeichnung Jesu als „Lamm“ nicht auf die Totalität der jüdischen Opfer zielt, die in Jesus Christus ein für allemal ihre Erfüllung und ihr Ziel finden, vgl. SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 281f. 117 AUNE, Following the Lamb, 278. 118 Vgl. auch Apk 14,3. 119 GIESEN, Offb, 170, denkt dagegen eher an die Befreiung aus der Kriegsgefangenschaft, die sog. redemptio ab hostibus. Die Unterschiede sind nicht groß, da Kriegsgefangene den Status von Sklaven hatten.

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sog. Sklavenloskauf.120 Schon Paulus verwendete diese Metapher, um die soteriologische Wirkung des Kreuzestodes zu illustrieren.121 Das Blut Jesu ist auch hier weniger eine Chiffre für den an sich relativ „blutfreien“ Kreuzestod als vielmehr für die sühnetheologische Bedeutung dieses Todes als ein stellvertretender Opfertod.122 Es fungiert auch hier als Zahlungsmittel, mit dem die Versklavten durch Christus „für Gott“ (tw/| qew/|) freigekauft werden. Das Bild erreicht eine Grenze, sobald es um die Frage nach dem Empfänger des Geldes geht, der aus guten Gründen nie genannt wird, denn ein antigöttlicher Gegenspieler wie z.B. Satan oder eine personifizierte Größe wie die Sünde oder der Tod scheiden aus. Was für ein Anrecht hätten diese Instanzen auf einen derartigen Freikaufbetrag? Bringt man allerdings die Opferlammterminologie der ersten Begründung (evsfa,ghj) mit in Anschlag, dann wäre es letztlich Gott selbst, dem hier das Blut Jesu als Entgeld dargebracht wird.123 Die Verknüpfung des Loskauf- mit dem Sühnemotiv geht sowohl auf Jerusalemer wie paulinische Traditionen zurück.124 Die Herkunft und damit die Identität der Freigekauften wird in der folgenden viergliedrigen Aufzählung ethnischer Einheiten präzisiert. Mit der Liste, gemäß der die Freigekauften aus allen „Stämmen, Sprachen, Völkern und Nationen“ kommen, wird die Universalität und Totalität der Befreiung und Errettung betont.125 Die Gemeinde wird als eine transnationale und 120

Das Motiv hat in seiner ntl. Verwendung bereits einen Transformationsprozess hinter sich, insofern es immer im Licht der Erfahrung Israels beim „Loskauf“ aus der ägyptischen Sklaverei, vgl. z.B. Dtn 9,26; 15,15; 21,8, 24,18; 2Sam 7,23, und der babylonischen Gefangenschaft, vgl. Jes 43,1–4; 44,21–24; 52,3f.; 62,10–12, gehört wird. Jahwe hat Israel freigekauft und damit ein neues Besitzverhältnis konstituiert, indem Israel nun zu seinem Eigentumsvolk geworden ist, vgl. Ex 19,4–5; Dtn 7,6–8; Ps 135,4. Natürlich ist die neue Existenz im Verhältnis zu Jahwe eine Knechtsexistenz, da der Freigekaufte nun in einem Dienstverhältnis zu Jahwe steht. Allerdings wird diese Rolle nicht als Sklaverei, sondern als Freiheit beschrieben, denn es ist aus atl. und ntl. Sicht ein Ausdruck des Menschseins, Jahwe als dem einzigen und wahren Gott zu dienen, vgl. 1Kor 7,22f.; Gal 5,1.13; Röm 6,18.22, sowie HAUBECK, Loskauf, 295f.: „Das atl. Motiv ist durchgängig davon bestimmt, daß der Loskauf einen Eigentumswechsel bewirkt, und zwar ein heilvolleres Besitzverhältnis …, [wodurch] … ein ursprünglich heilvoller Zustand wiederhergestellt wird.“ Das Loskaufmotiv war also bereits vor seiner Applikation auf das Kreuzesgeschehen theologisch konnotiert und erwies sich daher als höchst geeignet, um das ntl. Heilsgeschehen zu beschreiben. 121 1Kor 6,20; 7,23; Gal 3,13; 4,5; vgl. auch 1Petr 2,1. 122 Vgl. hierzu die ausführliche Untersuchung von KNÖPPLER, Blut des Lammes. 123 Vgl. hierzu auch Ps 49,8 mit Mk 10,45, sowie Eph 5,2, wo jeweils Gott selbst der Empfänger der Sühnegabe bzw. des Opfers ist. 124 Röm 3,24f.; 1Kor 1,30; Gal 3,13; Eph 1,7; Kol 1,14; 1Tim 2,5f.; Tit 2,14. 125 HASITSCHKA, Priestermetaphorik, 183. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 361, macht auf die Parallelität zu Dan 3,4LXX; 5,19; 6,25 (LXX 6,26); 7,14; 7,29 (LXX 3,96) aufmerksam; vgl. ferner Gen 10,5.20.31; TEsth I 1,1; TJoel 2,25 und 4Esr 3,7.

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transethnische Gemeinschaft konstituiert, die sich nicht mehr ohne Weiteres in das Ordnungsgefüge religiöser oder politischer Kategorien der antiken Welt einbinden ließ.126 Dies war ein Akzent, der zweifellos mit zur sowohl religiösen wie politischen Stigmatisierung und Ausgrenzung der christlichen Gemeinden am Ende des 1. Jh. n.Chr. beitrug. Gleichzeitig soll diese Herkunftsliste aber auch die Heidenchristlichkeit dieser Gemeinde unterstreichen, ohne dass damit eine etwaige Enterbung Israels impliziert wäre. Vielmehr ist für die Johannesapokalypse Israel immer der Kern eines durch die Erwählung der Heiden erweiterten Gottesvolkes und -reiches.127 Die viergliedrige Liste ist in der Apokalypse ein siebenfach wiederkehrendes Motiv, wobei die Reihenfolge der Einheiten, sowie vereinzelt auch die ethnischen Termini selbst variieren.128 Die Viergliedrigkeit und siebenfache Wiederholung stellen in der von Zahlensymbolik geprägten Komposition der Johannesapokalypse keinen Zufall dar. Während „vier“ die Zahl der Welt ist, ist „sieben“ bekanntermaßen die Zahl der (göttlichen) Vollständigkeit bzw. Vollendung. Somit darf die siebenfache Wiederholung dieser viergliedrigen Liste mit R. Bauckham als eine „emphatic indication of universalism“ gedeutet werden.129 Für Bauckham kommt an der kompositionellen Funktion dieser Formel die universale Heilsperspektive des Sehers zum Ausdruck, der hinter der Erlösung und Erwählung der Gemeinde den göttlichen Heilswillen erblickt, durch die Sammlung der Gemeinde aus allen Stämmen, Zungen, Völkern und Nationen und durch ihre Sendung zu und Zeugenschaft der Gemeinde gegenüber allen Stämmen, Zungen, Völkern und Nationen diese zur Umkehr zu führen.130 Die dritte Begründung für die Würdigkeit des Lammes bedeutet wie bereits in der Doxologie von 1,5b-6 eine motivische Überraschung, wird doch nach den bekannten christologisch-soteriologisch bestimmten Moti126

Ein Reflex dieses Phänomens ist die Bezeichnung tertium genus, die ab dem 2. Jh. für die Gemeinde belegt ist, vgl. Orig Cels 8,2; Just Dial 119; Diogn 5f.; Tert Nat 1,8; vgl. 1Kor 10,32. 127 Vgl dazu SATAKE, Offb, 107: „In ihrer irdischen Realität ist die Kirche also ein Verband von Menschen aus verschiedenen Völkern, darunter auch das jüdische, aber in ihrem Wesen ist sie nichts anderes als das wahre Israel.“ 128 Vgl. Apk 7,9: Nationen, Stämme, Völker, Zungen; Apk 10,11: Völker, Nationen, Zungen, Könige; Apk 11,9: Völker, Stämme, Zungen, Nationen; Apk 13,7: Stamm, Volk, Sprache, Nation; Apk 14,6: Nation, Stamm, Zunge, Volk; Apk 17,15: Völker, Mengen, Nationen, Zungen, sowie ausführlich B AUCKHAM, Climax, 326–337. 129 B AUCKHAM, Climax, 326.336. 130 B AUCKHAM, Climax, 336f.: „Thus the fourfold phrase […] is tied into a pattern of numerical symbolism which encapsulates what we have seen to be John’s central prophetic conviction about the coming of God’s kingdom on earth: that the sacrificial death of the Lamb and the prophetic witness of his followers are God’s strategy for winning all the nations of the world from the dominion of the beast to his own kingdom.“

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ven des geschlachteten Lammes und des (Sklaven)Loskaufes wieder die seltene Exodusformel als Umschreibung für die Berufung der Gemeinde benützt. Diese dritte Begründung nimmt nun zwar in der 2. Person Singular, aber doch weitgehend wörtlich die dem Autor aus der liturgischen Tradition überlieferte dritte Tatprädikation aus Apk 1,6a auf.131 Durch die Einfügung des kai, zwischen den beiden Begriffen basilei,an und i``erei/j bestimmt der Autor diese grammatisch eindeutig als zwei unterschiedliche und getrennt wahrzunehmende Privilegien und klärt damit retrospektiv auch sein Verständnis der ihm überlieferten Doxologie in Apk 1,6a.132 Obwohl die Konjunktion kai, hier im Unterschied zu 1,6 in allen Handschriften völlig unstrittig ist, motivierte die unschöne Zusammenstellung eines singularen Abstraktums mit einem pluralen Konkretum einige Abschreiber zu korrigierenden Eingriffen. So ersetzt der Mehrheitstext das Abstraktum basilei,an durch den an i``erei/j angeglichenen Plural basilei/j. Allerdings ist das Abstraktum nicht nur lectio difficilior, sondern auch sehr gut bezeugt durch A, a, eine Reihe kleiner Minuskeln, den Codex Gigas, Cyprian und Hippolyt. Das Phänomen, dass in 5,10 im Ursprungstext im Unterschied zu 1,6 basilei,a n kai. i``erei/j durch eine den Text stilistisch glättende Konjunktion verbunden sind, erklärt Schüssler-Fiorenza traditionsgeschichtlich.133 Demnach hat der Verfasser die Doxologie in Apk 1,6 bereits in den ihm vorliegenden Traditionen so geformt vorgefunden, sie in sein Präskript unverändert übernommen, aber in 5,10 die stilistische Unebenheit der asyndetischen Wortstellung durch die Einfügung einer Konjunktion aufgelöst. Für dieses Vorgehen spricht vor allem die Unwahrscheinlichkeit des Gegenteils: Die Verkomplizierung des Satzgefüges in 1,6 durch die Streichung der von 5,10 her vorgegebenen Konjunktion würde keinen Sinn machen. Stellt 5,10 eine auf den Verfasser zurückgehende Überarbeitung des vorgegebenen Textes aus 1,6 dar, dann haben wir es in gewisser Weise mit einer kommentierenden Präzisierung des Theologumenons aus 1,6 zu tun.

Zusätzlich nimmt der Verfasser auch eine Neubetonung zwischen den beiden Substantiven der Exodusformel vor: War das Dativobjekt tw/| qew/| in Apk 1,6a noch den i``erei/j nachgestellt und fungierte somit als nähere Bestimmung des Priesterbegriffs, so dient es nun durch die Voranstellung eher als nähere Bestimmung der basilei,an. Unklar bleibt zunächst noch, wie sich das finite Verb basileu,sousin und die damit ausgesagte Funktionsbeschreibung zu den beiden Begriffen der Exodusformel verhält (→VIII.3.2→VIII.3.3). Im Vergleich mit den Tatprädikationen Christi in der Doxologie in Apk 1,5b-6 werden in 5,9f. sowohl zahlreiche Analogien als auch Unterschiede deutlich. Während sich die zweite und dritte Begründung für die Würdigkeit des Lammes eng an die zweite und dritte Tatprädikation in 1,5b-6a anlehnen und teilweise sogar mit den identischen Begriffen arbeiten, ist die 131

Vgl. die identischen Satzteile: evn tw/| ai[mati auvtou// sou; evpoi,hsen/evpoi,hsaj; tw/| qew/|; basilei,a n [kai.] i``erei/j. 132 AUNE, Rev I, 362; B EALE, Rev, 194. 133 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 73.

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erste Begründung nicht von der „Liebe Christi“, sondern vom gewaltsamen Opfertod des Lammes her bestimmt. Rein formal handelt es sich in 5,9f. nicht um eine Doxologie in der 3. Person über Jesus Christus, sondern um einen Hymnus in der 2. Person an das Lamm, der allerdings, wie auch die Doxologie in 1,5f., in dreifacher Weise das Heilshandeln Christi beschreibt. Es ist deshalb mehr als deutlich, dass Johannes die ihm aus der Tradition überlieferte Doxologie, die er in Apk 1,5f. in sein Präskript übernommen hat, in diesem neuen Lied aufnimmt und interpretiert. 3.2 Königtum und Priester (Apk 5,10) Bei aller Ähnlichkeit zur Erstrezeption der Exodusformel im Rahmen der Doxologie in 1,5f. werden in diesem „neuen Lied“ doch noch einmal einige neue Akzente gesetzt. Den Priestern wird für die eschatologische Zukunft eine herrschende Funktion für die gesamte Erde zugesprochen. Ihre Herrschaft wird bei genauer Betrachtung eine Beteiligung an der Herrschaft Gottes bzw. Christi im Rahmen eines eschatologischen Reiches sein. Beim Verb basileu,(s)ousin ist textkritisch unklar, ob es präsentisch oder futurisch134 interpretiert werden muss. Während das Verb in der äthiopischen Version und im Scholienkommentar des Origenes völlig fehlt und seine Futurform im a, in der Mehrzahl der An-Minuskeln, einigen Koine-Minuskeln, Cyprian, Hippolyt und dem Codex Gigas belegt ist, wird die Präsensform vom Alexandrinus (A) und den meisten KoineHandschriften bezeugt. Rein textkritisch lässt sich keine eindeutige Entscheidung treffen. Entsprechend geteilt sind die Urteile der Kommentatoren und Textausgaben. Aufgrund der Futurform des Verbs in Apk 20,6 und 22,5 ist die Präsensform zwar lectio difficilior und wird noch dazu vom für die Johannesapokalypse wichtigsten Textzeugen A vertreten,135 doch entscheiden sich sowohl NA27 und NA28 als auch UBS3 für die Futurform.136 Selbst wenn die Präsensform ursprünglich wäre, müsste sie als futurisches Präsens übersetzt werden, da (1) Apk 5,10 Teil eines Hymnus ist und es sich bei dem Verb analog zu 12,11 um eine „präsentisch-eschatologische, hymnische Spitzenaussage angesichts der Heilsbedeutung des Todes Jesu“ handelt.137 (2) die Behauptung einer präsentischen Herrschaft von Christen singulär wäre138 und (3) auch der Textzusammenhang der Johannesapokalypse eher das Futur nahelegt.139

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GIESEN, Offb, 170. KARRER, Text, 69.78. 136 Ebenso GIESEN, Offb, 170f., und MÜLLER, Offb, 76.158. Dagegen entscheidet sich LOHMEYER, Offb, 57, textkritisch für die Präsensvariante und geht bereits von einer präsentischen Herrschaft aus: „Die Gläubigen haben und sind schon jetzt alles, die Endzeit kann ihrem gegenwärtigen Besitz nichts hinzufügen, das Ergänzung eines in der Gegenwart noch vorhandenen Mangels wäre.“ 137 ROOSE, Teilhabe, 169. 138 Vgl. nur die polemische, auf die Überheblichkeit der Korinther zielende Reaktion von Paulus in 1Kor 4,8. 135

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Ferner ist bemerkenswert, dass das Verb basileu,ein in diesem Zusammenhang in Apk 5,10; 20,6 und 22,5 immer absolut gebraucht wird. Nie wird erwähnt, wer die Beherrschten bzw. Unterworfenen wären. Während in 5,10 immerhin noch der Ort der Herrschaft (evpi. th/j gh/j) angegeben ist, fehlt in 20,6 sogar diese Angabe. Das alles spricht dafür, dass es bei diesem Verb weniger um einen konkreten Regierungsakt als vielmehr um ein allgemeines Verhalten geht, nämlich um ein königliches bzw. dem Königreich angemessenes Verhalten.140 Wie schon in der Doxologie in Apk 1,5f. wird den mit dem Priestertitel bezeichneten Glaubenden auch im „neuen Lied“ in 5,9f. keine kultische Funktion zugewiesen. Wenn überhaupt, so haben ausschließlich die vier lebendigen Wesen und die 24 Ältesten eine „mittlerische“ Rolle, insofern sie direkt um den Thron Gottes stehen und den Dienst des Gotteslobes übernehmen. Von den i``erei/j in V. 10 wird solches Handeln gerade nicht ausgesagt, sondern im Gegenteil ein völlig unkultisches.141 Ihre priesterliche Identität steht ganz und gar im Dienst ihrer gegenwärtigen Rolle als Christi Herrschaftsraum und Machtbereich, sowie ihrer zukünftigen Rolle als seine Mitregenten. Die Entfaltung der herrschenden Rolle der Priester geht damit parallel zur narrativen Bewegung der Johannesapokalypse als eine „coherent progression towards the manifestation of God’s worldrule“.142 3.3 Zwischenergebnis Bevor wir uns dem dritten und letzten Beleg der Priestermetapher zuwenden, soll an dieser Stelle zum einen eine Zwischenbilanz gezogen und zum anderen das Verhältnis von Priester- und Herrschaftsfunktion analysiert werden.

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Zwar bezeugt auch in Apk 20,6 die für die Johannesapokalypse wichtigste Handschrift des Alexandrinus wie schon in 5,10 die Präsensform, aber der Kontext ist dort eindeutig futurisch. Entweder ist damit das Präsens in A als Hebraismus zu lesen, oder es handelt sich um eine theologische Korrektur, da man seit Tyconius und Augustinus das Millenium in Apk 20,4–6 nicht mehr futurisch interpretierte, sondern mit der Zeit der Kirche identifizierte; vgl. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 76; MOUNCE, Rev, 136, Anm. 36; ROOSE, Mitherrschaft, 173f., Anm. 301; OSBORNE, Rev, 268. 140 HASITSCHKA, Priestermetaphorik, 184. Zu diesem Hinweis passt die Beobachtung von SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 286f., dass die Tätigkeit des basileu,ein in der Apokalypse niemals antigöttliche Mächte oder Könige zum Subjekt hat, sondern in allen sieben Belegen es Gott, Christus oder Christen sind, die herrschen, vgl. Apk 5,10; 11,15.17; 19,6; 20,4.6; 22,5. 141 Dagegen plädiert OSBORNE, Rev, 261, auch hier wie schon in Apk 1,6 für ein implizites, mediatorisch zu interpretierendes Missionsmotiv. 142 GIBLIN, Correlations, 487.

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(1) Ein grundlegendes Problem in den beiden bisher behandelten Belegen ist das Verständnis von basilei,a (Apk 1,6 und 5,10). In Apk 5,10 wird dieses Problem erweitert durch das unklare Verhältnis von basilei,a zu dem Verb basileu,sousin (Apk 5,10). Während die Einsetzung bzw. Investitur der Christen zur basilei,a und zu i``ereu,j gemäß dem effektiven Aorist evpoi,hsen bereits in der Vergangenheit erfolgte und einen abgeschlossenen Vorgang darstellt, ist in Apk 5,9f. und 20,6 in futurischer Form von der zukünftigen Tätigkeit des Herrschens der Glaubenden die Rede. Diese Differenz muss auch für die Frage nach der Bedeutung des Begriffs basilei,a beachtet werden. Denn die offensichtlich bewusst für die Zukunft verheißene irdische Herrschaft der Geliebten und Erlösten ist in der Gegenwart noch nicht gegeben.143 Es wird auch nirgendwo der absurde Versuch einer christlichen Gemeinde erwähnt, sich vom römischen Reich zu lösen und eine politische Unabhängigkeit anzustreben. Ebensowenig kennen wir Dokumente, die eine mangelnde politische Unabhängigkeit und Eigenständigkeit im Sinne eines eigenen politischen Königtums bzw. -reiches als theologisches Problem empfunden hätten. Das deutet darauf hin, dass der Begriff basilei,a von vornherein nicht im realpolitischen Sinn verstanden wurde. Dagegen gehört es zu den Grundüberzeugungen der frühen Christenheit, dass Jesus der Herr und das Haupt der Gemeinde ist.144 Auch wenn Christus in verborgener Weise bereits als Herr der Welt bzw. als Herr über alles proklamiert wird,145 so ist einzig die Gemeinde der Raum, in dem seine Herrschaft in direkter Weise sichtbar wird. Somit ist für den Begriff basilei,a aus der Bandbreite der möglichen Bedeutungen146 das Verständnis im Sinne von „Herrschaftsraum“ bzw. „Machtbereich“ am wahrscheinlichsten.147 Durch die betonte Ergänzung des Begriffs durch das futurische Verb basileu,sousin in Apk 5,10 (vgl. auch 20,4.6, wo die nicht näher definier143

Anders BEALE, Rev, 192–195, der im Blick auf den Begriff basilei,a engagiert für ein präsentisches Verständnis einer aktiv auszuübenden Regentschaft plädiert, a.a.O., 193: „Believers spiritually fulfil the same offices in this age by following his model, especially by being faithful witnesses by mediating Christ’s priestly and royal authority to the world“. 144 Vgl. z.B. 1Kor 12,5; Kol 1,18; Eph 1,22f.; 4,4–6 u.ö. 145 Z.B. Mt 28,20; Eph 1,20–22; Kol 2,15. 146 Der Begriff kann nach SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 234f., (1) Königsmacht und Königsherrschaft, (2) Königswürde und Königtum, (3) Königreich im Sinne eines territorialen Gebiets und (4) das Königsvolk, das von einem bestimmten König regiert wird, meinen. 147 Richtig gesehen von ROOSE, Mitherrschaft, 173–176: 174: „Auf Grund der Heilstat Christi (1,5; 5,9) sind die Christen sein Machtbereich, d.h. der Bereich, in dem er ‚seine Herrschaft voll und ganz ausübt‘„; ebenso auch KARRER, Brief, 115f., und GIESEN, Offb, 78.

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ten i``ereu,j mit Christus 1000 Jahre herrschen sollen) geht der Verfasser bewusst über die Vorlage der Exodusformel hinaus und unterscheidet zwischen einer bereits präsentischen basilei,a-Identität der Gemeinde im Sinne des bereits gegenwärtig sichtbaren Machtbereichs Jesu Christi und der zukünftigen Funktion des Herrschens, welche die Erlösten im Eschaton ausüben sollen.148 (2) Ist die Einsetzung zu Priestern ein Vorgang der Vergangenheit und bezeichnet der Priestertitel somit eine präsentische Identität der Gemeinde, dann muss der Begriff in den adressierten Gemeinden notwendigerweise auf einen berechenbaren Verständnishorizont getroffen sein. Denn sonst wäre eine erklärende Bestimmung oder Deutung zu erwarten. Da wir bis zum Ende des 2. Jh. nirgendwo etwas von einem christlichen Mittleramt lesen, das Christen eine mediatorische Funktion zwischen Gott und Gemeinde bzw. (paganer) Welt zuweisen würde, ist eine funktionale Bedeutung in Apk 1,6 und 5,10 unwahrscheinlich. (3) Eine christologische Ableitung des Priestertitels von Christus auf die Christen scheidet ebenfalls aus.149 Im gesamten Neuen Testament wird Jesus nur im Hebräerbrief als (himmlischer Hohe)Priester identifiziert. Eine Ableitung der priesterlichen Würde auf die Glaubenden ist im Hebräerbrief damit aber nicht verbunden. In der Johannesapokalypse wird Christus, der als „gleich einem Menschensohn“ tituliert wird, in Apk 1,13 zwar im (hohe)priesterlichen Ornat beschrieben, aber er wird nie als Priester bezeichnet und übt auch nirgendwo in der Apokalypse eine priesterlichkultische Funktion aus.150 (4) Letzteres gilt nun auch für die Glaubenden und zu Christus Gehörenden. Wir erfahren zwar in Apk 5,8 und 8,3f. von ihren Gebeten, diese werden aber ausdrücklich als Gebete der Heiligen (proseucai. tw/n a``gi,wn) und nicht als Gebete der Priester (proseucai. tw/n i``ere,wn) bezeichnet. E. Schüssler-Fiorenza weist ferner darauf hin, dass alle gottesdienstlichen 148 Richtig gesehen von ROOSE, Teilhabe, 169; DIES., Mitherrschaft, 174: „Die Konzeption der Offb unterscheidet also zwischen einem gegenwärtigen königlichen Status und einer zukünftigen königlichen Funktion. Die Rede von der Einsetzung der Christen zu einem Königreich und zu Priestern vermittelt damit ein Element präsentischer Eschatologie, wahrt aber gleichzeitig den eschatologischen Vorbehalt. Denn obwohl die Christen zur basilei,a eingesetzt sind, sind sie keine Könige und herrschen noch nicht.“ Ähnlich SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 286: „[D]ie aktive Herrschaftsausübung, die dem Lamme seit seinem Tod und seiner Erhöhung zukommt, [wird] seiner Gemeinde noch nicht in der Gegenwart, sondern erst in der eschatologischen Zukunft auf der Erde gegeben sein“; ebenso MÜLLER, Offb, 76. Dagegen plädiert PRIGENT, Apoc, 629, auf dem Hintergrund seiner präsentischen Deutung des Millenniums auch hier für ein präsentisches Verständnis. 149 Wiederum gegen B EALE, Rev, 193. 150 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 194, Anm. 83, und 228.

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Handlungen und Funktionen in der Johannesapokalyse himmlischen und eschatologischen Charakter tragen und auch nicht von den auf Erden lebenden Christen vollzogen werden. Umgekehrt finden sich zwar zahlreiche Anklänge an gottesdienstliche Formen, nicht zuletzt in Form der hier untersuchten Doxologie, aber es wird nie ein irdischer Gottesdienst geschildert, geschweige denn werden Amtsträger beschrieben. Wir erfahren deshalb auch nie etwas von priesterlichen Funktionen, die Christen wahrnehmen würden. Auch wenn angesichts des begrenzten Quellenmaterials absolute Aussagen in diesem Zusammenhang mit Vorsicht zu genießen sind, kann doch mit der gebotenen Zurückhaltung gesagt werden, dass der Priestertitel in Apk 1,6 und 5,10 kaum funktional bestimmt sein dürfte. Eine solche funktionale Bestimmung dominiert aber die Exegese v.a. der älteren Forschung, wo die Identifikation der Glaubenden als Priester als ein „(priesterlicher) Dienst für Gott“151, als eine „Teilnahme am dreifachen Priesteramt Christi“152, als Zulassung zur himmlischen Liturgie153, als Opferdienst, der Gott das Opfer des Gehorsams und der Anbetung darbringt,154 als missionarische Mittlerschaft zwischen Gott und den Menschen,155 oder als „Bereitschaft zum Mittlerdienst zwischen Gott und Welt“156 interpretiert wurde. Neuerdings betont Karrer einerseits, dass die Apokalypse „die gemein-frühchristliche Ablehnung der Bezeichnung eines besonderen gemeindlichen Amtsträgers als Priester“ teilt,157 meint aber doch, dass hier jeder einzelne Christ als „kultische[r] Amtsträger für Gott“ eingesetzt werde, was ein funktionales Verständnis nahelege.158 (5) Die Skepsis gegenüber einem funktionalen Verständnis des Priesterbegriffs wird durch die Beobachtung gestützt, dass im ganzen Neuen Testament keines der zahlreichen Ämter der Gemeinde mit dem Priestertitel 151

Vgl. ZAHN, Offb, 174; HADORN, Offb, 29; W IKENHAUSER, Offb, 29. Vgl. ALLO, Apoc, 7; PESCHEK, Gottesdienst, 499f.; SICKENBERGER, Offb, 42. 153 Vgl. B ONSIRVEN, Apoc, 89f.: „peuple … consacré pour render à Dieu le culte véritable, dans un sacerdoce laïque. […] les chrétiens sont admis en cette liturgie céleste que remplissent les êtres surnaturels devant le trône de Dieu“. 154 Vgl. STERN, Offb, 120: „… zu Priestern aber weihte er uns abermals in der geistigen Fassung des Wortes, in dem er uns Anleitung und Gnade giebt [sic!], Gott darzubringen das Opfer des Lobes und Dankes, des Gehorsams, der kindlichen Liebe und barmherzigen Brudergesinnung, ihm zu opfern einen unbefleckten Leib und eine reine Seele“; GRÄBER, Offb, 8: „Aber sie sind … solche Unterthanen, daß sie als reingewaschene und geheiligte gewürdiget werden, als Priester vor dem Stuhle Gottes zu stehen, ihm das Opfer ihres Dankes, das Räucherwerk ihres Gebetes darzubringen“. 155 Vgl. GIESEN, Offb, 79; OSBORNE, Rev, 66; MORRIS, Rev, 49. 156 SCHICK, Apk, 29; ähnlich CERFAUX/CAMBIER, Apoc, 17: „… peuple royal et sacerdotal, envelope de la gloire royale de Dieu et chargé de son culte au milieu des nations.“ 157 KARRER, Brief, 115. 158 KARRER, a.a.O., 114. 152

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verknüpft, ja noch nicht einmal priesterlich charakterisiert wird. Von den zahlreichen Amts- und Funktionsbezeichnungen, welche die frühe Christenheit in der Regel aus der jüdischen, aber auch aus der hellenistischrömischen Umwelt adaptiert hat, hat nicht eine einzige kultisch-sakralen Charakter.159 (6) Vor dem Hintergrund von Apk 5,9f. bestätigt sich die Vermutung, dass auch die Priestermetapher in Apk 1,6 im Licht der Herrschaftsthematik verstanden werden muss, zumal abgesehen vom Begriff ai[ma nichts auf einen kultischen oder priesterlichen Kontext hindeutet. Die Glaubenden bilden somit als Priester den Herrschaftsraum bzw. Machtbereich Christi. (7) Alle Beobachtungen zusammen deuten für die weitere Untersuchung in die Richtung, den Priestertitel nicht als einen Funktions- sondern als einen Verhältnisbegriff aufzufassen. So wie in der Exodusformel in Ex 19,6 Israel in ein neues, besonderes und aus der Vielzahl der Völker herausgehobenes Verhältnis zu Jahwe gestellt wird, so setzt Christus die Geliebten und Erlösten in ein neues Verhältnis zu Gott, dessen wesentliche Eigenschaften die Nähe, Zugehörigkeit, Unmittelbarkeit, Gottesgemäßheit, Heiligkeit und Integrität sind, die Menschen zu einer neuen Qualität der Gemeinschaft mit Gott befähigen.160 3.4 Priester mit Herrschaftsfunktion Ein großes Rätsel und eine nach wie vor offene und ungeklärte Frage ist das Verhältnis des Priesterbegriffs zu der durch die futurische Verbform basileu,sousin angezeigten eschatologischen Herrschaftsfunktion. Diese enge Verknüpfung von Priestertitel und Herrschaftsfunktion in der Johannesapokalypse ist bemerkenswert und zumindest von der atl.-jüdischen Tradition nicht einfach vorgegeben. Es ist deshalb an dieser Stelle unumgänglich, dieser bislang ungeklärten Motivverbindung nachzugehen.

159

Vgl. SÄNGER, Amt, 636f.639. Ebenso HASITSCHKA, Priestermetaphorik, 181; vgl. auch a.a.O., 182: „Für Johannes ist das kultische Bild des Priesters bedeutsam für das Selbstverständnis des Christen. Auch andere Begriffe und Vorstellungen (z.B. „dienen“ in Offb 7,15; 22,3) lassen erkennen, daß Johannes den einzigartigen und unmittelbaren Zugang zu Gott, den Jesus den Glaubenden eröffnet, besonders in kultischen Kategorien ausdrückt.“ Ähnlich letztlich auch B EALE, Rev, 193: „Like the OT priests, now the entire people of God have free, unmediated access to God’s presence because Christ has removed the obstacle of sin by his substitutionary blood.“ Der Seher ist ebenso wenig wie alle anderen ntl. Zeugen an der Begründung eines neuen Kultes interessiert, aber er bedient sich derselben Metaphorisierung kultischer Begriffe, um die neu offenbarte, pneumatische Wirklichkeit der Gemeinde Jesu Christi zu beschreiben. 160

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3.4.1 Herrschende Priester im Alten Testament? Fragt man nach Priestern in herrschender Funktion, so stößt man im Alten Testament zunächst auf die rätselhafte Gestalt Melchisedeks (Gen 14,18– 20), dem „König von Salem“ und „Priester des El-Eljon“, sowie auf David und Salomo, die als königliche Herrscher priesterliche Handlungen ausübten (2Sam 6,1–23; 1Kön 8,22.54.62f.; vgl. Ps 110,4), jedoch nirgendwo Priester genannt werden. In der Johannesapokalypse deutet jedoch nichts darauf hin, dass diese Gestalten in irgendeiner Hinsicht dem Seher als Modelle für die herrschenden Priester dienten. H. Roose bemüht sich zu zeigen, dass bereits in der sühnenden und richterlichen Funktion der Priester (vgl. z.B. Dtn 17,8–13; 21,5; 2Chr 19,8) eine Form der Machtausübung impliziert sei.161 Ein Akt des Herrschens kann daraus jedoch beim besten Willen nicht abgeleitet werden, zumal die richterlichen Funktionen in den erwähnten Belegen häufig in Kooperation mit nicht-priesterlichen Richtern und Sippenoberhäupter ausgeübt wurden und die grundlegende Richterrolle stets dem König oblag (vgl. 1Sam 8,20; 1Kön 3,16ff.). Auch die von Roose hervorgehobene Privilegierung Israels als Priestervolk in Jes 61,6162 stellt noch keine Herrschaftsausübung dieses Priestervolkes über die Heidenvölker dar. Selbst wenn man aus diesem Vers eine solche eschatologische Herrschaft indirekt folgern könnte, ließe sich Apk 5,10 und 20,6 nicht davon ableiten. Auch die Exodusformel selbst enthält nicht die Lösung für diese crux interpretum. Mit der Aufnahme des Syntagmas ~ynIh]Ko tk,l,m.m; bzw. von basilei,on i``era,teuma sind zwar unabhängig von der exakten Übersetzung der Formel die beiden Themen des Königreiches bzw. der Königsherrschaft und des priesterlichen Seins vorgegeben. Allerdings lässt sich aus der bloßen Rezeption der Exodusformel noch nicht die in der Johannesapokalypse so dominante Herrschaftsfunktion hinreichend erklären. Dies gilt selbst dann, wenn man ihre Wirkungsgeschichte mit in Betracht zieht. Zwar geben alle Targumim das kollektive Abstraktum tk,l,m.m; mit dem pluralen Konkretum !ykil;m; wieder, wobei die Targume Codex Neofiti I, Jeruschalmi II und Pseudo-Jonathan im Unterschied zum Targum Onkelos die beiden Nomina mit einem Kopulativpartikel verbinden. Aber eine Tradition von als Königen herrschenden Juden oder Priestern ist in der frühjüdischen Tradition nicht entstanden und lässt sich auch in der Johannesapokalypse nicht nachweisen. Umgekehrt ist die Herrschaftsfunktion in der Johannesapokalypse auch nicht an den Priestertitel gebunden. Bereits in Apk 2,26f. wird den Überwindern der Gemeinde in Thyatira eine eschatologische Herrschaftsfunktion über die Heiden verheißen, ohne dass sie in irgendeiner Weise als Pries161 162

ROOSE, Teilhabe, 153f. ROOSE, Teilhabe, 153.207.

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ter angesprochen werden. Ebenso wird in Apk 22,5 den Bewohnern des neuen Jerusalems die Teilhabe an Gottes ewiger Herrschaft verheißen (basileu,sousin), ohne dass noch von einer priesterlichen Identität die Rede wäre. Die Evidenz für den atl. Priesterbegriff ist somit eine negative. Eine Herrschaftsfunktion, wie sie in Apk 5,10 und 20,6 den zu Priestern gemachten Christen zugesagt wird, ist der atl. Tradition fremd. 3.4.2 Herrschende Priester in der paganen Antike und im Frühjudentum? Bereits in →I.3.3 wurde im Anschluss an W. Oxtoby die politische Rolle von Priestern in der antiken Welt des Mittelmeerraumes und des Vorderen Orients thematisiert. Eine Herrschaftsfunktion im eigentlichen Sinn kommt dabei nur für den dort geschilderten Typ 2 (Der König als Priester) und Typ 3 (Der Priester als König) in Betracht. Bei Typ 2 werden einem königlichen bzw. kaiserlichen Herrscher auch ein priesterliches Amt oder priesterliche Vollmachten übertragen. Eine solche Ämterkumulation ist für die äyptischen, mesopotamischen, sumerischen und assyrischen „Königspriester“ belegt, wobei das priesterliche Amt dem Träger zuwuchs, weil er König war, nicht umgekehrt. Die priesterliche Würde legitimierte dagegen nicht aus sich selbst heraus zum Königtum und damit zur Herrschaft. Dies gilt auch für die römischen Verhältnisse, wo seit der Ernennung von Augustus zum pontifex maximus im Jahr 13/12 v.Chr. das Caesarenamt auf das Engste mit dem höchsten Priesteramt verknüpft war. Auch hier trat aber die priesterliche Würde zur königlichen bzw. kaiserlichen hinzu. Die Herrschaftsfunktion leitete sich eindeutig von der letzten ab. Eine Herrschaftsfunktion, die sich aus dem priesterlichen Amt ableitet, ist in der pagan-antiken Welt bisher nicht belegt und wäre auch kaum ein geeignetes Vorbild für den Seher gewesen.163 Im Gegenteil läge es näher, dass sich die 163 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 412, sieht die Zuordnung von Kult und Herrschaft im Alten Testament in der Königsherrschaft Gottes, die er vom Tempel als seinem irdischen Königsthron her ausübt, und in der paganen Zeitgeschichte präfiguriert. Konkret denkt sie dabei an die Ämterkombination des römischen Kaisers, der als Herrscher des Imperiums zugleich Kultgott der römischen Religion war; vgl. ebd.: „Indem die Apk also Kult und Herrschaft eng zusammenschaut, übernimmt sie das Denken ihrer Zeit, nach dem beide Aspekte niemals getrennt waren und die Herrschaftsausübung sowohl ein politisch-soziales als auch ein religiös-kultisches Amt war.“ Trotz ihrer Einschränkung, dass dies für die Johannesapokalypse nur in himmlischer bzw. eschatologischer Hinsicht gelte, sind jedoch zwei ganz grundlegende Einwände zu erheben: Zum einen ist die Johannesapokalypse nicht dafür bekannt, „das Denken ihrer Zeit“ zu übernehmen und eine Inkulturationstheologie zu propagieren. Eher das Gegenteil ist der Fall. Zum anderen war die Verknüpfung von Herrschaft und Kult nur in einem fein austarierten Machtgefüge von der herrschaftlichen Seite her möglich, nicht umgekehrt. Zwar hatte jedes Herrschaftsamt immer auch eine religiöse Dimension, aber von einem konturenlosen Einheitsbrei von Herrschaft und Kult kann in der antiken Welt keine Rede sein.

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Herrschaftsfunktion der Priester in der Johannesapokalypse polemisch gegen die Verschmelzung von herrschaftlicher und priesterlicher Würde des römischen Kaisers und seiner Vergöttlichung im Kaiserkult richtete. Allerdings ist bei keinem der Belege in 1,6; 5,10 und 20,6 eine polemische Absicht erkennbar. Sucht man im frühjüdischen Schrifttum nach Analogien, dann finden sich die sachlich nächsten Analogien in der frühjüdischen Geschichte und zwar zum einen im Lobpreis des Hohepriesters Simon durch Jesus Sirach (Sir 50), zum Zweiten bei den hasmonäischen Herrschern, die als Priester den Königsthron bestiegen und als Könige mit priesterlicher Abstammung auch das hohepriesterliche Amt okkupierten, zum Dritten in der priesterlichen Messiaserwartung einiger Qumranschriften und zum Vierten in den priesterlich-levitischen Herrschaftsansprüchen, die in der priesterlichen Levi-Tradition laut werden. (1) Der Hohepriester Simon II. war als Sohn Onias II. der letzte unangefochtene zadokidische und oniadische Hohepriester der nachexilischen Zeit.164 Er amtierte ca. 218–192 v.Chr., und ihm wird in der siracidischen Eulogie, die gegenüber dem „Lob der Väter“ (Sir 44–49) eine Sonderstellung genießt, eine herausragende Position bescheinigt. In der Tat sorgte Simon II. durch seine antiptolemäische und proseleukidsche Politik dafür, dass den Juden nach dem seleukidischen Sieg über die Ptolemäer bei Banyas (200 v.Chr.) von Antiochus II. Toleranz und Steuererleichterungen und Simon selbst die prostasi,a und der Beiname „der Gerechte“ zugesprochen wurden.165 Für unsere Fragestellung ist von Bedeutung, dass Sirach ihn für Befestigungs- und Sicherungsarbeiten an Tempel und Stadt (50,1–4) verantwortlich machte. Dies war nur in Kombination von priesterlichen und königlichen Vollmachten möglich. Solche erweiterten Vollmachten waren für nahezu alle Hohepriester der nachexilischen Zeit, spätestens jedoch seit Jaddua z.Zt. Alexanders des Großen bis zum Makkabäeraufstand charakteristisch, und sollten es in der hasmonäischen Dynastie auch wieder werden. Der prohasmonäische, griechische Übersetzer des Sirachbuches brachte diese Verquickung herrscherlicher und priesterlicher Vollmachten dadurch zum Ausdruck, dass er die hebräische Version von Sir 45,24f., in der die Aaroniden in der Sukzession des Davidsbundes stehen, zunächst dahingehend erweitert, dass Pinhas nicht mehr nur die Aufgabe zukommt „über das Heiligtum zu wachen“, sondern 164 Aufgrund der pro-aaronidischen Haltung Sirachs wird Simon in Sir 50 nicht als Zadokide, sondern als Oniade („Sohn des Johanan [= Onias]“) vorgestellt. Zu den Spannungen zwischen Aaroniden und Zadokiden, die sich im Sirachbuch spiegeln, vgl. FABRY, Jesus Sirach und das Priestertum, 271ff. Zur Darstellung des Simon bei Sirach vgl. MARBÖCK, Hohepriester Simon. 165 Vgl. Sir 50,4; Jos Ant 12,223–229., sowie HENGEL, Judentum und Hellenismus, 493f., vgl. auch a.a.O., 47.49.100 u.ö., und DERS., Juden, Griechen und Barbaren, 59.

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auch „über sein Volk“. Ferner verleiht er dem Text auch eine Doppeldeutigkeit, durch die der Vers nun auch so verstanden werden kann, dass den Davididen neben der Königswürde auch die Hohepriesterwürde zugesprochen wird. Auf diese Deutungsmöglichkeit legt sich schließlich die syrische Übersetzung fest, indem sie David das Erbe der Könige und das Erbe Aarons zuspricht.166 (2) Dieselbe Linie findet sich dann in der Legitimation der hasmonäischen Ämterkumulation durch den Verfasser des 1. Makkabäerbuches in 1Makk 14,25–49, der diese Ämterverquickung auf einer Wahl bzw. Zustimmung des Volkes beruhend darstellt (1Makk 14,35.41.48). Die hasmonäische Dynastie wurde somit zur ersten und einzigen Dynastie der israelitischen und jüdischen Geschichte, in der über knapp 100 Jahre hinweg Priester nicht nur die königliche Würde und Herrschaft erlangten, sondern zusätzlich auch noch – illegitimerweise – die hohepriesterliche Würde für sich beanspruchten.167 (3) Einen priesterlichen Herrschaftsanspruch formulieren auch eine Reihe von Qumrantexten, die für die Endzeit mit dem Auftreten einer priesterlichen Messiasgestalt rechnen.168 In diesen Texten ist von einem priesterlichen Gesalbten die Rede, der zusammen mit einem königlichen Gesalbten eine Art „messianischer Doppelspitze“ bildet, wobei der priesterliche Gesalbte dem königlichen vorgeordnet zu sein scheint (→IV.2.5). (4) Schließlich ist auch noch an die Herrschaftsansprüche zu erinnern, die in der sog. priesterlichen Levi-Tradition in Schriften wie dem aramäischen Levi-Dokument, dem Jubiläenbuch (Jub 30,1–32,9) und dem Testament Levis laut werden (→IV.3.2). Levi und seinen Söhnen bzw. Nachkommen werden hier herrschaftliche Funktionen vorbehalten bzw. verheißen. Sie werden in ArLev 13,16 (vgl. 4Q213 Frg. 2/Kol ii, Z. 10–16) als „Anführer und Richter“ sowie als „Priester und Könige“ vorgestellt. Auch in Jub 31,15 sind sie „Richter und Anführer und Könige“ „für allen Samen der Söhne Jakobs“ und in TestLev 8,11–17 werden ihnen verschiedene 166

Vgl. zum Ganzen FABRY, Jesus Sirach, 275f. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 414, ist m.W. die einzige, die sich überhaupt über traditionsgeschichtliche Vorbilder der in Apk 5,10 und 20,6 vorliegenden Herrschaftsfunktion von Priestern Gedanken gemacht hat. Sie sieht in der Konzeption des jüdischen Hohepriestertums, und hier v.a. in seiner „Interpretation“ durch die Hasmonäer, das Modell, das zumindest hinter der Aussage von Apk 20,6 steht: „Wie der jüdische Hohepriester in der Zeit der Makkabäer und Hasmonäer politisch-herrschaftliche Machtfunktionen ausübte, so werden nach Apk 20,6 die Priester Gottes und des Messias in der eschatologischen Zukunft mit diesem die Macht ausüben. Priesterschaft und Herrschaftsfunktion werden also in Apk 20,6 einander so eng zugeordnet, daß man von einer messianischen Priesterherrschaft sprechen kann, deren Vorbild das jüdische Hohepriestertum gewesen sein könnte.“ 168 1QS 9,11; CD 12,23–13,1; 14,19/4Q266 10 I 12; CD 19,10f.; 20,1; 4Q175 14–20; evtl. auch 4Q375 und 376, sowie 4Q540 und 541. 167

3 Apk 5,9–10

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avrcai, übertragen, wobei deren konkretes Profil, abgesehen vom Priestertum, undeutlich ist. Allerdings machen andere Belege in den Testamenten der zwölf Patriarchen wie TestRub 6,7f.12 und TestSim 5,5 (vgl. TestLev 5,3; 6,1) deutlich, dass Levi und in Folge auch seinen Nachkommen eine herrschaftliche Rolle zukommen soll. Im Blick auf die herrschenden Priester in Apk 5,9f.; 20,6; vgl. 22,5 ist es jedoch sehr unwahrscheinlich, dass der Verfasser der Johannesapokalypse irgendeines dieser frühjüdischen „Modelle“ als Vorbild oder gar Ideal für seine herrschenden Priester in Apk 5,10 oder 20,6 heranzog. Denn die hasmonäische Ämterkumulation entsprach in keiner Weise der theokratischen Konzeption des Alten Testaments, die in allen ihren Traditionen ein Priestertum mit einem wie auch immer profilierten königlichen und damit nicht-priesterlichen Gegenüber vorsah. Sieht man einmal von der rätselhaften Exodusformel in Ex 19,5f. ab, war Israel zu keiner Zeit als Hierokratie konzipiert, und wenn es aufgrund der politischen Bedingungen zu einer solchen Priesterherrschaft kam, war dies dem historischen Zubzw. Unfall und nicht einem – sich z.B. an der Exodusformel orientierenden – theologischen Programm oder Ideal geschuldet. Hinzu kommt, dass in der gesamten Apokalypse, soweit wir dies im Abstand der Jahrtausende beurteilen können, nicht ein einziger Bezug auf die frühjüdische Geschichte des 2. Jh. v.Chr. erkennbar ist, und wenn es einen solchen gäbe, wäre es im Licht der theologischen und ethischen Überzeugungen des Sehers überraschend, wenn er sich prohasmonäischen Auffassungen anschließen würde. Schließlich sind alle vier vorgestellten „Modelle“ durchweg dem atl.jüdischen Paradigma eines hereditär legitimierten Priestertums in einem idealen Israel verpflichtet. Dagegen ist der Priesterbegriff der Johannesapokalypse bereits ein metaphorisierter: Es sind Juden- und Heidenchristen, die hier kraft ihres Glaubens an Jesus Christus als „Priester“ mit einer universalen Herrschaftsfunktion angesprochen werden. Die Unterschiede könnten größer kaum sein. Das Ergebnis ist somit auch für die paganen und frühjüdischen Kontexte ein negatives. Keines der in Frage kommenden Modelle taugt als (traditionsgeschichtliches) Vorbild für die „herrschenden Priester“ der Johannesapokalypse. 3.4.3 Die Herrschaft der Heiligen Löst man sich einmal von der Frage nach einer traditionsgeschichtlich vorgezeichneten Verbindung von Priestertum und Herrschaftsfunktion und wendet sich der futurischen Verbform basileu,sousin zu, dann sind, abgesehen von Apk 22,5, vor allem Röm 5,17 (basileu,sousin) und 2Tim 2,12 (sumbasileu,somen) aufgrund der futurischen Form und der semantischen Entsprechung die wichtigsten Parallelen zu basileu,sousin in Apk 5,10.

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Kapitel VIII: Die herrschenden Priester in der Johannesapokalypse

In Röm 5,17 wird die Erwartung ausgesprochen, dass der gegenwärtigen Herrschaft des Todes eine futurische Herrschaft der Begnadigten und Gerechtfertigten entspricht: „Denn wenn der Tod herrscht wegen der Sünde des einen, um wie viel mehr werden die, welche den Überfluss der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen haben, im Leben herrschen (basileu,sousin) durch den Einen, Jesus Christus.“169 Das Thema der Herrschaft der Glaubenden findet in Röm 5 weder eine Vorbereitung noch eine Fortführung. Es taucht hier vielmehr überraschend auf, zumal die Protasis in V. 17a eigentlich eine andere Fortführung erwarten lässt, etwa im Sinne von „… so wird auch das Leben herrschen durch den einen“ oder ähnlich.170 Aber Paulus signalisiert hier zumindest sein Wissen über die eschatologische Hoffnung der Herrschaft der Glaubenden.171 Noch näher an Apk 5,10 ist die Aussage in 2Tim 2,11f., wo im Rahmen einer hymnischen, in pluralisch-apodiktischer Form gehaltenen Glaubensaussage die Hoffnung auf eine Beteiligung an der eschatologischen Herrschaft formuliert wird: „Denn wenn wir mitgestorben sind, werden wir auch mitleben, wenn wir Ausharrende sind, dann werden wir auch Mitherrschende sein (sumbasileu,somen) …“ Der Anklang an die Überwindersprüche in Apk 2,26f. und Apk 3,21 ist nicht zu überhören. Eine Aufnahme findet der Vers auch im 2. Polykarpbrief: „… dass wir, wenn wir seiner würdig wandeln, auch mit ihm herrschen werden, wenn wir glauben“ (Polykarp, 2Phil 5,2).

Das in diesen Belegen aufgenommene Motiv der „Herrschaft der Heiligen“ im Sinne einer Partizipation der Gemeinde an der Herrschaft Gottes bzw. Christi172 ist Teil einer Traditionslinie, die sich wie ein roter Faden durch die frühjüdische, ntl. und frühchristliche Literatur zieht.173 H. Roose hat diese Traditionslinien in zwei Bänden nachgezeichnet.174 Die Ursprünge dieser Tradition liegen bereits in vorexilischer Zeit. Im Rahmen der Tradition vom Heili-

169 W ILCKENS, Röm I, 325, Anm. 1089, weist darauf hin, dass es sich nicht um ein „logisches, sondern eschatologisches Futur“ handelt. 170 Vgl. M ICHEL, Röm, 190: „… der Gedankengang biegt vorher um: nicht das Leben wird zur Herrschaft kommen, sondern die Empfänger der Gnade werden herrschen. Statt den Vergleich logisch durchzuführen, nimmt Paulus eine alte apokalyptische Überlieferung auf.“ 171 Ob auch 1Kor 4,8 mit dem Herrschaftsanspruch der Korinther in diesen Erwartungshorizont gehört, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Wenn jedoch SCHÜSSLER -F IORENZA, Priestertum, 372f. von einer Abwehr eines „enthusiatisch-‚gnostischen‘ Missverständnisses“ in Röm 5,17; 1Kor 4,8; Phil 3,12–14 und 2Tim 2,11f. ausgeht, so muss dies im Licht der neueren Einsichten über die Gnosis als ein Phänomen, das frühestens im 2. Jh. n.Chr. auftrat, als überholt gelten. 172 Vgl. hierzu Apk 11,15.17; 19,6; 20,4.6; 22,5. 173 Vgl. 1QM 12,15; Jub 19,17–23; 22,14; 32,19; 50,5; Mt 19,28/Lk 22,30; Röm 5,17; 1Kor 6,2; 2Tim 2,12; TDan 5,13; EvThom 2; ActThom 137; Ath VitAnt 16. 174 ROOSE, Teilhabe; DIES., Mitherrschaft.

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gen Krieg kann Jahwe sein Volk als Mitvollstrecker seines Gerichtes einsetzen.175 Neben dem ganzen Volk, kann es auch eine Teilgruppe des Volkes sein, die von Gott zur 176 Ferner Machtausübung herangezogen wird, wie z.B. die Märtyrer der Makkabäerzeit. gehört auch die Tradition der Teilhabe an Jahwes richterlicher Vollmacht zu dieser Traditionslinie, wobei die Teilhabe am endzeitlichen Kampf und am endzeitlichen Gericht ineinander übergehen können.177 Nach Roose bringt „[d]ie Tradition des Jahwekrieges … die Zusage hervor, dass das Gottesvolk im Endkampf gegen die Fremdvölker mitwirken darf“.178 Ob auch die Traditionslinie vom „Gericht der Gerechten“ aus der Tradition des Jahwekrieges hervorgegangen ist, lässt sich nicht mehr mit letzter Sicherheit sagen. Ihren Ausgangspunkt nimmt diese Linie wahrscheinlich in Dan 7,22LXX(Q) (vgl. auch 7,9.14.18.27), wo auf dem Hintergrund einer Thronsaalmetaphorik eine Gruppe von Mitrichtern eingesetzt wird, die zusammen mit Gott Gericht halten.179 Eine besondere Variante dieses „Gerichtes der Gerechten“ ist die Rehabilitation des leidenden Gerechten, der von Gott gerade so rehabilitiert wird, dass er als Belohnung für das ihm unrechtmäßig widerfahrene Leid von Gott am Gericht über seine Bedränger beteiligt wird (SapSal 3,1– 12; vgl. Apk 6,9–11; 20,4–6). Im Neuen Testament begegnet die Tradition vom Gericht der Gerechten in Mt 19,28/Lk 22,30180 und 1Kor 6,2 wieder. In Röm 5,17; 2Tim 2,12 und möglicherweise auch in 1Kor 4,8 (sumbasileu,swmen) und Mk 10,35–45 wird dagegen auf das umfassendere Motiv von der Herrschaft der Heiligen angespielt.

Diese Beobachtungen sprechen dafür, dass der Seher in Apk 5,10 zwei unabhängige Traditionen miteinander verbunden hat: Es ist zum einen die in der einleitenden Doxologie ihm überlieferte, von 1Petr 2,5.9 unabhängige Tradition von der Einsetzung der Glaubenden als basilei,an i``erei/j (Apk 1,6) und zum anderen die Tradition von der Anteilhabe der Glaubenden an der eschatologischen Herrschaft Gottes.181 Beide verknüpft der Verfasser in seinem endzeitlichen Szenario an prominenten Stellen (Apk 5,10; 20,6; vgl. 22,3–5) und lässt sie zu wesentlichen Elementen seiner eschatologischen Perspektive werden.

175

Mi 4,11–13; 5,7f.; Obd 18; Sach 9,13; 12,6; Jes 11,13f.; 41,14–16; vgl. dazu auch 1QM 2,2–3.7; 3,13f.; 5,1f.; 6,10; 14,16; 17,7f. 176 2Makk 7,37f.; 8,2f.; 4Makk 17,20–22; Philo Exsecr 164; Praem 93. 177 Ez 25,14; vgl. syrBar 40,1; äthHen 62,2f.; 4Esr 12,31–33; 13,9–11.37–38. 178 ROOSE, Teilhabe, 203. 179 Vgl. auch SapSal 3,8; Jub 24,29; äthHen 38,1–5; 48,9; 90,19; 95,3; 96,1; 98,12; 1QpHab 5,3–5; 1QS 8,6f.10. 180 Im Hintergrund von Mt 19,28/Lk 22,30 steht die spezifische Tradition von der Herrschaft und dem Gericht der zwölf Patriarchen bzw. Phylarchen, wie sie in TestJud 25,1–2; TestSeb 10,2 und TestBen 10,7 belegt ist. Nach HORBURY, Twelve, 509, stellen die zwölf Stammeshäupter Israels im jüdischen Denken der Zeitenwende ein ideales, endzeitliches Herrschergremium dar. 181 Röm 5,17; 2Tim 2,12; evtl. 1Kor 4,8; vgl. Mt 19,28/Lk 22,30; 1Kor 6,2.

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4 Apk 20,4–6 4 Apk 20,4–6

Ein letztes Mal wird der Priestertitel in der Johannesapokalypse im Rahmen der endzeitlichen Vision einer tausendjährigen Herrschaft Christi verwendet, die er zusammen mit den als Priester Gottes und Christi bezeichneten Märtyrern, über die der zweite Tod keine Macht hat, ausüben wird.182 Die Verse stehen im Kontext der Vision von der endzeitlichen Fesselung Satans (Apk 20,1–3), der für 1000 Jahre gebunden und danach ein letztes Mal freigelassen wird, um erneut die Nationen zu verführen und schließlich endgültig vernichtet zu werden (Apk 20,7–10). Diese Vision wird wiederum nach vorne hin gerahmt durch die Vision von der Parusie Christi (Apk 19,11–21) und nach hinten hin durch die Vision vom großen Weltgericht (Apk 20,11–15) und der anschließenden Vision eines neuen Himmels und einer neuen Erde (Apk 21,1–8). Durch den vorgegebenen Aufbau der Visionsberichte lassen sich in der Johannesapokalypse drei Phasen unterscheiden: (1) Die angefochtene Gegenwart der Gemeinde findet ihr Ende mit der Parusie Jesu Christi (Apk 19,11–21). (2) Das messianische Zwischenreich (Apk 20,1–10) ist geprägt von der Gebundenheit Satans im Abyssos (20,3) und der Auferstehung und tausendjährigen Herrschaft der Märtyrer. 182 Die Vision der tausendjährigen messianischen Herrschaft Christi mit den auferstandenen Märtyrern stellt ein im Neuen Testament singuläres eschatologisches Konzept dar. Dies ist jedoch kaum verwunderlich, weil die ntl. Eschatologie fast ausschließlich aus Fragmenten besteht. Nirgendwo finden wir ein eschatologisches „Gesamtpanorama“, sondern immer nur Aspekte und Ausschnitte, die im Kontext aktueller Fragen diskutiert werden. Im Fokus der ntl. Eschatologie steht eindeutig die Parusie Christi. Sie dominiert als zweiter elliptischer Brennpunkt neben dem Heilsgeschehen von Kreuz und Auferstehung Christi das heilsgeschichtliche Denken aller ntl. Autoren. Diskutabel ist freilich, ob nicht auch hinter 1Kor 15,23–28 ein ähnliches Schema steht, weil hier ebenfalls drei endzeitliche Phasen unterschieden werden können; vgl. zur Stelle HADORN, Offb, 196; B AUER, Art. Chiliasmus, 1076; KLEIN, Reich Gottes, 660; CONZELMANN, 1Kor, 319f.; TURNER, Interim, 341f.; B ÖCHER, Art. Chiliasmus I, 727; vorsichtig auch STUHLMACHER, Biblische Theologie I, 309; ablehnend dagegen GUNTERMANN, Eschatologie, 251–265, und W ILCKE, Problem. Auch HENGEL, Apokalyptik, 364, stellt Erwägungen in diese Richtung an: „Man sollte Paulus nicht absprechen, daß er so ganz nebenbei die – für unser Vorstellungsvermögen – größten ‚mythologischen‘ Ungeheuerlichkeiten sagen kann. Diese Gerichtsschilderung wie auch die endzeitliche Bekehrung Israels und seine Folgen setzen so doch wohl noch einen zeitlichen Zwischenraum zwischen der Parusie und der Endvollendung gemäß 15,24–28 (ei=ta to. te,loj) voraus.“ In jüngster Zeit hat RÖCKER, Belial, 265–268, im Blick auf 1Thess 4,13–18 millennaristische Überlegungen geäußert. Er vermutet, dass die Betrübnis der Thessalonicher ihren Grund in der Befürchtung hatte, ihre verstorbenen Gemeindeglieder würden erst nach dem messianischen Reich auferweckt werden und auf diese Weise die irdische Heilszeit versäumen.

4 Apk 20,4–6

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(3) Die Neuschöpfung eines neuen Himmels und einer neuen Erde steht am Ende des eschatologischen Szenarios (Apk 21,1–8; vgl. auch 21,9–22,5). Diese drei Phasen entsprechen dem dreifach fortschreitenden Sieg über den Satan und die Mächte des Bösen in den drei kosmischen Sphären des biblischen und antiken Weltbildes.183 Während Satan nach Apk 12,9 bereits mit dem vollendeten Heilsgeschehen in Kreuz und Auferstehung (1) aus dem Himmel vertrieben worden ist (vgl. Lk 10,18; Joh 12,31; Röm 8,33f.), wird er im Zuge der Parusie (2) auch von der Erde vertrieben und in den Abyssos gesperrt. Nach einer letzten satanischen Empörung und Verführung am Ende des Millenniums (Apk 20,7–10) wird er (3) endgültig vernichtet.184 Die drei Phasen lassen sich umgekehrt auch für die Herrschaft Christi beschreiben: Zunächst ist er zwar bereits in der Gegenwart der verborgene a;rcwn tw/n basile,wn th/j gh/j (Apk 1,5), aber anerkannt ist seine Herrschaft bis dahin nur in der Gemeinde (Phase 1). Diese Situation ändert sich grundlegend in seinem messianischen Reich, in dem er zusammen mit den Märtyrern der Endzeit auf Erden regiert (Phase 2). Mit dem Kommen des neuen Himmels und der neuen Erde teilt sich Christus dann die Herrschaft und den Thron mit Gott (Apk 22,3), wobei Gott, der Vater, in der Schilderung von Apk 21,1–22,5 eindeutig der Agierende im Vordergrund ist (Phase 3).

Das Geschehen während dieser tausendjährigen Gefangenschaft Satans wird in der Vision in Apk 20,4–6 beschrieben, die strukturell aus zwei Teilen besteht. In V. 4f. erfolgt der eigentliche Visionsbericht, dem sich in V. 6 ein Makarismus anschließt. Der Visionsbericht besteht seinerseits aus zwei Hälften, von denen die erste in V. 4a eine Gerichtsszene und die daran beteiligten Personengruppen beschreibt, während die zweite in V. 4b-5 das aktive Geschehen während dieser 1000 Jahre schildert.185 Die einleitende Gerichtsszene lässt sich wiederum in drei Teile untergliedern: (1) Zunächst sieht der Seher Throne, auf denen Menschen Platz nehmen, dann wird einer Gruppe das kri,ma gegeben, wobei unklar bleibt, ob es dieselbe Gruppe ist, die auch auf den Thronen Platz genommen hat, oder ob eine andere Gruppe von diesen das kri,ma empfängt. Unklar ist weiter, ob dieses Urteil aktiv gefällt oder passiv empfangen wird. (2) Anschließend sieht Johannes „Seelen“, die aufgrund des Zeugnisses für Christus und aufgrund des Wortes Gottes enthauptet wurden. (3) Schließlich wird noch eine weitere Gruppe erwähnt, die dadurch charakterisiert ist, dass sie das Tier nicht angebetet (vgl. Apk 13,4.8.12.15) und kein Malzeichen an Stirn oder Hand akzeptiert hat (vgl. Apk 13,16f.). Unklar ist, ob es sich um zwei verschiedene Gruppen handelt, oder ob der zweite Relativsatz als Präzisierung des ersten verstanden werden muss. Von den Mitgliedern dieser Gruppe(n) wird im zweiten Teil des Visionsberichts erzählt, 183

SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 328f. In B EALES Neuformulierung der kirchengeschichtlichen Deutung des Millenniums hat dieses Drei-Phasen-Schema freilich keinen Raum, da nach seiner Sicht die Bindung Satans mit der irdischen Wirksamkeit Jesu bzw. mit Kreuz und Auferstehung zusammenfällt und das Millennium mit der Zeit der Kirche zu identifizieren ist, Rev, 991ff. 185 Im Mittelpunkt stehen hier die Verben e;zhsan und evbasi,leusan in V. 4b bzw. ouvk e;zhsan in V. 5. 184

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Kapitel VIII: Die herrschenden Priester in der Johannesapokalypse

dass sie zum Leben gelangen und mit Christus 1000 Jahre herrschen, während oi`` loipoi, erst nach diesen 1000 Jahren wieder zum Leben gelangen werden. Der abschließende Makarismus preist nun eben jene als glücklich, von denen im zweiten Teil des Visionsberichts geschildert wird, dass sie lebendig werden und mit Christus 1000 Jahre herrschen. Sie werden glücklich gepriesen, weil sie Anteil an der ersten Auferstehung haben und der zweite Tod keine Macht mehr über sie hat (V. 4b). Sie werden schließlich als Priester Gottes und Christi bezeichnet. 4.1 Das Millennium Der Text hat in der Auslegungsgeschichte eine Fülle von Fragen aufgeworfen, die hier freilich nur gestreift werden können.186 Die Grundfrage, die eine Art Wasserscheide für alle Auslegungstraditionen darstellt, ist die grundlegend hermeneutische Entscheidung zwischen einer „realistischendgeschichtlichen“ und einer „symbolisch-endgeschichtlichen“ Interpretation.187 Ist das tausendjährige Reich chronologisch-temporal als eine Art Zwischenreich zu verstehen, das als ein endzeitliches Präludium dem neuen Himmel und der neuen Erde vorangeht, oder stellt es eine theologische Metapher für die Qualität der neuen Welt Gottes dar? Die in Anführungszeichen gesetzte Nomenklatur stammt von Th.J. Bauer, der in seiner umfassenden Studie zum tausendjährigen Messiasreich in Apk 20 die Interpretationsansätze seit dem 19. Jahrhundert im Wesentlichen in die literal-realistisch-endgeschichtliche und die symbolisch-endgeschichtliche Deutung unterteilt.188 Die literal-realistisch-endgeschichtliche und damit auch chiliastische Interpretation verdankt sich in der Neuzeit dem Siegeszug der historisch-kritischen Forschung und ist mit einer entschiedenen Ablehnung der symbolischen, spiritualistischen und antichiliastischen Interpretation und ihrer welt- und kirchengeschichtlichen Deutung der Apokalypse verbunden.189 Seit Mitte des 20. Jahrhundert gewinnt dagegen eine mehr und mehr symbolischendgeschichtliche Deutung an Raum. Exegeten, die diesem Interpretationsansatz verpflichtet sind, leugnen zwar keineswegs die Ankündigung eines messianischen Zwischen186 Einen guten Überblick über die verschiedenen modernen Deutungsansätze geben MEALY, Thousand Years, 15–58, und B AUER, Messiasreich, 23–32. 187 Zur Klassifizierung der Interpretationsansätze vgl. auch S ICKENBERGER, Offb, 22– 29, und B ÖCHER, Johannesapokalypse, 1–25. 188 B AUER, Messiasreich, 23–32. 189 Bei aller Unterschiedlichkeit in methodischen Fragen interpretierten und interpretieren seit Beginn des 20. Jh. Exegeten und Kommentatoren wie B OUSSET, Offb, 436f.; CHARLES, Rev II, 144–154, ZAHN, Offb, 593f.; HADORN, Offb, 196–199; LOHMEYER, Offb, 161–163; LOHSE, Offb, 106f.; KRAFT, Offb, 253f., ROLOFF, Offb, 189–192; U.B. MÜLLER, Offb, 340f.; MOUNCE, Rev, 358f.; AUNE, Rev III, 1104–1108, und SATAKE, Offb, 390–392, Apk 20 im Sinne eines temporal zu verstehenden Messiasreiches vor dem Ende der Weltgeschichte.

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reiches auf der Textebene. Die Intention des Verfassers sei es jedoch nicht gewesen, durch die sequentielle Aneinanderreihung seiner Visionen einen chronologischen Ablauf der Endereignisse zu schildern, sondern vielmehr mit Hilfe mythischer Bilder und Vorstellungen eine theologische Sachaussage zu treffen.190 Es gehe nicht um einen zeitlichchronologischen, sondern um einen sachlichen Fortschritt.191 Die Zahl 1000 kann entsprechend nur symbolisch als eine Chiffre für die Fülle und Vollkommenheit des Heils gedeutet werden. Neben diesen beiden Grundvarianten der Millenniumsdeutung unterscheidet Bauer noch die beiden Außenseiter-Positionen von Sickenberger und Beale, zu denen allerdings auch noch Prigent gerechnet werden muss. Sickenbergers Perspektive, die Bauer eine „realistisch-postmillennaristische“ nennt, hält einerseits an einer endgeschichtlichen Perspektive fest, rechnet mit der Parusie jedoch erst nach dem Millennium. Apk 20,4–6 beschreibt s.E. ein himmlisches Geschehen, nämlich den Einzug der Seelen der Märtyrer in den Himmel, was jedoch gleichzeitig ein Signal für die irdische Kirche sei, die nun befreit von satanischer Versuchung eine irdische Zeit des Friedens erfahre, während Christus mit den Märtyrern im Himmel herrsche.192 P. Prigent legte in seinem umfangreichen Kommentar aus dem Jahr 1981, der 2001 ins Englische übersetzt wurde, ebenfalls eine präsentische Deutung des Millenniums vor193 und fand mit G.K. Beale einen nicht minder versierten Mitstreiter für diese Deu190 Vgl. z.B. SCHÜSSLER-F IORENZA, Offb, 131: „Die in dieser Vision geschauten ‚Ereignisse‘ finden nicht in Raum und Zeit statt, sondern gehören in das ‚Jenseits‘ menschlicher Geschichte und werden daher in antiker mythologischer Sprache und Bildwelt dargestellt.“ 191 Zu den Auslegern, die diesem Interpretationsansatz verpflichtet sind, gehören u.a. W IKENHAUSER, Offb, 148–150; MORRIS, Rev, 233–236; GIESEN, Johannesapokalypse (SKK), 158f.; DERS., Offb (RNT), 432.434.441f., SCHÜSSLER-F IORENZA, Offb, 130f., und auch MATHEWSON, Re-Examination, 237ff., der für sich zwar eine Mittelposition beansprucht, mit seiner Ablehnung einer zeitlichen Ausdehnung des Millenniums jedoch faktisch dieser Position zuzuordnen ist. FREY, Millennium, 28–32; DERS., Johannesapokalyse, 532–534.548f., wehrt sich gegen B AUERS Bezeichnung dieser Position als „symbolisch“. Er will die beiden Visionen in Apk 20 und 21f. als „aspektive Darstellung“ derselben Zukunftshoffnung durch zwei verschiedene Heilsbilder verstehen. 192 SICKENBERGER, Offb, 174–177. 193 PRIGENT, Apoc, 552–561. Auch für PRIGENT ist mit Verweis auf Jesu Überwindung des Satan nach Mt 12,29 das Millennium mit Christi erstem Kommen inauguriert, 553.566. „[E]ver since Easter, the reign of God and of his Christ has been made manifest“, 556. Entsprechend empfange auch der Glaubende das ewige Heil jetzt und sofort, 557, und folglich interpretiert PRIGENT Apk 20,4–6 nicht als einen sukzessiven Vorgang, sondern als eine Entsprechung zu Apk 12f. und 17, 554f. In diesen Texten würden Offenbarungen ein und desselben Vorgangs präsentiert, nämlich die Herabkunft des Himmels auf die Erde und die Ermöglichung eines „heavenly life“, 561, was jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Schattierungen geschildert werde, 555. Mit der Vertreibung aus dem Himmel, Apk 12,8f., habe der Satan die entscheidende Schlacht verloren. Er könne der Gemeinde nur noch schaden, sie verfolgen und auch töten, aber ihr nicht mehr das Heil nehmen, 557.567. Apk 20 mit der symbolisch zu verstehenden Zahlenangabe der 1000 Jahre beschreibe die Gegenwart als Herrschaft Christi, der den Satan insofern gebunden hat, als dieser zwar noch zerstörerische Macht behält, aber die Gemeinde nicht mehr von Gott trennen kann, 560. Die auf den ersten Blick

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tung. Auch Beale überraschte die Fachwelt 1999 in seinem monumentalen Kommentar mit einer Revitalisierung der auf Tyconius und Augustin zurück gehenden kirchengeschichtlichen Deutung des Millenniums. Dieses habe bereits begonnen und Apk 20,4–6 berichte von einem zeitgleichen Geschehen in der himmlischen Welt, wo die Seelen der Märtyrer im Rahmen ihres himmlischen Zwischenzustands mit Christus herrschen.194

Die hier umstrittenen hermeneutischen Fragen sind wie bei kaum einem zweiten biblischen Text durch die enorme Interpretations- und v.a. die

chronologisch anmutenden Zahlenangaben und Visionen sind für PRIGENT lediglich unvollkommene Versuche, mit sprachlichen Mitteln und menschlichen Kategorien das Unaussprechliche und Unsagbare auszudrücken, 560. Konsequenterweise muss P RIGENT die Auferstehung der Märtyrer als „spiritual“ im Sinne der johanneischen, präsentischen Eschatologie deuten, 571. Da P RIGENTS These weitgehend jener von BEALE entspricht, erfolgt die Kritik dieser These in Anm. 194 und 207. 194 BEALE, Rev, 972–1021; in gewisser Abwandlung wird seine These auch von MATHEWSON, Re-Examination, 237–251, vertreten. Für diese Perspektive muss B EALE ebenso wie P RIGENT eine Fülle von Annahmen machen, die er mit einer nicht minder großen Fülle von Argumenten zu untermauern versucht. B EALE interpretiert 20,1–6 als eine Vision, die chronologisch weit vor dem Endgericht in 19,11–21 zu platzieren sei. Entsprechend bringt er die Bindung Satans, 20,1–3, mit dem irdischen Wirken Jesu und insbesondere mit Kreuz und Auferstehung in Verbindung, vgl. Mt 12,29/Mk 3,27; Lk 10,17– 19; Joh 12,31–33; Kol 2,15; Hebr 2,14, und deutet die tausendjährige Gebundenheit Satans als die Zeit der Kirche. Freilich kann BEALE diese Gebundenheit im Licht von 2Kor 4,3f.; 11,14; Eph 2,2; 6,11f.; 1Tim 1,20; 2Tim 2,26; 1Petr 5,8 u.v.a.m., nicht als eine völlige Wirkungslosigkeit Satans interpretieren. Vielmehr drücke dies lediglich den Sieg und die Souveränität Jesu über die satanischen Mächte aus, 985ff., welche die Kirche Jesu mit Hinweis auf Mt 16,18f. nicht mehr überwinden können. Die Unmöglichkeit der Verführung der Völker, 20,3, beschränkt B EALE dann lediglich auf jene, welche nach 20,4 das Tier nicht angebetet und sein Zeichen nicht angenommen haben, 986. Den Abyssos deutet BEALE als „one of the various metaphors representing the spiritual sphere in which the devil and his accomplices operate“, 987. Die Freilassung Satans am Ende der figurativ zu verstehenden tausendjährigen Herrschaft der Kirche bildet einen letzten Aufruhr satanischer Macht, der durch die Wiederkunft Jesu beendet wird. Dass in 20,1– 15 nirgendwo von einer solchen die Rede ist, begründet B EALE wieder durch die nichtsequentielle Anordnung der Visionen. Die Auferstehung der Märtyrer während jener tausendjährigen Epoche der Kirche muss B EALE dann konsequenterweise als eine geistliche, nicht-physische Auferstehung ihrer „Seelen“ im Himmel deuten, vgl. auch 1008– 1011, wobei B EALE „Seelen“ als betonten Gegenbegriff zu den irdischen „Körpern“ versteht, 998. Ihre Herrschaft ist somit eine geistliche und im Himmel lokalisierte Herrschaft mit Christus über den Teufel, 991ff. Eine Konsequenz dieser Konzeption ist, dass BEALE in 20,4f. eine geistliche Auferstehung der Märtyrer und eine physische Auferstehung „der übrigen Toten“ nach dem Millennium, V. 5, unterscheiden muss, was er zwar mit zahlreichen Argumenten, aber dennoch wenig überzeugend zu begründen versucht, 1003ff. Insgesamt listet B EALE zwar eine erstaunliche Fülle von Aspekten für seine Sicht auf, aber er kann den Eindruck einer äußert gezwungenen Konstruktion, die der Abwehr bestimmter Formen des amerikanischen Millennarismus verpflichtet ist, nicht verdrängen.

