Allah Ist Das Licht Von Himmel Und Erde: Der Lichtvers Sura 24 An-Nur 35 [1., Aufl. ed.] 3879973571, 9783879973576

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Allah Ist Das Licht Von Himmel Und Erde: Der Lichtvers Sura 24 An-Nur 35 [1., Aufl. ed.]
 3879973571, 9783879973576

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AyÐe BaÐol-Gürdal „AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde“

ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 286 begründet von Klaus Schwarz herausgegeben von Gerd Winkelhane

ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 286

AyÐe BaÐol-Gürdal

„AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde“ Der Lichtvers SÚra 24 an-NÚr 35 Seine Bedeutung im Kontext der Offenbarung und Grundzüge seiner Auslegung in der islamischen Gelehrsamkeit

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. British Library Cataloguing in Publication data A catalogue record for this book is available from the British Library. http://www.bl.uk Library of Congress control number available http://www.loc.gov

Diese Arbeit wurde von der Georg-August-Universität Göttingen im Jahr 2007 als Dissertation angenommen.

www.klaus-schwarz-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

© 2008 by Klaus Schwarz Verlag GmbH Erstausgabe 1. Auflage Gesamtherstellung: J2P Berlin Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-87997-357-6

Meinen Eltern Sabiha und Ali BaÐol

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Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung ................................................................................................10 Einleitung ........................................................................................................11 I

AllÁh im QurÿÁn .................................................................................15

A 1. 2. 3. 4.

Das Wesen AllÁhs ................................................................................15 Das Wesen AllÁhs in der frühmekkanischen Periode ..........................15 Das Wesen AllÁhs in der mittelmekkanischen Periode .......................17 Das Wesen AllÁhs in der spätmekkanischen Periode ..........................18 Das Wesen AllÁhs in der medinensischen Periode ..............................19

B 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Anthropomorphe Besonderheiten AllÁhs ............................................21 Das Antlitz AllÁhs ...............................................................................21 AllÁhs räumliche Befindlichkeit ..........................................................23 Die Gotteserfahrung Mu½ammads .......................................................24 AllÁhs Hände .......................................................................................27 AllÁhs Handlungen ..............................................................................28 AllÁhs Namen und Attribute ................................................................29

C 1. 2. 2.1 3. 3.1 3.2 3.3 4.

AllÁh als Schöpfer ...............................................................................30 AllÁh als Schöpfer in der frühmekkanischen Periode .........................30 AllÁh als Schöpfer in der mittelmekkanischen Periode .......................34 Falsches Wissen über AllÁh .................................................................38 AllÁh als Schöpfer in der spätmekkanischen Periode ..........................40 Götter- und Kultkritik ..........................................................................42 Die Auferstehung .................................................................................43 Die Ablehnung der Offenbarung und der Undank des Menschen .........44 AllÁh als Schöpfer in der medinensischen Periode .............................46

D 1. 2. 2.1 2.2 3. 4. 4.1

AllÁh in richterlicher Funktion ............................................................47 AllÁh in richterlicher Funktion in der frühmekkanischen Periode .....47 AllÁh in richterlicher Funktion in der mittelmekkanischen Periode.....49 Die Barmherzigkeit AllÁhs...................................................................50 Die Ablehnung der Botschaft und des Gesandten................................51 AllÁh in richterlicher Funktion in der spätmekkanischen Periode..........53 AllÁh in richterlicher Funktion in der medinensischen Periode...........55 Mu½ammad und seine Anhänger..........................................................56

7

4.2 4.3

Die Heuchler.........................................................................................58 Juden und Christen ..............................................................................59

E. 1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 4. 4.1 4.2

Der allmächtige AllÁh...........................................................................60 Der allmächtige AllÁh in der frühmekkanischen Periode ....................60 Das Wissen AllÁhs................................................................................61 Der Wille AllÁhs ..................................................................................62 Das Wirken AllÁhs ...............................................................................62 Der allmächtige AllÁh in der mittelmekkanischen Periode .................64 Der Wille AllÁhs ..................................................................................65 Das Wirken AllÁhs ...............................................................................67 Der allmächtige AllÁh in der spätmekkanischen Periode ....................70 Der Wille AllÁhs ..................................................................................71 Das Wirken AllÁhs ...............................................................................71 Der allmächtige AllÁh in der medinensischen Periode ........................73 Das Wissen AllÁhs ...............................................................................74 Der Wille und das Wirken AllÁhs ........................................................74

II

an-NÚr (das Licht) im Kontext der Offenbarung............................79

A 1. 1.1 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

an-NÚr (das Licht) im QurÿÁn ..............................................................79 an-NÚr (das Licht) in der mittelmekkanischen Periode .......................79 SÚra 71 NÚ½ 15-16 und SÚra 25 al-FurqÁn 61 .....................................79 an-NÚr (das Licht) in der spätmekkanischen Periode ..........................80 SÚra 14 IbrÁhÍm 1-2, 5 .........................................................................80 SÚra 39 az-Zumar 22, 69 .....................................................................82 SÚra 31 LuqmÁn 20 ..............................................................................84 SÚra 42 aÊ-ÉÚrÁ 51-53 ..........................................................................85 SÚra 10 YÚnus 5 ..................................................................................85 SÚra 35 FÁÔir 25 ...................................................................................86 SÚra 7 al-AþrÁf 157-158 .......................................................................86 SÚra 6 al-AnþÁm 1, 122 .......................................................................87 an-NÚr (das Licht) in der medinensischen Periode .............................89 SÚra 6 al-AnþÁm 91 .............................................................................89 SÚra 2 al-Baqara 17, 257 .....................................................................90 SÚra 64 at-Ta™Ábun 7-8 .......................................................................90 SÚra 3 Àl-i þImrÁn 184 ........................................................................91 SÚra 61 aÈ-Æaff 7-8 ..............................................................................91 SÚra 57 al-¼adÍd 9-13, 19, 28 ..............................................................92

8

3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14

SÚra 4 an-NisÁÿ 173-174 ......................................................................94 SÚra 65 aÔ-ÓalÁq 10-11 ........................................................................94 SÚra 33 al-A½zÁb 41-46 .......................................................................95 SÚra 24 an-NÚr 35-40 ..........................................................................95 SÚra 22 al-¼aºº 8-9 .............................................................................97 SÚra 66 at-Ta½rÍm 8 .............................................................................98 SÚra 9 at-Tauba 32 ...............................................................................99 SÚra 5 al-MÁÿida 15-16, 44-46 ............................................................99

B

Zusammenfassung des I. und II. Kapitels ..........................................100

III.

Der Lichtvers in der Auffassung der islamischen Gelehrsamkeit..103

A 1. 2. 3. 4.

Auslegungen zum Lichtvers vom 8. bis 17. Jahrhundert ..................103 Der Lichtvers im Kommentar von MuqÁtil b. SulaymÁn (150/767) . .103 Der Lichtvers im Kommentar von Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) ............105 Der Lichtvers im Kommentar von aÔ-ÓabarÍ (310/923) ....................113 Der Lichtvers in der Abhandlung MiÊkÁtu ÿl-AnwÁr von AbÚ ¼Ámid Mu½ammad al-³azÁlÍ (505/1111) ..................................120 Der Lichtvers im Kommentar von þUmar az-Zama¿ÊarÍ (538/1143). 125 Der Lichtvers im Kommentar von Fa¿r ad-DÍn ar-RÁzÍ (606/1209) . 128 Der Lichtvers im Kommentar von al-Fay±u ÿl-KÁÊÁnÍ (1091/1680) ..136

5. 6. 7. B 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Auslegungen zum Lichtvers im 20. Jahrhundert ...............................137 Der Lichtvers im Kommentar von Elmalïlï M. H. Yazïr (1942) .......137 Deutung des 35. Verses von Bediüzzaman Said Nursî (1960) ..........140 Der Lichtvers im Kommentar von Sayyid QuÔb (1966) ....................141 Der Lichtvers im Kommentar von Ömer Nasuhi Bilmen (1971).......142 Der Lichtvers im Kommentar von Süleyman AteÐ (geb. 1933) ........143 Deutung des 35. Verses im Aufsatz von M. Zeki Duman (geb. 1952)..........................................................................................144

C Auswertung der Auslegungen ...........................................................146 Schlussbemerkung ........................................................................................151 Literaturverzeichnis ......................................................................................152

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Vorbemerkung Die Idee, über den Lichtvers eine Dissertation zu schreiben, ergab sich aus dem mystischen Gedichtbuch TurºumÁn al-AÊwÁq des bedeutenden Mystikers Mu½yiddÍn Ibn al-þArabÍ (636/1240). Es war Gegenstand meiner Magisterarbeit. In Dankbarkeit möchte ich erwähnen, dass mich mein Doktorvater Herr Prof. Dr. Tilman Nagel bei dieser Idee von Anfang an intensiv unterstützte. Während der Betreuung meiner Arbeit ermutigte er mich stets und stand mir mit wertvollen Hinweisen zu schwierigen Textstellen und inhaltlichen Fragen immer zur Seite. Desweiteren möchte ich mich bei Herrn Dr. Mustafa Öztürk bedanken, der sich auf meine Anfrage gleich dazu bereit erklärte, die Arbeit in islamisch-theologischer Hinsicht mitzubetreuen, und bei Herr Prof. Dr. Hermann Spieckermann, mit dessen wertvoller Unterstützung diese Betreuung überhaupt zustande kam. Ein ganz herzliches Dankeschön gebührt auch meiner Freundin Astrid Hellmer, die die Endfassung meiner Arbeit sprachlichen Korrekturen unterzog. Meinem Mann Hamza Gürdal, auf dessen geistige Unterstützung und Geduld ich nicht verzichten möchte, spreche ich ebenfalls meinen Dank und meine Verbundenheit aus. Göttingen, im August 2008 AyÐe BaÐol-Gürdal

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Einleitung Der Koran bildet die Grundlage des Islam. Daher ist es notwendig, dass ihn seine Leser – ganz gleich, ob sie Muslime sind oder nicht – verstehen. Diesbezüglich müssen vor allem zwei große Probleme bewältigt werden: Erstens unser etwa 1400jähriger Abstand zur Offenbarungszeit und zweitens unser Unvertrautsein mit der ursprünglichen Beschaffenheit des Koran. Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass sich die Gegebenheiten und Lebensumstände vor eintausendvierhundert Jahren auf der Arabischen Halbinsel in der kleinen Oasen- und Handelsstadt Mekka, in Medina und Umgebung von unseren um einiges unterscheiden. Ebenso ist klar, dass sich die ursprüngliche Ansprache der Offenbarung an die damals dort lebenden Leute richtete. Daher erübrigt sich auch die Frage, ob die Adressaten des Koran die an sie gerichtete Botschaft, die sich in einem bestimmten Zeitraum in der ihnen vertrauten Sprache und in ihrem Kulturraum gestaltete, verstanden haben oder nicht1. Die Offenbarung wirkte sich sowohl auf die Anhänger des Propheten Mu½ammad als auch auf seine Gegner aus, weil sie sich einerseits situationsgemäß und andererseits in Form einer mündlich geführten Anrede gestaltete. Der Koran, den wir heute vor uns haben, ist demnach kein gewöhnliches Buch, sondern eine Sammlung von offenbarten Reden, die durch den Propheten an die Öffentlichkeit getragen wurden. Die folgende Generation – at-TÁbiþÚn genannt – hat durch Anfragen bzw. Nachahmen der Zeitgenossen des Propheten versucht, den Kontext oder den Sinn mancher Verse zu verstehen. Allerdings standen auch sie vor der Tatsache, dass ihre Gegebenheiten und Lebensumstände mit denen der Offenbarungszeit nicht mehr übereinstimmten. Dementsprechend konnten auch sie sich an den Koran nur noch als einen schriftlich fixierten Text bzw. als ein Buch wenden und ihn als solches wahrnehmen. Natürlich kann die Wahrnehmung des Korantextes – als abgeschlossene Offenbarungsschrift der ersten und folgenden Generationen – nicht mit der unsrigen verglichen werden, doch gleich bleibt, dass wir die Lücke zwischen dem sprachlichen Ausdruck und dem gemeinten Inhalt selbst füllen müssen. 1

Die Informationen aus den ¼adÍÝsammlungen oder Koranauslegungen belegen dies ebenfalls weitgehend. S. Mehmet Akif Koç, Ïsnad Verileri Çerçevesinde Erken Dönem Tefsir Faaliyetleri. Ïbn AbÍ ¼Átim (ö. 327/939) Tefsiri Örneýinde Bir Literatür Ïncelemesi. kitâbiyât. Ankara 2003. 11

So haben sich durch die Jahrhunderte hindurch Gelehrte aus den unterschiedlichen Fachbereichen der islamischen Theologie im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemüht, den Koran zu deuten und einen Zugang zu seinen Lesern zu ermöglichen2. Zieht man aber mehrere klassische Koranauslegungen z.B. wie die von aÔ-ÓabarÍ (310/923), az-Zama¿ÊarÍ (538/1143) oder ar-RÁzÍ (606/1209) gleichzeitig heran, um einen Vers oder eine Verspassage zu verstehen, kommt es oft vor, dass die Erklärungen und Ansichten weit auseinandergehen oder sich sogar gegenseitig ausschließen. Je größer der zeitliche Abstand zur Offenbarungszeit wird, um so mehr sind die Auslegungen gefüllt mit Überlieferungen, grammatikalischen Erklärungen, Informationen zur Lesart mancher Wörter oder Diskussionen zu den derzeitig gängigen theologischen Ansichten u.ä. Diese – sehr wertvollen Erklärungen – betreffen nicht immer den Kontext der Offenbarung und verlangen oft anderes Hintergrundwissen des Lesers. So machen schon die frühesten Koranauslegungen zeitweise den Eindruck, dass in die Verse Deutungen hineininterpretiert werden, die dem Kontext der Offenbarung nicht zu entsprechen scheinen. Hierzu gehört meines Erachtens auch die Auffassung vom Begriff Licht (NÚr), der u.a. im 35. Vers der SÚra 24 an-NÚr3 vorkommt. Diese ebenfalls als Lichtvers bekannte Stelle ist der Namensgeber der SÚra und bildet den Gegenstand der Arbeit: AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde. Das Gleichnis seines Lichtes ähnelt einer Nische, in der sich eine Lampe befindet. Die Lampe ist in einem Glas, das einem funkelnden Stern gleicht. Sie brennt von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist. Sein Öl leuchtet schon fast, ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist. Pures Licht. AllÁh führt 2

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Zwei traditionelle Richtungen treten diebezüglich in der frühen islamischen Theologiegeschichte besonders hervor, die die Deutung des Koran je nach der Wahrnehmung seiner Beschaffenheit gestaltet haben, nämlich die sunnitische und die muþtazilitische. Es sollte dabei nicht vergessen werden, dass die den Koran betreffenden Auffassungen der Strömungen mit der Vorstellung von Gott in enger Verbindung stehen. Die SÚra 24 an-NÚr besteht aus insgesamt 64 Versen und ist in Medina offenbart. In ihr werden hauptsächlich moralische sowie ethische Verhaltensweisen im öffentlichen und häuslichen Alltag vorgeschrieben. Der wesentliche Grund für die Regelungen ist die Verleumdung an þÀÿiÊa (58/678), der Ehefrau des Propheten Mu½ammad. Dieses Ereignis ist in die islamische Geschichte als Ifk (die Verleumdung) eingegangen. S. AbÚ ¹aÿfar Mu½ammad b. ¹arÍr aÔ-ÓabarÍ, TafsÍr aÔ-ÓabarÍ. ¹Ámiþu ÿl-BayÁn þan TaÿwÍli Àyi ÿl-QurÿÁn, 3. Aufl., MiÈr 1968/1388, Bd. 28, S. 86-100.