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Wirkungsgeschichte195 dieser Verse belastet. Die Auseinandersetzungen um die verschiedensten Formen des christlichen Chiliasmus196 und die daraus resultierenden Bekenntnisaussagen197 waren für eine unvoreingenommene Exegese der Verse stets hinderlich. Diese historisch bedingte Spannung zwischen textorientierter Exegese und dogmatischer Bindung brachte in aller Deutlichkeit Johannes Weiß anno 1908 zum Ausdruck: „So lange der Glaube an die Inspiration der Bibel zu Recht besteht, hat auch diese Meinung [sc. der Chiliasmus] ihr theoretisches Recht, und es ist eine großartige, aber gesunde Inkonsequenz der Kirche gewesen, daß sie den Chiliasmus einfach abgelehnt hat, obwohl er soviel Schriftgrund hat wie nur irgend eine Kirchenlehre.“198 Fragezeichen ranken sich auch um die Zeitangabe von 1000 Jahren. Sind diese 1000 Jahre tatsächlich temporal oder eher metaphorisch zu verstehen? Wenn sie temporal zu verstehen sind, welchen Sinn hätte dann ein solches Zwischenreich im Verhältnis zum neuen Himmel und der neuen Erde, die in Apk 21,1–22,5 entfaltet werden und in denen die endzeitlich Geretteten nach 22,5 ebenfalls eine ewige Herrschaft antreten? 195

Es war nicht nur die den Text belastende Wirkungsgeschichte, die zu einer nichtbzw. anti-chiliastischen Auslegungstradition führte, sondern auch die ab dem 3. Jh. n.Chr. mehr und mehr dominierende hellenistische, amaterialistische, spiritualistische und platonisierende Deutungslinie der alexandrinischen Theologie. Während wir bei Papias, Justin, Irenaeus, Melito, Tertullian, Hippolytus und Methodius noch ganz selbstverständlich eine chiliastische Deutung finden, wobei bereits bei Justin, Dial 80,2–5, und Irenaeus, Haer 5,31.1; 32.1, Christen erwähnt werden, die ihre Auffassung nicht teilten, gewinnt angefangen bei Gaius von Rom über Dionysius von Alexandrien, Tyconius, Euseb bis hin zu Augustin die anti-chiliastische Interpretation die Oberhand; vgl. zum Ganzen, MAIER, Johannesoffenbarung, 1–171, und B LUM, Art. Chiliasmus II, 729–733. 196 Vgl. dazu MAIER, Johannesoffenbarung, passim; F REY, Millennium, 50–67; B ÖCHER/B LUM/KONRAD/B AUCKHAM, Art. Chiliasmus I–IV,723–745. Zum Begriff „Chiliasmus“ bzw. „Millennarismus“ siehe auch B AUER, Messiasreich, 2, Anm. 3. 197 Vgl. z.B. CA XVIII: „Damnant et alios, qui nunc spargunt iudaicas opiniones, quod ante resurrectionem mortuorum pii regnum mundi occupaturi sint, ubique oppressis impiis“; sowie die Confessio Helvetica posterior, XI: „Damnamus praeterea Judaica somnia, quod ante iudicii diem aureum in terris sit futurum saeculum, et pii regna mundi occupaturi, oppressis suis hostibus impiis.“ 198 WEISS, Offb, 675. Ähnlich konsequent inkonsequent formuliert es LOHSE, Offb, 107: „Die in Offb. 20 ausgesprochene Erwartung des Tausendjährigen Reiches kann nur von den ihr zugrunde liegenden jüdischen Vorstellungen her verstanden werden. Sie kann aber nicht verbindlicher Inhalt christlicher Lehre und Verkündigung sein.“ Auch im katholischen Raum wirkte sich die Stigmatisierung des Chiliasmus durch lehramtliche Vorgaben hemmend auf die Exegese aus, vgl. hierzu das Decr. S. Officii vom 19. (21.) Juli 1944 (DS 3839). Der zunehmende Druck durch religions- und traditionsgeschichtliche Einsichten verleitete auch hier viele Ausleger dazu, Zuflucht in der kaum reflektierten Unterscheidung zwischen der Textebene und der Verfasserintention zu nehmen; vgl. B AUER, Messiasreich, 26, Anm. 41.

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Auch die einzelnen Verse von 20,4–6 enthalten eine Fülle von Problemen. So ist schon rätselhaft, wer auf den in V. 4 erwähnten Thronen Platz nimmt und damit das Subjekt von evka,qisan ist. Fraglich ist weiter, ob die Thronenden identisch sind mit jenen, die mit dem dativischen Personalpronomen auvtoi/j bezeichnet werden, und ob das kri,ma ein Urteil bzw. Richtspruch über diese Gruppe oder durch sie ist, oder ob hier lediglich die Legitimation zum Treffen eines kri,ma im Sinne einer Vollmacht zum Richten gemeint ist. Wenn die erste Option zutrifft, was wäre das dann für ein Urteil, das die auvtoi, empfangen? Wenn die zweite Option zutrifft, wen würden sie dann richten? Desweiteren geht aus V. 4 nicht eindeutig hervor, ob die vier grammatisch unterscheidbaren Gruppen derer, die (1) auf den Thronen Platz nehmen, die (2) das kri,ma empfangen, die (3) als Blutzeugen enthauptet wurden und die (4) das Tier nicht angebetet und keine Kennzeichnung akzeptiert haben, ein und dieselbe Gruppe bezeichnen oder unterschiedliche Personenkreise darstellen und – wenn ja – wie viele. Schließlich begleitet uns auch in diesen Versen die bereits bekannte Frage nach dem Sinn des Priestertitels und der Herrschaftsfunktion, welche die i``erei/j hier übernehmen. Schon die Aufzählung der zahlreichen Fragen flößt Respekt ein, macht aber gleichzeitig deutlich, dass eine Antwort auf die Frage nach der Identität der Priesterschaft in 20,6 nicht zu bekommen ist, ohne einen bestimmten Horizont im Blick auf die anderen Fragen. Der erste Schritt auf dem Weg zur zumindest ansatzweisen Klärung der Fragen führt über die traditionsgeschichtliche Rückfrage nach den Hintergründen und Traditionen, auf die der Autor zurückgegriffen hat, um seinen Visionen einen angemessenen Ausdruck zu verleihen. Hierbei spielen die endzeitliche Ereignisfolge in Ez 37–48, die inhaltlichen Parallelen in zwei etwa zeitgleich zur Johannesapokalypse entstandenen jüdischen Apokalypsen und die jüdischen Weltzeitspekulationen eine wesentliche Rolle. 4.1.1 Die Ereignisfolge von Ez 37–48 und Apk 20f. Bereits ein erster Blick in die Konkordanz zeigt, dass Johannes nicht nur eine Fülle apokalyptischer Motive und Begriff aus dem Ezechielbuch übernommen hat,199 sondern in Apk 19,11–22,5 auch den Rahmen und die grobe Ereignisfolge von Ez 37–48.200 Vor dem Hintergrund dieser Anleh199 Parallele Motive finden sich bereits in der Vision des Gottesthrons, bei dem sich der Seher stark an Ez 1–3 und Ez 10 anlehnt, oder in der Metapher der „Hure(n)“, die in Ez 23 entfaltet wird und eine Aufnahme in der „Hure Babel“ in Apk 17,1–19,10 findet. Die Beschreibung des antichristlichen Babylon in Apk 18 erinnert an die Worte gegen Tyrus in Ez 26–28. Von Ez 37 an finden sich dann die Motive der Auferstehung, Ez 37,1–14, des Vogelmahls, Ez 39,17ff., sowie die Namen Gog und Magog, Ez 38f., in der Apokalypse wieder. 200 Entsprechende Vergleichstabellen finden sich bei FREY, Millennium, 33; DERS., Johannesapokalyse, 518, und B AUER, Messiasreich, 20.352; vgl. auch MATHEWSON, Re-

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nung ist es offensichtlich, dass Ez 37–48 vom Seher als eine verbindliche Grundlage im Blick auf die Verheißungen für das endzeitliche Gottesvolk betrachtet wurde. So entspricht die Auferweckung der Märtyrer in 20,4 der Vision von der Wiederbelebung der Totengebeine in Ez 37,1–14; der Herrschaft der Märtyrer mit Christus korrespondiert die davidische Herrschaft über das wiedervereinigte und gesammelte Israel; die letzte Erhebung Satans, der nach 20,7–10 mit Hilfe von Gog und Magog gegen Jerusalem, die „geliebte Stadt“, zieht, nimmt unzweideutig Ez 38f. auf,201 und das neue Jerusalem in Apk 21,1–22,5 erinnert in vielen Details an die Beschreibung des eschatologischen Tempels in Ez 40–48.202 So sehr der Rahmen von Apk 20f. durch Ez 37–48 geprägt ist, so deutlich sind auch Abweichungen und Unterschiede zu beobachten.203 Hinzu kommt, dass der Seher die ezechielischen Motive nicht nur wesentlich knapper und reduzierter ausführt, sondern sie großzügig mit Motiven aus anderen atl. Texten ergänzt.204 Die ezechielische Heilszeit wird zwar durch den Ansturm Gogs und Magogs unterbrochen, aber die Schilderung des neuen Tempels in Ez 40–48 stellt keine chronologisch gesonderte Epoche zu der in Ez 37,15–28 beschriebenen nationalen Heilszeit dar.205 Eine Begrenzung des messianischen Reiches findet sich weder bei Ezechiel noch bei Daniel, sondern erst im 4. Esra- und 2. (syrischen) Baruchbuch. Von entscheidender Bedeutung ist aber, dass der Seher alle auf die nationalstaatliche Restitution Israels bezogenen Elemente aus Ez 37–48 konsequent universalisiert, christianisiert und christologisch überarbeitet Examination, 240f. Ausführlich analysiert B ØE, Gog, 274–345, die Verarbeitung der Gog-Magog-Tradition aus Ez 38f. in Apk 19,11–21,8. 201 Anders als in Ez 38f. benützt Johannes „Gog“ nicht mehr als Personenbezeichnung, sondern als Völkernamen. 202 Bereits die Perspektive des Sehers, der das neue Jerusalem von einen „hohen Berge“ aus zu sehen bekommt, Apk 21,9f., entspricht Ez 40,2. Der quadratische Grundriss Jerusalems, Apk 21,16, erinnert unschwer an Ez 48,16; die zwölf Tore von Apk 21,12f. finden sich bereits in Ez 48,30–35, und schließlich erinnert auch der Strom von Lebenswasser, Apk 22,1f. an die Tempelquellen in Ez 47,1–12. 203 Vgl. B ØE, Gog, 299.343.387; FREY, Johannesapokalypse, 519. So wird das Gericht mit dem Motiv des Vogelmahls, das in Ez 39,17–20 auf Gog und Magog zielt, in der Apokalypse bereits in dem auf die Parusie Christi folgenden Gericht eingefügt, und das Motiv der allgemeinen (zweiten) Totenauferstehung zum Gericht, Apk 20,11–15, findet sich bei Ezechiel ebensowenig wie ein „Zwischenreich“ analog zu Apk 20,4–6. 204 Vgl. z.B. Jes 24,21f. mit Apk 20,1–3.7–10 für die Fesselung und Vernichtung des Drachen; Dan 7,9–12.22 mit Apk 20,4.11–15 für die Gerichtsszene zu Beginn des messianischen Reiches und beim großen Weltgericht; Dan 12,1–3 mit Apk 20,13f. für die Totenauferstehung zum Gericht und Jes 60–65 mit Apk 21,1–22,5 für die Beschreibung der neuen Schöpfung und des neuen Jerusalem. 205 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 318f. Für die ezechielische Heilszeit ist im Übrigen auch im Unterschied zum „nur“ 1000 Jahre währenden Millennium eine immer währende Dauer prognostiziert, Ez 37,25–28.

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hat.206 So ist in Ez 37 weniger von einer Auferstehung von Individuen im christlichen Sinn die Rede als vielmehr von einer kollektiven Wiederbelebung Israels. Während in Ez 40–48 die Beschreibung ganz und gar vom neuen Tempel dominiert wird und Jerusalem allenfalls als Standort bzw. Umgebung des Tempels in den Blick kommt, beschreibt Johannes das neue Jerusalem als eine Stadt, in der kein Tempel mehr steht (Apk 21,22), die aber selbst als Ganze tempeltheologische Züge trägt. Verglichen mit Ez 40–48 wurden auch die kultischen Züge transformiert, weil das neue Jerusalem mit der vollkommenen und unmittelbaren Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch vom Seher als die Erfüllung des Kultes betrachtet wird. Bei aller Orientierung an einem offensichtlich für Johannes verbindlichen ezechielischen Endzeitschema reflektiert die Schilderung der Apokalypse doch ein letztlich eigenständiges Szenario, das weit über die traditionellen Vorgaben hinausgeht und diese selbstbewusst präzisiert, reduziert oder auch modifiziert.207 4.1.2 Zwischenreiche in der jüdischen Apokalyptik Während sich der äußere Rahmen und mit gewissen Einschränkungen auch die Ereignisfolge von Ez 37–48 her erklären lassen, bleiben wesentliche Inhalte in Apk 19,11–22,5 ohne atl. Vorbild. Dies gilt nicht nur für die Vision der universalen Totenauferstehung (Apk 20,11–15), sondern auch für die Vision des neuen Jerusalem (Apk 21,1–22,5) und eben auch für die Vision eines zeitlich begrenzten messianischen Zwischenreiches, in dem mindestens die Märtyrer der Endzeit zusammen mit Christus herrschen werden (Apk 20,4–6).208 Die atl. Eschatologie schildert einerseits in einer 206

B ØE, Gog, 379–382. B ØE, Gog, 381. B AUER, Messiasreich, 251, stellt die Orientierung an Ez 37–48 grundsätzlich in Frage. Zwar leugnet er nicht, dass die Motive ezechielischen Ursprungs sind, meint aber, dass sich der Verfasser in der Komposition des endzeitlichen Szenarios an einem längeren, zusammenhängenden Traditionsstück orientiert hat, das bereits die wesentlichen Motive von Apk 19,11–21,8 enthalten habe, vgl. dazu a.a.O., 251–254. Ganz anders BEALE, Rev, 976–980, der in Ez 38f. die verbindliche Vorlage für die Rekapitulation der letzten Schlacht in Apk 19,17–21; 20,8–10 und bereits schon 16,12–16 entdecken möchte. Nach B EALES Auffassung ist deshalb die Vision 20,1–6 grundsätzlich vor dieser einen, in allen drei Texten rekapitulierten Schlacht einzuordnen. BEALE findet in Ez 37–48 eine vierstufige Ereignisabfolge: Auferweckung des Volkes Gottes, messianisches Reich, endzeitliche Schlacht, neuer Tempel und neues Jerusalem. Diese stellt für ihn auch die maßgebliche Ereignisfolge für die Darstellung der Johannesapokalypse dar. Er muss dabei jedoch zum einen auf die These von MEALY, Thousand Years, 131f.187, zurückgreifen, der in Ez 38 und 39 zwei unterschiedliche Prophetien sieht, vgl. dazu auch B ØE, Gog, 377, und zum anderen höchst hypothetische Umstellungen der Visionenfolge in Apk 19–22 vornehmen, um am Ende zu seiner kirchengeschichtlichen Deutung des Millenniums zu gelangen, vgl. a.a.O., 979f. 208 Für die Fesselung des Satan bzw. des Drachen findet sich im Alten Testament aufgrund der Motivähnlichkeit nur Jes 24,21f. als entfernte Parallele. Das Motiv von der 207

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Reihe von Texten bildreich eine zwar irdische und doch gleichzeitig alle irdischen Verhältnisse weit überragende Heilszeit209 und kennt andererseits auch Texte, die im Eschaton eine universale Gottesherrschaft verkündigen.210 Jedoch ist sowohl eine den alten Äon vollständig ablösende und transzendierende, universale, vollkommene und ewige Weltzeit211 als auch eine diesem neuen Äon vorgeschaltete messianische Zwischenzeit im Alten Testament so noch nicht bekannt. Parallelen zu dieser Verschmelzung einer irdischen Heilszeit mit einem auf diese folgenden neuen Äon einer universalen und ewigen Gottesherrschaft finden sich erst in der frühjüdischen Apokalyptik und zwar in zwei jüdischen Apokalypsen, die interessanterweise etwa zeitgleich mit der Johannesapokalypse entstanden sind.212 Möglicherweise als Vorläufer der nachfolgend dargestellten Apokalypsen kann die Zehnwochenapokalypse des äthiopischen Henochbuches gelten.213 Sie unterteilt die Weltgeschichte in zehn Epochen, sog. „Wochen“. In der achten Wochen wird eine Herrschaftszeit der Gerechten und ein Gericht der Gerechten an den Ungerechten geschildet (91,12f.), auf die in der neunten Woche ein universales Weltgericht folgt, im Zuge dessen die alte Erde mit allem Bösen dem Untergang preisgegeben wird (91,14). In der zehnten Woche folgt noch ein Gericht an den Engeln. Dann vergeht der erste Himmel und es erscheint ein neuer Himmel mit ewiger Gerechtigkeit und ohne Sünde (91,15–17). Die Darstellung des endzeitlichen Szenarios ist hier auffallend knapp, auf das nötigste reduziert und gleichzeitig von deutlichen Zäsuren geprägt, die zwischen der Heilszeit in der Bindung der Unheilsmacht ist jedoch auch in äthHen 10,4–6; 18,12–19,3; 21,1–10; 54,4– 6; 88,1; TestLev 18,12 belegt, wo u.a. von der Bestrafung Asasels bzw. der Anführer der gefallenen Engel, vgl. Gen 6,1–4, die Rede ist. Singulär ist freilich die erneute Freilassung des Widersachers, für die es in der jüdischen Apokalyptik keine Parallelen gibt; vgl. hierzu auch die Vergleichstabelle bei B AUER, Messiasreich, 186. Eine religionsgeschichtliche Parallele findet sich auch in der iranischen Mythologie des Parsismus, wo die Schlange Azi-Dahâka für 1000 Jahre im Berg Demavend gefesselt wird. Am Ende der Tage befreit sie sich, wird aber kurz darauf endgültig getötet; vgl. B OUSSET, Offb, 436; GUNKEL, Schöpfung und Chaos, 91–95; B IETENHARD, Reich, 51f. 209 Neben Ez 37,15–28, vgl. auch Jes 2,2–5/Mi 4,1–5; Jes 11,6ff.; 65,17–25; Ez 36,8– 11. 210 Vgl. Jes 24–27; 65f.; Dan 2; 7. 211 Vgl. aber Dan 7; äthHen 16,1; 18,16; 21,6; Jub 1,29; slHen 65,7f.; 66,6f. 212 Neben den im Folgenden genannten Texten könnte man auch noch Sib 3,652–731 nennen, wo zunächst von einem König die Rede ist, der dem Krieg ein Ende macht, indem er einen Teil der Feinde tötet und mit dem anderen sichere Verträge schließt, 3,652– 655. Es wird sodann von einem Tempel des großen Gottes berichtet, der vor Reichtum strotzt, aber gleichzeitig den Neid der Könige der Völker provoziert, die in der Folge einen Aufstand gegen den König, die Stadt und den Tempel machen. Daraufhin vollzieht Gott ein umfassendes und detailliert beschriebenes Gericht über ihnen, 3,669–697. Anschließend erleben die Söhne Gottes, die um den Tempel herum wohnen, eine irdische Heilszeit, und freuen sich an den Gaben Gottes, des gerecht richtenden Alleinherrschers, 3,702–731. 213 Zu den Datierungs- und Einleitungsfragen der Zehnwochenapokalypse →III.2.3.3.

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achten Woche und dem neuen Himmel in der zehnten Woche ein universales Weltgericht in der neunten und ein Engelgericht am Beginn der zehnten Wochen ankündigt. Es fehlt allerdings jeglicher Hinweis auf einen Messias.

In 4Esr 7,26–44 ist von einem 400 Jahre währenden messianischen Reich die Rede, in dem Menschen leben, die aus den zuvor prophezeiten Plagen gerettet wurden (V. 27). Der Messias wird sich in dieser Zeit offenbaren und allen Übriggebliebenen Freude schenken (V. 28). Am Ende dieser 400jährigen Freudenzeit werden jedoch sowohl der Messias als auch alle übrigen Menschen sterben (V. 29). Es tritt ein siebentägiges „Schweigen der Urzeit“ ein (V. 30), bis dann der neue Äon erwacht und die Vergänglichkeit selbst vergeht (V. 31). Es folgt eine universale Auferstehung zu einem Gericht nach Werken (V. 32–36), das einen doppelten Ausgang findet (V. 37f.44).214 Eine ganz ähnliche Vision findet sich auch noch in 4Esr 12,31–34. Dort erscheint nach einer endzeitlichen Drangsalszeit der davidische Messias, den Gott bewahrt hat „für das Ende der Tage“ (V. 32). Es findet eine Gerichtsszene mit dem Aufweis der Ungerechtigkeit der Gottlosen statt, die mit ihrer Verurteilung und Vernichtung endet (V. 33). Der Rest des Gottesvolkes, „das im Lande übrig geblieben ist“, wird erlöst und in Freude leben, bis es erneut zu einem Gericht kommt, das mit dem Ende der Welt zusammenfällt (V. 34). Auffällig ist hier die fast exakte Ereignisfolge im Vergleich zur Johannesapokalypse und dabei v.a. die beiden Gerichte, zwischen denen sich eine Heils- und Freudenzeit erstreckt. In der syrischen Baruchapokalypse ist das endzeitliche Geschehen auf verschiedene Abschnitte des Buches verteilt. Zunächst wird in c. 27f. von weltweiten Plagen, Drangsalen und Katastrophen berichtet, die viele Menschen nicht überleben werden. Es folgt dann die Offenbarung des Messias (vgl. auch 39,7–40,2); die beiden Seeungeheuer Behemoth und Leviathan werden zur Speise für die Übriggebliebenen dienen215 und es folgt eine irdische Heilszeit, die in üppigen Farben und Bildern beschrieben wird (29,3–8). Am Ende dieser Heilszeit wird der Messias in den Himmel zurückkehren (30,1), es folgt die Auferstehung der Gerechten und die Furcht der Gottlosen vor dem Untergang (30,2–5; vgl. auch ausführlich c. 50f.). Nach 72,2–6 wird der Messias ein Gericht über die Völker halten, das sich an deren Haltung zu Israel entscheiden wird.216 Anschließend kehrt Frieden in das Königreich Gottes ein. Wonne und Ruhe werden erscheinen und es 214

Vgl. hierzu auch die Vergleichstabelle bei FREY, Johannesapokalypse, 515f. In syrBar 40,1 wird nach der Offenbarung des Messias der letzte Regent, der dann noch existiert, vom Messias zur Rede gestellt, bevor er von ihm getötet wird. 216 Hier wird deutlich, wie die Äonenlehre der syrischen Baruchapokalypse die jüdisch-nationale Eschatologie nicht einfach verdrängt, sondern diese vielmehr integriert. Sie ist nicht so sehr am individuellen Ergehen des Einzelnen im Eschaton interessiert als vielmehr an der nationalen Zukunft Israels; vgl. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 319. 215

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wird Gesundheit herabsteigen und Krankheit vergehen (vgl. Jes 11,6ff. und 65,17–25). Diese Zeit „wird das Ende dessen sein, was vergänglich ist, und der Beginn von dem, was unvergänglich ist“ (74,2; vgl. auch 40,3). Die entscheidende Zäsur ist wie in 4Esr 7,30f. der Übergang von der irdischzeitlichen Vergänglichkeit des messianischen Reiches in die ewige Unvergänglichkeit des neuen Äons. Die grobe Ereignisabfolge in diesen Apokalypsen entspricht jener in der Johannesapokalypse: In den endzeitlichen Wirren erscheint der Messias und besiegt den bzw. die Gegenspieler Gottes. Es folgt ein irdisches, messianisches Reich bevor es zur allgemeinen Auferstehung und dem Anbruch des neuen und ewigen Äons kommt. Die Mehrzahl der Motive, in denen das messianische Zwischenreich skizziert wird, gehen auf die ältere atl.-messianische Reich-GottesErwartung zurück,217 welche die Heilsvollendung auf Erden im Rahmen vollkommener, jedoch irdischer Lebensbedingungen erhofft. Diese messianisch bestimmte Heilserwartung kannte noch nicht die Unterscheidung zwischen einem messianischen Reich unter irdischen Bedingungen und dem neuen Äon eines neuen Himmels und einer neuen Erde.218 Eine ausgeprägte Zwei-Äonen-Lehre wird erst im Frühjudentum und im Neuen Testament greifbar, wo dem alten Äon der von Sünde korrumpierten Vergangenheit und Gegenwart ein neuer, künftiger Äon des ewigen Heils als Hoffnungsgut entgegengesetzt wird.219 Im Licht dieses traditionsgeschichtlichen Hintergrundes sind für Apk 20,1–15 nun eine Reihe von Beobachtungen von Bedeutung: (1) Die unterschiedlichen frühjüdischen und -christlichen Apokalypsen sind etwa zeitgleich entstanden und lassen sich grob auf die Epoche nach dem Jüdischen Krieg bis zur Mitte des 2. Jh. datieren. So sehr sie gemeinsame Themen und Motive aufgreifen und verarbeiten, so unabhängig sind sie gleichzeitig in literarischer Hinsicht voneinander. Bei der Behauptung

217 Vgl. dazu v.a. die Erwartung eines messianisch-davidischen Reiches in 2Sam 7,12–14; Ps 72,8–15; Am 9,11f.; Mi 4,7f.; 5,1; Jes 9,5f.; 11,1–12; Jer 23,3–6; 33,14–22; Ez 37,21ff.; Sach 14,5–17 u.ö., verbunden mit einer geistlichen Erneuerung, vgl. v.a. Jer 31,31–34 und Ez 36,24–36, und äußerlichem Frieden, vgl. Jes 2,2–4; Mi 4,3ff., Naturharmonie, vgl. Jes 11,6ff.; 65,25, und umfassendem Wohlstand, vgl. Ez 36,8–11; Jes 65,17–25. 218 Als charakteristisch für diese Nicht-Unterscheidung kann Jes 65,17–25 gelten. Diese Vision eines neuen Himmels und einer neuen Erde trägt einerseits sehr irdische Züge, wie die Geburt von Kindern und das Sterben, wenn auch erst in hohem Alter, und andererseits Züge einer letzten Vollkommenheit, die in den eschatologischen Konzeptionen der Apokalyptik zwischen dem messianischen Reich und dem neuen Äon aufgeteilt werden. 219 Vgl. äthHen 71,15; TestJud 25f.; 4Esr 7,50; 8,1; grBar 44,8–15; im Neuen Testament siehe Mt 12,32; Mk 10,30/Lk 18,30; 1Kor 10,11; 2Kor 4,4; Eph 1,21; Hebr 9,26.

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von Abhängigkeiten und Traditionslinien ist deshalb größte Vorsicht geboten. (2) Alle erwähnten Apokalypsen knüpfen an die atl. Erwartung eines irdisch-messianischen Friedensreichs an, das jedoch nirgendwo von der Hoffnung auf einen neuen Äon einfach überlagert oder in diesen „hineingezogen“ wird, sondern diesem immer vorangeht. Die Johannesapokalypse geht hier nur insofern eigene Wege, als sie weder das messianische Reich nationalistisch, noch das Zwei-Äonen-Schema dualistisch verengt.220 Es ist auffallend, dass das messianische Reich in 20,4–6, im Unterschied z.B. zu syrBar 72,2–6, keinerlei national-israelitische bzw. jüdische Charakteristika trägt. Das Kriterium der Zugehörigkeit zum neuen Äon ist die Treue zu Christus bzw. zum Wort Gottes und die Unbeugsamkeit im Blick auf die antichristliche Proskynese und Kennzeichnung. Ethnische Kategorien spielen keinerlei Rolle mehr. (3) Die entscheidende Zäsur zwischen dem irdisch-messianischen Friedensreich und dem neuen Äon ist in allen Apokalypsen der Übergang von der irdisch-zeitlichen Vergänglichkeit in die ewige Unvergänglichkeit. Während das Zwischenreich sowohl in 4Esr 7,29 als auch in syrBar 73,3 noch von der Sterblichkeit geprägt ist, kennt der neue Äon keine Vergänglichkeit und keinen Tod mehr (vgl. 4Esr 7,31; syrBar 74,2). Hier unterscheidet sich die Johannesapokalypse insofern von den jüdischen Apokalypsen als zumindest die Märtyrer bereits Teilhaber an der ersten Auferstehung sind und den zweiten Tod nicht mehr erleiden müssen. Dennoch scheint die irdische Zeitlichkeit ein gemeinsames Charakteristikum aller Zwischenreichskonzeptionen zu sein. Das Problem des Todes ist in keinem Entwurf bereits endgültig gelöst und in der Johannesapokalypse gilt dies im Blick auf die Märtyrer lediglich exzeptionell, da das große Totengericht noch aussteht, wo auf viele noch der „zweite Tod“ wartet. Offensichtlich 220 Wenn in der exegetischen Literatur, z.B. bei SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 320; LOHSE, Offb, 106; U.B. MÜLLER, Offb, 334; ROLOFF, Offb, 190f.; HOLTZ, Offb, 128, u.ö. von einer Harmonisierung bzw. Verschmelzung der prophetisch-nationalen Hoffnung auf ein irdisch-messianisches Reich mit der jüdisch-universalen Vorstellung der zwei Äonen die Rede ist, so trifft dies nur bedingt den Sachverhalt. Richtig ist, dass sich in der Darstellung der Johannesapokalypse Elemente beider Konzeptionen wiederfinden, aber doch noch einmal in ganz eigener Weise verarbeitet werden. Völlig an der Sache vorbei geht der Vorwurf, das Millennium könne nur von den Voraussetzungen der jüdischen Theologie her verstanden werden, so z.B. HOLTZ, Christologie, 182f. Vielmehr fällt gerade das erstaunlich unjüdische Ambiente dieses Reiches auf. Einzig die Erwähnung der „geliebten Stadt“ in 20,9 erinnert an Jerusalem als ein potentielles jüdisches Nationalsymbol, nennt aber den Namen der Stadt gerade nicht; vgl. B ØE, Gog, 330–333.380, und B AUCKHAM, Climax, 83: „… the author's use of such traditions is not to be explained by his dependence on Jewish apocalypses known to us. […] they might be adapted in highly creative ways to the author's own purposes (as is usually the case in the Apocalypse of John).“

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konnte das Ende und die völlige Abwesenheit des Todes nur im Rahmen eines neuen Äon bzw. eines neuen Himmels und einer neuen Erde ausgesagt werden (vgl. Apk 21,4). Aufgrund der signifikanten Unterschiede zwischen dem irdischmessianischen Friedensreich und dem neuen Äon wäre es verfehlt, einfach von einer Doppelung der Heilszeiten zu reden. Vielmehr handelt es sich im Blick auf das Problem des Todes bzw. der irdischen Vergänglichkeit um sehr unterschiedliche Grundbedingungen. (4) Die Darstellung des Millenniums in der Johannesapokalypse geht im Vergleich mit den frühjüdischen Apokalypsen deutlich eigene Wege. Hier ist von einem Tod des Messias nicht mehr die Rede. Der Grund dafür liegt in der ntl. Messianologie bzw. Christologie. Die Johannesapokalypse redet anders als die jüdischen Apokalypsen nicht mehr anonym von einem Messias, sondern sie spricht von Jesus Christus und verortet ihn eindeutig auf der Seite Gottes. Es ist die Göttlichkeit des Messias Jesus Christus, welche die Johannesapokalypse deutlich von den jüdischen Apokalypsen abhebt und sie als dezidiert christliche Apokalypse auszeichnet.221 Das „Lamm Gottes“ ist bereits „geschlachtet“ und ist nunmehr der Träger des ewigen Lebens. Die Beschreibung des Millenniums ist in der Johannesapokalypse auf das äußerste reduziert. Im Grunde erfahren wir nur, dass in diesem Reich die treuen christlichen Märtyrer und Bekenner rehabilitiert werden und mit Christus 1000 Jahre als „Priester Gottes und Christi“ herrschen und dabei nicht mehr verführt oder verfolgt werden. Mehr ist den Versen nicht zu entnehmen und mehr sollte auch nicht in sie hineingelesen werden. So sind wir auch nicht legitimiert, atl. Heilsbilder in dieses Millennium hineinzuprojizieren, wie es in der Tradition des Dispensationalismus gerne mit Texten wie Jes 2,2–5 und 11,6–10 gemacht wird. Auch eine Füllung des Millenniums mit einer besonderen Israeleschatologie hat keinerlei Grundlage in diesen Versen.222 Es fehlt jegliche „paradiesische“ Ausmalung dieses Reiches durch Motive einer erneuerten Schöpfung, landwirtschaftlicher Fruchtbarkeit oder politischer Neuordnung, wie sie die jüdischen Parallelen bieten.223 Verglichen mit der umfangreichen Reflexion der von antigöttlichen und 221 Vgl. B IETENHARD, Reich, 182: „Grundsätzlich von allen jüdischen Lehren über ein Messiasreich unterscheidet er sich dadurch, dass Jesus Christus sieghaft im Mittelpunkt der Darstellung steht: der wiederkommende Herr, der König des Millenniums, ist derselbe Jesus von Nazareth, der als das Lamm gestorben ist und als der Löwe aus dem Stamme Juda überwunden hat. […] Aus diesem Grund kann man schlechterdings die Weissagung vom tausendjährigen Reich nicht ein jüdisches Residuum innerhalb der Apk nennen.“ 222 So mit Recht FREY, Johannesapokalypse, 538. 223 Vgl. syrBar 29; 73f.; 4Esr 7,26–28; 12,34.

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christlichen Mächten bestimmten Gegenwart und der relativ ausführlichen Darstellung des neuen Himmels, der neuen Erde und des neuen Jerusalems in Apk 21,1–22,5, hat das Millennium ein sehr geringes „Eigengewicht“. Es war die Auslegungsgeschichte, die das „karge Millennium“ des Sehers mit paradiesischen Motiven und – z.B. im Dispensationalismus – auch mit der Idee eines nationalstaatlich restituierten Israel auffüllte. Die Knappheit der Beschreibung steht jedenfalls in einem umgekehrt reziproken Verhältnis zur theologischen Debatte, die seit 2000 Jahren um diese Frage geführt wird. (5) Nimmt man diese Beobachtungen zusammen, dann steht die Konzeption des Millenniums in formaler Hinsicht zweifellos in der Tradition der jüdischen Apokalyptik. Doch ebenso wie der Seher nur den groben Rahmen und Ablauf des endzeitlichen Szenarios in Ez 37–48 als verbindlich erachtete und diesen dann sehr eigenständig und inhaltlich unabhängig entfaltete, so nimmt er in gleicher Weise zahlreiche millennaristische Motive jüdischer Schriften auf, verarbeitet diese aber wiederum in großer Eigenständigkeit, Freiheit und Souveränität. So traditionell viele Motive auf der einen Seite wirken, so originell ist dieser Entwurf auf der anderen Seite. Inhaltlich geht der Seher ganz eigene, ja einzigartige Wege, die aufgrund der starken Reduktion auf nur wenige Motive und den Verzicht auf jedes schmückende Beiwerk analogielos sind. 4.1.3 Die 1000 Jahre im Licht jüdischer Weltzeitspekulationen Ein weiterer Beleg für die Eigenständigkeit der Johannesapokalypse ist die Tatsache, dass die in Apk 20,4–6 erwähnte tausendjährige Dauer des messianischen Reiches in keiner vorchristlichen, atl. oder frühjüdischen Schrift belegt ist. Erst in der nachchristlichen koptischen Apokalypse Elias ist dann in deutlicher Abhängigkeit von Apk 20,4–6 von einer tausendjährigen messianischen Heilszeit die Rede.224 Es wurde immer wieder erwogen, dass die zeitliche Begrenzung des messianischen Reiches auf die Dauer von 1000 Jahren auf dem Hintergrund der jüdischen Weltwochenspekulation zu verstehen sei.225 Ausgehend von Ps 90,4 („1000 Jahre sind vor dir

224 Kopt ApkEl 43,8ff.: „An jenem Tage kommt aus dem Himmel der Messias, der König mit allen Heiligen. Er verbrennt die Erde und verbringt tausend Jahre auf ihr, weil die Sünder auf ihr geherrscht haben. Er wird einen neuen Himmel schaffen und eine neue Erde, und kein Teufel … ist unter ihnen. Er wird König sein mit den Heiligen …“; Übersetzung nach SCHRAGE, Elia-Apokalypse, 273f. 225 Im Frühjudentum wird die Dauer eines irdischen Messiasreiches unterschiedlich angegeben. Es finden sich Angaben, die mit einer Zeitspanne von 40, 60, 70, 100, 354, 365, 400, 600, 1000, 2000, 4000, 6000 und 7000 Jahren rechnen; vgl. dazu die bei B ILL. 3,824–827 gesammelten Belege, die systematisierende Übersicht in 3,826 und den umfangreichen Exkurs 29 in 4/2,799–976; B ÖCHER, Art. Chiliasmus I, 726; PRIGENT, Le

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wie der Tag, der gestern vergangen ist“, vgl. 2Petr 3,8) leiten jüdische Schriften aus der Schöpfungswoche eine 7000jährige Dauer der Weltgeschichte ab, die nach 6000 Jahren in einen tausenjährigen Weltzeitsabbat mündet. Erstmals findet sich diese Spekulation im sog. slawischen Henochbuch 32,2–33,2,226 das nur in kirchenslawischer Sprache erhalten geblieben und dessen Datierung noch dazu sehr unsicher ist. Möglich ist, dass Teile des Buches aus der Zeit vor 70 n.Chr. stammen, möglich ist aber auch, dass 33,1f. eine christliche Interpolation darstellt.227 Christlicherseits wird die Vorstellung des Weltensabbats im 2. Jh. n.Chr. im Barnabasbrief aufgenommen (15,4f.), der unabhängig von der Johannesapokalypse, ebenfalls mit Bezug auf Ps 90,4, mit einer 6000jährigen Weltdauer und einem 1000jährigen Sabbat rechnet. Eine interessante jüdische Tradition zitiert P. Prigent, welche aus der Drohung Gottes, dass Adam, im Falle dass er von der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis esse, noch am selben Tag sterben müsse (Gen 2,17), die Schlussfolgerung zieht, dass das Maß des göttlichen Tages 1000 Jahre betrage, da Adam mit 930 Jahren gestorben sei (Gen 5,3–5), also noch vor dem „Ende des Tages“. Auf der Basis dieser Tradition schlossen Justin und Irenäus, dass das vom Messias wieder hergestellte Paradies einen paradiesischen Tag, also 1000 Jahre währen müsste.228 Die Angabe von 1000 Jahren würde dann lediglich in symbolischer Form auf die Wiederherstellung der Lebensbedingungen des Paradieses deuten.229

Ob in der Zeitangabe der 1000 Jahre ein Bezug zur Weltalter- und Weltwochenspekulation enthalten ist,230 lässt sich nicht mit letzter Sicherheit millenium, 148–150, sowie zum Ganzen FREY, Millennium, 40–48; LOHSE, Art. cilia,j ktl., 459f.; B IETENHARD, Reich, 44–51; KARRER, Himmel, 243. 226 Möglicherweise rechnet auch das pseudo-philonische „Buch der biblischen Altertümer“ auf der Grundlage der Schöpfungswoche mit einer Weltdauer von 7000 Jahren. Allerdings ist der Text in LibAnt 28,2 unsicher. Zur Debatte vgl. HARRINGTON, PseudoPhilo, 297ff. (342), und DIETZFELBINGER, Pseudo-Philo, 87ff. (186), sowie DERS., Pseudo-Philo. Diss. theol., 144–147. Von einer 6000jährigen Weltdauer ist im sog. „Leben Adams und Evas“ in VitAd 42 die Rede, allerdings ohne dass ein Weltzeitsabbat erwähnt würde. Auf eine siebenteilige Zeiteinheit läuft auch eine Bemerkung aus der Kriegsregel der Qumranschriften hinaus, wonach „drei Lose“ (= Zeiteinheiten) lang die Söhne des Lichts stark sind, um die Gottlosigkeit niederzuwerfen. Dann wird „drei Lose“ lang die Streitmacht Belials die Oberhand gewinnen, bevor dann „im siebten Los“ Gott den Belial und alle Engel unterwerfen wird, vgl. 1QM 1,13–15. 227 Vgl. hierzu die Anmerkungen von B ÖTTRICH, Das slavische Henochbuch, 805. 929f. Im äthiopischen Henochbuch findet sich die schon erwähnte Zehnwochenapokalypse, äthHen 93; 91,12–17, welche von der Etablierung eines messianischen Reiches erzählt, das von der achten bis zur zehnten Weltwoche währt. 228 PRIGENT, Le millenium, 150–154; vgl. Just Dial 81,3; Iren Haer 5,23,2. 229 PRIGENT, Apoc, 558. 230 PRIGENT, Apoc, 566, Anm. 3, bezweifelt einen Zusammenhang mit der kosmischen Weltwochenspekulation, da sie auf der Siebenzahl basiert, von der jedoch in Apk 20 jede Spur fehlt.

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sagen.231 Aber unabhängig davon, ob ein solcher Bezug besteht oder nicht und ob man der Zahl 1000 eine figurative bzw. symbolische Bedeutung, z.B. für Vollkommenheit und Fülle, beimisst oder nicht,232 so wird man doch nicht grundsätzlich um ein temporales Verständnis herumkommen.233 Es gibt zu viele Textsignale, welche die 1000 Jahre als eine wie auch immer geartete Zeitdauer identifizieren,234 als dass sie sich als eine reine Qualitätsangabe zum Reich Gottes oder als sachliche Hervorhebung der Herrschaft Christi und seiner Getreuen interpretieren ließen.235 Auch Bauer bemerkt, „dass der Vf. die ‚tausend Jahre‘ als reale Zeitangabe und nicht nur als Symbol für die Vollkommenheit und Fülle des Heiles versteht, wenn sich auch darüber streiten lässt, ob er ‚tausend‘ als exakte Zeitangabe versteht oder nur als Chiffre für einen langen, aber dennoch endlichen Zeitraum, dem die Aspekte der Vollkommenheit, Fülle und vollendeten Abgeschlossenheit zugesprochen werden sollen.“236 Löst man das temporale Verständnis auf, dann verlieren auch die Rede von der ersten und zweiten Auferstehung im Sinne einer ersten Auferstehung zumindest der Märtyrer am Beginn des messianischen Reiches und einer zweiten, allgemeinen Auferstehung aller anderen Toten zum großen Weltgericht (Apk 20,13f.) ihren Sinn. 231 Auf dem Hintergrund der Weltwochenspekulation stellt KRAFT, Offb, 256, die Erwägung an, dass es sich beim Millennium um die Sabbatwoche handelt, in der Gott ruht und das messianische Reich deshalb von Christus (und den Märtyrern) regiert wird. 232 Für ein figuratives Verständnis plädieren z.B. BEALE, Rev, 995.1017–1021, und MATHEWSON, Re-Examination, 242–250, mit Hinweis auf den durchgängig figurativen Gebrauch von Zahlen in der Johannesapokalypse, den figurativen Charakter des gesamten Zusammenhangs mit seinen Bilder und Begriffen, wie Ketten, Abyssos, Drache, Schlange, Biest etc., dem figurativen Ton des gesamten Buches mit Verweis auf 1,1, dem figurativen Gebrauch der Zahl 1000 im Alten Testament und der Verwendung der Zahl in frühjüdischen und frühchristlichen Schriften als Ausdruck für den ewigen Segen der Erlösten; vgl. auch OSBORNE, Rev, 701. 233 FREY, Millennium, 26: „So sehr die Zahl 1000 eine ‚vollkommene‘ Zahl ist, impliziert sie doch eine zeitliche Vorstellung. […] Gemeint ist vielmehr … ein irdisches Messiasreich.“ 234 Es werden ständig Ereignisse angekündigt, deren Eintritt mit dem Ende dieser zeitlichen Frist der 1000 Jahre in Verbindung stehen: 20,3: Der Satan bleibt gebunden „a;cri telesqh/| ta. ci,lia e;th“; 20,5: Die Toten wurden nicht wieder lebendig „a;cri telesqh/| ta. ci,lia e;th“; exakt jene Frist wird dann in 20,7 als vollendet betrachtet: „Kai. o[tan telesqh/| ta. ci,lia e;th“. 235 Vgl. dagegen SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 324, die die 1000 Jahre nicht als eine bestimmte Dauer des Herrschens verstanden wissen will, sondern als eine sachlichtheologische Hervorhebung der Stellung und Macht Christi und seiner Getreuen in der eschatologischen Heilszeit. Die scheinbar chronologische Aufeinanderfolge der Visionen habe nur literarische Gründe. Ähnlich auch PRIGENT, Apoc, 558, der die Zahl aufgrund der frühjüdischen Paralleltexte symbolisch verstanden wissen will. 236 B AUER, Messiasreich, 245.

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Zusammengefasst beschreibt der Seher anhand des vorgegebenen Handlungsrahmens von Ez 37–48 und auf dem Hintergrund der jüdischen Apokalyptik ein endzeitliches Millennium in großer Eigenständigkeit. Die von ihm verwendete Motivsprache ist durch und durch traditionell, die Inhalte und die Zeitspannen sind aber originell. 4.1.4 Symbolisches oder literal-realistisches Verständnis? Eine weitere Frage ist, ob die einzelnen Visionen in Apk 19,11–20,15 in einem chronologischen Nacheinander verstanden werden wollen, oder ob es sich um verschiedene Perspektiven handelt, die jeweils immer neu dasselbe reflektieren, was ein chronologisches Verständnis von vornherein verbietet.237 Richtig ist, dass Apk 20,1–3 und 7–10 den kompositionellen Rahmen für die Perikope 20,4–6 bilden, die nur durch diesen verständlich ist. Während Apk 20,1–3 an die bereits in 19,19f. beschriebene Vernichtung des antichristlichen Tieres und des Pseudopropheten aus Apk 13 anknüpft, indem es nun die Bindung des Drachen aus Apk 12 schildert, nimmt V. 4–6 die 1000jährige Dauer der Bindung des Satan zweimal auf (V. 5 und 6) und beschreibt nun unter der Voraussetzung des gebundenen Satan das Ergehen und die Herrschaftsfunktion der „Opfer“ jener antichristlichen Trinität. V. 7–10 bietet keine neue Visionseinleitung. Der Abschnitt nimmt nicht nur den Hinweis auf die Bindung Satans in V. 3 auf, sondern erinnert auch explizit an die Vernichtung des Tieres und seines Propheten (vgl. 20,10 mit 19,20). Er berichtet ferner von der Freilassung Satans, der unmittelbar darauf eine letzte Rebellion anstiftet. Erst V. 11 markiert wieder einen Neueinsatz, was mit der Visionsformel kai. ei=don signalisiert wird. Dort wird vom Weltuntergang erzählt und in 21,1.5 von der Neuschöpfung, während von 19,11–20,10 der Bestand des alten Äon vorausgesetzt wird.238 Die drei Verse in Apk 20,4–6 erfüllen somit in äußerst knapper Form die wichtige Funktion, diese 1000 Jahre inhaltlich zu charakterisieren, die davon geprägt sind, dass Satan die Nationen nicht mehr verführen kann. 237

In literarkritischer Perspektive werden die drei Verse aus Apk 20,4–6 von SCHÜSSPriestertum, 295f. als „Zwischenstück“ oder Einschub bezeichnet, weil sie den logischen Ablauf der Handlung unterbrechen würden. Gleichzeitig relativiert sie selbst dieses Urteil, a.a.O., 313, indem sie anerkennt, dass Apk 20,4–6 die Vision in Apk 20,1–3.7–10 nicht störend unterbricht, sondern sich durchaus in die Gesamtaussage von Apk 20,1–15 sinnvoll einfügt. Von den typischen Zwischenstücken, wie wir sie in der Johannesapokalypse in 7,1–17; 11,1–14 und 14,1–5 finden, unterscheidet sich Apk 20,4– 6 dadurch, dass sich die Verse mehr oder weniger harmonisch und sinnvoll in den Duktus einfügen und nichts auf eine Unterbrechung hindeutet. Dies ist bei den genannten Zwischenstücken anders. Sie unterbrechen die Öffnung der sieben Siegel, die sieben Engel mit den Posaunen, sowie den Aufstieg und Niedergang des antichristlichen Reiches. 238 B AUER, Messiasreich, 122f.

LER -F IORENZA,

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Würden die Verse fehlen, bliebe der Charakter und Sinn dieses nicht weniger als sechsmal erwähnten tausendjährigen Intermezzos, das bereits in 20,2f. angekündigt und in 20,7 wieder aufgenommen wird, rätselhaft. Umgekehrt lässt sich V. 4–6 selbst nur unter den in c. 19 und 20,1–3 beschriebenen Bedingungen verstehen. Die Erwähnung der unangefochtenen und offensichtlich konfliktfreien Herrschaft der rehabilitierten Märtyrer mit Christus ist einerseits nur unter der Voraussetzung der Vernichtung bzw. Bindung der antichristlichen Mächte denkbar, d.h. erst nach der Parusie Christi. Andererseits ist die zeitliche Begrenzung dieser Herrschaft nicht unter den Rahmenbedingungen des neuen Himmels und der neuen Erde denkbar, die nach 22,5 ewig dauern wird. Hinzu kommt, dass sich ab Apk 19,11 eine Sequenz von Visionsberichten aneinanderreiht, die nicht völlig spannungsfrei harmonieren, aber doch aufeinander aufbauen und alle mit den Worten kai. ei=don eingeleitet werden.239 Man kann nicht einfach die Verse 20,1–10 und erst Recht nicht nur die Verse 4–6 aus diesem formal, inhaltlich und chronologisch sinnvollen und kohärenten Zusammenhang herausnehmen, ohne weitere Fragen auszulösen. Würde man beispielsweise den Bericht vom Weltgericht direkt an 19,21 anschließen, dann bliebe die Frage nach dem Schicksal des Satan offen und unbeantwortet. In seiner umfassenden Untersuchung hat Bauer darüber hinaus plausibel gemacht, dass der Verfasser Apk 19,11–21,8 als eine zusammengehörige, konzentrisch strukturierte Einheit konzipiert hat,240 die mit der Rahmung durch das korrespondierende Städtethema „Babylon-Jerusalem“ in 17,1– 19,10 und 21,9–22,5 eine Sonderstellung innerhalb der Johannesapokalypse besitzt. Gleichzeitig ist innerhalb des Abschnitts ein chronologischlineares Fortschreiten der Ereignisse nicht zu leugnen,241 was bedeutet, dass der Verfasser den Abschnitt 19,11–20,15 im endgeschichtlichen Sinn als die letzte Zeitphase des alten Äons verstanden wissen will.242 Damit ist aber das Millennium in 20,4–6 unverrückbar nach der Messiasschlacht (19,11–21) und der Fesselung des Drachen (20,1–3) und vor der erneuten Freilassung des satanischen Drachens (20,7–10), dem Weltgericht (20,11– 15) und dem neuen Himmel und der neuen Erde (21,1–8) verortet. Diese chronologisch-lineare Anordnung bedingt ein futurisches Verständnis dieser Visionen.

239

Apk 19,11.17.19; 20,1.4.11.12; 21,1. Auch G IBLIN, Correlations, 490f., betrachtet Apk 19,11–21,8 als eine „distinct, cohesive section“. 241 B AUER, Messiasreich, 122.348; vgl. auch W ITHERINGTON, Rev, 247; MOUNCE, Rev, 361, und B ØE, Gog, 264. 242 Siehe auch B AUER, Messiasreich, 244–251. 240

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Nun ist der Zusammenhang der Visionen jedoch auch nicht frei von Spannungen und Inkonsistenzen.243 So überrascht die Fesselung Satans durch einen bloßen, noch nicht einmal namentlich genannten Engel in Apk 20,1, während für die Vernichtung des antichristlichen Tieres und seines Propheten Gott selbst (passivum divinum) zuständig zeichnet (Apk 19,19– 21).244 Als Grund für die Bindung des satanischen Drachen wird die Verhinderung der weiteren Verführung der Völker genannt. Nachdem jedoch gemäß Apk 19,19–21 die „Könige der Erde und ihre Heere“ sowie auch alle „Übrigen“ (oi`` loipoi,, 19,21) getötet wurden, bleibt rätselhaft, wer diese noch potentiell verführbaren Völker sein könnten, zumal auch in der Vision des Millenniums keine Rede von beherrschten Völkern ist.245 Dasselbe Problem kehrt in 20,7f. wieder, wenn der satanische Drache nach seiner Freilassung abermals die Völker verführt, die an den vier Ecken der Erde sind. Überhaupt bleibt der letzte Grund für die Freilassung Satans im Dunkeln und unklar bleibt auch der Ort des letzten Gerichts (20,11–15), da es nach dem Untergang bzw. dem Entfliehen von Himmel und Erde (20,11) und vor der Neuschöpfung (21,1) stattfindet. Ein weiteres Problem ist die bereits mehrfach thematisierte, äußerst knappe und karge Schilderung der messianischen Heilszeit, die immerhin 1000 Jahre währen wird. Der Leser erfährt außer der Identität der Auferweckten und ihrer Herrschaftsfunktion so gut wie nichts über diese Epoche. Anschließend greift der satanische Drache mit den von ihm erneut verführten Völkern zwar die „geliebte Stadt“ an, aber es bleibt unklar, was der Verfasser dabei konkret vor Augen hat.246 Fast alle beim Leser ange243 Vgl. z.B. FREY, Millennium, 31f.; DERS., Johannesapokalypse, 509–511; BEALE, Rev, 974ff.; B AUER, Messiasreich, 32–38. 244 Zur Überwindung gottfeindlicher Mächte sind in frühjüdischen Schriften verschiedene Vollstrecker angegeben; vgl. TestDan 5; TestSeb 9: Gott; TestLev 3; äthHen 10,4– 6: der Engel Raphael; 54,4ff.: Engel; äthHen 54,4; 69,27; TestLev 18: Messias. 245 Bemerkenswert ist allerdings, dass in der Apokalypse nie von einer Vernichtung der e;qnh die Rede ist, sondern nur von der Vernichtung ihrer Könige. Zwar werden die Völker bis auf vier Belege, vgl. Apk 15,4; 21,24.26; 22,2, stets als gottfeindliche Größen geschildert, vgl. Apk 2,26; 5,9; 7,9; 10,11; 11,2.9.18; 12,5; 13,7; 14,6.8; 16,19; 17,15; 18,3.23; 19,15; 20,8, und ihre Vernichtung in Apk 19,17–21 scheint total und umfassend zu sein, jedoch fällt in diesem Zusammenhang nirgendwo der Begriff e;qnh. Das gleiche Phänomen wiederholt sich in 20,7–10. Zwar werden die Völker wieder verführt, aber im Zusammenhang der Vernichtung erscheint der Begriff nicht mehr. Sie werden im großen Weltgericht in 20,11–15 im Unterschied zum Parusiegericht, vgl. 19,15, auch nicht gerichtet. Vielmehr geht es hier nur um die Toten als Individuen, die zum Gericht auferstehen. Die Völker sind im Gegensatz zu ihren Königen, vgl. 6,15; 16,14; 17,2.18; 18,3.9; 19,19, eine scheinbar „unzerstörbare“ Größe, weshalb sie nicht nur in 20,3.8, sondern auch in 21,24.26 im Zusammenhang des neuen Jerusalems abermals erwähnt werden. 246 Auf den ersten Blick ist im Licht von Ps 78,68; 87,1f. und 132,13f. an Jerusalem zu denken; vgl. auch Sir 24,11; Jer 11,15. In syrBar 40,1 und 4Esr 13 ist Jerusalem der eschatologische Regierungssitz des Messias. Auch in PsSal 17; äthHen 90; 4Esr 7,28; Sib

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stoßenen Fragen bleiben offen, vor allem jene nach Funktion und Bedeutung dieses Reiches. Der Verfasser muss sich dieser Problematik bewusst gewesen sein. Bereits ein einmaliges Lesen des Geschriebenen hätte ihm selbst die Inkonsistenzen bewusst gemacht. Deshalb wurden zur Erklärung dieser textimmanenten Spannungen von verschiedenen Exegeten literarkritische Textumstellungen vorgeschlagen, die freilich höchst hypothetisch waren und keine allgemeine Anerkennung fanden.247 Für die Vertreter einer symbolisch-endgeschichtlichen Deutung zeigen diese Spannungen und Inkonsistenzen nur, dass dem Verfasser nicht an einer linearen, logisch-chronologischen Schilderung des Handlungsablaufs gelegen ist, sondern dass es lediglich um Bilder geht, die in ihrer Sachaussage verstanden werden sollen. Allerdings legen die Struktur und der Aufbau des Abschnitts 19,11–21,8 die Schlussfolgerung nahe, dass dem Seher trotz aller Inkonsistenzen an einem logisch-chronologischen Handlungsfortschritt gelegen ist und die Bilder durchaus räumlich-zeitliche Vorgänge darstellen sollen. Die Reduktion der Visionsfolge auf ein symbolisches und über- bzw. unzeitliches oder auch „entzeitlichtes“ Verständnis würde den Intentionen des Autors widersprechen. Es ist das Verdienst von Bauers Studie, der realistisch-endgeschichtlichen Deutung des Millenniums im Sinne eines „zukünftigen, zeitlich begrenzten, irdischen Messiasreiches“248 neue Plausiblität verliehen und damit eine Auslegungstradition, die bis in die früheste Zeit der Alten Kirche zurückreicht, revitalisiert zu haben.249 Im Blick auf die erwähnten Inkonsistenzen hat ganz grundlegend M. Stone darauf hingewiesen, dass in apokalyptischen Schriften scheinbar mangelnde Kohärenz und Konsistenz nicht immer nur auf die mangelhafte, eben inkonsistente Kombination verschiedener Quellen oder Traditio-

3 und 5, wo der Regentschaftsort nicht explizit genannt wird, bietet sich Israel bzw. Jerusalem an; vgl. B AUER, Messiasreich, 184, Anm. 259. Allerdings bezweifelt B ØE, Gog, 330–333.380, mit guten Gründen, dass der Seher hier an das geographische Jerusalem denkt, sondern stattdessen den Ausdruck „geliebte Stadt“ als eine Metapher für das erwählte Gottesvolk betrachtet. 247 CHARLES, Rev II, 140–200, versuchte das messianische Reich mit der Beschreibung des himmlischen Jerusalem aus c. 21 zu „füllen“. Er rekonstruiert die Textsequenz wie folgt: 20,1–3; 21,9–22,2.14f.17; 20,4–15. Die Unordnung des Textes in 20,4 sieht CHARLES, a.a.O., 182f., im vorzeitigen Tod des Verfassers begründet, woraufhin ein Schüler das Werk zu vollenden suchte, das hinterlassene Material aber nicht mehr recht ordnen konnte. 248 B AUER, Messiasreich, 350, mit betonter Hervorhebung der Analogie zu den jüdischen Apokalypsen des 4. Esrabuches und der syrischen Baruchapokalypse. 249 So auch B AUERS eigene Einschätzung, Messiasreich, 350, Anm. 10: „Es gibt keinen Anlass zu bezweifeln, dass diese früheste uns fassbare Deutung der Johannesoffenbarung dem vom Vf. intendierten Verständnis entsprach.“

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nen,250 die gescheiterte Integration von fremden Denkstrukturen und Endzeitschemata oder gar auf die Konfusion und begrenzte Kompetenz des Autors zurückgeführt werden dürfen.251 Vielmehr gelte es die Kriterien kritisch in den Blick zu nehmen, anhand derer sog. Inkonsistenzen festgestellt werden.252 Am Beispiel des Begriffes „Ende“ im 4. Esrabuch zeigt Stone, wie ein und derselbe Begriff sich auf vier verschiedene Ereignisse beziehen kann (den Tag des Gerichts, den Fall des antigöttlichen Reiches, den Anfang des messianischen Reiches und auf ein unbestimmtes und undeutliches, zukünftiges Ereignis) und nur vom Kontext und der Aussageabsicht her kann entschieden werden, welches Ereignis gemeint ist.253 Dass der Begriffsgebrauch in einem unbestritten kohärenten Text inkonsistent erscheint, beruht jedoch lediglich auf den aristotelischen Kriterien für logische Konsistenz, die jedoch nicht die Kriterien sind, denen die apokalyptische Literatur verpflichtet war. Die logischen Inkonsistenzen waren für 250 Exakt dies vermutet B AUER, Messiasreich, 253, im Blick auf Apk 19–21. Er führt die Spannungen und Inkonsistenzen auf die Defizite des Verfassers zurück, der hier verschiedene Traditionsstücke zusammengesetzt hat, ohne sie letztlich aufeinander abzustimmen, vgl. ebd.: „Vieles davon [sc. von den inhaltlich-logischen Problemen des Textes] resultiert lediglich daraus, dass es dem Vf. oft nicht gelingt, die von ihm aufgenommenen Traditionen und schriftlichen Vorlagen im Detail stimmig abzugleichen.“ Er schließt sich deshalb im Grundsätzlichen der von B OUSSET, WELLHAUSEN und BERGMEIER vertretenen Fragmentenhypothese an, wonach der Verfasser auf Sammlungen von Exzerpten aus jüdischen Apokalypsen zurückgegriffen habe; ähnlich auch KRAFT, Offb, 253, und B AUCKHAM, Climax, 83f. 251 Auch dies unterstellt B AUER, Messiasreich, 253, dem Seher Johannes. Er sieht die Ursache für die textlichen Spannungen und Inkonsistenzen in den „offensichtlich begrenzten sprachlichen und literarischen Fähigkeiten des Vf.s“. So richtig es ist, dass der Autor in einer Sprache, die offensichtlich nicht seine Muttersprache ist, immer wieder grammatisch unbeholfene und schwer bis nicht zu übersetzende Satzgebilde konstruiert, so vorsichtig sollte man sein, ihn zum „Laien“ zu stempeln, wie dies B AUER, a.a.O., 359, tut; vgl. auch die Kritik von FREY, Johannesapokalypse, 534. Nach B AUER war der Verfasser ein palästinischer Judenchrist mit niederem Sozialstatus und nur mäßigen griechischen Sprachkenntnissen, jedenfalls ohne systematische sprachlich-literarische Ausbildung. B AUER bezweifelt auch, dass der Verfasser eine autoritative Stellung in den adressierten Gemeinden gehabt, ja sogar, dass er persönlich mit ihnen vertraut, a.a.O., 361, geschweige denn je in Kleinasien missionarisch tätig gewesen sei, a.a.O., 364. Ferner betrachtet er auch die Ortsangabe Patmos als Fiktion und den Verfassernahmen „Johannes“ als Pseudonym, a.a.O., 361. Doch stellt sich die Frage, wie es diesem Werk eines pseudonymen, intellektuell begrenzten Autors mit geringem Sozialprestige, den keine persönliche Beziehung mit seinen Adressaten und nur wenig mit Kleinasien verband und der ständig mit Fiktionen arbeiten muss, gelingen konnte, in so rascher Zeit ein so großes Ansehen in der Urchristenheit zu erwerben. Die Kanonisierung dieser Schrift muss im Licht von B AUERS Verfasserbeschreibung als Unfall – oder Wunder? – der frühen Kirchengeschichte erscheinen. 252 STONE, Coherence, 346. 253 STONE, Coherence, 342.345.

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den Autor des 4. Esrabuches nicht problematisch, weil die Kohärenz auch durch Faktoren außerhalb des Textes erzeugt wurde: „[T]here may be an unstated premise, view, or feature lying outside the text that actually provides the author’s thinking with coherence. For, unless the author was weak of mind, or the book a jumble of miscellaneous literary remains, it made sense to the author“.254 Die Aufgabe des Exegeten ist es deshalb zunächst, die für den Autor gegebene, aber dem modernen Leser verborgene Konsistenz zu ergründen: „The preliminary hypothesis must always be that the author’s thought was coherent.“255 Angewandt auf die Probleme in Apk 19,11–21,8 zeigt sich nun, dass ein großer Teil der vom modernen Leser empfundenen Inkonsistenzen des Abschnitts mit dem Begriff oi`` loipoi, in Apk 19,21 zusammenhängt, der eine Totalität der Vernichtung suggeriert, die so weder vorher noch nachher ausgesagt wird.256 Es kann im Rahmen dieser Untersuchung freilich weder eine Lösung des konkreten Problems angeboten werden, noch ausgeschlossen werden, dass der Verfasser tatsächlich an der Herstellung eines konsistenten Textes gescheitert ist. Es soll hier lediglich darauf hingewiesen werden, dass unsere Verständnisprobleme nicht immer mit dem Text, sondern möglicherweise auch mit unseren Erwartungen an Kohärenz und Konsistenz zusammenhängen. 4.1.5 Die theologische Bedeutung eines messianischen Zwischenreiches Häufig wird an die Konzeption eines messianischen Zwischenreichs die kritische Frage herangetragen, was sie von dem kommenden neuen Himmel und der neuen Erde unterscheide. Schließlich setze sich im himmlischen Jerusalem sowohl die Herrschaft Christi – nun zusammen mit der des Vaters – fort als auch die Herrschaft der Heiligen (vgl. Apk 22,5). Welchen Sinn macht es demgegenüber, die Herrschaft der bewährten Märtyrer im Rahmen eines messianischen Reiches auf 1000 Jahre zu begrenzen, da ja auch im Anschluss daran die abermalige satanische Empörung letztlich nichts ausrichten kann?257 Der entscheidende Unterschied ist jedoch der Ort, an dem beide Epochen stattfinden. Während der neue Himmel und die neue Erde in Apk 21,1–22,5 eine umfassende Transformation der Wirklichkeit voraussetzen, findet das Millennium an dem Ort statt, wo die Gemeinde und ihre Märtyrer ihre Bedrängnisse und ihre Anfechtung zu erdulden hatten, nämlich auf Erden. Die Erde wird als Schauplatz zwar nicht explizit erwähnt, aber der Kontext lässt gar keine andere Schlussfolgerung zu. Es wird gegenüber 254

STONE, Coherence, 346. STONE, Coherence, 346. 256 Vgl. hierzu auch B ØE, Gog, 344f. 257 Vgl. z.B. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 313f. 255

4 Apk 20,4–6

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Apk 19 kein Ortswechsel erwähnt und auch 20,1–3.7–10 spielt sich ganz offensichtlich auf Erden ab.258 Vor allem aber ist auf Apk 5,10 hinzuweisen, wo die eschatologische Herrschaft der Priester explizit auf der Erde (evpi. th/j gh/j) stattfindet. Die bereits erwähnten engen Parallelen zwischen 5,10 und 20,6 lassen kaum einen anderen Schluss zu, als dass es sich in 20,6 um die Erfüllung der Verheißung von 5,10b handelt.259 Im Rahmen der Johannesapokalypse erscheint das Millennium als Erfüllung der Verheißungen in Apk 3,21 und 6,9–11 und gesamtbiblisch als die Einlösung der eschatologischen Verheißungen, die auf eine sichtbare Transformation des alten Äons und den sichtbaren Erweis der Macht Gottes im Kontext irdischer Bedingungen zielen.260 Es geht, wie Roloff betont, um die „Welthaftigkeit des Heils“, das es niemals nur jenseitig-spirituell geben kann, sondern das immer auch eine politische Dimension haben muss, wenn Gott zu Recht als der Herr der Welt und der Geschichte gepriesen wird.261 Dieser geschichtstheologischen Bestimmung wird nun aber von Bauer widersprochen. Er leugnet, dass das Millennium ein für sich stehendes Heilsgut ist und sieht seinen Sinn ausschließlich in seiner paränetischen Bezogenheit auf die neue Schöpfung.262 Das Millennium habe vor allem die Aufgabe, die Leser und Hörer zu einem kompromisslosen Lebensstil zu ermahnen, um ihr eschatologisches Heil nicht zu gefährden: „Die Millenniumsvision zielt also auf das Verhalten der Christen im hic et nunc, nicht auf die Zusage besonderer irdischer Freuden vor dem Ende der Welt. Mit anderen Worten: Im Zentrum

258

AUNE, Rev III, 1084.1089; MOUNCE, Rev, 360; B ØE, Gog, 257; FREY, Millennium, 25f. Auch die jüdischen Traditionen kennen nur ein irdisches Zwischenreich; anders dagegen GIESEN, Offb, 432f. OSBORNE, Rev, 697, will das Millennium auch als Rechtfertigung für das ewige Weltgericht in 20,11–15 verstehen: „This book proves that even the equivalent of fourteen lifetimes (based on the current life expectancy of about seventy years divided into one thousand years) are not enough to overturn their allegiance to Satan. Therefore, the eternal lake of fire is a necessity.“ 259 B ØE, Gog, 264. 260 MOUNCE, Rev, 369, spricht von einem „tangible and convincing proof of the victory of righteousness over evil“. Allerdings bleibt die in →VIII.4.1.2 begründete Einschränkung voll gültig. Die Kargheit und Kürze der drei Verse legitimiert uns nicht zu einer beliebigen Füllung dieses Millenniums mit atl. oder anderweitigen Erwartungen. 261 ROLOFF, Offb, 191; ähnlich U.B. MÜLLER, Offb, 340: „Noch vor dem Einbruch des neuen Äons soll auf dieser Erde das greifbare Realität werden, was der Heilstod Christi für die Gläubigen bewirkt hat: daß sie zur Herrschaft bestellt sind … Schon diese Erde soll nicht mehr nur den satanischen Mächten des römischen Imperiums gehören, sondern am Ende Christus und den Christen“. 262 B AUER, Messiasreich, 248: „Indem er [sc. der Verfasser der Apokalypse] die Millenniumsversion ganz auf den Aspekt hin ordnet, wer zur Teilhabe am Millennium aufersteht, ... tritt der Heilscharakter des Millenniums hinter den paränetischen Absichten des Vf.s zurück.“ Der Verfasser „ordnet es ganz auf die Bewahrung vor dem ‚zweiten Tod‘ und das Heil der neuen Schöpfung hin“.

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von 19,11–21,8 steht nicht die Verheißung einer ‚tausendjährigen Herrschaft mit dem Messias‘, sondern die Bewahrung vor dem ‚zweiten Tod‘.“263 Nun hat die karge und knappe, letztlich nur Apk 20,4–5 umfassende, Schilderung des Millenniums zweifellos auch einen impliziten paränetischen Zweck, es ist jedoch sehr die Frage, ob sie auf einen solchen reduziert werden kann.264 Die Perspektive einer zeitlich ausgedehnten Heilszeit, in der die heute noch verfolgten und geschundenen Märtyrer auf Erden in direkter Gemeinschaft mit Christus und frei von allen teuflischen Versuchungen und Verführungen herrschen, was zunächst einmal die Befreiung von aller Fremdherrschaft, Tyrannei und Verfolgung bedeutet, musste sehr wohl als Hoffnungsbotschaft verstanden werden – und zwar vor allen anderen Sinnebenen. So sehr das Millennium auch im Schatten des neuen Himmels und der neuen Erde steht, so deutlich hat es doch auch ein Eigengewicht im endzeitliche Szenario, was Bauer ja gerade durch seine Analyse einer konzentrischen Struktur in 19,11–21,8 mit dem Millennium im Zentrum nachgewiesen hat.265

4.1.6 Ergebnis Der Seher der Johannesapokalypse hat den ihm vorgegebenen Rahmen und Handlungsablauf von Ez 37–48 in eigenständiger und origineller Weise mit sprachlichen Motiven aus der jüdischen Apokalyptik gefüllt. Dabei erweist er sich als ein unabhängiger Visionär, sowohl was die Form, die Inhalte als auch die Dauer des von ihm nur skizzierten messianischen Reiches angeht. Es zeigte sich darüber hinaus, dass einem literal-realistisch-chronologischen Verständnis nach wie vor der Vorzug zu geben ist, da die Verse eine wichtige Funktion in der Konzeption des endzeitlichen Szenarios erfüllen, das von Apk 19,11–21,8 reicht. Die unübersehbaren Inkonsistenzen der Darstellung sind Teil der apokalyptischen Darstellung, die nicht immer den Regeln logischer Konsistenz folgt und dennoch ein insgesamt kohärentes Geschehen beschreiben kann. Das Millennium fungiert trotz seiner äußerst knappen Ausführung als irdische Erfüllung der eschatologischen Verheißungen. Es geht um den Erweis der Macht Gottes, der auch die korrumpierten und depravierten Verhältnisse der irdischen Wirklichkeit transformieren wird.

263

B AUER, Messiasreich, 250f. (kursiv bei B.). Vgl. auch a.a.O., 356: „Mit dem Millennium will die Johannesoffenbarung also nicht Christen trösten und bestärken, die wegen ihres Glaubens bedrängt sind, sondern sie will im Dienst ihrer Forderung nach radikaler Trennung von allem, was zu Kontakt mit dem paganen Kult führen kann, die treuen Christen mahnen, die unentschlossenen warnen und den kompromissbereiten drohen“ (kursiv bei B.). 264 Ebenso FREY, Johannesapokalypse, 534, Anm. 229. 265 B AUER, Messiasreich, 117–124.

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4.2 Die Teilhaber an der tausendjährigen Herrschaft Christi Nachdem die traditionsgeschichtlichen Hintergründe, die Eigenständigkeit und Originalität und das Profil des Millenniums als eines irdischen, messianischen Reiches im literal-realistisch-chronologischen Sinn herausgearbeitet wurden, geht es nun darum, die Teilhaber an diesem Reich zu identifizieren. Für die Frage nach der Identität der Priester in Apk 20,6 ist die Identität der Teilhaber an diesem messianischen „Zwischenreich“ von entscheidender Bedeutung. 4.2.1 Zur Satzkonstruktion von Apk 20,4 Die Satzkonstruktion von V. 4 gibt eine Reihe von Rätseln auf. Die Probleme beginnen damit, dass das Subjekt des finiten Verbs evka,qisan ungenannt und damit auch die Frage unbeantwortet bleibt, wer auf den vom Seher geschauten Thronen Platz nimmt.266 Unbeantwortet bleibt auch, wem in diesem Zusammenhang das kri,ma gegeben wird und was mit dieser Formulierung gemeint ist. Sind jene, die sich hinter dem Personalpronomen auvtoi/j verbergen, identisch mit denjenigen, die auf den Thronen Platz genommen haben, oder haben wir es hier mit unterschiedlichen Gruppen zu tun? So viel ist deutlich, dass die Formulierung „Seelen der enthaupteten Märtyrer“267 in V. 4b als Hinweis auf eine Gruppe von Märtyrern in einer postmortalen Existenz verstanden werden muss. Sie wurden wegen ihres Christuszeugnisses und wegen des Wortes Gottes getötet, womit ihre Verkündigung desselben gemeint ist.268 Der zweite Relativsatz, der mit dem Relativpronomen oi[tinej eingeleitet wird, beschreibt dieselben Seelen als solche, die weder dem antichristlichen Tier aus Apk 13 noch seinem Bild Anbetung entgegengebracht haben (vgl. Apk 13,4.8.12.15) und sich auch der Kennzeichnung durch ein antichristliches Mal an Stirn oder Hand (vgl. 266

AUNE, Rev III, 1073, favorisiert einen unbestimmten Gebrauch der 3. Person Plural im Sinne von „man“, wie er sich im Hebräischen und Aramäischen belegen lässt. Er entgeht aber damit nicht der Frage, wer diese/r „man“ ist/sind; vgl. B AUER, Messiasreich, 167, Anm. 203. 267 Das Martyrium durch die Enthauptung ist hier pars pro toto zu verstehen. Es gab im römischen Reich eine Reihe verschiedener Vollstreckungsmethoden, von denen die Kreuzigung, die Verbrennung bei lebendigem Leib und der Tod durch wilde Tiere im Rahmen von Zirkusspielen als die schlimmsten galten. Die Hinrichtung durch die Axt in der Zeit der Republik bzw. durch das Schwert in der späteren Kaiserzeit war gewöhnlich römischen Bürgern bzw. den honestiores vorbehalten. Für Christen werden schon von Tacitus verschiedene Hinrichtungsmethoden berichtet; vgl. zum Thema AUNE, Rev III, 1086f.; OSBORNE, Rev, 706, sowie ausführlich HENGEL, Mors turpissima crucis. 268 Das „Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus Christus“ sind in der Johannesapokalypse die Grundäußerungen des christlichen Glaubens, an denen sich die Verfolgung und Bedrängnis entzündet, vgl. Apk 1,2.9; 6,9; 11,7; 12,11.17; 19,10.