zu seinem Licht, wen er will und er prägt den Menschen die Gleichnisse. AllÁh weiß über alles Bescheid. Auf den ersten Blick entnimmt man aus dem Vers eine metaphorische Darstellung Gottes. Darin wird Gott zunächst als das Licht der Himmel und Erde bezeichnet und im Anschluss wird in weiteren Bildern sein Licht beschrieben. Man könnte meinen, dass die Verspassage sich teilweise selbst auslegt: der erste Satz des Verses wird durch den zweiten erörtert. Zieht man hierzu einige Auslegungen heran, dauert es nicht lange, bis man sich mit den oben erwähnten Problemfeldern konfrontiert sieht. Doch der Bezug des gesamten Verses zu Gott ist evident. Deshalb scheint es mir zunächst wichtig, einerseits nach der Gottesdarstellung im Kontext der Offenbarung zu fragen und andererseits nach der Bedeutung des Lichtes. Anschließend soll der Frage nachgegangen werden, wie er in der islamischen Gelehrsamkeit verstanden worden ist. Das I. Kapitel der Arbeit beinhaltet daher die koranische Darstellung Gottes. Diese lässt sich in fünf Hauptteile gliedern: das Wesen Gottes, seine anthropomorphen Besonderheiten, seine Eigenschaft als Schöpfer sowie seine richterliche Funktion und seine Allmacht. Bis auf den zweiten sind alle Hauptteile in vier Abschnitte gegliedert, von denen die ersten drei die mekkanische Periode betreffen und der letzte die medinensische. Im II. Kapitel geht es um die Erörterungen jener Verse im Koran, in denen der Begriff Licht (NÚr) vorkommt. Ich hielt es für notwendig, herauszufinden, in welchen Bedeutungen wir ihm in der Offenbarung begegnen und wollte außerdem wissen, ob er in diesem Rahmen eine Bedeutungsentwicklung durchgemacht hat. Deshalb habe ich diese Verse zusammengestellt und kommentiert. Dabei war es mir wie im I. Kapitel wichtig, die Deutung möglichst aus dem Kontext der Offenbarung selbst zu erschließen. Im Anschluss daran habe ich das sich aus dem I. Kapitel ergebende Gottesbild mit dem in den einzelnen Versen vorkommenden Begriff Licht (NÚr) aus dem II. Kapitel zusammenfassend bewertet. Gegenstand des III. Kapitels bildet die Auffassung und Auslegung des Lichtverses in der islamischen Gelehrsamkeit. Da meine Untersuchungen einen kausalen Zusammenhang zwischen dem 35. Vers und den Versen 36-40 ergeben haben, hielt ich es für angebracht, die Auslegungen der folgenden Verse mit in Betracht zu ziehen. Dieses Kapitel ist chronologisch nach den Sterbejahren der Gelehrten geordnet und besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil umfasst einen zeitlichen Rahmen von etwa neun Jahr13

hunderten. Bis auf eine Abhandlung handelt es sich hier um eine Auswahl von sechs Koranauslegungen. Dabei habe ich darauf geachtet, klassische Vertreter unterschiedlicher Glaubensrichtungen bzw. Strömungen zu Worte kommen zu lassen. Ihre Bedeutung geht nicht nur dadurch hervor, dass sich ihre Interpretationen in der klassisch-islamischen Theologie lange Zeit durchgesetzt haben, sondern auch dadurch, dass sie in der gegenwärtigen Theologie hohen Stellenwert genießen. Ihre Ansichten werden zur Unterstützung oder Widerlegung einer These oder eines Standpunktes immer noch gerne herangezogen. Der zweite Teil hingegen besteht bis auf einen aus türkischsprachigen Koranauslegungen oder Aufsätzen von Gelehrten des 20. Jahrhunderts. Deren Besonderheit ist, dass ihre Kommentare von der frommen Bevölkerung gerne gelesen werden. Ich hielt es aus zwei Gründen für wichtig, einen Blick auch in diese zu werfen: Da die klassisch arabischen Werke nicht jedem türkischen Leser leicht zugänglich sind, wollte ich wissen, ob – und wenn ja –, wie der Transfer der Interpretationen stattgefunden hat. Zweitens fand ich es interessant, zu schauen, wie sich die Auslegungen der Türkischen Republik gestalteten. Im letzten Teil werden die Ansichten der Gelehrten zusammenfassend verglichen und ausgewertet. In meiner Vorgehensweise hielt ich mich weitgehend sowohl an die chronologische Aufstellung der mekkanischen und medinensischen Suren, wie sie Theodor Nöldeke (gest. 1930) in seinem Werk Geschichte des QorÁns dargestellt hat, als auch an die thematisch geordnete Zusammenstellung des Koran von Prof. Dr. Ömer Özsoy und Prof. Dr. Ïlhami Güler in Konularïna Göre Kur'an (Sistematik Kur'an Fihristi). Die in den mekkanischen Suren vorkommenden medinensischen Verse habe ich in den Teilen, die die mekkanische Periode betreffen, außer Acht gelassen. Zum Verstehen einiger Stellen zog ich hauptsächlich die Auslegung von aÔ-ÓabarÍ (327/939) zu Rate. Die Übersetzungen aus dem Koran und aus den arabischen und türkischen Texten sind von mir und wurden durch Kursivdruck hervorgehoben und eingerückt. Wichtige arabische Wörter habe ich zusätzlich nach den Vorgaben der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft in Umschrift wiedergegeben. Handelt es sich in der Arbeit um ein Wort oder eine Wortgruppe aus einem Koranvers, so habe ich diese(s) kursiv wiedergegeben, doch wenn es um die Erörterung eines Verses geht, dann habe ich den in der Erörterung vorkommenden Vers oder die Wörter aus dem Vers in eckige Klammern gesetzt.

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I

AllÁh im QurÿÁn

A Das Wesen AllÁhs 1. Das Wesen AllÁhs in der frühmekkanischen Periode In der Offenbarung geht es nicht um den Beweis der Existenz Gottes; sie wird vorausgesetzt. Die Frage, die man sich zu stellen hat, ist, in welcher Weise sich die Gottheit AllÁh von den in der Vorstellung der mekkanischen Gesellschaft existierenden anderen Gottheiten unterscheidet. SÚra 112 al-I¿lÁÈ bietet zu AllÁh eine kurze, jedoch präzise Darstellung: Sprich: Er ist AllÁh, ein einziger. Durch und durch AllÁh. Er hat nicht gezeugt, und er wurde nicht gezeugt. Niemand ist ihm gleich. 112 al-I¿lÁÈ 1-44 Diese Verse enthalten Grundinformationen zu AllÁh: Es gibt nur eine einzige Gottheit. Sie heißt AllÁh. Sie hat keine Teilhaber, bzw. es gibt keine anderen Gottheiten. Das bedeutet, dass andere Gottheiten nicht existieren. Die Einsheit AllÁhs wird zuerst in SÚra 51 aª-©ÁriyÁt 515 und 52 aÔÓÚr 436 erwähnt. Auch 73 al-Muzzammil 97, die vor allen drei Stellen offenbart wurde, weist auf die Einsheit Gottes hin. Allerdings geht hier aus dem Kontext hervor, dass sich dieser Vers an die Person des Propheten richtet, während alle anderen Stellen sich an die in Mekka lebenden Leute richten. 4

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aÔ-ÓabarÍ gibt an, dass diese Verse als Antwort auf eine Frage der polytheistischen Mekkaner offenbart wurde, welcher Abstammung Gott sei. Desweiteren wird von ihm angegeben, dass nach einigen Überlieferungen Juden über Gott folgendes aussagten: Dieser Gott hat die Geschöpfe erschaffen. Ja aber, wer hat ihn denn erschaffen? Daraufhin seien diese Verse offenbart. Nach einer dritten Angabe hätten wieder die polytheistischen Mekkaner im Rahmen der ersten Frage den Propheten aufgefordert, dass er ihnen seinen Gott vorstellt bzw. beschreibt. Dann sei dieser Vers offenbart. S.aÔ-ÓabarÍ, ¹Ámiþu ÿl-BayÁn, Bd. 30, S. 342343. Und setzt mit AllÁh keine anderen Gottheiten zusammen. Haben sie eine Gottheit außer AllÁh? AllÁh sei gepriesen über das, was sie ihm beigesellen. Der Herr des Ostens und des Westens. Es gibt keine Gottheit, außer ihm. Nimm ihn darum als Sachwalter. 15

Der Vers [AllÁhu ÿÈ-Æamad], der hier mit [durch und durch AllÁh] wiedergegeben ist, hat einen breiten Bedeutungsrahmen. [Æamad] bezeichnet etwas, das kein Bedürfnis zu essen, zu trinken oder zu verdauen hat. Es beinhaltet auch Bedeutungen wie Herr, Führer oder oberste führende Instanz8 oder wird auch insofern umschrieben, als das die gesamte Schöpfung AllÁh nötig hat, während er selbst gar nichts benötigt9. Als Verb im I. Stamm bedeutet es auch sich begeben oder sich zuwenden. So könnte der Vers in dem Sinne verstanden werden, dass AllÁh die alleinige Gottheit ist, der man sich zuwenden muss. Dass AllÁh nichts bedarf, hängt vermutlich damit zusammen, dass er den Menschen als ein auf ihn angewiesenes Geschöpf betrachtet. Denn gerade, weil der Mensch seine Abhängigkeit von AllÁh ignoriert, wird er von ihm mittels Mu½ammad daran erinnert und ermahnt. Dass AllÁh weder zeugt noch gezeugt wurde, ist vielleicht eine Antwort auf die weiblichen Gottheiten, die in der Kaþba verehrt und in SÚra 53 an-Naºm 2110 als AllÁhs Töchter bezeichnet werden. Dies ist die einzige Stelle in der Periode, in der die Götzen namentlich genannt werden. Sie heißen al-LÁt, al-þUzzÁ und ManÁt. Abgesehen davon fallen bei der Betrachtung der Verse in SÚra 112 al-I¿lÁÈ 1-4 und 53 an-Naºm 19-23 die Gegensätzlichkeiten zwischen AllÁh und den Gottheiten auf. al-LÁt, alþUzzÁ und ManÁt sind weibliche Gottheiten, die als Götzen verehrt werden, also sinnlich erfassbar sind, während Gott, weder wenn er zeugt, noch gezeugt wurde, ein Geschlecht hat. AllÁh existiert demnach aus sich selbst heraus. Die überdimensionale Darstellung Gottes in SÚra 112 lässt eine sinnlich erfassbare Vorstellung nicht zu. Dort ist AllÁh im weitesten Sinne fern von jeglicher Vergleichbarkeit. In 53 an-Naºm 23 werden die weiblichen Gottheiten als bloße Hüllen abgetan. AllÁh sieht sie in keiner Weise in Verbindung mit sich und sie werden auch nicht als irgendwelche Gottheiten betrachtet. Er distanziert sich gänzlich von ihnen und betont lediglich, dass ihnen ihre göttlichen Eigenschaften von Menschen zugesprochen wurden, wofür diese im Grunde keine Autorität hätten. Je näher die 8 9

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16

Vgl. aÔ-ÓabarÍ, ¹Ámiþu ÿl-BayÁn, Bd. 30, S. 345-346. Vgl. AbÚ ÿl-QÁsim ¹Áru ÿllÁh Mu½ammad b. þUmar az-Zama¿ÊarÍ, al-KaÊÊÁf þan ¼aqÁÿiqi ÿt-TanzÍl wa þUyÚnu ÿl-AqÁwÍl fÍ WuºÚhu ÿt-TaÿwÍl, 2. Aufl., BayrÚtLubnÁn 1318, Bd. 4, S. 818. Die SÚra 53 an-Naºm 19-23 gehört zu den problematischsten Stellen der TafsÍrgeschichte. Einzelheiten können bei aÔ-ÓabarÍ, ¹Ámiþu ÿl-BayÁn, Bd. 27, S. 58-62 nachgeschlagen werden.

Götzen dem Menschen stehen, je greifbarer und definierbarer sie sind, umso distanzierter, plastisch ungreifbarer und sinnlich unvorstellbarer wirkt AllÁh in SÚra 112. Die Gottesbeschreibung in dieser SÚra setzt AllÁh außerdem in die gegensätzliche Position zum Menschen. Denn der Mensch ist ein vergängliches Wesen, das sowohl gezeugt wird als auch selber zeugt. Er kann nicht allein (über)leben. Darin sind sich die Menschen gleich, während sich AllÁh auch hier davon gänzlich unterscheidet. So zeichnet sich in der frühmekkanischen Periode ein Gottesbild ab, das sich sowohl vom Menschen selbst als auch von den in der mekkanischen Gesellschaft verehrten Gottheiten grundsätzlich unterscheidet. Diese Unterschiede sind AllÁhs Einsheit, Unbedürftigkeit und Unvergleichbarkeit.

2. Das Wesen AllÁhs in der mittelmekkanischen Periode Wie in der frühmekkanischen wird in der mittelmekkanischen Periode über das Wesen AllÁhs nicht besonders viel und kaum etwas Neues ausgesagt. Hauptsächlich wird hier weiterhin betont, dass es neben AllÁh keine weiteren Gottheiten gibt. Er ist die einzige Gottheit überhaupt11. In SÚra 25 al-FurqÁn sehen wir, dass AllÁhs Lebendigkeit eine Nuance hinzugefügt wird: Vertraue auf den Lebendigen, der nicht sterblich ist. (So) verherrliche ihn mit Lobpreis. Als Kenner der Vergehen seiner Diener ist er ausreichend. 25 al-FurqÁn 58 AllÁhs Lebendigkeit, die ohne weiteres vorausgesetzt werden kann, bekommt mit seiner Unsterblichkeit erneut einen überdimensionalen Charakter. Unsterblichkeit setzt Anfangslosigkeit voraus. Dies entspricht der obigen Annahme, dass AllÁh aus sich selbst heraus existiert. Dadurch unterscheidet er sich wieder nicht nur vom Menschen, sondern auch von allen neben ihm verehrten Gottheiten. Die zuletzt genannten sind außerdem nur von Menschenhand hergestellte Gegenstände. Daher können sie weder jetzt noch im Jenseits etwas ausrichten. Nur im Jenseits beim Endgericht könnten sie eventuell, wenn Gott es zulässt, als Zeugen gegen ihre Vereh-

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Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 4, 35; 44 ad-Du¿Án 8; 20 ÓÁ HÁ 8; 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 213; 38 ÆÁd 65; 23 al-MuÿminÚn 117; 21 al-AnbiyÁÿ 108; 17 al-IsrÁÿ 22. 17

rer auftreten12. Dies würde sich dann aber auch nur auf den Zweck einer Zeugenaussage beschränken. AllÁh als die einzig wahre Gottheit ist imstande, den Menschen lebendig zu machen, sterben zu lassen und wieder zu erwecken. Mehrere Gottheiten, wenn es die denn gäbe, würden in Zwietracht oder in Thronstreitigkeiten verfallen13. Es ist nicht möglich, dass die Ordnung im Kosmos durch mehrere Gottheiten geschaffen und aufrecht erhalten werden könnte. Ohne AllÁhs Wohlwollen ist aber auch der Mensch zu nichts fähig. Dass AllÁh nichts bedarf, wie es in der frühmekkanischen Periode in SÚra 112 steht, wird indirekt in SÚra 20 ÓÁ HÁ 132 erwähnt, indem Gott Mu½ammad und durch ihn seinen Anhängern zu verstehen gibt, dass er von ihnen keine Versorgung verlangt, sondern selber der Versorger ist. Demnach bleibt es dabei, dass AllÁh schon immer die einzig wahre, existierende Gottheit gewesen ist und für immer bleiben wird14. Jegliche sonstige Vorstellungen, die man über ihn hat, treffen auf ihn nicht zu. AllÁh als unsterblicher Schöpfer wäre schon aufgrund dieser Eigenschaft mit nichts zu vergleichen.

3. Das Wesen AllÁhs in der spätmekkanischen Periode Den bisherigen wenigen Aussagen über AllÁh ist in dieser Periode nichts Wesentliches hinzuzufügen. Es findet sich keine SÚra, die so konzentriert über das Wesen AllÁhs berichtet, wie SÚra 112 aus der frühmekkanischen Periode. Interessant ist festzustellen, dass hier darüber fast nur noch indirekt gesprochen wird. In SÚra 39 az-Zumar 7 und 35 FÁÔir 15 wird gesagt, dass AllÁh den Menschen nicht nötig hat. Daraus kann gefolgert werden, dass AllÁh durch und durch AllÁh ist, der nichts und niemandes bedarf. Die Ansicht, dass AllÁh sich ein Kind, eine Gefährtin oder Teilhaber genommen hätte, wird ebenfalls negiert15, sodass man auch dadurch zum Ergebnis kommt, dass AllÁh nicht zeugt. Dass Gott selbst nicht gezeugt wurde, ist weder explizit noch implizit erwähnt. SÚra 40 al-³Áfir 65 bezieht sich indes noch einmal auf die Lebendigkeit AllÁhs: Er ist der Lebendige. Außer ihm gibt es keine Gottheit. Betet ihn an, indem ihr die Religion nur ihm zukommen lässt. 40 al-³Áfir 65 12 13 14 15 18

Vgl. 19 Maryam 81-82; 25 al-FurqÁn 17-19. Vgl. 21 al-AnbiyÁÿ 22; 17 al-IsrÁÿ 42. Vgl. 25 al-FurqÁn 58. Vgl. 10 YÚnus 68; 39 az-Zumar 4; 6 al-AnþÁm 100-101.

Damit sticht AllÁh in seiner Einsheit weiterhin hervor. Dies kommt in diversen Suwar als huwa ilÁhun wÁ½idun16 oder ilÁhukum ilÁhun wÁ½idun17 zum Ausdruck, die in der Übersetzung er ist nur eins (eine Gottheit) oder eure Gottheit ist nur eins wiedergegeben werden kann. Die Einsheit Gottes wird aber in dieser Periode sehr oft und in unterschiedlichen Variationen erwähnt. Einige dieser sind Verse wie: Es gibt keine Gottheit außer mir oder es gibt keine andere Gottheit u.ä.18 Schließlich lässt sich zu Gottes Unvergleichbarkeit in SÚra 42 aÊ-ÉÚrÁ 11 ein Satz finden: laysa kamiÝlihi Êayÿun. Das heißt: Nichts ist ihm gleich. Darüber hinaus gibt es keine weitere Information zu seinem Wesen.

4. Das Wesen AllÁhs in der medinensischen Periode In der medinensischen Periode weist der 255. Vers der SÚra 2 al-Baqara mit einer weiteren Nuance ebenfalls auf die Lebendigkeit Gottes hin. Es gibt keine Gottheit außer ihm. Er ist der (ewig) Lebendige, der (alles ununterbrochen) Aufrechthaltende. Weder Schlummer noch Schlaf überkommen ihn. Ihm gehört (alles), was im Himmel und auf Erden ist. Niemand kann bei ihm ohne seine Erlaubnis (für jemanden) Fürsprache einlegen. Er kennt die Vergangenheit und die Zukunft (der Menschen). Sie (die Menschen) begreifen von seinem Wissen jedoch nicht mehr, als was er möchte. Sein Thronschemel umfasst die Himmel und die Erde. Es fällt ihm nicht schwer, (die Ordnung im Kosmos) instand zu halten. Er (allein nämlich) ist der Erhabene und der Gewaltige. 2 al-Baqara 25519 Aus obigem Vers ist zu entnehmen, dass AllÁh nicht einfach ziellos erschafft, sondern sich auch um die Aufrechterhaltung der von ihm geschaffenen Ordnung im Kosmos sorgt. Dabei kommen menschliche Bedürfnisse oder Eigenschaften wie Schlaf oder Ermüdung für ihn nicht in Frage20. Er ist aus seiner Beschaffenheit heraus unermüdlich und unterliegt derartigen menschlichen Unzulänglichkeiten nicht. Diese auch als „der Thron16 17 18 19 20

Vgl. 14 IbrÁhÍm 52. Vgl. 41 FuÈÈilat 6; 16 an-Na½l 22. Vgl. 16 an-Na½l 2; 6 al-AnþÁm 19. Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 2. Vgl. 50 QÁf 38. Dieser Vers ist medinensisch, steht aber in einer mekkanischen SÚra. Vgl. Tilman Nagel, Medinensische Einschübe in mekkanischen Suren, Göttingen 1995, S. 80. 19

vers“ bekannte Stelle unterstreicht in ihrer Gesamtheit ein weiteres Mal ganz deutlich die Einsheit, Unbedürftigkeit sowie Unvergleichbarkeit AllÁhs. Sie gibt aus verschiedenen Blickwinkeln zu verstehen, dass AllÁh über Besonderheiten verfügt, die mit menschlichem Verstand nicht zu begreifen sind. So lässt AllÁh den Menschen an seinem Wissen nur soviel wie nötig Anteil haben. Dazu gehört auch, dass allein er den Kosmos aufrecht hält, absolutes Wissen besitzt usw. Ein derartiges Vermögen, eine derartige Beschaffenheit ist für den Menschen nicht fassbar. Man gewinnt den Eindruck, dass, ganz gleich mit welchen Wörtern er sich beschreibt oder wie er sich bezeichnet, alle diese Wörter nur einen Hauch an Wirklichkeit wiedergeben, was AllÁh in Wahrheit ist. Der Himmel und Erde umfassende Thronschemel AllÁhs macht, wenn er symbolisch verstanden wird, mehr Sinn: Er bezeichnet die allein ihm innewohnende Allmacht. Von dieser überdimensionalen Gewalt kann es schlichtweg nur eine einzige Gottheit geben, wie es im Folgenden heißt: Er ist (sowohl) der Erste (als auch) der Letzte. Er ist (sowohl) offenkundig (als auch) verborgen. Er (allein) weiß über alles Bescheid. 57 al-¼adÍd 3 Hier ist AllÁh das aus sich selbst heraus bestehende erste und letzte Wesen. Er ist also einzig und es besteht für ihn kein Prozess, in dem er entsteht, lebt und anschließend stirbt. Offenkundig ist er dem Menschen durch seine (Wunder)-Zeichen oder aber auch durch seine Offenbarung, wie oft betont wird21. Die bisher über AllÁh festgestellten Informationen zu seinem Wesen unterliegen seit der frühmekkanischen Periode keinen maßgeblichen Veränderungen. Walam yakun lahu kufuwan a½ad hieß es oben in SÚra 112 Vers 4 und laysa kamiÝlihi Êayÿun in SÚra 42 Vers 11. Dies wird im Lichtvers mit anderen Worten in einem Gleichnis noch einmal wiedergegeben: AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde. Das Gleichnis seines Lichtes ähnelt einer Nische, in der sich eine Lampe befindet. Die Lampe ist in einem Glas, das einem funkelnden Stern gleicht. Sie brennt von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist. Sein Öl leuchtet schon fast, ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist. Pures Licht. AllÁh führt

21 20

S. Teil C. AllÁh als Schöpfer

zu seinem Licht, wen er will und er lehrt die Menschen die Gleichnisse. AllÁh weiß über alles Bescheid. 24 an-NÚr 35 In der Metapher einer leuchtenden Lampe stellt AllÁh sich aus einer neuen unvergleichlichen Perspektive dar: eine [Nische] zum Hinstellen einer [Lampe], [Öl] zum Anzünden und [Licht] zur Erleichterung des Sehens. Es handelt sich hier um ganz gewöhnliche Gegenstände aus dem (damaligen) alltäglichen Leben. Im Vergleich mit AllÁh erhalten sie einen ganz anderen Akzent. Sie sind nicht mehr gewöhnlich, weil das [Glas] einem [funkelnden Stern] gleicht, der [Ölbaum] nicht lokalisierbar ist und schließlich das [Öl] kaum noch des [Feuers] bedarf, weil es von sich aus schon leuchtet. Dass am Ende des Verses der Mensch mit dem Licht Gottes erwähnt wird, ist bemerkenswert. Denn dies signalisiert die Anteilnahme des Menschen an einem seiner Wesenszüge, nämlich am Licht, wenn dieser es wünscht. Inwiefern sich der Mensch dies ermöglichen kann oder nicht, wird dann in den folgenden zwei Versen beschrieben und wird in Teil D behandelt werden. Seit der mittelmekkanischen Periode ist es ein bevorzugtes Mittel AllÁhs, in der Offenbarung den Adressaten seine Anliegen oft mit Gleichnissen zu verdeutlichen22. Dass AllÁh jedoch ein Gleichnis für die Darstellung seines Selbst verwendet, kommt in der gesamten Offenbarung nur in diesem Vers vor.

B Anthropomorphe Besonderheiten AllÁhs 1. Das Antlitz AllÁhs In der frühmekkanischen Periode kommt der Ausdruck Waºhu ÿr-Rabb, das Antlitz des Herrn in SÚra 55 ar-Ra½mÁn 2723 vor. Dort geht es um die Vergänglichkeit aller auf der Welt lebenden Geschöpfe. Nur Gott unterscheidet sich von ihnen; denn er ist unvergänglich. Wie oben schon erwähnt, gehört Gottes Unvergänglichkeit zu seinem Wesen, und sie wird hier mit dem Ausdruck Waºhu ÿr-Rabb wiedergegeben. In dieser Bedeutung kommt der Ausdruck in SÚra 28 al-QaÈaÈ 88 in der spätmekkanischen Periode noch einmal vor. 22 23

Vgl. 25 al-FurqÁn 33, 38-39; 17 al-IsrÁÿ 89; 18 al-Kahf 32, 45; 30 ar-RÚm 58; 39 az-Zumar 27; 2 al-Baqara 26; 24 an-NÚr 34. Jeder, der auf der Welt lebt, ist vergänglich. Es bleibt nur das Antlitz deines Herrn, das voller Majestät und verehrungswürdig ist. 21

In einer weiteren Bedeutung begegnen wir dem Ausdruck in allen drei mekkanischen, aber auch in der medinensischen Periode. So z.B. im Vers 20 der SÚra 92 al-Layl: Doch ferngehalten (vom Feuer) wird der Gottesfürchtige, der von seinem Vermögen als Läuterung gibt. (Das tut er) nicht als Gegenleistung, weil ein anderer bei ihm eine Wohltat gut hat, sondern, um das Antlitz seines allerhöchsten Herrn zu erstreben. 92 al-Layl 17-2024 Hier wird eine soziale Aktivität thematisiert, deren Ausführung den Gottesfürchtigen geraten wird. Jenen, die von ihrem Vermögen für Bedürftige etwas übrig haben, wird für ihre Leistung den Armen gegenüber als Gegenleistung eine Strafverschonung angeboten. Diese Läuterung ist aber nicht im Sinne von bei Gott etwas gut zu haben gedacht, sondern, um Gottes Gefallen zu erlangen. Es geht also darum, dass der Mensch, wenn er sich läutert, sich nicht in eine Erwartungshaltung begibt, sondern, dass er nach einem nach Gott wünschenswerten Verhalten strebt. Der Ausdruck Waºhu ÿr-Rabb bedeutet in diesem Zusammenhang Gottes Zufriedenheit erreichen. Das Richten des Antlitzes zu Gott kann aber auch durch eine religiöse Haltung erstrebt werden. Wer seinen Herrn morgens und abends anruft, wünscht sich dies ebenfalls. In der Einhaltung religiöser oder sozialer Praktiken entsteht zwischen Gott und Mensch sozusagen eine auf Gegenseitigkeit beruhende einvernehmliche Beziehung. Wer Gutes tut, signalisiert damit, dass er sich Gott unterwirft, d.h. sein Antlitz zu Gott richtet25. So symbolisiert der Ausdruck eine Angesicht-zu-Angesicht-Situation mit Gott26. Diese Haltung wird von ¼anÍfen (Gottessucher) im Gebet schon praktiziert, wodurch sie in der spätmekkanischen Periode die Zustimmung Gottes erlangen27. Die Gebetsrichtung scheint in der medinensischen Periode zu Beginn noch etwas problematisch zu sein. Wer Gott anrufen möchte, kann in der Regel sein Antlitz wenden, wohin er möchte, denn Gott gehört der Osten

24 25 26 27

22

Vgl. 76 al-InsÁn 9; 18 al-Kahf 28; 30 ar-RÚm 38-39; 6 al-AnþÁm 52; 13 ar-Raþd 20-24; 2 al-Baqara 272. Vgl. 31 LuqmÁn 22; 7 al-AþrÁf 29. Vgl. 2 al-Baqara 112; 3 Àl-i þImrÁn 20; 4 an-NisÁÿ 125. Vgl. 30 ar-RÚm 30; 10 YÚnus 105; IbrÁhÍm spricht dasselbe in 6 al-AnþÁm 79 zu seinem Vater.

und der Westen28. Dennoch wird diese Aussage sehr bald korrigiert29. Demnach sollen sich Mu½ammad und seine Anhänger mit ihrem Angesicht in Richtung Kaþba wenden.

2. AllÁhs räumliche Befindlichkeit In der frühmekkanischen Periode kann aus Versen der Apokalypse und dem Endgericht geschlossen werden, dass Gott sich irgendwo oben befindet. Die Verse lassen jedenfalls diese Annahme zu. Präziser ist Gottes Befindlichkeit jedoch nicht zu definieren. In SÚra 70 al-MaþÁriº 4 z.B. heißt es, dass der Geist und die Engel in die Höhe steigen, um zu Gott zu gelangen. Dabei legen sie an einem Tag angeblich eine Entfernung von fünfzigtausend Jahren zurück30. Außerdem lässt sich die Darstellung, dass sich nach dem Weltuntergang die Himmels(tore) öffnen31 und der Geist und die Engel reihenweise aufstellen32, mehrmals belegen. Acht von den Engeln sollen dann den Thron Gottes über sich herbei tragen33. Es gibt demnach nichts, was sich über Gott befindet. Alles andere ist unter ihm. Ein weiterer in diesem Zusammenhang bedeutender Aspekt ist die Anwesenheit Gottes beim Endgericht. Aus den Gerichtsszenen der frühmekkanischen Periode ist zu entnehmen, dass Gott zum Verfahren kommt34 und dass ihm jeder einzeln vorgeführt wird35. Zwar wird auch hier nicht explizit Gottes Name erwähnt, doch die Darstellungen setzen dies voraus: Bei deinem Herrn ist an jenem Tag der Aufenthalt. Dem Menschen wird berichtet, was er getan und hinterlassen hat. Nein! Der Mensch ist nunmehr ein Beweis gegen sich selbst, auch wenn er seine Entschuldigung(-sgründe) hervorbringt. (Dann wird zu ihm gesagt): Bewege deine Zunge nicht, um dich (bei der Rechtfertigung deiner Taten) zu beeilen. Es obliegt uns ihn (das Buch der Taten) zusammenzutragen und zu rezitieren. Wenn wir ihn vortragen, dann folge (unserer) Rezitation. Denn

28 29 30 31 32 33 34 35

Vgl. 2 al-Baqara 115. Vgl. 2 al-Baqara 144, 149-150. Vgl. 32 as-Saºda 5. Vgl. 78 an-Nabaÿ 19; 69 al-¼Áqqa 16. Vgl. 78 an-Nabaÿ 38; 69 al-¼Áqqa 17. Vgl. 69 al-¼Áqqa 17, mittelmek. Per.: 40 ³Áfir 7. Vgl. 89 al-Faºr 22; spätmek. Per.: 34 Sabaÿ 40-41. Vgl. 69 al-¼Áqqa 18. 23

es ist (heute) unsere Aufgabe ihn darzulegen. 75 al-QiyÁma 121936 Die Vorstellung, dass sich Gottes Befindlichkeit vom menschlichen Blickwinkel aus auf oben konzentriert, wird in der mittelmekkanischen Periode in SÚra 67 al-Mulk zwei Mal, nämlich in den Versen 16 und 17, mit dem Ausdruck (...) dass, wer im Himmel ist beibehalten. Diese örtliche Bestimmung AllÁhs lässt die obige Annahme sicherer werden. Ähnlich verhält es sich mit den Versen über die Erschaffung von Himmel und Erde, wonach Gott wie z.B. in SÚra 25 al-FurqÁn Vers 59 sich auf seinen Thron erhob, bzw. sich darauf aufrichtete. Ähnliche Aussagen lassen sich ab der mittelmekkanischen Periode bis in die medinensische weiter verfolgen37. In der spätmekkanischen Periode verlangt Firþaun von HÁmÁn an zwei unterschiedlichen Versstellen, dass er ihm einen Turm aus Lehm baue, damit er darauf steige. Er hat die Absicht, im Himmel die Gottheit MÚsÁs zu erblicken38. Firþaun, der sich selbst als eine Gottheit sieht, will damit anscheinend beweisen, dass es im Himmel keine Gottheit gibt und MÚsÁ daher nicht die Wahrheit sagt. Auch hier ist die Vorstellung, dass Gott sich irgendwo oben befindet, präsent, selbst wenn sie in einem anderen Sinne dargestellt wird.

3. Die Gotteserfahrung Mu½ammads Die frühmekkanische Periode berichtet uns von einem Offenbarungserlebnis und einer Vision Mu½ammads, die die Frage nach dem Wer oder Was des erlebten und/oder gesehenen Wesens im Diesseits nach sich zieht. SÚra 81 at-TakwÍr 19-29, 53 an-Naºm 4-18 handeln vom Offenbarungserlebnis und der Vision Mu½ammads, wohingegen 69 al-¼Áqqa 40-48 in diesem Zusammenhang eine andere Perspektive der Offenbarung wiedergibt. In 81 at-TakwÍr heißt es: 36

37 38 24

aÔ-ÓabarÍ bezieht die Verse 16-19 in seiner Auslegung auf Mu½ammad insofern, als dass dieser ermahnt wurde, seine Zunge nicht schnell zu bewegen, wenn er die Offenbarung erhält. Vgl. S.aÔ-ÓabarÍ, ¹Ámiþu ÿl-BayÁn, Bd. 29. S. 187-191. Nach dem Kontext zu urteilen, handelt es sich hier um eine Endgerichtsszene, in der ein Angeklagter sich vor Gott zu rechtfertigen versucht. Da die Fortsetzung des Verses 19 die gleiche Thematik fortsetzt, scheint es treffender, die Verse 1619 in diesem Zusammenhang zu betrachten. Vgl. Mittelmek. Per.: 20 ÓÁ HÁ 5; spätmek. Per.: 32 as-Saºda 4; 10 YÚnus 3; 7 al-AþrÁf 54; 13 ar-Raþd 2; med. Per.: 57 al-¼adÍd 4. Vgl. 40 ³Áfir 36-37; 28 al-QaÈaÈ 38.