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Apk 13,16) verweigert haben.269 Wenn es sich um eine Identität mit den Seelen von V. 4b handelt, dann haben diejenigen, die sich der Anbetung des Tieres und der Kennzeichnung mit dem antichristlichen Mal verweigerten, diesen Widerstand ebenfalls mit dem Leben bezahlt, was in 13,15 bereits vorausgesetzt oder befürchtet wird. Ihr Widerstand ist dann ein Ausdruck für das Zeugnis für Jesus und ihre Bindung an das Wort Gottes. Von ihnen wird nun mit dem Verb e;zhsan ausgesagt, dass sie (wieder) zum Leben gekommen sind.270 Für die Identifikation bzw. Zuordnung dieser Märtyrer zu den Thronenden271 in V. 4a wurden nun folgende vier Möglichkeiten vorgeschlagen: (1) Die in V. 4bc erwähnten Märtyrer sind sowohl identisch mit jenen, die in V. 4a auf den Thronen Platz nehmen, als auch mit jenen auvtoi/j, die das kri,ma verliehen bekommen, das dann entweder im aktiven Sinne einer richterlichen oder herrscherlichen Vollmacht272 oder im passiven Sinne einer Rehabilitation bzw. Rechtfertigung und Gerechtsprechung durch Gott oder Christus selbst zu verstehen wäre.273 (2) Diejenigen, die auf den Thronen Platz nehmen, und diejenigen, die das kri,ma empfangen, sind identisch, unterscheiden sich aber von den in V. 4bc erwähnten Märtyrern.274 In diesem Fall würden die Thronenden mit einer richterlichen Vollmacht ausgestattet (kri,ma evdo,qh), um die Märtyrer zu rehabilitieren.

269 Anbetung des Tieres und Akzeptanz des Malzeichens bilden auch in Apk 14,11 und 16,2 das Kriterium für die eschatologische Scheidung. 270 Der Aorist von zh/n hat an allen ntl. Belegen die ingressive Bedeutung „zum Leben kommen“ bzw. „(wieder) lebendig werden“; vgl. Lk 15,32; Apk 13,14, sowie die imperfektische Formulierung in Röm 14,9. 271 In der Johannesapokalypse ist es zunächst Gott, „der auf dem Thron sitzt“. Diese Formulierung hat in der Johannesapokalypse schon fast titularen Charakter, vgl. Apk 4,9; 5,13; 7,10; 19,4; 21,5. Dann wird jedoch auch vom Thron des antichristlichen Tieres berichtet, Apk 13,2; 16,10. Auf Thronen sitzen auch die 24 Ältesten, die eine Art Thronrat Gottes bilden, Apk 4,4; 11,16, und schließlich wird in Apk 3,21 auch den „Überwindern“ der Gemeinde von Laodicea verheißen, dass sie mit Christus auf seinem Thron Platz nehmen werden. 272 So HOLTZ, Offb, 129, der an eine „Herrschaftsübertragung“ denkt, und FREY, Johannesapokalypse, 536, der an eine „Inthronisation“ und damit an „Ehren- oder Herrscherthrone“ denkt. 273 ROLOFF, Offb, 193; HADORN, Offb, 195f.; CHARLES, Rev II, 182f.; GIESEN, Offb, 432; PRIGENT, Apoc, 568. Das finite Verb evdo,qh hätte dann den Charakter eines passivum divinum. 274 Diese Lösung favorisiert BAUER, Messiasreich, 190–193. DERS., a.a.O., 190, vermutet, dass die Vielzahl sprachlicher und inhaltlicher Probleme in V. 4 auf den Gebrauch einer schriftlichen Vorlage durch den Verfasser zurückgehen, weil das Fehlen des Subjekts bei einer mündlichen Überlieferung oder gar einer selbständigen Bildung kaum erklärbar wäre.

4 Apk 20,4–6

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(3) Die Märtyrer von V. 4bc sind mit der „auvtoi/j-Gruppe“ identisch, die in V. 4ab das kri,ma verliehen bekommt, während es sich bei der Gruppe, die auf den Thronen Platz nimmt, dann um einen Personenkreis handelt, der den Märtyrern und standhaften Zeugen das kri,ma verleiht, das in diesem Fall eher passiv als Rehabilitation und Rechtfertigung zu verstehen ist.275 (4) Sehr unwahrscheinlich, wenn auch theoretisch möglich, ist, dass es um drei oder gar vier unterschiedliche Gruppen geht. (a) Die auf den Thronen Platznehmenden, die das Subjekt von evka,qisan bilden, geben (b) einem zweiten Personenkreis, der sich hinter dem Personalpronomen auvtoi/j verbirgt, das kri,ma, das dann aktiv im Sinn einer richterlichen Vollmacht zu verstehen wäre, mit der diese dann (c) die Märtyrer rehabilitieren, wobei auch hier der grammatisch völlig verunglückte Konnex zwischen V. 4a und V. 4bc wieder problematisch ist. Grammatisch möglich wäre auch noch, dass es sich (d) bei denen, die das Tier und sein Bild nicht angebetet haben und sein Zeichen nicht empfangen haben, um eine von den enthaupteten Märtyrern zu unterscheidende Gruppe handelt.276 Eine Klärung dieser Fragen ist philologisch nicht zu erreichen. Vermutlich sind sowohl qro,nouj als auch ta.j yuca,j die Akkusativobjekte von ei=don, während oi[tinej als relativischer Satzanschluss zu verstehen und grammatisch ta.j yuca,j subordiniert ist. Auch im Licht von Apk 13,15 scheint die Lösung, den oi[tinej-Relativsatz als eine erläuternde Präzisierung zu verstehen, sinnvoller und ungezwungener zu sein. Damit scheidet die vierte Option aus.

275

B EALE, Rev, 996, denkt bei den Thronenden an „exalted believers along with angels“, dagegen beschränkt sich MOUNCE, Rev, 365, lediglich auf den Hinweis, dass es um ein „heavenly court (as in Dan 7,26)“ gehe. 276 Für die Aufzählung von zwei unterschiedlichen Gruppen entscheiden sich B IETENHARD, Reich, 28; MÜLLER, Offb, 337f.; GIESEN, Offb, 433, und B EALE, Rev, 1001. Dagegen betrachten CHARLES, Rev II, 183f.; LOHMEYER, Offb, 162; KRAFT, Offb, 256f.; SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 306; AUNE, Rev III, 1088; MOUNCE, Rev, 365; FREY, Millennium, 23f.; DERS., Johannesapokalypse, 537, Anm. 240, und OSBORNE, Rev, 706, beide Gruppen als identisch. B IETENHARDS Argument, Reich, 28, dass im Falle einer Identität beider Gruppen das Relativpronomen nicht oi[tinej, sondern ai[tinej lauten müsste, ist nach FREY, Millennium, 23f., Anm. 39, nicht stichhaltig. Derartige sprachliche Inkongruenzen finden sich zuhauf in der Apokalypse und sind der sprachlichen Ungelenkheit des Autors zuzuschreiben, der ganz offensichtlich nicht in seiner Muttersprache schreibt. B AUER, Messiasreich, 45, spricht gar von einem „Stammelstil“, und meint, dass der Verfasser gezwungen gewesen sei, „sich in einer Sprache auszudrücken, in der er nicht wirklich versiert“ gewesen sei. Eine bewusste Hebraisierung des Sprachstils schließt er aus, a.a.O., 76–84.

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Kapitel VIII: Die herrschenden Priester in der Johannesapokalypse

Die Mehrzahl der Kommentatoren entscheidet sich für die erste Lösung.277 Der Vers wäre dann die Erfüllung der Verheißung für die laodicenischen „Überwinder“ in Apk 3,21.278 Die Märtyrer der Endzeit sind dann als jene Überwinder zu verstehen, die nun ihren verdienten Lohn bekommen, entweder in Form einer Bevollmächtigung zur aktiven Richterund Herrschaft, oder einer passiven Rehabilitation und Rechtfertigung.279 Die Verleihung des kri,ma müsste in diesem Fall im Sinne eines passivum divinum gedeutet werden. Die zweite Lösung geht ebenfalls von einem passivum divinum aus und impliziert, dass einem Thronrat, der identisch ist mit den als auvtoi/j Bezeichneten, (von Gott) eine richterliche Vollmacht und Legitimation verliehen wird (kri,ma evdo,qh), mit der dann den Märtyrern die Rechtfertigung und Rehabilitation zugesprochen wird.280 Allerdings ist es deutlich wahrscheinlicher, dass die mit dem Personalpronomen auvtoi/j Bezeichneten mit der oder den folgenden, nun näher beschriebenen Gruppe(n) identisch sind, obwohl auch hier der Satzanschluss dies nicht eindeutig hergibt. Ansonsten bliebe aber die gesamte Satzaussage rätselhaft.281 277 CHARLES, Rev II, 182f.; HADORN, Offb, 195f.; ROLOFF, Offb, 193; SCHÜSSLERF IORENZA, Priestertum, 304f.; MORRIS, Rev, 236f.; FREY, Millennium, 24; DERS., Johannesapokalypse, 536, und AUNE, Rev III, 1084f., der mit der Gewohnheit des Verfassers argumentiert, zuerst den „Sitzplatz“ bestimmter Personen vor den Personen selbst zu beschreiben mit Verweis auf Apk 4,2.4; 6,2.4.5.8; 14,14; 19,11; 20,11. Dieser Hinweis hilft hier jedoch kaum weiter, da an den besagten Stellen die „Sitzplatznehmer“ grammatisch immer sehr eindeutig und präzise beschrieben werden. Dies ist in 20,4 nicht der Fall, vielmehr fungieren die Märtyrer und Bekenner eindeutig als Akkusativobjekte von ei=don. Auch B AUER, Messiasreich, 190, macht darauf aufmerksam, dass eine Handlung, deren Subjekt oder Objekt der Sitzende ist, niemals zwischen den Sitzplatz und den Sitzenden tritt. Bestritten wird dies auch von B OUSSET, Offb, 437; U.B. MÜLLER, Offb, 335f.; W IKENHAUSER, Offb, 147. OSBORNE, Rev, 704f. entscheidet sich ebenfalls für die Märtyrer als die in Apk 20,4 einzig erwähnte Gruppe, sieht aber alle Heiligen als einen erweiterten Kreis der Märtyrer, der hier aufgrund des größeren Kontextes hinzuzudenken sei. 278 Allerdings wird ihnen in Apk 3,21 das Mit-Thronen auf dem einen Thron Christi verheißen, während hier alle, die Platz nehmen, einen eigenen Thron zu haben scheinen. 279 G IESEN, Offb, 432; KARRER, Brief, 244. B AUER, Messiasreich, 190, lehnt diese Lösung ab, da die Seelen s.E. keinesfalls mit den Thronenden identisch sein können, weil sonst V. 4bc vor V. 4a stehen müsste. 280 So B AUER, Messiasreich, 168, der das Personalpronomen auvtoi/j auf das (implizite) Subjekt von evka,qisan beziehen möchte. Damit aber werden die Märtyrer, die er von den Thronenden unterschieden wissen will, zum bloßen Objekt des „Sehens“ und ihre Verbindung mit der Gerichtsszene in V. 4a bleibt völlig offen. 281 B EALE, Rev, 997, identifiziert auvtoi/j zu Recht als dativus commodi (Richtspruch zu ihren Gunsten), mit dem die auferweckten Märtyrer bezeichnet werden, die er allerdings auch mit den Thronenden identifiziert. Dass diese Märtyrer erst später eingeführt werden, wie B AUER einwendet, ist ein Problem, aber in Anbetracht der Komplexität des Satzes das eindeutig kleinere.

4 Apk 20,4–6

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Die dritte Alternative bedeutet, dass ein wie auch immer gearteter Thronrat282 den Märtyrern, die mit dem Personalpronomen auvtoi/j gemeint sind, das kri,ma zuspricht, das dann ebenfalls im Sinne einer Rehabilitation zu verstehen wäre. Die zweite und dritte Lösung schließen traditionsgeschichtlich an Dan 7,9.22 an.283 Dan 7,9 ist sprachlich wie inhaltlich ähnlich schwierig zu erklären wie Apk 20,4. Der Vers beschreibt eine Szene, wo zunächst Throne aufgestellt werden, ohne dass deren Zweck näher erläutert würde. Dann setzt sich (auf einen der Throne?) der „Alte der Tage“, aber es bleibt unklar, wer auf den (restlichen?) Thronen, die eindeutig im Plural erwähnt werden, Platz nimmt, bzw. ob der „Alte der Tage“ von einem Thronrat, Hofstaat oder Richterkollegium umgeben ist (V.10?; vgl. auch V. 26, sowie äthHen 47,3). Apk 20,4 übernimmt diese Undeutlichkeit. In 7,22 ist dann davon die Rede, dass der „Alte der Tage“ den „Heiligen des Höchsten“ das kri,ma gibt.284 Die griechische Formulierung bei Theodotion bedeutet entweder, dass die Heiligen die Vollmacht bekommen, aktiv richterlich tätig zu werden, oder dass ihnen „Recht verschafft“ wird285 im Sinne einer Rehabilitation für erfahrenes Leid. Die Identität der „Heiligen des Höchsten“ bleibt jedoch unklar; möglicherweise sind sie identisch mit dem Thronrat von V. 9. Während die Parallelen in CD 20,8; äthHen 9,3; 14,23 an Engelwesen erinnern, könnten vom danielischen Kontext her damit eher die gerechten Märtyrer gemeint sein. Dann würden die Märtyrer der Johannesapokalypse in Apk 20,4 den Platz einnehmen, den die „Heiligen des Höchsten“ in Dan 7,18.21.22.25.27 inne haben.

Beide Lösungsvorschläge könnten sich auch auf Traditionen berufen, wie sie in Mt 19,28/Lk 22,30 und 1Kor 6,2 bezeugt sind. Diese Belege sind Teil der Tradition der „Herrschaft der Heiligen“, die der Seher in Apk 5,10 und 20,6 mit der auf der Exodusformel basierenden Tradition von der Einsetzung der Glaubenden als Königreich und Priester verbunden hat (→VIII.3.4.3). In Mt 19,28/Lk 22,30 wird dem Zwölferkreis das Sitzen auf zwölf Thronen und die Vollmacht zum Richten der zwölf Stämme Israels verheißen. In 1Kor 6,2f. erinnert Paulus seine korinthischen Adressaten daran, dass sie einmal die Welt und die Engel richten werden. Im Kontext 282 Bereits B OUSSET, Offb, 437, und MÜLLER, Offb, 335–337, merken an, dass dem Autor offensichtlich wenig an einer genauen Bestimmung der Thronenden liegt. 283 Vgl. auch Dan 7,26f.; SapSal 3,8; Mt 19,28/Lk 22,30. B AUER, Messiasreich, 36.191f., ähnlich MÜLLER, Offb, 335f., sieht den Bezug auf Dan 7,9f.22 als den Schlüssel für das Problem. Weil die Formulierung in Apk 20,4a lediglich als Reminiszenz an jene Gerichtsszene gedacht gewesen sei, habe sie auch nie die Absicht gehabt, den Thronenden ein Gesicht zu geben, um sie näher zu identifizieren. Denkbar wäre für B AUER allerdings ein Bezug zu Apk 4,4 und die dort erwähnten 24 Ältesten, die hier als göttlicher Thronrat und Gerichtsbeisassen fungieren. Dagegen sieht G IESEN, Offb, 431, hier nur Dan 7,22, nicht jedoch 7,9f. aufgenommen, da von dem Hochbetagten, der auf dem Thron Platz nehme, in Apk 20,4 keine Rede sei. 284 So die Version bei Theodotion. Die LXX liest nicht kri,ma, sondern kri,sij. 285 ROLOFF, Offb, 193; OSBORNE, Rev, 706; ähnlich B EALE, Rev, 997, der von einer „judical vindication“ spricht.

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von Apk 20,4 hätten die Apostel und/oder die Gemeinde zunächst einmal die Aufgabe der Rehabilitation der Märtyrer der Endzeit. Die dritte Interpretationsalternative hätte jedoch zum einen den Vorzug, dass die Märtyrer, die auferstehen werden, um mit Christus zu herrschen, nicht schon vor der Erwähnung ihrer Auferweckung als Richtende vorgestellt werden. Sie würde zum anderen in einer gewissen Parallelität zu Apk 20,11ff. stehen, wo zunächst ebenfalls von einem Thron die Rede ist, dann von dem (göttlichen) Richter, der darauf Platz nimmt, und dann erst von den zu Richtenden.286 Von der Textlogik und den zahlreichen traditionsgeschichtlichen Referenzbelegen her scheint diese Lösung deshalb den Vorzug zu verdienen.287 Wenn diese Thronenden identisch mit den Richtenden und Herrschenden aus Mt 19,28/Lk 22,30 und 1Kor 6,2 zu sehen sind, dann würde die in Apk 20,4 beschriebene Szene die Rechtfertigung und Rehabilitation288 der unter Verleumdungen und Falschurteilen hingerichteten Märtyrer durch die Apostel und/oder die Gemeinde aussagen. Damit wäre auch Apk 20,4–6 eine Gerichtsvision analog zu Apk 20,11–15,289 der allerdings viele typische Merkmale eschatologischer Gerichtsszenen fehlen. Sie würde sich auf die positive Gerechtsprechung der Märtyrer beschränken, während die Ungerechten ihre gerechte Strafe bereits im Zuge der Parusie bekommen haben (Apk 19,17–21) bzw. diese im Zusammenhang des großen Weltgerichts endgültig bekommen werden (Apk 20,15). Unabhängig davon, welcher Variante der Vorzug gegeben wird, ist diese Szene auch die ersehnte Antwort auf die Frage der Märtyrer in 6,9–11 (vgl. auch 16,6; 18,24),290 die nach Rache und um ein gerechtes Gericht flehen und zur Antwort bekommen, dass sie noch warten müssten, bis die Zahl der Märtyrer erfüllt sei.291 Ihre Stilisierung als „die Seelen derer, die geschlachtet worden waren um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten“ (6,9b), entspricht nahezu exakt der Märtyrergruppe 286

Vgl. zu den ersten beiden Argumenten ROOSE, Mitherrschaft, 187f. B IETENHARD, Reich, 27, möchte die Identität der Richtenden, die auf den Thronen Platz nehmen, im Anschluss an B OUSSET offenlassen, sieht in ihnen jedoch nicht die in 20,4bc beschriebenen Märtyrer. 288 SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 303, weist darauf hin, dass kri,ma im Licht von Apk 17,1 und 18,20 passivisch im Sinne von Gerichtsurteil/Gerichtsspruch verstanden werden muss. Der Begriff drückt demnach in der Apokalypse weniger das aktive richterliche Wirken als vielmehr das Ergebnis dieses Wirkens, nämlich das ergangene und empfangene Urteil und den Rechtsspruch aus. Sie übersetzt daher kri,ma evdo,qh entsprechend passivisch mit „ein Urteilsspruch wurde ihnen gegeben“ oder „ihr Rechtsanspruch wurde erfüllt“. 289 AUNE, Rev III, 1079. 290 MÜLLER, Offb, 339. 291 Zum hier erwähnten eschatologischen Zeitmaß vgl. auch AssMos 10,1–10; 4Esr 4,33–36a, sowie ROOSE, Mitherrschaft, 170f., und STUHLMANN, Maß, 161f. 287

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von 20,4b.292 Sie erbitten keine eigene richterliche Vollmacht oder Legitimation zur Rache, sondern das richterliche Wirken Gottes, das freilich vice versa immer auch ihre eigene Rehabilitation bedeutet. 4.2.2 Leben und Herrschen mit Christus Teil dieser Rehabilitation ist die „erste Auferstehung“ und damit die Bewahrung vor dem „zweiten Tod“.293 Die „erste Auferstehung“ ist relational zur allgemeinen Totenauferstehung zum Weltgericht in Apk 20,13f. zu verstehen, die erst nach dem Millennium stattfindet.294 Da nichts auf eine wie auch immer geartete spirituelle Auferstehung hindeutet, ist von einer leiblichen Auferstehung auszugehen.295 Im Unterschied zu den dort Gerichteten, deren Name nicht im „Buch des Lebens“ zu finden ist, werden die auferweckten Märtyrer des Millenniums nicht mehr den zweiten und damit endgültigen Tod erleben. Für ihre Tätigkeitsbeschreibung im Rahmen des immerhin 1000 Jahre währenden messianischen Reiches beschränkt sich Johannes auf zwei Verben und eine präpositionale Erweiterung: e;zhsan kai. evbasi,leusan meta. tou/ Cristou/ (20,4d). Welcher Art dieses Herrschen sein soll und ob es ein zu beherrschendes Objekt gibt, wird nicht ausgeführt. Ein „Bild“ von dieser Heilszeit, analog etwa zur Vision des neuen Jerusalem in 21,1–22,5, entsteht nicht.296 Das hat aber weitreichende Konsequenzen für die Deutung dieses Reiches. Es ist hier weder von einem „goldenen Zeitalter“, einer idealen Gesellschaftsordnung oder einer vollkommenen Harmonie zwischen Gott, Mensch und Schöpfung die Rede, wohl aber von einer 292 AUNE, Rev III, 1088, kommt nach einem ausführlichen Vergleich von Apk 6,9 und 20,4 zum Urteil, dass es sich um zwei Varianten derselben Tradition handeln müsse. 293 Interessanterweise spricht der Seher nie von einer „zweiten Auferstehung“ bzw. einem „ersten Tod“. OSBORNE, Rev, 708, interpretiert dies dahingehend, dass der Seher eine wahre Auferstehung nur bei den Glaubenden kennt, während die Unglaubenden nur eine Erweckung zum Gericht und zum Erleiden des „zweiten Todes“ erfahren, vgl. Joh 5,29. Umgekehrt könnte das Fehlen des Begriffs eines „ersten Todes“ damit zusammenhängen, dass der Seher den physischen Tod von Christen nicht als „Tod“ im Sinne eines endgültigen Endes des Lebens bezeichnen möchte, da sie ja postmortal weiterleben. 294 Dass die „erste Auferstehung“ den Einzug der Märtyrer in den Himmel meint, wie B EALE, Rev, 991–1007, und S ICKENBERGER, Offb, 174–177, behaupten, lässt sich dem Text nirgendwo entnehmen. Ein solches Verständnis wäre auch singulär im Neuen Testament. 295 Vgl. hier zu MOUNCE, Rev, 366, und OSBORNE, Rev, 706–708, die diesen Punkt mit einiger Akribie und dem Verweis auf Apk 1,18; 2,8; 13,14; Mt 9,18; Joh 11,25, und Röm 14,9 untermauern. 296 Vgl. auch B AUER, Messiasreich, 246: „Jeder Versuch, das Millennium der Johannesoffenbarung zu deuten, muss respektieren, dass der Text keine Angaben über die Art der Herrschaft und den Zustand der Erde während dieser Zeit enthält. Der Leser/Hörer erfährt nicht, über wen die Auferweckten herrschen und worin ihre priesterliche Funktion besteht“; ähnlich FREY, Millennium, 48f.

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Epoche der endzeitlichen Rehabilitierung der stigmatisierten, entrechteten, unterdrückten und schließlich auch ermordeten Glaubenszeugen. Es darf von einer Gerechtsprechung und damit durchaus auch von Gerechtigkeit gesprochen werden, welche als Antwort auf den Ruf der Märtyrer von Apk 6,9f. verstanden werden muss. Die Schilderung erinnert an die vorletzte Seligpreisung der Bergpredigt: „Glückselig die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten, denn ihrer ist das Reich der Himmel“ (Mt 5,10). 4.2.3 Weitere Teilhaber des Millenniums? Die Frage, ob es noch weitere Teilhaber an der tausendjährigen Herrschaft Christi gibt bzw. was mit allen übrigen, vorher verstorbenen Christen geschieht, wird vom Seher nicht gestellt, geschweige denn beantwortet.297 Sie steht noch nicht einmal am Rande seines Interesses. Seine Aufmerksamkeit gilt voll und ganz den endzeitlichen Gemeinden und ihrer eschatologischen Entscheidungssituation angesichts der satanischen Verführung.298 Das Ziel des Sehers ist es, seine eigene Generation, die für ihn die endzeitliche ist, zu trösten, zu ermutigen und zu ermahnen, Gott die Treue zu halten – selbst durch das Martyrium hindurch.299 Es lassen sich deshalb allenfalls systematische Folgerungen anstellen. So verweist Bauer darauf, „dass die Zugangsbedingungen für das Millennium keine anderen sind als die für das ‚neue Jerusalem‘, d.h. wer am ‚tausendjährigen Messiasreich‘ teilnimmt, gelangt auch ins ‚neue Jerusalem‘, und wer ins ‚neue Jerusalem‘ gelangt, herrscht zuvor ‚tausend Jahre‘ mit dem Messias. Das Millennium ist somit kein ‚Bonus‘ für eine besondere

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W ITHERINGTON, Rev, 249, vgl. auch B AUER, Messiasreich, 351, und FREY, Johannesapokalypse, 538. ROOSE, Mitherrschaft, 188, versucht die Frage über Verhältnisbestimmung zu Apk 20,11–15 zu klären. Vorauszusetzen ist, dass die Teilhaber an der ersten Auferstehung, welche in 20,4–6 das Millennium bevölkern, nicht Gegenstand des Endgerichts in 20,11–15 sind, da dort nur die Toten gerichtet werden und zwar ausdrücklich „nach ihren Werken“. Wenn daher in 20,4–6.11–15 die Totalität aller Menschen erwähnt ist, hängt das Schicksal der Christen zum einen davon ab, ob sie ebenfalls stillschweigend als Märtyrer gewertet werden, und zum anderen davon, ob es beim großen Endgericht auch Gerettete geben wird. ROOSE möchte V. 15 als Hinweis auf solche Gerettete verstehen, deren Name im Buch des Lebens gefunden wurde. Dies ist jedoch ein argumentum e silentio, da V. 15 lediglich die negative Option erwähnt und letztlich offen lässt, ob der Umkehrschluss erlaubt ist. 298 Im Licht von Apk 13,8.15 ließe sich auch erwägen, ob der Seher überhaupt Christen kennt, die Nicht-Märtyrer sind. Denn in Apk 13 scheint es lediglich zwei Gruppen zu geben: jene, die das Tier anbeten und nicht geschrieben stehen „im Buch des Lebens des geschlachteten Lammes“ (13,8), und jene, die das Bild des Tieres nicht anbeten und deshalb „alle“ getötet werden. Nach ROOSE, Mitherrschaft, 194, kündigt der Seher also allen Christen seiner Zeit den Märtyrertod an. 299 GIESEN, Offb, 434, ähnlich ROOSE, Mitherrschaft, 172f.

4 Apk 20,4–6

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Gruppe von Christen,300 die sich in der Verfolgung als ‚Blutzeugen‘ bewähren, wohingegen das Heil der neuen Schöpfung allen Christen offen steht.“301 Gießen erinnert an die Aufnahme von Apk 6,9 in 20,4c und verweist auf den Umstand, dass die Märtyrer in 6,9–11 allen treuen Christen ihre Stimme geliehen haben und die geforderte Rehabilitation deshalb auch allen Christen gelte.302 Osborne kann sich nicht vorstellen, dass die „übrigen Toten“ in 20,5 auch Christen sein könnten, die in der Gefahr stehen, nach 20,6 den „zweiten Tod“ zu erleiden, während die Johannesapokalypse und das gesamte Neue Testament ansonsten die endzeitliche Errettung aller Glaubenden vertreten.303 Verbunden mit der Deutung der Thronenden von Apk 20,4 im Licht von Mt 19,28/Lk 22,30 und 1Kor 6,2 und der mit dem Verb basileu,sousin (Apk 5,10; 20,6) verbundenen Tradition der „Herrschaft der Heiligen“ ergibt sich eine „Tendenz“ – ein stärkerer Begriff verbietet sich – von der Teilnahme aller Glaubenden am Millennium auszugehen. 4.3 Die Priester und ihre Herrschaft Anders als in Apk 1,6 und 5,10 fehlt in 20,6 der unmissverständliche Bezug zur Exodusformel. Doch auch wenn die Konturen von Ex 19,6 hier 300 Gegen MOUNCE, Rev, 369, der von einem „special reward“ ausgeht „for those who have paid with their lives the price of faithful opposition to the idolatrous claims of Antichrist“. 301 B AUER, Messiasreich, 239; vgl. DERS., a.a.O., 243: „An keiner Stelle in 15,1–22,9 wird festgehalten, dass die Teilnahme am Millennium ein Privileg für die Christen ist, die mehr geleistet und erduldet haben als andere. Es lässt sich nirgends erkennen, dass es einen Zugang zum ‚neuen Jerusalem‘ ohne vorhergehende Teilnahme am Millennium gibt.“ Dagegen spricht sich SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 330f., prononciert für diese Option aus. Sie sieht die tausendjährige Herrschaft mit Christus allein den bewährten Märtyrern und Bekennern vorbehalten und nicht der Kirche qua Kirche gegeben. Die Teilnahme an dieser Herrschaft ist aus ihrer Sicht nicht so bedingungs- und voraussetzungslos wie die Erlösung durch das Blut Christi gemäß Apk 1,5. Vielmehr bedürfe es zur Teilnahme an Christi messianischer Herrschaft der Bewährung in den Verfolgungen der Endzeit. 302 G IESEN, Offb, 433f. B EALE, Rev, 1000, hält es – natürlich gerade auch im Licht seiner kirchengeschichtlichen Millenniumsdeutung – für unwahrscheinlich, dass hier nur Märtyrer gemeint sein sollen, da das zwischenzeitliche Schicksal der übrigen Christen sonst völlig unklar bleibt bzw. diese erst zum Endgericht zusammen mit den Ungläubigen auferstehen werden. Dies wäre auch deshalb unwahrscheinlich, weil die christlichen Nicht-Märtyrer nur graduell weniger Leiden zu ertragen hatten als ihre Schwestern und Brüder, die durch das Martyrium mussten. 303 OSBORNE, Rev, 707f., vgl. Apk 21,7; 22,7.17, sowie 1Kor 15,51f.; Mk 13,20.26f.; Hebr 9,28; Jak 5,7f.; 2Petr 3,14; 1Joh 2,28. Ausgehend von Apk 2,25 und 3,11 kann auch nicht davon die Rede sein, dass die Johannesapokalypse christliche Existenz nur im Horizont des Martyriums kennen würde.

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schon deutlich verwischt sind, ist durch die beiden Begriffe i``ereu,j und basileu,ein der Bezug zu 5,10 deutlich. Beide Begriffe werden hier nicht mehr auf die gesamte Gemeinde bezogen, sondern explizit nur noch auf die Märtyrer. Die Formulierung muss aber in jedem Fall als eine Weiterentwicklung der Exodusformel auf dem Hintergrund der Tradition von der „Herrschaft der Heiligen“ (Röm 5,17; 2Tim 2,12; Mt 19,28/Lk 22,30) verstanden werden (→VIII.3.4.3).304 Auffallend ist, dass der Begriff der basilei,a nicht mehr erscheint, was die für 1,6 und 5,10 vorgeschlagene Deutung als Bezeichnung der Gemeinde als Gottes „Machtbereich“ und „Herrschaftsraum“ unterstreicht. Denn nun ist es nicht mehr nur die Gemeinde, in der Gottes zwar universale aber doch gleichzeitig verborgene Herrschaft erkannt werden kann und anerkannt wird, sondern das Millennium ist ein umfassendes und sichtbares Reich, in dem Christus mit den Märtyrern herrscht und regiert. Entsprechend hat sich das Substantiv erübrigt und das Verb basileu,ein dominiert die Funktionsbeschreibung der Märtyrer. Die futurische Verbform unterstreicht wie schon in 5,10, dass der Seher sehr reflektiert zwischen präsentischen und futurischen Funktionen der Gemeinde bzw. des einzelnen Christen zu unterscheiden weiß. Während Priestertitel und basilei,aBegriff bereits präsentische Gültigkeit haben, die priesterliche Identität auch im Millennium noch als Identitätsbeschreibung der Glaubenden ihre Gültigkeit behält (aber bezeichnenderweise in 22,5 nicht mehr benötigt wird!), werden die Glaubenden im Millennium nicht mehr nur ein „passiver“ Herrschaftsraum und Machtbereich Christi sein (basilei,a). Sie werden vielmehr aktiv Herrschende sein, auch wenn sich diese Tätigkeit nicht weiter präzisieren lässt,305 denn das Herrschen bleibt durchgängig objektlos. Es ist nirgendwo ersichtlich, dass es eine Gruppe von Beherrschten in diesem Millennium geben würde. Dieser Umstand wirft wiederum die Fra304 ELLIOT, Elect, 116f.; KRAFT, Offb, 257; BEALE, Rev, 1000, und etwas vorsichtiger und abwägend auch SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 335–338, wollen Apk 20,6 dagegen auf dem Hintergrund von Jes 61,6 verstehen. Neben der Auflösung des eindeutig auf die Exodusformel zurückgehenden Syntagmas basilei,a n i``erei/j ist der einzige Grund für diese Erwägung der durch die Genitivkonstruktion suggerierte titulare Charakter des Priesterprädikats. Es gibt jedoch keinen Grund, der den Seher inhaltlich bewegt haben könnte, an dieser Stelle an Jes 61,6 zu erinnern. In Jes 61,6 wird mit dem Priestertitel für Israel in Anspielung an das levitische Priestertum das Gegenüber zu den Völkern hervorgehoben, die Israel aufgrund seiner priesterlichen Würde ihre Reichtümer bringen. Dieser Aspekt liegt Apk 20,6 ebenso fern, wie ein Gegenüber von (levitischen) Priestern und (heidnischen) Völkern. Umgekehrt fehlt in Jes 61,6 der Herrschaftsaspekt völlig, worauf auch SCHÜSSLER-FIORENZA, a.a.O., 337, betont aufmerksam macht. Es ist aber gerade die Herrschaftsfunktion, die in Apk 20,4–6 die entscheidende Rolle spielt, obwohl hier gar kein Objekt der Herrschaft mehr erscheint, geschweige denn beherrschte Völker, die den Priestern ihre Reichtümer bringen. 305 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 334; ROOSE, Mitherrschaft, 173–176.

4 Apk 20,4–6

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ge auf, welchen Sinn der Verfasser mit dieser Herrschaftsfunktion verbindet. 4.3.1 Herrschaft als Ausdruck der Freiheit Das objektlose Herrschen legt im Zusammenhang der Johannesapokalypse die Vermutung nahe, dass es sich hier um einen Gegenbegriff zum Leiden handelt, das die Gemeinde und vor allem die Märtyrer im endzeitlichen Szenario der Johannesapokalypse durchgängig erfahren (vgl. nur Apk 6,9– 11). Die tausendjährige Herrschaft auf Erden ist damit ein Ausdruck des Befreit- und Erlöstseins, das im Kontext der Offenbarung ein Nicht-mehrbeherrscht-Werden von den antigöttlichen und -christlichen Mächten und Herren darstellt. Das objektlose „Herrschen“ der Märtyrer wäre dann ein Ausdruck für die Befreiung von der antichristlichen, satanischen Herrschaft.306 Bezieht man Apk 21f. mit ein, dann wird deutlich, dass das Herrschen bzw. die Herrschaft Gottes und des Lammes in der Johannesapokalypse eine bestimmte Form des Heils ist,307 das verglichen mit den blumigen Beschreibungen eines Zwischenreiches in den frühjüdischen Apokalypsen freilich nur sehr schwache Konturen gewinnt. In der Johannesapokalypse ist noch an zwei anderen Stellen von einem (Mit)Herrschen der Gemeinde bzw. der Überwinder die Rede. Im „Überwinderspruch“ für die Gemeinde in Laodicea in Apk 3,21, welcher als Höhepunkt am Ende der sieben Überwindersprüche und damit auch am Ende der sieben Sendschreiben überhaupt steht, heißt es im Anschluss an die Verheißung endzeitlicher Mahlgemeinschaft: „Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe.“ In dem Vers taucht das Wortfeld basilei,a/basileu,ein zwar nicht auf, aber das Thema von 20,6 und 22,5 ist virulent und auch die Bezüge zum Gemeinschaftsthron Gottes und des Lammes in Apk 22,3 sind unübersehbar. Ein ähnliches Motiv findet sich in Mt 19,28/Lk 22,28–30, jedoch mit wichtigen Nuancen. Während das Jesuslogion bei Matthäus als Zeitpunkt die eschatologische „Wiedergeburt“ angibt, verortet es die lukanische Version analog zu Apk 3,20 im endzeitlichen Fest- und Freudenmahl („damit ihr esst und trinkt an meinem Tisch in meinem Reich“). Gemeinsam ist beiden Versionen (neben der Reihenfolge „Freudenmahl – In306

Ähnlich MÜLLER, Offb, 340. FREY, Johannesapokalypse, 537, stellt die Erwägung an, dass mit dem objektlosen Herrschen ein „Zustand der restituierten Ehre und Würde“ bezeichnet wird, „freilich einer Restitution, die nicht in der geistigen oder forensischen Dimension bleibt, sondern sich in einer physischen Realität ,verleiblichtʻ – dem leiblichen Leiden und Tod, den sie erdulden mussten, entsprechend“. 307 Nach GIESEN, Offb, 433, beschreibt die „Metapher ‚Herrschaft‘ […] das unbegrenzte Glück in einer Gemeinschaft, in der es keine Spannungen gibt, weil jeder jeden so annimmt, wie er ist. In diesem Sinn ist sie zugleich Ausdruck grenzenloser Freiheit, die der irdischen Erfahrung der Bedrängnis durch die Herrschaft des römischen Reiches kontrastvoll gegenübersteht“. Eine philologisch-exegetische Begründung für diese Interpretation liefert er allerdings nicht.

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thronisation“ in Lk 22,28–30 und Apk 3,20f.) die Verheißung einer eschatologischen Richterfunktion der Jünger („ihr werdet sitzen auf [zwölf] Thronen“, vgl. Apk 3,21), die als Objekt des Richtens die zwölf Stämme Israels anführt. Diese Objektangabe fehlt sowohl in Apk 3,21; 5,10; 20,6 als auch in 22,5. Eine solche ist dagegen eindeutig im Überwinderspruch für die Gemeinde in Thyatira in Apk 2,26f. gegeben: „Und wer überwindet und meine Werke bis ans Ende bewahrt, dem werde ich Macht über die Nationen geben; und er wird sie hüten mit eisernem Stab, wie Töpfergefäße zerschmettert werden, wie auch ich von meinem Vater empfangen habe; und ich werde ihm den Morgenstern geben.“ In einer freien Paraphrase von Ps 2,8f.308 wird den Überwindern die Macht über die Heidenvölker verheißen.309 An die Stelle des Wortfeldes basilei,a/basileu,ein tritt hier das Verb poimai,nein, das ebenfalls den Sinn von „regieren“ bzw. „richterlich herrschen“ haben kann. Die Struktur ist zunächst dieselbe wie in Apk 3,21: Die Sieger bekommen Anteil an einer Vollmacht Christi, so wie Christus Anteil an einer Vollmacht Gottes bekommen hat. Die unterschiedlichen Bildmotive erklären sich aus den unterschiedlichen Traditionen, die jeweils rezipiert werden. Während die Paraphrase von Ps 2,8f. in Apk 2,26f. ein (Mit)Regieren der Überwinder über die überwundenen Heidenvölker aussagt, ohne dies jedoch weiter auszuführen oder gar zu entfalten,310 kennt die Exodusformel selbst kein Objekt des Herrschens und entsprechend fehlt ein solches auch bei allen drei Aufnahmen in der Johannesapokalypse. Wir werden uns damit abzufinden haben, dass die Johannesapokalypse kein harmonisches Gesamtkonzept der eschatologischen Herrschaft Gottes, Christi bzw. des Lammes und der endzeitlichen „Sieger“ bieten will, sondern immer nur verschiedene Aspekte beleuchtet, die sich nicht immer spannungsfrei zusammenfügen lassen. Eine interessante Parallele findet diese Interpretation der Exodusformel in der Johannesapokalypse in der Mekhilta de Rabbi Yischmael (MekhY 48,16–18),311 deren Endredaktion wohl in die zweite Hälfte des 3. Jh. n.Chr. zu datieren ist.312 Die Mekhilta erörtert hier in einer eschatologischen Auslegung von Ex 19,6, wie sich die Exodusformel, 308

Ps 2,9 wird schon in PsSal 17,22–24 messianisch gedeutet. Die erste Hälfte von Y 2,9, die vom Weiden mit einem eisernen Stab spricht, findet sich auch in Apk 12,5 und 19,15, wo das Psalmzitat die Herrschaft Gottes als ein Gericht und ein Herrschen in Folge dieses Gerichtes schildert. 310 Nach SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 366, wird in Apk 2,27 in einem atl. Bild das ausgesagt, was programmatisch in V. 26 zum Ausdruck kam: „[D]er Überwinder wird Macht erhalten über die Heidenvölker. Wie der Christus seine richterliche Macht über die Völker ausübt, so auch derjenige, der in der eschatologischen Auseinandersetzung mit den gottfeindlichen Mächten Sieger geblieben ist. Nicht die heidnischen Mächte, sondern die wahren Knechte Gottes erhalten Herrschaft und Macht in der eschatologischen Zukunft. Doch wird in der Apk nirgends breit ausgemalt, wie der Sieger diese Herrschaft über die Völker ausübt. Mit der Herrschaftszusage wird also nicht so sehr etwas über das eschatologische Geschick der Heiden ausgesagt, als vielmehr herrscherliche Macht und Würde denjenigen verheißen, die jetzt der gottfeindlichen, heidnischen Macht ausgesetzt sind und sie zu bestehen haben.“ 311 Diese Schrift wurde erschlossen von NEUSNER, Mekhilta; zur Stelle vgl. Bd. 2, 49. 312 STEMBERGER, Einleitung, 253. 309

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die aufgrund des Abfalls Israels nie zu einer geschichtlichen Erfüllung gelangte bzw. im levitischen Priestertum nur eine unvollkommene Verwirklichung erfuhr, in der eschatologischen Vollendung erfüllen wird. Zwei Elemente dieser Interpretation der Exodusformel sind für unseren Zusammenhang von Interesse: Zum einen deutet die Mekhilta das Königtum von Priestern zunächst in Abgrenzung gegen die Vorstellung einer Fremdherrschaft als ein Nicht-beherrscht-Werden durch fremde Herrscher. Zum anderen lehnt die Mekhilta die Vorstellung ab, dass die Söhne Israels königlich handeln werden, indem sie andere Völker erobern, unterdrücken oder Krieg führen. Vielmehr soll die Herrschaft in priesterlicher Weise ausgeübt werden.313

Die weitergehende Frage ist nun, welche Funktion das aus der Exodusformel übriggebliebene Subjekt i``ereu,j im Verhältnis zu dieser Funktion des Herrschens der Märtyrer (noch) hat. Folgende Beobachtungen sind hier relevant: Zum Ersten ist festzuhalten, dass das Achtergewicht der Aussage in Apk 20,4–6 eindeutig auf das Verb basileu,ein übergegangen ist,314 ohne dass irgendwo der basileu,j-Titel auf die Märtyrer übertragen werden würde. In der Visionsschilderung in 20,4f. taucht der Priestertitel anders als das Verb basileu,ein noch nicht auf. Zum Zweiten ist auch in 20,6 wie schon in 1,6 und 5,10 – und man kann ebenso 1Petr 2,4–10 und das gesamte Neue Testament hier mit einbeziehen – nirgendwo von einer priesterlichen Funktion der Märtyrer die Rede, sieht man einmal von den an Gott adressierten „geistlichen Opfern“ und der lobpreisenden Verkündigung seiner Wohltaten in 1Petr 2,5.9 ab. Auch sonst ist der Sinn des Titels „Priester Gottes und Christi“ an dieser Stelle nicht unmittelbar evident, zumal das Herrschen gerade nicht zu den genuinen Funktionen weder der israelisch-jüdischen noch der pagan-antiken Priester gehörte.315 Neben den Hinweisen, die bereits zu 1,6 und 5,10 im Blick auf die Priestermetapher gegeben wurden, ist in 20,6 noch zusätzlich das Adjektiv a[gioj zu beachten.316 Damit findet sich in diesem Makarismus neben dem Priestertitel noch ein zweiter kultischer Begriff, der auch zur Exodusformel in Ex 19,6 gehört. Der Seher will die tausendjährige Herrschaft der auferstandenen Märtyrer offensichtlich ganz bewusst mit kultischen Begriffen und möglicherweise auch bewusst im Kontext des kultischen Raumverständnisses bestimmen: Sie herrschen als Heilige und als Priester, d.h. sie sind als integre und gottgemäße Menschen endgültig und eindeutig 313

Vgl. hierzu auch ROOSE, Teilhabe, 172f. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 344. 315 Vgl. hierzu →VIII.3.4.1→VIII.3.4.2. OSBORNE, Rev, 709, vermischt die Belege, wenn er die in Apk 7,15 und 22,3 erwähnte priesterliche Aktivität der Heiligen, die vor dem Thron Gottes dienen, hier einträgt. Während dort der Priesterbegriff auffallender Weise fehlt, ist er hier vorhanden, jedoch wird gerade keine Funktion erwähnt. 316 Zum Heiligkeitsbegriff in der Johannesapokalypse vgl. Apk 3,7 zur Heiligkeit Christi, 4,8; 6,10 zur Heiligkeit Gottes und 5,8; 8,3f.; 11,18; 13,7.10; 14,12; 16,6; 17,6; 18,20.24; 19,8; 20,9. 314

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dem Präsenz- und Herrschaftsbereich Gottes zugeordnet317 und finden sich während des Millenniums als Priester in der traditions- und religionsgeschichtlich bekannten Rolle des idealen Menschen am idealen Ort wieder. Doch anders als bei den levitischen Priestern ist dieses Sein am heiligen Ort der Präsenz Gottes nicht mehr nur auf die Zeit des Dienstes an diesem Ort begrenzt, sondern dauerhaft. Sie stehen nun wie alle Christen der Vergangenheit in einem Verhältnis der Unmittelbarkeit und Nähe zu Gott und Christus, doch anders als vorher ist die Unmittelbarkeit und Nähe nun vom Schleier der Verborgenheit und Unsichtbarkeit befreit und in ein eschatologisches Licht der Erfüllung getaucht. 4.3.2 Herrschaft als Ausdruck restituierten Menschseins Im Licht der letzten Zeilen kommt schließlich noch ein weiterer Horizont für die Herrschaft der Priester in den Blick. Wenn Priester als heilige und ideale Menschen am idealen Ort der Präsenz Gottes verstanden werden müssen, die durch den Prozess der Heiligung zur paradiesischen Integrität und Vollkommenheit restituiert worden sind, drängt sich der Bezug zum paradiesischen Herrschaftsauftrag in Gen 1,26–28 von alleine auf. Nun ist gleich am Anfang sofort zuzugestehen, dass keine direkten sprachlichen Parallelen existieren. Während Apk 20,4–6 durch das Verb basileu,ein dominiert wird, finden sich in Gen 1,26.28LXX die Verben avrce,twsan (3. Person Plural Imperativ), katakurieu,sate (2. Person Plural Imperativ) und noch einmal a;rcete (2. Person Plural Imperativ). Auch die Tierwelt als das Objekt der urständlichen Herrschaft spielt in der Johannesapokalypse keine erkennbare Rolle mehr. Gleichwohl sind die sachlichen Beziehung verblüffend: Das Herrschen ist die erste dem Menschen als Ebenbild Gottes zugewiesene Funktion in Gen 1,26, es ist die einzige den „Priestern für Gott und Christus“ zugewiesene Funktion im Millennium, und es ist in Apk 22,5 die letzte dem vollendeten Menschen im Eschaton verheißene Funktion. Es lassen sich zur biblischen Urgeschichte noch weitere Beobachtungen anfügen: Der Begriff des Herrschens spielt bereits in Gen 1,18318 eine Rolle, wo den beiden großen Lichtern die Funktion zugewiesen wird, über Tag und Nacht zu „herrschen“ (LXX: a;rcein). Das schöpferische Handeln Gottes vollzieht sich hier durch ein scheidendes Ordnen, das als eine Etablierung von Herrschaft beschrieben wird. In ähnlicher Weise könnte man auch bei dem in Apk 20,4–6 beschriebenen Millennium von einer Etablierung von „Herrschaft“ gegenüber dem antichristlichen Chaos sprechen.

317 So auch SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 339; BEALE, Rev, 1002, und ROLOFF, Offb, 194: „Erst für die der ersten Auferstehung Teilhaftigen ist Heiligkeit, d.h. die Zugehörigkeit zum Heilsbereich Gottes eine unangefochtene Realität.“ 318 Vgl. bereits Gen 1,14, wo das Verb in einer LXX-Variante des Alexandrinus erscheint.

4 Apk 20,4–6

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Desweiteren taucht das Verb a;rcein auch in Gen 4,7 noch einmal in einem hamartiologischen Kontext auf: „Wenn du aber nicht recht tust, lagert die Sünde vor der Tür. Und nach dir wird ihr Verlangen sein, du aber sollst über sie herrschen (LXX: a;rxeij).“319 Der Vers erfährt ein Echo in Röm 6,12, ebenfalls in einem hamartiologischen Zusammenhang: „So herrsche (basileue,tw) nun nicht die Sünde in eurem sterblichen Leib“.320 Offensichtlich waren für Paulus die Verben a;rcein und basileu,ein austauschbar. Für die Frage nach der Bedeutung von basileu,ein in Apk 20,4–6 könnte man hier mit aller gebotenen Zurückhaltung und Vorsicht die Erwägungen anstellen, dass der priesterliche Mensch der im umfassenden Sinne herrschende Mensch ist, insofern er nicht nur das antichristliche Chaos, sondern auch die Sünde als solche beherrscht. Schließlich wird sowohl in frühjüdischen wie christlichen Texten im Zusammenhang mit dem urzeitlichen Satanssturz von der Konkurrenz zwischen dem Satan/Teufel und dem Menschen um die Weltherrschaft berichtet, welche dem Menschen in Gen 1,26–28 zugesprochen wurde (vgl. slHen 31,3–6; VitAd 11–17 und Tert Pat 5,5).321 Das Motiv für die satanische Verführung des Menschen in Gen 3 wird hier im Neid Satans bzw. des Teufels auf die Gottesebenbildlichkeit und Herrschaftsvollmacht des Menschen gesehen. Zwar handelt es sich hier ausschließlich zum Texte aus dem 2. Jh. n.Chr. und später, aber die motivischen Analogien zu Apk 20,1–10 sind evident: Mit der Bindung des Satan/ Teufels im Abyssos kann der priesterliche und damit gottähnliche/-ebenbildliche Mensch wieder zur Herrschaft gelangen, die ihm nach den 1000 Jahren abermals vom Satan/Teufel streitig gemacht wird, bevor dieser endgültig vernichtet wird und der vollendete Mensch in einem vom Satan/Teufel befreiten Eschaton in Ewigkeit herrscht (Apk 22,5).

In Anbetracht dieser Zusammenhänge legt sich der Gedanke eines bewussten Rückbezuges auf Gen 1 durchaus nahe: Der priesterliche Mensch übernimmt im Millennium die Rolle und Funktion des adamitischen Menschen in der Schöpfung. Auf der ursprünglich geschaffenen und noch nicht erneuerten Erde kommt der eschatologisch restituierte Priester-Mensch zur Erfüllung seiner protologischen Bestimmung. 4.4 Ergebnis (1) Der Sinn dieser dem neuen Himmel und der neuen Erde vorangehenden tausendjährigen Herrschaft der Märtyrer im Verhältnis zu den sich unmittelbar anschließenden Heilsgütern des neuen Himmels, der neuen Erde und dem neuen Jerusalem wird nirgendwo explizit enthüllt. Er dürfte aber mit der Qualifizierung dieser Heilsgüter in Apk 21,1f. als „neu“ zusammenhängen. Geht es ab c. 21 um eine „neue“ Heilswirklichkeit, so findet die tausendjährige Herrschaft in der noch nicht erneuerten Welt statt, die zwar 319

Übersetzung nach der Revidierten Elberfelder Bibel. Übersetzung nach der Revidierten Elberfelder Bibel. 321 Vgl. hierzu DOCHHORN, Sturz, 27. 320

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durch die Gebundenheit Satans und die Abwesenheit der Versuchung und aller antigöttlichen Mächte und Menschen geprägt sein wird, aber ansonsten noch unter den Seinsbedingungen der alten Erde und des alten Himmels stattfindet. (2) Das Millennium als ein messianisches Zwischenreich ist die Einlösung der göttlichen Verheißung im Rahmen der Wirklichkeit des alten Äons und der sichtbare Erweis der Macht Gottes im Kontext irdischer Bedingungen. Es geht hier um die Verwirklichung des Heils unter den Bedingungen und Voraussetzungen der alten, noch nicht erneuerten Erde, und damit um den Erweis der Macht und des Herrseins Gottes an dem Ort, wo die widergöttlichen Mächte ihre Triumphe feierten. Es geht um eine „Zurecht-Rückung“ der unter der antigöttlichen Verführung verkehrten Herrschaftsverhältnisse, und darum, dass diese „Zurecht-Rückung“ von Menschen mit einer priesterlichen Nähe und Unmittelbarkeit zu Gott vollzogen wird. Entsprechend sind die Teilhaber dieser noch irdischen Heilswirklichkeit Menschen, die den Verführungen und der antigöttlichen Welt widerstanden und mit ihrem Blut ihr Christuszeugnis bewährt haben und nun in priesterlicher Heiligkeit, Integrität und Gottunmittelbarkeit mit Christus herrschen werden, ohne dass ein Objekt der Herrschaft ersichtlich wird. (3) Das Herrschen der glückseligen und heiligen Priester kann als ein Ausdruck des von Unterdrückung befreiten Menschseins und als eine Form des Heils verstanden werden, denn die Herrschaft Christi und der Märtyrer soll eine heilvolle Existenz garantieren, die nicht mehr von der Verfolgung, dem Leiden und dem Tod der bisherigen antichristlichen Herrschaft geprägt sein wird. Die Priestermetapher weist die Teilhaber des Millenniums nicht als kultische Funktionsträger, sondern als ideale Menschen am idealen Ort aus, die nun auch eine ideale Herrschaft ausüben. In dieser Rolle und Funktion erinnern sie auch an den adamitischen Menschen des Schöpfungsberichts, dessen erste Funktionszuschreibung die Herrschaft über die Tierwelt war. Insofern können die priesterlich charakterisierten Märtyrer als die eschatologisch restituierte Ensprechung zum paradiesischen Menschen verstanden werden.

5 Apk 21,1–22,5 5 Apk 21,1–22,5

Die große Vision des neuen Jerusalem, die den Schluss des Hauptteils der Johannesapokalypse (Apk 4,1–22,5) bildet, enthält zwar nicht mehr die Priestermetapher, greift aber in der Entfaltung der eschatologischen Heilsperspektive des Sehers eine Reihe von Motiven auf, die für die Bestimmung der Priestermetapher von Bedeutung sind. So findet das eschatologische Ziel des Kultes und die Sehnsucht der Psalmbeter nach der unmittel-

5 Apk 21,1–22,5

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baren Begegnung mit Gott322 eine Erfüllung und Vollendung in der sichtbaren Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen (21,3–5). Diese Erfüllung wird nun in kultischen Bildern geschildert. Es ist in Aufnahme der Shekhina-Tradition von einem Zelt (skhnh,) die Rede und davon, dass Gott mit den Menschen zeltet (skhnw,sei).323 Allerdings betont 21,22, dass es keinen Tempel mehr in der Stadt geben wird. Dieser ist aufgrund der unmittelbaren Gegenwart Gottes und des Lammes obsolet geworden, „denn der Herr Gott, der Allherrscher, und das Lamm sind der Tempel“ (21,22). An dieser Stelle ist in der gebotenen Kürze auf die These von G. Beale einzugehen, die er in seinem 2004 erschienenen, monumentalen und überaus materialreichen Werk „The Temple and the Church’s Mission“ präsentiert hat. Ausgehend von der Beobachtung, dass sich der Seher nach der Offenbarung des neuen Himmels und der neuen Erde in 21,1 sofort auf die Beschreibung des neuen Jerusalem (21,2) als einer gartenähnlichen und tempelförmigen Stadt in Anlehnung an 1Kön 6f. und Ez 40–48 fokussiert,324 kommt Beale zu der Überzeugung, dass der neue Himmel und die neue Erde identisch sind mit dem himmlischen Jerusalem, das eine Tempelstadt darstellt, in der die Gottesgegenwart im Allerheiligsten des Jerusalemer Tempels kosmische Dimensionen angenommen hat (vgl. 21,3)325 und somit das ursprüngliche Ziel Gottes mit seiner Schöpfung seine Vollendung findet. Im Anschluss an J.D. Levenson und andere vertritt Beale ferner die Überzeugung, dass die Stiftshütte und der Tempel Israels die symbolische Ausdrucksform von Gottes „tabernacling presence“ sind, die bereits im Garten Eden als dem ersten, archetypisch konzipierten Tempel in Gen 1f. sichtbar wird.326 War der Garten Eden das Grundmodell für alle folgenden Tempel, so stellten die Stiftshütte und der Jerusalemer Tempel symbolisch die mikrokosmische Abbildung des makrokosmischen Tempels der gesamten Schöpfung dar.327 Gottes heilsgeschichtliches Ziel sei von Anfang an die Ausweitung der räumlichen Sphäre des Allerheiligsten auf den gesamten Kosmos gewesen, was durch Adams Fall zunächst gescheitert sei, aber dann durch die Heilsgeschichte zur Vollendung komme. Mit einer ungeheuren Materialfülle aus Altem und Neuem Testament, Frühjudentum und paganer Literatur, die dem Leser großen Respekt abverlangt, bemüht sich Beale seine These einer heilsgeschichtlichen Ausbreitung der schon im Garten Eden präsenten Wirklichkeit des Allerheiligsten zu verifizieren. Das Problem seiner „biblical theology of the dwelling place of God“ ist jedoch, dass er zwar eine große Vielzahl von Belegen gekonnt und bisweilen auch kreativ ordnet und deutet, vielfältige Analogien und Parallelen aufzeigt, verblüffende terminologische Bezüge herstellt, aber dennoch, abgesehen vom Aspekt der Ausbreitung der Heiligkeit, nicht einen einzigen klaren und eindeutigen Text für seine These bieten kann. Seine These lebt vom „overall weight of the cumulative 322

Ps 42,3f.; 43,3f.; 63,2f.; 84,2f.5.8. Möglicherweise wurde der Begriff skhnh, nicht nur als Erinnerung an die Stiftshütte gewählt, vgl. auch Joh 1,14, sondern weil seine griechischen Konsonanten zufälligerweise identisch sind mit den hebräischen Konsonanten von shekhina. 324 BEALE, Temple, 23. 325 BEALE, Temple, 24. 326 BEALE, Temple, 31, Anm. 4, nennt neben LEVENSON, Temple and the World; DERS., Sinai and Zion, 111–184, auch noch P ATAI, Man and Temple; B ARKER, Gate of Heaven; HAYWARD, Jewish Temple, und KOESTER, Dwelling of God, 59–63. 327 BEALE, Temple, 26.31. 323

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arguments“, welches die „plausibility or probability of the main idea“ aufzeigen soll.328 Trotz dem überwältigenden Eindruck der Materialfülle bleiben daher Zweifel an seiner Interpretation der Tempelmetaphorik.

Das Thema findet eine Weiterführung in Apk 22,3–5, wo der Seher den „Thron Gottes und des Lammes“ inmitten der Stadt lokalisiert und vom „Dienen seiner Knechte“ spricht: oi`` dou/loi auvtou/ latreu,sousin auvtw/| (22,3). Damit ist wiederum ein kultisches Geschehen zum Ausdruck gebracht, wobei auffallender Weise der Priestertitel fehlt, ja unter dem Eindruck von 1,6; 5,10 und 20,6 fast schon vermisst wird.329 Dies gilt umso mehr, als die besagten Knechte nach 22,5 in deutlicher Anlehnung an 5,10 und 20,6 „herrschen werden“ in Ewigkeit: kai. basileu,sousin eivj tou.j aivw/naj tw/n aivw,nwn. Das Fehlen des Begriffs an einer Stelle, wo er eigentlich zu erwarten wäre, dürfte nicht zufällig sein und könnte die Begriffssemantik in den bisher behandelten Belegen erhellen. Umgekehrt muss erklärt werden, warum im Unterschied zum Priestertitel die mit dem Verb basileu,ein angezeigte (göttliche) Tätigkeit der Knechte eine bis ins Eschaton hineinreichende, bleibende Bedeutung zu haben scheint. Während das Verb in 1,6 noch völlig abwesend war, dient es in 5,10 als einziges Charakteristikum der zukünftigen priesterlichen Existenz der Glaubenden und in 20,6 ist es die einzige Tätigkeit, welche die Priester im Millennium ausüben werden. Nun ist die Tätigkeit übrig geblieben, aber der Priestertitel verschwunden. 5.1 Apk 21,3f. Das neue Jerusalem330 wird gleich zu Beginn der neuen Vision (vgl. das zweimalige kai. ei=don in 21,1f.) als der Ort der eschatologischen Erfüllung der vollendeten Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch präsentiert, wobei die Kontrastierung als Antibild zu Babel unübersehbar ist.331 Die neue Welt Gottes, die nicht mehr vom Schleier der Unsichtbarkeit und Verborgenheit verhüllt wird, ist nun sichtbare Wirklichkeit geworden.332

328

BEALE, Temple, 27. Ähnlich SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 347. 330 Zur Traditionsgeschichte dieses Begriffs vgl. SÖLLNER, Jerusalem, passim, und D I T OMMASO, Art. Jerusalem, New, 797–799; zu den religionsgeschichtlichen Vergleichsgrößen in Apk 21,1–5 vgl. neuerdings P OPKES, Gottesgegenwart, 238–245. 331 Vgl. den summarischen Überblick in Apk 21,1–8 mit der Zusammenfassung des Niedergangs von Babel in 16,17–21, der dann in 17,1–19,10 entfaltet wird, sowie S ÖLLNER , Jerusalem, 194. 332 Vgl. dazu die Erwartung in 1Joh 3,2: „[E]s ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ 329

5 Apk 21,1–22,5

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Der Seher bringt seine Vision im Rahmen der einzigen unmittelbaren Gottesrede der Johannesapokalypse333 mit Worten der bereits aus 2Kor 6,16334 bekannten, „shekhina-theologisch“ höchst bedeutsamen Bundesformel335 aus Lev 26,11f.LXX und Ez 37,27LXX (vgl. auch Sach 2,10f. LXX bzw. 2,14f.MT und Ex 29,45)336 zum Ausdruck, wobei nicht nur der Begriff lao,j an sich, sondern auch dessen pluralisierte Modifikation von lao,j in laoi, ins Auge sticht. Es geht hier offensichtlich nicht um die Gemeinde als Gottesvolk, was den Singular verlangen würde,337 sondern um die Völker, die nach den vorangehenden Ereignissen (vgl. 19,15; 20,3.8) völlig überraschend Teil der vollendeten Gottesgemeinschaft im neuen Jerusalem sind. Weder Israel als Gottesvolk des alten Bundes, noch die ntl. definierte Gemeinde aus Juden und Heiden als der „Vorhut“338 der endzeitlichen Heilsgemeinde, sondern eine erneuerte und von ihrer Gottesfeindschaft befreite Völkergemeinschaft als Ganze gehört zum „Reich Gottes“. In der Exegese wurde diese Stelle auf unterschiedliche Weise interpretiert. Im Wesentlichen lassen sich drei Positionen unterscheiden: (1) Die pluralische Formulierung laoi, bezieht sich lediglich auf die erlöste Gemeinde (Apk 5,9f.). Nach dem Gericht über die gottfeindlichen Völker in Apk 19,17–21 und 20,11–15 ist die Gemeinde aus den Völkern

333 Zu Recht spricht FREY, Johannesapokalypse, 521, in diesem Zusammenhang von der „Klimax“ der ganzen Johannesapokalyse (kursiv bei F.). 334 Das Zitatenmosaik in 2Kor 6,16–18 ist für die Johannesoffenbarung insofern von Bedeutung, als nahezu alle Inhalte sich in Apk 18 und 21 wiederfinden: vgl. 2Kor 6,16b mit Apk 21,3: Bundesformel aus Lev 26,11f./Ez 37,27; 2Kor 6,17a mit Apk 18,4: Appell zur Absonderung; 2Kor 6,17b mit Apk 21,27: Abwesenheit alles Unreinen; 2Kor 6,18 mit Apk 21,7: Nathanweisagung aus 2Sam 7,14 als Verheißung für die Gehorsamen bzw. die Überwinder. Das Verhältnis von 2Kor 6,16 zu Apk 21,3 könnte man mit B EALE, Rev, 1047, als das von „inaugurated“ – durch Gottes Menschwerdung in Jesus – und „consummate fulfillment“ beschreiben, ähnlich OSBORNE, Rev, 734, und P OPKES, Gottesgegenwart, 251. 335 Vgl. dazu neben Ez 37,27 und Lev 26,11f. auch Jer 7,23; 31,1 [LXX 38,1]; Sach 8,3; Ez 43,7; Ps 95,7; AssMos 4,2; 11QT 59,13; 29,7–8a, sowie AUNE, Rev III, 1123. 336 Vgl. ebenso Ez 34,30; 36,28. Zum Verständnis von Ez 37,27 im Horizont der Shekhina-Tradition vgl. auch TEz 37,26–27, und POPKES, Gottesgegenwart, 245– 252.256. 337 Zwar ist sowohl die Singular- wie die Pluralvariante gut bezeugt, allerdings entscheiden sich nahezu alle Exegeten und Textausgaben für die Pluralvariante als lectio difficilior, weil der Singular als eine Angleichung an die atl. Bundesformeln erklärt werden kann, vgl. AUNE, Rev III, 1110, und SÖLLNER, Jerusalem, 197f. Zur textkritischen Variante der Singularform vgl. B EALE, Rev, 1048. Möglicherweise ist der Plural auch von der LXX-Version von Sach 2,11 [MT: 2,15] und 8,8 her beeinflusst, wo im Anschluss an die Shekhina-Aussage vom Kommen vieler Völker die Rede ist. Dort handelt es sich allerdings um Völker, die sich zu Jahwe gewendet haben und zu ihm umgekehrt sind; vgl. auch Tob 13,11–13. 338 Vgl. zu diesem Begriff SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 359; STUHLMACHER, Biblische Theologie I, 356f.

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die einzige Population, die die Erde noch bevölkert.339 (2) Während die Gemeinde das neue Jerusalem bewohnt (22,3b-5), leben die Nationen mit ihren Königen außerhalb der Stadt und besuchen sie (21,24–26).340 (3) Die partikularen Verheißungen für Gottes Bundesvolk (Israel und Gemeinde) verbinden sich mit der universalen Hoffnung der Völkerwallfahrt zum Zion und schließen alle Nationen in diese Privilegien und Verheißungen für das Bundesvolk ein.341

Allerdings ist kaum von einer heilsuniversalistischen Sicht des Sehers auszugehen, der nicht nur in allen vorhergehenden Visionen, sondern auch jetzt noch in der Vision des neuen Jerusalem eine restriktive Sicht der Heilsteilhabe vertritt (vgl. 21,8.27; 22,14f.).342 G.K. Beale dürfte Recht haben, wenn er den Plural im Horizont der Abrahamsverheißung versteht.343 Im Eschaton findet der Abrahamssegen für die Völker seinen Ausdruck in Form einer „Völkergemeinde“. Eine offene Frage bleibt allerdings, ob in der Vision des neuen Jerusalem nicht doch leichte Differenzierungen zwischen den Bewohnern der Stadt einerseits und den Völkern und ihren Königen andererseits angedeutet werden.344 So existiert nach wie vor eine 339 So G IESEN, Offb, 455, und FULLER DOW, Images, 204, Anm. 106, die hinter den „Völkern“ nur die Mitglieder der christlichen Gemeinde, die ihrer Herkunft nach aus den verschiedenen Völkern stammen, sehen. Auch MÜLLER, Offb, 351, bezweifelt einen „uneingeschränkten Heilsuniversalismus“. Im Blick auf 21,7f. könnten nur die Christen gemeint sein: „Der Blick auf die Völker hebt die Beschränkung auf die Christen nicht auf, die eben aus allen Völkern stammen.“ 340 W ITHERINGTON, Rev, 252, und ähnlich MOUNCE, Rev, 383, verstehen den Plural, im Gegensatz zum Gottesvolk des alten und neuen Bundes, jedoch im Sinne geretteter Völker: „In this chapter John is going on to speak of ‚outsiders‘ – nations and kings outside the city of God who are being allowed to go into it. Our author believes there will be those saved from every tribe, tongue, people, and nation.“ 341 Von einer universalistischen Perspektive sprechen KRAFT, Offb, 264; PRIGENT, Apoc, 584, und v.a. B AUCKHAM, Climax, 238–337, v.a. 311ff.; DERS., Theology, 138ff. Nach B AUCKHAM zielt die gesamte Erzählung der Johannesapokalypse darauf hin, dass die Gemeinde durch ihr Zeugnis die Bekehrung der Nationen herbeiführt, vgl. Apk 11,13; 14,6; 15,4. Einschränkend bemerkt B AUCKHAM, Theology, 139, aber im Blick auf 21,8.27; 22,15, dass damit nicht die Rettung restlos aller individuellen Menschen gemeint sei: „Unrepentant sinners have no place in the New Jerusalem.“ Vgl. dazu auch die Diskussion von B AUCKHAMS These bei MATHEWSON, Destiny. 342 So auch SCHNABEL, Mission, 1458: „Johannes prophezeit an keiner Stelle die Bekehrung der gesamten Menschheit oder den universalen Erfolg der missionarischen Verkündigung der Gemeinde“, und SÖLLNER, Jerusalem, 198, mit Hinweis auf MÜLLER, Offb, 351: „Der Blick auf die Völker hebt die Beschränkung auf Christen nicht auf, die aus allen Völkern stammen.“ 343 B EALE, Rev, 1047, vgl. Gen 12,1–3; 17,2–8; 26,24; Sir 44,21–23; Gal 3,16. Nach B EALE, ebd., 1041, handeln Apk 21,1–22,5 von der „glorified community of believers“. 344 Vgl. hierzu SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 356, und v.a. 360, die sich klar festlegt: „Die Differenz zwischen eschatologisch geretteter Gemeinde und Reich Gottes, die in der Darstellung des neuen Jerusalem und seiner Mauer ihren Ausdruck findet, wird weiterhin darin deutlich, daß die Knechte Gottes als Erben der neuen Gottesstadt aus-

5 Apk 21,1–22,5

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Stadtmauer, die in der Regel eine abgrenzende, zumindest jedoch differenzierende Funktion hat345 und durch die durchgängige Zwölferstruktur in 21,12–21 eindeutig ekklesiologisch bestimmt ist.346 Nach 21,24 werden die Könige der Völker ihre Herrlichkeit (do,xa) ebenso (von außen?) in sie hineinbringen (eivj auvth,n), wie nach 21,26 die Völker selbst ihre Herrlichkeit und ihren Reichtum (th.n do,xan kai. th.n timh.n tw/n evqnw/n). Die Antithetik zum antichristlichen Babylon ist aber unübersehbar, vgl. Apk 17,1 mit 21,9 und 17,17f. mit 21,24.347 Eine weitere Differenzierung ergibt sich aus dem Begriff der „Knechte“ in 22,3, der in einem gewissen Kontrast zu den anderen Bezeichnungen der Teilhaber an diesem Reich („Menschen“, 21,3, „Völker“, 21,3.24.26, und „Könige auf Erden“, 21,24) steht. Jedoch werden wiederum alle mit dem Begriff der „Braut des Lammes“ (21,2.9) umfasst und gehören offensichtlich alle zu jenen, die „geschrieben stehen im Lebensbuch des Lammes“ (21,27), da sie ansonsten kein Zutrittsrecht zum neuen Jerusalem hätten. Eine besondere Rolle spielen noch die „Überwinder“ in 21,7, denen die Gottessohnschaft zugesprochen wird.348

Für die Frage nach der Priestermetapher, die für uns im Kontext dieses Kapitels von besonderem Interesse sein soll, ist die Beobachtung von Bedeutung, dass die eschatologische Heilserfüllung und -vollendung, die in der unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott besteht,349 vom Seher in kultmetaphorischer Terminologie und kultischen Dimensionen ausgesagt wird. Während für die Wirkungen und Konsequenzen dieser Heilserfüllung wieder soziale, emotionale und anthropologische Kategorien Verwendung fin-

drücklich von dieser unterschieden werden. Darüber hinaus besteht aber auch eine Differenz zwischen irdischer Gemeinde und den Bewohnern des neuen Jerusalem. Nicht alle Glieder der Gemeinde, sondern nur diejenigen, die den peirasmo,n der Endzeit siegreich bestanden haben, werden als Knechte Gottes die eschatologische Herrschaft ausüben und Gott dienen.“ So viel Eindeutigkeit wie SCHÜSSLER-FIORENZA vermag freilich nicht jeder Exeget zu erkennen. 345 Vgl. hierzu SÖLLNER, Jerusalem, 206–208. 346 SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 357. Schon in Apk 7,4 und 14,1 symbolisiert die Zahl 144.000, d.h. die mit 1000 multiplizierte Quadratzahl der Zwölf, die eschatologische Heilsgemeinde. 347 MATHEWSON, Destiny, 135f.: „Whereas the kings of the earth and nations once rendered their allegiance to Babylon and were under its dominion, now they come to the New Jerusalem to bring their tribute and to render absolute allegiance to God in fulfillment of Isaiah 2:2–5; 60. The universal dominion of Babylon is now transferred to God and the New Jerusalem …“ 348 SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 362, möchte die Überwinder von der erlösten Gemeinde, der Braut Christi, abgrenzen, und den Begriff allein auf die Märtyrer der Endzeit beziehen. 349 Die Rede vom „Mit-Sein“ Gottes, die in Apk 21,3 anklingt (o`` qeo.j met v auvtw/n) ist Gegenstand zahlreicher atl. Verheißungen, Wünsche und Segnungen, und bringt die Unmittelbarkeit der Gemeinschaft zwischen Gott und seiner Gemeinde stärker zum Ausdurck, als die Präposition evpi, in Apk 7,15, vgl. dazu SÖLLNER, Jerusalem, 197, und AUNE, Rev III, 1123f.: „Here the eschatological reality of the presence of God is no longer just metaphorical but actual.“

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den (21,4–6), bleibt für die Beschreibung der Heilsvollendung die kultmetaphorische Sprache die geeignetste Ausdrucksform.350 Es sei deshalb an dieser Stelle noch einmal an die wirklichkeitserschließende Funktion der metaphorischen Rede erinnert. Auch hier muss der Seher eine zukünftige Wirklichkeit beschreiben und bedient sich dazu eines bildspendenden Sprachfeldes, um die von ihm geschaute Wirklichkeit überhaupt beschreiben und konzeptualisieren zu können. Dass in diesem Kontext nun aber von Menschen und Völkern, jedoch nicht von Priestern die Rede ist, erklärt sich aus eben dieser Heilsvollendung. Die Rede von Priestern hatte bisher immer auch eine kontrastierende Funktion gegenüber den nicht-priesterlichen Menschen, die im Unglauben und folglich auch in der Gottesferne lebten. Genau dieser Kontrast und diese Unterscheidung sind nun aber obsolet geworden, nachdem die Völker in den Genuss unmittelbarer Gemeinschaft mit Gott kommen. Die Rede von Priestern und damit die Hervorhebung einer Gruppe von „gottnahen“ und „gottgemäßen“ Menschen gegenüber einer anderen Gruppe der Verlorenen würde hier keinen Sinn mehr machen. Somit bestätigt das Fehlen des Priestertitels in Apk 21,3ff. dessen relationsontologische Bedeutung im Kontrast zu einem funktionalen Verständnis in der Johannesapokalypse. 5.2 Apk 21,22 Es liegt ganz in der Linie der in Apk 21,3f. beschriebenen vollendeten Gemeinschaft von Gott und Mensch, dass in Apk 21,22 die Abwesenheit eines Tempels im neuen Jerusalem erklärt wird und im gleichen Vers „der Herr, Gott, der Allherrscher“ und „das Lamm“ als metaphorischer Tempel des neuen Jerusalem identifiziert werden. Die vollendete und unmittelbare Präsenz Gottes und Christi inmitten des erneuerten Gottesvolkes erübrigt offensichtlich die Präsenz eines Kultheiligtums, das ja nach Überzeugung des Hebräerbriefs stets nur vorläufigen und abbildhaften Charakter hatte (vgl. Hebr 8,5.; 9,9.23f.; 10,1). Das neue Jerusalem ist als ganze Stadt zum Ort der Präsenz Gottes geworden, der damit nicht mehr nur auf das Allerheiligste des Tempels begrenzt bleibt.351

350

Zur Frage der Teilhaber am neuen Jerusalem bzw. am Reich Gottes vgl. SCHÜSSPriestertum, 352–360. 351 In der Johannesapokalypse ist ansonsten durchgängig nur von einem himmlischen Tempel (nao,j) die Rede, vgl. 7,15; 11,19; 14,15.17; 15,5f.8; 16,1.17. B EALE, Rev, 562– 564, will auch 11,1f. in dem Sinne verstehen, dass die Heiligen als Gemeinde den himmlischen Tempel verkörpern, vgl. auch DERS., Temple, 317: „Without exception naos elsewhere in Revelation refers to the heavenly temple of the present or the temple of God’s presence that dominates the cosmos of the future. This usage points to the same identification of a heavenly temple in 11:1–2: the people of God who are members of God’s temple in heaven are referred to in their existence on earth as ‚the temple of LER -F IORENZA,

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Somit bekommt aber die ganze Stadt den Charakter eines Tempels,352 was schon mit dem Begriff skhnh, und dem Motiv der Einwohnung Gottes im neuen Jerusalem in 21,3 sowie durch die dem Allerheiligsten nachempfundene kubische Form des neuen Jerualem in 21,16 angedeutet353 und mit dem Scheinen des do,xa-Glanzes in der Stadt in V. 11.23 weiter ausgeführt wird.354 Wieder gewinnt durch die Verwendung der Tempelmetapher eine unbekannte und damit auch noch nicht sprachlich konzeptualisierte Wirklichkeit einen sprachlichen Ausdruck.355 Nun geht es freilich nicht mehr wie bei Paulus um die Tempelidentität der Gemeinde bzw. des einzelnen Glaubenden (1Kor 3,16f.; 6,19; 2Kor 6,16), sondern um jene des neuen Jerusalem bzw. Gottes selbst. Die Übertragung des Tempelbegriffs auf Gott selbst ist an dieser Stelle völlig einzigartig, sowohl was die frühjüdische wie die frühchristliche Literatur angeht.356 Mit der Vision eines tempellosen Eschatons bzw. der Substitution des Tempels durch die Gegenwart Gottes selbst unterscheidet sich die Johannesapokalypse einerseits deutlich sowohl von der eschatologischen Tempelvision in Ez 40–48 als auch von bestimmten frühjüdischen Erwartungen eines eschatologischen Tempels.357 Der Seher muss sich der Tragweite God‘.“ Dagegen ist nach SÖLLNER, Jeruasalem, 227–230, in Apk 11,1f. zwar vom irdischen Jerusalemer Tempel die Rede, der jedoch bereits allegorisiert wurde. 352 B AUCKHAM, Theology, 136, zeichnet das atl. Theologumenon von der Heiligkeit der Stadt Jerusalem nach, vgl. Ez 48,35; Sach 14,20f.; Jes 52,1; Ps 24,3f. und auch Jer 3,16f., und kommt zu dem Fazit: „The radical assimilation of the city to a temple, taken further in Revelation than in its prophetic sources, shows how central to the whole concept of the New Jerusalem in Revelation is the theme of God’s immediate presence.“ 353 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 407; SÖLLNER, Jerusalem, 213f.; FULLER DOW, Images, 202; STEPHENS, Annihilation, 245. Ferner ist auch auf den Mauerschmuck in Apk 21,18–20 hinzuweisen. Die dort erwähnten Juwelen entsprechen dem in Ex 28,17–21 und 39,10–14 erwähnten Brustschmuck des Hohepriesters. Schon frühjüdisch wurde das hohepriesterliche Gewand als Replik des irdischen Tempels und gleichzeitig als Modell des himmlischen Tempels verstanden und das quadratische Bruststück als verkleinerte Version des Allerheiligsten und Abbild des himmlischen Allerheiligsten. B EALE, Rev, 1081, deutet dies wie folgt: „The privilege of being in the immediate presence of God, formerly reserved for the high priest, is now granted to all of God’s people, so that they all have a priestly character“. 354 Vgl. dazu Jes 60,19; Ez 43,4f. 355 MÜLLER, Offb, 361, sieht diesen metaphorischen Gebrauch des Tempelbegriffs bereits in Apk 3,12 vorbereitet. 356 Vgl. dazu ausführlich SÖLLNER, Jerusalem, 233. AUNE, Rev III, 1168, führt zwar Jes 8,14; 4Q 511 und TDan 5,9.13–14 als Parallelen an, die jedoch nicht im Entferntesten an die Aussageintention von Apk 21,22 heranreichen. Eine Nähe zu Apk 21,22 haben auch Jer 3,16f. und TSach 4,7. 357 Vgl. Ez 40–48; Hag 2,9; Dan 8,14; Tob 13,13–18; 14,5; 4Q174 3,2f.; 11QT 29,8f.; Jub 1,17–29; äthHen 90,28f.; TestLev 18,6; TestBen 9,2; TJes 53,5; TSach 6,12–15; Sib 3,286–294; 5,423–433. sowie Bill. 3,852, und →II.4.6, →III.2.3 und SCHÜSSLERF IORENZA, Priestertum, 404. Allerdings hat SÖLLNER, Jerusalem, 230–233, darauf hin-

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dieser für jüdische Ohren unerhörten Tatsache bewusst gewesen sein, sonst hätte er sie nicht in dieser Weise formuliert. Seine breite Kenntnis des apokalyptischen Schrifttums, die seine eigenen Ausführungen immer wieder reflektieren,358 legt zwingend nahe, dass er die vielfältigen Erwartungen eines eschatologischen Tempels kannte, aber ihnen hier ausdrücklich widerspricht.359 Es wäre jedoch verfehlt, dem Autor eine tempel- oder gar priesterkritische Haltung zu unterstellen, wie wir sie in frühjüdischer Zeit häufig finden (→III.1.2 und 2.3).360 Der Seher entfaltet vielmehr in eigenständiger und origineller Weise die eschatologische Konsequenz des ntl. Heilsgeschehens: Weil in Jesu Kommen, Sterben und Auferstehen heilvolles „Sein vor Gott“ jenseits des priesterlich organisierten Tempelkultes offenbar geworden ist, wurde auch die Hoffnung auf einen eschatologischen Tempel obsolet.361 Die Vision in Apk 21f. steht somit in einer sachlichen Entsprechung zur Sicht des Tempels bei Jesus (Mk 11,15–17par und Mk 14,58par) und Paulus (Röm 3,25; 5,2; 1Kor 3,16f.; 6,19; 2Kor 6,16). War die mediatorische Funktion des Tempelkultes schon durch Christi stellvertretenden Sühnetod und die Präsenz Gottes im Gemeindetempel bedeutungslos geworden, so bekommt diese geistliche Wirklichkeit nun einen sichtbaren, aber völlig unpolemischen Ausdruck: Wo Gott selbst inmitten seines Volkes wohnt, bedarf es nicht mehr einer vermittelten Begegnung im Heiligtum und Kult.362 Während der Autor die Existenz eines eschatologischen Tempels betont verneint, nimmt er die eschatologische Hoffnung des Mit-Seins Gottes auf und stellt diese in ihrer vollendeten Erfüllung dar. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Abwesenheit des Priestertitels. Zwar hatte dieser aufgrund des christlichen Verständnisses vom Kommen der Gegenwart Gottes in Jesus Christus von Anfang an keine funktionale, mediatorische Bedeu-

gewiesen, dass es durchaus auch eine ganze Reihe frühjüdischer Texte gibt, die eine himmlische Stadt ohne einen eschatologischen Tempel erwarten. Die Einzigartigkeit der Vision von Apk 21f. besteht somit nicht in der Abwesenheit eines Tempels im Rahmen der Vision einer himmlischen Stadt, sondern in der Metaphorisierung des Tempels. 358 Vgl. z.B. Apk 3,12; 7,15 und die wiederkehrende Rede von einem himmlischen Tempel in Apk 11,19; 14,15.17; 15,5.6.8; 16,1.17. 359 AUNE, Rev III, 1166, paraphrasiert die Formulierung wie folgt: „‘I did not see,‘ implies ‚I expected to see but did not.“ 360 So mit Recht ausführlich SÖLLNER, Jerusalem, 224–239.261, der den Vers „nicht als kultkritische Spitze gegenüber den Jerusalemer Tempelinstitutionen … verstehen“ will. Fraglich ist allerdings, ob der Seher von der Vorstellung eines „weit entfernten Wohnortes Gottes im himmlischen Tempel“, a.a.O., 237f.261, ausgeht. 361 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 403; B EALE, Rev, 1047f.; OSBORNE, Rev, 760. 362 Ebenso WENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 155, und MÜLLER, Offb, 360f.