Das sind die Worte eines edlen Boten, der Einfluss hat beim Herrn des Thrones (und) stark ist. Man gehorcht ihm und er ist vertrauenswürdig. Und euer Gefährte ist nicht besessen. Er sah ihn am klaren Horizont. Er enthält euch das Verborgene nicht vor und das sind auch nicht die Worte eines gesteinigten Satans. Wo geht ihr hin? Das ist eine Erinnerung für die Menschen. Für alle von euch, die einen geraden Weg einschlagen möchten. Aber ihr könnt nicht wollen, ohne dass AllÁh, der Herr der Welten, will. 81 at-TakwÍr 19-29 Die SÚra setzt zu Beginn 18 Verse in Form von Schwurformeln an, um zu bestätigen, dass dies die Worte eines edlen Boten sind (V. 1-19). Dieser Bote besitzt [Stärke], hat [Einfluss beim Herrn], man [gehorcht] und [vertraut] ihm (V. 20-21). Unklar bleibt, ob es sich hier um eine himmlische Gestalt handelt oder gleich um den Propheten. Mehr Sinn ergibt die Stelle, wenn angenommen wird, dass es ein bestimmter Bote ist, der dem Propheten die Offenbarung bringt. Denn im darauf folgenden Vers ist mit [Gefährte] (aÈ-ÆÁ½ib) der Prophet gemeint. Hier bezieht sich der Teil auf die Verleumdung, dass Mu½ammad besessen sei. Die Aussage in Vers 23 [und er sah ihn am klaren Horizont] lässt annehmen, dass der am klaren Horizont Gesehene der edle Bote, der Seher jedoch Mu½ammad ist. Die SÚra endet mit einer Ermahnung Gottes an all jene, die sich richtig verhalten wollen (V. 26-29). Über eine weitere Vision in dieser Periode berichtet SÚra 53 an-Naºm: Wahrlich, das ist nichts anderes als eingegebene Offenbarung. Es lehrte ihn ein sehr Kräftiger, der Besitzer von Macht (dÚ mirratin). Als er am äußersten Horizont war, richtete er sich auf. Dann kam er näher und ließ sich herab. Er war (ihm) zwei Bogenspannen weit entfernt, oder noch näher. Da gab er seinem Diener ein (fa aw½Á ilÁ þabdihi), was er eingab. Das Herz lügt nicht, was es sah. Wollt ihr über das, was er sah, mit ihm streiten? Er sah ihn (auch) ein anderes Mal herabkommen beim Zizyphusbaum an der äußersten Grenze, beim Garten am Ruheort. Da verhüllte den Zizyphusbaum etwas. Der Blick (Mu½ammads) wich nicht, aber er überkam (ihn) auch nicht. Er sah von den Zeichen seines Herrn das Größte. 53 an-Naºm 4-18 SÚra 53 an-Naºm beginnt nur mit einer Schwurformel und erwähnt gleich darauf, dass sich Mu½ammad (aÈ-ÆÁ½ib) weder im Irrtum befindet noch aus eigener Neigung spricht (V. 1-3). Die Offenbarung, die ihm zuteil wird, lehrt ihn jemand mit großer [Kraft und Macht] (V. 4-6). Auch hier 25

handelt es sich um die Unterstellung, dass Mu½ammad lügt. Es bleibt jedoch unklar, wer die mächtige Gestalt ist. Jedenfalls lässt sie sich einmal am [äußersten Horizont] sehen und nähert sich dem Seher um weniger als [zwei Bogenspannenweiten] (V. 7-9). Die Aussage in Vers 10 [er gab seinem Knecht ein, was er eingab] (fa aw½Á ilÁ þabdihi mÁ aw½Á), lässt zwar die Annahme zu, dass es sich hier um Gott handeln könnte, weil die Ausdrucksweise [Knecht] (þAbd) die Beziehung zwischen Gott als Herrn (arRabb) und dem Menschen als dessen Knecht bezeichnet. Aber Vers 13 [er sah ihn (auch) ein anderes Mal herabkommen] macht diese Annahme so gut wie nichtig. Denn das Personalpronomen [er] geht auf Mu½ammad zurück, während [ihn] sich auf das Gesehene bezieht. Wenn Gott gemeint gewesen wäre, wäre ein anderes Possessivpronomen vonnöten gewesen, da Gott der Sprecher ist. Warum Gott, wenn er von sich spricht, sich hier in der dritten Person ausdrückt, muss unbeantwortet bleiben. Ebenso die Frage, wenn mit dem Personalpronomen jemand/etwas anderes gemeint ist, wer diese(r) ist. Dass das Erlebte der Wirklichkeit entspricht, wird einerseits durchs [Herz] bestätigt, womit die Vision erlebt wurde, und andererseits durch ihre Wiederholung. Die Aussage zum Schluss [er sah von den Zeichen seines Herrn das Größte] hebt noch einmal hervor, dass es sich hier um ein von Gott bewirktes Erlebnis handelt. In der folgenden Verspassage handelt es sich nicht um eine Vision, sondern um die Bestätigung, dass Mu½ammad wirklich offenbart wird und er die Wahrheit ausspricht: Nein! Ich schwöre bei den euch sichtbaren wie unsichtbaren Dingen: Das sind die Worte eines edlen Boten, nicht die eines Dichters. Wie wenig ihr doch glaubt! Es sind auch nicht Worte eines Wahrsagers. Wie wenig ihr doch nachdenkt! (Sie sind) herabgesandt vom Herrn der Welten. Würde er (unwahre) Aussagen über uns ersinnen, hätten wir ihn an seiner Rechten gepackt und die Herzvene durchtrennt. Keiner von euch hätte ihn davor schützen können. Es ist eine Erinnerung an die Gottesfürchtigen. 69 al-¼Áqqa 38-48 Wie oben in SÚra 81 at-TakwÍr ist wieder von einem [edlen Boten] die Rede, die allerdings dieses Mal auf Mu½ammad schließen lässt. Die Unterstellungen und der Legitimationsanspruch lassen diese Annahme zu, wobei nicht ganz ausgeschlossen werden kann, dass mit dem Ausdruck [edler Bote] vielleicht doch die himmlische Gestalt gemeint sein könnte.

26

Diese Annahme würde den Kontext jedoch trüben. Erwähnenswert in dieser Passage ist der Vers 43 [(sie sind) herabgesandt vom Herrn der Welten]. Während im vorangegangenen Vers eher davon auszugehen ist, dass die Botschaft Gottes von einer himmlischen Gestalt auf Mu½ammad übertragen wurde, ist an dieser Stelle anzunehmen, dass sie auch unmittelbar von Gott übertragen wird. Alle drei Verspassagen haben gemeinsam, dass es sich um die göttliche Bestätigung der Wirklichkeit des Erlebten und bisher Gesagten handelt. Über Gott selbst sagen sie wenig aus. In den Versen wird dann eine Vision, ein subjektives Erlebnis, übertragen. Die Dichte der Verse und der ständige Wechsel der Pronomen etc. lassen eine Gotteserfahrung vermuten. Es sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich an diesen Stellen weniger um Gott als um den Gesandten handelt. Mu½ammad wird von Gott in seiner Funktion als Überbringer einer göttlichen Botschaft verteidigt. Um der Überzeugung willen wird jedes mögliche Mittel wie Schwurformeln, Warnungen, Bestätigung des Herzens etc. eingesetzt. Die Verse reagieren auf die Verleumdungen und Verachtungen, denen Mu½ammad ausgesetzt ist, und nehmen ihn in gewisser Weise in Schutz. Was die Gotteserfahrung früherer Propheten anbelangt, finden wir in der spätmekkanischen Periode einen Dialog zwischen MÚsÁ und Gott, in dem MÚsÁ von Gott explizit verlangt, ihn zu sehen. Gott antwortet ihm lan tarÁnÍ, d.h. dass dies niemals geschehen wird, was sich in der erprobten Praxis bestätigt39.

4. AllÁhs Hände In der mittelmekkanischen Periode während einer Auseinandersetzung mit IblÍs fragt Gott diesen, warum er sich vor dem, der ihn mit seinen Händen erschaffen habe, nicht niederwerfe40? In ähnlichem Zusammenhang berichtet Gott über die Nutztiere in SÚra 36 YÁ SÍn Vers 71, die er ebenfalls mit seinen Händen41 wegen des Menschenwohls erschaffen hat. Darüber hinaus berichtet uns diese Periode an drei weiteren Stellen, dass die Herrschaft über die Schöpfung in den Händen Gottes liegt42. In dieser Bedeutung kann der Ausdruck biyadihi im übertragenen Sinn verstanden wer39 40 41 42

Vgl. 7 al-AþrÁf 143. Vgl. 38 ÆÁd 75. Hier im Pluralis Majestatis. Vgl. 67 al-Mulk 1; 36 YÁ SÍn 83; 23 al-MuÿminÚn 88. 27

den: AllÁh hat die Macht über seine Geschöpfe oder er verfügt über die gesamte Schöpfung. Der Ausdruck bayna yaday (zwischen den Händen), der sowohl in der mittel- als auch spätmekkanischen Periode vorkommt, macht deutlich, dass z.B. die Winde aus Gottes Barmherzigkeit heraus wehen43. Die hinter dem Wehen des Windes steckende frohe Botschaft ist der baldige Regen. In der medinensischen Periode begegnet uns der Ausdruck biyadi ÿllÁhi in einer weiteren Bedeutung: Er deutet, dass die Großzügigkeit (alFa±l) in den Händen Gottes liegt, die er, wem er möchte, zuteil werden lässt44. Ebenso befindet sich das Gute (al-¾ayr) in den Händen Gottes45. In der Auseinandersetzung mit den Juden behaupten diese in SÚra 5 al-MÁida 64, die Hände Gottes seien gefesselt (ma™lÚlatun), was bedeutet, dass AllÁh geizig ist. Die Antwort Gottes betont das Gegenteil; sie ist nur nach seinem Willen bestimmt. Und zuletzt, als die Anhänger Mu½ammads den Treueid leisten und ihm damit ihre Loyalität bekunden, versichert ihnen AllÁh, dass sie den Eid dadurch eigentlich ihm geleistet hätten und er dabei seine Hände auf ihre gelegt hätte46, im Sinne von, dass er mit ihrer Handlung einverstanden ist.

5. AllÁhs Handlungen AllÁh ist vor allem als Schöpfer zu erkennen. Diese Handlung Gottes gebührt ihm allein und kann durch die Perioden hindurch verfolgt werden. Wie diese geschieht, ist eher seltener beschrieben. In der mittelmekkanischen Periode in SÚra 32 as-Saºda z.B. heißt es: AllÁh ist es, der alles schön macht. Am Anfang erschuf er den Menschen aus Lehm. Seine Nachkommenschaft machte er danach aus der Substanz einer gewöhnlichen Flüssigkeit (wörtl. Wasser). Dann formte er ihn und hauchte ihm von seinem Leben(-sgeist) ein. Er gab euch Gehör, Augen und Herzen. (Dennoch) dankt ihr kaum. 32 as-Saºda 7-947 In diesem Vers stechen weitere Handlungen hervor, die zu Gottes Erschaffen gehören. Es gibt aber auch andere Verse, die uns darüber berichten, 43 44 45 46 47 28

Vgl. Mittelmek. Per.: 25 al-FurqÁn 48; 27 an-Naml 63; spätmek. Per.: 7 al-AþrÁf 57. Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 73; 57 al-¼adÍd 29. Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 26. Vgl. 48 al-Fat½ 10. Vgl. 40 ³Áfir 64.

was Gott macht. So richtet oder erhebt er sich auf seinen Thron, er wirkt im Kosmos, er sendet Propheten, er wird am Jüngsten Tag urteilen usw. Dialoge, die Gott mit seinen Gesandten wie mit MÚsÁ führt, können ebenfalls in diese Kategorie eingeordnet werden.

6. AllÁhs Namen und Attribute Bezeichnungen, die auf Gottes Eigenschaften oder Namen hinweisen, begegnen uns schon seit der frühmekkanischen Periode. Während diese zu Beginn oft im Superlativ vorkommen, legt sich das später. Was beibehalten wird, sind die sehr oft paarweise nebeneinander stehenden Ausdrücke wie z.B. wahrlich AllÁh ist vergebend und barmherzig48. In jeder Periode gibt es viele Formen dieser Doppelkonstruktionen. Sie kommen auch einzeln meist am Ende des Satzes vor. Sie werden durch Adjektive ausgedrückt, aber manchmal auch substantiviert. In den letzten drei Versen der SÚra 59 al-¼aÊr stehen einige der Bezeichnungen als Substantive in substantivierter Form in einer Dichte hintereinander, wie sie sonst in der Offenbarung kaum zu finden sind: Er, der Kenner des Verborgenen und Offenkundigen, außer dem es keine (weitere) Gottheit gibt, ist AllÁh. Er ist der Erbarmer und Barmherzige. Er, außer dem es keine (weitere) Gottheit gibt, der König, der Hochheilige, der Sicherheit- und Vertrauen-Gebende, der (stets) Bewachende, der Kräftige, der Übermächtige, der Stolze ist AllÁh. AllÁh ist über das, was sie ihm beigesellen, erhaben. Er, der Schöpfer, der Erschaffer, der Gestalter, dem die schönsten Namen gehören, ist AllÁh. Ihn lobpreist alles, was im Himmel und auf Erden ist. Er ist der Gewaltige, der Weise. 59 al-¼aÊr 22-2449 Eine weitere Form für AllÁhs nähere Bezeichnung sind die ebenfalls oft am Satz- oder Themenende stehenden Konstellationen wie wa ÿllÁhu bimÁ taþmalÚna ¿abÍr. Dieser in der Übersetzung mit AllÁh weiß, was ihr tut50 wiederzugebende Satz kommt z.B. in der wie hier nominativen Variante, sonst aber auch im Akkusativ und Genitiv am meisten in der medinensi-

48 49 50

Vgl. Frühmek. Per.: 55 ar-Ra½mÁn 78; mittelmek. Per.: 27 an-Naml 11 (in IchForm); spätmek. Per.: 16 an-Na½l 115; med. Per.: 66 at-Ta½rÍm 1 u.a. Vgl. 1 al-FÁti½a 2-4. Vgl. 2 al-Baqara 234. 29

schen Periode vor. Mit kleinen Abweichungen ist sie aber bis in die mittelmekkanische zurückzuverfolgen51. Das Adjektiv ¿abÍr (kundig, wissend) allerdings begleitet die Offenbarung seit ihrem Beginn als ein Attribut Gottes52 und ist als solche auch in der medinensischen Periode zu finden53. Das Außergewöhnliche in diesen Bezeichnungen ist, dass, wenn AllÁh z.B. etwas weiß, sich dieses Wissen so weit erstreckt, dass es alles zu Wissende umfasst54. AllÁh kennt den Menschen, weiß, was dieser für sich geheim hält, aber auch offenkundig macht. Er kennt die Vergangenheit und die Zukunft des Menschen. Ebenfalls ist sein Wissen so umfangreich, dass er sogar weiß, welches Blatt einer Pflanze sich auf der Erde gerade regt. Dieses Wissen ist nicht als zeitlich begrenzt, sondern als zu jeder Zeit aktiv zu betrachten. Was sich hier über das Wissen als ein Attribut Gottes sagen lässt, kann auf alle anderen Bereiche übertragen werden, auch wenn sie in der Offenbarung nicht so explizit vorzufinden sind wie im Zusammenhang mit dem Wissen.

C AllÁh als Schöpfer 1. AllÁh als Schöpfer in der frühmekkanischen Periode Gott ist in der frühmekkanischen Periode vor allem dadurch gekennzeichnet, dass er der Schöpfer (al-¾Áliq) des gesamten Kosmos ist. Demnach ist er auch der Schöpfer des Menschen55, wie aus den ersten Offenbarungen schon hervorgeht. Daher rührt Gottes Anspruch, von seinen Geschöpfen (an)erkannt und verehrt zu werden. Denn Gott ist es, der als Besitzer des Menschen über ihn von dessen Geburt bis hin zum Tod und nach seiner Wiederauferstehung, verfügt.

51 52 53 54 55

30

Vgl. 11 HÚd 111; 27 an-Naml 88. Vgl. 100 al-þÀdiyÁt 11. Vgl. 22 al-¼aºº 63. S. Teil E. Der allmächtige AllÁh Die Ansprache des Koran richtet sich in jeder Periode (610-632) an die zur Offenbarungszeit in Mekka, dann in Medina und ihrer Umgebung lebenden Leute. Daher ist mit dem Ausdruck Mensch in erster Linie an diese Gesellschaft zu denken. Auch wenn jemand namentlich genannt ist, was selten vorkommt, wird mehr an ein kollektives Verhalten dieser Gesellschaft appelliert als an eine bestimmte Person. Vgl. 6 al-AnþÁm 92.

Fluch über den Menschen, wie undankbar er ist. Woraus hat er ihn erschaffen? Aus einem Samentropfen hat er ihn erschaffen und ihm eine Form bestimmt. Dann hat er ihm den Weg leicht gemacht. Dann lässt er ihn sterben und ins Grab legen. Dann, wenn er will, erweckt er ihn wieder. 80 þAbasa 17-2256 Gottes Beziehung zum Menschen ist nicht immer so negativ dargestellt wie hier; doch an sich wird über den Menschen selten positiv gesprochen. Es handelt sich dann auch nur um eine bestimmte Gruppe, nämlich die Gottesfürchtigen (al-MuttaqÍn), die gewisse Forderungen Gottes erfüllen. Der Mensch wird ständig ermahnt, dass er darüber nachdenke, 1. Woraus er erschaffen wurde? 2. Weswegen er erschaffen wurde? 1. Der Mensch ist aus einem Samentropfen erschaffen. Die Samenflüssigkeit ist ein häufig vorkommendes Motiv. In 77 al-MursalÁt 20 wird sie auch als verachtet bezeichnet. Die Rückführung auf diese Flüssigkeit reduziert den Menschen aus Gottes Sicht auf eine gewisse Wertlosigkeit. Er soll gar nicht dem Hochmut verfallen, da sein wesentlicher Bestandteil etwas ganz Gewöhnliches ist. Ferner ist der Mensch für Gott aufgrund seines Verhaltens ein Problemfall: • Er ist aufsässig (96 al-þAlaq 6). • Er glaubt, niemanden und nichts zu bedürfen (96 al-þAlaq 7). • Er glaubt, dass ihn sein Vermögen unsterblich macht (104 al-Humaza 3). • Ihn beherrscht das Streben nach immer mehr (74 al-MuddeÝir 15; 102 at-TakÁÝur 1; 100 al-þÀdiyÁt 8). • Er lehnt sich gegen die Zeichen Gottes auf (74 al-MuddeÝir 16). • Er ist hochmütig (74 al-MuddeÝir 23). • Er fürchtet sich nicht vor dem Jenseits (74 al-MuddeÝir 53). • Er folgt seinen Vermutungen und Begierden (53 an-Naºm 23). • Er glaubt über Dinge zu wissen, wovon er eigentlich nichts weiß (68 alQalam 36-41). • Er ist undankbar gegenüber seinem Herrn (100 al-þÀdiyÁt 6). • Er ist sehr leichtfertig (53 an-Naºm 60-61).

56

Vgl. 96 al-þAlaq 1-2; 74 al-MuddeÝir 11; 92 al-Layl 3; 86 aÔ-ÓÁriq 5-7; 95 at-TÍn 4; 82 al-InfitÁr 6-8; 53 an-Naºm 45-46; 77 al-MursalÁt 20-22; 75 al-QiyÁma 3739; 51 aª-©ÁriyÁt 49; 78 an-Nabaÿ 8; 52 aÔ-ÓÚr 35-36; 56 al-WÁqiþa 57-59; 55 arRa½mÁn 14; 70 al-MaþÁriº 39. 31

• Er wendet sich von der Botschaft ab und glaubt nicht an sie (88 al-³Áši-

ya 23). • Er liebt das Vermögen (89 al-Faºr 20; 75 al-QiyÁma 20). • Er verhält sich unsittlich und betrügerisch (83 al-MuÔaffifÍn 1-3; 55 arRa½mÁn 8-9). 2. Trotz all der schlechten Eigenschaften des Menschen ebnet ihm der Schöpfer den Weg durchs Leben. So wie Gott den Menschen erschuf, stirbt der Mensch auch durch Gott. Er ist so lange tot, bis Gott den Tag der Auferstehung bestimmt. Während seiner Lebensdauer jedoch soll sich der Mensch darüber Gedanken machen, weswegen er erschaffen wurde. In 51 aª-©ÁriyÁt 56-58 gibt Gott selbst eine Antwort darauf: Ich habe die ¹inn und den Menschen nur dafür erschaffen, dass sie mir dienen. Ich möchte von ihnen weder Versorgung noch eine Speise. AllÁh ist der Versorger, der Besitzer von Kraft und Festigkeit. 51 aª-©ÁriyÁt 56-58 Was unter Dienen zu verstehen ist, so kann gesagt werden, dass es aus zwei Komponenten besteht: Zum einen liegt es in der Verehrung Gottes, sei es durch Gedenken, Preisen, Beten oder durch Prostration. Diese Haltung drückt eine gewisse Dankbarkeit aus für all das, was Gott dem Menschen zur Verfügung stellt. Damit der Mensch ein angenehmes Leben führen kann, hat Gott ihm die ganze Natur zur Nutzung bereit gestellt. Es ist eine Gnadengabe Gottes, alles für den Menschen Nötige zu erschaffen: Haben wir die Erde nicht zu einer Wiege, die Berge darauf zu Pfählen festgemacht? Wir erschufen euch in Paaren. Euren Schlaf machten wir zum Ausruhen. Die Nacht machten wir zur Decke. Den Tag machten wir zum Erwerb (des Lebensunterhaltes). Und über euch bauten wir sieben feste Himmel. Wir machten (für euch) eine glühende Leuchte (die Sonne). Aus den Regenwolken sandten wir reichlich Wasser herab, um damit Getreide, Pflanzen und dicht bewachsene Gärten hervorkommen zu lassen. 78 an-Nabaÿ 6-1657 Die zweite Komponente des Dienens verpflichtet den Menschen, ein so-

57

32

Vgl. 80 þAbasa 24-32; 86 aÔ-ÓÁriq 11-12; 87 al-AþlÁ 4-5; 77 al-MursalÁt 25-27; 88 al-³Ášiya 17-20; 51 aª-©ÁriyÁt 47-49; 56 al-WÁqiþa 63-72; 55 ar-Ra½mÁn 36, 10-12, 15, 19-20, 22, 24.

ziales Engagement an den Tag zu legen, wie es in 89 al-Faºr 15-20 beschrieben wird: Der Mensch, wenn ihn dein Herr auf die Probe stellt und sich ihm großherzig erweist und ihm genussreiches Leben gewährt, sagt dann: Mein Herr hat sich mir gegenüber (weil ich es eben verdiene) großherzig erwiesen. Wenn ihn sein Herr auf die Probe stellt und ihm nur seinen Lebensunterhalt beimisst, sagt er: Mein Herr hat mich gering erachtet. Aber nein! Ihr seid nicht freigiebig gegenüber Waisen! Ihr spornt nicht an, die Armen zu speisen! Ihr verbraucht das Erbe (der Waisen) unberechtigterweise bis aufs Ganze! Ihr liebt das Vermögen grenzenlos! 89 al-Faºr 15-20 Aus der zitierten Verspassage wird außerdem ersichtlich, dass Gott nicht nur der Schöpfer, sondern auch der Geber (ar-RazzÁq) des Lebensunterhaltes ist. Aus der Sicht des Menschen definiert jedoch allem Anschein nach das Vermögen die Beziehung zu Gott. Denn aus den Versen geht hervor, dass einer, der über ein knappes Vermögen verfügt, sich vom Herrn gering geschätzt sieht, während der Reiche seinen Reichtum als eine selbst verdiente Großherzigkeit von Gott betrachtet. Eine Dankbarkeit ist in der Einstellung des Reichen allerdings nicht enthalten. Eher sieht er sich selbst als jemanden, der die Großzügigkeit Gottes verdient. Dabei ist es hier Gott, der vom Menschen durch dessen Verhalten als gering erachtet wird. Außerdem unterscheidet Gott nicht zwischen Reichtum und Armut. Beide sind für den Menschen eine Prüfung. Hier wird die Erwartungshaltung des Menschen kritisiert, dass Gott ihm vorbehaltlos zu geben hat, während er selber Bedürftige an dem, was er besitzt, nicht teilhaben lässt. Ferner verlangt Gott vom Menschen, dass er seine Mitmenschen nicht betrügt. Wenn er zusätzlich erwartet, dass er selbst nicht zu Schaden kommt, wird der Mensch noch schuldiger. SÚra 83 al-MuÔaffifÍn 1-5 thematisiert diese Problematik. Dieses unmoralische Verhalten, so versichert Gott, wird im Jenseits nach der Auferstehung aufs Schlimmste bestraft werden. Was die Ausübung des Dienens betrifft, so scheint sie von Gott in die Natur des Menschen gelegt worden zu sein. Denn wie aus den folgenden Versen hervorgeht, dienen ihm alle seine Geschöpfe: Sterne und Bäume werfen sich vor ihm (sich ergebend) nieder. 55 ar-Ra½mÁn 6 33

Alles, was in den Himmeln und auf der Erde ist, wendet sich bittend an ihn. 55 ar-Ra½mÁn 29 Dass Sterne und Bäume sich vor Gott niederwerfen oder dass sich alles bittend an Gott wendet, besagt, dass Sterne ihre Umlaufbahn passieren, Bäume wachsen und sich alles entsprechend in seiner von Gott gegebenen Natur verhält bzw. bewegt. Dass Sterne nicht gegen ihre Umlaufbahn kreisen können oder dass ein Baum die Option, nicht wachsen zu wollen, nicht hat, steht hier nicht zur Diskussion. Die Verse sagen aus, dass alles von Gott Erschaffene eine Funktion erfüllt, da in diesem eine gewisse Gesetzmäßigkeit (Qadar) inne wohnt. Auch diese Gesetzmäßigkeit ist von Gott erschaffen. Die Geschöpfe dienen Gott in dem Sinne, dass sie nur das tun, wofür sie geschaffen sind. So wie alles seine Ordnung hat, unterliegt der Mensch als Geschöpf auch einer gewissen Ordnung. Er ist erschaffen, um etwas zu leisten und seinem Schöpfer zu dienen. Diese Leistung hat der Mensch durch religiöses und ethisches Verhalten auszudrücken. Jedes Zuwiderhandeln gegen diese Bestimmung des Menschen wird als Undank oder Aufsässigkeit (Kufr) bezeichnet. Aus Gottes Sicht ist aufsässiges Verhalten ebenfalls ein aussichtsloses Handeln gegen die eigene Natur.

2. AllÁh als Schöpfer in der mittelmekkanischen Periode Gott als Schöpfer des Kosmos bleibt in der mittelmekkanischen Periode weiterhin von großer Bedeutung. Es ist AllÁh, der Himmel und Erde, Mensch und ¹inn und alles sonst noch Erdenkbare in vollkommenster Weise erschaffen hat58. Aussagen über die Herrlichkeit der Schöpfung nehmen jedoch deutlich ab. In den Versen ist inhaltlich ein Sinneswandel zu beobachten, der in der vorherigen Periode zwar vorkommt, jedoch nicht diese Intensität hat. Der Wandel beruht auf der stärkeren Betonung, dass Gott allen Menschen die von ihm erschaffene Natur zur Verfügung stellt, ganz gleich, ob sie sich dafür als dankbar oder undankbar erweisen59. Gleichzeitig stellt Gott den Menschen vor die Frage, was er denn zu tun imstande wäre, wenn er ihnen seine Gnadengaben plötzlich verweigern würde60. Ähnlich wie in der frühmekkanischen Periode das Gefühl vermittelt wird, was man noch ausrichten könne, wenn im nächsten Mo58 59 60 34

Vgl. 67 al-Mulk 2-4. Vgl. 76 al-InsÁn 1-3; 36 YÁ SÍn 34-35; 67 al-Mulk 23; 25 al-FurqÁn 48-50; 17 alIsrÁÿ 30. Vgl. 67 al-Mulk 21, 30.

ment die Welt untergehen würde61, wird man hier vor die Situation gestellt, was passieren würde, wenn kein Getreide mehr wachse oder Regen nicht mehr falle etc. Für Gott ist das Schöpfen keine Schwierigkeit. Er sagt nur: Sei! Und es 62 ist. Dieser Ausdruck kommt nur in Angelegenheiten vor, die mit der Schöpfertätigkeit Gottes zusammenhängen, und unterstreicht Gottes absolute Schöpferkraft. Damit werden die Möglichkeiten, die zur Entstehung führen, in die Wege geleitet, als dass sie plötzlich aus dem Nichts entstehen. Die Aufzählungen der erschaffenen Dinge lassen diese Annahme eher zu. Die Formel Sei! Und es ist, ist in diesem Sinne kein Zauberspruch, welcher im Nu etwas entstehen lässt, sondern leitet einen Prozess in die Wege63. Sie bezeichnet eher eine Aktivität Gottes als ihre wörtliche Aussprechung. Die Erwähnung des Menschen als Geschöpf tritt in dieser Periode gegenüber der Erwähnung der Natur ebenfalls in den Hintergrund. Die Kernaussage über den Menschen bildet weiterhin sein soziales und religiöses Verhalten im Diesseits und seine Einstellung zu AllÁh. Neben der Samenflüssigkeit, durch die der Mensch entsteht, werden Lehm und Ton zusätzlich als Elemente seines Bestandteiles erwähnt. SÚra 23 al-MuÿminÚn 1214 und 78-80 widmet sich dieser Thematik. Die ausführliche Darstellung der einzelnen Stadien der Menschwerdung zielt einerseits darauf ab, dass der Mensch seine Erschaffung als ein Wunderzeichen Gottes aufzufassen hat, andererseits hebt sie Gottes absolute Schöpferkraft hervor: Wir erschufen den Menschen aus durchgesiebtem Lehm. Dann machten wir ihn zu einem Tropfen Sperma an einem festen Ort. Darauf erschufen wir aus dem Tropfen Sperma ein Embryo, aus dem Embryo einen Fötus, aus dem Fötus Knochen und überzogen ihn mit Fleisch. Dann brachten wir ihn als ein anderes Geschöpf hervor. Voller Erhabenheit ist AllÁh, der beste Schöpfer.64 (...) Und er ist es, der für euch das Gehör hervorbrachte, das Augenlicht und die Herzen. Wie wenig ihr doch dankt! Er ist es, der euch auf der Erde verstreut hat. Zu ihm werdet ihr versammelt. Er ist es, der lebendig macht und sterben lässt. Und (er veranlasst) den Unterschied von Tag und Nacht. Denkt ihr denn nicht? 23 al-MuÿminÚn 12-14 und 78-80 61 62 63 64

S. Teil D. AllÁh in richterlicher Funktion Vgl. 19 Maryam 35; 36 YÁ SÍn 82. Vgl. 76 al-InsÁn 1-3; 50 QÁf 6-11; 23 MuÿminÚn 12-15. Vgl. 76 al-InsÁn 1-3; 15 al-¼iºr 26; 36 YÁ SÍn 77; 25 al-FurqÁn 54. 35

Der aus einem Samentropfen erschaffene Mensch, dem darüber hinaus Augenlicht, Gehör und Verstand verliehen wurden, ist nach wie vor nicht sinnlos oder damit er seine Zeit einfach vertreibe, erschaffen65, sondern einer Prüfung ausgesetzt, die aus der Korrektur seines Verhaltens besteht. Das religiöse Verhalten ist dahingehend zu korrigieren, dass er • an das Jenseits, die Auferstehung und das Endgericht glauben und diesen Tag fürchten soll (54 al-Qamar 6-8; 37 aÈ-ÆÁffÁt 16-21), • AllÁh als einzige Gottheit anerkennen und ihm keine zusätzlichen Teilhaber beigesellen soll (37 aÈ-ÆÁffÁt 4; 50 QÁf 26; 23 al-MuÿminÚn 59), • Mu½ammad als AllÁhs Gesandten akzeptieren soll (72 al-¹inn 23), • an die Zeichen AllÁhs glauben soll (23 al-MuÿminÚn 58), • über AllÁh keine bloßen Vermutungen anstellen soll (37 aÈ-ÆÁffÁt 149159), • Gottes gedenken und ihn in der Nacht und in der Frühe demütig preisen soll (76 al-InsÁn 25-26), • sich vor AllÁh niederwerfen, nur ihn um Hilfe anrufen und nur ihn verehren soll (50 QÁf 40; 25 al-FurqÁn 26, 60, 64), • seine Taten bereuen und nur AllÁh um Vergebung bitten soll (21 al-AnbiyÁÿ 87-88), • trotz seines rechtschaffenen Handelns insgeheim AllÁh fürchten und auf Vergebung hoffen soll (50 QÁf 33; 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 87-89; 23 al-MuÿminÚn 57). Das soziale Verhalten hingegen soll insofern korrigiert werden, als dass der Mensch • sich nicht für das Geschwätz hergeben soll (23 al-MuÿminÚn 3; 25 alFurqÁn 72), • Gutes tun soll, wie z.B. Speisung oder finanzielle Unterstützung von Armen, Waisen und Gefangenen (76 al-InsÁn 8-9; 23 al-MuÿminÚn 4, 60-61), • unzüchtige Handlungen meiden soll (23 al-MuÿminÚn 5-6), • ihm Anvertrautes gut behüten soll (26 aÊ-ÉuþarÁÿ 183; 23 al-MuÿminÚn 8), • keine Falschaussagen machen oder bezeugen soll (25 al-FurqÁn 72; 17 al-IsrÁÿ 36), • den Besitz der Waisen nicht missbrauchen soll (17 al-IsrÁÿ 34),

65 36

Vgl. 44 ad-Du¿Án 38-39; 38 ÆÁd 27; 21 al-AnbiyÁÿ 16-17.

• im Handel richtig messen und abwiegen soll (26 aÊ-ÉuþarÁÿ 181; 17 al-

IsrÁÿ 35), • nicht übermütig werden soll (17 al-IsrÁÿ 37), • kein Verderben anrichten soll (26 aÊ-ÉuþarÁÿ 183), • seine Versprechen erfüllen soll (76 al-InsÁn 7), • keine Kinder töten soll (17 al-IsrÁÿ 31). Das rechtschaffene Handeln des Menschen besteht aus der Einhaltung dieser Komponenten. Es ist ihm nicht möglich, sich nur einige davon auszusuchen66. Diese beiden Problemfelder lassen im Falle des Einhaltens oder Ablehnens der Gebote den Großteil der Verse auf den Ausgang, nämlich auf die Auferstehung und das damit verbundene Endgericht münden. Darin könnte der Grund zu suchen sein, dass die die Herrlichkeit der Schöpfung abermals betonenden Beschreibungen der frühmekkanischen Periode einerseits abnehmen und anderseits die Erschaffung des Menschen und der Natur sehr oft mit der Auferstehung in Verbindung gebracht werden. (Die Ablehnenden sagen:) Sollen wir etwa, wenn wir gestorben und zu Erde geworden sind, (lebendig werden)? Dies ist eine unmögliche Rückkehr. Aber wir wissen, wen von ihnen die Erde (nach dem Tod) verringert hat. Bei uns ist ein Buch, das (alles vor Vergessenheit) bewahrt. Aber nein! Sie leugneten die Wahrheit, als sie zu ihnen kam, und sind (total) durcheinander. Schauen sie denn nicht zum Himmel über ihnen, wie wir ihn aufgebaut und verziert haben, und dass er keinen Riss hat? Die Erde breiteten wir aus, Berge verankerten auf ihr fest und ließen auf ihr (der Erde) von jeder prächtigen Art gedeihen. (Dies sei) eine Lehre und Erinnerung für jeden Diener, der sich reuig an Gott wendet. Und wir sandten segenreiches Wasser vom Himmel herab. Damit ließen wir Gärten und Korn zur Ernte wachsen und hochragende Dattelpalmen mit dicht besetzten Blütenkolben als Lebensunterhalt für die Diener. (Mit dem Wasser) belebten wir die tote Erde. Und genau so wird es mit dem (wieder) Herauskommen sein. 50 QÁf 3-1167 Wie die neue Erschaffung sein wird, berichtet Gott nicht, lediglich, dass sie sich gleich ereignet, nachdem in die Posaune gestoßen wird68. Eben66 67

68

Vgl. 19 Maryam 59-60. Vgl. 71 NÚ½ 13-20; 20 ÓÁ HÁ 53-55; 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 77-82; 15 al-¼iºr 16-27; 19 Maryam 40; 36 YÁ SÍn 71-81; 43 az-Zu¿ruf 10-14; 23 al-MuÿminÚn 12-16, 7880; 21 al-AnbiyÁÿ 30-35; 27 an-Naml 59-65. Vgl. 27 an-Naml 87. 37

falls bleibt die Frage unbeantwortet, was mit denjenigen, die schon verstorben sind, passieren wird. Nur aus dem Munde MÚsÁs ist zu erfahren, dass das Wissen darüber beim Herrn liege69. Festzuhalten bleibt schließlich die Logik, die hinter der Erschaffung des Menschen steckt: Weil Gott es ist, der den Menschen erschafft, wird man zu ihm zurückkehren70. Dort muss man sich für sein Verhalten verantworten. Dahingehend münden im Endeffekt auch die meisten Prophetengeschichten und Gleichnisse, die – wie die Ordnung in der Schöpfung – ebenfalls zum Nachdenken anregen sollen. 2.1 Falsches Wissen über AllÁh Falsches Wissen über AllÁh in der frühmekkanischen Periode wurde in Teil A behandelt, weil es da noch nicht als gezielte Götterkritik betrachtet wurde. Unter den Kritikpunkten, die Gott nunmehr an Mu½ammads Landsleute richtet, nimmt die falsche Vorstellung über ihn einen wesentlichen Platz ein. Gott meint, dass sie über ihn als AllÁh bodenlose Vermutungen anstellen, obwohl ihnen die Kunde über ihn von früher schon bekannt ist. Doch sie haben diese Nachrichten, wie alle anderen, als längst vergangene Geschichten oder Zauberei abgetan71. Dass die Bewohner von Mekka ein Grundwissen über AllÁh besitzen, geht aus folgenden Versen hervor: Sprich (zu ihnen o Mu½ammad): Sagt, wenn ihr es wisst: Wem gehört die Erde und wer auf ihr ist? Sie werden sagen: Sie gehören AllÁh. Sage dann: Zieht ihr keine Lehre daraus? Sprich (zu ihnen o Mu½ammad): Wer ist der Herr der sieben Himmel und der Herr des gewaltigen Thrones? Sie werden sagen: Es ist AllÁh. Sage dann: Werdet ihr ihm gegenüber denn nicht ehrfürchtig sein? Sprich (zu ihnen o Mu½ammad): Sagt, wenn ihr es wisst: Wer ist es, in dessen Hand die Herrschaft über alles liegt, der Zuflucht gewährt, aber der selbst keiner Zuflucht bedarf? Sie werden sagen: Es ist AllÁh. Sage dann: Wie könnt ihr (denn immer noch) so benebelt sein? 23 al-MuÿminÚn 84-8972 69 70 71 72 38

Vgl. 20 ÓÁ HÁ 51-52. Vgl. 50 QÁf 43-44; 36 YÁ SÍn 22; 67 al-Mulk 23-24; 23 al-MuÿminÚn 79-80. Vgl. 25 al-FurqÁn 4-5. Vgl. 43 az-Zu¿ruf 9, 87.