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tung mehr,363 aber er diente als metaphorisches Sprachgewand für die unsichtbare Wirklichkeit der Gottesunmittelbarkeit und -zugehörigkeit der Gemeinde bzw. der Glaubenden. Mit der eschatologischen Aufhebung dieser Unsichtbarkeit und der sichtbaren Präsenz Gottes inmitten seines Volkes wird nun auch dieses Sprachgewand obsolet. Anders verhält es sich dagegen mit dem Herrschaftsmotiv. Dieses ist in Form des pantokra,twr-Titel das dominierende Motiv des Verses und im Grunde der gesamten Vision vom neuen Jerusalem. Die Präsenz Gottes und des Lammes und die damit gegebene Substitution des Tempels dient v.a. zur Entfaltung der Herrschaft Gottes und des Lammes: „Die zentrale Wirklichkeit des neuen Jerusalem ist nach dieser Definition nicht kultischer, sondern herrscherlich-politischer Art, da sowohl Gott als auch Christus in ihrer Eigenschaft als Weltherrscher die Stelle des Tempels einnehmen werden, der das Symbol der Heilsvermittlung durch den Kult ist.“364 Das Heil Gottes findet seinen Ausdruck in der Johannesapokalypse zwar in einer kultmetaphorisch konzeptualisierten Wirklichkeit, diese wird aber geprägt und dominiert von der Herrschaft Gottes. Das zeigte sich auch an den untersuchten i``erei/j-Belegen in 5,10 und vor allem in 20,6, wo stets das Herrschaftsmotiv das gegenüber dem Priestermotiv dominierende ist. Gegenwart und Herrschaft Gottes und Christi erweisen sich somit in Apk 21f. als die beiden Grundformen des eschatologischen Heils. Dieses Heil erlebt die Gemeinde in vorläufiger Form bereits in der Gegenwart, insofern sie als Gottes basilei,a sein Herrschaftsraum ist,365 in dem Gott geehrt und gehorcht wird und die Glaubenden als seine Priester in seiner Nähe und Unmittelbarkeit leben. Sie erfährt es im Eschaton in Vollendung aufgrund der Vernichtung aller Widersacher Gottes und Christi und in der eigenen Teilhabe an dieser ewigen Herrschaft. 5.3 Apk 22,3–5 Auch Apk 22,3–5 reflektiert eine Verschmelzung von herrscherlichköniglichen und kultischen Elementen. Zu den herrscherlich-königlichen Zügen gehört der Thron Gottes und des Lammes366 ebenso wie der Begriff 363

Vgl. SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 404f.: „Mit dieser theologischen Deutung des Tempelbegriffs steht die Apk zugleich auch im Horizont urchristlichen Glaubens, für den durch den Tod Jesu die Möglichkeit einer direkten und unvermittelten Gottesbeziehung gegeben und jegliche kultische Zwischeninstanz beseitigt ist. Die Gegenwart Gottes und das Heil ist für das Urchristentum nicht mehr an den Tempel und den Kult gebunden, sondern an die Person Jesu Christi“, ähnlich 410f. und auch schon W ENSCHKEWITZ, Spiritualisierung, 219. 364 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 413. 365 ROOSE, Mitherrschaft, 174f.; SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 413f. 366 Es handelt sich hier offensichtlich um eine gemeinsame Herrschaft zwischen Gott und dem Lamm, wobei die regelmäßige Erstnennung Gottes als ein Reflex dessen ver-

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der Knechte (dou/loi) und das objektlose Herrschen (basileu,sousin) eben dieser Knechte, die mangels Alternative als Subjekt des Verbs betrachtet werden müssen. Dieses Herrschen der Knechte „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ steht in einer Entsprechung zur ewigen Herrschaft Christi nach Apk 11,15 und in einem Gegensatz zur ewigen Qual der Gottesfeinde (vgl. Apk 14,11; 19,3; 20,10).367 Der Begriff der „Knechte“ (dou/loi) ist für den Seher ein terminus technicus für die Glaubenden bzw. Erlösten368 und charakterisiert bereits in Apk 1,1 die Empfänger der Johannesapokalypse. Der Knechtstitel entspricht somit sachlich durchaus dem Priestertitel. Beide bezeichnen in der Johannesapokalypse die Glaubenden und Erlösten, d.h. die Gemeinde.369 5.3.1 Die ewige Herrschaft der Knechte Es ist bemerkenswert, dass die Zuweisung der Herrschaftsfunktion an die Knechte Gottes, die in Analogie zu Gott und dem Lamm herrschen werden, die letzte Aussage in dieser großen Vision vom neuen Jerusalem ist. Apk 22,5 berichtet somit im letzten Vers des prophetischen Hauptteils der Johannesapokalypse von der eschatologischen Erfüllung einer relativ verbreiteten, wenn auch nicht sehr betonten frühchristlichen Verheißung und Erwartung: Der Gemeinde werden im Eschaton herrschaftliche Vollmachten übertragen und sie erlangt auf diese Weise Anteil an der ewigen Herrschaft Gottes und Christi und damit an einem göttlichen Prärogativ. Das hierarchische Gegenüber zwischen Gott und Mensch als „Herrscher“ und „Beherrschten“ wird zu einem funktionalen Miteinander, nicht zu verwechseln mit einer wesenhaften Verschmelzung. Da keine Widersacher Gottes bzw. der Gemeinde mehr vorhanden sind, über die eine „Gewaltherrschaft“ nöstanden werden könnte, was Paulus in 1Kor 15,24.28 mit der Übergabe der Herrschaft vom Sohn an den Vater andeutet. Der auffallende Wechsel von dem Herrschen der Märtyrer mit Christus in Apk 20,4 zu der Throngemeinschaft Gottes und des Lammes drängt diese Assoziation förmlich auf; anders SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 353f., die von einer Gleichzeitigkeit der Herrschaft Christi in Apk 20,4–6 und der universalen Herrschaft Gottes in Apk 21f. bzw. dem „Reich Gottes“ in Form des neuen Jerusalem ausgeht. 367 Ob auch ein Einfluss von Dan 7,18.27 vorliegt, wie häufig vermutet wird, ist sachlich möglich, aber sprachlich nicht zu erweisen. Traditionsgeschichtlich sind ferner SapSal 5,16f.; TestDan 5,13; TestLev 18,2ff.; Sib 3,769; 1QM 10,12; 12,15; 17,7f. und Philo, Praem 97, zu beachten, wo überall von einer (Mit)Regenschaft der Frommen bzw. der „Herrschaft der Heiligen“ die Rede ist. 368 Apk 1,1; 2,20; 7,3; 19,2.5; 22,3.6; vgl. auch 10,7; 11,18; 15,3. Dass es sich um die Glaubenden bzw. zu Gott Gehörenden handelt, wird auch durch die Tatsache deutlich, dass der Begriff in der Johannesapokalypse immer mit dem Genitiv-Possessivpronomen verwendet wird, das die Knechte als die Knechte Gottes deklariert. 369 SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 379; B AUCKHAM, Theology, 138; SÖLLNER, Jerusalem, 247.

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tig wäre, scheint das objektlose Herrschen „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ auch hier eine Ausdrucksform des Heils zu sein.370 R. Bauckham spricht im Blick auf die Paradoxie, dass die Knechte (dou/loi), die Gott dienen werden (latreu,sousin), zugleich mit ihm herrschen werden, von der „eschatological reconciliation of God’s rule und human freedom, which is also expressed in the paradox that God’s service is perfect freedom (cf. 1 Pet. 2:16). […] Therefore in the perfection of God’s kingdom theonomy (God’s rule) and human autonomy (self-determination) will fully coincide.“371 Auch innerhalb der Johannesapokalypse schließt sich mit 22,5 der Kreis der futurischen Herrschaftsverheißungen, die nach Apk 2,26f. und 3,21 die hier im Blickpunkt stehenden Priesterbelege in 1,6; 5,10 und 20,6 prägte. Das Motiv der Herrschaft bildet damit nicht nur das zentrale Thema der Gesamtkomposition und -struktur der Johannesapokalypse, sondern auch des Priestermotivs.372 Schließlich bildet Apk 22,5 – worauf schon am Ende des vorigen Abschnitts →VIII.4.3.2 hingewiesen wurde – eine heilsgeschichtliche inclusio mit Gen 1,26.28. Ist die Herrschaft über die Tierwelt in Gen 1 die erste dem paradiesischen Menschen zugewiesene Funktion und im Millennium die einzige, so ist es nun die letzte Funktion, die dem vollendeten Menschen im Eschaton übertragen wird.373 5.3.2 Die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch Neben der königlich-herrschaftlichen Seite zeichnen sich die Verse jedoch von Anfang an auch durch eine kultmetaphorische Terminologie aus. Schon die Einleitung in 22,3a greift ein kultisches Thema auf. Die Abwesenheit alles Verfluchten374 ist die kultische Voraussetzung für die Präsenz

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Das Verb basileu,ein wird in der gesamten Johannesapokalypse durchweg ohne direktes Objekt verwendet; vgl. Apk 5,10; 11,15.17; 19,6; 20,4.6. B EALE, Rev, 1116f., zieht dagegen ausgehend von 1Kor 6,2f.; Apk 2,26f.; 17,14 und 19,14f. doch gewisse „Objekte“ der Herrschaft in Erwägung, namentlich die gerichteten und für alle Ewigkeit bestraften Ungläubigen und ebenso die gefallenen Engel. Selbst wenn es keine weiteren irdischen Kreaturen in der Ewigkeit geben sollte, wäre für BEALE immer noch eine Herrschaft über die Engel denkbar, vgl. dazu Neh 9,6; Hebr 2,5–7. Solche Überlegungen bleiben jedoch spekulativ, da es in der Johannesapokalypse in keinem der einschlägigen Belege auch nur den Hauch eines Hinweises auf eine solche Herrschaft gibt. 371 B AUCKHAM, Theology, 142f. 372 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 329. 373 BEALE, Rev, 1116f., ist m.W. der einzige Kommentator, der diese Zusammenhänge andeutet. 374 Der Begriff kata,qema dürfte aus Sach 14,11 entnommen und eine gesteigerte Form des bekannteren avna,qema sein; vgl. 1Kor 16,22; Gal 1,8.

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der Heiligkeit Gottes,375 die zu allem von Gott Verfluchten in einer polaren räumlichen Spannung steht. Die unmittelbare und sichtbare Anwesenheit Gottes auf dem Thron ist deshalb nur möglich unter der Voraussetzung der Abwesenheit alles Verfluchten.376 Entsprechend betonen Apk 21,8 und 22,15 den Ausschluss der Feigen, Ungläubigen, Frevler, Mörder, Unzüchtigen, Zauberer, Götzendiener und Lügner aus der „heiligen Stadt“ (vgl. 21,2). Die Heiligkeitskonzeption ist zwar auch in der Johannesapokalypse ganz und gar ethisch bestimmt, aber gleichzeitig vom kultischen Grundsatz geprägt, wonach das Heilige nicht in Berührung mit dem (ethisch konnotierten Unreinen kommen darf (vgl. →II.2.2.2). Auch das Verhältnis zwischen Gott und dem Lamm auf der einen und den Knechten auf der anderen Seite wird kultmetaphorisch formuliert:377 Die Knechte werden „ihm“ „dienen“ (latreu,sousin),378 wobei das Dativobjekt auvtw/| undeutlich ist, weil nicht klar wird, ob es sich auf Gott, das Lamm oder den Thron der beiden bezieht. Den Begriff der gottesdienstlichen latrei,a bzw. des latreu,ein verwendet die Johannesapokalypse ausschließlich für den eschatologischen Gottesdienst vor dem Thron und in der Schau des göttlichen Angesichts (vgl. 22,3f.),379 da nur dieser der wahre, eigentliche und die ganze Existenz umfassende Gottesdienst sein kann und die Erfüllung des israelitischen Kultes (vgl. Dtn 10,12) und des christlichen Gottesdienstes darstellt.380 In der unmittelbaren Gegenwart und

375 Schon in Apk 21,27 wird die Abwesenheit alles Unreinen erwähnt, das hier freilich ganz und gar ethisch gefasst ist, denn als Konkretion werden Gräueltäter und Lügner erwähnt: o`` poiw/n bde,lugma kai. yeu,doj. 376 Richtig gesehen von SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 377. 377 Vgl. hierzu auch BEALE, Rev, 1113, der Apk 22,3 auf dem Hintergrund von Jes 61,6 interpretiert. Ob dieser Hintergrund zutrifft, bleibt spekulativ, aber der kultische Charakter darf als sehr wahrscheinlich gelten. 378 Zu latreu,ein vgl. den Exkurs zu latrei,a in →VI.2.6. Das Thema der Knechte, die Gott dienen bzw. ihn kultisch preisen, findet sich auch in Ps 22,23; Jes 49,7 und Dan 3,28. SÖLLNER, Jerusalem, 247, will das Dienen als Ausdruck eines intakten Gottesverhältnisses verstehen. 379 Das „Schauen des göttlichen Angesichts“ kann in den Psalmen als terminus technicus für den Besuch des Heiligtums bzw. des Tempels verwendet werden, vgl. Ps 24,3–6; 27,4; 42,3; 63,3; 84,8; vgl. Ex 23,15.17; Jes 17,7; Mi 7,7, sowie Mt 5,8; Hebr 12,14 und 1Joh 3,2. Darüber hinaus stellt die Wendung auch eine sowohl jüdische wie christliche Metapher für das Bewusstsein der Gegenwart Gottes dar, vgl. Hiob 33,26; Ps 10,11; 17,15; 3Joh 11. Schließlich beschreibt sie in Jes 6,1 das Sehen Gottes im Kontext einer prophetischen Vision. 380 SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 381f., vgl. ebd. 382: „Diese eschatologische und ‚herrscherliche‘ Bestimmtheit des Ausdrucks latreu,ein schließt jedoch auch nach der Apk nicht den kultischen Aspekt aus, sondern ein“; ebenso OSBORNE, Rev, 773.

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Schau Gottes findet alles gottesdienstliche Tun des Menschen sein Ziel und seine Erfüllung.381 Apk 22,3–5 beschreibt somit nicht nur die wiederhergestellte, sondern die eschatologisch vollendete Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch sowohl in herrschaftlich-königlichen als auch in kultisch-priesterlichen Kategorien, wobei die Priestermetapher selbst im Kontext der eschatologischen Vollendung des neuen Jerusalem keinen Platz mehr hat. Die im Kult ersehnte, in Christus geschenkte und in der Priestermetapher implizierte, jedoch noch verborgene Gottunmittelbarkeit, -ähnlichkeit und -zugehörigkeit der Erlösten ist nun vollendete und damit auch sichtbare bzw. „schaubare“ Wirklichkeit geworden. Damit erübrigt sich jedoch der Priestertitel – im Unterschied zum Knechtstitel, der die bleibende Unterordnung des Menschen unter Gott und das Lamm beschreibt, jedoch den menschlichen Knechten gleichzeitig nun auch ihrerseits das ewige Herrschen zuspricht.

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(1) Die Johannesapokalypse verwendet die Priestermetapher trotz aller Ähnlichkeiten zum 1. Petrusbrief in unabhängiger und origineller Weise. Leitend ist dabei die Frage, welche Menschen in der Lage sind, in dem endzeitlichen Szenario der Durchsetzung der Herrschaft Gottes und des Lammes zu Teilhabern der Macht und Herrschaft zu werden. Im Schatten des antichristlichen Weltreiches und seiner Protagonisten ist die Antwort dieser Schrift so überraschend wie beeindruckend: Es ist der priesterliche Mensch, der aus der räumlich vorgestellten Nähe zu Gott kommt, ihm zugehörig und unmittelbar ist und dessen priesterliches Sein ihn zum idealen Menschen am idealen Ort werden lässt. Es ist dieser Mensch, dessen Herrschen und dessen Machtausübung im Unterschied zu den die Geschichtsschau der Johannesapokalypse bestimmenden antigöttlichen Mächten und Menschen keinen knechtenden und unterdrückenden Charakter hat, sondern zu einem Ausdruck des endzeitlichen Heils wird.

381 Vgl. Ps 84,8; Jub 1,28; 4Esr 7,91.98; äthHen 102,8; Mt 5,8; 1Kor 13,12; Hebr 12,14 und 1Joh 3,2, sowie SÖLLNER, Jerusalem, 249; vgl. hierzu auch Apk 3,12; 7,3; 14,1, sowie im antichristlichen Sinn 13,16. Auch der Name Gottes an den Stirnen der Knechte, 22,4b, muss als ein Zeichen der Zugehörigkeit zu Gott verstanden werden, vgl. Apk 3,12. Die von SCHÜSSLER-F IORENZA, Priestertum, 386f., und BEALE, Rev, 1114, favorisierte Analogie zur Inschrift „Heilig für Jahwe“ auf dem hohepriesterlichen Stirnblatt in Ex 28,36–38 als dem Gegenstück zum antik-paganen Priesterdiadem ist dagegen rein spekulativ und nicht nachweisbar; so auch GIESEN, Offb, 476; MÜLLER, Offb, 364 und SÖLLNER, Jerusalem, 248f. Die Analogie zur priesterlichen Zugehörigkeit zu Gott und seinem Heiligtum ist dagegen aufgrund von Apk 3,12 natürlich sehr wohl gegeben.

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(2) Traditionsgeschichtlich ist der Priestertitel in der Johannesapokalypse ebenso wie der Begriff der „Priesterschaft“ in 1Petr 2,5.9 von der Exodusformel in Ex 19,6 her geprägt und bestimmt. Jedoch bekommt hier der königlich-herrschaftliche Aspekt der Formel eine stärkere Gewichtung, insofern er schon sehr früh im Horizont der Frage nach der rechten Herrschaftskompetenz von Bedeutung ist. (3) Zum ersten Mal klingt die Exodusformel in der einleitenden Doxologie (Apk 1,5f.) in einer Form an, welche die komplexe Textgeschichte der Exodusformel noch „ungeglättet“ widerspiegelt. Der Verzicht auf jede Erläuterung der beiden asyndetisch nebeneinandergestellten Begriffe basilei,an und i``erei/j deutet wohl auf einen für die Leser wiedererkennbaren Verständnishorizont hin. Anders als im 1. Petrusbrief ist hier auch nicht nur das Kollektiv der Gemeinde als eine „Priesterschaft“ angesprochen, sondern jedes einzelne Glied darf und soll sich als „Priester“ begreifen. Eine korporative Bedeutung hat dagegen basilei,a, wodurch die gegenwärtige Gemeinde im spatialen Sinn als Herrschaftsraum und Machtbereich ausgewiesen wird, in dem die Herrschaft Christi bereits jetzt erkannt und anerkannt wird. (4) In Apk 5,9f. wird die komplexe grammatische Stuktur der Exodusformel vom Verfasser der Johannesapokalyse durch ein koordinierendes kai, aufgelöst. Als neuen und eindeutigen Schwerpunkt in der Interpretation der Formel betont der Seher nun die futurisch-eschatologische Herrschaft der Priester auf der Erde. So wie bereits in der Gegenwart die Herrschaft Gottes im Kreis priesterlicher Menschen eine erste Verwirklichung findet (1,6; 5,10), so wird sich diese Herrschaft endzeitlich auch universal auf einer erneuerten Erde durchsetzen (5,10; 20,6; 22,5). Dabei verknüpft der Seher die ihm überkomme Tradition von der Einsetzung der Glaubenden als Königreich und Priester mit der möglicherweise auf Jesus selbst zurückgehenden Tradition von der endzeitlichen „Herrschaft der Heiligen“ (Röm 5,17; 2Tim 2,12; vgl. Mt 19,28/Lk 22,30). Jedoch werden in Apk 5,10 keine Objekte genannt, die dann im Eschaton beherrscht werden würden. Das Herrschen scheint schon hier weniger als ein Regierungsakt über Unterworfene verstanden zu werden, sondern vielmehr als eine bestimmte Verhaltensform: Anstelle eines zu erwartenden kultischen Handelns beteiligen sich die Priester an der Herrschaft Gottes, die objektlos gedacht werden kann. Bei der Verwendung der Priestermetapher in Apk 1,6 und 5,10 deutet nirgends in der Johannesapokalypse irgendetwas auf ein funktionales bzw. mittlerisches Verständnis des Priesterbegriffs hin. Dies deutet darauf hin, dass der Seher den Titel ausschließlich als Verhältnisbegriff verstanden wissen möchte, um die Unmittelbarkeit, Zugehörigkeit und Entsprechung seiner Adressaten zum Heils- und Heiligkeitsbereich Gottes zu betonen.

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(5) Schließlich wird die Priestermetapher ein drittes und letztes Mal in dem kurzen Abschnitt über das Millennium (Apk 20,4–6) verwendet. Sie ist hier aber explizit nur auf die Märtyrer der Endzeit bezogen, ohne dass die Frage nach dem Verbleib der übrigen Glieder der Gemeinde Jesu überhaupt gestellt, geschweige denn beantwortet werden würde. Das literalrealistisch, linear-chronologisch und futurisch zu verstehende Zwischenreich hat seinen Ort nach der Parusie Christi und vor dem neuen Himmel und der neuen Erde bzw. vor dem neuen Jerusalem, und ist von der Textlogik und der Traditionsgeschichte her auf Erden und unter irdischen Bedingungen zu verorten (vgl. Apk 5,10). Die vom Tode erweckten Märtyrer erfahren zu Beginn dieses Reiches ihre göttliche Rechtfertigung und Rehabilitation und werden dann als „Priester Gottes und Christi“ mit Christus während einer zeitlich begrenzten Epoche herrschen. Da dieses Herrschen nach 5,10 zum wiederholten Mal die einzige explizite Funktion dieser Priester ist und eine im engeren Sinn priesterliche Funktion nirgendwo in der Johannesapokalypse erkennbar wird, scheint der Seher genau dies unterstreichen zu wollen: Der eschatologisch errettete und rehabilitierte Mensch ist in dem Sinne ein Priester, dass er aus der Unmittelbarkeit der Gottesbegegnung und -gemeinschaft kommt – was auch durch das Adjektiv a[gioj und die damit angezeigte Integrität und Zugehörigkeit zum Heiligkeitsbereich Gottes unterstrichen wird – und gerade dadurch als idealer Mensch für die eschatologische Herrschaft qualifiziert ist. (6) Diese in Apk 5,10 angekündigte und sich nun in 20,6 erfüllende eschatologische (Mit)Herrschaft ist wiederum objektlos. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Herrschaft der Märtyrerpriester in erster Linie das Befreit- und Erlöstsein von der antigöttlichen Herrschaft des Drachen und des Tieres meint. Damit wäre sie als ein „Nicht-mehr-von-anderenbeherrscht-Werden“ bzw. als eine Restitution der verletzten Würde und Ehre der Märtyrer zu verstehen und als ein Ausdruck des endzeitlichen Heils. Gleichzeitig wurde deutlich, dass das objektlose Herrschen sowohl in Apk 20,6 als auch in 22,5 an die Herrschaft des paradiesischen Menschen in Gen 1,26.28 erinnert. War die Herrschaft dort die erste, dem Menschen zugesprochene Funktion, ist sie im Millennium die einzige und im Eschaton die letzte Aufgabe, die den Märtyrern bzw. dem vollendeten Menschen übertragen wird. Die herrschenden Priester als Repräsentanten des idealen, gottgemäßen und gottunmittelbaren Menschen erscheinen somit als eschatologisch restituierte Entsprechung des paradiesisch-adamitischen Menschen. (7) Erst der Vergleich mit den Beschreibungen des neuen Himmels und der neuen Erde lassen jedoch retrospektiv erkennen, dass die Priestermetapher gleichzeitig auch Teil der eschatologischen Gesamtkonzeption der Johannesapokalypse ist, insofern sie dazu dient, das Gottesverhältnis der

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Kapitel VIII: Die herrschenden Priester in der Johannesapokalypse

Gemeinde und ihrer Glieder im alten Äon zum Ausdruck zu bringen. Wenn die Priestermetapher im Sinne eines Verhältnisbegriffs die Unmittelbarkeit und Zugehörigkeit des Glaubenden zum Heils- und Heiligkeitsbereich Gottes beschreiben soll, wird klar, warum der Seher mit theologischer Sachnotwendigkeit in dem Moment auf diesen Titel verzichtet, in dem das vom atl. Kult erstrebte Heil in der Neuheit von Himmel und Erde bzw. im neuen Jerusalem seine Vollendung findet und Gottes Unmittelbarkeit zu einer sichtbaren Wirklichkeit für die endzeitliche Heilsgemeinde wird (vgl. Apk 21,3f.). Es ist diese in der sichtbaren Gegenwart und Unmittelbarkeit Gottes sich spiegelnde Heilswirklichkeit, die jeden Tempel obsolet werden lässt (Apk 21,22) und Gott und seine Knechte in ewiger Herrschaft vereint (Apk 22,3–5). (8) Der Seher hat die neue, mit anderen Begriffen offensichtlich nicht hinreichend aussagbare Wirklichkeit des endzeitlichen Heils der „Völkergemeinde“ mit kultischen Metaphern beschrieben. Diese drängen sich insofern auf, als die Herstellung der unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott im Bereich seiner heilvollen Heiligkeit das Ziel des atl. Kultes war. Dieses wurde freilich immer nur zeichenhaft an den Priestern und in letzter Konsequenz nur am Hohepriester am großen Versöhnungstag verwirklicht. Daher eignet sich die Kultmetaphorik wie keine andere Sprachform zur Vermittlung dieser ansonsten kaum aussagbaren Heilswirklichkeit. Durch die bewusste Aussparung der Priestermetapher in Apk 21,1–22,5, die sich an zwei Stellen (Apk 21,3f.; 22,3–5) eigentlich geradezu aufdrängt, macht der Seher deutlich, dass durch die Heilsverwirklichung auch das priesterliche Sein und die mit diesem Sein verbundene Unterscheidung zwischen heiligen Priestern und unreinen Nicht-Priestern im Eschaton obsolet geworden ist. Ebenso erübrigt sich in dieser Heilswirklichkeit, die von der unmittelbaren Präsenz Gottes und des Lammes inmitten der erlösten Völkergemeinde geprägt ist, ein der Gottesbegegnung, der Heilsvermittlung und der Einwohnung Gottes dienender Tempel. Vielmehr wird die gesamte Stadt nun als universaler Tempel charakterisiert. (9) Apk 20,6 und Apk 22,3–5 bauen insofern aufeinander auf, als die Durchsetzung der Christusherrschaft auf Erden im Millennium die Voraussetzung für das Kommen eines neuen Himmels bildet. Identisch ist die Charakteristik der Erlösten als Herrschende, die aber in Ermangelung von Beherrschten keine Beherrschenden sind. Völlig andersartig ist jedoch das Verhältnis zu Gott bzw. Christus in diesen beiden letzten Heilsepochen. Während die Märtyrer im Millennium zwar in Gemeinschaft mit Christus herrschen, jedoch unter den Existenzbedingungen des alten Äons und nach wie vor unter dem Vorbehalt des Nicht-Sehens Gottes, dienen die erlösten Knechte in Apk 22,3–5 auf einer neuen Erde, unter einem neuen Himmel und in einem neuen Jerusalem

6 Ergebnis

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Gott und dem Lamm in unverhüllter Unmittelbarkeit.382 Zwischen beiden Texten liegen die entscheidende Äonenwende und die Transformation der alten Welt in eine neue. (10) Aus frühjüdischer Sicht stellt die Johannesapokalypse die konsequente Weiterentwicklung der bei Paulus und im 1. Petrusbrief entfalteten Kultmetaphorik dar. Während bei Paulus und im 1. Petrusbrief die Metaphorisierung kultischer Begriffe zum einen dazu dient, die neu erfahrene Wirklichkeit der jungen christlichen Gemeinde sprachlich zu erfassen, und es zum anderen ermöglicht, auf dem Hintergrund der frühjüdischen Suche nach einem heilvollen „Sein vor Gott“ eine dezidiert christliche Identität in Kontinuität und Diskontinuität zur atl. Heilsoffenbarung zu formatieren, geht der Seher darüber noch hinaus: Ihm dient die Kultmetaphorik und insbesondere die Priestermetapher nicht nur zur Beschreibung des gegenwärtigen, sondern v.a. zur sprachschöpferischen Entfaltung des endzeitlichen Heils der Glaubenden vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen antichristlicher und göttlicher Herrschaft.

382 SCHÜSSLER-FIORENZA, Priestertum, 401: „Das Priestersein der Erlösten findet somit seine eschatologische Erfüllung in der Erfahrung der Nähe und Anwesenheit Gottes, die der Kult und seine Institutionen zu vermitteln suchten.“

Kapitel IX

Rückblick und Ausblick 1 Rückblick 1 Rückblick

In den vorangehenden acht Kapiteln wurde ein weites Spektrum von Texten aus unterschiedlichsten Epochen und Kontexten untersucht, um das Phänomen des Priestertums und seiner Kritik, sowie seiner Marginalisierung und Metaphorisierung in der Epoche des zweiten Tempels und im Neuen Testament nachzuzeichnen. Dies geschah im Horizont des Theologumenon vom Allgemeinen Priestertum, dessen theologiegeschichtliche Relevanz auf das Engste mit der Deutung der einschlägigen ntl. Priesterbelege verknüpft war und ist. Die Studie fragte deshalb auch nach der Legitimität solcher Bezugnahme, v.a. aber nach der ureigenen Aussageintention der metaphorischen Verwendung des Priesterbegriffs in 1Petr 2,5.9 und Apk 1,6; 5,10 und 20,6. Die Ergebnisse sollen im folgenden Rückblick zusammengefasst werden. 1.1 Priesterschaft, Tempel und Kult in frühjüdischer und neutestamentlicher Zeit (1) In vielen Priestertümern der antiken Welt hatte der Priester aufgrund seiner Investitur den Status eines idealen, gottähnlichen Menschen, der ihn aus der Menge des Volkes heraushob, in den Nahbereich Gottes bzw. der Götter und des Heiligen rückte und ihn zur Interaktion mit der Gottheit und zur Mediation zwischen ihr und Menschen qualifizierte. Es ist dieser Status, der die Funktionen bestimmte, nicht umgekehrt. Auf der Grundlage dieses Status wurde der Priester bei seinem Agieren im Tempel und am Altar als „Repräsentant“ verstanden. Einerseits repräsentierte er die Kultgemeinde (der Polis, des Volkes, des Reiches) vor Gott bzw. der Gottheit, andererseits aber in der Regel auch umgekehrt Gott bzw. die Gottheit vor der Kultgemeinde. In dieser Repräsentationsfunktion kommt dem Priester für die Polis bzw. das Volk als Ganzes wie für den Einzelnen eine Entlastungs- und Desakralisierungsfunktion zu, die es den Nicht-Priestern ermöglicht, sich den Notwendigkeiten des alltäglichen Lebens zu widmen. Der Status des Priesters wird sowohl in der hellenistisch-römischen als auch in der atl.-jüdischen Welt mit dem Begriff der „Heiligkeit“ umschrieben, wobei die mit diesem Begriff verbundenen spirituellen und ethisch-

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Kapitel IX: Rückblick und Ausblick

moralischen Erwartungen sehr unterschiedlich sein konnten. Gemeinsam ist allen Konzeptionen jedoch der Kontrast zum Alltäglichen und Profanen. Beim Vergleich zwischen dem hellenistisch-römischen und dem jüdischen Priestertum überrascht zunächst die Fülle der Gemeinsamkeiten. Trotz aller Unterschiedlichkeit in den Detailregelungen sind die Grundstrukturen von Tempel, Kult, Heiligkeit, Normen (leges sacrae) und priesterlichen Aufgaben sehr ähnlich. Durch dieses hohe Maß an Übereinstimmung war auch die kultische Sprache eine internationale und interkulturelle Sprache. Wenn die Autoren der ntl. Schriften das Evangelium mithilfe kultischer Metaphern kommunizierten, konnten sie von vornherein mit der interkulturellen und internationalen Verständlichkeit dieser Terminologie auch bei ihren paganen bzw. heidenchristlichen Adressaten rechnen. Der auffälligste Unterschied zwischen dem jüdischen Kult und den paganen Kulten liegt, abgesehen von den jeweiligen „Theo-Logien“, in der Differenz von Singular und Plural: Während in der hellenistisch-römischen Welt in Entsprechung zu ihrer polytheistischen Pluralität eine große Vielzahl unterschiedlicher Kulte, Tempel und Priesterschaften nebeneinander existieren und auch neu etabliert werden konnten, richtete sich in Israel aufgrund der Forderung der Kultzentralisation die gesamte Aufmerksamkeit auf den Jerusalemer Tempel und seine hereditär legitimierte Priesterschaft. Dieser Umstand ist ein wesentlicher Grund für die zahlreichen Diskussionen, Spannungen und Konflikte um Priester und Tempel in der Epoche des zweiten Tempels. Während in der paganen Mitwelt aufkeimende theologisch-kultische Differenzen und Konflikte durch die Errichtung alternativer Tempel, Kulte und Priesterschaften „gelöst“ werden konnten, war dem Judentum dieser Schritt verwehrt. Hier fokussierten sich alle theologischen Spannungen stets auf ein und denselben Tempel und sein aus hereditären Gründen nicht austauschbares Personal. (2) Neben der Kultzentralisation war die hereditäre und genealogische Verfasstheit ein weiteres wesentliches Spezifikum des jüdischen Priestertums. Zwar finden sich auch im hellenistischen Raum gelegentlich gentil verfasste Priesterschaften, aber die Dimension der israelitisch-jüdischen, an einen bestimmten Stamm (Levi) bzw. an eine einzige Familie (Aaron) gebundenen Priesterschaft für das gesamte Volk war einzigartig in der mediterranen Welt der Antike. Ebenso singulär ist zwar nicht die Art, aber das Maß an kultischen Bestimmungen im Blick auf die Heiligkeit des Kultes, des Heiligtums und seines Personals. Auch das israelitische und jüdische Priestertum waren von dem religiösen Status geprägt, der den Priester durch eine stellvertretende Restitution zu einem idealen und integren Menschen machte, der aufgrund dieses Status der kultisch performierten imitatio Dei bzw. der Gottähnlichkeit und -gemäßheit legitimiert war, sich Gott zu nahen und im

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Raum der heiligen Präsenz als Mitglied der himmlischen Welt in den Kontakt mit Gott treten zu können. So wird der Priester zum idealen Menschen am idealen Ort. Der Dienst der Priester am heiligen Ort der Präsenz Jahwes war gefahrlos nur im Status kultischer Heiligkeit möglich, der im Sinne einer Kontakt- und Begegnungsfähigkeit mit Jahwe und dem räumlich vorgestellten Präsenzbereich des Heiligen kultisch hergestellt werden konnte. Durch den Vorgang der Heiligung bzw. des Sich-Heiligens wurden die Priester in einen für die Dauer ihres Dienstes befristeten Status der Gottgemäßheit und der Gottähnlichkeit versetzt (vgl. Lev 11,44f.; 19,2). Die Voraussetzung war auf Seiten des Priesters eine entsprechende Disposition, die neben den korrekten Abstammungs- und Eheverhältnissen auch die körperliche Unversehrtheit einschloss (vgl. Lev 21). (3) Die starke Normierung des priesterlichen Dienstes und die hohen kultischen und ethischen Erwartungen ließen bereits in vorexilischer und mehr noch in nachexilischer Zeit einen vielstimmigen Chor kritischer Stimmen laut werden, welche zunächst vornehmlich die ethische, nach dem Exil vermehrt die kultische Unzulänglichkeit des priesterlichen Dienstes beklagten. Während diese Stimmen in vorexilischer Zeit v.a. aus dem Prophetismus kamen, verlagerte sich der Schwerpunkt in der Zeit des zweiten Tempels mehr und mehr auf priesterliche Kreise, die an der kultischen und ethischen Verfassung der eigenen Zunft Anstoß nahmen. Vorrangige Gründe für diese Kult- und Priesterkritik waren neben der Enttäuschung über die geringe Größe des zweiten Tempels (vgl. Esra, Haggai), v.a. die laxe Heiratspraxis von Priestern und Leviten, die im babylonischen Exil illegitime Mischehen mit babylonischen Frauen eingegangen waren, ferner die Darbringung defizitärer Opfer sowie die falsche Unterweisung des Volkes (Maleachi). (4) Neben der Kritik am zeitgenössischen Priestertum findet sich v.a. in nachexilischer Zeit eine Reihe von Belegen, welche der eschatologischen Hoffnung auf eine Reformation, Restauration, Restitution oder Transformation des ursprünglichen Priestertums Ausdruck verleihen (Jes 33,21f.; Ez 40–48; Sach 3,1–10; Mal 3,3). Darüber hinaus gibt es noch drei Stimmen, die eine Ausweitung des Priestertums erwarten und zum Teil einen metaphorischen Priesterbegriff verwenden. Während Jes 66,21 die endzeitliche Integration von Heiden in die nicht-metaphorisch verstandene Priesterschaft Israels ankündigt, wird in Jes 61,6 in einem ebenfalls eschatologischen Horizont ganz Israel die metaphorische Identität von Priestern zugesagt, denen die Heidenvölker analog zu den Leviten zu Diensten sein und sie materiell unterstützen werden. Der für das Neue Testament traditions- und wirkungsgeschichtlich bedeutendste Text ist die historisch, theologisch und philologisch schwer zu

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interpretierende Exodusformel in Ex 19,5f. Dort wird aus kanonischer Perspektive vor der Berufung des Stammes Levi und der Familie Aarons zum Priestertum dem ganzen Volk ein priesterliches Sein verheißen, das jedoch keine funktionale, sondern eine relationsontologische Bedeutung hat. Israel wird ein Sonderverhältnis der herausgehobenen Zugehörigkeit und Unmittelbarkeit zu und Heiligkeit vor bzw. für Jahwe zugesprochen. Durch diese Applikation des Priesterbegriffs auf das gesamte Volk vollzieht sich wahrscheinlich zum ersten Mal in der atl. Traditionsbildung eine Metaphorisierung des Begriffs in einen neuen Sinnbereich hinein. (5) Standen in der ersten Hälfte der Epoche des zweiten Tempels die Klagen über illegitime Mischehen, defizitäre Opfer und falsche Unterweisung im Fokus der gegen das Priestertum gerichteten Kritik, so löste der unter dem Seleukidenkönig Antiochus IV. Epiphanes dem Judentum aufgezwungene Kulturkampf erst recht umfassende Verwerfungen in der jüdischen Gesellschaft aus, die zu einer tiefgreifenden Krise der Priesterschaft und des Kultes am Jerusalemer Tempel führten. Die Kritik betrifft nun sehr massiv die in den Augen vieler Kreise defizitäre Kultpraxis und insuffiziente Heiligkeit der Priester. Wenn ethisches Fehlverhalten angeprangert wird, dann in der Regel deshalb, weil es kultische Implikationen hatte. Die Gruppen und Kreise, aus denen die Kritik kam, bleiben zunächst aufgrund der Anonymität bzw. des pseudepigraphen Charakters vieler Schriften bis auf wenige Ausnahmen im Dunkeln. Lediglich die Oniaden mit ihrem Projekt eines Alternativtempels in Leontopolis und der sich in den Qumranschriften äußernde yaḥad sind mehr oder weniger eindeutig als scharfe Kritiker des Jerusalemer Tempelestablishments identifizierbar. Durch die in den Augen vieler Juden illegitime Kumulation des königlichen und hohepriesterlichen Amtes durch die Hasmonäer eskalierte der zunächst eher schleichende Unmut und Widerstand. Nun formierten sich verschiedene Religionsparteien, die in eine offene Opposition zur hasmonäisch dominierten Priesterschaft traten. Während dem Tempel bislang trotz der defizitären Kultpraxis in vielen Schriften eine uneingeschränkte Wertschätzung entgegengebracht wurde, mehren sich nun auch Stimmen, die diesen aufgrund der Unzulänglichkeit seines Personals ebenfalls als verunreinigt und damit als ein Hindernis für die Präsenz Gottes in Israel betrachteten (Tobit, äthiopisches Henochbuch, Sib 4). Eine spezifische Form der Tempelkritik bildete die Hoffnung auf eine eschatologische Restitution eines neuen, reinen Tempels, die vice versa eine Erwartungslosigkeit gegenüber dem gegenwärtigen „alten“ und unreinen Tempel implizierte. (6) Neben der Kritik am Jerusalemer Kult gab es in frühjüdischer Zeit jedoch auch Stimmen und Kreise, denen nach den Umwälzungen des 2. Jh. v.Chr. und der Herrschaft Herodes des Großen an einer Stabilisierung des

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neuen status quo gelegen war. Dazu gehörten neben den Sadduzäern auch Flavius Josephus. Die Sadduzäer hatten sich aus einer konservativen Haltung heraus einem realpolitischen Ansatz zur Erhaltung und Bewahrung von Nation, Volk und Tempel verschrieben und wurden aus diesem Grund auch zu den stärksten und einflussreichsten Lobbyisten des Jerusalemer Priesterestablishments, dem viele von ihnen wohl auch selbst angehörten. Auch die historiographischen Schriften von Flavius Josephus, der selbst dem Priesteradel angehörte, vermitteln eine hohe Wertschätzung des Priestertums. Josephus unternimmt den historiographischen Versuch, das jüdische Priestertum durch eine rückwirkende Idealisierung vor seinen Lesern aus der römischen nobilitas zu rehabilitieren. Allerdings kommt auch Josephus in Anbetracht der jüdischen Katastrophe des Jahres 70 n.Chr. nicht umhin, einen Verfall des so hochgeschätzten (Hohe)Priestertums im letzten Jahrhundert der Epoche des zweiten Tempels einzugestehen. (7) Wesentlich drastischer war die Wahrnehmung zahlreicher anderer jüdischer Gruppen und Kreise, deren Identität und Profil sich oft nur sehr begrenzt erhellen lässt. In deren Augen gefährdete die Unzulänglichkeit des Jerusalemer Tempelpersonals in letzter Konsequenz das heilvolle „Sein vor Gott“. Denn aufgrund der Unreinheit der Priester war für diese Gruppen auch die sühnende Wirkung der priesterlichen Opfer in Frage gestellt. Weil jedoch das levitische bzw. aaronidische Priestertum hereditär begründet war und letztlich auf göttlicher Verfügung beruhte, war eine personelle Substitution des Priestertums von vornherein ausgeschlossen. Möglicherweise verwarf deshalb, abgesehen von einigen Zeichenpropheten, auch keine der beleuchteten Gruppierungen das Priestertum an sich. Die Lösung dieses Konflikts bestand für die meisten Gruppierungen wie auch für zwei der drei großen Religionsparteien darin, sich um alternative und vom Jerusalemer Kult und Priestertum unabhängige Formen eines heilvollen „Seins vor Gott“ zu bemühen. Auf diesem Wege – so die Hoffnung – sollte die defizitäre Kultpraxis eines verunreinigten Priestertums kompensiert werden. Diese Kompensationsbemühungen konnten sehr unterschiedliche Formen annehmen. Während die verbliebenen Oniaden unter der Führung von Onias IV. in Leontopolis einen Alternativtempel bauten, der wahrscheinlich als ein Interimsheiligtum fungieren sollte, bis wieder ein aus oniadischer Sicht legitimer, d.h. zadokidischer Hohepriester das Amt übernehmen konnte, etablierten auch die Kreise, die sich in den Qumranschriften äußerten und sich selbst als den yaḥad bezeichneten, einen alternativen, wenn auch opferlosen „Kult“ mitsamt einem alternativen, hier aber aus Menschen bestehenden, metaphorischen Heiligtum.

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Kapitel IX: Rückblick und Ausblick

Noch radikaler als die Oniaden und der yaḥad waren verschiedene Zeichen- bzw. Aktionspropheten in den Jahrzehnten vor dem Jüdischen Krieg. Sie versuchten heilsgeschichtliche Neuanfänge durch eine Art Rekapitulation heilsgeschichtlicher Ereignisse, wie z.B. dem Exodus, dem Schilfmeerwunder oder der Landnahme, zu initiieren. Die Bereitschaft einer zum Teil bemerkenswert hohen Zahl von Anhängern, sich solchen selbsternannten Heilskündern und -bringern anzuschließen, zeigt, dass die zentralen jüdischen Kultinstitutionen nicht nur für diese Gestalten und ihre Anhänger, sondern wohl auch für einen großen Teil des am-ha-arez jegliche orientierende Funktion eingebüßt hatten. Dies gilt wohl auch für Johannes den Täufer. Auch für ihn hatte der priesterliche Kult keine erkennbare Bedeutung mehr. Zwar scheint sein Verhältnis zum Kult kein polemisch-antagonistisches gewesen zu sein, aber die von ihm initiierte Buß- und Umkehrtaufe mitsamt der zugesprochenen Sündenvergebung stand in keinerlei erkennbarer Beziehung mehr zu den priesterlich vermittelten, sühnenden Opfern im Tempel. Faktisch etablierte der Täufer damit als „ritueller Stellvertreter Gottes“ ein Vergebung vermittelndes „Konkurrenzangebot“ zum Jerusalemer Kult, dessen Attraktivität ein Judentum widerspiegelt, das längst nicht mehr exklusiv auf die priesterliche Mediation heilvollen „Seins vor Gott“ fokussiert war. Deutlich gemäßigter waren die Kompensationsbemühungen des Pharisäismus. Auf dem Hintergrund einer grundsätzlichen, weil offenbarungsbedingten Anerkennung und Akzeptanz des hereditär konstituierten Priestertums, entwickelten sich die Pharisäer zu einer überaus populären volksmissionarischen Bildungs-, Heiligungs- und Erneuerungsbewegung. Sie verfolgten das Ziel, die Standards priesterlicher Heiligkeit und Reinheit in abgeschwächter Form auf die alltäglichen Lebensvollzüge des ganzen Volkes anzuwenden, um ein vom priesterlichen Kult unabhängiges „Sein vor Gott“ zu gewährleisten. Auch die Texte, die zur priesterlichen Levi-Tradition zu rechnen sind (aramäisches Levi-Dokument, Jub 30–32 und das Testament Levis), bemühten sich auf dem Hintergrund einer scharfen Kritik des zeitgenössischen Priestertums den Jakob-Sohn Levi als einen idealen Priester mit königlichen Zügen zu beschreiben. Gleichzeitig versuchten sie aber durch eine Rückprojektion priesterlichen Seins nicht nur auf Levi, sondern auf alle Erzväter Israels, ja letztlich bis auf Noah und Adam, dem ganzen jüdischen Volk eine priesterliche Identität im Sinne eines „Königreichs von Priestern“ (Ex 19,6; vgl. Jub 16,18; 33,20) zuzuschreiben. Wahrscheinlich sind auch diese Bemühungen im Sinne einer Kompensation für die defizitäre Performanz des amtierenden Priestertums zu verstehen. Einen von der Intention her völlig anderen, im Ergebnis jedoch nicht unähnlichen Charakter hatte die religiöse Praxis des Diasporajudentums.

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Zwar waren der Tempel, die Opfer und die Jerusalemer Priesterschaft für das Diasporajudentum völlig unumstritten und als identitätsstiftendes Zentrum jüdischer Existenz anerkannt, aber die „Lebensmacht des Alltags“ in der Diaspora und die „Erfolgsgeschichte“ der Synagoge und ihres innovativen und attraktiven Wortgottesdienstes führten über die Dauer der Zeit unweigerlich zu einem Bedeutungs- und Relevanzverlust des Jerusalemer Kultes für die Diasporagemeinden. Wie gering der Einfluss des priesterlichen Kultes in der Diaspora war, zeigt sich in den relativ geringen Auswirkungen der Tempelzerstörung des Jahres 70 n.Chr. auf das Diasporajudentum. An die Stelle blutiger Opfer waren hier schon lange vor 70 n.Chr. das „Lobopfer der Lippen“ und die Verehrung der Tora getreten, die nach der Tempelzerstörung überall zum Mittelpunkt jüdischen Lebens wurde. Die herausragende Bedeutung der Tora lässt sich auch unschwer an den Schriften Philos von Alexandrien verifizieren, dessen immenses Werk im Wesentlichen eine Auslegung der Tora ist. Allerdings lässt sich auch dieses Werk als eine schleichende Unterminierung des priesterlichen Kultes interpretieren. So sehr Philo seinen Lesern das Jerusalemer Priestertum und v.a. den Hohepriester in leuchtenden Farben beschreiben kann, so sehr enthält seine spiritualisierende, allegorisierende und moralisierende Hermeneutik – bewusst oder unbewusst – den Keim der Relativierung der Jerusalemer Kultinstitutionen und damit eben auch des Priestertums. Denn wenn diese Institutionen nur eine symbolische Abbildung mikro- oder makrokosmischer Vorgänge in der menschlichen Seele bzw. im Universum sind, dann sind sie in letzter Konsequenz verzichtbar und in ihrer konkreten und realen Form obsolet. Im Blick auf das theologische Verständnis priesterlichen Seins ist Philos Beschreibung des jüdischen Hohepriesters sowohl im Rückblick auf das atl.-frühjüdische Priesterverständnis als auch im Vorausblick auf die ntl. Metaphorisierung des Priesterbegriffs von großer Bedeutung. Philo charakterisiert den jüdischen Hohepriester als den idealen, integren, vollkommenen und gottähnlichen Menschen, der letztlich die Restitution des sündlosen, paradiesischen Menschen verkörpert, und auf dieser Grundlage für Philo zum Mittler zwischen Gott und dem gesamten Kosmos wird. (8) Die teils scharfe Kritik am jüdischen Priestertum und Tempel und die vielen und vielfältigen Bemühungen um ein alternatives „Sein vor Gott“ jenseits der priesterlichen Heilsmediation im Jerusalemer Kult reflektieren zum einen die tiefgreifende Krise des Judentums, v.a. in den letzten beiden Jahrhunderten des zweiten Tempels, und zum anderen eine schleichende Marginalisierung des jüdischen Priestertums durch alternative Formen der Vergebung bzw. der Heilsmediation. Diese Verhältnisse bilden zwar nicht die Grundlage, wohl aber die Vorlage, sowie den Rahmen und Hintergrund für die im Neuen Testament zu

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beobachtenden Prozesse einer Metaphorisierung und Verallgemeinerung des Priestertums. (9) Das Wirken und die Verkündigung Jesu im Blick auf die jüdischen Heilsinstitutionen des Tempels, der Opfer und des Priestertums vermittelt vor allem den Eindruck der Distanz und der inneren und äußeren Unabhängigkeit (vgl. Mk 1,44; 2,1–12; vgl. auch Mt 17,24–27; 21,33–46par), die schon bei Johannes dem Täufer ins Auge sticht. Allerdings ist diese distanzierte Haltung bei Jesus nicht mit der vielfältigen frühjüdischen Kritik an priesterlicher Heiligkeit und Unreinheit, illegitimen Eheverhältnissen, disqualifizierenden Abstammungsverhältnissen oder anderen kultischen Defiziten begründet. Es sind weder die von vielen Stimmen konstatierten zeitgenössischen Mängel noch der Tempel und das Priestertum an sich, die Jesu Distanz provozierten. Auch die Tempelaktion (Mk 11,15–17) und das Tempelwort Jesu (Mk 14,58par) sollten nicht in diesem Sinne interpretiert werden. Vielmehr war es sein eigener messianischer Anspruch, der die Bedeutung von Tempel und Priestern zwangsläufig relativierte und Jesus notwendigerweise in eine Konkurrenz und einen Konflikt mit den Vertretern der jüdischen Kultinstitution treten ließ. Das Markusevangelium rahmt Jesu Tempelaktion (Mk 11,15–17) kompositorisch durch das Lösegeldwort (Mk 10,45) und das Kelchwort (Mk 14,24), nach denen Jesus sich selbst als messianischen Menschen- und Gottessohn und seinen bevorstehenden Tod als einen stellvertretenden Sühnetod „für die vielen“ gedeutet hat. Wenn aber Vergebung der Sünden und heilvolles „Sein vor Gott“ von nun an nicht mehr durch den priesterlichen Tempelkult vermittelt wurden, sondern durch die glaubende Anteilhabe an dem stellvertretenden, „für uns/euch“ geschehenen Sühnetod Jesu, dann bedeutete dies eo ipso eine fundamentale Infragestellung von Tempel und Kult, die dann als ein heilsgeschichtliches Interim ausgedient hatten. Genau dies ist auch der Sinn der kompositorischen Verknüpfung des Todes Jesu mit der Spaltung des Tempelvorhangs (Mk 15,37f.): An die Stelle des Tempels als dem Offenbarungs- und Begegnungsort Jahwes, ist nun das Kreuz Jesu getreten. Im Gekreuzigten kann und soll Gott nunmehr erkannt und erfahren werden. Hier können Menschen ihm begegnen. Die priesterliche Heilsmediation ist damit aber an ein von Gott selbst bestimmtes Ende gekommen. (10) Auch der Ansatzpunkt der paulinischen Reflexion über die jüdischen Kultinstitutionen liegt in dieser – Paulus wahrscheinlich durch die Jerusalemer Tradition vermittelten – Einsicht, dass der Tod Jesu einen stellvertretenden („für uns/euch“) und sühnenden (Röm 3,25; vgl. auch 1Kor 5,7; 11,23–25; 2Kor 5,21 u.ö.) Charakter hatte. Damit wurde der an sich unkultische Tod Jesu am Kreuz in einem kultischen Wirklichkeitsho-

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rizont reflektiert. Nur im Rahmen dieser kultischen Ordnung konnte er als „heilswirkend“ verstanden werden. Die Notwendigkeit zu einer eigenständigen Reflexion über das Verhältnis des Todes Jesu nicht nur zum jüdischen Kult, sondern auch zu allen paganen Kulten der hellenistisch-römischen Welt, ergab sich in dem Moment, in dem Paulus sein Evangelium von Gottes rettender Heilstat im eigentlich unkultischen Kommen, Sterben und Auferstehen Jesu in einer kultisch organisierten und konstituierten Welt verkündigte. Denn wenn der eine Gott Jesus Christus als den eschatologischen Sühne- und Kultort für „Juden und Heiden“ öffentlich aufgerichtet hatte (Röm 3,25), dann musste dies eo ipso alle Sühne- und Kultorte der antiken Welt in Frage stellen, nicht nur den jüdischen Tempel. Es lag für Paulus somit auf der Hand, gegenüber seinen jüdischen wie heidnischen Hörern zu erläutern, in welchem Verhältnis das nun offenbarte Heil in Jesus Christus zu dem kultisch vermittelten „Sein vor Gott bzw. den Gottheiten“ in den antiken Kulten, einschließlich dem jüdischen, stand. Mit Hilfe der Metaphorisierung kultischer Terminologie konzeptualisiert Paulus die neu offenbarte und erfahrene Wirklichkeit des Heils, des Heiligen Geistes und der Gemeinde. So stehen die Glaubenden auf der Grundlage des Sühnetodes Jesu und durch das heiligende Wirken des Heiligen Geistes in einem dauerhaften Status der nun freilich nicht mehr kultisch vermittelten Heiligkeit (1Kor 1,2; 6,11; Röm 15,16), dem sie mit ihrem ethischen Wandel in den alltäglichen Lebensvollzügen zu entsprechen haben (1Thess 3,13; 4,1–8; 5,23; 1Kor 6,18f.; 2Kor 7,1; Röm 12,1ff.). Aufgrund dieses konstanten Status der Heiligkeit besitzen die Glaubenden eine „Kultfähigkeit höherer Ordnung“ im Sinne einer Kontakt- und Begegnungsfähigkeit mit Gott, der ihnen priesterliche Zugangsrechte zum Raum des Heiligen verleiht (Röm 5,2), ja sogar die Gemeinde selbst und jeden einzelnen Glaubenden zum Heiligtum werden lässt (1Kor 3,16f.; 6,19; 2Kor 6,16). Damit geht die paulinische Konzeption bei weitem sowohl über die pharisäischen Bemühungen um eine Ausweitung priesterlicher Heiligkeitsstandards und die in der priesterlichen Levi-Tradition zu beobachtenden Tendenzen einer Applizierung priesterlichen Seins auf ganz Israel, als auch über die Etablierung eines Interimsheiligtums durch die Oniaden und den yaḥad hinaus. Mit der Sozialisierung und Universalisierung der priesterlichen Kult- und Begegnungsfähigkeit auf alle Glaubenden aus Juden und Heiden transzendiert Paulus alle hereditären, ethnischen und sozialen Grenzen der antiken Welt. Die Gemeinde ist selbst zum eschatologischen Tempel als dem Ort der heilvollen Präsenz Gottes in dieser Welt geworden. In der Konsequenz bestimmt er deshalb den Gottesdienst der Glaubenden sachgemäß als eine tempel-, opfer-, priester- und torafreie logikh. latrei,a (Röm 12,1), die nicht mehr im Tempel bzw. um

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einen Altar, sondern in einem gottgemäßen Lebenswandel im Alltag vollzogen wird. An dieser Stelle berührt sich Paulus auf das Engste mit dem synagogalen Gottesdienstverständnis des Diasporajudentums, das von der räumlichen Distanz zum Jerusalemer Tempel und der weitgehenden Irrelevanz priesterlichen Wirkens im Rahmen der Synagoge geprägt war. Während in der Synagoge an die Stelle priesterlich-kultischer Performanz mehr und mehr die Tora trat, nahm diesen Platz bei Paulus das Evangelium ein. Aus dieser Perspektive ist Paulus die radikalste uns bekannte frühjüdische Stimme am Ende der Epoche des zweiten Tempels. Er greift in seiner von der Christusepiphanie vor Damaskus bestimmten Theologie zwar faktisch viele Anliegen der kultkritischen jüdischen Gruppen und Kreise auf, aber er tut dies in einer Weise, die letztlich zur Auflösung des hereditär und ethnisch formatierten Frühjudentums führen musste (vgl. Gal 3,28). Jesus Christus ist für Paulus letztlich nicht nur das te,loj no,mou (Röm 10,4), sondern auch das Ende einer kultisch konstituierten Welt. Denn die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott, welche stets das Ziel des in der Tora konstituierten Kultes darstellte, ist in Christus zu ihrer heilsgeschichtlichen Erfüllung gekommen. Deshalb finden wir auch bei Paulus keine Tempeloder Priesterkritik, wie sie uns in den dargestellten frühjüdischen Stimmen begegnet. Für Paulus waren und blieben der Tempel und das Priestertum von Gott dem jüdischen Volk gestiftete Institutionen, die dieses Volk und auch er selbst weiterhin besuchen konnte (vgl. Act 21,26f.). Aber eine heilsvermittelnde Bedeutung hatten sie für ihn und seine Gemeinden nicht mehr, und deshalb waren sie für seinen apostolischen Dienst obsolet geworden. 1.2 Die Metaphorisierung des Priestertitels im Frühjudentum und Neuen Testament (1) Die Frage nach der Metaphorisierung des Priesterbegriffes lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Sprachereignis, das die Erfahrung einer in Jesus Christus neu offenbarten Wirklichkeit in Anknüpfung und Abgrenzung mit den Begriffen einer bereits heilsgeschichtlich offenbarten Wirklichkeit – nämlich der des Kultes – zu beschreiben sucht. Die Wahl des Begriffs der „Metaphorisierung“ zur Beschreibung dieses Sprachphänomens bewegt sich dabei in einer Konkurrenz mit zahlreichen anderen begrifflichen Vorschlägen. Der Begriff erscheint vor allem deshalb als besonders geeignet, weil er auf der einen Seite keine (Ab)Wertung des bildspendenden Bereiches, also dem des Kultes, impliziert, aber andererseits vor dem Hintergrund der neueren Metapherntheorien in der Lage ist, das sprachliche Phänomen der Konzeptualisierung neuer Erfahrungs- und Wirklichkeitsbereiche zu beschreiben. Am ntl. Metapherngebrauch wird greifbar, was M. Buntfuß so treffend beschrieben hat: „Metaphern erinnern, um Neues

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zu sagen und sie erneuern, um Altes zu bewahren.“1 Durch die sprachkreative Dynamik der Metaphorisierung wird eine neue Erfahrung konzeptualisiert, für die es bisher noch keine Sprach- und Reflexionsformen gab. Gleichzeitig geschieht diese Konzeptualisierung mit Hilfe eines bildspendenden Bereichs, der Wesentliches und Bleibendes für das Verständnis des neuen Erfahrungskontextes enthält. In besonderer Weise eignet er sich somit, um die Dimensionen der Kontinuität und Diskontinuität des bildempfangenden zum bildspendenden Bereich zum Ausdruck zu bringen. (2) Erste Anfänge einer Metaphorisierung kultischer Begriffe finden sich bereits im Alten Testament. So kann in einigen Psalmen das Opfer auch die Form des Wortes annehmen (z.B. beim Lobopfer, hebr. hd;wOT) und durch dieses substituiert werden. Somit tritt ein Wortgeschehen an die Stelle eines Opfergeschehens. Allerdings sind diese Metaphorisierungsprozesse noch sehr zurückhaltend und es muss offen bleiben, ob zunächst nicht auch ein ganz reales Opfer stattfand. Der Begriff der Spiritualisierung ist zur Bezeichnung dieses Vorgangs ungeeignet, da weder der Raum des Kultes wirklich verlassen wird, noch die Tieropfer in irgendeiner Form „spirituell“ gedeutet werden. Es geht vielmehr um eine „mediale ‚Erzeugung‘ von Gottesnähe, die jenseits des Tempels möglich, aber in ihren konkreten Bezügen an den Tempel(kult) zurückgebunden erscheint“2. Eine wirkliche Spiritualisierung lässt sich erst bei Philo von Alexandrien nachweisen. Sie war den atl. Frommen noch fremd. (3) Der atl. Priesterbegriff erfuhr seine chronologisch erste Metaphorisierung in der Exodusformel in Ex 19,5f., auch wenn die historischen Hintergründe dieses Textes umstritten sind und letztlich nach wie vor im Dunkeln liegen. Da die Deutung der Stelle auf eine herrschende Priesteraristokratie (Schenker, Strübind) sich als wenig wahrscheinlich erwiesen hat, muss der Priesterbegriff in der Exodusformel auf ganz Israel bezogen werden, das entweder passivisch als ein Königreich im Sinne eines Herrschaftsraumes oder aktivisch als ein Königtum im Sinne einer einem König (Jahwe) zugeordneten Gruppe mit herrschaftlichen Befugnissen zu verstehen ist. In jedem Fall überschreitet der Begriff damit seinen ursprünglichen Sinnbereich als einer aus einer Gesamtheit von Menschen herausgehobenen, mit kultischen Funktionen für diese Gesamtheit beauftragten Gruppe. Es handelt sich somit um eine Metapher, die im Kontext der Exodusformel nicht funktional in einem mediatorischen, missionarischen oder doxologischen Sinn zu verstehen ist, sondern relationsontologisch das herausgehobene Gottesverhältnis Israels zu Jahwe im Sinne einer exklusiven Unmittelbarkeit und Zugehörigkeit zu Jahwe und einer besonderen Heiligkeit vor Jahwe zum Ausdruck bringt. 1 2

B UNTFUSS, Tradition und Innovation, 227. HARTENSTEIN, Spiritualisierung, 56.

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(4) Die Metaphorisierung des Priestertitels in der Exodusformel hatte allerdings, abgesehen von einer Reihe von Anspielungen auf das Syntagma ~ynIh]Ko tk,l,m.m;/ basi,leion i``era,teuma, weder im Alten Testament noch im Frühjudentum eine besondere Wirkungsgeschichte. Es waren erst der 1. Petrusbrief und die Johannesapokalypse, die dieser Formel wieder eine größere Aufmerksamkeit schenken sollten. Im Alten Testament kann nur noch in Jes 61,6 von einer metaphorischen Verwendung des Priestertitels gesprochen werden, wobei eine Abhängigkeit von Ex 19,6 unwahrscheinlich ist. In Aufnahme des Motivs von der Völkerwallfahrt bringen hier die Heidenvölker ihre Gaben und ihren Reichtum zum Zion, um in der Rolle der Leviten Israel in der Not materiell zu unterstützen. Entsprechend werden die Israeliten in der Rolle der levitischen Priester gezeichnet, welche die Hilfsdienste der Heidenvölker empfangen, um selbst befreit zu sein zum kultischen Gottesdienst für Jahwe. Die Referenzgröße der Metapher ist somit eine andere als in dem aus kanonischer Sicht vor-levitischen Beleg in Ex 19,5f. (5) Eine Metaphorisierung des Tempel-, nicht jedoch des Priesterbegriffs, vollzog sich auch im Schrifttum der Qumrangemeinschaft. Nach der Trennung des yaḥad vom Jerusalemer Kult verstand sich dieser als eine „ewige Pflanzung“, als ein „heiliges Haus für Israel“ und als ein „Heiliges der Heiligen für Aaron“ (1QS 5,6; 8,5f.; 9,6). Als Substitution des als verunreinigt und korrumpiert verstandenen Jerusalemer Kultes übernahm nun während der „Zeit des Frevels“ die Gemeinschaft des yaḥad selbst kultische Funktionen, die seither an das Jerusalemer Heiligtum gebunden waren. Allerdings wurde die Substituierung des Jerusalemer Tempels nur als ein vorübergehendes und partielles Interim verstanden, das nur solange Bestand habe, bis ein physisches, eschatologisches Heiligtum errichtet werden würde. Anders als der Tempelbegriff bleibt der Priesterbegriff in den Qumranschriften trotz seiner Verallgemeinerung auf den ganzen yaḥad in CD 3,19–4,4 streng an die genealogischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Tora gebunden, auch wenn der Dienst der separierten Priester sich nicht mehr im Jerusalemer Heiligtum ereignete. (6) Zu einer umfangreichen Metaphorisierung aller Kultbegriffe kam es erst bei Philo von Alexandrien. Seine Methode der metaphorischen Transformation kultischer Begriffe wurde seit dem 19. Jh. zu Recht mit dem Begriff der „Spiritualisierung“ umschrieben. Zu Unrecht wurde dieser Begriff dagegen auf die formal zwar ähnliche, inhaltlich jedoch völlig verschiedene Metaphorisierung der Kultbegriffe in den Qumranschriften und im Neuen Tesament angewandt. Was sich bei Philo sprachlich vollzieht, ist auf dem Hintergrund seiner hellenistischen-philosophischen Bildung und seiner allegorisch-spiritualisierenden Interpretationsmethode zu verstehen

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und kategorial grundverschieden von dem Sprachereignis, das sich im Neuen Testament beobachten lässt. Philo benützt die Kultmetaphorik, um mithilfe der Allegorisierung und Spiritualisierung die Inhalte der Tora als eine Entsprechung zur hellenistischen, vor allem platonischen und stoischen Philosophie zu präsentieren. Der Jerusalemer Kult dient bei Philo letztlich nur noch als Bild- und Begriffsspender für mikro- oder makrokosmische Zusammenhänge, die im Rahmen der hellenistischen Philosophie mit einer völlig anderen Terminologie bezeichnet wurden. Es geht nicht darum, Erfahrungen mit Hilfe eines bildspendenden Bereichs, der an bereits Bekanntes erinnert, zu kategorisieren und neu zu konzeptualisieren, sondern um die allegorische Erschließung einer neuen, bereits konzeptualisierten Bedeutungsebene des vorgegebenen Textes, die dieser in seinem Literalsinn so nicht besitzt. (7) Der Ursprung der ntl. Metaphorisierung kultischer Begriffe ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit im sog. Tempelwort Jesu zu suchen (Mk 14,58par), wobei sich eine letzte Sicherheit hier nicht mehr erreichen lässt. Die Analyse des Wortes ergab die „Vorstellbarkeit“, dass alle vier Teile des Wortes, (1) die negative Aussage einer wie auch immer gearteten Tempelzerstörung (vgl. Mk 13,2), (2) die positive Aussage einer Wiedererrichtung des Tempels durch Jesus – in welcher Form auch immer –, (3) die Angabe einer Drei-Tage-Frist zwischen beiden Ereignissen und (4) die Antithese ceiropoi,hton-avceiropoi,hton auf Jesus selbst zurückgehen. Wenn dem so sein sollte, dann hätte schon Jesus mit der Ankündigung eines „nicht mit Händen gemachten Tempels“ dem Tempelbegriff eine metaphorische Bedeutung verliehen. Mit gebotener Vorsicht kann deshalb vermutet werden, dass Jesus mit der Zerstörung des Tempels gerechnet hat und gleichzeitig den Ort der Präsenz Gottes metaphorisch neu interpretieren konnte. Möglicherweise betrachtete er ihn als eine Größe, die im Anschluss an Ex 15,17 ganz aus Gottes Hand und nicht aus Menschenhand resultiert. (8) Wenn der Ausgangspunkt der ntl. Metaphorisierung von Kultbegriffen im Tempelwort Jesu liegt, würde dies die breite Metaphorisierung von Kultbegriffen in den Traditionen der frühesten Jerusalemer Urgemeinde (vgl. Röm 3,25; 1Kor 5,7) und bei Paulus erklären. Die metaphorische Bezeichnung Jesu als i``lasth,rion und damit als eschatologischem Kult- und Sühneort (Röm 3,25) ermöglichte nicht nur ein Verständnis des an sich unkultischen Kreuzestodes Jesu in einem kultischen Wirklichkeitshorizont und die damit gegebene Kommunikabilität des Evangeliums in eine kultisch strukturierte und organisierte antike Welt hinein, sondern auch die Schlussfolgerung, dass die Gemeinde und sogar der einzelne Glaubende, in welchen der Auferstandene im Geist gegenwärtig ist (vgl. 2Kor 3,17), zum Tempel Gottes geworden sind (1Kor 3,16f.; 6,19; 2Kor 6,16). Somit eröff-

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nete das Tempelwort Jesu in Verbindung mit der Gabe des Heiligen Geistes als des Christus praesens eine kultmetaphorische Konzeptualisierung und mimetische Abbildung dieser neu erfahrenen Wirklichkeits- und Sinnbereiche. Der Gegenstand dieses sprachlichen Ereignisses war vor allem – und hierin liegt die Entsprechung zwischen dem bildspendenden und bildempfangenden Bereich – die im Kult und seinen Institutionen erstrebte, aber nie vollkommen erreichte, heilvolle Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. Die durch Christi stellvertretenden Sühnetod ermöglichte Begegnung und Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch, das „Zum-MenschenKommen“ Gottes und ebenso das „Zu-Gott-Kommen“ des Menschen (M. Vahrenhorst) brachten Paulus und die frühe Gemeinde mit kultischen Metaphern zum Ausdruck, die eine räumliche Dimension dieser Begegnung und Gemeinschaft analog zum atl. Heiligtum implizierten (vgl. 1Thess 3,13; 4,1–8; 5,23; 1Kor 1,2.30; 6,11; Röm 5,2; 12,1; 15,16). Die kultmetaphorische Beschreibung dieser Erfahrung macht weiter deutlich, dass sie als eine Offenbarung des einen Gottes erkannt wurde, mit dem es Israel bereits im Jerusalemer Kult zu tun hatte, dem nun aber jeder Mensch an jedem Ort in der Unmittelbarkeit des Glaubens begegnen kann. (9) Auch seinen eigenen Dienst als Apostel Jesu Christi konnte Paulus mit kultischen Metaphern beschreiben. In Röm 15,16; Phil 2,17 und 4,18 beschreibt er sein Amt in Analogie zu den Funktionen der levitischen Priester. Er bezeichnet sich als einen leitourgo,j Jesu Christi im Blick auf die Heiden, dessen Aufgabe es ist, das Evangelium Gottes priesterlich (i``erourgou/nta) auszurichten, damit die Opfergabe (prosfora,) der Heiden (Gott) wohlgefällig (euvpro,sdektoj) und geheiligt (h``giasme,nh) durch den Heiligen Geist ist (Röm 15,16). Zwar sind in Röm 15,16 alle Grundlagen für eine metaphorische Applikation des Priestertitels auf Paulus vorhanden, doch überträgt Paulus die Priestermetapher weder hier noch irgendwo anders in den erhaltenen Briefen auf sich selbst. Der Grund für diese Zurückhaltung liegt wohl in der Verhältnisbestimmung seines Apostolats zur Sendung Jesu Christi. Während sich Paulus durchaus als Botschafter des Heils begreifen kann (vgl. 2Kor 2,14–16; 3,3.8; 5,18–20), bezeichnet er sich nie als dessen Mittler. Diese Rolle ist im Neuen Testament einzig und allein Jesus Christus vorbehalten (vgl. 1Tim 2,6). Dem entsprechen auch zwei weitere Beobachtungen. Zum einen fällt auf, dass weder bei Paulus noch in einer anderen ntl. Schrift ein levitisch konnotierter und funktional bestimmter Priesterbegriff auf die Gemeinde und ihre Funktionsträger übertragen wird. Eine Applikation der Priestermetapher auf die Glaubenden bzw. der Priesterschaftsmetapher auf die Gemeinde findet sich im Neuen Testament nur im 1. Petrusbrief und der

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Johannesapokalypse, und dort erfolgt sie auf der Grundlage der vorlevitischen Exodusformel in Ex 19,5f. Zum anderen ist bemerkenswert, dass Paulus sowohl den christlichen Gemeindegottesdienst ebenso wie alle Gemeindeämter mit einer unkultischen Nomenklatur bezeichnet. (10) Der ntl. Text mit der höchsten Dichte an kultischem Vokabular und den beiden prominentesten Belegen für die Metaphorisierung des Priestertitels findet sich in 1Petr 2,4–10. In seinem Brief an unter Repressionen, Diffamierungen, Stigmatisierungen und Denunziationen ihrer Umwelt leidende Gemeinden in Kleinasien stellt der Verfasser des 1. Petrusbriefes mit Hilfe zahlreicher kultischer Metaphern die Gemeinde als eine Erfüllung des priesterlichen Kultes vor, dessen Ziel es war, die unmittelbare und im Kult erstrebte Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch zu realisieren. Bereits mit dem einleitenden, kultisch konnotierten Partizip proserco,menoi spricht der Autor seinen heidenchristlichen Lesern eine Kult- und Begegnungsfähigkeit und -berechtigung zu, die sie im Horizont der kultischen Raumvorstellung dazu legitimiert, sich als eine „heilige Priesterschaft“ dem lebendigen (Tempelgrund-)Stein Jesus Christus zu nähern. Christus selbst wird vom Autor mit Hilfe der sowohl tempeltheologisch als auch messianisch konnotierten Steinmetapher als messianischer Fundamentstein des Tempels präsentiert, der als pars pro toto auch als Tempel und damit als eschatologischer Ort der Präsenz Gottes verstanden werden muss. Die Herzutretenden gewinnen auf „pneumatische“ Weise Anteil an diesem Tempel, sowie an seiner Erwählung und Kostbarkeit. Sie werden auf diese Weise selbst zu „lebendigen Steinen“ und damit zu einem Teil des oi=koj pneumatiko,j, womit der Autor metaphorisch den eschatologischen Tempel Gottes bezeichnet. Die Bezeichnung der Gemeinde als einer „heiligen“ bzw. „königlichen Priesterschaft“ (1Petr 2,5.9) orientiert sich an der aus kanonischer Sicht vor-levitischen Exodusformel in Ex 19,6. Die Metapher i``era,teuma bezieht sich dabei auf die gesamte Gemeinde als Kollektiv und dient im 1. Petrusbrief – anders als in der Johannesapokalypse – noch nicht als eine individuelle Bezeichnung der einzelnen Glaubenden als Priester. Vor diesem Hintergrund wird der auf Jesus Christus als dem messianischen Tempel(grund)stein auferbauten Gemeinde in beiden Versen der relationsontologisch begründete, priesterliche Status der Unmittelbarkeit, Entsprechung und Zugehörigkeit zu Gott, der Erwählung durch Gott und der Heiligkeit und Integrität vor Gott zugesprochen. Die Gemeinde bekommt damit die Identität eines idealen Ortes der eschatologischen Präsenz Gottes, der aus einer Gemeinschaft idealer Menschen besteht, in der sich das heilvolle „Sein vor Gott“ realisiert. Damit etabliert der Autor für seine Adressaten inmitten ihrer bedrängten, von Anfeindungen und Repressionen geprägten Situation eine aristokratische Kontrastidentität, die

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sie in einem Maße adelt, das alle irdische Wertschätzung und Anerkennung weit übertrifft und die erfahrene Ablehnung durch die feindliche Mitwelt bei weitem kompensieren kann. Die einzigen Funktionen, welche die „heilige“ bzw. „königliche Priesterschaft“ der Gemeinde besitzt, sind ausschließlich am Binnenverhältnis zu Gott orientiert bzw. auf Gott hin ausgerichtet. Die Gemeinde soll Gott pneumatische Opfer bringen, wobei im Kontext des 1. Petrusbriefes wie überhaupt des Neuen Testaments an Äußerungen des Gotteslobes und an den Vollzug eines geheiligten Lebenswandels zu denken ist. Der Opferbegriff ist hier Teil der kultmetaphorischen Identitätsbestimmung der Gemeinde. Auch die in V. 9 ausgesprochene Berufung der Gemeinde, die avretai, Gottes zu verkündigen, darf nicht im missionarisch-mediatorischen Sinn missverstanden werden. So sehr der 1. Petrusbrief insgesamt ein missionarisches Anliegen hat, so abwesend ist dieser Gedanke in 1Petr 2,4–10. Vielmehr geht es auch in V. 9 ausschließlich um das Binnenverhältnis der Glaubenden zu Gott, den sie im gottesdienstlichen Lob für seine vollbrachten Wundertaten preisen sollen. In V. 6–8 präsentiert der Autor ein aus der Tradition übernommenes li,qoj-Florilegium aus drei Schriftzitaten, die alle durch das gemeinsame Stichwort li,qoj verbunden sind. Während V. 4 bereits eine antizipierende Zusammenfassung von V. 6–8 darstellt, betont der Autor mit Hilfe des Florilegiums, dass die Glaubenden von Christus als dem Grundstein des Gemeindetempels (li,qoj avkrogwniai/oj, vgl. Jes 28,16LXX) ihre Grundlage, Berufung und Würde empfangen. Dies gilt umso mehr im betonten Gegenüber zu den Nicht-Glaubenden, für die dieser Grund- und Eckstein (Y 117,22) zum „Stein des Anstoßes und Fels des Ärgernisses“ (Jes 8,14LXX) geworden ist, an dem sich Glaubende und Nicht-Glaubende bereits in der Gegenwart scheiden, während sowohl das Nicht-zuschanden-Werden der Glaubenden (V. 6, Jes 28,16LXX) als auch die göttliche Bestimmung der Nicht-Glaubenden zum Anstoß an diesem Stein erst eschatologisch offenbart werden wird. Der Akzent liegt in diesen Versen auf der kontrastierenden und scheidenden Funktion Jesu Christi als dem erwählten und kostbaren Grund- und Eckstein, an dem sich in Glaube oder Unglaube bzw. in Gehorsam oder Ungehorsam das eschatologische Heil oder Unheil des Menschen entscheidet. Anders als die antizipierende Zusammenfassung des aus der Tradition überkommenen li,qoj-Florilegiums von V. 6–8 in V. 4, scheint V. 9f. eine sehr eigenständige Weiterführung von V. 5 zu sein. Lediglich die beiden Stichworte i``era,teuma und a[gion aus der Exodusformel tauchen wieder auf, ansonsten aber wird das bereits in V. 5 vorgegebene Thema der Identitätsbestimmung der Gemeinde in ganz eigener Weise fortgeführt.

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Dazu gehört, dass die Gemeinde mit fünf Ehrenprädikaten Israels identifiziert wird, wobei das hier im Fokus stehende Syntagma basi,leion i``era,teuma weder in syntaktischer noch in semantischer Hinsicht gegenüber den anderen herausragt. Diese Ehrenprädikate lassen die Gemeinde als eine von Gott erwählte, königliche, geheiligte und in Besitz genommene „Kontrastgesellschaft“ in der antiken Welt erscheinen. Seinen unter Stigmatisierung und Repressionen leidenden Adressaten vermittelt der Autor damit ein aristokratisches Standesbewusstsein, das ihnen Mut und Hoffnung geben soll, als „heilige und königliche Priesterschaft“ ihre Fremdheit in der Welt leidend aber zuversichtlich und getröstet zu erdulden. Der Autor versucht durch die „Etablierung eines neuen Bezugssystems“ (R. Feldmeier) die mit dem Glauben einhergehende Nicht-Zugehörigkeit und Heimatlosigkeit seiner Adressaten zu bzw. in ihrer feindlichen Mitwelt durch die Zusage der Zugehörigkeit zu Gottes auserwähltem Geschlecht, heiligem Eigentumsvolk und heiliger bzw. königlicher Priesterschaft zu kompensieren und auf diese Weise eine neue Heimat zu konstituieren. Im Blick auf die frühjüdischen Bemühungen um ein alternatives „Sein vor Gott“ jenseits der priesterlichen Mediation steht der Autor des 1. Petrusbriefes der Radikalität des paulinischen Entwurfes in nichts nach, im Gegenteil. Bei der völlig unkommentierten Übertragung der Ehrenprädikate Israels auf seine heidenchristlichen Adressaten und ihrer Konstitution als pneumatischer Tempel und heilige, königliche Priesterschaft geht es längst nicht mehr um eine Form der frühjüdischen Kompensation priesterlicher Defizite im Jerusalemer Kult. Vielmehr handelt es sich um die Identitätsformation junger heidenchristlicher Gemeinden, die in einer ihr feindlich gesinnten Umwelt mit einem aristokratischen Standesbewusstsein ausgerüstet werden, das seinesgleichen in der antiken Welt sucht. (11) In ähnlicher und doch gleichzeitig ganz origineller Weise geht der Verfasser der Johannesapokalypse mit der Priestermetapher um. Auch er greift auf Traditionen zurück, in denen die Exodusformel verarbeitet wurde. Jedoch bekommt bei ihm der dort ebenfalls enthaltene königlichherrschaftliche Aspekt eine wesentlich stärkere Betonung und Bedeutung. Dies wird bereits durch den Kontext des ersten Belegs in Apk 1,6 deutlich. Während der Priesterbegriff im Rahmen der Doxologie in Apk 1,5b-6 völlig isoliert auftaucht, nimmt der Begriff basilei,an die Macht- und Herrschaftsthematik des Präskripts und letztlich der gesamten Johannesapokalyse auf. Die Zuordnung und Bedeutung der beiden Begriffe der Exodusformel, die der Verfasser wohl aus einer liturgisch-doxologischen Tradition übernommen hat, ist hier noch nicht zu klären, da der Text selbst kaum Anhaltspunkte zur Interpretation gibt. Es lässt sich lediglich via negationis sagen, dass der Verfasser das Abstraktum basilei,an nicht in das

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in der Übersetzungtradition ebenfalls belegte Konkretum basilei/j verwandelt, um es an i``erei/j anzugleichen. Während somit in der Johannesapokalypse die Glaubenden zum ersten Mal im Neuen Testament als Einzelne metaphorisch als Priester angesprochen werden, geschieht dies nicht mit dem Königstitel. Von einer aktiven mittlerischen oder missionarischen Funktion der als Priester Titulierten ist in Apk 1,6 nicht die Rede. Vielmehr legt der Kontext eher eine passive Rolle der als Priester Angesprochenen nahe und durch den dativus commodi tw|/ qew|/ scheint auch hier das Verhältnis der Unmittelbarkeit und Zugehörigkeit zu Gott im Vordergrund zu stehen. Erst die Zitierung der Formulierung in Apk 5,9f. bringt mehr Licht in das Rätsel. Der Verfasser nimmt hier die ihm in der Doxologie von Apk 1,5b-6 überlieferte Formulierung im Rahmen des „neuen Liedes“ wieder auf und bestimmt das dort noch unklare Verhältnis der beiden Begriffe durch die Einfügung der Konjunktion kai, im Sinne von zwei unabhängig voneinander zu verstehenden Privilegien. Durch die Ergänzung des koordinierten Satzes basileu,sousin evpi. th/j gh/j verknüpft der Verfasser die ihm überlieferte, auf die Exodusformel zurückgehende Tradition von der Einsetzung der Glaubenden als Königreich und Priester mit der möglicherweise auf Jesus selbst zurückgehenden Tradition von der endzeitlichen „Herrschaft der Heiligen“ (Röm 5,17; 2Tim 2,12; vgl. Mt 19,28/Lk 22,30; 1Kor 6,2). Damit wird den Priestern für die eschatologische Zukunft eine herrschende Funktion bei der Herrschaft Gottes im Rahmen seines Königreiches „auf der Erde“ zugesprochen. Von dieser zukünftigen, aktiven Herrschaft der Glaubenden (V. 10b) unterscheidet der Verfasser ihre bereits gegenwärtige basilei,a-Identität (V. 10a), was für den Begriff in 5,10a wie schon in 1,6 ein kollektivspatiales Verständnis im Sinne von „Königreich“ bzw. „Machtbereich“ nahelegt und die gegenwärtige Gemeinde als passiven Herrschaftsraum Christi charakterisiert, in dem seine Herrschaft bereits in der Gegenwart erkannt und anerkannt wird. Auch in Apk 5,9f. wird den Priestern keine kultische Funktion zugewiesen und umgekehrt verrichten die Glaubenden alle gottesdienstlichen Handlungen in der Johannesapokalypse nicht als Priester. Folglich scheint auch in Apk 5,9f. die Metapher keine funktionale, sondern eine relationsontologische Bedeutung zu haben. Die einzige den Priestern zugewiesene Funktion des Herrschens ist dagegen ganz und gar unkultisch und hat kein Vorbild in der atl.-jüdischen Tradition und Geschichte. Das Motiv der herrschenden Priester muss damit auf die Verknüpfung der beiden Traditionen der Exodusformel und der „Herrschaft der Heiligen“ durch den Verfasser zurückgeführt werden.

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Beim dritten Beleg der Priestermetapher ist der Bezug zur Exodusformel nicht mehr so eindeutig, wie bei den beiden vorigen Belegen, aber dennoch gegeben. Apk 20,6 beschreibt die Mitherrschaft der auferstandenen Märtyrer der Endzeit mit Christus im Rahmen des Millenniums, das in der Konzeption der Johannesapokalypse als ein literal-realistisches und chronologisch-futurisches Zwischenreich nach der Parusie Christi und vor dem neuen Jerusalem zu verstehen ist und textlogisch und traditionsgeschichtlich als ein irdisches Reich Christi unter irdischen Bedingungen dargestellt wird. Hier erfahren die vom Tode erweckten Märtyrer nicht nur ihre göttliche Rechtfertigung und Rehabilitation, sondern ihnen wird als „Priester für Gott und Christus“ die aktive Mitherrschaft übertragen. Dass auch alle anderen Glaubenden, die nicht das Martyrium erlitten haben oder vorher gestorben sind, eine Rolle im Millennium haben, geht aus den Versen nicht hervor und kann allenfalls auf der Grundlage von „Indizien“ angenommen werden. Aufgrund der fehlenden Erwähnung von Beherrschten ist diese Herrschaft jedoch kein Regierungsakt über Unterworfene. Sie hat keinen knechtenden oder unterdrückenden Charakter, sondern ist möglicherweise als ein Ausdruck der Befreiung von der satanischen, antichristlichen Herrschaft bzw. der restituierten Würde und Ehre, die den Märtyrern genommen wurde, zu verstehen. Sie wäre damit ein Gegenbegriff zum Leiden im Sinne eines „Nicht-mehr-beherrscht-Werdens“ (durch die antigöttliche Herrschaft des Drachens und des Tieres). Vor diesem Hintergrund kann die objektlose Herrschaft als Inbegriff des eschatologischen Heils (Apk 20,6; vgl. 22,5) gedeutet werden. Gleichzeitig ist diese Herrschaft vor dem Hintergrund von Gen 1,26–28 auch ein Ausdruck restituierten Menschseins. Auf dem Hintergrund des priesterlichen Status des heiligen und idealen Repräsentanten des Volkes vor Gott, der durch den Prozess der Heiligung zur paradiesischen Integrität und Vollkommenheit restituiert worden ist, erscheinen die priesterlichen Märtyrer in Apk 20,6 in einem paradiesisch-adamitischen Licht: Durch die Herrschaftsfunktion, welche die erste dem Menschen als Ebenbild Gottes zugewiesene Funktion in Gen 1,26 war, nun die einzige den „Priestern für Gott und Christus“ zugewiesene Funktion im Millennium ist, und nach Apk 22,5 die letzte dem vollendeten Menschen im Eschaton verheißene Funktion sein wird, erfüllt der eschatologisch restituierte Priester-Mensch im Millennium und in der Vollendung die protologische Rolle und Funktion des adamitischen Menschen in der Schöpfung. Die Verwendung der Priestermetapher erfolgt in der Johannesapokalypse auf dem Hintergrund der Frage, welche Menschen geeignet sind, um zum einen schon jetzt in der antigöttlich beherrschten Gegenwart als Herrschaftsraum Gottes zu dienen und zum anderen in der endzeitlichen Durchsetzung der Herrschaft Gottes und des Lammes zu aktiven Teilhabern die-

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ser Herrschaft zu werden. Die Antwort des Sehers erfolgt mit Hilfe der Exodusformel: Es ist der priesterliche Mensch, der in der räumlich vorgestellten Unmittelbarkeit und Zugehörigkeit zu sowie Heiligkeit und Integrität vor Gott lebt, was ihn zu einem idealen, gottgemäßen Menschen werden lässt. Diese Identität befähigt ihn, an einer idealen, eschatologischen Herrschaft mitzuwirken, die in einer Entsprechung zum protologischen Herrschen des paradiesischen Menschen steht. Anders jedoch als bei den levitischen Priestern ist den Glaubenden dieser Status nicht mehr nur für die Zeit ihres Dienstes im Präsenzbereich Gottes verliehen, sondern dauerhaft. Wie im 1. Petrusbrief ist somit auch hier die Priestermetapher kein Funktions-, sondern ein Verhältnisbegriff, der die nunmehr auch sichtbar gewordene Unmittelbarkeit und Zugehörigkeit der Glaubenden zu Gott zum Ausdruck bringt. Die Priestermetapher ist in der Johannesapokalypse auch Teil einer eschatologischen Konzeption. Sie charakterisiert das Gottesverhältnis der Gemeinde als die Zugehörigkeit zum Raum der heiligen Präsenz Gottes unter den Bedingungen der noch nicht endgültig vollendeten Welt. Dies erklärt, warum der Seher mit theologischer Sachnotwendigkeit in dem Moment auf die Metapher verzichtet, in dem in einem neuen Himmel und auf einer neuen Erde die im Kult angestrebte und eschatologisch erhoffte unmittelbare Gemeinschaft mit Gott zu einer sichtbaren Wirklichkeit geworden ist (Apk 21,3f.). Denn nun ist eine weitere Unterscheidung zwischen heiligen Priestern und unreinen Nicht-Priestern sinnlos und damit obsolet geworden. Vielmehr vereint nun Gott alle seine Knechte zu einer ewigen Herrschaft (Apk 22,3–5). Noch intensiver als Paulus und der Autor des 1. Petrusbriefes beschreibt der Verfasser der Johannesapokalypse die eschatologische und vollendete Wirklichkeit im neuen Jerusalem (Apk 21f.) fast durchweg mit kultischer Terminologie. Somit dient ihm die Kultmetaphorik nicht nur zur Beschreibung des gegenwärtigen, sondern v.a. zur sprachschöpferischen Entfaltung des endzeitlichen Heils der Glaubenden in der vollendeten Gemeinschaft mit Gott und dem Lamm. (12) Es lässt sich nicht mehr klären, ob es ein Zufall ist, dass die Priester(schafts)metapher exakt in den beiden ntl. Schriften auftaucht, die wie keine anderen von der Bedrängnis, den Repressionen und den Verfolgungen geprägt sind, die ihre Adressaten in Kleinasien zu erleiden haben. Aufgrund des Schweigens der übrigen Quellen kann dieses argumentum e silentio nur mit höchster Vorsicht im Sinne einer „Erwägung“ behandelt werden. Es fällt aber doch auf, dass sowohl i``era,teuma in 1Petr 2,5.9 als auch i``erei,j in Apk 1,6; 5,10 und 20,6 in einem Bezug zur bedrängten Situation der adressierten Gemeinden stehen. Im 1. Petrusbrief geht es bei der Verwendung des Begriffs um die Stiftung eines aristokratischen Selbst-

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und Standesbewusstseins bei den eingeschüchterten Gemeinden, die aufgrund des zugesprochenen Status der Gottunmittelbarkeit, -gemäßheit und -zugehörigkeit ermutigt und in ihrem Leiden getröstet werden sollen. In der Johannesapokalypse geht es um die Zusage, dass die Glaubenden als priesterliche Menschen bereits in der Gegenwart den Herrschafts- und Machtbereich Christi darstellen und in der endzeitlichen Zukunft aktiv zur Mitherrschaft mit Christus berufen sind. Die Trostkraft dieses Zuspruchs und dieser Reflexion ist in einer Zeit, in der die Prominenz und der Glanz von Priestern und Priesterschaften der Vergangenheit angehört, nur schwer zu ermessen. Für die ersten Leser der beiden Schriften muss die Wirkung überwältigend gewesen sein. 1.3 Allgemeines Priestertum? (1) Eine Ausgangsfrage dieser Untersuchung war, inwiefern der anachronistisch an das Neue Testament herangetragene Begriff des Allgemeinen Priestertums einen sachgemäßen Anhaltspunkt in den biblischen Texten hat. Es hat sich dabei gezeigt, dass sich nur einzelne Aspekte des Begriffs von den Texten aus 1Petr 2,4–10 und Apk 1,6; 5,10 und 20,6 ableiten lassen, das theologie- und kirchengeschichtlich relevant gewordene Theologumenon jedoch insgesamt wenig mit diesen Texten und den ntl. Priestermetaphern zu tun hat und sachlich von anderen ntl. Zusammenhängen her begründet werden muss. Die antik-jüdischen und -christlichen Fragestellungen und Entwicklungen, die im 1. Petrusbrief und in der Johannesapokalypse zur Applikation des Priester(schafts)titels auf die Gemeinde bzw. alle Glaubenden führten, waren völlig andere als jene der frühen Kirche oder der Reformationszeit. (2) In der hellenistisch-römischen Welt lässt sich höchstens von einer „Priesterfähigkeit der vielen“, aber nicht von einem Allgemeinen Priestertum sprechen. In den griechischen Städten war zwar häufig ein Großteil der erwachsenen Bürger zur Übernahme eines Priesteramtes legitimiert, aber das Amt wurde in jeder Amtszeit doch immer nur einer Person oder einer kleinen Gruppe übertragen. (3) Im Alten Testament ragt die Exodusformel in Ex 19,5f. wie ein erratischer Block sowohl aus der gesamten atl. Überlieferung als auch aus der hereditär und levitisch bzw. aaronidisch bestimmten Priesterkonzeption heraus. Die Untersuchung hat aber gezeigt, dass auch hier der anachronistische Begriff eines Allgemeinen Priestertums das Selbstverständnis der Exodusformel eher verstellt als erhellt. Es geht in diesen Versen um die Zusage einer Sonderstellung Israels zu Jahwe, der diesem Volk im Unterschied zu allen anderen Völkern ein exklusives Stiftungs- bzw. Patronatsverhältnis der Unmittelbarkeit, Zugehörigkeit zu sich selbst und der Heiligkeit vor sich selbst gewährt. Priesterliche Funktionen Israels gegenüber

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der umliegenden Völkerwelt, seien sie mediativer oder missionarischer Natur, sind dabei nicht im Blick. Es geht vielmehr ausschließlich um die Charakterisierung des Binnenverhältnisses Israels zu Jahwe. In Jes 66,21 wird in einem eschatologischen Horizont angekündigt, dass Jahwe auch aus den Heidenvölkern einige zu Priestern und Leviten nehmen will, womit die Grenzen des hereditär, genealogisch und ethnisch verfassten jüdischen Priestertums gesprengt werden. Insofern hat dieser Beleg vielleicht die größte Nähe zum reformatorischen Theologumenon des Allgemeinen Priestertums. Allerdings bleibt auch diese Stelle im Alten Testament singulär und findet in der Literatur der Epoche des zweiten Tempels keine Aufnahme. (4) Das frühjüdische Leiden an und Ringen mit dem als unzulänglich empfundenen Jerusalemer Priestertum und seiner Kultpraxis brachte zwar vielfältige Kompensations- und Substitutionsbemühungen hervor, blieb aber immer im Rahmen der auf göttlicher Verfügung beruhenden, ethnischen und hereditären Begrenzungen des Priestertums. Ein Allgemeines Priestertum jenseits der aaronidischen bzw. levitischen oder gar jüdischen Grenzen war, abgesehen von Jes 66,21, für nahezu alle uns erhaltenen jüdischen Stimmen und Gruppen jener Zeit undenkbar. Wir finden zwar in der priesterlichen Levi-Tradition zögerliche Ansätze einer Ausweitung priesterlichen Seins auf die Erzväter Israels, ja sogar auf Noah und Adam, in CD 3,19–4,4 und einigen weiteren Belegen in den Qumranschriften eine priesterliche Charakterisierung des ganzen yaḥad, und im Pharisäismus das Bemühen, die Standards priesterlicher Heiligkeit in abgestufter Form auf das gesamte Volk zu übertragen, aber mit einem Allgemeinen Priestertum hat das nicht im Entferntesten etwas zu tun. (5) Eine Ausnahme bildet lediglich die Theologie Philos von Alexandrien. Mit Hilfe seiner allegorischen und spiritualisierenden Interpretation der Tora gelingt es ihm, ganz Israel eine priesterliche Funktion für die Völkerwelt, ja letztlich für die gesamte Menschheit zuzuschreiben und es in dieser Rolle auch zum Archetypus für das levitische Priestertum und das Hohepriestertum zu stilisieren. Doch nicht nur Israel im Sinne einer ethnischen Größe in Relation zur Völkerwelt, sondern auch jeden einzelnen Juden kann Philo aufgrund seiner Legitimation zum Passaopfer als Priester bezeichnen. Zum selben Ergebnis kommt Philo auch durch die Umkehrung des Repräsentationsmotivs: Wenn die Priester die reinen Repräsentanten des Volkes vor Gott sind, dann kann auch der Einzelne, wenn er rein ist, Priester sein. Freilich hat Philo bei diesen Denkfiguren nicht das Interesse, die hereditär verfasste Jerusalemer Priesterschaft in Frage zu stellen, sondern es geht ihm um die hermeneutische und toragemäße Begründung und Ermöglichung eines geistigen und damit vollkommenen Gottesdienstes der Seele.

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(6) Die Voraussetzungen für eine Applikation des Priestertitels nicht nur auf jüdische Nicht-Priester, sondern auch auf Heiden, finden sich in den Briefen des Apostels Paulus in den 50er Jahren des 1. Jh. n.Chr. Wenn Paulus im Einklang mit der frühesten Jerusalemer Gemeinde Jesus als den eschatologischen Kult- und Sühneort vorstellt, an dem Gott selbst für alle an Jesus glaubenden Juden und Heiden zugänglich wird (Röm 3,25), und denselben Juden- und Heidenchristen priesterliche Zutrittsrechte zum Raum der heiligen Präsenz Gottes und damit eine „Kultfähigkeit höherer Ordnung“ zuspricht (Röm 5,1f.), dann sind damit die theologischen Grundlagen für die Applikation des metaphorisierten Priestertitels auf die Gemeinde bzw. die Glaubenden im 1. Petrusbrief und der Johannesapokalypse gelegt, auch wenn Paulus diesen Schritt selbst nie vollzieht. (7) Sowohl der 1. Petrusbrief als auch die Johannesapokalypse bleiben in dem von der Exodusformel gesteckten Rahmen. Beide verwenden die Priestermetapher zur Beschreibung des exklusiven und damit auch gegenüber der feindlichen Umwelt kontrastierenden Verhältnisses der Gemeinde bzw. der Glaubenden zu Gott, das durch die Eigenschaften der Unmittelbarkeit, Entsprechung und Zugehörigkeit zu und der Heiligkeit und Integrität vor Gott geprägt ist. Funktionen des levitischen Priestertums, die z.B. bei Paulus in Röm 15,16; Phil 2,17 und 4,18 als metaphorische Bildspender dienen, kommen weder im 1. Petrusbrief noch in der Johannesapokalypse in den Blick. Lediglich im Binnenverhältnis zu Gott hat die Gemeinde die Aufgabe, „geistliche Opfer“ zu bringen und Gott für seine Wohltaten zu preisen (1Petr 2,5.9). So sehr die Gemeinde im 1. Petrusbrief einen missionarischen Auftrag hat (vgl. 1Petr 2,12; 3,15), so wenig kann jedoch von einer missionarischen, geschweige denn mediativen Funktion der glaubenden Priester(schaft) gegenüber der Mitwelt die Rede sein. Während die Zuschreibung des Priestertitels den Adressaten des 1. Petrusbriefes eine aristokratische Identität inmitten einer ihnen feindlich begegnenden Umwelt verleiht, die sie ermutigen soll, als die zu Gott Gehörenden ihr Leben nun als „Fremdlinge“ in der vormaligen Heimat leidend zu ertragen, qualifiziert der Priestertitel die Adressaten der Johannesapokalyse als ideale, gottgemäße Menschen zur eschatologischen Mitherrschaft bereits im Millennium (Apk 20,6) und letztlich auch im Eschaton des neuen Jerusalem (Apk 22,5). Durch den Priestertitel werden sie als paradiesisch restituierte Menschen vorgestellt, die durch ihr Herrschen der protologischen Bestimmung des Menschen eschatologisch entsprechen. Von einer wie auch immer gearteten mediativen oder missionarischen Funktion nach dem Vorbild des levitischen Priestertums kann auch hier wie schon in 1Petr 2,4–10 keine Rede sein. (8) Die theologiegeschichtlich zu späterer Zeit virulent gewordene und bis in die Gegenwart hinein diskutierte Frage, wer in einer Kirche bzw.

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Gemeinde unter welchen Voraussetzungen zur Übernahme bestimmter Ämter und Funktionen legitimiert ist, kommt bei keinem einzigen der genannten Belege in den Blick.3 Die Frage nach einem exegetischen Anhaltspunkt des Theologumenons vom Allgemeinen Priestertum muss im Blick auf die behandelten Texte negativ beantwortet werden. Damit ist freilich noch nichts über die ntl. Sachgemäßheit dieses Theologumenons gesagt. Deutlich wurde lediglich, dass die Begründung mit den Texten aus 1Petr 2,4–10; Apk 1,6; 5,10 und 20,6 einer näheren Prüfung nicht standhält.

2 Ausblick 2 Ausblick

Die Lehrfigur des Allgemeinen Priestertums erlangte ihre Prominenz nicht aufgrund einer breiten atl. oder ntl. Bezeugung. Diese ist, wie in den vorigen Kapiteln deutlich wurde, eher gering und alles andere als zentral. Es war vielmehr die fulminante theologische Wirkungsgeschichte dieser wenigen Belege, die dieses Thema zu einem bedeutenden Lehrstück christlicher Theologie werden ließ. Aus diesem Grund soll abschließend noch ein kurzer Blick auf diese Wirkungsgeschichte der behandelten Texte geworfen werden. Dies kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht in enzyklopädischer Breite geschehen, sondern nur fokussiert auf die wesentlichen dogmatischen und theologiegeschichtlichen Entwicklungen in der Alten Kirche und der Reformationszeit, verbunden mit einer kurzen Skizze der neueren protestantischen Lehrentwicklung und -diskussion im deutschsprachigen Raum. In einer theologiegeschichtlichen Darstellung ist es nahezu unmöglich, die Sachverhalte aus einer überkonfessionellen Perspektive zu beschreiben, zumal die Thematik des Allgemeinen Priestertums auch ein zentraler Streitpunkt im interkonfessionellen Diskurs war und ist. Da die gesamte Studie als ein wissenschaftlicher Beitrag zu einer spezifisch protestantischen Diskussion verstanden werden will, ist die konfessionelle Nuancierung dem Verfasser durchaus bewusst und auch beabsichtigt. 2.1 Die „Israelisierung“ der Alten Kirche In der nachapostolischen Zeit entwickelte sich im Kontrast zum relationsontologischen Verständnis des Priesterbegriffs sowohl in Ex 19,6 als auch in 1Petr 2,5.9 und Apk 1,6; 5,10; 20,6 eine funktionale Interpretation. Bereits am Ende des 2. Jh. n.Chr. wird mit dem Priestertitel in Analogie zum 3

Zu Recht urteilt W ILCKENS, Kirchliches Amt, 28: „Die beiden Kardinalstellen, die traditionell als Belege für die Schriftgrundlage der Lehre vom ‚Priestertum aller Gläubigen‘ angeführt werden: 1 Petr 2,5.9f. und Offb 1,6; 5,10, tragen dazu nichts aus“ (kursiv bei W.).

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levitischen Priestertum eine bestimmte kirchliche Funktion und bald auch ein bestimmtes (hierarchisches) Amt innerhalb der Gemeinde verbunden, was so im Neuen Testament noch kein Vorbild hat.4 Zwar überträgt bereits der Hebräerbrief die (Hohe)Priestertitulatur auf den Nicht-Leviten Jesus, nachdem er in der Gestalt Melchisedeks einen typologischen Anknüpfungspunkt gefunden hat. Er verfolgt damit jedoch das Ziel, die atl. Priesterinstitution christologisch zu transformieren und zu personalisieren. Das Priestertum nach der Ordnung Levis wird vom Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks überboten und abgelöst. Dasselbe geschieht mit den Opfern der levitischen Priester durch das ein für allemal geschehene und gültige Opfer Christi. Konsequenter Weise wird deshalb im Hebräerbrief vom Hohepriestertum Christi auch kein Priestertum der Gemeindeglieder oder ein priesterliches Amtsverständnis abgeleitet.5 Die aaronidischen und levitischen Kategorien werden hier nicht mehr aufgenommen. Dagegen setzten gegen Ende des 2. Jh. verschiedene Entwicklungen ein, die schließlich im 4. Jh. zur Ausbildung eines dreigegliederten, hierarchischen Amtes mit kultischen Funktionen und priesterlichem Charakter und Titel führten.6 Zu dieser „Israelisierung der Kirche“ zählt die Ausbildung des Opfercharakters der Eucharistie und die sog. „Templisierung“ der christlichen Gottesdiensträume. Der entscheidende Schritt zur Ausbildung eines funktionalen „Amtspriestertums“ ereignete sich durch die schleichende Kategorisierung des christlichen Gottesdienstes und v.a. des Herrenmahles durch die atl. Kultund Opferterminologie7 und das damit einhergehende und wachsende Ver4

Vgl. hierzu SÄNGER, Kultisches Amt, 619–657; DERS., Art. Priester/Priestertum I/4, 396–400, und HASITSCHKA, Bedeutung, 26. Die paulinische Applikation levitischer Kategorien auf seinen apostolischen Dienst, vgl. Röm 15,16; Phil 2,17; 4,18, stellt ebenso eine Metaphorisierung dar, wie es bei der übrigen Verwendung kultischer Terminologie im Neuen Testament der Fall ist. 5 Es findet sich im Hebräerbrief allerdings die Applikation derselben metaphorischen Kultbegriffe und -handlungen auf die Gemeinde wie bei Paulus und im 1. Petrusbrief: Die Gemeinde ist geheiligt durch das Opfer Jesu, Hebr 10,10.14; vgl. 1Kor 1,2.30; 6,11; 1Petr 1,2.15f. u.ö. Sie hat aufgrund des Blutes Jesu den Freimut zum Eingang in das Heiligtum (th.n ei;sodon tw/n a``gi,wn), Hebr 10,19, vgl. Röm 5,2; Eph 2,18. Sie soll durch den Vorhang (katapeta,sma) im Glauben (evn plhrofori,a| pi,stewj) hinzutreten (prosercw,meqa), Hebr 10,20–22, vgl. Mk 15,38par; Röm 5,2; 1Petr 2,4, und schließlich soll sie das „Opfer des Lobes“ „darbringen“ (avnafe,rwmen qusi,a n aivne,sewj), vgl. Röm 12,1; 1Petr 2,5. Insofern spricht der auctor ad Hebraios seinen Adressaten dieselbe priesterliche „Kultfähigkeit höherer Ordnung“ zu, wie es auch Paulus in Röm 5,2 tut. 6 Vgl. hierzu DABIN, Le sacerdoce royal des fidèles dans la tradition ancienne et moderne; LÉCUYER, Essai; CAMPENHAUSEN, Anfänge; NOLL, Priesthood; BULLEY, Priesthood, 51–315. 7 In einem neueren Beitrag zeigt R. Messner, Dimension, 240, dass die Begründung des Amtspriestertums in den frühesten Ordinationsgebeten der Alten Kirche nicht vom

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ständnis des Herrenmahls als eines Opfers, das die Kirche Gott darzubringen habe.8 Diese Interpretation zog zwar langsam, aber doch stetig auch eine Veränderung des Amtsverständnisses nach sich. Zwar wird bis zum letzten Viertel des 2. Jh. noch kein Gemeindeleiter als i``ereu,j oder sacerdos bezeichnet,9 und auch die Mahlfeiern werden noch ganz selbstverständlich von presbu,teroi und evpi,skopoi geleitet, aber es finden sich im christlichen Schrifttum bereits zahlreiche terminologische Unschärfen sowie typologische und metaphorische Vergleiche, welche der späteren Entwicklung den Weg bereiten.10 Soweit wir erkennen können, werden zum ersten Mal in den Schriften Tertullians zu Beginn des 3. Jh. Kirchen- und Gemeindeleiter als sacerdotes und episcopi bezeichnet.11 So nimmt es später bestimmenden Gedanken der Anteilhabe am Hohepriestertum Christi erfolgte, sondern direkt aus dem atl.-levitischen Hohepriestertum Israels. Die Ableitung vom Hohepriestertum Christi lässt sich erst bei Johannes Chrysostomos und Theodor von Mopsuestia nachweisen, vgl. a.a.O., 250. 8 Just Dial 117,1f., vgl. 41,3, wo allerdings auch Gebete, Lobpreis und Danksagung metaphorisch als Opfer bezeichnet werden; vgl. HASITSCHKA, Bedeutung, 21. Zu einer Applikation der Opferterminologie auf die Eucharistie kommt es dann spätestens bei Tertullian, vgl. Praesc 40,4; Or 19,1–4; Cult fem 2,11,2; sowie H ASITSCHKA, Bedeutung, 23, und B ULLEY, Priesthood, 139: „The idea of sacrifice was thus vital in this development. Beginning and continuing throughout the second century with a strong rejection of literal sacrifice, both Jewish and pagan, it was understood and applied to Christian sacrifice, again largely in terms of the OT and of the early Christians’ reinterpretation of it, in the areas of worship (including the eucharist), self-denial and martyrdom, and returning gifts to God.“ 9 BRADSHAW, Art. Priester/Priestertum III/1, 414. 10 Bereits in 1Clem 40,2–5 ist von Opfern und Gottesdiensten die Rede, die vollzogen werden müssten (prosfora.j kai. leitourgi,aj evpitelei/sqai), von einem dreigeteilten, hierarchischen Amt, das in Analogie zum Hohepriester, Priester und Leviten ausgeübt werden müsse und schließlich zum ersten Mal von Laien (laikoi,). In 1Clem 44,4 werden die Bischöfe als solche charakterisiert, die für die gesamte Gemeinde die Opfer darbrachten. In Did 13,3 werden reisende Gemeindepropheten als „eure Hohepriester“ (avrcierei/j u``mw/n) und in Did 14 werden Brotbrechen und Danksagung mit Berufung auf Mal 1,11.14 als qusi,a bezeichnet; vgl. HASITSCHKA, Bedeutung, 18–20. Schließlich ist in den Apostolischen Traditionen zu Beginn des 3. Jh. ein Ordinationsgebet aus der Kirchenordnung von Hippolyt von Rom überliefert, in dem der Bischof als Hohepriester bezeichnet wird, der (in der Eucharistie?) Gottes Geduld besänftigt und die Gabe der Kirche opfert: „Vater, du kennst die Herzen aller. Gestatte dies deinem Knecht, den du berufen hast zum Episkopat, deine heilige Herde zu weiden und dir als dein Hohepriester zu dienen, dass er dir tadellos diene bei Nacht und Tag, dass er unentwegt bewahre und besänftige deine Geduld und dir opfere die Gabe deiner heiligen Kirche“ (Trad Apost 3); vgl. HASITSCHKA, Bedeutung, 23f. 11 In Bapt 17,1 spricht Tertullian vom Bischof als dem „Hohepriester“ (summus sacerdos); vgl. auch Pud 21,17. In Praesc 41,8 erwähnt Tertullian, dass die Häretiker dem Bischof, Diakon und dem Priester „priesterliche Funktionen“ zuweisen, wobei unklar bleibt, ob Tertullian diese Praxis kritisiert, oder sie auch für seine Gemeinden für selbstverständlich hält. In Virg vel 9,2 betont Tertullian, dass das „priesterliche Amt“ für

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nicht Wunder, dass sich in der Folge etwa ab der Mitte des 3. Jh. an unterschiedlichen geographischen und kulturellen Orten zunächst Bischöfe, später auch Presbyter finden, die als i``erei/j oder sacerdotes bezeichnet werden.12 Zwar lässt sich immer noch ein Bewusstsein erkennen, dass es sich bei diesen Titeln um metaphorische und abgeleitete Bezeichnungen handelt,13 doch die den Begriffen inhärente Dynamik gewann bald die Oberhand über die metaphorische Verwendung. Mit der konsequenten Christianisierung der priesterlich-levitischen Terminologie ging somit die Wiedereinführung kultischer Riten und Institutionen sowie eine „Israelisierung“ der Alten Kirche einher: „Tempel, Opfer, Priestertum waren über die Macht des Wortes, des Bildes und der Vorstellung in unterschiedlichen Formen und Maßen in die Liturgie beider Religionen [sc. des Judentums und des Christentums] zurückgekehrt.“14 Das Priestertum der Christen wird anders als in 1Petr 2,5.9 und Apk 1,6; 5,10 und 20,6 nicht mehr aus der Metaphorisierung der „nicht-levitischen“ Exodusformel in Ex 19,6 abgeleitet, sondern von nun an direkt vom levitischen Priestertum.15 Ein wesentlicher Faktor dieser Entwicklung war der hermeneutische Umgang mit dem Alten Testament. Während das Neue Testament die in der Sendung Jesu Christi und der Berufung der Gemeinde aus Juden und Heiden neu offenbarte Wirklichkeit u.a. durch die Metaphorisierung der atl. Kultbegriffe konzeptualisierte und damit bei aller Anknüpfung an und Kontinuität zum Alten Testament die Neuheit dieser Wirklichkeit artikulieren und betonen konnte, dominiert ab der Mitte des 2. Jh. ein hermeneutisches Verständnis des Alten Testaments, welches stärker analogisch und

Frauen nicht zugänglich ist, was impliziert, dass er von einem auf bestimmte Männer begrenzten Amt ausgeht. Von zwei unterschiedlichen Priestertümern, einem allgemeinen und einem besonderen, könnte auch in Mon 12,2 die Rede sein. Nach Exh cast 7,3f. scheint für Tertullian das besondere Priestertum v.a. im Taufen und im Darbringen von Opfern zu bestehen, vgl. auch Bapt 17,1. B ULLEY, Priesthood, 75: „[T]he fact that Tertullian makes such priestly references to the bishop and the clergy so infrequently … and without any apparent need to justify that usage suggests that it was well established in the North African church in Tertullian’s day.“ 12 Vgl. Orig Hom 5 in Lev 8; Hom 2 in Jos 1; Hom in Exod 11,6; Hom in Lev 6,6; Or 28,9f. [GCS VII p. 296, 20–24], sowie Cyprian Ep 1,1,1; 40,1,1; 61,3,1; 63,14; 67,4,3, über den B ULLEY, Priesthood, 135, urteilt: „[T]he fullest development of the special priesthood up to AD 300 is that of Cyprian. Writing in the years 248–258, he uses ‚priest’ of the bishop especially far more often than any Christian writer before him.“ Auch in der syr. Didascalia Apostolorum, 2,26,4, wird der Bischof explizit als „levitischer Hohepriester“ bezeichnet, jedoch in einem Kontext, der unklar lässt, ob es sich dabei um einen kultischen Status handelt. 13 So auch noch bei Tert Bapt 17,1. 14 STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, 278. 15 Vgl. Just Dial 116,3; Iren Haer 4,8,3; 5,34,3; Orig Hom in Lev 9,9 und 13,5.

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typologisch denkt.16 Diese Hermeneutik ermöglichte es der Gemeinde, sich anhand atl. Kategorien zu restrukturieren und sich damit zum einen homogener in ihrer durchgängig kultisch konstituierten paganen Umwelt zu verorten und sich zum anderen gegen die christlichen und zum Teil antijüdischen Häresien eines Marcion und der Gnosis zu wehren. Das Priestertum der Getauften ist von nun an Antitypos, Überbietung und Vollendung des levitischen Priestertums,17 auch wenn die funktionale Konzeption über dieses hinaus ging und selbstverständlich auch alle Funktionen des christlichen Gottesdienstes mit umfasste. In diesem Trend lag es nahe, auch den Gottesdienst und das gottesdienstliche Gebäude einer solchen „Israelisierung“ zu unterziehen und Elemente des atl. Kultes zu integrieren. „Tempel verachten sie, als ob es Gräber wären“ und sie schauen „mitleidig auf unsere Priester herab“, so ließ noch um die Jahrhundertwende vom 2. zum 3. Jh. der christliche Apologet Minucius Felix in seinem Octavius den Heiden Caecilius klagen.18 Doch mit dem Verständnis der Eucharistie und des Gebets als Opfer kehrten auch in den christlichen Gottesdienst wieder zahlreiche Kategorien des Tempelkultes ein: „Weder der jüdische noch der christliche Kult sollten es schließlich schaffen, Tempel oder Opfer völlig zu entmachten. […] Ein Verständnis der Eucharistie und des Gebets als Opfer öffnet dann die Türen, durch die sich viele andere Kategorien des Tempelkultes wieder einschleichen, speziell mit der Imperialisierung des Christentums.“19 Dieser Vorgang, den S. Fine als „Templisierung“ bezeichnet,20 vollzog sich auffallender Weise parallel zur Entwicklung des synagogalen Wortgottesdienstes nach der Tempelzerstörung.21 Während es in der Synagoge jedoch v.a. das Gebäude22 und die Gebete waren, auf die Kategorien 16

Vgl. BULLEY, Priesthood, 137: „In many ways … the development of the special priesthood was a reversion of OT categories of thought.“ 17 Belege bei RYAN, Patristic Teaching, 30–32.34f. Eine besondere Rolle spielte in diesem Zusammenhang die äußere Analogie zwischen Taufe und (Priester)Salbung. Zum ersten Mal ist die Deutung der Taufsalbung im Sinne einer atl. Priestersalbung bei Tertullian, Bapt 7, belegt und wird später von Cyrill von Jerusalem aufgenommen. Eine andere Begründungslinie vergleicht die (leibliche) Abstammungslinie der Söhne Aarons von Aaron mit der (geistlichen) Abstammungslinie der Christen von Christus. Dieser im Neuen Testament noch völlig abwesende Vergleich wurde v.a. von Augustin immer wieder herangezogen, vgl. PL 35,1355; 36,199–200.601; 39,1735; 41,676; vgl. auch Ambrosius, PL 22,681A. 18 Min Fel Oct 8,4. 19 STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, 232. 20 FINE, Holy Place; vgl. auch STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, passim. 21 Vgl. STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, 232ff. 22 So wird in mMeg 3,3 die Synagoge für den Fall ihrer Zerstörung dem Tempel gleichgestellt und das einmal konsekrierte Land, auf dem sie stand, bleibt heilig. Neue Synagogen werden in Anlehnung an Num 3,38 „geostet“, vgl. tMeg 3,22, d.h. die Türen werden analog zur Tempeltür nach Osten hin ausgerichtet. Andere Synagogen wurden nach Jerusalem hin ausgerichtet. Ferner fand nach STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, 250, eine imitatio Templi statt: „Die Templisierung versah die Synagoge mit Heiligkeit und ihre Liturgie mit Legitimität“, a.a.O., 263. Ziel war es jedoch nie, den zerstörten

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des Tempels übertragen wurden, und den levitischen Priestern nur wenige Elemente, wie z.B. die Spende des Segens (Num 6,24–26), vorbehalten blieben, ihre im Kontext des Tempels gültigen Rechte dagegen nicht prolongiert wurden,23 vollzog sich der Prozess in den christlichen Gemeinden viel tiefgreifender. Ausgangspunkt war auch hier die beschriebene, nach und nach vollzogene Deutung der Eucharistie als Opfer der Kirche für Gott. Dem Trend zum Verständnis des Abendmahls als Opfer folgte konsequenter Weise ein Trend zur Templisierung gottesdienstlicher Gebäude. Der Baustil wird somit auch im jungen Christentum schon früh als eine Funktion der Theologie begriffen.24 Porphyrius (oder einer seiner Schüler) beklagt, dass die Christen gewaltige Häuser bauen, mit denen sie die Tempel imitieren würden, wo doch ihr Kult eigentlich in Privathäuser gehöre.25 Diese Templisierung setzt sich auch bei der Applikation der Tempelterminologie beim Bau von Kirchengebäuden fort26 und ab dem 4. Jh. vollzieht sich mit der imperialen Ausbreitung die vollständige Christianisierung des Tempels und eine Templisierung des christlichen Gottesdienstes. In der Folge werden die Eingangsportale christlicher Bauten „geostet“, der Begriff qusiasth,rion taucht als Begriff für den bis dato schlichten eucharistischen Tisch auf, den Euseb sogar als das „Allerheiligste“ bezeichnen kann.27 Wenig später werden in Konzilsbeschlüssen die ersten Zutrittsverbote für den Altarraum für Frauen und Laien erlassen.28 Der Gottesdienstraum wurde zum christlichen Tempel und zur Kultstätte nach atl.-jüdischem Vorbild. Der Prozess der Israelisierung fand seinen kirchenbaulichen Ausdruck in einer dem jüdischen Tempel analogen Raumordnung.

Ein nicht unwesentliches Motiv dieser Entwicklung mag auch die christliche Apologetik gewesen sein, die sich gegen den paganen Vorwurf zu wehren hatte, aufgrund des Mangels an Kult, Priestertum, Opfer und Tempel keine rechte religio im antiken Sinne zu sein.29 Diesem Vorwurf hielt z.B. Justin entgegen, dass die Christen sehr wohl ein „hohepriesterliches Geschlecht“ seien, weil Gott nur von Priestern Opfer annehme, welche die Christen im Zuge der Eucharistiefeiern überall darbrächten.30 Der Nachweis der religiösen „Konkurrenzfähigkeit“ in der antiken Welt mag eine Tempel durch die Synagoge zu ersetzen; vgl. hierzu auch BRANHAM, Vicarious Sacrality, und COHEN, Temple, 320f. 23 STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, 241. 24 STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, 267f. 25 Porph AdvChr Fr. 76 (Ed. HARNACK); vgl. auch ROWLAND, Temple, 479. 26 Vgl. Euseb HE 10,4,2–3, sowie STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, 268f. 27 Euseb HE 10,4,44–45; vgl. dagegen die noch relativ allgemeine Formulierung bei Ign Philad 4; Eph 5,2; Trall 7,2. Interessanter Weise ist der Altar das einzige Element, auf das im Zuge der Templisierung in der Synagoge anders als in der Kirche vollständig verzichtet wurde, STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, 271.275. 28 STÖKL-B EN EZRA, Templisierung, 271. 29 Skeptisch dagegen BRADSHAW, Art. Priester/Priestertum III/1, 416f. Er gewichtet die „Bedeutung autoritativer Führung in den Kämpfen der Kirche des 2. Jh. gegen Häresie und Schisma“ stärker und sieht hier den Ausgangspunkt für die hierarchische Entwicklung. 30 Just Dial 116–118. Weder der Priester- noch der Opferbegriff sind bei Justin im kultischen Sinne verengt. Nach wie vor gilt das gesamte Leben des Christen im ntl. Sinn als Opfer, aber der Bezug zum Herrenmahl ist doch hergestellt.

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zunehmende Bedeutung bekommen haben, obwohl noch Origenes im 3. Jh. um die Relativität und den metaphorischen Charakter dieser Terminologie wusste.31 Ab dem 3. Jh. wird dann jedoch eine zunehmende Distanz zwischen dem christlichen Amtsträger und der Gemeinde wahrnehmbar, die alsbald auch mit der priesterlich-levitischen Terminologie begründet und untermauert wurde. In der Didaskalia wird der Bischof als Hohepriester und Levit vorgestellt, „der euch das Wort darreicht und euer Mittler ist; dieser ist der Lehrer und nächst Gott der Vater, der euch durch Wasser wieder zum Leben bringt; dieser ist euer Fürst und Führer, dieser euer machtvoller König. Dieser, der an Gottes Stelle herrscht, werde auch wie Gott von euch geehrt“.32 Bei Cyprian kommt schließlich der Gedanke hinzu, dass der Bischof erst durch die Weihe zum Priester wird, weil ihm dabei ein besonderer Geist des Amtes übertragen werde, der nicht einfach durch den allgemeinen Geistempfang der Gläubigen eingeholt werden könne.33 Dieser durch die Weihe verliehene, unzerstörbare character indelebilis gewinnt wieder vor dem Hintergrund der Sakramentstheologie eine herausragende Bedeutung.34 Denn kraft dieser unaufhebbaren Identität des Priesters bleibt auch die Gültigkeit und Wirksamkeit der Sakramente gewahrt, selbst dann, wenn der Priester dogmatisch und/oder ethisch fehlen oder gar abfallen und den Geist verlieren würde.35 Unter dem Interesse, das sakramental vermittelte Heil zu schützen und für die Laien zu garantieren, wird der Priester dogmatisch in eine große Distanz und ontische Differenz zur Gemeinde gestellt. Cyprian war es auch, der den Gedanken der repraesentatio Christi, der ntl. in Lk 10,16; 2Kor 5,19f. u.ö. anklingt, auf das Bischofsamt übertrug.36 Der Bischof wird damit zum vicarius Christi (vice Christi) insofern er Jesu (Hohe)Priesteramt und Lebenshingabe als sacerdos et victima in der Eucharistie realsymbolisch vergegenwärtigt und damit „repräsentiert“.37 Cyprian trug mit dieser Konstruktion auch dem zunehmenden Bedürfnis nach einer sichtbaren Repräsentanz Christi in Form des Bischofs Rechnung. Durch Weihe, dem mit ihr gegebenen character indelebilis und dem Gedanken der repraesentatio Christi wird der Bischof befähigt, in persona Christi zu handeln. Diese Grundidee der repraesentatio Christi sacerdotis ist seit Cyprian ein bestimmendes Motiv der römisch-katholischen Amtstheologie.38 31

Orig Hom in Lev 9,5. Didasc 2,26,4. 33 CAMPENHAUSEN, Cyprian, 298. 34 Zur Bedeutung der Lehre vom character indelebilis vgl. neuerdings KÖRNER, Sinn. 35 Vgl. hierzu DH 1764.1767.1774. 36 Cyp Ep 63,14. 37 GRESHAKE, Priester [LThK], 566f.; DERS., Priester/Priestertum [TRE], 422–424. 38 GRESHAKE, ebd.; vgl. zum Ganzen PERSSON, Repraesentatio Christi. 32

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Wird somit in der abendländischen Christenheit der auf das Leitungsamt bezogene Priesterbegriff vom Sakramentsverständnis her entworfen,39 steht in der Ostkirche der Aspekt der Vollkommenheit im Mittelpunkt. „Im Osten besteht nämlich die größte Gefahr für den Priester darin, daß er der Heiligkeit des zu vollziehenden Gottesdienstes, der Erde und Himmel umspannt, nicht entspricht. Der Priester muß der heiligste Christ sein, damit er im Chor der Engel dienen kann.“40 Weil er diese ontische Qualität selbst nicht schaffen bzw. erreichen kann, wird ihm die Priesterweihe erteilt, die ihn sowohl ontisch wie ethisch transformiert und ihn zu einem besseren Menschen macht.41 So unterschiedlich die Begründungen auch sein mögen, so nachhaltig führten sie sowohl im Westen wie im Osten zu einer tiefgreifenden Unterscheidung der Gemeinde in Priester und Laien. Diese Zweiteilung wurde schließlich um 1140 im Decretum Gratiani, das von zwei verschiedenen Arten von Christen, ja von zwei Völkern innerhalb der Kirche spricht, kirchenrechtlich festgeschrieben.42 Diese Lehrbildung des Decretum Gratiani wird in den Konstitutionen des Zweiten Vatikanischen Konzils in Lumen Gentium 10 im Wesentlichen bestätigt, wenn Priester und Laien nicht nur funktional, sondern ontologisch differenziert werden: „Essentia et non gradu tantum differant.“43 Allerdings macht Pannenberg an dieser Stelle 39 Auch GOERTZ/HÄRLE, Art. Priester/Priestertum II/1, 402, betonen, dass der Opfergedanke den Priestergedanken angezogen hat. 40 SCHÜSSLER-FIORANZA, Priestertum, 19; vgl. Joh Chrys, De sacerdotio [Über das Priestertum III], Kap. 4, PG 48,642, sowie seine 43. Homilie über das Matthäusevangelium, PG 56,876: „Nicht jeder Priester ist heilig, sondern jeder Heilige ist Priester.“ 41 Vgl. Gregor von Nyssa, In Baptismum Christi, PG 46,581f.: „Eben war er [sc. der zum Priester Geweihte] noch einer von den vielen und aus dem Volke; plötzlich erscheint er als Führer, als Vorsteher, als Lehrer der Frömmigkeit und als Leiter (mustagwgo,j) der verborgenen Geheimnisse. Und dies tut er, ohne an seinem Leibe, seinem Aussehen verändert zu sein; sondern äußerlich scheinbar derselbe, der er war, ist er durch eine unsichtbare Kraft und Begnadigung in seiner unsichtbaren Seele zum Besseren gewandelt.“ 42 Decretum Gratiani, Kap. VI, causa XII, quaest. 1. 43 Nach Lumen Gentium 10 werden alle Getauften zu „einem heiligen Priestertum geweiht“. Als ein so konstituiertes Priestertum kommt den Getauften (nur) eine Mitwirkung am Handeln des hierarchischen Priestertums zu. Grund für die Restriktion ist das Fehlen jener geistlichen Vollmacht, die dem „Priestertum des Dienstes“ durch das Sakrament der Priesterweihe vermittelt wird: „Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt, das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: Das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil. Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im

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darauf aufmerksam, dass mit den Formulierungen von Lumen Gentium 10 das Theologumenon des Allgemeinen Priestertums eine späte Anerkennung in der römisch-katholischen Glaubenslehre erfahren hat und das Konzil bewusst darauf verzichtet hat, das Amtspriestertum als sakramentale Form des Priestertums (sacerdotium sacramentale) vom gemeinsamen Priestertum der Glaubenden zu unterscheiden.44 Das Priestertum wird dadurch zu einer „allgemein-christlichen Kategorie“.45 Zwar finden sich vom Mittelalter bis in die Gegenwart hinein nach wie vor zahlreiche Aussagen über ein Allgemeines Priestertum der Glaubenden und Getauften, doch dieses konnte im Schatten des Weihepriestertums seinen neutestamentlichen Charakter kaum zur Geltung bringen und wurde zu einem unbetonten und mit dem Weihepriestertum unverbundenen „Nebengedanken“.46 Gerade der Aspekt der Gottes- und damit auch Heilsunmittelbarkeit des Glaubenden musste gegenüber dem Interesse der Absicherung des sakramental vermittelten Heils in den Hintergrund treten. 2.2 Die Reformation und das Allgemeine Priestertum Es war diese Entwicklung, die im 16. Jahrhundert den reformatorischen Widerspruch hervorrief und Luthers Denken und Lehren bei diesem Thema bestimmte. Schon in den Thesen von 1517 wird die Machtstellung des Amtspriestertums kritisiert, aber erst in den theologischen Hauptschriften von 1520 wird das Theologumenon vom Allgemeinen Priestertum bzw. dem „Priestertum aller Glaubenden“ dann zur kontroverstheologischen Lehrfigur in Luthers Abgrenzung gegenüber dem römisch-katholischen Weihepriestertum. Eine weitere Profilierung erlangte der Begriff ab 1521 in der Auseinandersetzung mit dem sog. linken Flügel der Reformation, dem Schwärmer- und Täufertum, das in der Lehre vom Allgemeinen Priestertum die Legitimation zur Aneignung gemeindlicher und kirchlicher Funktionen für jedermann sah. Bemerkenswert ist allerdings, dass weder der Begriff eines „Allgemeinen Priestertums“ noch eines „Priestertums aller Gläubigen“ oder „Getauften“ in die protestantische BekenntnisbilZeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe.“ Vgl. hierzu neuerdings BREITSCHING, Stellung, 55–60, und HELL, Amtsverständnis, 218–224. 44 P ANNENBERG, Systematische Theologie III, 147. Ob auf der Grundlage dieser Formulierungen „keine prinzipielle Differenz der katholischen zur reformatorischen Auffassung des Verhältnisses von kirchlichem Amt oder Dienst (ministerium) und allgemeinem Priestertum der Glaubenden mehr besteht“, a.a.O., 409, vgl. 423, ist so eindeutig nicht. Denn dass sich die Formulierung essentia et non gradu tantum nur auf den Wesensunterschied „in dem besonderen Dienst der Bischöfe und Presbyter und den damit verbundenen Vollmachten“ beziehen soll, und nicht auf einen besonderen Gnadenstand, ist nur eine mögliche Deutung, aber keine zwingende. 45 P ANNENBERG, a.a.O., 408. 46 GOERTZ/HÄRLE, Art. Priester/Priestertum II/1, 402.

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dung einging. Weder in der Confessio Augustana noch in den anderen Bekenntnisschriften wird diese Lehrfigur thematisiert, v.a. nicht dort, wo es um die Verkündigung des Evangeliums und die Verwaltung der Sakramente geht.47 Für die Ergebnisse dieser Studie sind die Hinweise von H. Goertz von Bedeutung, wonach auch Luther von einem metaphorischen Priesterbegriff ausging, der jedoch nicht einfach deckungsgleich mit der Priestermetaphorik des Neuen Testaments war: „Luther nimmt die neutestamentlichen Geburtsorte der Priestermetapher lediglich zum Anlaß, eine umfangreiche eigene Metaphorik zu entfalten, die inhaltlich zwar an den I Petr, den Hebr und die Apk anknüpft, zugleich aber weit darüber hinausgeht und entsprechend vor dem biblischen Gesamtzeugnis verantwortet sein will.“48 Dabei unterscheidet Luther stets zwischen den Aspekten der priesterlichen Würde als einem spezifischen Sein coram Deo und dem priesterlichen Dienst als einem besonderen Tun coram mundo bzw. hominibus, das Luther häufig mit der Trias Opfer – Fürbitte – Predigt inhaltlich konkretisiert.49 In der Abgrenzung zum römisch-katholischen Weihepriestertum betont Luther die allgemeine Priesterwürde jedes einzelnen Glaubenden.50 Aufgrund des Rechtfertigungsgeschehens sind laut Luthers Adelsschrift alle Christen „warhafftig geystlichs stands“ und „alsampt gleych geystliche priester fur gott“.51 Noch deutlicher bringt es Luther später in einer Predigt über Psalm 110 aus dem Jahr 1535 zum Ausdruck: Ein Priester „ist ein solche person und ampt, so eigentlich mit Gott handelt und Gott am nehesten ist“.52 Dem Glaubenden ist durch Christus ein priesterlicher Zugang zu Gott eröffnet, der es ihm ermöglicht, in direkter Gemeinschaft mit Gott zu leben. Im Blick auf das Hohepriestertum Christi formuliert Luther: „Nu aber ist ers allein und mus allein sein, der uns durch sein eigen Priesterthum zu Gott bringet und uns dasselbige auch mitteilet.“53 Damit ist die 47

W ILCKENS, Kirchliches Amt, 32. GOERTZ, Allgemeines Priestertum, 324 (kursiv bei G.). Bei LUTHER lassen sich nach GOERTZ, a.a.O., 53–60, vier Priesterfiguren unterscheiden: Neben Melchisedek, Gen 14; Hebr 7, dem levitischen Priester und Christus als Hohepriester kommt bei ihm auch noch der römische Amtspriester, wie er sich in der Alten Kirche entwickelt hat, hinzu. 49 Die Unterscheidung von priesterlicher Würde und Dienst entspricht weitgehend auch der Unterscheidung von Glaube und guten Werken bzw. Liebe, vgl. GOERTZ, Allgemeines Priestertum, 62–67.96–144. 50 Vgl. WA 7,28,13f.: „Wer mag nu außdencken die ehre und höhe eyniß Christen menschen?“ 51 WA 6,407,13ff.; 370,10f. 52 WA 41,153,30f. 53 WA 41,207,20f.; vgl. GOERTZ, Allgemeines Priestertum, 98f. 48

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priesterliche Würde des Glaubens nicht mehr funktionalisiert für ein übergeordnetes Ziel, sondern die neu konstituierte Gottesbeziehung trägt ihren Sinn in sich selbst. Wird in diesen Texten zunächst der priesterliche Status der Gottesunmittelbarkeit betont, so schließt Luther daraus in Interpretation von 1Petr 2,5, dass alle drei klassischen Funktionen des levitischen Priestertums, nämlich Opfer, Fürbitte und geistliche Unterweisung, auf Christus und durch ihn auf alle Christen übergegangen seien.54 Der priesterliche Dienst bestehe nunmehr anders als im römisch-katholischen Amtspriestertum nicht mehr in der sakramentalen Vermittlung des Heils, sondern in der Bezeugung des freien und unmittelbaren Zugangs zum Heil in Christus.55 Deshalb besitzen für den Reformator alle Glaubenden die gleiche geistliche und priesterliche Vollmacht, einschließlich der Vollmacht zum Dienst an Wort und Sakrament: „[O]mnes nos aequaliter esse sacerdotes, hoc est, eandem in verbo et sacramento quocunque habere potestatem.“56 Aus dieser Grundüberzeugung heraus kann Luther in seiner Adelsschrift in pointierter, gewagter, polemischer und antirömischer Weise behaupten: „Dan was ausz der tauff krochen ist, das mag sich rumen, das es schon priester, Bischoff und Bapst geweyhet sey ob wol nit einem yglichen zympt, solch ampt zu uben. Dan weyl wir alle gleich priester sein, musz sich niemant selb erfur thun und sich unterwinden, an unszer bewilligen und erwelen das zuthun, des wir alle gleychen gewalt haben“.57 Mit dieser Formulierung hat Luther in einem Diktum beide Fronten markiert, mit denen er zu ringen hatte. Denn der linke Flügel der Reformation verabsolutierte stets den ersten Satzteil des ersten Satzes. Bei Karlstadt und in der Schwärmer- und Täuferbewegung war der Begriff des Allgemeinen Priestertums mit einem antitheologischen Impetus und dem Gedanken einer direkten Erleuchtung und inneren Sendung durch den Geist verbunden, was eine objektive Kritik und überindividuelle Prüfung eo ipso ausschloss.58 Entsprechend musste Luther seine Lehre vom Allgemeinen Priestertum in den folgenden Jahren auch gegenüber dieser Seite hin profilieren59 und die im ersten Moment paradox wirkende „Schutzfunktion“ des Amtes für eben dieses Allgemeine Priestertum herausstellen. Weil alle Priester sind 54 Vgl. WA 12,180,1–4; ausgeführt 180–189; 307,27–308,7; 309,24–27. Zur mittlerischen Funktion Christi, vgl. WA 41,207,20f.: Christus ist es, der „uns durch sein eigen Priesterthum zu Gott bringet und uns dasselbige auch mitteilet“; vgl. weiter WA 24,281,6ff.; 45,682f. 55 Vgl. WA 7,28,6ff.; 8,182ff.; 10/3,308ff.; 12,318,18ff. 56 WA 6,566,27f.; vgl. WA 8,273,12f.; 495,7ff.; 10/3,395,3ff.; 15,720,26ff. 57 WA 6,408,11–15. 58 GOERTZ/HÄRLE, Art. Priester/Priestertum II/1, 406. 59 Vgl. WA 17/1,518,15f.; 28,471ff.; 33,360,4ff.

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und dieselbe geistliche und priesterliche Vollmacht besitzen, muss diese Allgemeinheit davor geschützt werden, dass Einzelne in selbstsüchtiger Weise ein „Mehr“ an Vollmacht für sich reklamieren und ohne Ruf und Auftrag von Seiten der Gemeinde etwas ergreifen, was allen gemeinsam gehört.60 Während jeder Christ in der persönlichen Frömmigkeit, dem Gebet, der Hausandacht, der geistlichen Unterweisung der eigenen Kinder oder auch in der wechselseitigen Seelsorge und Beichte priesterlich handeln kann, bedarf es für die öffentliche Ausübung des priesterlichen Dienstes in Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung einer ordnungsgemäßen Berufung, um diesen Dienst rechtmäßig im Namen aller grundsätzlich priesterlich bevollmächtigen Christen wahrnehmen zu können. Das Allgemeine Priestertum und das geistliche Amt sind damit durchaus homogen aufeinander ausgerichtet. Das Amt steht nicht in einer Konkurrenz zum Allgemeinen Priestertum, sondern ist vielmehr dessen Konsequenz und Verwirklichung: „Das mit ordnungsgemäßer Berufung übertragene Amt folgt aus der öffentlichen, überindividuellen Dimension des der Kirche als ganzer gegebenen, allen Christen übertragenen Verkündigungsamtes. Und es dient dem Allgemeinen Priestertum und schützt es, weil es verhindert, dass einzelne Christenmenschen ihr Priesterrecht auf Kosten anderer ausüben und diesen so das ihre streitig machen“.61 Man muss im Rückblick zweifellos die theologische Brillanz bewundern, mit der Luther das ntl. Theologumenon entfaltet hat, aber gleichzeitig auch konstatieren, dass er sich dessen „bemächtigt“ hat. Es war ein durchaus „kreativer“ Umgang mit den ntl. Belegen, der Luthers Lehre ermöglichte. Man wird nicht sagen können, dass er dabei die exegetischen Grenzen des Neuen Testaments überschritten hat – der Sache nach entsprechen seine Aussagen durchaus dem ntl. Gesamtzeugnis –, die Grenzen der ntl. 60

Vgl. WA 12,189,17–23: „[N]ulli licet in medium prodire autoritate propria et sibi arripere soli, quod omnium est. […] Verum haec communion iuris cogit, ut unus, aut quotquot placuerint communitati, eligantur vel acceptentur, qui vice et nomine omnium, qui idem iuris habent, exequantur officia ista publice, ne turpis sit confusio in populo die.“ (Es ist niemand erlaubt, aufgrund seiner eigenen Autorität in die Mitte zu treten und für sich allein das zu beanspruchen, was allen zusteht. […] Vielmehr erzwingt diese Rechtsgemeinschaft, dass einer oder wie viele der Gemeinde gefallen, ausgewählt oder herangezogen werden, die anstelle und im Namen aller, die dasselbe Recht haben, diese Dienste öffentlich wahrnehmen, damit es im Volk Gottes kein schädliches Durcheinander gibt. Übersetzung nach R. LEONHARDT, Grundinformation Dogmatik, 369), und WA 50,633,6–8: „Was wolt sonst werden, wenn ein iglicher reden oder reichen wolt, und keiner dem anderen weichen.“ Ähnlich WA 6,566,26ff.; 8,495,31–33; 10/3,107,18ff.; 395,38ff.; 41,207ff. 61 „Ordnungsgemäß berufen“, VELKD-Texte 136, 13; ebenso GOERTZ/HÄRLE, Art. Priester/Priestertum II/1, 405, und GOERTZ, Allgemeines Priestertum, 328.