Es ist auch AllÁh, den sie in Bedrängnis und Not anrufen und um Hilfe bitten73. Ihr Wissen über AllÁh ist allerdings im Vergleich zu dem, was sie ihm andichten, sehr gering. AllÁh steht in ihren Augen zunächst in der Reihe anderer Gottheiten. Aus dem Dialog zwischen IbrÁhÍm und seinem Vater z.B. geht hervor, dass sie eigentlich nichtig sind. Sie könnten weder reden und von den Opfergaben essen, noch sich selbst helfen, da sie selbst ausgehauene Gegenstände seien. Hinzu kommt noch, dass diejenigen, die sie aushauten, die Kraft dazu eigentlich von AllÁh bekämen74. Dass er der Schöpfer ist, macht ihn für die Adressaten anscheinend nicht zu etwas Besonderem. Sie sind nicht bereit, neben AllÁh die Verehrung anderer Gottheiten aufzugeben75. Dabei verfügt AllÁh über Leben und Tod und über die Auferstehung, und die Gottheiten über gar nichts76. Daher ist er in keinem Fall mit irgendeiner Gottheit gleichzusetzen. Dass die neben AllÁh verehrten Gottheiten ihren Verehrern Kraft geben oder ihnen beistehen, ist ebenfalls eine bloße Vermutung, da diese Gottheiten dies beim Endgericht leugnen werden77. Doch die Adressaten beharren auf ihren Vermutungen, weil es u.a. auch die Fortsetzung ihrer Tradition ist. Schon ihre Väter haben neben AllÁh andere Gottheiten verehrt, warum sollten sie jetzt damit aufhören? Auch wenn ihnen bewusst ist, dass die Gottheiten ihnen weder Nutzen noch Schaden bringen, halten sie an der angeblichen Tradition ihrer Väter fest78. Ferner existiert unter den Adressaten die Vorstellung, dass AllÁh sich Töchter genommen hätte79. Diese Anspielung ist uns schon aus der frühmekkanischen Periode bekannt. Die drei weiblichen Gottheiten werden als seine Töchter betrachtet, während die Mekkaner sich selbst Söhne zurechnen. Gott stellt diese Vermutung in Frage und wirft ihnen ihre eigene Einstellung gegenüber weiblichen Nachkommen vor. Mädchen, die herausgeputzt aufwüchsen und sich nicht einmal richtig streiten könnten, sollen gerade AllÁhs Töchter sein80? Warum sollte AllÁh Töchter den Söhnen überhaupt vorziehen81? In jedem Falle distanziert sich Gott von jeglicher Vor73 74 75 76 77 78 79 80 81

Vgl. 17 al-IsrÁÿ 67. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 91-96; 21 al-AnbiyÁÿ 43, 65-67. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 34-36; 36 YÁ SÍn 23-24. Vgl. 25 al-FurqÁn 3. Vgl. 19 Maryam 81-82; 36 YÁ SÍn 74. Vgl. 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 74. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 149. Vgl. 43 az-Zu¿ruf 16-18. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 153. 39

stellung, dass er sich Töchter oder Söhne genommen hätte82. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Argument der Adressaten in 43 az-Zu¿ruf 57-58. Dort werfen sie Mu½ammad vor, dass er ihnen þÌsÁ als Beispiel vorführe und sagen: Sind unsere Gottheiten besser oder er? Demgegenüber meint AllÁh, dass auch þÌsÁ nur ein Knecht Gottes sei, dem Gnade zugeteilt wurde und der für die Kinder Israels zum Beispiel gemacht wurde83. Auch hier bleibt Gott konsequent und lässt die Vorstellung nicht zu, dass er sich ein Kind genommen hätte. Kinder sind allerdings nicht die einzigen, die AllÁh zugeschrieben werden. An einer Stelle ist von einer Gefährtin die Rede84 und von sonstigen Teilhabern85, die allesamt abgelehnt werden. Ob diese Begriffe bestimmte Gottheiten oder vergöttlichte Personen bezeichnen, geht aus den Versen nicht deutlich hervor. Die Vorstellung, dass zwischen AllÁh und den ¹innen eine Verwandtschaft existiert86, wird, wie die Vorstellung, dass Engel weibliche Wesen sind87, ebenfalls abgelehnt. So bleibt zuletzt die Vorstellung, dass AllÁh als einziger Schöpfer über allem, was man ihm zuschreibt, erhaben ist88.

3. AllÁh als Schöpfer in der spätmekkanischen Periode Kun fayakÚn (Sei! Und es ist) ist auch in der spätmekkanischen Periode nach wie vor der symbolische Ausdruck, mit dem die Schöpfertätigkeit Gottes ausgedrückt wird89. Danach wiederholt er sie90. Himmel und Erde sind – nach einigen Versen in sechs Tagen – erschaffen91. Daraufhin hat sich der Schöpfer auf seinem Thron aufgerichtet92. Was die Erschaffung des Menschen betrifft, so kann sie in dieser Periode auf zwei Ebenen betrachtet werden: Zum einen ist von einer Art Ur82 83 84 85 86 87 88 89 90 91

92 40

Vgl. 19 Maryam 88-93; 72 al-¹inn 3; 23 al-MuÿminÚn 91; 21 al-AnbiyÁÿ 26; 25 al-FurqÁn 2; 17 al-IsrÁÿ 111; 18 al-Kahf 4. Vgl. 43 az-Zu¿ruf 59. Vgl. 72 al-¹inn 3. Vgl. 25 al-FurqÁn 2; 17 al-IsrÁÿ 111; 18 al-Kahf 52. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 158. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 150; 43 az-Zu¿ruf 19. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 159. Vgl. 16 an-Na½l 40; 40 ³Áfir 68. Vgl. 30 ar-RÚm 11, 27; 10 YÚnus 4. Vgl. 32 as-Saºda 4; 41 FuÈÈilat 9-12; 45 al-¹ÁÝiya 22; 16 an-Na½l 3; 11 HÚd 7; 14 IbrÁhÍm 19, 32; 39 az-Zumar 5; 29 al-þAnkabÚt 44; 10 YÚnus 3; 35 FÁÔir 1; 7 al-AþrÁf 54; 6 al-AnþÁm 1; 13 ar-Raþd 16. Vgl. 32 as-Saºda 4; 10 YÚnus 3; 7 al-AþrÁf 54; 13 ar-Raþd 2.

versprechen in der Schöpfung des Menschen die Rede, in der der Mensch AllÁh als einzige Gottheit anerkannte93. Zum anderen – und das ist der wichtigere Teil – geht es um den Sinn der Erschaffung des Menschen. Um zu prüfen, wer von ihnen Schöneres bewerkstelligt, hat AllÁh nach Himmel und Erde den Menschen erschaffen94. So nimmt die Erschaffung des Menschen in der Schöpfungsreihenfolge den hintersten Platz ein. Es gibt auch in dieser Periode mehrere Angaben, die einzelne Teile des Menschen betreffen wie Lehm, Erde, Samenflüssigkeit, klebrige Anhängsel oder eine Sorte gewöhnlichen Wassers95. AllÁh gibt den Menschen eine Gestalt und haucht ihnen Leben von seinem Geist ein. Er gibt ihnen Ohren, Augen und Herzen96. Daher ist es auch er, der sie wieder zu sich nimmt bzw. nehmen wird97. Es ist aber auch von einem Engel des Todes die Rede, der damit beauftragt ist, Leben zu nehmen98. Er bringe ihn dann zu AllÁh, der mit ihm abrechnen wird99. Manche von den Menschen erreichen dabei im Leben ein hohes Alter, manche nicht100. Das ändert aber nichts an dem, was sich hinterher ereignen wird. Drei größere Themenbereiche zeichnen sich hier ab, die mit Gottes Schöpfertätigkeit intensiv im Zusammenhang stehen: • Die Verehrung der Gottheiten neben AllÁh • Die Ablehnung der Auferstehung • Die Undankbarkeit des Menschen Alle drei Themenbereiche sind uns aus den vergangenen Perioden schon bekannt. In dieser Periode ist ihr dichtes Nebeneinander jedoch auffällig. Ihre Intensität und starke Betonung üben einen gewissen Druck aus. Sie zielen alle darauf ab, die Einsheit Gottes immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. AllÁh soll quasi als die einzig durch und durch wahre Gottheit in dem Glauben etabliert werden101.

93 94 95 96 97 98 99 100 101

Vgl. 7 al-AþrÁf 172. Vgl. 11 HÚd 7; 6 al-AnþÁm 165. Vgl. 32 as-Saºda 7-8; 16 an-Na½l 4; 40 ³Áfir 67; 35 FÁÔir 11; 6 al-AnþÁm 2. Vgl. 32 as-Saºda 9; 16 an-Na½l 78; 40 ³Áfir 64. Vgl. 16 an-Na½l 70; 39 az-Zumar 42; 40 ³Áfir 68. Vgl. 32 as-Saºda 11; 6 al-AnþÁm 61. Vgl. 6 al-AnþÁm 62. Vgl. 16 an-Na½l 70; 30 ar-RÚm 54. Vgl. 40 ³Áfir 62, 65; 39 az-Zumar 6; 35 FÁÔir 3; 6 al-AnþÁm 102. 41

3.1 Götter- und Kultkritik Die Auseinandersetzung zur Götter- und Kultkritik konzentriert sich hauptsächlich auf die Verehrung von Gottheiten, während AllÁh Himmel und Erde und das dazwischen Liegende allein erschaffen hat 102. Dabei werden Sonne und Mond sowie Götzen neben AllÁh nach wie vor in und um Mekka verehrt103. Jede Art der Verehrung einer Gottheit und jeder Kult, der neben der Verehrung AllÁhs betrieben wird, ist falsch. Sie basiert auf Lügen und falschen Vermutungen104. Öfter als in der vergangenen Periode wird in dieser davon berichtet, dass die Menschen in konkreten sowie eventuellen Notsituationen oder im Falle eines Unheils alle ihre Gottheiten auf einmal vergessen bzw. aufgeben und nur noch AllÁh anrufen und ihn um Hilfe bitten. Wenn AllÁh diese Situation aber verbessert, dann kehren sie zu ihren Gottheiten wieder zurück und ignorieren ihn105. Diese Art der Verehrung wird von AllÁh sehr scharf kritisiert. In kaum einer SÚra wird der Tadel an Götzenverehrung und am geübten Kult ausgelassen. Die neben AllÁh verehrten Gottheiten können nichts zustande bringen106, sie sind nur bloße Namen107. Weder konnten sie in der Vergangenheit die Vernichtung der früheren Völker verhindern, noch sich selbst vor irgendetwas schützen108. Weder erschufen109 noch leiteten sie zur Wahrheit110. Überdies opferten die Menschen ihnen von dem, was AllÁh ihnen als Lebensunterhalt zuteil werden ließ111. Wenn AllÁh die Verehrer anderer Gottheiten dann aber am Jüngsten Tage nach diesen fragen wird, werden sie verschwunden sein und ihre Verehrer werden mit leeren Händen dastehen112. Nur wenn AllÁh es den Götzen erlaubt, werden sie beim Endgericht

102 Vgl. 41 FuÈÈilat 9-12. 103 Vgl. 41 FuÈÈilat 37; 39 az-Zumar 45. 104 Vgl. 14 IbrÁhÍm 30; 40 ³Áfir 12; 39 az-Zumar 62-67; 29 al-þAnkabÚt 68; 10 YÚnus 17-18, 58-60, 66-69; 7 al-AþrÁf 28. 105 Vgl. 41 FuÈÈilat 49-51; 16 an-Na½l 53-55; 30 ar-RÚm 33-36; 39 az-Zumar 8, 4951; 29 al-þAnkabÚt 65-66; 31 LuqmÁn 32; 10 YÚnus 12, 22-23. 106 Vgl. 16 an-Na½l 73; 34 Sabaÿ 22-23; 13 ar-Raþd 14. 107 Vgl. 13 ar-Raþd 33. 108 Vgl. 7 al-AþrÁf 192, 195-198; 46 al-A½qÁf 27-28. 109 Vgl. 16 an-Na½l 20; 30 ar-RÚm 40; 31 LuqmÁn 11; 10 YÚnus 34; 35 FÁÔir 40; 7 al-AþrÁf 189-191; 46 al-A½qÁf 4-6. 110 Vgl. 10 YÚnus 35; 7 al-AþrÁf 193; 6 al-AnþÁm 63-64. 111 Vgl. 16 an-Na½l 56; 6 al-AnþÁm 136-137. 112 Vgl. 41 FuÈÈilat 47-48; 16 an-Na½l 27; 11 HÚd 21; 40 ³Áfir 73-74; 28 al-QaÈaÈ 62-64; 42 aÊ-ŠÚrÁ 46; 10 YÚnus 30; 7 al-AþrÁf 37; 6 al-AnþÁm 22. 42

zu Wort kommen. Dann werden gerade diese Götzen, von denen jene Menschen dachten, dass sie ihre Fürsprecher und Schutzherren sind 113, gegen sie Zeugnis ablegen114. Wie könnten sie denn mit AllÁh gleichgesetzt werden, der über alles erhaben ist115. Deshalb sollten sie die Verehrung jener Gottheiten unverzüglich beenden und die einzig wahre Gottheit anbeten und nur sie fürchten116. Die Götter- und Kultkritik und manche polemischen Dialoge machen den Standpunkt der ablehnenden Adressaten deutlich. Obwohl sie wissen, wer allein Himmel und Erde erschaffen hat, verehren sie andere Gottheiten117, weil sie u.a. daran glauben, dass diese sie AllÁh näherbringen118. Sie setzen ihren Widerstand auch in dieser Periode fort. Es wird weiterhin sowohl mit Mu½ammad als auch mit seiner Botschaft Spott getrieben. Es ist jedoch nicht Mu½ammad, den sie damit ablehnen, sondern Gott mit seiner Botschaft119. Der Polemik über die falschen Vermutungen über AllÁh wird ebenfalls großer Platz eingeräumt. Falsche Vermutungen sind nach wie vor, dass AllÁh sich Kinder oder die ¹inn zu Gefährten genommen hat120. An seine Seite sind Gottheiten getreten, ohne die der Glaube an AllÁh für die Adressaten nicht mehr möglich ist121. Sie gehen – nach den Versen zu urteilen –, davon aus, dass AllÁh sich eher zurückgezogen hat. Daher rührt vermutlich ihre Ansicht, dass AllÁh nicht viel von dem, was auf Erden geschieht, wüsste122. 3.2 Die Auferstehung Die Bedeutung der Auferstehung liegt in ihrer Ablehnung. Der Vorstellung der Adressaten nach wird es kein Leben nach dem Tod geben123. Sie sind sich dessen so sicher, dass sie bei AllÁh ihren kräftigsten Eid schwö-

113 Vgl. 32 as-Saºda 4; 40 ³Áfir 18; 30 ar-RÚm 12-13; 39 az-Zumar 43-44; 42 aÊŠÚrÁ 9; 10 YÚnus 18; 6 al-AnþÁm 94. 114 Vgl. 16 an-Na½l 86; 10 YÚnus 28; 35 FÁÔir 14. 115 Vgl. 28 al-QaÈaÈ 68. 116 Vgl. 16 an-Na½l 51; 6 al-AnþÁm 56. 117 Vgl. 39 az-Zumar 38; 31 LuqmÁn 21, 25-26. 118 Vgl. 39 az-Zumar 3. 119 Vgl. 6 al-AnþÁm 33. 120 Vgl. 16 an-Na½l 57-59, 62; 39 az-Zumar 4; 10 YÚnus 68; 6 al-AnþÁm 100-101. 121 Vgl. 12 YÚsuf 106; 39 az-Zumar 45. 122 Vgl. 41 FuÈÈilat 22. 123 Vgl. 32 as-Saºda 10-11; 46 al-A½qÁf 17; 13 ar-Raþd 5. 43

ren124. Dieses Thema ist einer der Gründe, warum sie Mu½ammad verspotten125. Der Grund der Ablehnung hingegen liegt in ihrer Unvorstellbarkeit. Daher die Aufforderung der Adressaten, dass die Verstorbenen doch einmal zur Probe herbei gebracht werden sollen126. Sie wollen es sehen bzw. miterleben. So antwortet AllÁh: Wie er die tote Erde immer wieder mit neuem Leben füllt127, wird auch der Mensch, wenn es soweit ist, zum zweiten, aber letzten Mal zum Leben erweckt werden. Jedenfalls hat er sich seine Wiedererweckung so vorzustellen. Den Zeitpunkt gibt AllÁh jedoch auch in dieser Periode nicht preis. Er warnt dagegen nur, die Reue nicht auf den Tag ankommen zu lassen, da sie ihnen nicht mehr von Nutzen sein werde128. 3.3 Die Ablehnung der Offenbarung und der Undank des Menschen Die Undankbarkeit des Menschen gegenüber AllÁh nimmt besonders deshalb einen großen Raum ein, weil der Mensch seinen Schöpfer immer noch nicht als die alleinige Gottheit akzeptiert. Die gesamte Natur verhält sich nach dem von ihrem Schöpfer gegebenen Maß, während der Mensch, obwohl er auch dazu gehört, dagegen steuert. Dabei erfüllt die Natur eine weitere Funktion: Sie steht dem Menschen zur Verfügung129. Die gesamte Schöpfung – der Mensch darin inbegriffen – gehören zu den (Wunder-) Zeichen Gottes130. Während alle sich jedoch vor AllÁh demütig und ergeben niederwerfen131, bleibt der Mensch seinem Schöpfer gegenüber undankbar, obwohl er die Gaben AllÁhs kennt132. Und wer dann noch in seiner undankbaren Haltung verharrt, dem nutzen weder Zeichen noch Warner133. Vgl. 16 an-Na½l 38. Vgl. 34 Sabaÿ 7-8. Vgl. 45 al-³ÁÝiya 24-26. Vgl. 41 FuÈÈilat 39; 16 an-Na½l 65; 30 ar-RÚm 19, 50; 35 FÁÔir 9; 7 al-AþrÁf 57. Vgl. 32 as-Saºda 28-29. Vgl. 31 LuqmÁn 20. Vgl. 45 al-¹ÁÝiya 3-6; 16 an-Na½l 3-8, 10-16, 65-72; 30 ar-RÚm 20-24, 46, 4849; 14 IbrÁhÍm 32-34; 40 ³Áfir 61, 79-81; 39 az-Zumar 21; 31 LuqmÁn 10; 42 aÊŠÚrÁ 11-12; 10 YÚnus 5-6, 31; 7 al-AþrÁf 58; 6 al-AnþÁm 95-99; 13 ar-Raþd 2-4, 16-17. 131 Vgl. 41 FuÈÈilat 10-12; 16 an-Na½l 48-50; 30 ar-RÚm 26; 13 ar-Raþd 15. 132 Vgl. 16 an-Na½l 83. 133 Vgl. 10 YÚnus 101.

124 125 126 127 128 129 130

44

Diese drei Themenbereiche drängen teilweise die bisher geführte religiöse und soziale Kritik in den Hintergrund. Das soll aber nicht heißen, dass sie verschwunden ist. Sie wird nur seltener erwähnt. Statt der religiösen und sozialen Korrekturen des menschlichen Verhaltens werden besonders diejenigen, die glauben und Gutes tun/rechtschaffen handeln (allaªÍna ÁmanÚ wa þamilÚ ÿÈ-ÈÁli½Át) erwähnt. Diese Gruppe folgt der Botschaft AllÁhs und erfüllt die bisher erwähnten Komponenten134. Dieser Ausdruck135 etabliert sich zu einer feststehenden Formel, zieht sich durch die gesamte Periode hindurch und wird so gut wie in jeder Auseinandersetzung bzw. Gelegenheit erwähnt. Dies signalisiert, dass sich eine Gemeinschaft gebildet hat, auf die diese Bezeichnung zutrifft und die mit Mu½ammad diesem Grundsatz folgt: (O Mu½ammad!) Sprich (zu denen, die mir Götter beigesellen): Leute! Wenn ihr über meine Glaubensweise im Zweifel seid, (dann wisst), dass ich (die Gottheiten), die ihr neben AllÁh verehrt, nicht verehre. Ich verehre einzig und allein AllÁh, der euch (alle) zu sich holen wird. Mir wurde (nämlich) geboten, ein (nur an ihn) Glaubender zu sein, (und folgendes befohlen:) Richte dein Antlitz der einzig richtigen Lebensweise zu und sei ja keiner, der (ihm Götter) beigesellt. Rufe außer AllÁh (bloß) nichts an, das weder nutzen noch schaden kann. Wenn du dies tun solltest, dann wirst du zu den ungerecht Handelnden gehören. 10 YÚnus 104-106136 ad-DÍn ist nunmehr die Lebensweise, an die sich Mu½ammad halten soll. Diese Lebensweise ist sowohl die der natürlichen Veranlagung (FiÔra) des Menschen am nahesten stehende wie auch die von AllÁh seit Anbeginn der Menschheit offenbarte Art zu leben137. Das Konzept der ursprünglichen Lebensweise wird mit der Offenbarung an Mu½ammad wiederhergestellt138. Diese – oft als Religion übersetzte – Lebensweise ist damit nicht nur jetzt Mu½ammad geboten, sondern wurde auch NÚ½, MÚsÁ und þÌsÁ 134 Vgl. 32 as-Saºda 15; 41 FuÈÈilat 6-8, 30-33; 45 al-¹ÁÝiya 15, 30; 30 ar-RÚm 44; 11 HÚd 23; 14 IbrÁhÍm 23, 31; 40 ³Áfir 58; 39 az-Zumar 9, 17-18; 29 al-þAnkabÚt 58-59; 31 LuqmÁn 3-5, 8-9; 42 aÊ-ŠÚrÁ 22; 10 YÚnus 9, 62-63; 7 al-AþrÁf 42; 46 al-A½qÁf 13-14, 16; 6 al-AnþÁm 71-72; 13 ar-Raþd 18, 20-22, 25, 28-29. 135 Er kommt bereits in der frühmekkanischen Periode in SÚra 103 vor. 136 Vgl. 41 FuÈÈilat 6; 16 an-Na½l 123; 30 ar-RÚm 43; 40 ³Áfir 14, 65; 31 LuqmÁn 22; 6 al-AnþÁm 161. 137 Vgl. 30 ar-RÚm 30-32; 42 aÊ-ŠÚrÁ 13. 138 Vgl. 6 al-AnþÁm 92. 45

mitgeteilt. Wendet sich der Mensch nunmehr AllÁh zu, dann ist er rechtgeleitet und befindet sich im Licht. Entscheidet er sich dagegen, bedeutet dies, dass er in die Irre gegangen ist und sich in der Finsternis befindet139. So wie das Licht mit der Finsternis oder der Sehende mit den Blinden nicht gleichgestellt werden kann, kann der, der erstens an AllÁh als einzige Gottheit, zweitens an die Echtheit und den Inhalt der Botschaft, drittens an Mu½ammad als dessen Überbringer glaubt und viertens gleichzeitig dabei rechtschaffen handelt, mit dem, der nicht daran glaubt und nicht rechtschaffen handelt, nicht gleichgestellt werden140. Damit fallen alle, die dieser Lebensweise den Rücken kehren, aus dem von Gott bestimmten Rahmen. Sie bleiben die al-KÁfirÚn, d.h. Aufsässigen oder Undankbaren oder Ablehnenden. Immer wieder wird erwähnt, was sie tun und was daran falsch ist141.

4. AllÁh als Schöpfer in der medinensischen Periode Die in den mekkanischen Perioden äußerst hervorgehobene und markante Eigenschaft AllÁhs als Schöpfer des gesamten Kosmos bleibt in der medinensischen nur noch spärlich erhalten. Unterschiedliche Themenbereiche, die zuvor oft erwähnt wurden, lassen sich zwar immer noch finden; sie werden aber nur noch mit einer Handvoll Versen erwähnt. Nicht der Inhalt ändert sich, sondern die Dichte und Anzahl der Verse. So ist AllÁh, wie schon immer, der einzig wahre Schöpfer des gesamten Kosmos142, der durch das Wort “Kun! FayakÚn” (Sei! Und es ist.) den Erschaffungsprozess in die Wege leitet143. Himmel und Erde sind in einer Zeit von 6 Tagen entstanden144 und der Mensch ebenfalls in einer gewissen Zeit145. Die Erschaffung des Menschen wird mit der Auferstehung146 und mit den von AllÁh an ihn erteilten Gnadengaben in Verbindung gebracht147. Die Schöpfung 139 Vgl. 6 al-AnþÁm 122. 140 Vgl. 45 al-¹ÁÝiya 21; 40 ³Áfir 58; 39 az-Zumar 9; 13 ar-Raþd 16, 19. 141 Vgl. 32 as-Saºda 10, 14, 22; 41 FuÈÈilat 6-7; 45 al-¹ÁÝiya 7-11, 31, 35; 16 anNa½l 88; 30 ar-RÚm 29; 14 IbrÁhÍm 3; 40 ³Áfir 60; 39 az-Zumar 55-60; 31 LuqmÁn 6-7; 10 YÚnus 7-8; 7 al-AþrÁf 36, 40-41, 50-51, 182; 6 al-AnþÁm 31; 13 arRaþd 18, 25. 142 Vgl. 4 an-NisÁÿ 1; 49 al-¼uºurÁt 13. 143 Vgl. 2 al-Baqara 117. 144 Vgl. 57 al-¼adÍd 4. 145 Vgl. 22 al-¼aºº 5. 146 Vgl. 2 al-Baqara 28, 64 at-Ta™Ábun 3; 22 al-¼aºº 5-7. 147 Vgl. 2 al-Baqara 29. 46

steht aber auch mit dem Thema der Verehrung von anderen Gottheiten in Zusammenhang148. Die gesamte Schöpfung findet ihren Beginn und ihr Ende bei AllÁh, dem einzigen Schöpfer149, der mit der Darlegung den Menschen zur Vernunft bewegen möchte150. Dabei lobt und wertschätzt jedes Geschöpf AllÁhs ihn so, wie es ihm gebührt151. Der Mensch jedoch ersinnt Lügen, dass er sich einen Sohn genommen hätte152, gesellt ihm als Gottheiten verehrte Gegenstände bei153 und erwartet, dass AllÁh zu ihm spricht oder der Gesandte auf der Stelle ein ihn überzeugendes Wunder bewirkt154.

D AllÁh in richterlicher Funktion 1. AllÁh in richterlicher Funktion in der frühmekkanischen Periode Gottes richterliche Funktion ist mit seiner Eigenschaft als Schöpfer nicht gleichzusetzen. Denn Gott erschafft unentwegt, aber seine richterliche Funktion gewinnt an Bedeutung, weil der Mensch die religiösen und sozialen Komponenten des Dienens nicht erfüllt. Deshalb nehmen die Schilderungen über den Weltuntergang, das Endgericht und über Lohn und Strafe den größten Platz der frühmekkanischen Botschaft ein. Die Erwartung, dass das Endgericht sehr bald stattfinden wird, wirkt sehr gegenwärtig155. Dementsprechend bewegend und lebhaft sind die Bilder vom Weltuntergang. Die Apokalypse wird dadurch geschildert, dass der Himmel sich aufspaltet, die Erde zu beben beginnt und die Meere auslaufen. Ein unvorstellbares Durcheinander findet statt. Die Verse schildern den Zustand des Weltuntergangs. Noch ehe man begreift, was passiert, wird alles schon geschehen sein156. Ein Entkommen wird es nicht geben157. Nachdem alles zu Staub und die Erde zu einer Ebene gemacht worden ist 158, wird in 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158

Vgl. 2 al-Baqara 21-22, 164-165; 22 al-¼aºº 61-66. Vgl. 2 al-Baqara 163; 22 al-¼aºº 6. Vgl. 57 al-¼adÍd 17. Vgl. 64 at-Ta™Ábun 1; 62 al-¹umþa 1; 61 aÈ-Æaff 1; 57 al-¼adÍd 1; 59 al-¼aÊr 1; 24 an-NÚr 41; 22 al-¼aºº 18. Vgl. 2 al-Baqara 116. Vgl. 4 an-NisÁÿ 116-117; 22 al-¼aºº 71-74. Vgl. 2 al-Baqara 118. Vgl. 53 an-Naºm 57; 78 an-Nabaÿ 40; 70 al-MaþÁriº 6-7. Vgl. 99 az-Zalzala 1-6; 82 al-InfitÁr 1-5; 81 at-TakwÍr 1-14. Vgl. 75 al-QiyÁma 11. Vgl. 69 al-¼Áqqa 14. 47

die Posaune gestoßen159. Im Nu werden alle Menschen aus ihren Gräbern wieder auferstehen160. Sobald die Stunde der Wahrheit schlägt, wird sich jeder all seiner Taten und Schuld bewusst. Reue zeigen ist an diesem Tag nicht mehr möglich. Daher wird der Mensch nur mit sich selbst beschäftigt sein und niemanden mehr erkennen161. In Scharen werden die Menschen zu Gott gebracht. Sobald sich die Himmelstore öffnen162, werden der Geist und die Engel eintreten und sich in Reihen aufstellen 163. Acht Engel tragen den Thron des Herrn164 herbei. Niemand, weder Engel noch Mensch, wird danach noch sprechen können, außer wenn Gott es einem erlaubt165. Dann beginnt der Prozess. Jedem wird sein Verhalten vorgehalten, das schon zu Lebzeiten Anlass zur Kritik gab, nämlich: • das Jenseits nicht zu vernachlässigen, doch er liebte das Diesseits sehr (75 al-QiyÁma 20-21), • das Gebet zu verrichten, er tat es aber nicht (75 al-QiyÁma 31), • an die Offenbarung zu glauben, doch er erklärte sie für eine Lüge (75 al-QiyÁma 32), • sich vor dem Herrn aus Dankbarkeit niederzuwerfen, doch er weigerte sich (68 al-Qalam 42). Der Mensch wird für seine Taten zur Rechenschaft gezogen und muss sich nun verantworten166. Sich herausreden oder lügen kann er nicht, da alles zusätzlich aufgezeichnet ist und ihm vorgelesen wird167. Einer Gruppe werden die aufgeschriebenen Taten von der rechten Seite, einer anderen von der linken gegeben. Vorne werden die Besten von ihnen stehen168. Das Buch der Taten wird einem eigentlich nur als Beweis in die Hand gegeben, da Gott schon über alles Bescheid weiß. An diesem Tag bleibt nichts verborgen169. Ebenso wird bis auf die kleinste Tat alles verrechnet170. 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 48

Vgl. 78 an-Nabaÿ 18; 80 þAbasa 33; 79 an-NÁziþÁt 13; 69 al-¼Áqqa 13. Vgl. 79 an-NÁziþÁt 14. Vgl. 68 al-Qalam 42-43; 80 þAbasa 34-37. Vgl. 78 an-Nabaÿ 18-19; 69 al-¼Áqqa 16. Vgl. 78 an-Nabaÿ 38; 69 al-¼Áqqa 17. Vgl. 69 al-¼Áqqa 17. Vgl. 77 al-MursalÁt 35-36; 78 an-Nabaÿ 38. Vgl. 102 at-TakÁÝÚr 8. Vgl. 75 al-QiyÁma 13-19. Vgl. 56 al-WÁqiþa 8-12. Vgl. 100 al-þÀdiyÁt 9-11. Vgl. 99 az-Zalzala 7-8.

Im Großen und Ganzen ist dies der Verlauf der Ereignisse des Weltuntergangs und der Auferstehung. Das Jenseits erscheint einerseits als ein notwendiges Element für die Beurteilung der Einhaltung der religiösen und sozialen Komponenten des Dienens im Diesseits und ist andererseits der Ort für die Realisierung des von Gott verkündeten Lohns und der Strafe. Gerechtigkeit – so versichert Gott – wird in jedem Falle allen spätestens im Jenseits widerfahren. Die Aussagen, dass im Diesseits niemand die Last eines anderen trägt und jeder für sich verantwortlich ist, deuten auf die Handlungs- bzw. Entscheidungsfreiheit des Menschen hin. Wie Gott in der Vergangenheit Völker zuerst warnte und sie dann, wenn sie ihr Verhalten nicht änderten, schon vor dem Weltuntergang vernichtete, befinden sich jetzt die Adressaten in der Phase des Gewarntwerdens. Ständig übt Gott Kritik am Verhalten des Menschen und wirkt noch durch das Offenbaren. Er gewährt dem Menschen eine Frist, wodurch dieser Gelegenheit erhält, sein Verhalten und seine religiöse Einstellung zu ändern. Wann diese Frist aber zu Ende geht, weiß nur Gott. Gewiss ist, dass sie zu Ende gehen wird. Bis dahin wird der Mensch im Diesseits auf sein Verhalten hin geprüft.