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Belege wurden aber doch stark „gedehnt“.62 Während in 1Petr 2,5.9 und Apk 1,6; 5,10; 20,6 von der priesterlichen Würde und der damit verbundenen Gottesunmittelbarkeit, -ähnlichkeit und -zugehörigkeit die Rede ist und von einem priesterlichen Dienst nur im Binnenverhältnis zu Gott gesprochen werden kann, dem im Lobpreis und einem der verliehenen Heiligkeit entsprechenden Lebenswandel die Ehre gegeben wird, ist der funktionale Aspekt bei Luther deutlich stärker betont und ausgeweitet. Damit aber waren jene Missverständnisse angelegt, die in der Neuzeit zu den Debatten um pfarr- und hauptamtliche Prärogative auf der einen und dem Recht und den Grenzen des Laienengagements auf der anderen Seite führten. Luthers Konzeption des Allgemeinen Priestertums wurde bei Philipp Jakob Spener und im Pietismus im Blick auf ein intensiveres Schriftstudium und geistliches Engagement von Laien bei grundsätzlicher Akzeptanz ordinierter Amtsträger weiterentwickelt. Die in Luthers Vorrede zur Deutschen Messe erwähnte dritte Weise des evangelischen Gottesdienstes wurde, insbesondere in Speners ecclesiolae in ecclesia, zum pietistischen Leitbild für das Laienengagement in Bibelstunden und Unterweisung. U. Wilckens sieht im breit angelegten Verkündigungsengagement von Laien im Pietismus den eigentlichen Wurzelgrund für die Ausprägung der Lehre vom „Priestertum aller Gläubigen“, wie sie Kirche und Theologie im 19. Jahrhundert bestimmte.63 Für den Pietismus spielte das rite vocatus stets eine geringere Rolle als der persönliche Glaube und eine innere Berufung. Die Ansätze Speners und des Pietismus wurden später von Johann Hinrich Wichern im Hamburger Kirchenstreit (1839/40) zwischen Erweckungsbewegung und rationalistisch orientierter Pfarrerschaft aufgenommen und sowohl im Blick auf Laienverkündigung in freien Vereinen als auch hinsichtlich des diakonischen Engagements weiterentwickelt. Auch Emil Sulzes Vorschlag der Presbyter- und Hausvaterverbände, mit dem er auf die geistliche Erosion und Entkirchlichung im Zuge der Industrialisierung reagierte, muss in dieser Linie verstanden werden.64 Einen stark antiklerikalen und antipastoralen Impetus hatte Martin Rades Reformprogramm nach dem Ersten Weltkrieg. Er sieht in der Restriktion der Wort- und Sakramentsverwaltung auf die Pastorenschaft den Grund für die „Entwöhnung der Nichtpastoren von der Teilnahme am kirchlichen Handeln“.65 Daraus leitet er die Forderung ab, dass „[d]as 62 Vgl. dazu auch das Urteil von GOERTZ, Allgemeines Priestertum, 61, und die dortige Anm. 115. 63 W ILCKENS, Kirchliches Amt, 36. 64 Vgl. SULZE, Die ev. Gemeinde. 65 RADE, Priestertum der Gläubigen, 174.

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Recht zu taufen, zu trauen, zu begraben, zu predigen, Seelsorge zu üben und das Herrenmahl auszuteilen, […] jedem evangelischen Christen frei sein [soll]“.66 Es überrascht nicht, dass sich dieser antiklerikale Impetus in der freikirchlichen Adaption des Theologumenons wiederfindet. Hier wurde es nicht selten als „Befähigung der Christen zu den priesterlichen Ämtern“ im Sinne eines „kollektiven Kompetenzphänomens“ bzw. der Gleichheit der Mitglieder verstanden, welche ihnen ein „Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht in allen relevanten Fragen gemeindlichen Lebens“ garantierte.67 Der bei Rade und den Freikirchen aufgeworfene Gegensatz von Allgemeinem Priestertum im Sinne einer Demokratisierung kirchlicher Funktionen und der landeskirchlichen Beschränkung der Wort- und Sakramentsverwaltung auf das ordinierte Amt ist bis heute bestimmend geblieben für die protestantische Diskussion, umso mehr als eine flächendeckende „Versorgung“ der Gemeinden mit ordiniertem Personal immer schwieriger wird und nur noch bedingt möglich ist.68 Schließlich ging das funktionale Verständnis des Priesterbegriffs auch in die ökumenischen Konsensdokumente ein. So heißt es in der Konvergenzerklärung zu „Taufe, Eucharistie und Amt“ der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen, die 1982 die sog. Lima-Dokumente verabschiedete, dass ordinierte Amtsträger „zu Recht Priester genannt werden [können], weil sie einen besonderen priesterlichen Dienst erfüllen, indem sie das königliche und prophetische 66 RADE, Priestertum der Gläubigen, 175. SCHIAN, Grundriß, 12, stellte jedoch bereits kurz darauf fest: „Wollte man aus ihr [sc. der Lehre vom Allgemeinen Priestertum] das Recht jedes Christen zur Vornahme kirchlicher Handlungen ableiten, so würde man […], rein praktisch geurteilt, an die Stelle kirchlicher und gemeindlicher Ordnung das Chaos setzen.“ 67 STRÜBIND, Königreich, 156.158. Der Vf. steigert sich in seinem Beitrag zu einer geharnischten Philippika gegen den deutschen Baptismus, bei deren exegetischer Begründung er Ex 19,6 im Sinne einer Priesterregierung interpretiert. Der Beleg impliziere in keiner Weise eine priesterliche Identität des Volkes Israel. Im Gegenteil sei „dem Volk … nach alttestamentlicher Lesart theologisch … nicht zu trauen“, a.a.O., 174. Nach STRÜBIND stellen die einschlägigen ntl. Belege, die Ex 19,6 aufnehmen, eine Fehlinterpretation der Stelle dar, die von Jesus und Paulus nicht geteilt werde und mit der Vorstellung des im Hebräerbrief entfalteten Hohepriestertums Christi „inkommensurabel“ sei, a.a.O., 177f. Dem Autor schwebt dagegen eine Resakralisierung der Gemeinde vor, die neben des allgemeinen auch eines „professionellen Priestertums“ bedarf, um „die Nähe des ‚Heiligen‘ wahrzunehmen“ und „das ‚Heilige‘ als Heiliges erkennbar zu machen und es liturgisch … zu verwalten“, a.a.O., 180f. Der Tatsache, dass der Verfasser mit dieser Position einem römisch-katholischen Verständnis näher steht als jeder protestantischen Lesart, ist er sich offensichtlich nicht bewusst. 68 Vgl. hierzu neuerdings FECHTNER, Späte Zeit der Volkskirche, und HAESE/POHLP ATALONG, Volkskirche weiterdenken.

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Priestertum der Gläubigen durch Wort und Sakramente, durch ihre Fürbitte und durch ihre seelsorgerliche Leitung der Gemeinschaft stärken und auferbauen.“69 Das funktionale Verständnis dominiert auch die in der Regel äußerst stiefmütterliche Behandlung des Themas in den protestantischen Dogmatiken, in dem das Theologumenon – so es überhaupt aufgenommen wird – durch die reformatorischen Vorgaben gewöhnlich in den Kapiteln über „Kirche und Amt“ verortet wird. In der Regel findet keine exegetische Reflexion des Themas statt und die Belege der Johannesapokalypse bleiben entweder unberücksichtigt, unbetont oder unverstanden. Die „Unbetontheit“ des Themas ist in der reformierten Tradition schon theologisch vorgegeben, da hier die sichtbare Gestalt der Kirche auch in der Gestaltung ihrer Ämterordnung von herausragender Bedeutung für die „Durchsetzung der Herrschaft Christi im Leben der Gläubigen“ war.70 Für Calvin zeigte sich gerade in der Ordnung der kirchlichen Ämter der Unterschied zwischen wahrer und falscher Kirche.71 Folglich wird das Thema in den reformierten Dogmatiken im Schatten der reformierten Ämterlehre vielleicht erwähnt, aber nicht behandelt, geschweige denn entfaltet. Exemplarisch wird dies bei K. Barth deutlich, der sich in seiner gesamten „Kirchlichen Dogmatik“ mit einem einzigen, kontroverstheologischen Satz zu diesem Thema begnügt.72 Doch auch in den seit dem Zweiten Weltkrieg erschienen lutherischen Dogmatiken wird das Thema, wenn überhaupt, nur äußerst knapp angesprochen. P. Althaus definiert das christliche Priestertum von vornherein unter dem Stellvertretungsaspekt: „Das Priestertum bedeutet: jeder steht für andere vor Gott; jeder weiß, daß andere für ihn vor Gott stehen.“73 Folglich sieht er die wesentlichen Verwirklichungen dieses Priestertums zum einen in dem Priestertum, das die Kirche für die Welt ausübt,74 als auch und vor allem im mutuum colloquium et consolatio fratrum, das er auch mit dem Priestertum Christi verbindet: „In diesem Priestertum hat Christus seine Gegenwart in der Gemeinde. Sein Priestertum wirkt in dem Priestertum der Brüder.“75 In der Folge beklagt Althaus, dass das „Priestertum der Gemeinde“ durch die Lehre vom Amt oft „verdunkelt“ wurde, kann aber im gleichen Atemzug auch das Amt als „eine besondere Gestalt des Priestertums“ bezeichnen.76 Der funktionale Aspekt dominiert auch bei H. Thielicke, der das Theologumenon ganz und gar von Luther her entfaltet und der im Dienst- und Verkündigungsauftrag der 69

Konvergenzerklärung zu „Taufe, Eucharistie und Amt“, Abschnitt II: Die Kirche und das ordinierte Amt, Artikel 17. 70 LEONHARDT, Grundinformation Dogmatik, 369 (kursiv bei L.). 71 LEONHARDT, ebd. 72 KD IV/2, 786: „Ordnung und Recht in der Gemeinde ist nie und nimmer das besondere Priestertum einiger, sondern das allgemeine Priestertum aller Gläubigen“ (kursiv bzw. gesperrt bei B.). Ähnlich karg fällt das Thema auch bei W EBER, Grundlagen der Dogmatik II, 629, aus, der aber auch ebd., Anm. 3, erkennt: „In 1. Petr. 2 fehlt eine Andeutung des allgemeinen Priestertums.“ 73 ALTHAUS, Die christliche Wahrheit, 518. 74 ALTHAUS, a.a.O., 522. 75 ALTHAUS, a.a.O., 519. 76 ALTHAUS, a.a.O., 520.

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Gemeinde und ihrer Glieder ihre „priviligierte Zwischen- und Mittlerstellung“ begründet sieht,77 die er freilich nicht im Sinne einer Sonderstellung zwischen Gott und Mensch verstanden wissen will.78 Bei E. Schlink kommt neben dem funktional-mediatorisch-missionarischen Aspekt wenigstens noch der Aspekt der Unmittelbarkeit, Kontakt- und Begegnungsfähigkeit mit Gott in den Blick: „Die Kirche ist das priesterliche Volk, das gesandt ist, Vergebung und Versöhnung weiterzugeben, die in Christi Opfertod am Kreuz geschenkt sind. So darf die Gemeinde nicht nur selbst in Freimut und Vertrauen sich Gott nahen, sondern sie soll den anderen diesen Weg durch ihr lösendes Wort öffnen und die Verzagten zu Gott führen. […] Unter Berufung auf Jesu endgültiges Opfer tritt sie vor Gott für alle Menschen fürbittend ein.“79 Eine rühmliche Ausnahme in der neueren Geschichte der „dogmatischen Vernachlässigung“ des Themas bildet W. Pannenberg. In seiner dreibändigen „Systematische[n] Theologie“ bietet er die ausführlichste – mir bekannte – Entfaltung des Theologumenons in den Dogmatiken der letzten 70 Jahre. Er betrachtet die reformatorische These vom Allgemeinen Priestertum der Glaubenden zunächst im Kapitel über „[d]ie Unmittelbarkeit des Einzelnen zu Jesus Christus im Heiligen Geist und die Vermittlung des Evangeliums durch die Kirche“80 unter dem Aspekt der Unmittelbarkeit des Glaubenden zu Christus und zu Gott und zwar vor dem Hintergrund des modernen Phänomens eines kirchlich und gottesdienstlich distanzierten Christentums, das den Reformatoren so noch nicht vor Augen stand.81 Er nimmt hier eine „Problematik“ wahr, weil diese im Priesterbegriff implizierte Unmittelbarkeit auch eine gemeindliche und gottesdienstliche Lebensäußerung finden sollte. Dieser Zusammenhang steht in 1Petr 2,4–10 so sicher nicht im Vordergrund, ist diesem Text jedoch auch durchaus nicht fremd. In einem zweiten Argumentationsgang schließt sich Pannenberg dann aber betont dem funktionalen Verständnis von P. Althaus an, der das Theologumenon sowohl auf die brüderliche Fürbitte, Ermutigung und Seelsorge als auch auf das christliche Eintreten für die Welt vor Gott bezieht.82 Allerdings verbindet er hier den Gedanken der Unmittelbarkeit zu Gott mit einem religiösen Individualismus, während der funktionale Aspekt der Priestermetapher „die Wirklichkeit der Gemeinde als communio“ zum Ausdruck bringe.83 Überhaupt interpretiert Pannenberg die Unmittelbarkeit zu Gott im Horizont von Luthers Freiheitsschrift als eine „Freiheit des Christen“ und „innere Unabhängigkeit von aller irdischen Autorität oder Gewalt zum Dienst an den Mitmenschen durch die Liebe“.84 Diese Gedankenführung liegt nun eher in der Fluchtlinie von Luthers Freiheitsschrift und seiner antirömischen Argumentation als im Duktus von 1Petr 2,5.9. Auch bei Pannenberg wird der kultmetaphorischen Dimension von 1Petr 2,4–10 zu wenig Rechnung getragen, so sehr die Bedeutung der Gottunmittelbarkeit wahrgenommen wurde. Dieses Defizit macht sich 77

T HIELICKE, Der Evangelische Glaube III, 304. T HIELICKE, a.a.O., 306. 79 SCHLINK, Ökumenische Dogmatik, 570. 80 P ANNENBERG, Systematische Theologie III, 142ff. 81 P ANNENBERG, a.a.O., 145. 82 P ANNENBERG, a.a.O., 146. Auf dem Hintergrund dieses funktionalen Verständnisses behandelt P ANNENBERG, a.a.O., 406ff., das Thema dann auch in seinem Abschnitt über den „gemeinsame[n] Auftrag der Glaubenden und das Amt der Einheit“ in der konventionell lutherischen und an Althaus angelehnten Argumentationslinie. 83 Zitat von ALTHAUS bei P ANNENBERG, ebd. 84 P ANNENBERG, ebd. 78

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wenig später noch sehr viel stärker bemerkbar, wenn er mit Berufung auf 1Petr 2,9 die Bedeutung der Unmittelbarkeit zu Gott wieder einschränkt und konstatiert, dass dort weniger das „Gottesverhältnis des einzelnen“, als viel mehr die Funktionen der Gemeinde als Gottesvolk und königlicher Priesterschaft im Vordergrund stünden.85 Richtig ist, dass in 1Petr 2,5.9 die Gemeinde als Ganze als Priesterschaft angesprochen wird, womit jedoch nicht ihre Unmittelbarkeit zu Gott in den Hintergrund tritt, im Gegenteil. Exakt auf diesem Status und nicht auf irgendwelchen Funktionen liegt der Akzent in diesen Versen. Die spätmittelalterliche und auch sehr moderne Fragestellung nach dem Verhältnis von Individualität und Kommunalität ist im 1. Petrusbrief und der Johannesapokalypse nicht im Vordergrund und wurde erst von Luther an die Texte herangetragen.

2.3 Die theologiegeschichtliche Entwicklung im Licht des Neuen Testaments Wie der Ausblick gezeigt hat, bewegt sich der Priesterbegriff bis heute in der kontroverstheologischen Spannung zwischen der altkirchlichen Levitisierung und Re-Funktionalisierung des Priesterbegriffs, der Israelisierung des Gottesdienstes, des Herrenmahls und der kirchlichen Ämter, die für den römischen Katholizismus prägend wurde, auf der einen Seite, und der protestantischen Funktionalisierung des Begriffs zu einem „Priestertum aller Gläubigen“ bzw. einem Allgemeinen Priestertum aller Getauften, das von einer Zurückweisung alles Kultischen geprägt ist, auf der anderen Seite. Beide Entwicklungen werden dabei der eigentlichen Intention und dem Potential der ntl. Metaphorisierung des Priesterbegriffs nicht gerecht und müssen deshalb eher als eine theologische Verarmung denn als eine Bereicherung gewertet werden. Die Fokussierung auf Funktionen, Privilegien und Ämter ließ die Dimension des priesterlichen Seins als der gottunmittelbaren und -gemäßen Seinsform des Menschen in unmittelbarer Zugehörigkeit zu und Gemeinschaft mit Gott in den Hintergrund treten. Während in der Alten Kirche die kultmetaphorische Dimension des Priesterbegriffs wahr- und aufgenommen, aber letztlich wieder auf eine besondere Gruppe von Klerikern begrenzt wurde, hat die protestantische Reformation den Begriff wieder auf alle Christen geweitet und seinen kultmetaphorischen Horizont zwar wahrgenommen, aber diesen aus ihrem anti-kultischen und -katholischen Impetus heraus unbetont gelassen. Damit aber blieb und bleibt eine zwar nicht zentrale, aber doch bedeutende Ausdrucksform der ntl. Soteriologie und Anthropologie im Schatten: Die dem Wesen des priesterlichen Amtes eigene Unmittelbarkeit, Ähnlichkeit und Zugehörigkeit zu und Heiligkeit und Integrität vor Gott, die ihn für die befristete Zeit seines Dienstes zu einem „gottgemäßen“ und idealen Menschen am idealen Ort werden ließen, werden nun kraft des heiligenden Wirkens Jesu Christi und des Heiligen Geistes jedem Glaubenden zuge85

P ANNENBERG, a.a.O., 147f.

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sprochen. Wird dieser Hintergrund wahr-, ernst- und angenommen, kann sich der Blick für das theologische Potential der Priestermetapher weiten, das in keiner Weise geringer ist als der scheinbare Verlust der loci classici und dicta probantia für ein funktionalistisch definiertes Allgemeines Priestertum. Wer vom theologiegeschichtlichen Ballast befreite Ohren hat, um zu hören, kann in der Priestermetapher das Hohelied vom hohen Adel und der aristokratischen Würde der Gemeinde Jesu Christi als einer heiligen, integren und zur endzeitlichen Herrschaft und Gemeinschaft mit Gott und dem Lamm bestimmten Priesterschaft in einer noch unerlösten Welt hören. Dieser aristokratische Adel christlicher Existenz einerseits (1Petr 2,4– 10) und die damit verliehene Würde zur eschatologischen Mitherrschaft andererseits (Apk 5,10; 20,6), spielen freilich in der gegenwärtigen Theologie westlicher Prägung kaum eine Rolle. Dies mag unter anderem in den volkskirchlichen Verhältnissen einer zu Ende gehenden Epoche begründet sein, in der das Verbindende zwischen Kirche und Gesellschaft gesucht wird, weniger das Kontrastierende. Der Begriff des „heiligen“ und „königlichen Priestertums“ bzw. der zur paradiesischen Gemeinschaft und Herrschaft restituierten „Priester für Gott“ betont jedoch gerade dieses kontrastierende und aristokratische Moment christlichen Seins im Gegenüber zur nichtchristlichen Mitwelt. Möglicherweise kann die ntl. Dynamik der Priestermetapher nur in Kontexten voll erfasst und entfaltet werden, die analog zu den Kontexten des 1. Petrusbriefes und der Johannesapokalypse von einer Ausgrenzung, Stigmatisierung oder gar Verfolgung der Gemeinde geprägt sind. In der Begegnung mit konkurrierenden und aggressiv auftretenden Wahrheitsansprüchen vermittelt die Applikation der Priestermetapher auf die an Jesus Christus Glaubenden ein aristokratisches Standesbewusstsein der Gottunmittelbarkeit und -zugehörigkeit, dessen hoffnungsspendendes Potential sich in solchen Situationen selbst erschließt.

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1.3.1.2 Einzeltexte Acta Petri SCHNEEMELCHER, W., Petrusakten, in: NTApo5 II, 243–289. Acta Thomae DRIJVERS, H.J.W., Thomasakten, in: NTApo5 II, 289–367. Ascensio Jesaiae MÜLLER, C.D.G., Die Himmelfahrt des Jesaja, in: NTApo5 II, 547–562. Evangelium Bartholomaei SCHEIDWEILER, F./SCHNEEMELCHER, W., Bartholomäusevangelium, in: NTApo5 I, 359–372. MARKSCHIES, CHR., Bartholomäustraditionen/Bartholomäusevangelium, in: Antike christliche Apokryphen, Bd. I/1 (NTApo7 I/1), 696–701. Evangelium Nikodemi SCHEIDWEILER, F., Nikodemusevangelium. Pilatusakten und Höllenfahrt Christi, in: NTApo5 I, 395–424. SCHÄRTL, M., Das Nikodemusevangelium, die Pilatusakten und die „Höllenfahrt Christi“, in: Antike christliche Apokryphen, Bd. I/1 (NTApo7 I/1), 231–261. Evangelium Petri MAURER, CHR., Petrusevangelium, in: NTApo5 I, 118–124.

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1.3.2 Apostolische Väter 1.3.2.1 Sammelwerke Schriften des Urchristentums. Erster Teil: Die Apostolischen Väter, eingel., hrsg., übertragen und erläutert v. J.A. FISCHER (SUC I), Darmstadt 1981. Schriften des Urchristentums. Zweiter Teil: Didache (Apostellehre). Barnabasbrief. Zweiter Klemensbrief. Schrift an Diognet, eingel., hrsg., übertragen u. erläutert v. K. WENGST (SUC II), Darmstadt 1984. Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe auf der Grundlage der Ausgaben von F.X. FUNK/K. BIHLMEYER/M. WHITTAKER, mit Übersetzungen v. M. DIBELIUS/ D.-A. KOCH, neu übersetzt u. hg. v. A. LINDEMANN/H. PAULSEN, Tübingen 1992.

1.3.2.2 Einzelschriften Barnabasbrief SUC II, 103–202. Die Apostolischen Väter, 23–75. Der Barnabasbrief, übersetzt u. erklärt v. F.R. PROSTMEIER (KAV 8), Göttingen 1999. 1. Clemensbrief SUC I, 1–107. Die Apostolischen Väter, 77–151. Der erste Clemensbrief, übersetzt u. erklärt v. H.E. LONA (KAV 2), Göttingen 1998. 2. Clemensbrief SUC II, 205–280. Die Apostolischen Väter, 152–175. Didache SUC II, 3–100. Die Apostolischen Väter, 1–21. Die Didache, erklärt v. K. NIEDERWIMMER (KAV 1), Göttingen 1989. Diognet SUC II, 283–341. Die Apostolischen Väter, 304–323.

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1.3.3 Apologeten Aristides von Athen Des Aristides von Athen Apologie, übersetzt v. J. KASPAR, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, Bd. 1 (BKV), Kempten/München 1913, 3–54. Iustin Martyr Iustini Martyris Apologiae pro Christianis, hrsg. v. M. MARCOVICH (PTS 38), Berlin/New York 1984. Die beiden Apologien Justins des Märtyrers, übersetzt v. G. RAUSCHEN, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, Bd. 1 (BKV), Kempten/München 1913, 55–155. Des heiligen Philosophen und Martyrers Justinus Dialog mit dem Juden Tryphon, übersetzt v. PH. HAEUSER (BKV), Kempten/München 1917. Minucius Felix Minucius Felix, Octavius, hrsg. v. B. KYTZLER (BSGRT), Leipzig 1982. Des Minucius Felix Dialog Oktavius, übersetzt v. A. MÜLLER, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, Bd. 2 (BKV), Kempten/München 1913, 125–204.

1.3.4 Kirchenväter und christliche Schriftsteller 1.3.4.1 Sammelwerke Patrologia Latina. Patrologiae Cursus Completus. Series Latina, hg. v. J.P. MIGNE 1844–1855 in 217 Bänden, www.latina.patristica.net (= PL). Patrologia Graeca. Patrologiae Cursus Completus. Series Graeca, hg. v. J.P. MIGNE 1857– 1866 in 161 Bänden, www.graeca.patristica.net (= PG).

1.3.4.2 Einzelschriften Aphrahat Demonstrationes. Unterweisungen I–II, übers. u. eingel. v. P. BRUNS (Fontes Christiani 5/1– 2), Freiburg i.Br. 1991.

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Stellenregister 1. Altes Testament Genesis 1 1–2 1,1–2,3 1,1 1,2–5 1,2 1,14 1,18 1,26–28 1,26 1,26LXX 1,28 1,28LXX 1,31 2,1 2,2 2,3 2,7 2,8 2,10 2,15 2,17 3 4,7 5,3–5 6,1–4 6,15f. 8,21 9,7 10,5 10,20 10,31 12,1–4 12,1–3 12,6f 14 14,18–20 15,17

553, 565 151, 555 150 489 452 150 552 552 552f., 591 552, 565, 569, 591 552 67, 565, 569 552 150 150 150 150, 350 150 149 149 150 529 553 553 529 523 333 428 67 498 498 498 6 558 157 605 31, 507 428

17,2–8 17,6 17,16 22 22,9 24,3 25,6 26,24 27,46ff. 28,17 28,17a 31,54 33,18–35,5 33,18–20 34 34,5 35,11 35,14LXX 35,22 41,45 46,1 49,9f.

558 104 104 146 39 93 346 558 93 143 64 39 209 157 208, 215 68 104 357 213 93 39 495

Exodus 3 3,5 3,12 4,23 6,7 7,16 7,26 8,16 9,1 9,13 10,19 11,6 12,5 12,11 12,48 13,2–16 13,2 15,17f.

97 64, 97, 337 342 342 440 342 342 342 342 342 143 599 398 398 336 398 326, 350 168, 296

680 15,17 15,17b 17,6 17,15 18,12 19,1–8 19,4–6 19,4–5 19,5–6

19,5 19,6(LXX)

19,8 19,10 19,12 19,21f. 19,22 19,23 20,21 21,14 22,6–14 23,15 23,17 23,19 23,22 23,22LXX 24,3 24,4–8 24,4f. 24,7 24,8 24,16f. 25,17ff. 25,17LXX 25,22 25,40 26,31a 26,33f. 27,21LXX

Stellenregister 298, 585 294, 296 408 39 39 97 102, 106 498 6, 86, 95–97, 97– 107, 108, 115, 118, 422, 439, 447f., 479, 511, 576, 583f., 587, 593 440, 448 4, 97–107, 108, 115, 118, 179, 210, 213, 222, 223, 265, 271, 329, 352f., 360, 398, 405, 420, 426, 433, 437–447, 450, 460, 471f., 483, 489, 493, 506, 547, 550f., 568, 578, 584, 587, 596, 599, 609 97 65 76 69 64f., 104 69 337 68 83 566 153, 566 143 441 421 97 246 39 97 305 74 333 33 333 148 316 76 318

28–29 28 28,2 28,4 28,9–12 28,12 28,12LXX 28,17–21 28,21 28,26 28,35 28,36–38 28,38 28,40 28,42f. 28,43 29,5f. 29,21 29,30 29,37 29,43f. 29,45 30,9LXX 30,10 30,11–16 30,17–21 30,26–29 30,29 31,3 31,10 32 32,25–29 33,7–11 33,13 34,2 34,15f. 34,23 35,19 35,21 35,31 38,7LXX 39 39,1 39,6 39,10–14 39,30 39,32 39,41 39,43 39–40 40 40,9–11

50, 74 55 74 74 114 74 318 561 74 74 74, 104 114, 567 326, 349, 356 74 114 58, 74 112 350 58 76 69, 350 557 357 76 152 64 69 350 150 74 50, 248 208 246 100 338 93 153 74 74 150 333 55, 74 74 74 561 74 150 74 150 150 148 150

Stellenregister 40,10 40,17 40, 30–32 40,33b

76 150 64 150

Leviticus 1–3 1,2f. 1,3f. 1,3LXX 1,5–9 1,5 1,11–13 1,11 1,14f. 2,2 2,8 2,14 2,16 3,2–5 3,2 3,6f. 3,8–11 3,8 3,13–16 3,13 4 4,7LXX 4,14 4,25 4,28 4,30 4,32 4,33 4,34 4,35 5,3 5,7 6,6 7,2 7,8 7,20f. 7,21 7,30 7,33 7,35 8–10 8 8,7–9 8,11 8,15 8,18

80 337 349, 356 318 80 80 80 80 337 428 337 425 425 80 80 337 80 80 80 80 264 318 337 80 302 80 302 425 80 425 369 302 599 80 54 69 369 346 337 337 50 74, 599 112 326 80 337

8,22 9,5 9,7f. 9,7 9,8 9,9 9,22–24 9,23 9,24 10 10,1ff. 10,3 10,4 10,5 10,9 10,10 10,16–20 11–15 11,1ff. 11,44ff. 11,44f. 12,6 12,8 13,1 13,3ff. 13,5 13,45–14,9 13,49f. 14,1 14,2–32 14,2 14,10–32 14,10 14,19f. 14,20 14,21–23 14,40 14,45 15 15,19ff. 15,24 15,25 15,28 16 16,1 16,2 16,4 16,13–15 16,14ff. 16,14f. 16,17

681 337 336–338, 602 406 336 336 80, 599 81 337 428 69 64 64, 350 336 336 73, 233, 337 66f., 81 248 66 369 350 72, 77, 575 302 302 281 67 599 281 84 281 84 281 281 302 302 425 302 369 369 28 138 369 139 81 55, 70, 79, 317, 333f. 337 333, 337 74, 112 333 487 333 337

682 16,23f. 16,23 16,25 16,32 17–26 17,4 17,5f. 17,10f. 17,11 18f. 18,6ff. 18,14 18,19 18,24 19,2f. 19,2 19,5 19,27f. 19,31 20,3 20,7 20,24–26 20,26 21 21,1–10 21,1–6 21,1–4 21,5 21,6 21,7 21,8 21,11–15 21,13–15 21,14 21,16–23 21,16–21 21,16–20 21,17–20 21,17f. 21,21 21,23 22,3–9 22,3 22,19f. 22,19 22,20–25 22,22–24 23 23,8 23,37f. 26,1

Stellenregister 74 337 425 74 64, 66, 213 349, 356 425 213 487 73 138 337 337 68 66 72, 77, 350, 424, 575 349, 356 73 68 68 72 369 72 66, 141, 575 62 64 67, 73 73 327 61 57 67 61 61 62 64 261 62 406 337 337 69 406 349 349 75 63 136 337 136 295

26,11f. 26,11f.LXX 26,11 26,12 26,30

557 557 369 369, 440 295

Numeri 1,52–2,31 1,53 3,12f. 3,25 3,28 3,32 3,38 4,3 4,5 4,18–20 4,19 4,20 4,23 4,30 4,43 5,11–31 6,2–4 6,9 6,22–27 6,23 6,24–26 6,27 7,89 8,5–22 8,6f. 8,11 8,15 8,22 8,26 9,6 11,18 12 12,1 12,10–15 15,7 15,13 16–18 16f. 16,1–17,15 16 16,1ff. 16,3 16,5 16,7 16,9

76 51, 73, 81f. 354 51 81 73, 81f. 600 62 337 69 337 337 62 62 62 68 233 81 80 258 601 258 333 354 278 369 337 337 51 336, 369 65 50 93 67 337 337 50 86, 223 60, 86 64 69 86, 350 59, 337 59 337

Stellenregister 16,10 17,5 17,20 18,3–5 18,4 18,5 18,7 18,8f. 18,10 18,11 18,22f. 18,29 18,31 19 19,2 19,13 19,14 19,20 19,22 20,8 20,10 22–24 25,12f. 25,22 25,6–15 25,6–13 26,61 28f. 30,6 30,9 30,13 35,25 35,28 35,32

223 223 59 51 336f. 73, 82 59 331 76 346 76 346 331 55 70 69 69 69 69 408 408 25 109 109 126 208 337 136 233 233 233 53 53 53

Deuteronomium 1,9 3,10 4,6 4,6b 7,1–6 7,6–8 7,6 9,26 10,8 10,12f. 10,12 11,26–29 12,5 12,11 12,18LXX 14,1f.

58 441 447 100 93 498 97, 329, 439f., 447 498 58, 80, 338, 340 342 566 157 143 346 318 73

14,2 14,21 15,15 16,16 17,8–13 17,9 17,12 17,18 18,1–8 18,1–4 18,1 18,5 18,6–8 18,7 18,7LXX 18,15–18 18,15 18,18 19,17 20,10–18 21,5f. 21,5 21,8 23,15 23,19 24,1–4 24,8 24,18 26,18 26,19 27,9 27,11–14 27,14 28,9 29,9 31,9–13 31,9 31,24–26 31,25 32,4 32,15 32,18 32,21LXX 32,31 32,37 33,8–11 33,8 33,10 34,10

683 97, 440, 447 447 498 153 57, 84, 507 48f. 58, 340 58 48, 106 331 49 58, 340 48 58, 340 318 202 228 228, 246 84 93 57 80, 84, 340, 507 498 65 143 68 56, 84 498 97 447 49 157 49 329, 447 337f. 82 49 82 49 408 408 399, 408 447 408 408 48, 81, 104, 202, 208f. 82 82, 211 246

684

Stellenregister

Josua 1 1,11 2,16 3,5 3,17 4,1 4,13 4,19 5,15 6 7,10–26 7,13 7,19 9,23 10,13 22,9–34 24,1 24,31 24,32

599 294 294 65 447 447 230 230 64 238 82 65 95 143 447 96 157, 337 226 157

Richter 6,20–28 13,7 13,15–23 14,1–3 17 17,5 17, 7–13 17,7 17,12f. 17,13 18,3 18,5 18,18–20 18,30f. 18,31 20,28

39 369 39 93 80 46, 82 57 47 47 80 46f. 82 47 47 143 340

1. Samuel 1,1 1,3 2,12–17 2,18 2,2 2,27–36 2,27f. 2,28 3 3,1 3,3

46 46 46 46 408 50 47 59 88 46 46

6,14f. 6,19 6,20 7,17 8,20 9,14 9,19 12,25 14,3 14,36–42 15,2f. 15,8f. 15,15 15,22f. 15,22 16,5 20,5 20,19 21f. 21,2 22,9 22,11 22,19 22,20 23,2 23,9–12 30,7f.

39 69 69 46 507 46 46 84 47 82f 89 89 89 88f. 90 65 294 294 46 46f. 46f. 46 47 49 82 82 82

2. Samuel 1,10 3,28 6,1–23 6,6f. 6,7 7,5 7,6f. 7,8–11 7,10 7,12–16 7,12–14 7,13 7,14 7,23 7,24 8,17f. 8,17 11,4 12,13 13,18 14,25 15,24–29 15,24

442 99 31, 507 69 64 143 311 104 168 289 298, 525 170 557 498 440 46 47–49 65 282 347f. 63 47f. 47, 49

685

Stellenregister 15,35 17,15 19,12 20,4 20,25 23,3 24,14 24,18–24

48 47f. 47f. 294 48 408 340 89

1. Könige 1,9 1,43–48 1,50–53 2,26f. 2,28–30 2,35 3,4f. 3,4 3,15 3,16ff. 4,2 5–7 5,30 5,31 5,32 6f. 6,7 6,16 6,18 6,23–28 6,29 6,31 7,9–11 7,20 7,22 7,23–26 7,50 8,6 8,11–13 8,12–61 8,12f. 8,13 8,14 8,22 8,27 8,29f. 8,41–43 8,50 8,53 8,54f. 8,54 8,62f.

39 49 68 49 68 47, 49 46 46 338 507 53 418 408 408–410 408 555 408 76 150 150 150 150 409 150 150 150 76 76 150 143 145 143 338 31, 507 143, 295, 311 307 307 340 97 31 507 31, 507

9,3 10,5 10,8 11,1–8 12,29 12,31(LXX) 13,33(LXX) 16,31 18,30–38 18,33f. 18,36 19,11 20,13f. 22,1–38 22,6 22,7 22,8 22,20 22,21

143 348 340 93 46 46, 59, 489 59, 489 93 39 247 247 338 83 495 83 495 495 495 495

2. Könige 3,11 4,43 5,25 5,27 6,15 11,9 12,8 12,11 16,10f. 17 17,27 17,28f. 18,16 19,15 20,8 21,7 22,10 22,12 22,14 23,8 23,9 23,19 25,17 25,18–21 25,18

83 347f. 340 67 347f. 53 53 73 53 156 81 46 143 143 294 143 53 53 53 46 48f. 46 432 52 53

Jesaja 1,1 1,9 1,10–17

477 454 87–90

686 1,11–17 1,17 2,18 2,2–5 2,3 2,5 4,3–4 4,5 5,1–7 6 6,1–13 6,1ff. 6,1 6,3 6,5 6,7 6,8 8,13–15 8,14 8,14LXX 8,18 8,23–9,1 9,5f. 10,11 10,22 11,1–12 11,6–10 11,6ff. 11,10 11,13f. 16,12 17,7 17,10 19,1 19,18–20 19,19f. 21,9 24–27 24,21f. 26,4 27,2–5 28,7ff. 28,7 28,15 28,16(LXX)

29,22 30,29

Stellenregister 426 90 295 83, 89, 145, 355, 523, 525, 527, 559 81, 83, 143 452 112 74 287 247, 495 313 88 566 151 69 282 495 434 396, 405, 408, 411, 429f., 434, 561 588 143 452 525 295 454 525 527 523, 525 495 513 295 566 408 295 159 96 295 523 521f. 408 287 87 246 409 288, 396, 400, 403, 405, 408–410, 411, 413–415, 423, 429– 434, 436, 440, 588 369 408, 410

31,7 31,9 33,21f. 33,22–24 34,17 36,22LXX 37,1LXX 40,1–11 40,3 40,22 41,9 41,14–16 42,6 42,10 42,16 43,1–4 43,1 43,3f. 43,20f. 43,21(LXX) 43,22 44,8 44,10–17 44,21–24 44,28 46,6 47,3 48,12 48,15 49,6 49,7 51,2 51,3 51,9–11 52,1 52,3f. 52,3 52,11 52,13–53,12 53 53,5 53,7 53,10 53,11 54 54,6 54,11f. 54,14 56–66 56 56,1–8

295 408 575 282 83 314 314 230, 239 525 144 452 513 452 496 452 498 452 488 405, 418, 437–441, 448 448 452 408 295 498 416 295 433 452 452 452 566 452 95 239 561 498 398 369 171 305, 334 170 398, 497 497 305 162 452 166 416 91–93, 144 162 106–108

Stellenregister 56,5–7 56,6–8 56,6f. 56,7f. 56,7 56,7LXX 56,9–59,21 56,9–12 57,6–8 57,6 57,7 57,12f. 57,12 57,13 57,15 58,1–12 58,2–4 58,2–3 58,3f. 58,10 58,12 58,13f. 60–65 60–62 60 60,1ff. 60,3 60,7 60,10f. 60,10 60,13 60,16 60,19 60,21 61,3f. 61,5f. 61,6

61,6LXX 62,10–12 61,10 62,3 63,7 63,15 63,19b-64,2 65f. 65,1–66,17 65,3–7 65,3f. 65,4

108 145–147 92 165 299, 304, 307, 419 419 92 91f. 91, 93 425 93 91 92 144 143f. 91 91 92 93 452 416 144 521 91, 106 162, 165, 559 452 354, 481 106 481 106 150, 296 481 561 150 362 105–107, 108, 352 58, 96, 106–108, 115, 118, 223, 347f., 354, 507, 548, 566, 575, 584 352 498 74 443 449 74, 144 144 523 92 91 93 369

65,5 65,11 65,12 65,17–25 65,17f. 65,25 66,1–6 66,1f. 66,1 66,3 66,4 66,17 66,18–24 66,18–22 66,18–21 66,18 66,19 66,20f. 66,20 66,21

687

66,22–24

91f. 144 452 165, 523, 525 151 525 91, 144 144, 151, 295, 311 143, 151, 165 93 452 65 108 145 107, 354f., 360 108 108, 355 92 108, 354f. 107–109, 115, 118, 575, 594 108

Jeremia 1,1 1,10 1,18 2,8 2,21 2,26 3,16f. 4,9 5,10 5,31 6,19f. 6,20 7,1–15 7,1ff. 7,3 7,4ff. 7,4 7,7 7,10 7,11 7,16LXX 7,21–23 7,23 7,25 7,34 8,1 11,4 11,14

88 362 57 82f., 87, 92, 246 287 57, 246 111, 561 57 287 92 87f. 426 90, 111 87 143 143 143 143 338 300, 304, 306 337 87f., 426 557 226 242 57 440 533

688 11,15–17 12,10 12,16 13,13 14,12 17,26 18,9 18,18 20,1f. 22,1–9 22,26 23,3–6 23,11 23,40 27,21 29,26 30–33 30,19 31,1 31,14 31,31–34 31,36 32,32 33,11 33,14–22 33,17f. 33,19–22 33,21f. 34,19 41,5 51,26

Stellenregister 87 287 416 57 87, 426 88 362 57, 82 81 242 242 525 369 433 143 81 109 95 557 109 109 447 57 95 525 88, 109 109 58, 109, 116, 118 57 50 409

Jeremia LXX (mit abweichender Zählung) 38,1 557 Ezechiel 1–3 1–2 1,1–3 1,4–28 4,33 7,26 8–11 9,11 9,2–3 9,6 10 10,2 10,18f. 11,22f.

520 495 88 144 56 82 110 75 75 418 520 75 144, 171 144, 171

15,1–8 16,52 19,10–14 22,26 22,26LXX 23 25,14 26–28 28,13–18 28,14 28,16 28,18 28,22 28,25 33,15 34,30 36,8–11 36,9f. 36,26f. 36,28 37 37,1–14 37,15–28 37,21ff. 37,25–28 37,26–28 37,26f. 37,27 37,27LXX 37–48 38f. 38 39 39,17–20 39,17ff. 40,1–43,12 40,1–2 40,2 40,5–43,17 40,45 40,46 40,46b 40,6–37 40–48 40–42 41,4 42,13 42,14 42,20

287 433 287 81 134 520 513 520 149 149, 151 149, 151 149 350 350 81 440, 557 523, 525 362 110 557 313, 522 520f. 521, 523 525 521 110 144, 369 557 557 520–522, 528, 531, 538 520f. 522 522 521 520 76 110 521 165 73 47, 58, 337 50 111 110f., 116, 118, 144, 162, 166, 300, 521f., 555, 561, 575 110 76 64 69, 337 76, 111

689

Stellenregister 43 43,4f. 43,7–9 43,7 43,7a 43,9b 43,12 43,14–17 43,14LXX 43,17LXX 43,19 43,20LXX 44 44,6–31 44,6–16 44,6–9 44,8 44,10–14 44,11 44,15f. 44,15 44,19 44,21 44,22 44,23f. 44,23 44,25 44,27 45f. 45,1–8 45,3 45,4 46,2 46,8 46,20 47,1–12 47,1–2 48,11 48,12 48,15–21 48,16 48,30–35 48,35 Hosea 1,1 1,6 1,9 2,1 2,3

110 110, 561 111, 144 143, 557 145 145 76 150 333 333 47, 50, 58, 64 333 50, 109–111 50 46, 51 46 112f. 56 50 50, 337 47, 50, 58, 73, 204, 423, 438 69, 74, 145 64, 73, 337 60f. 84 66f., 81 64, 73 337 110 111 76 337 144 144 145 110, 149, 521 111 50 76 144 111, 521 110, 521 561

477 405, 431, 437, 453 405, 431, 437, 453 431, 453f. 405, 453

2,25 3,4 4,1ff. 4,4–6 4,6 4,10–14 4,15 6,2 6,6 6,6LXX 8,11–14 8,12 9,4 10,1f.

396, 405, 431, 437, 453f. 82 87 82f. 92 93 87 294 87f., 90, 426 286 87 82f. 426 87

Joel 1,9 1,13f. 1,13 2,13 2,17 4,17 4,18 4,21

58, 143, 247 247 58 314 58, 247 143 399 143

Amos 1,1 4,4f. 5,4f. 5,21–24 5,24 5,25–27 7,10–17 7,17 9,1 9,11f. 9,11 9,15

477 87, 90, 426 87 87f., 90, 426 90 311 81 369 333 312, 525 362 362

Obadja 18

513

Jona 2,10 3,3

95 294

Micha 3,11 4,1–5 4,1–4

57, 82f., 87, 92, 246 83, 89, 145, 523 355

690

Stellenregister

4,2 4,3ff. 4,7f. 4,11–13 5,1 5,7f. 6,6–8 6,8 7,7

81, 83 525 525 513 525 513 87f., 426 90 566

Habakuk 1,12 3

408 247

Zephania 3,4

94, 134

Haggai 1,1 1,12 1,14 2,1–9 2,2 2,3 2,4 2,7–9 2,7 2,9 2,10–14 2,11–19 2,11ff. 2,12

52 52 52 144 52 145, 161 52 166 145 561 94 88 81 69

Sacharja 1,13 2,6–13 2,14–17 2,14f. 3 3,1–10 3,1–7 3,2ff. 3,4 3,7 3,8–10 3,8 4 4,1–14 4,6–10 4,6

441 166 145 557 112, 114, 127 52, 112–114, 116, 118, 575 112 114 112, 282 88, 113, 123 113 171 52 112 410 113

4,7 4,9 4,10 4,14 6,5 6,8–15 6,9–15 6,12f. 6,12 7,1–6 7,3 7,4–7 8,3 8,8 8,23 9,13 11,1 12,6 12,10ff. 12,10 12,13 13,4 14 14,5–17 14,11 14,20f. 14,21 14,21b

170f., 410f. 113 410f. 123 340 52 88 113, 170 171 88 82 92 557 557 354 513 312 513 484 481 481 230 170 525 565 561 300 299

Sacharja LXX (mit abweichender Zählung) 2,10f. 557 Maleachi 1,6–3,5 1,6–14 1,6–12 1,7–12 1,8 1,10 1,11 1,13f. 1,13 1,14 2 2,1–3 2,4–7 2,4 2,5 2,6–9 2,7

92 88 92 166 94 137 598 94 89 598 216 216 92, 208, 216 109 63 81f. 88

691

Stellenregister

3,5 3,7 3,17 3,19 3,23

92, 216 109 93, 216 93 92 92 230 114 230 114, 230 93, 114f., 116, 118, 303, 575 93 230 97 230 228

Psalmen 2,2 2,4 2,8f. 2,9 5,8 9,12 10,11 11,4 15 16,5 17,15 18,3 18,32 18,47 19,15 22,23 24 24,3–6 24,3–5 24,3f. 24,3 25,6 26,7 27,4 28,1 29,10 31,3 33,3 33,14 36,10 40 40,4 40,9f.

481, 493 144 550 550 143 143 566 144 81, 89 83 566 408 408 408 408 566 68, 89 566 66, 68, 81 561 338 340 95 566 408 144 408 496 144 452 10 496 426

2,8f. 2,8 2,10–16 2,11 2,13f. 2,17 3 3,1–4 3,1 3,2f. 3,3

40,12 42,3f. 42,3 43,3f. 43,3 49,8 50 50,8f. 50,13f. 50,13 50,14 50,23 51 51,3 51,16–19 51,18f. 52,10 57,6 62,3 62,7 63,2f. 63,3 68,17 69 69,10 69,31f. 71,8 72,8–15 73,26 74,7 74,8 75,6 78,35 78,68 78,69 80,9–17 84,2f. 84,5 84,8 84,11 87,1f. 89,27 90,4 92,13–15 92,14 92,16 94,22 95,1 95,7 96,1 96,6 98,1

340 555 566 555 452 305, 498 10, 95 95 426 95 95 95, 426 10 340 426 95, 426 150 74 408 408 555 566 441 10 419 95, 426 74 525 408 143 50 408 408 533 151 287 555 555 555, 566f. 143 533 408 528f. 150 143 408 408 408 440, 557 496 74 496

692 99,1 99,6 103,3 103,19 105,26 107,22 110,4 113,5f. 118 118,22–29 118,22–23 118,22f. 118,22 119,108 122,1 123,1 130,5c 132,7f. 132,9 132,13f. 132,16 134,1–3 134,1 135,2 135,4 137 141,2 144,1 144,9 147,7 149,1 149,4

Stellenregister 143 246 282 144 59 426 31, 507 144 410 411 289 287 288, 309, 409, 412f., 432 95 143 144 282 151 74 143, 151, 533 74 151 338 338 97, 498 255 95, 426 408 496 95 496 74

LXX-Psalter (nach Zählung der LXX) 9,15 449 26,5 410 30,2 433 30,18 433 32,12 447 33,6 406, 433 33,9 399, 406, 433 33,13–17 433 39,7 349 55,9 449 70,15 449 72,28 449 78,13 449 80,17 408 87,2 318 88,3 416 88,28 480f.

88,38 94,6 102,21 103,4 105,5 108,14f. 116,22 117,5–18 117,10 117,19–29 117,20 117,22 117,26f. 118,26 118,31 118,78 118,116

480 318 348 348 447 318 449 409 410 409 409 400, 405, 409, 412f., 415, 430, 434 409 449 433 433 433

Hiob 1,5 1,6 2,1 24,14–17 29,14 33,26 38,6 42,8–10LXX

65 340 340 452 74 566 409 234

Proverbien 2,13 2,64 5,19 15,8 18,19 22,29

452 266 441 194 442 340

Threni (Klagelieder) 1,4 50 1,19 57 2,6 57, 150 4,15 57 5,8 141 Esther 3,7 3,8 3,11 6,13

440 440 440 440

693

Stellenregister Daniel 1,2 1,4 2 2,34f. 2,44f. 2,44LXXQ 2,45 3,4LXX 3,28 3,38–40LXX 3,38LXXs/Q 3,41LXX 4,24 4,34 4,37 5,4 5,19 5,23 5,30 6,25 6,28 7 7,9–12 7,9f. 7,9 7,10 7,13 7,13Q 7,13s 7,14 7,18 7,21f. 7,21 7,22 7,22LXX 7,25 7,26f. 7,26 7,27 7,29 8,14 8,25 9,21 9,24 10,5 12,1–3 12,6f.

143 63 523 408, 410, 412 408 412 294 498 566 234 349 433 234 442 442 295 498 143, 295, 442 442 498 295 495, 523 521 543 513, 543 340 481, 484 337 340 498, 513 329, 443, 513, 543, 564 329 543 442f., 521, 543, 513 329, 543 543 541 329, 443, 513, 543, 564 498 561 329 255 76 75 521 75

Esra 1–2 2,2 2,36–63 2,36–39 2,40 2,62 2,63 3,2 3,8 3,10–13 3,12–13 3,12 4,1–5 4,1–2 5–6 5,2 6,3 6,18 7,1–5 7,1 7,5 7,6 7,7 7,24 8,7 8,11 8,15–20 8,18 8,33f. 9–10 10,18 10,23

418 52 56 51 51, 56 59 83 52 62 161 166 145 156 156 418 52 159 51 47 247 51 58 56 347 52 52 51 56 51 93, 132, 156, 175 52 56

Nehemia 2,16 3,34 5,1–13 6,16 7,39–60 7,64 7,65 7,72 8 8,1 8,2f. 8,7f. 8,9–12 8,13 8,18 9,6

57 410 93 410 56 59 83 56 52 218 82 56, 82 58 82 82 565

694

Stellenregister

10,29 10,31 10,33f. 10,39 10,40 11,10–18 11,11 11,36 12,10f. 12,22f. 12,27 12,47 13,1–3 13,4–9 13,13 13,23–29 13,25–30 13,28

56 93, 156, 175 152 51 347f. 56 47 51 51, 122 51 95 51 43 43 51, 58 156, 175 132 155

1. Chronik 5,27–41 5,34 6 6,35–38 9,11 9,13 9,14–34 12 16,39f. 16,39 17 17,6 17,12 18,16 21,18–24 22 22,5 22,9 23,4 23,13 23,24 23,27 24 24,1–19 24,1–3 24,5ff. 24,7–18 24,7 24,14 27,17 28,2 28,4

47, 51 51 418 47 47 54 56 214 46 48f. 418 311 170f. 51 89 418 420 151 56, 84 80 62 62 127 54 51 130 137 127, 189 125 51 151 442

28,10 29,2LXX 29,11 29,11LXX 29,16

420 362 74 490 337

2. Chronik 2–6 2,17 3,1 3,8 3,10 3,14 4,22 5,3 5,7 5,13b-6,2 5,14 6,18 6,41 7,2 9,4 9,7 15,3 17,7–9 17,8f. 18,8 19,5–11 19,8 19,11 20 20,25 23 23,4f. 23,6 23,11 23,19 26,18 26,19–21 26,20 29,11 29,25–36 31,10 31,16–18 31,17 34,9 34,13 35,3 36,14 36,23

418 489 146 76 76 315 76 81 76 150 338 143 74, 151 337 348 340 82 56, 82 81 340 58, 84 84, 507 53, 56 214 294 214 56 337 442 68 46 67 53 338 56 53 59 62 53 52, 56 56, 82 134 419

695

Stellenregister

2. Literatur des antiken Judentums 2.1 Apokryphen 1. Esdr(as) 1,47 4,40 4,43 20,40

134 442 442 348

1. Makkabäerbuch 1,41–53 1,46–62 1,46 2,1 2,29–38 2,32 2,39ff. 2,42 2,54 4,46 4,51 7,12 7,37 10,15–21 10,20 12,6 14,20 14,25–49 14,28

126 126 329 189 218 163 163 218 126 202 315 218 146 164 31, 127 57, 124 57 31, 510 57

2. Makkabäerbuch 1,10 1,18 2,9 2,17 442f. 4 4,17 4,34f. 4,34 4,44 5,14 5,17f. 6,1 6,2 6,5f. 7,37f. 8,2f.

124 425 425 98, 223, 421f., 158 158 125 188 124 294 158 126 369 126 513 513

10,26 11,22–26 11,27 14,3 14,6 14,35

307 126 124 337, 369 218 143

3. Makkabäerbuch 1,3 2,10 2,28 3,28 5,5

440 307 255 441 348

Add(enda) Est(her) 8,12f. 440 Baruch 1,1–14

50

Judith 8,18 9,8

295 151

Sapientia Salomos 1,14 3,1–12 3,8 5,16f. 5,16 14,8 17,2 18,15 18,24

442 513 513, 543 564 442 295 447 441 148

Sirach 1,28 3,3 3,30 5,5f. 7,29–31 7,31 10,2 12,13 14,11 16,7 16,11 17,29 18,4 18,12

337 234 234 234 57 346 348 337 349 234 234 234 449 234

696

Stellenregister

18,20 20,28 24,11 28,2 28,5 31,21f. 32,5 32,6–13 34,18f. 35,1–5 35,1f. 35,10–12 38,9f. 38,11 39,10 42,3 42,7 44–50 44–49 44,15 44,21–23 45,6–26 45,6–22 45,6–13 45,7–12 45,7f. 45,8 45,17 45,24f. 45,24 46,1 46,16 48,10 50 50,1–4 50,5–11 50,6f. 50,13f. 50,19–22

234 234 533 234 234 234 234 234 349 96 349 169 234 349 449 345 345 109 509 449 558 109 109 55 264 74 148 58, 84 509 109 246 349 228 509 123, 509 264 148 349 81

Tobit 3,15 4,7–12 4,9–11 6,13 8,15 12,15 12,15s 13 13,10f. 13,10

369 96 234 161 329 329 340 161 162 170, 297

13,11–13 13,13–18 13,16f. 14 14,4 14,5 14,5b

557 561 162 161 162 161f., 297, 420, 561 170

2.2 Pseudepigraphen Apokalypse Abrahams 27,2–5 170 Apokalypse Sedrachs 16,10 490 Ar(amäisches) Lev(i-Dokument) 1,1–2,1 209 3,1–18 209 4,4–7 209 4,7 210 5 209 5,1 209 5,2 209 5,3–8 209f. 5,5f. 210 5,7 212 5,8 211 5,9–10,14 209 5,16 134 6,1ff. 211 10,2 211 10,10 211 11,1–12,9 209 11,6 210 13,1–16 209 13,2–11 211 13,4 211 13,6 510 13,15 211 13,16 211, 214 Aristeasbrief 42 83f. 88f. 92 95 96–99 99 139

336 147 147 147 54, 147, 348 264 148 252

697

Stellenregister 170 234 249 284

96 96 257 252

Ascensio Jesajae 8,14–15 9,9

74 74

Ass(umptio) Mos(is) 1,17f. 149 4,2 557 5 140 5,3–6,1 304 5,3f. 140, 170 5,3 132 6 140 6,1 131, 140 6,6 140 6,8f. 140 7,1–10 304 10,1–10 544 (2. Baruch) Syr(ische) Bar(uchapokalypse) 10,1f. 393 11,1 393 14,1 513 27f. 524 29 527 29,3–8 524 30,1 524 30,2–5 524 39,7–40,2 524 40,1 513, 524, 533 50f. 524 67,7 393 72,2–6 524, 526 73f. 527 73,3 526 74,2 525f. (3. Baruch) gr(iechische Bar(uchapokalypse) 11,9 406 44,8–15 525 4. Esr(abuch) 3,1f. 3,7

393 498

3,28 3,31 4,33–36a 5,23 6,40 7,16 7,26–44 7,26–28 7,27 7,28 7,29 7,30f. 7,30 7,31 7,32–36 7,37f. 7,44 7,50 7,91 7,98 8,11 12,31–34 12,31–33 12,32 12,33 12,34 13 13,9–11 13,37–38

393 393 544 287 452 490 524 527 524 524, 533 524, 526 525 524 524, 526 524 524 524 525 567 567 525 524 513 524 524 524, 527 533 513 513

(1.) äth(iopisches) Hen(ochbuch) 9,3 543 10,4–6 523, 533 12,4–14,7 234 14,23 543 14,24 406 15,1 406 16,1 523 18,12–19,3 523 18,16 523 21,1–10 523 21,6 523 24–27 149 26,1 146 38,1–5 513 47,3 543 48,4 513 54,4–6 523 54,4ff. 533 58,3 452 62,2f. 513 62,8 329

698 69,27 71,15 83–90 85–90 87,2 88,1 89,47–49 89,50 89,66f. 89,72f. 89,73 90 90,6ff. 90,19 90,22 90,28f. 90,29 91,11–17 91,12–17 91,12f. 91,13 91,14 91,15–17 92–105 92,1–5 93 93,1–10 93,7f. 93,7 93,8 93,11–105 95,3 96,1 98,12 102,8

Stellenregister 533 525 165 165 75 523 165 159, 166 166 304 159, 166, 297 533 166 513 75 166, 296f., 362, 561 300 164 529 523 165, 297, 300, 362 523 523 164 164 529 164 165, 362 164 164 164 513 513 513 567

(2.) sl(awisches) Hen(ochbuch) 22,8–10 75 24,4 452 25 452 31,3–6 553 32,2–33,2 529 33,1f. 529 65,7f. 523 66,6f. 523 Jos(eph und) As(eneth) 8,9f. 452 11,18 234 12,3–6 234 13,11–13 234

Jub(iläenbuch) 1,15–18 1,15–17 1,17–29 1,17 1,27–29 1,27 1,28 1,29 3,27 4,25f. 4,25 6,1–22 6,7–14 7,20f. 8,19 14,11–20 16,18 16,20–31 17,16 18,13 19,17–23 20,4 21,21–23 22,14 22,20 23,9–32 23,19 23,21 23,26 24,28–32 24,29 25,1–10 25,7 25,21 29,9–11 30–32 30 30,1–32,9 30,1–4 30,7–15 30,13–16 30,17f. 30,17 30,18–21 30,18 31,12–17 31,13–17 31,15 32,1–9

164 297 561 163 164, 297 163 567 163f., 523 163, 212 149 163, 212 212 213 213 146, 149, 212 212 212, 216, 223, 271, 422, 442, 490, 578 212 406 146 512 93 134 512 93 163 163 138, 162f., 304 163f. 162 513 93 213 163 162 578 213 208f., 212–214, 216, 510 209 213 132 157 93 209 59, 213 163, 213 209 214, 510 209

699

Stellenregister 32,2–9 32,19 32,27–29 33,15–20 33,20 34,4–9 38,14 39,6 41,23–25 44,1 45,16 46,6–11 49,16f. 49,19–21 50,5 50,10f. 50,12

213 512 212 213 147, 212f., 216, 223, 271, 422, 442, 578 162 162 213 234 212 163 162 147 147 512 147 163

Kopt(ische) Apok(alypse) El(ias) 43,8ff. 528 Lib(er) Ant(iquitatum Biblicarum) (Pseudo-Philo) 12,8f. 287 19,6f. 170 28f. 452 28,2 529 30,4 234 39,7 234 52,3 234 60,2 452 4. Makkabäerbuch 3,8 6,28f. 7,8 17,20–22 17,21f. 18,24

441f. 332 348 513 332 490

Ps(almen) Sal(omos) 1,8 139, 304 2 139 2,3 139 2,9 139 2,26–27 139 3,7–8 234 7,1 169 8 131, 139

8,7–13 8,9–13 8,10–12 8,11–13 8,11 8,22 9 9,6 10,1 17 17,15 17,22–24

303 304 139 139 138 139 139 234 234 139, 533 139 550

(Oracula) Sib(yllina) 3 533f. 3,218–247 252 3,286–294 561 3,46–62 169 3,383 141 3,604–606 295 3,616–618 295 3,652–731 170, 523 3,652–655 523 3,661ff. 170 3,669–697 523 3,671ff. 170 3,702–731 523 3,702f. 170 3,718–723 295 3,718f. 170 3,769 564 4 176 4,6–17 295 4,8 411 4,8–11 170 4,24–30 170 4,116 169 4,125f. 169 4,130–136 169 5 533f. 5,7 141 5,143 393 5,158f. 393 5,250 146 5,397–407 170 5,414–433 170 5,423–433 561 11,197f. 141 Or(atio) Man(asse) 13 234

700 Test(ament) Hiob(s) 490 53,10 Testamente der Zwölf Patriarchen TestBen 9,2c-5 133 TestBen 9,2 170, 561 TestBen 10,7 513 TestDan 5 533 TestDan 5,13 564 TestGad 7,5 234 TestGad 8,1 202 TestJos 19,11 202 TestJud 19,2 234 TestJud 23,1–3 304 TestJud 25f. 525 TestJud 25,1–2 513 TestLev 2,1–4,1 209 TestLev 2,3 209 TestLev 2,10 348 TestLev 2,11 133 TestLev 3 533 TestLev 3,2–8 135 TestLev 3,4–10 135 TestLev 3,6 341, 343, 349 TestLev 4,2–6 209 TestLev 4,2 348 TestLev 4,4 133 TestLev 5,1–6,2 209 TestLev 5,1 135 TestLev 5,3–4 157 TestLev 5,3 214f., 511 TestLev 6,1 214f., 511 TestLev 6,3–7,4 209 TestLev 6,8 157 TestLev 8,1–19 135, 209 TestLev 8,3–10 348 TestLev 8,11–17 214, 510 TestLev 8,11 215 TestLev 8,12 215 TestLev 8,13 215 TestLev 8,14f. 215 TestLev 8,17 215 TestLev 9,2–4 209 TestLev 9,3 133, 348 TestLev 9,5–14 209 TestLev 9,9f. 132 TestLev 9,9 134, 214 TestLev 9,10 93 TestLev 10 133 TestLev 10,4 317 TestLev 11,1–12,7 209

Stellenregister TestLev 12,5 TestLev 13,1–15,4 TestLev 13,1–5 TestLev 14,1–15,1 TestLev 14 TestLev 14,2 TestLev 14,5–7 TestLev 14,5 TestLev 14,6 TestLev 14,7 TestLev 15,1 TestLev 16–18 TestLev 16,1–18,4 TestLev 16 TestLev 17 TestLev 17,8–11 TestLev 17,11 TestLev 18 TestLev 18,1ff. TestLev 18,2–14 TestLev 18,2ff. TestLev 18,2 TestLev 18,6–10 TestLev 18,6 TestLev 18,12 TestRub 1,10 TestRub 6,1 TestRub 6,7f. TestRub 6,12 TestSeb 9 TestSeb 10,2 TestSim 2,13 TestSim 5,5 TestSim 6,6f. TestSim 7,1f.

62 209 82 304 134 133f., 214 214 134, 138 134 134 134, 214 214 209 133f. 209 304 134 203, 209, 533 134 135 564 209 149 561 523 234 366 215, 511 215, 511 533 513 234 214, 511 133 202

Theodoret 7–8

157

Vit(a) Ad(ae et Evae) 11–17 553 29,4 406 42 529 Vit(ae) Proph(etarum) 4,15 234 4,16 234 10,8 170 12,11ff. 170

701

Stellenregister 2.3 Schriften vom Toten Meer Damaskusschrift (CD) 1,7 202 A 1,11 31 1,18f. 222 3,13ff. 137 3,17 138 3,18–4,4 188 3,18ff. 195 3,19 362 3,19–4,4 204, 423, 438, 584, 594 3,20–4,4 198 3,21 187 4 204 4,6 329 4,12–5,11 139 4,15–18 139 4,15f. 186 4,17–5,19 166 4,17–5,11 131 4,17f. 189 4,18 136 5,6–8 189, 303 5,6f. 136 5,6 169 5,7 138 5,8 138, 189 6,2–5 202 6,5 185, 188 6,11–14 136 6,11b-14a 137 6,11–12 137 6,11f. 201 A 6,11 31 6,12 138 6,14–17 138 A 6,14–17 304 6,14 138, 205 6,15f. 131, 138 6,17 189 6,18ff. 137 6,18f. 138 6,19 185, 188 7 202f. 7,18–20 188 7,19 185 8,15 438 8,17f. 438 8,17 438

9,13 9,14 9,15 9,20 10,4–7 10,6–8 10,18 11,15 11,17–12,2 11,20–22 11,20–21 12,6f. 12,22–13,7 12,23–13,1 12,23 13,2–3 13,3 13,5–7 14,19 14,3 14,4f. 14,5 14,6–8 14,6 15,15–17 16,13–16 16,13f. 19,10f. 19,20 19,29ff. 19,33ff. B 19,33 20,1 B 20,1 20,8 B 20,14 20,23 B 20,28

197 201 197 194 201 188, 204 138 138 201 195 167 138 200 202, 510 202 197 199, 201 84 202, 510 197, 201 199 197 200 201 188, 197, 204 201 138 202, 510 438 438 438 185 202, 510 31 543 31 169 31

Gemeinderegel (1QS) 1,9–11 452 1,14f. 137 1,18–2,23 201 1,18–22 200 1,18f. 199 1,21ff. 200 2,1 200 2,2–18 81 2,11 199f. 2,20 199 3,3–5 231 3,6–9 231

702 3,19–21 5,1–7 5,2 5,4 5,5–7 5,5f 5,6 5,8–9 5,9f. 5,9 5,13 5,21 6,4–5 6,4f. 6,6 6,8 6,16–17 6,16 6,19 6,22 7,21 8,1 8,2–6 8,4–10 8,4f. 8,5–8 8,5–7 8,5–6 8,5ff. 8,5f. 8,5 8,6–8 8,6f. 8,7–8 8,7f. 8,8f. 8,8 8,9f. 8,9 8,10 8,18 9,3–6 9,3–5 9,3f. 9,4–5 9,6 9,7 9,11 9,14 10,4

Stellenregister 368 188, 204 187, 198f., 201 199 188, 191, 195 169, 201, 362 188, 204, 584 199 200 187, 192, 198, 201 188, 204 201 197 200 200 197, 201 188, 204 337 201, 337 337 337 191f., 201 426 167, 195, 419 362 423 169, 201 188, 191, 204 167 167, 204, 584 362 432 194, 513 415 410 195, 204, 362 188, 204 194 188 513 337 167, 169, 195, 419 426 167 167, 188, 194, 201, 204, 423 188, 191, 195, 201, 204, 362, 584 198f., 201 202, 510 187 188, 204

10,6 11,8 11,13 11,16f.

426 167, 188, 195, 362 337f. 338

Gemeinschaftsregel (1QSa) 1,2 187, 198, 201 1,8–17 188, 204 1,9 329 1,16 197f. 1,23 198f. 1,24 197, 199 2 203 2,3–11 197, 207 2,3–10 188, 204 2,3 191, 197f., 201 2,4–9 63 2,11–22 204 2,11ff. 202f. 2,12–13 197f., 201 2,19f. 200 2,19 198 Regel der Segenssprüche (1QSb) 1,5 329 3,22–25 200 3,22 187, 198 3,25–26 188 4,24–26 188 Kriegsregel (1QM) 1,13–15 2,1–6 2,1 2,2–3,7 2,2 2,5–6 3,5 3,13f. 3,13 5,1f. 6,10 7,4–6 7,10 7,14–16 8,9 10,2–5 10,2 10,9f. 10,12 11,7–9

529 167 204 513 137, 199 188, 201, 204 329 513 438 513 513 197 198 199 199 200 204 438 564 202

703

Stellenregister 12,7 12,15 13,1 13,7 13,10f. 14,12f. 14,16 15,4 15,6–11 16,7 16,13 17,7f. 18,5f. 18,5 18,7 18,10 19,11 Hodajot (1QH) 2,15 2,32 4,10 4,23 4,5 4,6 4,7–10 4,8 6,24ff. 7,19 9,13 9,28

329 512, 564 199 438 368 438 513 199, 204 200 199 204 513, 564 199 204 438 438 204

222 222 222 438, 452 438, 452 452 222 438 195 329 234 399

Pesher Habakuk (1QpHab) 1,13 31, 185 2,1–2 138 2,2 31 2,7–10 200 2,8f. 187 5,3–5 513 5,10 31 5,11 138 7f. 169 7,4f. 187 7,4 31 8,3 31 8,7–13 304 8,8–13 136 8,8 185 8,9–9,3 138 8,10–13 185 8,13 138

9,3–7 9,4f. 9,4 9,9f 9,9 10,1 11,4–8 11,4f. 11,4 12,3f. 12,7–9 12,8f. 12,8

136 186, 189 186 31 185 415 138, 303 31 185 195 136 138, 303 131

Micha-Kommentar (1Q14) 11,1 186, 189 Jesaja-Rolle (1QIsA) zu 19,18–20 159 Texte aus Höhle 2 2Q24 Fr. 4 11–18 201 2Q24 Fr. 8 167 Florilegium (4Q174) 4Q174 168, 202f. 4Q174 1,17 187 4Q174 3,1–13 298 4Q174 3,1–7 201 4Q174 3,1–6 368 4Q174 3,1–5 167, 296, 300 4Q174 3,1–3 195 4Q174 3,2–5 197 4Q174 3,2f. 167f., 297, 561 4Q174 3,3–4 188, 204 4Q174 3,3 195 4Q174 3,5f. 168 4Q174 3,6f. 168, 426 4Q174 3,6 149 4Q174 3,17 198 Halachischer Brief (= 4Q394–399) 4QMMT 4QMB 8 4QMB 39–49 4QMB 75 4QMB 79–80 4QMB 80–82 4QMB 82f. 4QMC 9

(4QMMT) 136f., 189, 303 353 197 137 191, 198 137, 141 304 137

704

Stellenregister

Weitere Texte aus Höhle 4 162 4Q126 4Q159 Fr. 2–4 4

201

4Q161 Fr. 8 18–25 202 4Q161 Fr. 8 24 203

4Q270 Frg. 9 15,15–17 63 4Q270 Fr. 11 1 200 4Q270 Fr. 11 1,16 201 4Q285 Fr. 5 5

202

4Q365 Fr. 23 10

199

4Q375

203, 510

4Q376

203, 510

4Q387 Fr. 3 3,6

186, 189

4Q390 Fr. 1,2–4

186

4Q392 1,4–7

452

4Q394 3 1,17f. 4Q394 8 4,5ff.

222 222

4Q162 2,6–10

136

4Q163 Fr. 22 3

198

4Q166 2,14–17

136

4Q169 3–4 I 1,2 4Q169 3–4 I 1,7 4Q169 3–4 I 1,10 4Q169 3–4 I 1,11 4Q169 3–4 I 2,8f. 4Q169 3–4 II 2–4 4Q169 3–4 III 3 4Q169 3–4 III 6f.

222 222 304 186 186 222 222 222

4Q418 81,5

83

4Q171 3,8–13 4Q171 3,15 4Q171 4,8

167 187 185

4Q491 Fr. 1–3 9

199

4Q493 1–10

199

4Q175 4Q175 14–20

203 202, 510

4Q500 1

287

4Q181 1,3

337

4Q504 2,7–10

234

4Q213 Fr. 2 2,10–16 211, 214, 510 4Q213 Fr. 4 211

4Q511 561 4Q511 Fr. 1 1,5–10 195

4Q242

234

4Q540

4Q256 4Q256 9,8

191 192

4Q541 203, 510 4Q541 Fr. 9 1,2–7 203 4Q541 Fr. 9 1,2f. 203

4Q258 4Q258 1,7

191 192

4Q266–273 4Q266 Fr. 6 1 4Q266 10 I 12 4Q266 Fr. 18 1 4Q266 Fr. 18 5

202 191 510 202 200

4Q269 Fr. 13

202

4QpPs 37 2,14 4QpPs 37,3 4QpPs 37 3,6 4QpPs 37 3,12 4QpPs 37,15f.

203, 510

304 362 304 304 362

Tempelrolle (11QT) 11Q10 38,2f. 234 11Q19 2–13 174 11Q19 29,7–10 297

705

Stellenregister 11Q19 30–47 11QT21,1 11QT21,4 11QT22,4 11QT22,10–12 11QT23,9f. 11QT24,11 11QT29,7–8a 11QT29,8f. 11QT29,9f. 11QT29,9 11QT39,12 11QT40,14f. 11QT44,5 11QT44,14 11QT45–51 11QT57,11–15 11QT57,12 11QT58,13 11QT59,13 11QT60,6f. 11QT60,7–11 11QT60,12 11QT60,14 11QT61,8

174 199 199 199 199 199 199 557 561 167 197 199 199 199 199 197 201 199 199 557 199 199 199 199 199

Weitere Texte aus Höhle 11 234 11QPsa 19,13f. 2.4 Jüdisch-hellenistische Autoren Philo von Alexandrien (De) Abr(ahamo) 32 56

341 421, 442

(De) Agr(icultura) 114f. 252 177 252 180 252 Leg(um) All(egoriae) 1,10 341 (De) Cher(ubim) 25 39 81 96 99f.

333 341 252 348 268

(De) Decal(ogo) 71f.

244

(Quod) Det(erius Potiori insidiari soleat) 132 84 (De) Ebr(ietate) 65–77 66 138 144 152 177

260 261 348 263 263 252

(De) Exsecr(ationibus) 164 513 (In) Flacc(um) 45f.

252

(De) Fug(a et Inventione) 100f. 333 108–110 263 110 264 111 74 117f. 264 (Quis Rerum Divinarum) Her(es Sit) 84 262 166 333 199f. 265 205f. 262 221–225 267 (Quod Deus sit) Imm(utabilis) 7 349 8 406 75 252 131f. 84 134f. 263 134 84 Leg(atio ad) Gai(um) 156 152 157 252 191 152 212 152 225 257 281–283 251f. 281 257 288 257

706 299 315 346

Stellenregister 257 152 257

(De) Migr(atione Abrahami) 3 341 47 341 93 265 133 252 185 341 213 341 (De Vita) Mos(is) 1,149 1,216 2,43 2,5 2,71–145 2,81f. 2,88f. 2,94 2,95 2,97 2,98 2,101–103 2,102–105 2,133–135 2,134f. 2,134 2,138 2,214–216 2,224 2,232 2,276

265 260 252 260 148, 267 316 294f. 348 333 333 267 267 267 264 264 260, 262, 265 261 84 265 252 348

123 162–172

267 252

(Quod Omnis) Prob(us Liber sit) 26 252 75–91 186 75 194, 201 110 252 141 252 (De) Prov(identia) 58 252 Q(uestiones in) E(xodus) 1,10 264f. 2,40 337f. 2,73–81 267 2,76 252 2,91 316 2,105 264 (De) Sacr(ificiis Abelis et Caini) 12 406 (De) Sobr(ietate) 62 66

267 421, 442f.

(De) Post(erietate Caini) 27 337 66 341 68 341 185 348

(De) Somn(iis) 1,145f. 1,149 1,215 1,243 1,255 2,72 2,77 2,134 2,183 2,185–189 2,185 2,188f. 2,225–231 2,230ff. 2,231–233 2,246 2,249 2,251

252 267 263, 267, 341 265 341 348 263 252 263 264 61, 264 262 338 262 262 257 263 267

(De) Praem(iis et Poenis) 93 513 97 564

(De) Spec(ialibus) Leg(ibus) 1,63 261 1,66–119 260

(De) Op(ificio Mundi) 29–35 452 143–146 265 (De) Plant(atione) 41 341 164 348

707

Stellenregister 1,66–68 1,66f. 1,66 1,67 1,69 1,76–78 1,80f. 1,82–97 1,96f. 1,97 1,108 1,110 1,114–116 1,115f. 1,116 1,132–141 1,145 1,151 1,152 1,171 1,172 1,205 1,209 1,229f. 1,244 1,249 1,268 1,277 1,283 1,290 2,62 2,145–148 2,163 2,164 2,167f. 3,135 3,205–209 4,69 4,190f. 4,191

257 148, 267, 294f. 266 266 153 152 261 267 265 264 61 61 264 262 260, 262, 264 55 54 54 348 341 267 263 449 264 260 348 55 341 341 341 255 265 265 266 265 262 261 264 84 348

(De) Virt(utibus) 120 130 187

264 349 244

Flavius Josephus Ant(iquitates Judaicae) 1,224–226 146 2,66 349 3,102–279 148

3,123 3,132 3,145f. 3,180f. 3,181 3,182 3,183–187 3,183 3,202 3,217f. 3,227 3,276f. 3,277 3,279 4,15 4,23 4,69–75 4,72 4,79–81 4,113 4,165 4,200 4,223f. 4,248 4,303 4,304 4,313 4,329 5,22–32 5,263 6,67 6,337 7,333 7,365–367 8,227–228 8,395 9,43 10,151–153 11–12 11f. 11,40 11,71 11,77 11,80–83 11,99 11,111–113 11,111 11,188 11,302–347 11,308 11,310 11,312

148, 316 148 148 148 56, 148, 244 148 148 148 148 83 54 61 61 73 223 223 55 349 55 340 246 147 249 56 246 82 246 246 238 348 349 349 146, 348 54 223 82 348 247 122 51 62 61 349 161 159 83 123 349 122, 155 155 155, 157 157

708 11,317–339 11,317–319 11,317 11,321–323 11,324–339 11,327 11,340f. 11,347 12,1–237 12,8–10 12,157–222 12,160 12,223–229 12,224 12,228–236 12,237–239 12,237 12,257 12,265 12,387f. 12,388 13,45 13,46 13,55 13,62–73 13,63 13,64 13,68 13,72 13,74–79 13,101 13,166 13,171–173 13,171 13,254–256 13,255–266 13,256 13,285 13,288–298 13,289 13,291–292 13,292 13,296 13,297f. 13,297 13,298 13,299f. 13,372f. 13,372 13,380 13,383–387 13,396

Stellenregister 123 248 123 155 248 123 157 124 124 156 124 124 509 124 124 158 158 157 243 127 159 127 188 348 127, 158 159 159 159 159 156 349 124 186, 218 227 157 245 157 159 181, 218, 223 224, 227 141 61 183 183, 224 227 182 245 223 61 135 127 182

13,399–418 14,41 14,65–67 14,65 14,67 14,72 14,110–112 14,114f. 14,185–267 14,300 15,40f. 15,51–56 15,51 15,380–425 15,385 15,390 15,400 15,408 15,411–416 15,416 16,163 16,164 16,182 16,187 17,26 17,41–44 17,41 17,56 17,149–155 17,150 17,166 18,4–10 18,9 18,13 18,15 18,16f. 18,18–22 18,19 18,85–87 18,116–119 18,259f. 18,288–298 18,311–313 19,278 19,352 20,97f. 20,106 20,165f. 20,167f. 20,168 20,169–171 20,169

220 128 247 348 348 147, 315 152 251 152 56 248 128 62 172 159, 174 54, 56f. 174 152 301 152 152 255 332 223 153 219 52 449 285 173 348 148 147 227 220, 225 182 186 196, 201 236 233 260 180 152 447 349 228, 237 349 170 238f. 229 228, 237 238

709

Stellenregister 20,171 20,181 20,185–187 20,189–196 20,199 20,205–207 20,206 20,216–218 20,218 20,220 20,224–251 20,235–237 20,236 20,237 20,251 20,255f.

238 304 239 130 182f. 56 304 56, 226, 244 348 152 247f. 127 159 188 249 244

(Contra) Ap(ionem) 1,29–36 61 1,31 59 1,32f. 257 1,54 82 1,188 54 2,108 54 2,148 249 2,164–166 249 2,164f. 123, 249 2,184–187 84 2,185 249 2,186–188 244 2,186 59, 244 2,192 344 2,193 59, 147 2,194 84 2,209f. 249 (De) Bell(o Judaico) 1,3 246 1,10 246f. 1,31–33 127, 158 1,33 159 1,62f. 157 1,63 157 1,68f. 245 1,90–92 220 1,107–114 220 1,110 52, 225 1,148–152 247 1,152 147 1,229 147 1,401 174 1,437 128

1,648–651 1,650 2,119–161 2,129 2,162f. 2,162 2,166 2,169–174 2,259 2,261–263 2,261 2,280 2,320 2,321 2,390 2,409–414 2,409 2,411–414 2,417 2,441 2,455 2,258–260 2,259 3,52 3,108f. 3,352 3,399–408 4,148 4,153–157 4,156f. 4,182 4,318 4,323 4,324 4,458f. 4,622–626 4,629 5,14 5,16 5,18 5,19f. 5,184–247 5,184–237 5,184–206 5,187 5,192 5,207 5,208 5,212f. 5,214 5,215 5,230

285 153 186 195 227 52 221 153 229 228, 237 238 153 147 56, 244 247 147 348, 353 353 348 130 247 238 239 146 246 82, 223, 246 246 248 130 244 56, 244 248 170 148 295 246 246 348 348 56, 244 247 172, 174 148 408 152 174 174 316 148 316 159 55

710 5,272 5,367 5,375–394 5,378 5,400 5,412 5,415 6,271 6,289–299 6,300–309 6,335 6,423–427 7,218 7,420–432 7,423–432 7,426–430 7,427 7,432 7,437–450 Vit(a Josephi) 1–6 1f. 1 1,1 1,2 10–12 191 197f. 197 422 424f.

Stellenregister 288 247 82 247 295 247 246 56, 244 317 241 152 153 152 127 158 159 159 159 239 223 56, 243 61, 244 278 243 217 52 52 56, 244 57, 244 239

2.5 Rabbinische Literatur Mischna (Pirke) Avot mAv 1,1 Bek(orot) mBek 2,4 mBek 5,4

226 301 304

Ber(akhot) mBer 9,5c

303

Bik(kurim) mBik 1,5

61

Git(tin) mGit 5,8

257

Hag(iga) mHag 2,7

221, 224

Hor(ajot) mHor 3,8

77

Kel(im) mKel 1,6–9

76

Ker(itot) mKer 1,7

304

Ket(ubbot) mKet 4,8f.

61

Makh(schirin) mMakh 5,9

222

Meg(illa) mMeg 3,3

600

Men(ahot) mMen 5,3 mMen 5,5 mMen 6,1

353 353 353

Mid(dot) mMid 1,1 mMid 2,1 mMid 2,5 mMid 5,4

56 174 56 84

Par(a) mPar 3f. mPar 3,7–8

55 222

Qid(duschin) mQid 4,1–7 mQid 4,1 mQid 4,4

61 77 62

Sheq(alim) mSheq 1,3 mSheq 5,3 mSheq 6,5 mSheq 7,2

304 301 301 301

Sot(a) mSot 4,1

61

711

Stellenregister mSot 8,3 Suk(ka) mSuk 5,6

61 54

Ta΄an(it) mTaan 4,1 mTaan 4,2 mTaan 4,5 mTaan 5,1 mTaan 7,2

81 56 59 81 81

Toh(arot) mToh 8,9

222

Yad(ajim) mYad 4,6f. mYad 4,7 mYad 4,8

224 222 224

Yev(amot) mYev 4,13 mYev 6,2 mYev 6,4 mYev 9,1–6

59 61 61 61

Yom(a) mYom 3,6 mYom 5,2

75 411

Zev(ahim) mZev 4,5

353

Par(a) tPar 3,8

222

Pes(achim) tPes 4,15

153

R(osh) H(aschana) tRH 4,1 77 Shab(bat) tShab 1,15

224

Sheq(alim) tSheq 3,9

301

Talmud Bavli A(voda) Z(ara) bAZ 3a

258

B(aba) B(atra) bBB 3b-4a bBB 4a bBB 10a

173 145 225

Ber(akhot) bBer 10b bBer 26b bBer 32b bBer 55a

258 96 96 150

Hul(in) bHul 49a

258

Ket(ubbot) bKet 105b

258

Meg(illa) bMeg 26a

153

Men(ahot) bMen 110a

96

Ned(arim) bNed 62a

258

Pes(achim) bPes 57a

130, 154

Sanh(edrin) bSanh 26b bSanh 37a

432 146

Tosefta Hag(iga) tHag 3,35 Ker(itot) tKer 1,20 Ket(ubbot) tKet 12,6 Meg(illa) tMeg 2,7 tMeg 3,22 Men(ahot) tMen 13,18–23 tMen 13,21

224 258 302 77 600 304 130, 304

712

Stellenregister

bSanh 38a bSanh 59a bSanh 97b bSanh 99b

411 258 225 225

Shab(bat) bShab 86b bShab 87a bShab 114a bShab 118b

441 441 289 115

Suk(ka) bSuk 51b

152, 408

Ta´an(it) bTaan 23a Yev(amot) bYev 105a

Mekh(ilta de Rabbi) Y(ischmael) 10 170 48,16–18 550 M(idrasch) Shir (ha-Shirim Rabba) 1,5 289, 412, 496 1,6,4 394 M(idrasch) Teh(illim) Ps 98 496

145 Midrasch Tanna deBe Eliyyahu 16 223 96

Yom(a) bYom 39b bYom 54b bYom 86b

312, 317 411 225

Zev(ahim) bZev 19a

441

Talmud Yerushalmi Ta´an(it) yTaan 52–57 yTaan 64a yTaan 68a

59 225 59

Yom(a) yYom 3,40 yYom 5,4 yYom 6,43c

289, 412 432 312

Midraschim & Targumim Ber(eshit) R(abba) 16,5 150 55,7 146 Shem(ot) R(abba) 20,5 23 30,13 51,4

Bem(idbar) R(abba) 12,13 149 13,19 148 15,10 170

159 496 490 490

Pes(iqta Rab) K(ahana) (Debarim Raba) 4 70 Pes(iqta) R(abbati) 6,6 149 47,4 304 Abot R(abbi) Nat(an) A4 304 A5 183 B 10 183 B 55 153 T(argume) TGen 2,15 TEx 19,6 TEx 28,29 T1Sam 2,17–32 T1Sam 2,35 T2Sam 7,13 TJes 5,1–4 TJes 5,2 TJes 5,5 TJes 26,1 TJes 28,1–4 TJes 28,9–13 TJes 28,16 TJes 32,14 TJes 52,13 TJes 53,5 TJes 57,17 TJes 59,2

150 490 411 304 171 171 171 159 171 496 304 171 411 171 171 170f., 297f., 561 171 171

Stellenregister TJes 63,17f. TJer 33,21f. TEz 37,26–27 TJoel 2,25 TSach 4,7 TSach 6,12–15 TSach 6,12f. TPs 118,22ff. TCant 1,1 TEsth I 1,1 TDan 5,9 TDan 5,13–14 TDan 5,13

171 171 557 498 561 561 170f., 297 411 496 498 561 561 512

Tan(huma) Tan Gen 6,20

410f.

3. Neues Testament Matthäusevangelium 1,1–16 59 2,4 129 2,11 349 3,7–10 232 3,7 232 3,9 232 3,12 232 4,24 349 5,2–5 491 5,8 566f. 5,10 546 5,14–16 452 5,17 284 5,23f. 283, 308 5,48 424 6,9 350 6,12 234 7,24f. 408 8,2–4 280 8,4 226, 277, 281 8,16 349 9,2 349 9,13 286 9,14 232 9,18 545 9,32 349 10,5f. 457f. 10,17f. 388 10,19 388 11,9 229, 247 11,11 229

11,12f. 11,13 11,14 11,28 11,30 12,1–8 12,4f. 12,4 12,5f. 12,6 12,7 12,22 12,29 12,32 14,35 15,17ff. 16,1–6 16,18f. 16,18 16,21 17,1 17,16 17,23 17,24 17,24–27 17,25f. 17,27 18,18 18,23 19,28 20,16 20,19 20,25 20,28 21,13 21,15ff. 21,23 21,25 21,26 21,33–46parr 21,42–44 21,42 21,43 21,44 21,45 22,11 22,14 22,15–22 22,16 22,19

713 229 281 247 229 229 286 277 419 286 319 286 349 517f. 525 349 227 278 518 297, 412, 417 129, 294 425 349 294 152 284, 289, 580 284 284, 289 282 345 457, 491, 512f., 543f., 547–549, 568, 590 452 294 358 305, 487 419 303 285 233 247 287–289, 308, 580 431 408, 412f. 287, 447 408 288 74 440, 452 278 224 349

714 22,23–33par 22,34 23,2–3 23,2f. 23,5 23,7 23,21f. 23,21 23,25f. 23,27–33 23,27–31 23,37–39 23,38f. 24,26 24,30 25,19 26,14 26,55 26,60f. 26,61par 26,65 27,3–10 27,6 27,25 27,31 27,40 27,50–54 27,51–53 27,51 27,60 27,62–66 27,62 27,63 28,3 28,10 28,11 28,16–20 28,19f. 28,19 28,20 Markusevangelium 1,9–11 1,9 1,10 1,11 1,17 1,40–45 1,43f. 1,44parr

Stellenregister 221, 278 221 226 226 224, 226 224 308 143 224 224 226 242, 306f. 458 240 481, 484 345 129 285 277 290–299 314 286 152 306 74 290, 293 313 313 314, 408 408 286 129 294 75 306 286 306 457 458 503

2,1–12 2,5–10 2,5 2,7 2,12 2,14–16 2,18par 2,21 2,23–28 2,26 3,1–7a 3,1–6 3,11 3,14–16 3,27 5,21–43 5,41 5,42 6,45–52 6,51 7,1–5 7,15 8,27ff. 8,29 8,31–33 8,31parr 9,2 9,3 9,11ff. 9,31par 10,13par 10,30 10,33f. 10,33 10,34 10,35–45 10,38f.par 10,45par 11,11 11,15–17parr

317 317 314, 317 314, 317 489 277, 280 280 84, 226, 277, 280f., 283, 289, 580

11,17 11,18 11,19c 11,27–33parr 11,30 12,1–12 12,10f. 12,10

277f., 281–283, 289, 580 281 282 282f. 283 224 224, 232 314 224, 277 277, 419 277 224 314 489 518 283 283 283 283 283 224 227 228 314 314 129, 286, 294, 413 425 75 228 294, 413 349 525 413 286 294 513 317 283, 305, 318, 377, 487, 498, 580 298 277, 279f., 299307, 562, 580 131, 285, 300, 305, 419 286, 307 229 277, 286 233 308 431 408, 412f.,

Stellenregister 12,13–17 12,18–27 12,33 12,35 12,38–40 12,38 12,41–44 12,41 12,43 13,1f.par 13,2 13,9–13 13,11 13,13par 13,20 13,22 13,26f. 13,27par 14,1 14,10 14,12 14,22–24 14,24par 14,43 14,47 14,49 14,53ff. 14,53 14,55–64 14,57–59 14,57f. 14,58par 14,61ff. 14,61f. 14,63f. 15,1 15,10 15,11 15,22 15,29 15,31f. 15,33–39 15,37–39 15,37f. 15,37 15,38parr 15,39 15,46 16,5

278 278 286 285 226 226 308 285 285 145, 290–293, 408 291–293, 585 388 388 390 440, 547 240, 440 547 440 286 286 497 283 305, 318, 377, 580 286 286 285, 299 286 129 292 277 291 279f., 290–299, 310f., 374, 377, 410, 562, 580, 585 283 314 314 286 286 129 314 290, 293, 297 286 314 313–319 580 314, 317 280, 310, 313–319, 333, 339, 597 313–319 408 75

Lukasevangelium 1,5–2,52 1,5–23 1,5 1,8f. 1,9 1,11f. 1,15 1,17 1,22 1,67 1,76 2 2,25ff. 2,25 2,36ff. 2,36 2,37 2,41–51 2,41 2,46 2,49 3,7–9 3,7 3,17 3,23–38 4,29 5,12–16 5,14 5,33 6,4 6,36 6,48 7,5 7,14 7,26 7,27 7,28 7,35 8,6 8,13 8,54 9,22 9,29 9,51 10,16 10,17–19 10,18 10,29–37 10,31 11,2 11,39

715

311 310 232, 285 277 277 247 233, 247 247 247 247 247 313 311 152 311 59 152 311 152 311 311 232 232 232 59 404 280 226, 277, 281, 285 224, 232 277, 419 424 404, 408 447 283 229 247 229 229 408 408 283 294, 312 75 312 602 518 515 285 277, 285 350 224

716 11,42 11,43 11,44 11,47f. 11,51 12,50 12,58 13,12 13,33 13,34f. 15,22 15,32 16,16 17,14 18,7 18,9–14 18,10 18,12 18,13 18,18 18,30 18,33 19,28–48 19,43f. 19,45–21,38 19,46 19,47 20,1–21,38 20,4 20,6 20,9–19 20,17f. 20,17 20,18 20,19 20,20–26 20,27–38 20,46f. 20,46 21,1 21,5f. 21,12–17 21,14f. 21,20–24 22,7 22,28–30 22,30f. 22,30 22,53 23,2 23,10

Stellenregister 224 226 226 226 419 317 358 283 312f. 307 74 540 229, 281 84, 277, 281 440 311 307 224 234 358 525 294 310f. 311 311 419 285 311 233 247 308 412, 431 408, 412f. 408, 412 129, 288 278 278 226 226 285 312 388 388 311 497 549f. 491 512f., 543f., 547f., 568, 590 285, 299 447 129

23,11 23,13 23,14 23,36 23,44–47 23,44f. 23,45 24,4 24,5 24,7 24,20 24,46 24,51 24,52f. 24,53

75 358 349 349 313 314 311 75 413 294 286, 358 413 425 311 152, 309f., 321

Johannesevangelium 1,14 555 1,19 277 1,29 497 1,36 497 2,13–22 301 2,14f. 303 2,16b 419 2,19 290–296, 407 3,1 358 3,16 486 3,32f. 480 3,36 435 4,14 413 5,29 545 6,35 413 7,26 358 7,32 129 7,48 358 8,2 285 8,3 338 8,12 452 8,20 285 10,11 487 10,15 487 10,17 487 10,36 350 11,25 545 11,43 283 11,48 447 11,50–52 447 11,50 123 12,10 130 12,31–33 518 12,31 515 13,1 486

Stellenregister 13,10 13,18 13,34 14,21 15,4–10 15,9 15,12 15,13 15,16 17,17 17,19 18,13 18,20f. 18,28 18,35 18,36 18,37 19,6 19,24 19,29 19,36f. 19,37b 20,12 20,23

298 440 486 486 338 486 486 486 440 350 350 129 285 298 447 491 480 130 314 349 497 481, 484 75 282

Apostelgeschichte 1,3 1,10 2,5–12 2,5 2,15 2,22–36 2,23f. 2,36 2,46f. 2,46 3,1–4,4 3,1–26 3,1–11 3,1ff. 3,1f. 3,1 3,11 3,12–26 3,12ff. 3,14f. 3,17 4–7 4–5 4,1–22 4,1ff. 4,1

413 75 153 152 255 309 413 489 307 309, 311, 321 311 321 311 312 152 255, 307 309 309 311 413 386 371 207 309 311 182

4,2 4,3 4,5 4,6 4,8–12 4,10 4,11 4,23 4,26 5,12 5,17–41 5,17 5,19–21 5,20f. 5,21 5,24 5,25 5,26 5,27 5,29–32 5,30 5,36 5,42 6,7 6,13 6,14 7 7,1 7,2–53 7,13 7,17 7,19 7,38 7,42f. 7,42 7,43f. 7,44–50 7,44 7,46ff. 7,48f. 7,48 7,49f. 7,57 9,1 9,14 9,21 10,4 10,9 10,22 10,30 10,39f. 10,40

717 309 311 358 130, 287 309 413, 457 309, 408, 412, 434 287 358 309, 311 309 182f., 287 321 311 287, 457 287 311 311 287 309 413 228, 237 307, 309, 311, 321 277 311 290–293 309, 313, 322 287 311 440 440 440 311 311 457 311 311 311 311 143 295, 410 311 74 287 287 130, 287 426 255 447 75 413 294

718 12,21 13,26 13,29–31 13,29f. 13,50 14,2 14,4f. 14,5 15,13–21 15,40 16,7 16,19–40 16,19–22 16,19 16,22 16,25 17,4 17,5–9 17,8 17,10 17,13 17,14 17,24 17,28f. 18,5 18,18 18,22 19,9 19,14 19,23–40 20ff. 20,22f. 20,24 20,28 20,32 21,11ff. 21,15–22,29 21,23–26 21,26–30 21,26f. 21,26 21,27–40 21,27ff. 21,28f. 21,30 21,38 21,62 22,5 22,17–21 22,17 22,22f. 22,30

Stellenregister 74 440 413 413 388 435 388 358 312 396 395 388 388 358 74 396 396 388 388 396 388 396 295 440 396 372 372 435 130 388 207 312 358 448 350 312 311 372 372 381, 582 312, 321, 349, 372 388 152, 312 355 312 228, 238 429 287 312 372 313 287

23,2 23,4 23,5 23,6–9 23,14 24,1 24,2 24,10 24,17 25,2 25,15 26,4 26,10 26,17f. 26,18 26,20f. 26,23 28,19 28,24f. 28,30f. Römerbrief 1–11 1,1–17 1,1–7 1,1 1,5f. 1,7 1,8–17 1,9f. 1,9 1,10 1,11 1,14f. 1,25 2,2 3,21–26 3,24f. 3,25f. 3,25

3,26 4,5 4,25 5–8 5 5,1f. 5,1

287 287 287, 358 221 287 287 447 447 349, 447 287 287 447 287 452 350 313 480 447 313 395

340 347 347 452 347 328 354 347 322, 342, 347, 351 347 427 347 342, 490 357 331 498 331f., 335f., 371, 377 310, 322, 324, 331– 336, 339, 359, 372f., 376–378, 487, 562, 580f., 585, 595 339 339 331, 335 336 512 334–336, 378, 595 336

Stellenregister 5,2 5,6–10 5,8 5,17 6,6 6,12 6,13 6,16 6,17–19 6,18 6,19 6,21 6,22 7,4–6 7,14 8,28ff. 8,29 8,30 8,32 8,33f. 8,33 8,34f. 8,37 8,38 9–11 9 9,4f. 9,4 9,5 9,13 9,25f. 9,25 9,26 9,27–29 9,30–10,4 9,32f. 9,33 10,4 10,19 11,1 11,11–32 11,16 11,20 11,25f. 11,25 11,26 11,30f. 11,32

336–340, 359, 372f., 379, 406f., 562, 581, 586, 597 351 486f. 511–513, 548, 568, 590 485 553 340 340 369 498 326, 329, 340, 378 453 326, 329, 498 453 427 437 480, 484 452 331 515 440, 458 486 487 358 340, 455, 458 454 371 322, 335, 341f. 479 486 402, 431, 438, 454 396 453 438 430 396, 401f., 408, 412, 431, 437 411, 430, 434f. 380, 423, 582 447 59 456 322 338 458 355 355, 373 453 340

11,33–36 11,36 12,1–15,13 12,1ff. 12,1f. 12,1

12,2 12,3–8 12,4–8 12,9–21 13,6 13,7 13,12–14 13,13 14,4 14,5f. 14,9 14,20 15,14–33 15,14–21 15,15f. 15,16–21 15,16

15,18 15,19 15,22–24 15,25f. 15,25 15,26ff. 15,26f. 15,27 15,28f. 15,30–33 15,31 15,32 15,33 16,1 16,13 16,25–27 16,26 16,27

719 340 490 340 379, 581 357, 369 4, 13, 322, 335, 340–345, 346, 354, 360, 365, 371, 380, 382, 425f., 581, 586, 597 342, 447 470 342, 358 342 347 358 452 447 338 380 540, 545 322 347 347, 354 347 347 13, 322, 324, 328, 330, 335,346, 347– 357, 359, 360, 375, 378, 380, 422, 426, 460, 468, 581, 586, 595, 597 347 207, 312, 355, 373 347 207 358, 373 354 373 427 347 347 207, 358, 435 347 490 358, 394 440 478f. 347 490

720 1. Korintherbrief 1,1 1,2 1,9 1,10–4,21 1,18 1,23 1,27 1,30 2,2 2,4 2,6 2,8 2,13 2,14 2,15 3 3,1 3,2 3,5–17 3,5 3,6–8 3,9–17 3,9–15 3,9 3,10–17 3,11 3,12–15 3,16f

3,16 3,17b 4,1 4,8 4,9–13 5–6 5 5,7f. 5,7 5,9–13 5,9f. 5,9 5,10 6

Stellenregister

452 323, 328–330, 350, 359, 363, 378f., 581, 586, 597 452 361 343 496 433 328–330, 334, 359, 368, 378, 498, 586, 597 496 343 358 358 427 427 427 364 427 399 361 358 399 399 415 399, 419 13 297, 372, 420 362 297, 322, 356, 361– 364, 365f., 370– 373, 375, 377, 415, 419f., 561f., 581, 585 361f., 365, 379, 383 362 351, 358 501, 512f. 351 329, 366 324 369 334, 376, 497, 580, 585 364 379 375 375 323

6,2f. 6,2 6,9–11 6,9f. 6,11 6,12–20 6,12–14 6,15–20 6,15 6,16f. 6,16 6,18f. 6,18 6,19f. 6,19

6,20 7,14 7,15 7,17–24 7,22f. 7,23 7,37 8,1–13 8,7 8,10 9 9,4f. 9,9 9,11 9,12 9,13 10,1–11,1 10,1–22 10,3 10,4 10,11 10,12 10,14 10,16 10,20f. 10,32 11,17–34 11,23–25 11,25 12,1

543, 565 512f., 543f., 547, 590 365, 369, 453 329 328f., 334, 350, 359, 368, 378, 488, 581, 586, 597 364 364 364f. 365, 372 365 365 379, 581 375 13 322, 356, 361, 364– 367, 372, 375, 415, 420, 460, 561f., 581, 585 365, 488, 498 322f., 365 452 452 498 488, 498 338 477 369 404 330 358 330 345, 427 358 13, 322, 330f., 351, 360f. 477 369 427 399, 408, 427 525 338 375 321 367, 375, 379 440, 499 321 376, 580 487 427

721

Stellenregister 12,4–31 12,4–11 12,5 13,12 14,1 14,17 14,36 14,37 15,1 15,3 15,4 15,20 15,23–28 15,24 15,28 15,44 15,46 15,51f. 15,54 16,1–4 16,3 16,8 16,13 16,15 16,19 16,22

470 358 503 567 427 404 343 427 338 334 294 480, 484 514 564 564 427 427 547 343 373 207 394 338 426 394 565

2. Korintherbrief 1,1 1,18 1,19 1,20 1,24 2,14–7,4 2,14–16 2,14 2,15 2,17 3,3 3,6 3,7ff. 3,8 3,9 3,17 4,2 4,3f. 4,4 4,5 4,6 4,7–12 5,1 5,7

323, 328 343 396 464, 479 338 351, 367 322, 380, 586 351, 428 351 343 351, 380, 586 351 351 351, 380, 586 351 351, 585 343 518 525 351 452f. 351 295, 297, 410 339

5,10 5,14f. 5,17 5,18–20 5,19f. 5,19 5,20 5,21 6,2 6,3–10 6,4 6,13 6,14–7,1

6,17 6,18 7,1 7,2 7,11 8–9 8,4 8,12 8,19f. 9,1 9,7 9,12f. 10–13 10,8 11,14f. 11,14 11,26 12,21 13,10

437 486 373 351, 380, 586 602 343, 351 351 376, 580 339, 350 351 358 367 324, 334, 367f., 378, 447 368 372 557 322, 361f., 365, 367–370, 372–379, 383, 415, 419f., 557, 561f., 581, 585 322, 368f., 557 557 369, 379, 581 367f. 322 207, 373 358 350 358 358 486 358 368 358 369 518 440 369 358

Galaterbrief 1,1–5 1,1 1,2 1,4 1,5 1,8 1,14 1,15 2,9 2,18

477 477 395, 477 477, 487 478f., 490 565 219, 440 452 374 297

6,14 6,15 6,16–18 6,16

722 2,20 3,13 3,16 3,28 4,3–9 4,5 4,23ff. 5,1 5,13 5,14 6,1 6,16 Epheserbrief 1,1 1,3 1,7 1,14 1,20–22 1,21 1,22f. 2 2,1–7 2,2 2,4f. 2,4 2,10 2,11–13 2,18–22 2,18ff. 2,18 2,19–22 2,19 2,20–22 2,20 2,21f. 2,21 2,22 3,12 3,17 3,20f. 3,21 4,1 4,4–6 4,4 4,12 4,16 4,17f. 4,22–24 5

Stellenregister 373, 486f. 488, 498 558 207, 382, 582 453 488, 498 207 338, 498 452, 498 343 427 457

323, 328 427 498 448 503 525 503 420 453 518 485 485f. 489 453 4 338 336, 339, 597 415, 419f. 419 396, 431 404, 407, 412, 420, 430, 432 420 399, 419 375, 420 336, 338 362 478 490 452 503 452 399, 419 399, 419 452 74 367

5,2 5,5 5,8–14 5,8f. 5,8 5,19 5,25 6,11ff. 6,11f. 6,12 Philipperbrief 1,1 1,14 1,27–2,18 1,27 2,6–11 2,12–18 2,17

349, 425f., 486f., 498, 601 322 452 452f. 453 427 486f. 74 518 427

4,20

323, 328 343 357 338 331 357 322, 351, 357, 360, 380, 422, 426, 460, 586, 595, 597 13 348 356 4, 342, 354 59, 352, 440 512 345 346 13, 322, 345f., 351, 360, 380, 422, 425f., 460, 586, 595, 597 479, 490

Kolosserbrief 1,2 1,9 1,12f. 1,14 1,18 1,28 2,7 2,11 2,12f. 2,15 3,7–10 3,12 3,15 3,16

323, 328 427 452 498 480, 484, 503 426 362, 404 295 453 503, 518 453 74, 440 452 427

2,18 2,25 3,3f. 3,3 3,5 3,12–14 4,10–20 4,17f. 4,18

723

Stellenregister 1. Thessalonicherbrief 396 1,1 1,4f. 326 1,4 486 1,6 343 2,10 334, 351, 368, 378 2,12 452 2,13 343 2,14–16 371 2,14 388 3,8 338 3,13–5,23 325–328 3,13 325, 359, 379, 581, 586 4,1–12 325 4,1–8 326, 359, 379, 581, 586 4,3–5 326 4,3f. 325 4,3 326, 329 4,4 329 4,7 326, 329, 452 4,8 326 4,13–18 514 4,17 339 5,1–22 325 5,4–8 452 5,4f. 452f. 5,9 436, 448 5,11 404 5,23 325f., 350, 359, 379, 581, 586 5,24 452 2. Thessalonicherbrief 1,1 396 2,13 486 2,14 448 2,16 485f. 1. Timotheusbrief 1,20 2,5f. 2,6 3,15 6,16

518 498 487, 586 419 479

2. Timotheusbrief 1,9 2,10 2,11f.

452 440 512

2,12 2,26 4,6 4,18

511–513, 548, 568, 590 518 357, 426 479, 490

Titusbrief 1,1 2,14 3,5f.

440 479, 487f., 498 486

Hebräerbrief 1,3 1,7 2,5–7 2,11 2,14 3,1–6 4,16 7 7,5 7,11–28 7,11–14 7,20 7,24 7,25 7,27 8,1f. 8,2 8,5 8,13 9f. 9,1 9,5 9,6 9,9 9,11 9,13f. 9,14 9,22f. 9,23f. 9,24–28 9,24 9,26 9,28 10,1 10,2 10,5f. 10,9 10,10 10,11

488 348 565 350 518 419 338, 406 422, 605 277 424 277 277 277 406f. 425 419 348 560 424 333 371 332f. 371 560 295, 410 350 488 488 560 322 295, 410 425, 525 547 406f., 560 488 349 424 349f., 597 277

724 10,14 10,18 10,19–22 10,19f. 10,19 10,20–22 10,21f. 10,22 10,29 10,39 11,6 11,13 12,6 12,14 12,18 12,22ff. 12,22 13,10f. 13,12 13,15f. 13,15 13,16 13,21 13,24 1. Petrusbrief 1,1 1,2 1,3–2,10 1,3–12 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7–9 1,7 1,8 1,10–12 1,12 1,13–2,10 1,13–17 1,13 1,14 1,15f. 1,15 1,16

Stellenregister 349f., 597 349 338 339 597 597 419 406 350 448 338, 406f. 462 486 566f. 406f. 338 406f. 333 350 426 425f. 425 479, 490 394

1,17

391, 394–396, 440, 462f. 424, 435, 437, 458, 468, 597 397f., 454 397 397, 413, 428, 452, 454, 490 428, 456 448 386, 388, 391 398 414, 428, 434 406 456 395, 397 397f., 404 398 398, 406, 424, 428 386, 398f., 417, 424, 453, 466 72, 398, 424, 458, 464, 597 398, 424, 452 429

2,4–8 2,4–6 2,4–5 2,4

1,18–21 1,18f. 1,18 1,19 1,20 1,21 1,22–2,3 1,22 1,23–25 1,23 1,24f. 2 2,1–10 2,1–3 2,1 2,2 2,3 2,4–10

2,5

2,6–10 2,6–8 2,6–7 2,6b-7a

394, 399, 417, 437, 452 398, 455 497 398, 424, 453, 465f., 488 398, 414, 428 465 398, 428, 452, 457 451 398f., 406, 417, 424 398, 435, 465 413, 428 429 419, 469 398, 400, 468 398, 400, 406, 419, 435 466, 498 342, 398f., 417, 428, 448, 468 398f., 403, 406, 433, 468 4–8, 385–470, 551, 587f., 593, 595f., 611, 613 399, 431, 435 396, 400 397–429 338, 398–405, 405– 414, 418, 420, 423f., 428f., 433f., 437, 440, 459–461, 468, 588, 597 2, 23, 95, 97, 327, 342f., 349, 353, 374f., 397–407, 414–429, 433, 437, 440, 443–445, 447, 450f., 455f., 459– 461, 466–468, 471, 489, 492–494, 513, 551, 568, 573, 587f., 592, 595– 599, 606, 608, 611f. 400–403, 429–455 396, 399–405, 408, 412, 418, 429, 437f., 588 398, 400 402, 434

Stellenregister 2,6

2,7–10 2,7f. 2,7 2,7b-8 2,8 2,9–10 2,9

2,10 2,11–5,12 2,11–4,11 2,11–3,12 2,11–20 2,11–17 2,11ff. 2,11 2,12–17 2,12 2,13–17 2,13f. 2,15 2,16 2,17 2,18–25 2,18–20 2,19–25 2,19ff. 2,19f. 2,19 2,20 2,21–25 2,21 2,23 2,25

400, 402, 405, 411, 420, 424, 430, 432f., 434–436, 440, 588 400 461 400, 405, 414, 433f., 439, 448 402, 434, 439 398, 405, 409, 434f. 439f. 386, 400–405, 418, 437–455, 457, 460f. 2, 95, 97, 353, 387, 398, 400f., 405, 417–427, 433, 437– 453, 454f., 461, 466f., 471, 483, 489, 492–494, 513, 551, 568, 573, 587f., 592, 595f., 599, 608, 611f. 396, 397–402, 405, 431, 438, 453–455, 466 397 397 455, 465 398 399 451 394, 399, 462 439 386, 388, 391, 397, 406, 414, 426, 429, 436, 447, 450f., 595 387, 391, 414 388 391 388, 565 414 414 387f. 386 386 391 388, 462 388, 406 398, 467 452 391, 406, 452 428, 445

3,1–17 3,1–7 3,1–6 3,1f. 3,1 3,2 3,4 3,5 3,7 3,8 3,9 3,10–12 3,12 3,13–18 3,13–17 3,13ff. 3,13f. 3,13 3,14–17 3,15f. 3,15 3,16f. 3,16 3,18–22 3,18f. 3,18 3,20f. 3,21f. 4,1–13 4,1–6 4,1 4,3f. 4,3 4,4 4,5 4,7–11 4,7 4,10f. 4,10 4,11 4,12–5,11 4,12–19 4,12–16 4,12–14 4,12ff. 4,12 4,13 4,14–19 4,14f. 4,14 4,15

725 398 414 388 387, 436 435f., 451 426 428 424 414, 456 414 386, 391, 451f. 433, 455 428 386 391, 414 386 388 391 391 426, 439 388, 397, 424, 451, 457, 462, 595 388 391, 433 398, 455 406 338 456 413 398 414 386, 388, 397, 462 388, 392, 424 387, 447, 466 386, 388, 391 452 445 428 470 428 426, 428, 450, 490 397 386, 391 414 462 386 386–388, 391, 428 434, 467 398 388 391 388

726

Stellenregister

4,16 4,17 4,19 5,1–9 5,1–5 5,1 5,2 5,4 5,8–10 5,8f. 5,8 5,9f 5,9 5,10f. 5,10 5,11 5,12 5,13

386, 391, 433, 462 418, 435 388 398 445 445 428 428, 445 391 462 518 386, 388 386, 391, 396 398, 414 428, 452 426, 479 338, 386 386, 393f.

2. Petrusbrief 1,3 2,1 3,8 3,14 3,18

452 488 529 547 490

Jakobusbrief 1,18 1,21 2,21 5,7f.

435 435 425 547

Judasbrief 20 24f.

404 478

1. Johannesbrief 1,5–7 1,7 2,6 2,9–11 2,10 2,14 2,17 2,24 2,27f. 2,28 3,2 3,24 4,10 4,16

452f. 488 338 452f. 338 338 338 338 338 547 556, 566f. 338 486f. 338

2. Johannesbrief 1 9 13

440 338 440

3. Johannesbrief 11

566

Johannesapokalypse 1,1–3 477 1,1f. 478 1,1 530, 564 1,2 477, 480, 539 1,4–6 471, 477 1,4–5a 481 1,4 477, 478, 481, 494 1,5–6 2, 8, 471f., 477– 494, 501f., 568 1,5 477, 515, 547 1,5a 478, 480f., 484, 494 1,5b 478, 482f., 493, 497 1,5b-6 471, 477f., 481, 486–490, 492, 494, 496, 499f., 589f. 1,5b-6a 486, 500 1,6 5, 23, 95–98, 277, 353, 422f., 442f., 472, 478f., 483f., 486–494, 500–506, 509, 513, 547f., 551, 556, 565, 568, 573, 589–593, 596, 599, 608 1,6a 482–485, 491, 500 1,6b 486, 490 1,7 480f., 484 1,8 481, 494 1,9 476, 478, 539 1,11 478 1,13 487, 504 1,18 413, 545 2–3 474, 476 2,2–6 476 2,8–11 476 2,8 545 2,10 391 2,13 391, 475f., 480 2,14–16 476 2,14 477 2,19–25 476 2,20 477

Stellenregister 2,25 2,26f. 2,26 2,27 3,1 3,2–4 3,4f. 3,4 3,7 3,8–11 3,9 3,11 3,12 3,15–20 3,18 3,19 3,20f. 3,20 3,21 4,1–22,5 4–5 4,2 4,3 4,4 4,5 4,8 4,9 4,11 5 5,1 5,2 5,5ff. 5,5 5,6 5,8–9a 5,8 5,9–10 5,9 5,10

5,11

547 507, 512, 550, 565 533, 550 550 478 476 74f. 369 551 476 486f., 489 547 374, 489, 561f., 567 476 74f. 487 550 549 512, 537, 540, 542, 549f., 565 554 496 542 471 75, 471, 540, 542f. 478 551 479, 540 496 495 471 495 495 495 478, 495–497 495 504, 551, 8, 216, 471f., 484, 495–506, 511, 557, 568, 590 2, 485, 488, 495– 497, 533, 590 5, 95, 97f., 277, 353, 422f., 442f., 472, 482–485, 489– 494, 500, 501–506, 507–513, 537, 543, 547–551, 556, 563, 565, 568f., 573, 590, 592f., 596, 599, 608, 613 496

5,12 5,13f. 5,13 6,2 6,4 6,5 6,8 6,9–11 6,9 6,10 6,11 6,15f. 6,15 7,1–17 7,3 7,4 7,9 7,10 7,12 7,13f. 7,14 7,15 7,22 8,3f. 9,10–17,2 10,7 10,11 11,1–14 11,1–2 11,1f. 11,2 11,3 11,7f. 11,7 11,8 11,9 11,13 11,15 11,16 11,17 11,18 11,19 12f. 12 12,5 12,8f. 12,9 12,11 12,17

727 496f. 479, 496 496, 540 542 542 542 542 476, 513, 537, 544547, 549 539, 544–547 551 75 408 481, 493, 533 531 564, 567 559 75, 476, 486, 499, 533 540 479 486 75, 476, 488, 494 506, 551, 559f., 562 543 425f., 504, 551 482 564 499, 533 531 560 560f. 533 480 476 539 427 499, 533 558 502, 512, 564f. 540 480, 502, 512, 565 533, 551, 564 560, 562 517 531 533, 550 517 515 476, 488, 494, 501, 539 539

728 13 13,1–18 13,2 13,4 13,7 13,8 13,10 13,12 13,14 13,15 13,16f. 13,16 14,1–5 14,1 14,3f. 14,3 14,4ff. 14,4 14,6 14,7 14,8 14,11 14,12 14,13 14,14 14,15 14,17 15,1–22,9 15,3 15,4 15,5f. 15,5 15,6 15,8 16,1 16,2 16,5 16,6 16,10 16,12–16 16,14 16,15 16,17–21 16,17 16,19 17,1–19,10 17 17,1 17,2 17,5 17,6 17,9–11

Stellenregister 391, 531, 539, 546 391 540 515, 539 476, 499, 533, 551 497, 515, 539, 546 551 515, 539 540, 545 515, 539–541, 546 515 540, 567 531 559, 567 493 496f. 426 369, 488, 493 499, 533, 558 489 393, 533 540, 564 551 476 542 560, 562 560, 562 547 564 533, 558 560 562 75, 562 560, 562 560, 562 540 480 476, 544, 551 540 522 481, 493, 533 75 556 560, 562 393, 533 520, 556 517 544, 559 481, 493, 533 393 476, 480, 551 473

17,14 17,15 17,17f. 17,18 18 18,2 18,3 18,4 18,9 18,10 18,20 18,21 18,23 18,24 19–22 19–21 19 19,1 19,2 19,3 19,4 19,5 19,6 19,8 19,10 19,11–22,5 19,11–21,8 19,11–20,15 19,11–21 19,11 19,14f. 19,14 19,15 19,16 19,17–21 19,17 19,19–21 19,19f. 19,19 19,21 20f. 20 20,1–15 20,1–10 20,1–6 20,1–3 20,1 20,3 20,4–6

440, 452, 481, 565 499, 533 559 481, 533 520, 557 393 481, 493, 533 557 481, 493, 533 393 544, 551 393 533 476, 544, 551 522 535 537 479 564 564 540 550, 564 502, 512, 565 551 539 520, 522 521f., 532, 534, 536, 538 531f. 514, 518, 532 532, 542 565 75 533, 557 481 522, 533, 544, 557 532 533 531 481, 493, 532f. 532, 536 520f. 516f., 519, 529 518, 525, 531 514, 532, 553 518, 522 514, 518, 521, 531f., 534, 537 532f. 514, 530, 533, 557 471f., 502, 513– 522, 526, 528,

729

Stellenregister

20,4–5 20,4 20,5 20,6

20,7–10 20,7f. 20,7 20,8–10 20,8 20,9 20,10 20,11–15 20,11ff. 20,11 20,12 20,13f. 20,15 21–22 21,1–22,5 21 21,1–8 21,1–5 21,1f. 21,1 21,2 21,3–8 21,3–5 21,3f. 21,3 21,4–6 21,4 21,5 21,6

531f., 539–554, 564, 569 538, 551 471, 476, 502f., 512, 521, 532, 534, 539–547, 564f. 530, 547 2, 5, 8, 95, 97, 216, 277, 353, 422f., 443, 471f., 489, 492, 501–503, 507– 513, 537, 539, 543, 547–554, 556, 563, 565, 568–570, 573, 591–596, 599, 608, 613 514f., 521, 531f., 533, 537 533 530, 532 522 533, 557 487, 526, 551 564 514, 521f., 532f., 537 544 532f., 542 544, 546, 557 532 521, 530, 545 544, 546 150, 517, 549, 562– 564, 592 515, 519, 521f., 528, 536, 545, 554, 558, 570 557 514f., 532, 556 556 553, 556 532f. 419, 555, 559, 566 367 555, 560 150, 556–560, 570, 592 555, 556–560, 561 560 527 489, 540 482

21,7f. 21,7 21,8 21,9–22,5 21,9f. 21,9 21,10 21,11 21,12–21 21,12f. 21,16 21,18–20 21,22 21,23 21,24–26 21,24 21,26 21,27 22,1f. 22,2 22,3–5 22,3f. 22,3 22,4b 22,5

22,6 22,7 22,13 22,14f. 22,15 22,16 22,17 22,18 22,20

558 547, 557 558, 566 515, 532 521 559 111 561 559 521 521, 561 561 297, 522, 555, 560– 563, 570 561 558 481, 533, 559 533, 559 557–559, 566 521 533 472, 513, 556, 558, 563–567, 570, 592 566 506, 515, 549, 551, 556, 559, 564–566 567 501f., 508, 511f., 519, 532, 536, 548– 553, 556, 563–567, 568f., 591, 595 564 547 482 558 558, 566 440, 480 547 480 480

4. Frühchristliche und altkirchliche Schriften und Autoren Act(a) Thom(ae) 137

512

Ambr(osius) PL 22,681A

600

730 Aphraates Hom 1,6f.

Stellenregister

432

Aristides Apol(ogia) 2,2

454

Ath(anasius) Ep(istulae) Ad Jov 4

443

Vit(a) Ant(onii) 16

512

Aug(ustinus) (De) Civ(itate) Dei 17,5 443 PL 35,1355 PL 36,199–200 PL 36,601 PL 39,1735 PL 41,676

600 600 600 600 600

Barn(abasbrief) 1,1 6,2–4 6,2 14,5–7 15,4f. 16,5 16,6 16,7 16,10

486 412 432 452 529 159 164 311 419

1(.)Clem(ensbrief) 20,12 32,4 36,2 38,4 40,2–5 43,6 44,4 45,7 50,7 56,4 58,2

490 490 452 490 598 490 598 490 490 486 490

59,2 60,4–61,2 64,1 65,2

452f. 388 490 490

2(.)Clem(ensbrief) 6,9 9,3 17,5 20,5

443 419 443 490

Clem(ens) Al(exandrinus) Strom(ata) 4,79,3 5,6,34f. 6,5,41

390 267 440

Const(itutiones) Ap(ostolorum) 7,34,6 341 7,35,10 341 7,36 339 7,37,6 341 7,38,5 341 8,9,8 341 8,12,17 341 8,15,7 341 Cyprian Ep(istulae) 1,1,1 40,1,1 61,3,1 63,14 67,4,3

599 599 599 599, 602 599

Did(ache) 13,3 14

598 598

(Syrische) Didasc(alia Apostolorum) 2,26,4 599, 602 23 317 Diogn(et) 1,1 5f.

404 499

731

Stellenregister Ebionäerevangelium 322 Frgm. 6 Epiphan(ius von Salamis) Pan(arion) 28,1,4 29,1,6 30,16,4–5

322 322 322

Eus(ebius von Caeasarea) H(istoria) E(cclesiastica) 3,18,3 474 10,4,2–3 601 10,4,44–45 601 Praep(aratio) ev(angelica) 8,11,1–18 186 13,12,9–11 452 V(ita) C(onstantini) 3,38 443 9,5 443 29,4 443 Ev(angelium) Barth(olomaei) 1,27 317 Ev(angelium) Petr(i) 20 317 25–27 317 Ev(angelium) Thom(ae) 2 512 66 412 71 290–294, 297 Gregor von Nyssa In Baptismo Christi PG 46,581f. 603 Or(atio) Cat(echetica) 18 443 (Hirt des) Herm(as) 9,3–13 159 9,13,9 419 9,14,1 419

Hier(onymus) Ep(istulae) 120,8

317

(De) Vir(i) ill(ustribus) 11 259 Hipp(olytus) Elenchos 5,7 5,35

432 432

Ref(utatio omnium haeresium) 9,29,1–4 180 Ign(atius von Antiochien) (Ad) Eph(esios) 9,1

415

(Ad) Mag(nesios) 7,2

419

(Ad) Philad(elphios) 4 601 (Ad) Rom(anos) Inscr

486

(Ad) Trall(is) inscr 7,2

486 601

Iren(aeus) (Adversus) Haer(eses) 4,8,3 599 4,25,1 432 5,1 519 5,23,2 529 5,30,3 474 5,31 519 32,1 519 5,34,3 599 Joh(annes) Chrys(ostomos) De Sacerdotio PG 48,642

603

732

Stellenregister

Homilia XLIII in Matth. PG 56,876 603 Just(inus) Mart(yr) Apol(ogia) 1,32

443

Dial(ogus cum Tryphone) 11,5 339 34,2 411 35 311 36,1 411 41,3 598 80,2–5 519 81,3 529 116–118 601 116,3 599 117,1f. 598 119 499 Lac(tantius) (De) Ira (Dei) 21,10

341

Mart(yrium) Pol(ycarpi) 3,2 440 14,1 440 16,1 440 17,1 440 Min(ucius) Fel(ix) Oct(avianus) 6,1f. 6,1 8,1 8,4 12,5–7

389 464 389 600 390

Od(ae) Sal(omonis) 17,17 479 Orig(enes) (Contra) Cels(um) 8,2 389, 499 8,67f. 389

Hom(iliae) 2 in Jos 1 5 in Lev 8 in Exod 11,6 in Lev 6,6 in Lev 9,5 in Lev 9,9 in Lev 13,5

599 599 599 599 602 599 599

Or(ationes) 28,9f.

599

Polykarp 2Phil 5,2

512

Ps(eudo)-Clem(entinische) Hom(ilien) 3,56,4 322 Ps(eudo)-Clem(entinische) Recogn(itionen) 1,39 322 1,41,3f. 317 Tert(ullianus) Apol(ogeticum) 1,4 4,4 35,8

390 390 388

(Adversus) Marc(ionem) 3,7 432 (Ad) Nat(iones) 1,8

440, 499

(De) Bapt(ismo) 7 17,1

600 598f.

(De) Cult(u) fem(inarum) 2,11,2 598 (De) Exh(ortatione) cast(itatis) 7,3f. 599 (De) Mon(ogamia) 12,2 599

733

Stellenregister (De) Or(atione) 19,1–4

599

(De) Praesc(riptione Haereticorum) 40,4 598 41,8 598 (De) Pud(icitia) 21,17

598

(De) Virg(inibus) vel(andis) 9,2 598 Test(amentum) Sol(omon) 21,2 333 22,7–23,4 410 22,7 432 23,4 432

Cass(ius) Dio 56,9,2

337

Cic(ero) (De) Dom(o sua) 1

34

(Pro) Flacc(o) 28 66–89

152 152

(De) Leg(ibus) 2,8,20 2,10,27

27 464

Traditio Apostolica 3 598

(De) Nat(ura) deor(um) 1,116 24 1,117 25 2,8 25, 389 3,2,6 464

5. Pagane Schriften und Autoren

Demosth(enes)

Aetius Amidenus

Prooem(ium) 55

Lib(er) med(icinalis) 7,61,22 413 Aischyl(os aus Eleusis) Suppl(ementa) 223

C(orpus) H(ermeticum) 1,31 341 13,21 341 Diod(orus Siculus)

27

Aristoph(anes aus Athen) Pax 920

33

454

Hist(oriae) 40,3,3–6 40,3,7

123 57

Dion Chrys(sostomos) 11,121 332

Aristot(eles) Dion(ysios) Hal(icarnasseus) Poet(ica) 1457b

13

Ant(iquitates Romanae) 2,73,2f. 38

Augustus Epict(et) Res gest(ae Divi Augusti) 7 37

Diss(ertationes) 2,9,12

345

734

Stellenregister 5,316

Eurip(ides) El(ectra) 812 H(ero)d(o)t(os) 1 3 132

408

Paulus Aeginta 27 Epitomae Lib(er) med(icinalis) 7,17,75 413 33 33 33

Paus(anias) 3,11,5–8

30

Hom(eros)

Plat(on)

h(ymni) Merc(urium) 187 27

Apol(ogia) 23C

341

Il(ias) 11,676 11,775 16,605

454 357 22

Od(yssee) 3,459 14,28 21,259

Leg(es) 638C 716E- 717A 759A-D 759C 792A

349 29 36 32 349

357 454 27

Phaedr(us) 244E

341

Iambl(ichos)

Polit(icus) 290C

24

(De) V(ita) P(ythagorica) 16,68 29 16,70 29

Plin(ius) mai(or) Hist(oria) nat(uralis) 5,73 186

Isok(rates) Or(ationes) 2,6

Plin(ius minor) 33

34

Ep(istulae) 1,12,6–8 3,11,3 7,27,14 10,96 10,96f.

Fasti 5,661

408

Plut(arch)

Her(oides) 6,88

408

Mor(alia) 286D

70

Met(amorphoses) 13,810 14,713

408 408

(Vitae Parallelae) Alex 31,9 Cleom 823e

348 317

Liv(ius) 10,23,9f. Ov(idius)

473 473 473 389 388

735

Stellenregister Tac(itus)

Pol(ybios) Hist(oriae) 6,56,6–8 16,25,7

389 340

Porph(yrios) (De) Abst(inentia) 2,47 337 Adv(ersus) Chr(istianos) Fr. 76 601

Ann(ales) 15,44,2 15,44,4f.

389 397

Hist(oriae) 4,2 4,52 4,68 5,5

473 473 473 152

Theophr(astos) Char(acteres) 30,19

Sen(eca) mai(or) Contr(oversiae) 4,2

63

Vergil

Sen(eca minor) Frgm. 12

341

Aen(eas) 1,166 3,688

Soph(okles)

408 408

Xenophanes

Oed(ipus) Col(oneus) 1270 349

Fr. 1,7

Strabo

Xenophon

Geogr(aphica) 12,5,2f. 12,2,7 14,2,16 14,2,23

349

443 443 443 443

Suet(onius)

27

An(abasis) 6,1,22

340

Inst(itutio) Cyr(i) 1,3,8 7,5,45

337 337

6. Inschriften

Dom(itian) 1,3 12,1 2,3 22,1 3,1

473 473 473 473 473

Nero 16,2

389

C(orpus) I(nscriptionum) G(raecarum) 3,1005 348 Addenda zu 4528 348 I(nscriptiones) Chios ICh 4, Z 32 ICh 5, Z 32 ICh 7–13 32 ICh 9–12 32 I(nscriptiones) Kalch(edon) IKalch 10 32

736 IKalch 12

Stellenregister 32

(I)nsciptiones) Kos IKos 81 332 IKos 347 332 Lindische Tempelchronik B 49 Z. 48–50 332 L(ois) S(acrées de 12 12,6 14,3 15,48 18,12 51,9

L’)A(sie) M(ineure) 29 29 29 340 29 29

L(ois) S(acre de) C(ités) G(recques) 139 29 145 A 9 29 163,12ff. 29 166,8ff. 29 55,4 29 97 A 30 29 Suppl 17 29 Suppl 54 29 Suppl 54,3 29 Suppl 91 29 S(upplementum) E(pigraphicum) G(raecum) 28,421 29

7. Papyri C(orpus) P(apyrorum) J(udaicorum) 1,129 254 2,223 255

3,1440

254

Oxyrhynchus-Papy(POxy) 2,275,19 345 2,275,21 345 840 298

8. Schriften Martin Luthers (nach der Weimarer Ausgabe) WA 6,370,10f. 605 WA 6,407,13ff. 605 WA 6,408,11–15 606 WA 6,566,26ff. 607 WA 6,566,27f. 606 WA 7,28,6ff. 606 WA 7,28,13f. 605 WA 8,182ff. 606 WA 8,273,12f. 606 WA 8,495,31–33 607 WA 10/3,107,18f. 607 WA 10/3,308ff. 606 WA 10/3,395,38f. 607 WA 12,180–189 606 WA 12,180,1–4 606 WA 12,189,17–23 607 WA 12,307,27ff. 606 WA 12,309,24ff. 606 WA 12,318,18ff. 606 WA 15,720,26ff. 606 WA 17/1,518,15f. 606 WA 24,281,6ff 606 WA 28,471ff. 606 WA 33,360,4ff. 606 WA 41,153,30f. 605 WA 41,207ff. 607 WA 41,207,20f. 605f. WA 45,682f. 606 WA 50,633,6–8 607

Autorenregister Abraham 16 Achtemeier 387, 392, 395, 399, 402, 404, 406, 413–419, 422, 427–438, 442f., 449f., 454, 461, 467 Adler 263 Ådna 161, 164–171, 281, 283, 290–307, 430, 433 Aland 386f. Albertz 49f., 76, 126 Albrecht 334 Albright 150 Alexander 146 Allo 505 Althaus 610f. Atkinson 139 Aune 452, 473, 476–479, 488–491, 495, 497, 500, 516, 537–545, 557–562 Avemarie 231, 233, 235 Bachmann 310 Badt 265 Bailey 334 Balch 404, 449 Baltzer 310 Balz 342f., 347f., 357 Bammel 181f. Barclay 251f., 256, 258 Barker 150, 555 Barrett 171, 310, 338 Barth 610 Bartsch 343 Bauckham 153, 401, 405, 431, 479, 499, 526, 535, 558, 561, 564f. Baudissin 45, 47 Baudy 323 Bauer, J.B. 294, 441 Bauer, Th. 475, 514–523, 530–534, 537–547 Bauer, W. 292, 345 Bauernfeind 229, 246 Baum 393f. Baumbach 181–184

Baumgarten 176, 189 Bayer 319 Beale 110f., 146–151, 410, 412, 482f., 487, 491–494, 500, 503–506, 515– 518, 522, 530, 533, 541–548, 552, 555–562, 565–567 Beard 19–38 Becker 133, 135, 347, 366 Becking 155–157 Beckwith 218 Begg 246 Behm 331 Bell 473 Berger 147, 162f., 209, 293, 296, 395 Bergman 31 Bergmeier 396, 535 Bertram 340 Best 200, 399–402, 406, 409, 412, 418, 422, 426f., 430, 439–445, 455, 459 Betz, H.D. 300, 308, 367 Betz, O. 190, 291f., 296–299, 411 Beuken 409 Beyer 215 Beyerlin 103 Bietenhard 347f., 523, 527, 529, 541, 544 Binder 254 Birenboim 222f. Black 14, 16, 165f. Blinkenberg 332 Blinzler 5, 385, 404, 415, 418, 428, 441, 443, 455, 467 Blum 98, 519 Blumenberg 15 Böcher 514, 516, 528 Bockmuehl 346, 357 Bøe 521f., 526, 532–537 Boecker 90 Bohak 177 Bonsirven 505 Borse 336, 338 Böttrich 13, 363, 366, 529

738 Bousset 523, 535, 542–544 Bradshaw 598, 601 Brandenburger 140 Branham 601 Breitsching 604 Breytenbach 335, 339 Bringmann 396 Broadhead 277, 279, 287, 291, 308 Brooke 12, 199, 287 Brooten 258 Broshi 190 Brox 385f., 395, 400f., 406, 414–418, 432–435, 439, 443–446, 450, 456f., 463, 467, 469 Bruce 246 Büchler 125 Bulley 6, 597–600 Bultmann 281f., 301, 314, 367, 489 Bunge 187 Buntfuß 15, 583 Burkert 19, 22, 33f., 36, 79 Burrell 474 Busink 145, 152, 315 Calvin 610 Cambier 505 Campenhausen 597, 602 Cancik 249 Caragounis 412 Carrasco 79 Carson 392 Casalengo 310 Cerfaux 4, 10, 505 Chance 310 Charles 482, 497, 516, 534, 540–542 Cheung 44, 78, 277, 278 Childs 97, 150 Chronis 314f., 318f. Claussen 254 Clements 150 Clifford 150 Cody 45 Coggins 155 Cohen 254–256, 601 Collins 134, 140, 170, 189, 193f. Comblin 479 Conzelmann 514 Cook 386 Coppens 10, 362, 385 Cross 49, 150 Dabin 4f., 7, 385, 597

Autorenregister Dalman 171, 410 Danker 392 David 33 Davids 387 Davies 31, 44, 63, 74, 78, 85f., 97–107, 112–114, 148, 150 Deines 54, 57, 126–129, 182, 217–227, 259, 284 Dibelius 345 Dietzfelbinger 529 Dignas 34, 37 Dimant 168 Dochhorn 553 Dodd 431 Doering 392f. Dohmen 102f. Dommershausen 46, 53, 55, 79–83, 195, 200 Dörrie 24 Douglas 63, 71 Dowda 161 Drawnel 207–211 Duff 476 Dunn 231, 281, 322, 332f., 338, 343f., 352f. Durst 393f. Ego 131f., 161, 187, 316 Eilberg-Schwartz 72 Elbogen 256 Elliot 5, 385, 392, 395, 400–406, 412– 456, 461, 467–469, 548 Ellis 412, 431 Elm 38 Engberg 386–389, 397 Eshel 190, 207–211 Esler 43, 310 Fabry 45, 48–50, 53, 182, 187, 190, 193f., 198, 509f. Faßbeck 172–174 Fechtner 609 Fee 331, 357, 367 Feldman 246, 248 Feldmeier 314–318, 386–392, 397–400, 404f., 414–418, 429, 432–436, 444, 461–466 Feuillet 385 Fine 600 Fischer 109 Fishbane 161f. Fitzmyer 162, 367f.

Autorenregister

739

Flesher 254 Flint 190 Flusser 139, 168 Ford 415 Förster 284 Frankena 103 Frankfort 31 Fredriksen 300 Freud 79 Freudenberger 387, 390 Frey 127, 134, 154f., 160, 187, 190, 231, 279, 292, 301, 305, 312, 321, 335, 373, 375, 463, 476, 479, 497, 517–521, 524, 527, 529f., 533, 537– 542, 545f., 549, 557 Friedli 20 Friedrich 278 Friesen 473f. Frymer-Kensky 66–72 Fuller Dow 310, 558, 561 Furnish 367

Gordon 26 Goulder 367 Gräber 505 Gray 229, 235–241 Green 392 Greenfield 207–211 Greshake 602 Griffiths 254 Grudem 404, 406, 436, 449, 458 Gruen 250–252, 255–257 Grundmann 281f., 338, 347, 349 Grünwaldt 347 Gundry 412 Gunkel 10, 523 Gunneweg 45, 48f. Günther 342 Gurtner 315 Gussmann 45, 54f., 61f., 76, 83, 129, 131, 182, 217, 242–249, 259–263, 268 Guyot 386

Gäbel 8, 322 Gäckle 207, 305, 330, 489 Ganser- Kerperin 152, 221, 285, 299, 308–313, 316, 318 García Martínez 174 Garland 27, 34 Gärtner 10, 167, 362, 368 Gay 463 Gehring 207 Gennepp, van 79 Gerber 249 Gerlitz 79 Gese 50, 79 Giblin 502, 532 Giesen 480f., 485, 497, 501–505, 517, 537, 540–543, 546–549, 558, 567 Girard 79 Glessmer 54 Gnilka 280f. 299–301, 305, 315–319, 357, 367f. Goertz 603–608 Golb 190 Goldstein 376, 395, 399–406, 415–420, 427, 430–438, 443, 451–454, 457, 467, 470 Goodblatt 44, 130 Goodman 131, 153, 279 Goppelt 395, 404, 411f., 418, 422, 426– 428, 431–439, 443, 449, 454, 468, 470, 475

Haacker 10, 140, 332, 338, 342 Hadorn 505, 514, 516, 540, 542 Haenchen 302 Haese 609 Hahn, F. 79, 333, 468 Hahn, S.W. 103 Hainz 428 Hanson 91, 106, 229f., 236f., 242 Haran 19, 23, 45–49, 53, 75 Härle 603–607 Harrington 529 Harris 431 Hartenstein 96, 583 Hasitschka 362f., 493, 498, 502, 506, 597f. Hatch 431 Haubeck 498 Hauck 345 Haupt 208 Haverkamp 13 Hayward 127, 159, 555 Heckel 81, 392–395 Heil 367 Heinemann 260, 264–268 Hell 604 Hempel 191 Hendel 88 Hengel 52, 54, 57, 79, 124–129, 164, 182, 187, 217–220, 223–226, 230,

740

Autorenregister

232, 254, 256, 259, 305, 334, 393, 479, 509, 514, 539 Henninger 79 Henten 332 Hentschel 358 Herlyn 470 Hermisson 11f., 79, 89f., 95f., 101f., 107 Hernandez 482 Herr 152 Herzer 395–398, 418, 430f., 438, 454, 457 Hess 347f. Hillyer 399, 408, 411f., 420, 430–432 Himmelfarb 6f., 43f., 52, 59f., 101, 107f., 119, 130, 179, 191f., 196, 205, 207, 210–214, 258, 260, 263, 265 Hirschfeld 189 Hiršs 430, 433, 450, 457 Hjelm 152 Hoffmann 489 Hofius 281–283, 318, 449, 479, 497 Hogeterp 6, 13, 136, 146, 167, 232f., 267, 279, 285f. 308, 331, 333, 342, 353, 375 Hollander 133f. Holmberg 463 Hölscher 181 Holtz 477, 479, 485, 488, 492, 496f., 525, 540 Honigsheim 20 Hoppe 130, 182, 217f., 226 Horbury 258, 513 Horn 167, 267, 335, 355, 372, 374, 383 Horrell 386, 395, 404, 432, 469 Horsley 229f., 235–237, 242, 299 Hossfeld 55, 96, 261, 409f. Huber 488 Hubert 79 Hultgren 333, 367 Hunzinger 394 Hurd 367 Issac 164f. James 27f., 35 Janowski 143–145, 169, 334 Jenson 65, 76 Jeremias, Chr. 112 Jeremias, G. 195 Jeremias, J. 55, 77, 152, 224, 294, 297, 299, 410–412, 432

Jobes 10, 392, 394, 404, 406, 415–418, 427, 431f., 436, 445, 456, 469 Johnson 14 Jones 341 Jonge, de 133f. Joosten 65 Judge 50 Kallmeyer 16 Karrer 395, 471, 477, 480, 482, 486, 488, 493, 501–505, 529, 542 Kartveit 155–157 Käsemann 338, 354, 357, 449, 452 Kaufmann 45–47 Kee 134 Kelhoffer 386, 392, 395, 397, 429, 473f. Ketter 385, 406, 426, 443, 446, 467f. Kim 288f., 412 Kimelman 259 Kinder 5, 423, 427 Kitchen 103 Kittel 10, 341–343 Klauck 79, 281f., 331f., 342, 357 Klawans 66f., 72, 88f., 135–138, 148, 161, 167–169, 201, 266–268, 441 Klein 20f., 25, 33, 386, 514 Kline 150 Klinzing 12, 167, 201–207, 342, 362, 368, 423, 438 Knierim 98 Knoch 395 Knöppler 332, 334, 339, 497f. Koch 88 Koester 555 Konradt 457f., 463 Konvergenzerklärung 609f. Körner 602 Kornfeld 65 Korošec 103 Kraft 480, 497, 516, 530, 535, 541, 548, 558 Kraus 291–294, 299, 303, 310, 331–335 Krauter 32–34, 39, 354, 366, 386 Kraybill 473, 475 Kugler 51, 58, 92, 122, 134, 186–202, 207–211, 214f. Kuhn 195, 283 Kuhrt 31 Labahn 52, 211–215, 482–485 Lacey, de 13 Lakoff 14

Autorenregister Lambrecht 367, 369 Lange 83, 90, 123, 186, 197 Laperrousaz 140, 186 Laporte 260–264, 268 Lécuyer 597 Leeuw, van der 65, 79 Leisegang 263 Leonhardt 607, 610 Leonhardt- Balzer 260–266 Levenson 148–151, 555 Levine, B.A. 65 Levine, L.I. 152f., 174, 254 Levinson 123 Lichtenberger, A., 174 Lichtenberger, H. 169, 185f. Liddell 341 Lieu 463 Lim 185 Lima- Dokumente 609 Lindemann 331, 395 Lindner 246 Link 347 Linnemann 297 Liu 26, 28, 66, 73, 297 Liver 189 Lohfink 370, 379 Lohmeyer 167, 230, 282, 297, 302, 317, 468, 497, 501, 516, 541 Lohse 297, 332f., 484, 516, 519, 526, 529 Losie 161 Lührmann 282 Lumen Gentium 603 Lund 393 Lundquist 148 Luther 604–610 Luz 283–286, 412 Madfeld 482 Magen 155 Magness 187, 190 Maier, G. 181, 183, 519 Maier, J. 49–51, 76, 136, 152f., 168f., 174, 189–194, 197, 204 Malina 73, 79, 414 Marböck 509 Marshall, I.H. 392, 404, 413, 418, 427, 431f., 435f.., 444, 455f., 469 Martin, M.J. 260, 269 Martin, T.W. 399, 404, 408, 417 Marx 79 Mason 43, 172f., 217, 246

741

Mathewson 517–520, 530, 558f. Mauss 79 Mbuvi 404, 413, 415, 418f., 423, 431, 438, 456 McConville 49 McKane 88 McKelvey 10, 12, 161, 368 Meade 397 Mealy 516, 522 Meinhold 92, 114 Mendels 131 Mendenhall 103 Merkel 169f. Merklein 305, 328–331, 335, 370, 377 Merz 230, 290, 292, 296–298 Messner 597 Metso 191 Metzner 417f., 427, 450, 456f. Meuli 79 Meyer 125 Meyers 190 Michaels 392f., 401, 404, 406, 413, 418f., 428–434, 439f., 443, 448–450, 453–456, 463 Michel 229, 246, 297, 332, 338, 342, 354f., 512 Milgrom 33, 45, 48, 53, 60, 63, 66, 69– 72, 119, 334 Miller 45 Mitterstieler 469 Moo 13, 332–334, 342, 351, 354, 392 Moore 256 Morris 505, 517, 542 Mosis 102 Motyer 315, 317 Moule 36 Mounce 480, 497, 502, 516, 532, 537, 541, 545, 547, 558 Müller, Chr. G 16, 230, 362f., 374 Müller, H.-P. 65 Müller, U.B. 229–233, 242, 480, 485, 491, 497, 501, 504, 516, 526, 537, 541–544, 549, 558, 561f., 567 Munzer 340 Murphy-O-Connor 367 Muth 19–22, 25, 33f., 38 Nelson 45 Neugebauer 392, 395 Neusner 128, 227, 550, 217 Newton 346, 351 Nickelsburg 163–166

742

Autorenregister

Niebecker 4 Niebuhr 219 Noll 597 Norden 482 North 19–27, 30–38 Noth 104 Oded 156 Oecumenius 482 Oliveira, de 367, 369 Omerzu 363 Osborne 480, 486f., 497, 502, 505, 530, 537, 539, 542–547, 551, 557, 566 Oss 430 Osten-Sacken, von der 485 Ostmeyer 395 Oswalt 106, 108 Otto 48, 81f. Oxtoby 20, 29, 31 Paesler 152, 166f., 292, 297, 299, 303, 305, 308 Paganini 204 Pannenberg 604, 611f. Parry 150 Patai 150, 555 Paus 20, 24, 32, 79 Persson 602 Pesch 281, 283, 297–301, 314, 317, 353, 455 Peschek 505 Plöger 234 Plumpe 408 Pohl-Patalong 609 Pokorný 392–395 Pola 52f., 66, 127 Ponthot 353 Poorthuis 152 Popkes 556f. Porter 393 Postgate 103 Pratscher 345 Preisker 468 Prenter 470 Prêtres 37 Price 19, 24, 27, 30, 34–38, 474f. Priest 140 Prigent 480, 496f., 504, 517f., 528–530, 540, 558 Procksch 347 Qimron 168, 189

Rabin 190 Rad, von 96 Rade 608f. Radebach-Huonker 96 Radl 13, 65 Rainbow 187 Rajak 252 Regev 225 Rehfeld 323 Reichert 343, 400 Reicke 340, 398 Reitzel 310 Renger 33 Rengstorf 190 Repschinski 301 Reventlow 45, 48f., 58, 81–84 Rhoads 140 Richards 14, 16 Richardson 30 Ricɶur 14f. Riecker 97, 99, 101–105 Riesner 190, 207, 355, 393, 395 Ringgren 31, 65 Robinson 427, 449f., 473 Röcker 225, 514 Roloff 457, 477, 485–488, 492, 497, 516, 526, 537, 540–543, 552 Roose 5, 100, 103, 106, 204, 472, 493, 501–504, 507, 512f., 544–548, 551, 563 Rowland 306, 601 Royalty 476 Runesson 254 Rüpke 19, 26, 37 Ryan 600 Sabourin 23, 26, 30–36 Safrai 152f., 254–256 Saldarini 183f., 217–223, 227 Salzmann 256 Sand 340 Sanders 41, 45, 54f., 58, 66, 78f., 131, 135, 152, 161, 182f., 187, 192, 218– 220, 223, 291f., 298–302 Sandevoir 438, 451 Sänger 3, 278, 280, 351f., 358, 506, 597 Santangelo 30 Sass 367 Satake 477, 485, 491, 493, 496, 499, 516 Schäfer 128, 217–220, 223f., 256, 259 Schäfke 386f.

Autorenregister Schaller 219 Schaper 45, 48–52, 218f. Scheid 37 Schelkle 385, 404, 413, 426, 428, 431, 433, 443, 454, 467–469 Schenk 347, 351 Schenker 100 Schian 609 Schick 505 Schiffman 12, 137, 168, 189, 194, 197, 200f., 206 Schlatter 125, 279, 370, 449, 480 Schlier 468f. Schlink 611 Schmeller 368 Schmid, H. 79 Schmid, J. 471, 482 Schmidt, E.D. 325–327, 336, 340 Schmidt, K.L. 336 Schmidt, P., 340 Schmithals 281, 314–317 Schmitt, H.-C. 98 Schmitt-Pantel 19, 24f., 28, 34, 36 Schnabel 328, 331, 392f., 558 Schnapp 133 Schneider 101 Schnelle 392–395 Schniewind 449f. Schofield 193 Schöllgen 55, 261 Schrage 328–331, 362, 374, 528 Schreiber 332 Schreiner 152f. Schrenk 347, 421 Schroeder 456, 458, 466 Schröger 407, 417f., 421, 443, 453, 468 Schröter 351 Schumacher 37 Schüngel-Straumann 162 Schürer 45, 55, 79, 81, 133f., 152, 162f., 182, 197f. Schürmann 12, 321 Schüssler-Fiorenza 5, 12, 98–107, 206, 321, 362, 369f., 418, 422, 441–443, 472, 478–486, 492, 497–504, 508– 512, 515, 517, 521, 524, 526, 530f., 536, 541–544, 547–552, 556–567, 571, 603 Schwartz 43, 55, 65f., 69, 104, 168, 189, 221–223, 259, 278, 441, Schweizer 297, 398, 400, 444 Schwemer 230, 232, 296

743

Scoralick 65 Scott 341 Sedlmaier 79 Seebass 65, 79, 342, 347 Segal 163, 212 Seidensticker 10–12, 15, 406, 443 Seiwert 79 Selwyn 393, 404, 411–415, 418, 425f., 430, 441, 443, 449, 454, 468 Shimada 395 Sickenberger 505, 516f., 545 Siebenthal 489 Siegert 13, 147, 243, 249, 254–256, 291f., 298f., 343, 373, 432f. Sievers 55 Skarsaune 152 Slater 473–476 Smith 236 Snodgrass 173, 287f., 299–307, 411, 431 Söding 153, 297–306 Söllner 556–567 Sommers 123 Soskice 15 Spener 608 Stählin 16 Stallman 199 Stegemann, E.W. 56 Stegemann, H. 56, 124, 127, 185–188, 194–198, 230–233 Steins 98, 100, 103 Stemberger 79, 180–183, 217–222, 258, 550 Stemm 234 Stenschke 387, 395, 455, 457, 463, 465 Stephens 474f., 496, 561 Stern 45, 51f., 55, 57, 61, 124–130, 155, 183, 505 Steudel 168 Steuernagel 449 Stibbs 455 Stockmeier 387 Stökl-Ben Ezra 334f., 599–601 Stone 164f., 207–211, 534–536 Strack 6, 12, 75, 192, 195, 206, 269, 323, 330, 335, 342, 347–357, 363– 368, 445, 459 Strathmann 342, 347f. Strecker 16 Strübind 100, 108, 609 Strugnell 168, 189 Stuckenbruck 31, 164f.,

744

Autorenregister

Stuhlmacher 294, 305, 307, 333, 354f., 497, 514, 557 Stuhlmann 544 Sukenik 186 Sulze 608 Sung 282 Sweet 297, 311 Tan 299 Taylor 231 Tcherikover 254 Theißen 230, 283, 290, 292, 296–298 Thielicke 610f. Thoma 215 Thompson 473, 475 Thornton 171 Thyen 357 Tiemeyer 88, 91–94, 105–108, 112– 114, 144 Tilly 90, 146, 230–232 Timpe 473 Tommaso, di 556 Tromp 139–141 Tübingen work group 26 Turner 514 Tuval 177, 253, 260, 269 Tylor 79 Uhlig 164f. Ulrichsen 133 Unnik, van 246 Vahrenhorst 6, 27–29, 66, 70f., 75, 196f., 206, 222, 225, 321–327, 330f., 335, 343, 346f., 351f., 357, 365–368, 378, 383 Vanderkam 51f., 122–130, 141, 162f., 185–187, 190, 209f. Vaux, de 45 VELKD 1f., 469, 607 Vermes 45, 55, 79, 81, 133f., 152, 162f., 182, 191f., 197f. Verseput 306 Vielhauer 399, 455 Vollenweider 284 Vollmer 431 Volz 105 Vorholt 333, 351–354, 381 Vorländer 347 Waal 310 Walter 345

Wardle 123f., 129, 135–142, 152–162, 168–170, 176f., 189, 196, 256, 279, 288, 299f., 303f., 309, 370–374, 383 Watanabe 20 Watts 91 Webb 230 Weber 610 Weimar 150 Weinert 310 Weinfeld 103 Weinrich 16 Weiss, Z. 257 Weiß, B. 297 Weiß, H.-F., 181–184 Weiß, J. 374, 519 Weiß, K. 10f., 322f., 347–351, 356 Weiß, W. 326–329 Wellhausen 45–48, 87, 181, 535 Wells 5, 49, 65, 73, 97, 100–102, 105, 450 Wenham 71, 150 Wenschkewitz 3f., 6, 9–11, 258, 297f., 342, 351, 357, 372, 562f. Westermann 91, 105–108, 355 Whybray 98 Wichern 608 Wick 371, 373, 380 Widengren 150 Wikenhauser 505, 517, 542 Wilcke 514 Wilckens 342, 351, 354, 512, 596, 605, 608 Wildberger 102, 409, 445 Wilken 390 Willamowitz-Moellendorf 34, 36 Willi 49, 52 Willi-Plein 65, 76, 115 Wilson 473 Windisch 367 Wintermute 163 Wise 187, 198 Wissowa 26 Witetschek 473 Witherington 307, 392f., 404, 413, 418, 426, 432, 435f., 456f., 532, 546, 558 Witulski 473f. Wlosok 25, 387, 389 Wohlenberg 404, 468 Wolff 328 Wolter 336–338 Woyke 367 Wrede 282

Autorenregister Wright, D.P. 65, 71f. Wright, N.T. 297 Wright, R.B. 139 Yadin 168 Zahn 491, 505, 516 Zaidman 19, 24f., 28, 34, 36

Zangenberg 186, 189 Zeller 328 Zenger 96f., 409f. Zevit 87–90 Zimmerli 81, 83, 110 Zimmermann, J. 202f. Zimmermann, R. 13, 15f., 281 Zuntz 314

745

Sach- und Personenregister Aaron 47, 50, 59, 62, 74, 86, 109, 126, 167, 192, 202, 204, 210, 212, 244, 248, 250, 260, 270, 423, 510, 574, 576, 584, 600 Aaronide(n) 44, 48–53, 127, 189– 193, 198, 223, 509 aaronidisch 47–51, 86, 191, 148, 282, 509, 577, 593f., 597 Abendmahl, siehe Herrenmahl Abendmahlsliturgie, siehe Herrenmahl Aberglaube, siehe superstitio Abgrenzungsethik 391 Abija 232 Abjathar 48–50, 419 Abjathariden 50f. Abraham 146, 211f., 442f., 458 Abrahambund 103f. Abrahamskindschaft 232 Abrahamsverheißung 109, 558 Absolution 282 Abstammung – aaronidische 189, 223, 232 – allgemein 59–61, 189, 262, 440 – Esras 51 – hasmonäische 243 – hohepriesterliche 243 – Hyrkans 223 – idumäische 129 – jüdische 340 – levitische 49, 52 – patrizische 33 – pharisiäische 359 – priesterliche 6, 32, 56–61, 77, 141, 179, 205, 259, 268, 308 – Prinzip der A. 207, 213 – von Abraham 213 – zadokidische 129, 141, 181, 245 Abstammungslinie 125, 600 Abstammungsliste, nehemian. 122

Abstammungsregister 257 Abstammungsverhältnisse 85, 288f., 440, 575, 580 Abyssos 515f., 530, 553 Ackerbau 361f. Ackerfeld 399 Actium, Schlacht von 169 Adam 149f., 165, 212, 216, 271, 443, 529, 555, 578, 594 Adel, aristokratischer 613 Adelsschrift (Luther) 605f. Adonija 49 Affektenlehre, stoische 262 Affektlosigkeit, emotionale 262 Ägäische Inseln 33 Ägypten 33, 126, 158f., 237, 251, 273, 309, 452 Ägypter, der (Aktionsprophet) 228f., 237f., 239 Ahab (König) 83, 87 Aktionspropheten 228–242, 273 Alabarch von Alexandria 260 Albinus 241f. Alexander (Bruder Philos) 260 Alexander der Große 122f., 155, 248, 251, 509 Alexander Jannai 83, 135, 220, 223 Alexandrien 129, 158, 160, 421 Alexandrinus 471, 482, 501f., 552 Alexandrou-Nesos 254 Alkimos (Hohepriester) 126f., 185– 188 Allegorese 261, 274 allegorisch 261, 265–268, 287, 584, 594 allegorisierend 96, 260, 272, 579 Allegorisierung 585 Allerheiligstes 55, 76f., 111, 140, 147–151, 163–167, 174, 196, 212, 256, 262–264, 315–319, 332, 338, 407, 555, 560f., 601

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Sach- und Personenregister

Allerheiligstes für Aaron (Qumran) 167, 191f., 195, 204 Allerheiligstes, himmlisches 561 Alte der Tage 543 Alte Kirche 4, 451, 534, 596–604, 605, 612 Alternativtempel 31, 122, 127, 154–161, 175, 181f., 188, 194, 206, 256, 269, 309, 370f., 382, 574–577 Älteste (24) 471, 495, 502, 540, 543 Althaus, Paul 610 Ambrosius 600 am-ha-arez 152, 224, 271, 273, 578 Amos 87–90, 93, 241 Amt Christi, dreifaches 4, 215f., 505 Amt, dreigeteiltes 598 Ämterhäufung der Hasmonäer 127, 136, 140–142, 163, 181, 215, 218, 287, 508–511, 576 Ämterhäufung des röm. Kaisers 508 Ämterlehre, reformatorische 610 Analogieprinzip 72 Ananias/Ananos (Hohepriester) 130, 182, 248 Anawim 163 Angelstein, siehe Stein Anspruch, aristokratischer 469 Ansteckung 67–69 Anthropologie 325, 612 Antiochia 374 Antiochus II. 509 Antiochus III. 124 Antiochus IV. Epiphanes 124f., 146, 158, 162, 166, 169, 175f., 181, 218, 274, 576 Antonia, Burg 153, 174 Äon, alter 523, 525, 531f., 537, 570 Äon, neuer 523–527, 537 Äonenlehre 524f. Apokalypse Elias (koptische) 528 Apokalypse, jesuanische 290, 311 Apokalypsen, (früh)jüdische 534f., 520, 527, 549 Apokalyptik, jüdische 522f., 525, 528, 531, 538 Apokryphen, frühjüdische 348

Apollon Pythios 34 Apollos 361 Apologetik, christliche 601 Apologie 451 Apostelamt 347 Apostelgeschichte 277, 311, 313, 388, 393, 395, 489 Apostelkonzil 312 Apostolat 347, 351–353, 360, 380 Apostolische Konstitutionen 4 Apostolische Tradition 598 Apostolische Väter 6 Aquila 98, 422, 434, 442 Archelaos (König) 140 architektonisch 110 Archiv(bestände) 61 Areopagrede (Paulus) 295 Aristeasbrief 54, 124, 147, 336 Aristides (Apologet) 454 Aristobul von Kassandreia 452 Aristobul III. 128 Aristokrat, pharisäischer 229 Aristokratie – hohepriesterliche 129, 277 – Jerusalemer 124f. – jüdische 183, 270 – lokale 130 – senatorische 473 aristokratisch 416, 424, 429, 446, 451, 461, 587, 613 aristotelisch 261 Arkandisziplin 35, 118 Arsinoe-Crocodilopolis 254 Asarja 233 Asasel 523 Asidäer 163 asidäisch 185 Askese 22 Aspis, Berg 214 Assumptio Moses 140 Assyrer 156 Athen 34 Athena Polias 34 Auferstehung – allgemein 520 – der Gerechten 524 – der Märtyrer 514, 518, 521, 544 – erste 516, 526, 530, 545f., 552 – Jesu 45, 290, 293f., 309, 321, 380f., 413, 434 – leibliche 545 – spirituelle 545

Sach- und Personenregister – universale 524 – zweite 530 Auguraldisziplin 28 Auguren/augures 27f., 30, 37 Augustin 502, 518f., 600 Augustus 31, 508 Auspizien/auspicium 28, 30 Azi-Dahâka 523 Babel 556 Babylon (Chiffre) 386, 393f. Babylon 520, 532, 559 Babylon(ien) 33, 51, 393, 452 Babylonier 164, 208, 247, 394 babylonisch 50, 53, 210 Babylonisches Exil 9, 93, 108, 140, 218, 233, 251, 254, 274, 498, 575 Banyas 509 Baptismus 609 Bar Kochba-Aufstand 169 Barnabas, Joseph 52 Barnabasbrief 529 Barth, Karl 610 Baruchapokalypse, syrische 521, 524, 534 Baum des Lebens 150 Behemoth 524 Behörden – lokale 387, 390, 396 – römische 387, 390, 397 Bekenntnisschriften 605 Benjamin (Stamm) 125 Berit El/Gottesbund 196 Beschneidung Jesu 311 Beschwörung 25 Bethel 209 Bezalel 150 Bildungsbewegung (Pharisäismus) 220, 224f., 227, 271, 578 Bilgah (Stamm) 125 Bilha 213 Bischof/Bischöfe 598–605 Bischofsamt 602 Bithynien 395 Blutmanipulation 80 Boas 93 Boethos (Hohepriester) 129, 182f. – Familie/Boeth(us)ianer 182f. Brahmanenkaste 33 Braut Christi/des Lammes 559 Brustschild 55, 245

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Brustschmuck 561 Buch der Traumgesichte 165 Buch des Lebens 545f. Buchrolle (Apk) 471, 495 Bundesformel 557 Bundeslade 332f. Bundestheologie 448 Burgstein, siehe Stein Bußpredigt 232 Bußtaufe 230, 234, 273, 578 Caecilius 600 Calvin, Johannes 610 Catullus 239 Celsus 389 character indelebilis 602 Charisma, prophetisches 246, 270 Charismenliste(n) 342, 358, 470 Chasidim 163, 165 Chiliasmus 519 chiliastisch 516, 519 Chios 32 Christen, römische 332 Christenverfolgung 386–388, 390f., 474, 476, 487, 538, 592 – domitianische 473 – neronische 387f., 397, 476 – regionale 396 Christianisierung 599, 601 Christologie 352, 370, 459, 489, 527 – adoptianische 489 Christologisierung 11, 13 Christus praesens 586 Christusepiphanie 582 Christuskult 322 Christus-Tempel 400 Cicero 14, 34 Clemens von Alexandrien 390, 416, 440 Clemensbrief (1.) 387 Cleopatra 158 Codex Gigas 483, 500f. Collinisches Tor 22 Common Judaism 131, 219 Confessio Augustana 1, 605 creatio ex nihilo 454 cultus deorum 30 Cuspius Fadus 237 Cyprian 4, 500f., 599, 602 Cyrill von Jerusalem 600

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Sach- und Personenregister

Damaskus 188, 193, 202, 287, 313, 582 Damaskusdokument 165, 191f., 196, 202, 210 Dan 46f. Daniel 246, 521 Dankopfer 265 Daphne 158 Darius III. 155 David 48f., 87, 109, 113, 165, 312, 411, 419, 434, 507, 510 Davididen 510 davidisch 113, 164 Davidsbund 103f., 509 Davidsohn 411 decemviri sacris faciundis 37 Decius 387 Decretum Gratiani 603 Delphi 27, 41 Demavend, Berg 523 Demokratisierung 609 Denken, kultisches 75 Denunziation 387f., 391, 587 Desakralisierungsfunktion 23, 40, 573 Determination/Determinismus 186, 227 Diakon 598 Diaspora 49, 152, 160, 177, 179, 250–259, 271f., 373, 382, 579 – ägyptische 154, 256 – alexandrinische 129, 268 – babylonische 129, 154 – hellenistische 257 Diasporabrief, frühchristlicher 393 Diasporagemeinden 579 Diasporajudenchristen 259 diasporajudenchristlich 462 Diasporajudentum/ Diasporajuden 9, 152, 175, 177, 180, 250–260, 271f., 275, 345, 360, 372, 421, 578f., 582 – ägyptisches 160, 169 diasporajüdisch 177, 269, 382 Diasporatempel, jüdischer 154 Didascalia Apostolorum 599 Didaskalia 4, 602 Didrachmensteuer 152, 284 Diffamierung 388, 390, 462, 587 Dina 208f., 213 Dina-Sichem-Erzählung 209f., 212

Diodorus Siculus 123 Diokletian 387 Dionysius von Alexandrien 519 Dispensationalismus 527f. divi filius 474 Divinisierung 473f. Domitian (Kaiser) 387f., 397, 473f. Doxologie 471, 477–494, 496–505, 568, 589f. doxologisch 101, 583 Drache, siehe Satan Drei-Schulen-Referat (Josephus) 181, 183, 186, 218, 221 Drei-Tage-Frist 292, 294, 585 duoviri sacris faciundis 37 Dynastie – hasmonäische 181, 127–129, 243, 509f. – herodianische 279 – hohepriesterliche 121, 245 – zadokidische 130, 132, 159 Ebenbild Gottes 591 Ebionäerevangelium 322 ecclesiolae in ecclesia 608 Eckstein, siehe Stein Eden, Garten 78, 149–151, 555 Eheverhältnisse, (in)korrekte 60–62, 64, 77, 116, 132, 137f., 141f., 268, 288f., 308, 575, 580 Ehrenprädikate (Israels) 386, 405, 438–464, 589 Ehre-Scham-Denken 414 Eingangsliturgie 81 Ekklesiologie 323f., 327, 335, 374, 459 Eleasar (Sohn Aarons) 248 Eleazar (Pharisäer) 50, 126, 181, 218, 223 Elephantine 154 Eli 46f., 53 Elia 87, 228–230 Eliden 50 Elisa 229 Eljaschib (Hohepriester) 43, 155 Endkampf, eschatologischer 204, 438 Engel 63, 75, 135, 183, 188, 195, 197, 209, 233, 477, 523, 529, 531, 533, 543, 565, 603 Engel, gefallene 523, 565 Engelgericht 524 Eniachin (Geschlecht) 130

Sach- und Personenregister Enosch 443 Entdinglichung 12f. Enthaltsamkeit, sexuelle 35 Entkirchlichung 608 Entmaterialisierung 11f. Entsakralisierung 12f. Entscheidung, freie 436 Entsprechungsethik 424 Epaphroditus 346, 348 Epheserbrief 393, 419f. Ephod, priesterlicher 55, 74, 82 Ephraemi rescriptus 482 Epidauros 27 Epistel Henochs 164 Erbfolge, hohepriesterliche 181 Erbpriestertum 60, 179, 184, 213, 278 Erde, neue 150, 514–516 Erfüllungsthese 455f., 458 Erwählung 400, 405, 413f., 418, 424, 436f., 440, 442, 446–448, 451, 455–458, 461f., 499, 587 Erwählung Jesu Christi 440, 461 Erweckungsbewegung 608 Eschatologie – atl. 522 – jüdisch-nationale 524 – ntl. 514 – präsentische 504 Eschatologisierung 12f. Esra 51, 58f., 92f., 156, 175f., 218, 247, 575 Esrabuch (4.) 521, 534, 536 Essener 31, 58, 135, 184–207, 218, 231 essenisch 135, 186, 227, 438 Eteoboutaden 34 Ethik 323–327, 335 Ethisierung 12f. Eucharistie 426, 468, 597–601, 609 Eunuchen 106 Euphrat 251 Euseb von Caesarea 519, 601 Evangelien 277–279, 280–290, 291, 293, 298, 301, 307, 321, 434 Evangelientradition 417 Evangelium 342, 345, 350f., 357– 361, 377f., 382, 395, 434f., 450, 455, 574, 581f., 585f., 605, 611

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Exodus 237, 491, 578 Exodusformel 86, 97, 100–106, 115– 118, 179, 205, 212, 265, 405, 420– 424, 433, 439, 441–446, 460, 471, 479, 482, 489–494, 500f., 504– 507, 511, 543, 548–551, 568, 576, 583f., 587–595, 599 Ezechiel 88, 109f., 115, 144, 174, 246, 270, 333, 521 Ezechielbuch 520 Felix (Prokurator) 237–239 Festtraditionen 136 Festus (Prokurator) 239 fetiales 38 flamen Dialis 21f., 30, 33 flamines maiores 37f. flamines minores 30, 37 Fragmentenhypothese 535 Freiheitsschrift (Luther) 611 Freikirchen 609 Fremde/Fremdheit 392, 394, 462f., 466 Fremdlingsexistenz 429 Frevelpriester 136, 138, 185, 287, 303 Fundamenteckstein, siehe Stein Fundamentstein, siehe Stein Gabriel (Engel) 233 Gaius (Kaiser Caligula) 260 Gaius von Rom 519 Galaterbrief 477f. Galatien 395 Galiläa 306, 371, 393 Galiläer 279, 284 galiläisch 284, 298, 389, 392f. Garizim, Berg 154–157, 160, 215, 236, 371 Garten Eden, siehe Eden Gebet als Opfer, siehe Opfer Gebet, hohepriesterliches 264 Geburtsgeschichten, lukanische 232f., 311 Geist Gottes 419 Geist, Heiliger 318, 323–328, 339, 345, 350, 356, 359–369, 372, 375– 379, 424f., 427f., 454, 458, 465, 581, 585f., 606, 611f. Geld-/Münzwechsler 299–303, 306 Gemeinde(n) – eschatologische 361, 487

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Sach- und Personenregister

– heidenchristliche 339, 373, 386, 453f., 458 – hellenistische 431 – korinthische 361 – lebendige 458 – kleinasiatische 438, 461 Gemeinderegel (Qumran) 138, 165, 191f., 202f., 423 Gemeinschaft/Union, essenische 186 Genealogien – aaronidische 51 – levitische 51 – priesterliche 51, 59, 62 genealogisch 40, 47, 50, 53, 56, 61f., 77, 85, 120, 156, 222, 225, 227, 243f., 248, 262, 574, 594 Gerechter, leidender 410, 513 Gericht der Gerechten 513 Gerusia 124 Gesalbte Aarons und Israels 202 Gesalbte, priesterlich 203 Gesundheit 83f. Gewänder, heilige, siehe Kleider – (hohe)priesterliche, siehe Kleider Gibeon 46 Giebelstein, siehe Stein Gnosis 512, 600 Gog und Magog 520f. Golgatha 314f., 339 Gottesdienst – atl. 10, 95 – der Gemeinde 345, 587 – der Seele 594 – des Einzelnen 266 – des Gebets 196 – des Lebens 380 – des Leibes 344 – des yaḥad 167, 200f., 206f. – diasporajüdischer 253–259 – eschatologischer 170, 566 – falscher 91 – im Geist 342 – im Jerusalemer Tempel 299, 307 – irdischer 505 – israelitischer 46 – jüdischer 371 – kultischer 106, 468, 584 – opferloser 475 – paganer 26, 34, 342

– sprechender 343 – stellvertretender 107 – Synagogengottesdienst 253–259, 272, 343–345, 360, 582, 600 – Tempelgottesdienst 200, 259, 335, 345, 347, 382 – torafreier 360, 380, 581 – (ur)christlicher 15, 206f., 321, 375f., 382, 450, 452, 566, 597, 600, 612 – wortgemäßer 343 – Wortgottesdienst 259, 579, 600 Gottesdienstleitung 200 Gottesdienstliturgie 468 Gottesdienstordnung 200 Gottesdienstraum 597, 601 Gottesebenbildlichkeit 553 Gottesentscheid 82f. Gottesfürchtige 344 Gottesherrschaft, siehe Herrschaft Gottesknecht 283, 305, 497 Gottesurteil 130 Gottesvolk, endzeitliches 496 Gottpriester 22 Grab Jesu 408 Greuel der Verwüstung 125 Griechenland 19–42, 251, 259, 454 Grundstein 288, 415, 420, 432f., 588 Grundsteinlegung 409 Habakuk 247 Hadrian (Kaiser) 454, 473f. Haggai 88, 91, 94, 144, 175f., 575 Halbschekel(steuer) 152, 284 Hamburger Kirchenstreit 608 Hamor 208 Händler 299, 302, 306 Hanna (Prophetin) 311 Hannas (Hohepriester) 129, 182f. Hannas-Familie 182 Hapaxlegomenon/-a 331, 367, 488 haruspex/haruspices 27 haruspicina 27 Haschamon 243 Hasmonäer 83, 126–128, 136, 140, 142, 157, 159, 173, 175, 182, 189, 198, 215, 223f., 243, 245, 270, 510 hasmonäisch 31, 52, 121, 126, 128, 133, 140, 153, 158, 181, 188f., 214, 218, 303, 509, 511, 576 Hausbaumetapher 399, 415, 419 Hausbaumotiv 417, 419

Sach- und Personenregister Haustafelethos 465 Hebräerbrief 4, 8f., 277, 322, 350, 360, 380f., 393, 406, 423, 426, 467, 469, 487, 504, 560, 597, 609 Heidenchristen 331, 373 Heidenmission 346 heilig 66–71, 79, 84, 97, 102, 104, 117, 188, 198, 204, 223, 323, 328f., 427, 567, 603, 613 Heilige des Höchsten 543 Heilige, das 26, 28, 40, 42, 46, 68–70, 76f., 81, 85, 111, 145, 167, 225, 315, 323f., 365, 566, 573, 575, 609 Heiligen, die 323, 329, 464, 504, 528, 542, 528, 542, 551, 560, 603 Heiliger Krieg 512f. Heiliges Land 230, 257f. Heiligkeit 6, 22, 27–29, 41, 56f., 60, 63–69, 73–77, 85f., 100– 106, 111, 115, 118, 120, 132, 141, 174, 179, 197, 205f., 213, 217, 222–225, 228, 235, 255, 261, 264, 300, 302, 308f., 323– 329, 337–339, 350, 356, 359f., 363–370, 375, 379–382, 398, 404, 418, 423–425, 437, 442, 444–447, 458, 461f., 470, 506, 551f., 555, 561, 566–570, 573– 583, 587, 592–595, 600, 603, 608, 612 Heiligkeitsfragen 128 Heiligkeitsgesetz 64, 66, 213, 216 Heiligkeitsgrade 75–77 Heiligkeitshalachot 141 Heiligkeitskonzeption 325 Heiligkeitsnormen 196 Heiligkeitsregularien 71 Heiligkeitssphäre 117 Heiligkeitsstandards 581 Heiligkeitstheologie 45 Heiligtum (siehe auch Tempel) 23, 28f. 46, 58, 61–66, 72–74, 78– 84, 104, 111, 113, 116–119, 136, 139, 143f., 149f., 151– 153, 155–157, 162f., 166–168, 170f., 174, 176f., 195, 266f., 295, 306, 308, 311, 323, 337, 364, 366, 370–372, 378, 400,

753

406–409, 423, 509, 562, 566f., 586 – alternatives 269 – aus Menschen 270 – eschatologisches 174, 462, 584 – himmlisches 75, 148 – irdisches 295f. – lebendiges 297 – neues 142 – paganes 23, 27 Heiligtumsweihe 334 Heiligung 73, 77f., 82–84, 104, 117, 324–329, 350, 356, 359, 363, 378– 381, 424, 451, 455, 458, 552, 575, 591 Heiligungsakt 114 Heiligungsbewegung (pharisäische) 220, 224, 227, 271, 359, 578 Heiligungsriten 64 Heilsuniversalismus 558 Hekataios von Abdera 57, 123 Heliopolis 158 Hellenisierung 124f. Hellenismus 163, 184, 251, 365 Henoch 212, 443 Henochbuch, äthiopisches 136, 164f., 523, 529, 576 Henochbuch, slawisches 529 henochitisch 185 Herakleskult 32 hereditär 3, 33, 60, 64, 179, 205, 207, 223–226, 244, 266, 271, 278, 375, 382, 511, 574, 577f., 581f., 593f. Hermeneutik 579, 600 Hermeneutik Philos 269, 273 Hermetisches Schrifttum 341 Herodes Agrippa I. 130, 237 Herodes Agrippa II. 130, 313 Herodes Antipas 140, 233 Herodes der Große 54–56, 124, 128– 132, 140, 145, 148, 151, 153, 172– 175, 181, 219, 274, 576 Herodessöhne 140 Herodianer 278 herodianisch 55, 130, 153, 159, 172– 175, 219, 245, 248, 250 Herrenmahl 321, 468, 597, 601, 609, 612 – Abendmahlsliturgie 468 Herrenmahl als Opfer, siehe Opfer Herrschaft – antichristliche 554, 591

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Sach- und Personenregister

– Christi 501, 512, 517, 530, 545, 554, 564, 568, 570, 610 – der Glaubenden 512, 590 – der Heiligen 512f., 543, 547f. 564, 568, 590 – der Knechte 564 – der Märtyrer 521, 532, 554 – der Priester 537 – des Drachens 569 – des römischen Reiches 549 – eschatologische 472, 491, 494, 502f., 507–512, 548–554, 559, 565, 568f., 592, 613 – ewige 519, 592 – Gottes 308, 508, 512f., 523, 549f., 563f., 567, 571, 590 – Herrschaft Christi, tausendjährige, siehe Millennium – Königsherrschaft 99, 491f. – präsentische 501, 512 – satanische 549 – tausendjährige, siehe Millennium – urständliche 552 – von Christen 501 Herrschaftsfunktion 472 Herrschaftsmotiv 563, 565 Herrschaftsraum Gottes/Christi 502f., 506, 548, 552, 563, 568, 590f., 593 Herrschaftsthematik 506 Herrschaftsübertragung 540 Herrschaftsvollmacht 553 Hetären 364, 366 hierarchisch 380 Hierokratie 99–101, 123, 249, 413, 511 hierokratisch 205 Hieronymus 259, 483 Himmel, neuer 150, 514–516, 523, 570 Himmelfahrt Jesu 310 Hinduismus 26, 33 Hippolyt von Rom 180, 500f., 519, 598 Hiskia (Hohepriester) 130 Hofpriester 29 Hohepriester 43, 46f., 52f., 55, 59, 61, 67, 74f., 111–114, 119, 122–142, 157f., 163, 171, 184, 188, 198, 212, 215, 222, 224, 233, 244–249, 258–268, 272,

286–289, 303, 309, 504, 509, 561, 570, 579, 598f., 602, 605 – eschatologischer 198, 203 – hasmonäischer 57, 189 – jüdische 510 – oniadischer 124, 509 – zadokidischer 127, 182, 509, 577 Hohepriesteramt 51, 114, 122–124, 127–132, 148, 155, 157, 159, 185, 188, 206, 223, 509 Hohepriesterchristologie 278, 380 Hohepriesterfamilien 55, 61, 182f., 244f., 287 Hohepriesterfamilien, zadokidische 124, 188, 190 Hohepriester-Könige , hasmonäische 139, 158, 176 hohepriesterlich 31, 51, 55, 124, 131, 218, 261 Hohepriesterschaft 172, 233, 277, 290, 304 Hohepriestertitulatur 597 Hohepriestertum 122, 131, 153, 243– 248, 265, 270, 299, 371, 422, 510, 577, 598 Hohepriestertum Christi 8, 348, 360, 597f., 605, 609 Hohepriesterwürde 510 honestiores 539 Hosea 88f., 93, 453f. Hymnus, frühchristlicher 438 Idealismus 10, 87 Identitätsformation, frühchristliche 344, 370, 374, 378, 463–466, 474, 589 imago mundi 316 imitatio Dei 72f., 114, 117, 574 imitatio Templi 600 Imperialisierung des Christentums 600 Imperium, römisches 391 Industrialisierung 608 Initiationsritus 33 Inkulturationstheologie 508 Inspiration der Bibel 519 Insuffizienz – der Priester 109, 115–118, 121, 576 – des Kultes 364 – des Tempels 137, 142, 146, 166, 174, 232

Sach- und Personenregister Integrationsthese 456, 458 Interim, heilsgeschichtliches 364 Interimstempel 168, 376, 382, 411, 439, 581, 584 Intersacerdotium 127 Investitur, priesterliche 62, 573 Irenaeus von Lyon 473, 519, 529 Isaak (Erzvater) 146, 209, 211f., 443 Ismael ben Phiabi 130 Israeleschatologie 527 Israelisierung 596–604, 612 Itamar (Sohn Aarons) 248 ius sacrificandi 34 Jaddua/Jaddus 122f., 124, 155, 248, 509 Jahwekrieg 513 Jakob (Erzvater) 209–213, 442f. Jakob-Söhne 134 Jakobusbrief 393 Jakobusrede 312 Jason (Hohepriester) 124–126, 158, 188 Jedaja (hohepriesterliches Sippe) 127 Jehojarib 189, 243f. Jeremia 83, 88, 109, 115f., 241f., 246, 270, 306 Jericho 230, 238 Jerobeam (König) 223, 489 Jerusalem passim – endzeitliches 195 – himmlisches 162, 534, 536 – neues 150, 521f., 528, 533, 545–570, 591f., 595 Jesaja 87–90, 247, 409 Jesus bar Ananias 241f. Joarib 56 Jochanan ben Zaqai 70f. Joel 247 Johannes (Evangelist) 290 Johannes (Jünger, Apostel) 287, 309, 311 Johannes (Seher) 460, 471–571 Johannes Chrysostomos 598 Johannes der Täufer 229–236, 241f., 247, 273, 278f., 283, 299, 317, 578, 580 Johannes Hyrkan (KönigHohepriester) 128, 141, 154,

755

157, 181f., 185, 214f., 218f., 223, 244f., 270 Johannesapokalypse 4f., 7–9, 15, 17, 23, 64, 216, 277, 339, 360, 381, 387, 391, 422f., 443, 469, 471– 571, 584, 587, 589–592, 593, 595, 610–613 Johannestaufe 231, 233 Jonathan der Sikarier 239 Jonathan Makkabäus 31, 121, 127f., 136, 142, 185–189, 214, 218 Jordan 230, 232, 237 Jordantaufe 233 Josaphat (König) 83f. Joseph (Sohn Jakobs) 93 Josephus (Flavius) 4, 43, 54, 56f. 61f., 76, 82, 84, 122–124, 131, 135, 147–159, 172–174, 180–188, 196, 217–241, 242–250, 270–272, 275, 278, 304, 316, 336, 341, 344, 348f., 460, 577 Josia 49 Josianische Kultreform 48f. 119 Josua (Hohepriester) 51f., 112f., 116, 123–126, 171 Josua (Nachfolger Moses) 140, 226, 229f., 237 Jotapata 246 Jubiläenbuch 136, 147, 162–165, 208–217, 442 Juda (Stamm) 127, 202 Juda (Südreich) 113f. Judäa 61, 131, 187, 306, 313, 371 Judäer 156, 279 Judas der Galiläer 237 Judas Makkabäus 126, 162, 442 Judasbrief 393 Judasverrat 286 Jüdischer Krieg 3, 8, 43, 52, 58, 78, 121, 131f., 147, 153, 160, 172, 180, 184, 223, 228f. 240–242, 245, 247, 250, 257, 270, 273, 284, 353, 525, 578 Judith 180 Jupiter 22 Justin 411 Justin Martyr 519, 529, 601 Kaiphas (Hohepriester) 129 Kaisareionarchitektur 174 Kaiser, römischer 391, 474f., 509 Kaiserkult 388, 391, 396, 474f., 509

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Sach- und Personenregister

kalendarisch 35, 54, 136, 138, 189 Kalender 84, 128, 136f., 141, 162, 189, 197, 242 – solar (Sonnenkalender) 136f., 141, 163, 186, 210 – lunar-solar 54 – römischer 38 – seleukidischer 136 Kalendertraditionen 136 Kamith (Hohepriester) 129 Kämpferstein, siehe Stein Kanaanäer 300 Kappadokien 395 Kapporet 334 Karlstadt, Andreas 606 Kelchwort 305, 307, 377 Kerygmatisierung 13 Keuschheit 22 Khirbet Qumran 185–207 Kleider – priesterliche 56, 69, 162, 243 – Gewänder, heilige 62, 75, 118 – Gewänder, hohepriesterliche 74, 78, 131, 150, 248, 263f., 314, 561 – Ornat, (hohe)priesterlicher 55, 74, 77f., 82, 85, 117, 130, 132, 245–248, 263, 268, 504 Kleidermetaphorik 74 Kleiderwechsel 112 Kleidung – der Pharisäer 226 – prophetische 230 Kleinasien 33, 251, 259, 387, 391f., 394, 424, 455, 474, 476, 535, 587, 592 Kleomedes 317 Knechte (Gottes) 550, 556–559, 564–566, 570, 592 Kolonialpolitik, römische 184 Kommerzialisierung(skritik, these) 300, 302–304 Kommission für Glauben und Kirchenverfassung 609 Kommunikabilität (interkulturelle) 325, 331, 361, 585 Komplettierungtheorie 455f. König 30f., 99–101, 105, 128, 165, 168, 173, 244, 268, 337, 411, 444–446, 474, 481, 491– 493, 502–510, 523, 527f., 533, 551, 558f., 583

– von Tyrus 149 – assyrische(r) 31, 81 – hasmonäische(r) 173 Könige der Erde 480f., 533 Königreich 441f., 483, 491, 502–504, 524, 543, 583, 590 Königreich/Königtum von Priestern 97–105, 179, 213, 216, 222f., 227, 271f., 353, 398, 490, 578 Königsbund 101f. Königshaus(halt) 418, 441–444 Königsherrschaft, siehe Herrschaft Königspriester 98 – ägyptisch 508 – assyrisch 508 – mesopotamisch 508 – sumerisch 508 Kontrastethik 424 Kontrastgesellschaft 589 Korachiten 57 Korach-Rebellion 60, 86 Korintherbrief (1.) 420 Korintherbriefe 379 Korruption/Korruptheit 131, 134, 139f., 148, 167, 288, 290, 303f. Krankheit 83 Kreta 251 Kreuz und Auferstehung Jesu 305f., 327f., 335, 353, 407, 458, 514f., 518 Kreuz(igung) Jesu 11, 45, 286, 291, 309, 314f., 318, 334, 413, 487, 497, 539, 580, 611 Kreuzestheologie, paulinische 319 Kreuzestod Jesu, stellvertretender 487, 498, 585 Kritik – am Kult 8, 88, 90, 232, 235, 279, 286, 381, 576 – am Tempel 8, 88f., 121, 144f., 153f., 161, 170, 173, 176, 232, 279, 288, 299, 304, 308f. 312, 333, 582 – jüdischen Führern 287 – Opfern 87, 89 – Priestern/Priestertum 8, 87, 91–94, 117, 120f., 131f., 139, 142, 175f., 232, 279, 288, 303f., 308f., 575, 580, 582 – prophetische 87–95 Kryptonym 394

Sach- und Personenregister Kultdienstordnung, siehe Priesterabteilungen Kultdienstzeiten 57 Kultfrevel, siehe Religionskrise Kulttora, siehe Tora Kulturpolitik, seleukidische 136, 159 Kultzentralisation 39, 48, 50, 120, 175, 177, 194, 256, 274, 574 Kyrenaika 251 Kyrene 239 Laien 598, 601–603, 608 Laienopfer 50 Laienverkündigung 608 Lamech 212 Lamm Gottes 471, 480, 486, 494, 495–506, 527, 546, 549f., 555f., 559f., 563–567, 570f., 591f. Land Israel 181f. Landleviten (jahwistische) 50f. Landnahme 237f., 578 Laodicea 487, 540, 542, 549 Laogonos 22 Lasterkataloge, jüdische 387 Leben Adam und Evas 529 leges sacrae 28f., 41, 326, 574 Lehrer der Gerechtigkeit 31, 138, 181, 186–198, 206, 224 Leiden Christi 386 Leiden der Christen 386, 391, 398, 414, 446, 462, 476, 549, 554, 591, 593f. Leontopolis 31, 127, 154, 157– 160, 181f., 188, 194, 206, 269, 371, 382, 576f. Levi (Jakobsohn) 92, 163, 207– 217, 271, 510f., 574, 578, 597 Levi (Stamm) 47, 106, 127, 202, 576 Levi-Apokryphon 208 Leviathan 524 Levi-Dokument, aramäisches 43, 208–217, 510, 578 Levi-Segen 104 Levi-Söhne 134 Leviten 33, 44–53, 56–59, 62, 75f., 80–86, 105–115, 146, 155f., 175f., 196–201, 204– 207, 213f., 218, 226, 257, 260,

757

277f., 285, 337, 354f., 438, 575, 584, 594, 598, 602 levitisch 48f., 56, 86, 95, 106, 205, 210, 353, 360, 451, 460, 467, 509, 577, 593f., 597 Levitisierung 49, 467, 612 Levi-Tradition, priesterliche 180, 186, 207–217, 271–274, 340, 359, 382, 509f., 578, 581, 594 Lied, neues 471, 484, 495–506, 590 Lima-Dokumente 609 Literatur, frühjüdische 348f. Literatur, rabbinische 179f., 283 Literatur, samaritanische 282 Liturgie, himmlische 505 Lob der Väter 509 Lobopfer (der Lippen) 95, 449, 579 Logosspekulation 262 Los(entscheid), siehe Orakel Lösegeldwort 305, 307, 377, 580 Loskaufmotiv 488, 498 Lukanisches Geschichtswerk 285, 310–313 Lukas (Evangelist) 233, 237f., 291, 309–313 Lukasevangelium 308, 313 Lumen Gentium 603f. Luther 87, 469, 604–608, 610, 612 Mächte, satanische 518, 537 Magier 33 Makkabäer 126, 147, 188, 442, 510 Makkabäeraufstand 126, 147, 158, 164, 166, 175, 181, 509 Makkabäerbuch (1.) 52, 180, 188, 510 Makkabäerbuch (2.) 188, 443 Makkabäerbuch (4.) 332 Makkabäerbücher 166, 188 Makkabäerzeit 165, 181 makkabäisch 215, 248 Makkabäische Bewegung 163 Makrokosmos 263 Makrotempel 150 Maleachi 88, 91, 94, 114, 166, 176, 230, 303, 575 Manasseh 155f. Mantik 25 mantis Agias 30 mantisch 35 Marcion 600 Mariamne I. 128

758

Sach- und Personenregister

Markus (Evangelist) 291, 297f. Markusevangelium 277, 286f., 305, 313–319, 489, 580 Märtyrer (Makkabäerzeit) 513 Märtyrer 332, 388, 391, 476, 493, 514, 517, 522, 526f., 530, 536– 554, 559, 564, 569f., 591 Martyrium 309, 357, 476, 539, 546f., 591, 598 Massada 147 Mattathias 126 Matthäus (Evangelist) 291, 298, 549 Matthäusevangelium 284, 306, 313, 457f., 484 Mediation 26, 40, 86, 106, 179, 184, 245, 250, 275, 306, 353, 429, 445, 451, 462, 573, 579f., 589 – Mittleramt 445, 504 – Mittlerdienst 505 – Mittlerfunktion/-rolle/-schaft 20f., 23, 25f., 30, 32, 79, 104 – Mittlerinstitution 104 – Mediator(en) 28, 352 – Mittler 79–81, 233, 260, 360, 579, 586 mediatorisch/mediativ 26, 40 59, 70, 78, 80, 85, 101, 115, 117, 247, 260–264, 306, 319, 348, 351, 380, 425f., 445, 450f., 461, 502, 504, 562, 583, 588, 594f., 611 – mittlerisch 32, 80, 352, 467, 493, 502f., 568, 590 Meditation 35 Melchisedek 31, 422, 507, 597, 605 Melito von Sardes 519 Menelaos 125–127, 158, 188 Menora/Leuchter, siebenarmiger 78, 111, 148, 150, 267 Mensch, adamitischer/paradiesischer 553f., 565, 569, 591f., 595 Mensch, paradiesischer (siehe Mensch, adamitischer) Mensch, priesterlicher 592 Menstruation 28, 66f., 71, 138, 222 Menstruationsabstinenz 139 Menstruationsblut 139, 222

Menstruationszyklus 138 Mesopotamien 30f., 393 messianisch 202f., 240, 278, 283, 288f., 296, 298, 404, 411–413, 430, 480, 489, 510, 525, 587 messianische Sendung Jesu 284 messianischer Anspruch Jesu 281, 283, 287, 289, 296, 299, 305–310, 319, 412, 580 Messianisierung 171 Messianismus 204 Messianität Jesu 309, 411, 434, 580 Messianologie, ntl. 527 Messias 215, 240, 277, 306, 308, 313, 371, 381, 434, 458, 495, 510, 524f., 527, 529, 533, 538, 546 – davidischer 524 – königlicher 171, 202 – politisch-militärischer 203 – priesterlicher 201, 203 Messiaserwartung 509 Messiasfrage 288, 290 Messiasgestalt, priesterliche 510 Messiasreich, siehe Millennium Messiasschlacht 532 Messopfer 467 Metapherntheorien 13–15, 582 Metaphorisierung 3, 7–9, 13, 17, 44f., 64, 95f., 105, 107, 115, 118, 167, 180, 195, 205, 259, 273f., 310, 325, 333, 339, 346, 349, 358, 360, 364, 372, 376, 380f., 408f., 425, 437, 465, 493, 506, 562, 571, 573, 576–581, 582–593, 597, 599, 612 Methodius 519 Methusalem 212 Micha (Ephraimiter) 46, 57, 80 Micha (Prophet) 83, 88 Midrasch Tadshe 149 Mikrokosmos 148, 150, 263, 316 Millennarismus 519 – amerikanischer 518 millennaristisch 514, 528 Millennium 471f., 491, 502, 504, 514–554, 556, 569f., 591, 595 – Herrschaft Christi, tausendjährige 514f., 518, 538f., 547–553 – Messiasreich 516, 530 – postmillennaristisch 517 – Reich, messianisch-davidisch 525 – Reich, messianisches 521–529, 534f., 538, 545

Sach- und Personenregister – Tausendjähriges Reich 514–538 – Zwischenreich (messianisches) 514–554, 569, 591 Millenniumsdeutung 517, 547 Minucius Felix 600 Mischehen 93, 117, 141, 155, 175, 575f. Mischna 97, 257, 441 missiologisch 449 Mission 106, 241, 243, 289, 345f., 393–395, 406, 421, 436, 455 Mission des Paulus 355, 357, 360 Mission Jesu 305 missionarisch 101, 108, 115, 426f., 450f., 461, 505, 535, 583, 588, 590, 594f., 611 Missionsbefehl 457f. Missionsgebiete, paulinische 395 Missionsterminologie 452 Missionstheologie 324 Missionsverkündigung, frühchristl. 435, 449 Mittler, siehe Mediator Mittleramt, siehe Mediation Mittlerdienst, siehe Mediation Mittlerfunktion/-rolle/-schaft, siehe Mediation Mittlerinstitution, siehe Mediation mittlerisch, siehe mediatorisch Mondkalender 137 Monotheismus 146 Morija, Berg 146 Mose 50, 69, 93, 140, 174, 226– 230, 236–239, 281, 290, 351 Mysterienkulte 40 Mysterienreligiosität 399 Mythologie, iranische 523 Nabel der Welt 146, 149, 411 Nachtgesichte Sacharjas 112–114 Nahum 247 Nasiräatsgelübde 372, 429 Nasiräer 233, 372 Natan (Rabbi) 480 Nathanweissagung 298, 557 Nationalheiligtum 119 Nebukadnezar 111 Nehemia 43f., 51, 92f., 155f., 218 Nero 130, 397, 473 Nero redivivus 473

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Neuer Himmel/neue Erde 519, 525– 528, 532, 536, 538, 553, 555, 569f., 592 Neujahrstag 150 Neuschöpfung 489, 492, 515, 531 Nichten- und Neffenehe 138 Noah 211f., 216, 271, 443, 578, 594 Nordafrika 599 Nordreich (Israel) 453 Nordreichstämme 156 numen 21f., 25f. Oberpriester 47 Octavius 600 Oden Salomos 479 odium humani generis 390 Oikumenius 482 Ökumenischer Rat der Kirchen 609 Ölberg 238, 300, 303 Ölsöhne 112 Oniade 509 Oniaden 124, 126, 157, 182, 214, 270, 272, 382, 509, 576–578, 581 oniadisch 160 Onias I. 124 Onias II. 124, 509 Onias III. 125f., 128, 158, 188 Onias IV. 31, 127, 154, 158f., 181, 188, 194, 577 Opfer – abendliches 111 – allgemein 2f., 9f., 16, 19, 46, 63, 79–81, 93, 111, 134, 294, 220, 231–234, 241, 245, 253, 255, 259, 263, 265, 271, 283, 286, 289, 310, 321, 336–339, 374, 380, 423, 426, 437, 460, 498, 579f., 583, 597, 600, 605f. – atl. 378 – blutige 579 – defizitäre 575f. – der Glaubenden 344 – des Leibes 342 – des Lobes und Dankes 505 – des yaḥad 201 – eschatologische 88 – eucharistisches 426, 467, 603 – finanzielle 346 – für den Kaiser 475 – Gebet als O. 600 – geistige 341

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Sach- und Personenregister

– geistliche/pneumatische 425, 428, 450, 456, 461, 470, 551, 587, 595 – gestohlene 89, 94, 138 – Heidenvölker als O. 354 – Herrenmahl als Opfer 598 – im christl. Gottesdienst 598f. – Jesu 322, 597, 611 – jüdische 497 – Levis 209 – makellose 356 – materielle 341 – metaphorische 95f. – ntl. 11, 15 – pagane 23f., 29f., 34f. – persische 33 – private 39f. – sühnende 94, 116–118, 132, 179, 273, 308, 336, 578 – uneigentliche 342 – (un)wirksame 115, 137f., 141 – vernünftige 341, 343 – von Heiden 353f. – wohlgefällig 194, 354, 494 – zur Reinigung 67, 73, 77 Opferdienstzyklus 243 Opfergabe 54, 73, 302f., 330, 349, 351, 355, 357, 360, Opferkalender 303 Opferkasten im Tempel 285 Opferlamm 497f. Opferliturgie 242 Opferpraxis, römisch 26 Opferritual 20, 126, 137 Opfertauben 302f. Opfertheorien 79 Opfertod Christi 611 Opfertod des Lammes 499 Opfertod, stellvertretender 498 Orakel/Losorakel 27, 82f. 20, 25, 27, 79, 82–84, 113, 169, 442f. – Los(entscheid) 35, 83, 130, 248 Orakelsammlung 169 Ordal 20, 83, 85 Ordination 213 Ordinationsgebet(e) 597f. Origenes 482f., 501, 602 Ornat, (hohe)priesterlicher, siehe Kleider Ostkirche 603 Palästinajudentum 421

Paneas, Schlacht von 124 Papias von Hierapolis 519 Paradies 212 Paradiesfluss 149 Parsismus 523 Parteien, korinthische 375 Parthien 393 Parusie Christi 481, 514–517, 521, 532, 544, 569, 591 Parusieankündigung 481 Passafest 315, 496f. Passawoche 298f., 305 Passalamm/-lämmer 265, 334, 398, 497 Passaopfer 265, 594 Passion Jesu 285, 298, 318 Passionsgeschichte 286, 305, 311, 313 Patmos 535 Patriarchen, zwölf 513 Patronatsverhältnis 593 Paulus 273f., 287, 297, 312f., 321– 383, 395f., 398, 406f., 416, 428, 434, 457–469, 478, 488, 497, 501, 512, 514, 543, 561, 564, 571, 580– 582, 586, 595, 597, 609 pax deorum 475 Pergamon 475 Peristasenkatalog 351 Persien 272 Personalpolitik, seleukidische 159 Pescher Habakuk 185 Peshitta, syrische 422, 442, 490 Petrus 284, 287, 309, 311, 392, 394, 396, 489 Petrusbekenntnis 314 Petrusbrief (1.), 4f., 7, 9, 15, 17, 23, 64, 273f., 339, 360, 381, 385–470, 471, 475, 567f., 571, 584, 586– 588, 592–597, 612f. Petruspredigten 393 Phanni (Hohepriester) 130 Pharao 239 Pharisäer (Paulus) 327, 329, 381 Pharisäer 130, 169, 180–184, 213, 217–228, 232, 271–279, 284, 288, 311, 578 pharisäisch 141, 217–228, 298, 327, 382, 581 Pharisäismus 128, 217–228, 232, 254, 271, 327, 359, 578, 594 Phiabi (Hohepriester) 129, 182

Sach- und Personenregister Philadelphia 487, 489 Philipper 345f. Philipperbrief 357 Philippus (König) 140 Philo von Alexandrien 4, 8f., 61, 84, 96, 148, 152, 160, 173, 180, 187, 195, 244f., 247, 251, 253, 259–269, 272–274, 295, 310, 316, 329, 336–341, 348f., 364f., 376, 422, 442f., 460, 579, 583–585, 594 Philosophie, hellenistische 341 Philosophie, platonische 261, 585 Philosophie, stoische 261, 585 Phönizien 124, 251 Phytagoreer 255 Pietismus 608 Pilatus, Pontius 153, 236, 241, 286 Pilger 132, 145, 152f., 256, 259, 266, 303, 315 Pilgerfeste 137, 153 Pilgerzahlen 153 Pinhas 109, 126, 509 Platon 249, 267 platonisch 260, 268 Plinius der Ältere 186f. Plinius der Jüngere 388, 473 Pliniusbrief 387, 397 Pneumatologie 375 Pogrome im Römischen Reich 396 Pogromstimmung, antijüdische 387 polis 24–26, 28, 32–34, 126, 252, 264, 389, 454, 475, 573 Polykarpbrief (2.) 512 pompeianisch 176 Pompeius 127f. 139, 147f., 176 pontifex maximus 508 Pontus 395 Porphyrius 601 Posaunen 531 postmillennaristisch, siehe Millennium Prädestination, doppelte 227, 436 Präfekt 129f. Priester passim – pagane 19–42, 460 Priesterabteilungen (24) 54, 127, 137, 242–244 Priesteraristokratie/-adel, Jerusalemer/ jüdische 126, 129f., 153,

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157, 182f., 232, 241–244, 249, 258, 287, 309, 577, 583 – zadokidische 182 Priesterherrschaft, messianische 510 Priesterkönige, hasmonäische 244 Priesterliturgien 136 Priester-Prophet-Dichtomie 88, 92 Priesterregierung 100 Priestersalbung 600 Priesterschaft passim – ägyptische 30 – assyrische 30 – heilige 417, 420, 423–425, 440, 451 – königliche 360, 441–446, 451, 458–462, 466f., 470, 587–589, 612f. – mesopotamische 30 – pagane 324, 424 – römische 250 – sumerische 30 Priesterschrift 47, 51, 53 Priestersegen 242 Priestertora 119 Priestertum passim – aaronidisches 86, 577 – Allgemeines 1–8, 19, 40, 42, 90, 105, 107, 203–206, 223, 267, 274, 385, 422, 466–470, 573, 593–596, 604–613 – babylonisches 31 – Christi 423, 467–469, 603, 610 – der Gemeinde 610 – der Getauften 600 – der/aller Glaubenden 449, 469, 596, 603, 604–613 – des Amtes 4 – des Dienstes 467, 603 – hierarchisches 469 – königliches 603 – levitisches 4, 107, 115–118, 121, 211, 216, 265, 274, 421–426, 442, 445, 447, 460, 469, 548, 551, 594f., 597, 599f., 606 – römisches 34, 58 Priestervolk 105 Priesterweihe, Sakrament der 603 Privatheiligtümer 46 Prodigium 26, 312, 317 profan 42, 66–70, 71, 75, 84, 117, 323

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Sach- und Personenregister

Profane, das 26f., 41, 76, 81, 85, 145, 323, 326f., 380, 574 Profanisierung des Tempels 139 Profanität 73, 323f., 326 Prokurator 129f. Prophetismus 575 Proselyten 61, 106, 108 Prozess Jesu 129 Psalmen 583 Psalmen Salomos 133, 139, 142, 176, 303 Pseudepigraphen, frühjüdische 348 Pseudo-Hekataios 54 Ptolemäer 124, 509 Ptolemäus III. 254 Ptolemäus VI. Philometor 158, 162, 254 Purimfest 442 Qumran 76, 83, 139, 161, 163, 174, 185–207, 216f., 230, 364, 371, 426, 452 Qumran-Essener-These 186–190 Qumranforschung 186 Qumrangemeinschaft 180, 192, 205, 207, 231, 273, 303, 373, 422, 464, 584 Qumran-Priester 189, 197–201 Qumranschriften/-texte 12, 133, 135–139, 142, 162f. 167–169, 176, 181, 185–207, 208, 210, 215–217, 221–224, 230f., 235, 269f., 274, 337f., 340, 359, 362, 364, 367f., 371, 376, 382, 410, 415, 419, 422f., 438, 441, 509f., 529, 576f., 594 Rabbi Akiba 480 Rabbi Johanan ben Zakkai 312 Rabbi Meir 258 Rabbinat 258 Rabbinen 70, 149 rabbinisch 71, 132, 217, 223, 225, 258, 259, 432 Rade, Martin 608f. Raphael (Engel) 533 Räuberhöhle 300 Raum/Bereich/Sphäre, heilige(r) 58, 65–78, 82, 89, 93, 114–118, 324–330, 337f., 356, 359, 364,

366, 370, 375, 378f., 427, 447, 575, 581, 592, 595 Rechtspflege/r 84 redemptio ab hostibus 497 Reformation 604–608, 612 Reformation des Kultes/Priestertums 90, 115f., 118, 575 Reformationszeit 469, 596 Reformatoren 611 reformatorisch 385, 422, 451, 469, 604, 610f. Rehabilitation 513, 540–547, 569 Rehabilitation des Judentums 250 Reich Christi 591 Reich Gottes 166, 306, 365, 499, 501, 530, 557–560, 563, 565, 573 Reich, messianisch(-davidisch), siehe Millennium Reich-Gottes-Erwartung 525 rein 66–70, 71f., 84, 88, 117, 299, 323 Reine, das 26, 69, 81, 85 Reinheit 56, 60, 64, 67, 72–75, 81, 83, 89, 93f., 120, 132, 141, 188f., 192, 195, 197, 204, 211, 222f., 225f., 261f., 283, 285, 323, 326– 329, 337–339, 368, 376, 578 Reinheitsforderungen 70 Reinheitsfragen 128 Reinheitsgesetze 63, 66, 71f. Reinheitshalacha, -ot 141, 196, 327 Reinheitsnormen 196 Reinheitsstatus 67 Reinheitsstufen 77 Reinheitstora 224 Reinheitsvorschrift 281 Reinigung 70, 73, 78, 100, 113f., 230, 232, 265, 303, 334 Reinigungsopfer 281 Reinigungsriten 64–67, 116, 147, 298, 329 Reiseroute (des Paulus) 355 relationsontologisch 102f., 115, 117, 444, 451, 460, 560, 576, 583, 590, 596 religio (il)licita 388f., 391 religio/Religion 464f., 601 Religion, griechische 120 Religion, hellenistisch-römisch 120 Religion, römische 120, 508 Religionskonflikt, jüdischer 124

Sach- und Personenregister Religionskrise, seleukidische 121, 146, 157f., 161, 163, 169, 181, 274, 576 – Kultfrevel, seleukidischer 162, 166 Religionsparteien 70, 121, 128, 133, 142, 146, 175, 180–275, 278, 382, 576 Religionspolitik – hellenisierende 126 – herodianisch 182 – römische 130f. Religionsverständnis, polytheistisches 274 repraesentatio Christi 602 Repräsentant(en) 85, 112, 117, 132, 172, 263, 351, 573, 591, 594 Repräsentation 85f., 118, 246, 329, 335 Repräsentation der Gemeinde 491 Repräsentationsfunktion 74 Repräsentationsgedanke 266 Repräsentationsmodell (der Priester) 77, 594 Repräsentationsrolle 117 Repression 386–388, 391, 456, 463, 476, 587f., 592 rite vocatus 608 Rom 19–42, 119, 130, 148, 243, 245, 259, 272, 339, 386, 393f., 458, 474f. Römerbrief 335f., 340, 343f., 347, 411, 430 Römisches Reich 172, 383, 387, 389, 396f., 454, 463, 474, 503, 539 Rote Kuh 55, 222 Ruben 213 Ruth 93 Sabbatwoche 530 sacerdo(te)s 598f. Sacharja 88, 91, 94, 112, 122f., 171 Sadduzäer 169, 180–185, 221f., 224f., 232, 270–272, 275, 278f., 284, 577 sadduzäisch 175, 180–185, 227f., 260 Sadduzäismus 153, 180–185, 221– 224, 227, 269, 271

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Sakrament(e) 233, 602–606, 610 Sakramentstheologie 602 Sakramentsverständnis 603 Sakramentsverwaltung 607–609 Salmanasser V. 81 Salome Alexandra 220 Salomo 49, 151, 169, 408, 507 Samaritaner 156f., 236 Samaritanischer Prophet 229, 236, 237 Samariter, barmherziger 277, 285, 308 Samuel (Prophet) 46, 88 Sanballat 155f. Satan/Teufel 487f., 498, 515, 517f., 521, 530, 532, 537, 553 – Drache 530, 533, 591 – Fesselung 514f., 521f., 531–533, 553f. – Freilassung 518, 531–533 Satanssturz 553 Saul 87–90, 165 Scheitelstein, siehe Stein Schilfmeer 237, 265 Schilfmeerlied 296 Schilfmeerwunder 578 Schlussstein, siehe Stein Schöpfung 144, 149–151, 262, 264, 295, 316, 411, 452, 489, 527, 545, 553, 555, 591 Schöpfung, neue 521, 537, 547 Schöpfungsbericht 554 Schreiber 58, 278 Schriften, diasporajüdische 253 Schriften, rabbinische 150, 173, 217 Schriftgelehrsamkeit 218 Schriftgelehrte 56, 182, 215, 226, 260, 278f., 283, 286–289, 303 Schwärmer- und Täufertum 604, 606 Schweigegebot 281 Schwingopfer 354 Seele 261–267, 337, 341, 364, 376, 505 Seelen der Märtyrer 515–518, 539f., 542, 544 Segen 20, 80f., 200, 203, 258, 261– 267, 282, 601 Segenserteilung 25 Seher (siehe Johannes) Seher (Prophet) 83 Seher, pagan 27

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Sach- und Personenregister

Selbstbewusstsein, aristokratisches 463f., 592f. Seleukiden 124, 136, 158, 188 seleukidisch 124, 126, 509 Seligpreisungen (Bergpredigt) 546 Sem 212 Senat, römischer 26, 28, 30, 37 Sendschreiben (Apk) 476 Sendungsauftrag, missionarischer 450 Seneca maior 63 Septuaginta 4, 61, 257, 332, 340, 346, 349, 356, 418, 421, 425, 441, 489 Serubbabel 113, 410 Sexualität 323, 326, 364 Shekel, tyrischer 302 Shekhina/Einwohnung Gottes 143f., 148, 171, 266, 555, 557, 570 Shekhina-Theologie 143, 145 Shekhina-Tradition 363, 369, 375, 555, 557 Shiloh 53 Sibyllinen 169f Sichem 157, 209 Sichemiten 213 Siegel, sieben 531 Simeon (Prophet) 311 Simon (Hasmonäerkönig) 52, 57, 185 Simon I. (Hohepriester) 124 Simon II. (Hohepriester) 123, 509 Sinaibund 97, 103f., 163, 442 Sinaiticus 482 Sirach/Ben Sira 52, 109, 123, 169, 181, 234, 509 Sirachbuch 180, 509 Sklavenloskauf 488, 498, 500 Sklaverei, ägyptische 498 Social-Gospel-Bewegung 87 Söhne – Aarons 136, 198 – des Lichts 438 – Finsternis 438 – Fremde 147 – Jakobs 510 – Jerusalems 139 – Levis 47, 114f., 199, 215, 303, 423 – Zadoks 136, 187, 192, 198, 204, 438

Somatisierung 12f. Sonnenkalender, siehe Kalender Soteriologie 489, 612 Sozialisierung 264–268, 359, 379, 581 Sozialismus 87 Sozialkritik 285 Sozialprestige 37f., 57, 60, 77, 120, 228, 244, 257, 414, 456, 535 Sozialstatus 535 Spanien 251 Sparta 34, 57 Speisehalachot 327 Speiseopfer 39 Spener, Philipp Jakob 608 spiritualisieren(d) 9, 96, 195, 260, 266–274, 310, 579, 584, 594 Spiritualisierung 3f., 9–16, 95f., 107, 168, 195, 261, 262–268, 273, 342, 365, 583–585 spiritualistisch 519 Spross 113, 171 Staat, römischer 391 Staatsform, theokratische 245 Staatsidee, römische 389 Stammbaum 59 Stammbaum, priesterlicher 61 Stammbaumverzeichnisse 59 Stammbaumwissenschaft 59 Stämme Israels 543, 550 Standesbewusstsein, aristokratisches 450, 589, 613 Stein(e) 113f., 170, 241, 287–289, 309, 399–402, 410–417, 434f., 440 – Angelstein 432 – Burgstein 411 – der Scheidung 435 – des Anstoßes 434–436, 461, 588 – Eckstein 409–412, 415, 419, 430– 436, 588 – Fundamenteckstein 409 – Fundamentstein 288, 409–412, 587 – Giebelstein 410 – Kämpferstein 433 – lebendige(r) 398, 402–407, 407– 416, 417, 433, 435, 440, 460, 587 – messianischer 435 – Scheitelstein 171 – Schlussstein 288, 410, 412, 420, 432 – Tempelstein, lebendiger 412–414 – Tempelsteine 408, 420

Sach- und Personenregister – Winkelstein 432 – Zinnenstein 410 Stein- und Tongefäße 302 Steinmetapher 288, 398, 403f., 408, 411, 415, 423, 587 Stellvertreter Gottes 233f., 273 Stellvertretung, mittlerische 80 Stephanus 287, 290, 309–313 Stephanusrede 309, 311, 322, 381 Stiftshütte 66, 69, 149–151, 295, 311, 316, 337, 350, 371, 410, 555 Stiftungsverhältnis 103f., 115, 593 Stigmatisierung 386, 388, 390f., 414, 462f., 386, 499, 587f., 613 Stirnblatt, (hohe)priesterliches 55, 74, 567 Stoa, königliche 300f. stoisch 342 Strabo 251 Streitgespräche Jesu 279 Sublicianische Brücke 26 Sublimation 12 Sublimierung 13 Substitution 12f., 16, 96, 159f., 167, 294, 205, 254, 269, 273, 335, 345, 360, 370, 483, 561, 563, 577, 584 Substitutionstheorie 455–457 Südreich (Juda) 409 Sueton 473 Sühne 55, 68, 95, 113, 117, 202f., 231, 235, 253, 264, 283, 295, 307, 332f. Sühnedeckel 332f. Sühnefunktion 204 Sühnegabe/-geld 309, 332, 498 Sühneinstitution, kultische 376 Sühnekult 113, 235, 302, 306, 353, 487 Sühnemittel 213 Sühnemotiv 488, 498 sühnend 85, 114, 168, 188, 256, 334, 488, 507, 577, 580 Sühneopfer, stellvertretendes 79, 112, 305, 309, 318, 332 Sühneort 152, 333f., 336, 358– 360, 373, 377, 382, 581, 585, 595 Sühneriten, pagan 38 Sühneritual/-riten 114, 168, 305, 315

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Sühnetheologie, paulinische 331 sühnetheologisch 305, 333f., 371, 487, 498 Sühnetod Jesu, stellvertretender 283, 305–308, 318, 334, 336, 339f., 359, 366, 377–381, 425, 429, 487, 562, 580f., 586 Sühnevollzug 203, 260 Sühnewaschung (Qumran) 231 Sukzession, hohepriesterliche 126 Sulze, Emil 608 Sumer 30 Sündenvergebung 230–235, 266, 273, 277f., 281–283, 289, 306f., 331, 339, 497, 578–580, 611 Sündopfer 234, 273 superstitio/Aberglaube 389f. Symmachus 98, 159, 422, 434, 442, 490 Synagoge 160, 253–259, 272f., 343, 360, 456f., 463, 579, 582, 600f. Synagoge Satans 487 Synagogenämter 256 Synagogengemeinden 456 Synagogengottesdienst, siehe Gottesdienst Synagogenvorsteher 258 Synhedrium 55, 124, 221, 286, 290, 309 Syrien 124, 188, 251, 259 Syrohexapla 98, 422, 442, 490 Tacitus 390, 473, 539 Talmud, babylonischer 441 Tamidopfer 79, 497 Tannaiten 76 tannaitisch 217 Tanz 25 Targum Codex Neofiti I. 507 Targum Jeruschalmi II 507 Targum Onkelos 507 Targum Pseudo-Jonathan 507 Targum Ruth 180 Tarpejischer Felsen 22 Taube (Taufe Jesu) 317 Taubenverkäufer 300–303 Tauchbad 222, 231 Taufbekenntnis, judenchristlich 485 Taufe 229–235, 278, 321, 328, 339, 350, 356, 359, 378, 452, 468f., 485f., 491, 599f., 609 Taufe Jesu 314

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Sach- und Personenregister

Täuferkreis 232 Tauffeier, urchristliche 485 Taufgottesdienst 468 Taufliturgie 468 Taufsalbung 600 Taufterminologie 328, 378, 485f. Tauftheologie 485 tauftheologisch 488 Tauftradition 486 Tausendjähriges Reich, siehe Millennium Tempel – allgemein 3, 9, 19, 44, 47, 87, 399f., 406, 418, 420–423, 459f., 508, 522, 555, 560f., 570, 573–582, 583, 599–601 – als Bethaus 307 – als Nationalbank 152 – als Ruheort 151 – archetypischer 151 – architektonische Struktur 75– 77, 166 – aus Menschen 382 – befleckter/unreiner 110 – christliche 601 – der Gemeinschaft (Qumran) 197 – des Heiligen Geistes 365, 367, 420 – eschatologischer 88, 110, 149, 162, 165, 168, 170, 197, 296, 298, 300, 312, 376, 379, 407, 412–416, 439, 459, 462, 521, 562, 587 – ewiger 163 – geistgewirkter 419 – geistlicher/pneumatischer 404, 459f., 462, 589 – Gemeinde als 15f., 324, 361– 372, 374, 379, 406, 416, 420, 432, 588 – Gottes 195, 266, 361–370, 372, 374f., 378, 489, 585 – griechische 153 – herodianischer 159, 173, 260, 293, 298, 363 – himmlischer 110, 135, 148, 169, 176, 209, 560–562 – immaterieller 231 – in Bethel 333 – in Shiloh 53 – irdisch-physischer 297, 561

– Jerusalemer 8f., 12, 43, 48–54, 60, 66–69, 74f., 78, 96, 110, 119, 126, 128, 133, 136, 142–154, 157, 160–166, 175, 177, 179, 182, 184, 192, 196, 207, 215, 222f., 227, 229–231, 234, 243, 247, 250, 253– 255, 258f., 262, 270–273, 277– 319, 321f., 333, 336f., 345, 355f., 361, 363, 366, 371, 370–373, 376– 379, 383, 394, 407, 410, 416, 419, 428f., 456, 555 – Kosmos als T. 150 – metaphorischer 160, 194f., 460, 560 – nachexilischer 145, 410 – neuer 121, 521f. – oniadischer 157, 160 – pagane(r) 23, 28, 35, 37, 41, 170, 177, 383, 415, 474 – physischer 110, 376, 439 – restituierter 198 – römischer 153 – salomonischer 111, 143, 145, 149f., 164, 168, 175f., 254, 311, 410 – samaritanischer 154–156, 160 – Wiedererrichtung des T. 132 Tempelaktion Jesu 241, 279f., 286, 293, 299–307, 308–310, 371, 419, 580 Tempelarchiv 61 Tempelareal 110, 174 Tempelbaumetapher 417 Tempelbezirk 111, 117 Tempeldienst 46, 57, 62, 197 Tempelentweihung 126 Tempelfest 232 Tempelgottesdienst, siehe Gottesdienst Tempelgrundstein 460, 465, 587 Tempelkosmologie 150 Tempelliturgie 177, 255 Tempelmarkt 299–302 Tempelmetapher 408 Tempelpolemik Jesu 279 Tempelquelle 110 Tempelrede Jeremias 90 Tempelreinigung (Makkabäer) 442 Tempelreinigung Jesu 299 Tempelrolle 76, 169, 174 Tempelstaat 100, 124, 182 Tempelstaatsideologie 184

Sach- und Personenregister Tempelstein, lebendiger, siehe Stein Tempelsteine, siehe Stein Tempelsteuer 56, 256, 259, 284f., 373 Tempeltheologie 95f., 143, 146f., 177, 266, 298 tempeltheologisch 400–404, 408– 412, 415, 417, 431f., 461, 522, 587 Tempelverwaltung, Jeru 190 Tempelvision, eschatologische 561 Tempelvorhof 150, 153, 409 Tempelweihe 31, 51 Tempelweihgebet Salomos 143, 295 Tempelwort Jesu 279f., 290–299, 308–311, 377, 580, 585 Templisierung 597, 600f. tertium genus 440, 499 Tertullian 4, 483, 519, 598–600 Testament Levis 133–135, 139, 142, 208–217, 578 Testament Moses 133, 140 Testamente der zwölf Patriarchen 133, 209, 215, 511 Testimoniensammlung 431, 438 Texte, patristische 183 Texte, rabbinische 181, 304 Theodor von Mopsuestia 158, 598 Theodotion 98, 422, 434, 490 Theokratie 123, 249 theokratisch 248 theologia crucis 496 Theologie – alexandrinische 247, 259, 519 – paulinische 379, 382, 396 – pharisäische 227 Thessalonischerbrief (1.) 325–328 Theudas 228f., 236–239, 273 Thomasevangelium 290 Thyatira 507, 550 Tier (antichristliches) 515, 518, 520, 531, 533, 539f., 546, 569, 591 Tieropfer 42, 95, 200, 205, 344, 425, 427, 429 Tiersymbolapokalypse 165f. Tigris 251 Tobiaden 124f., 214 Tobiadenroman 124

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Tobias (Tobiade) 124 Tobija (Ammoniter) 43 Tobit 162, 175f., 576 Tobitbuch 161 Tod Jesu 286, 305, 309, 313–319, 321, 333, 335f., 339, 376f., 407, 486, 488, 497, 501, 537, 563, 580f. Tod und Auferstehung Jesu 449, 491, 562, 581 Tod, sühnender 497 Tod, zweiter 514, 516, 526, 537f., 545, 547 Tora 12, 28, 43f., 52, 83, 117, 128, 138, 186, 197, 200, 205–207, 212f., 218f., 223, 226, 253–261, 265, 273, 277, 284, 308, 335, 340, 345, 360, 380–382, 423, 579, 582– 585, 594 – Kulttora 326 – mündliche 153 – Opfertora 349 Toraauslegung 202 Toraerteilung 81–84, 91f., 201, 228 Torafrömmigkeit 225, 253, 284 Toragelehrsamkeit 258 Toralesung 218 Toraobservanz 195, 225, 227, 278, 281, 309, 458 Toraorientierung 156 Torapolemik 395 Torarolle 126, 256 Torastudium 200 Toratreue 207, 222, 224 Toraverständnis 219 Toreingangsliturige 68, 89 Tosefta 441 Totenauferstehung, universale 522 Totenauferstehung, zweite 521 Tragödie 450 Trajan (Kaiser) 473 Trankopfer 39, 357 Transfer 12f. Traumdeutung 246, 250 triumviri epulones 37 Trophimus 355 Tyconius 483, 502, 518f. Tyrus 520 Überwinderspruch 549f. Umkehrtaufe 273 Union, essenische 186

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Sach- und Personenregister

Universalisierung 264–268, 356, 359, 379, 581 Universalismus 499 Universalität 498 Universum 148, 261–268, 376, 579 unrein 42, 66–72, 84, 88, 112, 117, 135, 140, 263, 323, 329, 576 Unreine, das 26, 68, 70, 81, 85, 370, 557, 566 Unreinheit 28f., 41, 66–75, 83, 91, 94 112f., 138, 141, 197, 285, 288f., 303, 308, 323–325, 365, 369, 424, 580 Unreinheit, moralische 68 Unversehrtheit, körperliche 32– 35, 42, 62–64, 75, 77, 81, 85, 116, 261f., 268, 341, 575 Urgemeinde, Jerusalemer 207, 309, 312, 321, 354, 358, 368, 371f. 376, 456, 585, 595 Ussia (König) 46 Valerian 387 Varuskrieg 140 Vasalitätsmodell 104 Vasalitätsvertrag 103 Vasalitätsverträge – assyrische 103 – hethitische 103 vaticinium ex eventu 291 Vatikanisches Konzil, Zweites 466–469, 603 Verbalisierung 13 Verbote, noachidische 213 Vererbung des Priesteramtes 33 Verfasserfiktion 392 Verfasserfrage (1Petr) 392 Verfasserschaft, petrinische 392, 397 Vergebungszuspruch 282 Vergeistigung 16, 195 Vergöttlichung/Divinisierung 509 Verlosung des Priesteramtes 33 Vermittlung von Offenbarung 123 Versammlungshalle (Qumran) 196 Versammlungsordnung 191 Versteigerung des Priesteramtes 33 Verstockung, prädestinatianische 436f.

Verunreinigung 73, 117, 121 Verunreinigung des Landes 67 Vespasian (Kaiser) 154 Vestalin(nen)/virgines Vestales 22, 33f., 37f., 120 Vestatempel 22 Vesuv, Ausbruch des 169 vicarius Christi 602 Völkerwallfahrt 83, 89, 105f., 108, 145, 355, 558, 584 Volksbildungsbewegung (pharisäische) 359 Vollkommenheit, seelische 261 Vollzahl der Heiden 355 Vorbehalt, eschatologischer 504 Vorhang – äußerer 315 – gespaltener 310, 313–319 – im Tempel 148, 280, 305f., 313– 319, 339, 580 Vorhof – der Frauen 76 – der Heiden 76, 315 – der Israeliten 76 – der Männer 76 – der Priester 76 – innerer 144 Vulgata 98, 159, 416 Wachstumsmetapher 399 Wachstumsmotiv 419 Wächterbuch 43 Wahrsagerei 25 Wallfahrt 260, 308 Wallfahrtsfest(e) 84, 242, 259 Wallfahrtsziel 152 Waschung 25, 29, 35, 67, 73, 77, 231 Weiheakt 33 Weihegabe 355 Weihegeschenk 332 Weihehandlung 25 Weihepriestertum 451, 468f., 604f. Weihesakrament 468 Weinberglied 287 Weingärtner, böse 287–289 Weise, stoische 262 Weltbild – antikes 515 – griech.-hellenistisches 96 – kultisches 117, 322–325, 327f., 365, 376 – philonisches 261

Sach- und Personenregister Weltgericht, großes 521, 530–533, 537, 545 Weltherrschaft 553 Weltwochenspekulation 528–530 Weltzeitsabbat 529 Weltzeitspekulation (jüdische) 520, 528 Wichern, Johann Hinrich 608 Wiederaufführungsmodell 456 Willensfreiheit/freier Wille 227, 436 Winkelstein, siehe Stein Wir-Berichte (in Act) 372 Wohnung Gottes 420 Wormser Reichstag 87 Wortgottesdienst, siehe Gottesdienst Wüste 230, 238–241, 296, 309, 375 XVviri sacris faciundis 37 yaḥad 12, 60, 136–138, 160, 167f., 175, 185–207, 222, 231, 270, 272, 287, 296f., 337f., 353, 364, 368, 371, 376, 382, 419, 422f., 438f., 576–578, 581, 584, 594 Yom-Kippur/Versöhnungstag 46, 55, 70, 74, 79, 111f., 163, 188, 242, 260, 262, 315, 317, 333f., 336, 570 Zacharias 232, 247, 285 Zadok 47–50, 181f.

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Zadokiden 31, 33, 44–55, 111, 121, 158, 182, 189, 191–193, 196, 198, 200, 509 Zadokidenschicht 50, 53 zadokidisch 47–50, 125f., 157f., 182, 191f., 198f. Zehnwochenapokalypse 164f., 523, 529 Zeichen und Wunder 235–242 Zeichenhandlung, prophetische 301 Zeichenpropheten 228–242, 577f. Zeiten, heilige 75 Zeloten 130, 132, 147, 153, 229, 241, 247, 270 zelotisch 60, 241 Zelotismus 153, 223 Zenturio, römischer 313–319 Zeremonialgesetz 284 Zinnenstein, siehe Stein Zion 83, 89, 105–108, 143, 145, 149, 157, 298, 355, 408f., 411, 449, 558, 584 Zionsberg 143, 149 Zionstheologie 143 Zionstradition 143 Zöllner 311 Zwei-Äonenlehre 525f. Zwei-Geister-Lehre 210 Zwischenreich (messianisches), siehe Millennium Zwölferkreis 543 Zypern 251