2. AllÁh in richterlicher Funktion in der mittelmekkanischen Periode In der mittelmekkanischen Periode sind die Darstellungen des Weltuntergangs im Vergleich zur frühmekkanischen sehr selten und lassen auch an Intensität nach. Das Gewicht verlagert sich nunmehr auf die Auferstehung und das Endgericht. Das Jenseits bleibt wie in der frühmekkanischen Periode der Ort, an dem für das im Diesseits Geschehene abgerechnet wird. Dazu gehören vor allem die Ablehnung der Person Mu½ammads als Gesandter Gottes und des Inhalts der Botschaft. Aber auch die Nicht-Einhaltung der religiösen sowie sozialen Komponenten des Dienens werden Konsequenzen nach sich ziehen. Wie Gott bisher mit früheren gleich handelnden Völkern umging, wird in dieser Periode umfassend erörtert. Besonders die Kunde über die Vernichtung früherer Völker lassen Gott als den gnadenlosen Richter erscheinen, der diese aufgrund ihres Frevels noch vor dem Weltuntergang bestraft. Dennoch ist aus dem Handeln Gottes ein bestimmtes Verhalten abzulesen, welches das Bild eines gnadenlosen Richters relativiert:

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1 Gott hat den Menschen von Natur aus so erschaffen, dass er von sich aus dessen Erhabenheit und Größe erkennen kann. Er muss sich nur nach den Zeichen Gottes umsehen171. 2 Trotzdem sandte Gott aus seiner Barmherzigkeit heraus auch früher Gesandte, die den Völkern seine Botschaft überbrachten172. 3 Es hat kein Volk gegeben, welches ohne einen Gesandten grundlos zerstört wurde173. 4 Gott hat jedem Volk eine Frist gewährt (Mahn- bzw. Warnphase), in der es sich zur Umkehr hätte entscheiden können174. Genau nach diesem Muster handelt Gott jetzt auch mit den Landsleuten Mu½ammads. Daher befinden diese sich immer noch in der Mahnphase. Die Gewährung dieser Phase begründet Gott damit, dass sie Gelegenheit bekommen, sich zu besinnen und eine Lehre aus den Mahnungen zu ziehen175. Obwohl die Stunde des Untergangs jeden Moment hereinbrechen könnte, entwickelt sich damit der Gedanke der Möglichkeit einer reuigen Umkehr, welcher den Zeitpunkt des Weltuntergangs unbemerkt aufschiebt. Der Prophet YÚnus z.B., der auf einem Schiff mit anderen Insassen Lose zog, wurde, nachdem er verlor, über Bord geworfen und von einem Fisch verschluckt, denn Gott hatte das Ziehen von Losen nicht erlaubt. YÚnus wäre im Bauch des Fisches bis zum Tag der Auferstehung verblieben, hätte er daraus seine Lehre nicht gezogen und Gott gepriesen176. Damit treten die Barmherzigkeit Gottes und seine Bereitschaft zu vergeben neben Gottes Strafen. 2.1 Die Barmherzigkeit AllÁhs Gott lässt seine Barmherzigkeit einerseits im Diesseits durch die Verteilung der Gnadengaben an alle Menschen zuteil werden177. Er sendet andererseits aber auch manchen vom rechten Weg abgeirrten Völkern Boten und übermittelt durch sie seine Botschaft. Gott beteuert seine Bereitschaft,

171 Vgl. 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 7-8; 36 YÁ SÍn 33-41; 25 al-FurqÁn 53-54; 17 al-IsrÁÿ 12; 27 an-Naml 86. 172 Vgl. 44 ad-Du¿Án 5-6; 19 Maryam 53; 67 al-Mulk 28; 21 al-AnbiyÁÿ 107. 173 Vgl. 20 ÓÁ HÁ 134; 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 208; 15 al-¼iºr 4; 43 az-Zu¿ruf 6-8, 23-25; 67 al-Mulk 8-11; 21 al-AnbiyÁÿ 25; 17 al-IsrÁÿ 15, 58. 174 Vgl. 44 ad-Du¿Án 13; 20 ÓÁ HÁ 135. 175 Vgl. 20 ÓÁ HÁ 113. 176 Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 139-148. 177 Vgl. 43 az-Zu¿ruf 32; 25 al-FurqÁn 47-51; 17 al-IsrÁÿ 66. 50

dem Menschen zu vergeben und ihn an seiner Barmherzigkeit auch im Jenseits teilhaben zu lassen, wenn dieser sich im Diesseits zur Umkehr bereit erklärt. So versuchte IbrÁhÍm z.B., seinen Vater zu bekehren178, doch dieser widersetzte sich ihm. Gott verlangt vom Menschen, dass zuerst er die Bereitschaft zur Umkehr zeigt, und ist seinerseits bereit, ihm danach zu vergeben179. Jedenfalls lässt er seine Barmherzigkeit schon im Diesseits walten, weil die Strafe im Jenseits sehr schmerzhaft sein180 und es dort für den Menschen keine Hilfe geben wird. Gnade vor Recht lässt Gott im Jenseits nicht ergehen. Gerade an diesem Tag wird man auf die Barmherzigkeit Gottes gänzlich angewiesen sein181. Am Tag des Endgerichts wird es weder Schutz noch Fürsprache geben, solange Gott es einem nicht gestattet182. Das ist der Tag, an dem jeder auf sich allein gestellt ist, da mit jedem einzeln abgerechnet wird183. Wenn es um die Bestrafung des Menschen im Jenseits geht, dann wird im Falle der Strafe eins zu eins abgemessen. Das zeigt, dass jeder die Strafe bekommt, die er verdient 184. Denjenigen aber, die im Diesseits richtig gehandelt haben, wird AllÁh im Paradies viel mehr zuteil werden lassen, als sie verdient haben185. Auch diese Aussagen über Lohn und Strafe können für die Barmherzigkeit geltend gemacht werden. Dass IbrÁhÍm, AyyÚb oder Mu½ammad ihre Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes legen und sie sogar für sich erbitten186, obwohl sie zu den Auserwählten Gottes gehören, macht deutlich, dass eigentlich niemand einen Garantieschein für das Jenseits besitzt. 2.2 Die Ablehnung der Botschaft und des Gesandten Die Auferstehung und das damit verbundene Endgericht gehören in der mittelmekkanischen Periode zum wesentlichen Teil der abgelehnten Botschaft Gottes187. Diese Nachrichten sind für die Adressaten Geschichten 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187

Vgl. 19 Maryam 43-45. Vgl. 27 an-Naml 11; 20 ÓÁ HÁ 122. Vgl. 15 al-¼iºr 49-50. Vgl. 44 ad-Du¿Án 40-42. Vgl. 44 ad-Du¿Án 41-42; 20 ÓÁ HÁ 109; 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 100-101; 19 Maryam 8687; 36 YÁ SÍn 23; 43 az-Zu¿ruf 86; 21 al-AnbiyÁÿ 28; 18 al-Kahf 43. Vgl. 19 Maryam 95. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 38-39; 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 209; 36 YÁ SÍn 54; 23 al-MuÿminÚn 102103; 21 al-AnbiyÁÿ 47; 17 al-IsrÁÿ 71; 27 an-Naml 90. Vgl. 50 QÁf 35; 27 an-Naml 89. Vgl. 15 al-¼iºr 56; 21 al-AnbiyÁÿ 83-84; 23 al-MuÿminÚn 118. Vgl. 54 al-Qamar 6-8; 36 YÁ SÍn 51-53; 23 al-MuÿminÚn 99-100. 51

von früher, die ihren Vätern irgendwann mal erzählt worden sind 188. Es ist und bleibt für sie unvorstellbar, dass ihre zu Erde gewordenen Gebeine irgendwann wieder mit Leben gefüllt werden189. Was die Person Mu½ammads betrifft, so erntet er als Überbringer der Botschaft von seinen Landsleuten aus diversen Gründen scharfe Kritik und wird verspottet190. Es ist unvorstellbar für die Adressaten, dass ausgerechnet einer aus ihren Reihen als Gesandter Gottes auserwählt worden ist191. Sie bezichtigen ihn der Lüge, Besessenheit, Dichterei und Zauberei. Darüber hinaus lehnen sie Mu½ammad ab, weil er nicht aus der führenden Schicht der Gesellschaft kommt und keine wirtschaftlich hohe Stellung hat192. Um seinen Standpunkt akzeptieren zu können, verlangen sie von ihm, dass er Wunder wirkt, wie es bei Gesandten ihrer Ansicht nach üblich sei193. Doch dieser Wunsch ist aus Gottes Sicht ein Vorwand und wird von ihm abgelehnt, weil das den früheren Völkern, wie sie es eigentlich wissen, auch nichts gebracht hat. Aber Gott sind ihre Ausreden schon längst bekannt, da bis jetzt alle seine Gesandten derselben Verleumdungen bezichtigt wurden. In SÚra 54 al-Qamar wird u.a. ausführlich darüber berichtet. Zeiten, in denen Wunder geschehen wie die Verwandlung eines Stabs in eine Schlange, sind vorbei. Die Herausforderung an die Adressaten ist, dass sie an Gott allein und an seine Botschaft ohne irgendwelche visuellen Wundertaten glauben. Außerdem meint Gott, dass sie in ihrer ablehnenden Haltung nicht mal in der Lage wären, ein Wunder zu erkennen: Wenn wir ihnen ein Tor im Himmel öffnen würden und sie (gen Himmel) aufsteigen könnten, (selbst dann) hätten sie gesagt: Wir sind hinters Licht geführt, nein, wir sind einem Zauber verfallen. 15 al-¼iºr 14-15 Dabei sind Gesandte schon immer nur Menschen gewesen, die Gottes Botschaft nur zu überbringen hatten194. Deshalb unterscheidet sich Mu½am188 Vgl. 23 al-MuÿminÚn 83. 189 Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 16-21; 19 Maryam 66-67; 36 YÁ SÍn 12; 23 al-MuÿminÚn 3537, 82-83; 17 al-IsrÁÿ 49, 98; 27 an-Naml 67. 190 Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 12-14; 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 6; 15 al-¼iºr 95; 38 ÆÁd 16; 23 al-MuÿminÚn 110; 21 al-AnbiyÁÿ 36; 25 al-FurqÁn 41. 191 Vgl. 50 QÁf 2; 38 ÆÁd 4. 192 Vgl. 19 Maryam 73. 193 Vgl. 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 154; 15 al-¼iºr 7; 43 az-Zu¿ruf 53; 21 al-AnbiyÁÿ 5; 25 alFurqÁn 7, 21; 17 al-IsrÁÿ 90-94. 194 Vgl. 21 al-AnbiyÁÿ 7-8. 52

mad von denen prinzipiell nicht. Dennoch gehen die Adressaten soweit, dass sie mit ihren Aussagen den Untergang heraufbeschwören, ja sogar schier verlangen195. Genau dieses Verhalten hat frühere Völker in ihr Verderben geführt. Daher sollten sie es nicht darauf ankommen lassen, sich mit Gott anzulegen.

3. AllÁh in richterlicher Funktion in der spätmekkanischen Periode Die seit Anbeginn der Offenbarung verfolgte Linie, dass AllÁh nach der Auferstehung Richter über alle Menschen sein wird, ändert sich auch in dieser Periode nicht. Szenen, die den Weltuntergang schildern, kommen jedoch nur noch vereinzelt vor und leiten meist die Auferstehung und/oder das Endgericht ein196. Die Gründe, warum und wie AllÁh über die Menschen urteilen wird, werden weiterhin unermüdlich dargelegt. Nach wie vor gibt es die Gruppe, die sich im Diesseits Gott ergeben verhält. Ihr gegenüber drückt AllÁh stets seine Zufriedenheit und sein Wohlwollen aus. AllÁh vergibt ihr die eine oder andere kleine Sünde noch im Diesseits. Ihr Ausgang wird im Jenseits das Paradies sein, das sie ohne Abrechnung betreten wird197. Dort wird diese Gruppe mehrfach belohnt198 und sie braucht sich nicht mehr zu fürchten, weil sie ewig im Paradies bleiben wird199. Jene Menschen, die sich AllÁh gegenüber immer noch aufsässig und undankbar verhalten, sind ihm, solange sie ihr Verhalten nicht bereuen, zuwider. Spätestens im Jenseits wird er mit ihnen einzeln abrechnen und ihr Ausgang wird die Hölle sein, der sie nie wieder entkommen200. Beim Endgericht wird niemandem Unrecht zustoßen201. Man wird nur für das, was man getan hat, bestraft. Keiner wird die Last eines anderen tragen, sondern jeder ist für sich verantwortlich202. Noch hat der Mensch die Wahl zu entscheiden, welchen Weg er gehen möchte. Er befindet sich immer noch in der sogenannten Mahnphase203. Gott ist immer noch bereit, 195 196 197 198 199 200 201 202 203

Vgl. 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 187; 67 al-Mulk 25; 21 al-AnbiyÁÿ 38; 27 an-Naml 71. Vgl. 39 az-Zumar 68-69. Vgl. 39 az-Zumar 10. Vgl. 28 al-QaÈaÈ 84; 10 YÚnus 26. Vgl. 7 al-AþrÁf 42. Vgl. 39 az-Zumar 39-41. Vgl. 45 al-¹ÁÝiya 22, 28; 46 al-A½qÁf 19. Vgl. 16 an-Na½l 111; 40 ³Áfir 17; 39 az-Zumar 70; 42 aÊ-ÉÚrÁ 17; 7 al-AþrÁf 8-9. Vgl. 42 aÊ-ÉÚrÁ 20-21. 53

alle vorangegangenen Fehler zu verzeihen, wenn er bereut und umkehrt. Denn mit dem plötzlichen Eintritt der verheißenen Stunde204 wird es nicht mehr möglich sein, umzukehren und zu bereuen205. Dieser Tag ist jedoch so schrecklich und grauenvoll, dass man sich seine Herbeiführung eigentlich nicht wünschen sollte. Sogar die Engel bitten, dass AllÁh dem Menschen vorher schon vergebe206. In dem Moment der Stunde wird ihm klar werden, was auf ihn zukommt. Wenn nun Reue und die Stunde auf denselben Augenblick zusammenfallen, wird keine Vergebung stattfinden. Denn der Eintritt der Stunde bedeutet, dass bis dahin alles Mögliche getan wurde, um den Menschen zur Umkehr zu bewegen. Das Verhalten früherer Völker, Gleichnisse, Dialoge der Paradies- und Höllenbewohner, Paradies- und Höllendarstellungen, Paradieswonnen und Höllenqualen sollen als Mahnbeispiele die Menschen schon im Diesseits zur Umkehr bewegen207. Um den schlimmen Ausgang zu vermeiden, soll der Mensch die Stunde der Gunst im Diesseits nutzen und sich der von AllÁh verlangten Lebensweise zuwenden. Denn diese allein entspricht auch der natürlichen Veranlagung (FiÔra) des Menschen und erfüllt sich, wenn er die religiösen und sozialen Komponenten des Dienens einhält: (O Mu½ammad) Richte dein Antlitz auf die Lebensweise (Religion) eines ¼anÍfen (einem Gottsuchenden). (Diese Lebensweise) entspricht der Natur der Erschaffung des Menschen. In der Schöpfweise AllÁhs gibt es keine Veränderung. Dies ist die (einzig) richtige Lebensweise, doch die meisten Menschen wissen es nicht. Wendet euch zu ihm, indem ihr ihn fürchtet, das Gebet verrichtet und nicht zu denen gehört, deren Religion (in Lager) gespalten ist, wobei jedes Lager froh darüber ist, was es besitzt; (gehört also nicht zu) den Beigesellern. 30 ar-RÚm 30-32 Im Verhalten Gottes hat es demnach nie eine Veränderung gegeben. Es ist nur der Mensch, der sich dessen nicht bewusst ist. Daher wird auf die ursprüngliche Art seiner Erschaffung hingewiesen, die so angelegt ist, dass 204 Vgl. 45 al-¹ÁÝiya 32-35; 40 ³Áfir 59; 31 LuqmÁn 33; 42 aÊ-ÉÚrÁ 18; 10 YÚnus 48-51; 34 Sabaÿ 3, 29-30; 6 al-AnþÁm 31, 57-58. 205 Vgl. 32 as-Saºda 12-14; 16 an-Na½l 84-85; 30 ar-RÚm 57; 40 ³Áfir 11; 34 Sabaÿ 31-33; 6 al-AnþÁm 27-28. 206 Vgl. 40 ³Áfir 7-9; 42 aÊ-ÉÚrÁ 5. 207 Vgl. 41 FuÈÈilat 19-22; 11 HÚd 96-100; 14 IbrÁhÍm 21-22, 48-51; 40 ³Áfir 47-52; 39 az-Zumar 16, 68-74; 10 YÚnus 45, 52-53; 34 Sabaÿ 24-27; 35 FÁÔir 33-37; 7 al-AþrÁf 38-39, 43-51; 13 ar-Raþd 23-25, 35. 54

sie eigentlich Gottes bedarf. Diese von Vielgötterei und Ablehnung freie Lebensweise bedeutet die Hinwendung zu dem einen Gott, wonach die ¼anÍfen (Gottsuchenden) damals strebten. Diese Haltung signalisiert aber auch, dass die in der frühmekkanischen Periode angesetzten Konturen einer werdenden Gemeinde in der spätmekkanischen eine definierbare Gestalt angenommen haben. Der unmittelbare Eintritt des Weltuntergangs rückt damit weiter in die Ferne. Aber der Tod des Menschen im Einzelnen bleibt quasi als Garant des Untergangs zurück und hält die Aussagen über das Jenseits weiterhin aktuell.

4. AllÁh in richterlicher Funktion in der medinensischen Periode Auch wenn AllÁh in der medinensischen Periode in seiner richterlichen Funktion über jenseitige Aussagen nicht so in den Vordergrund tritt wie in der ganzen mekkanischen, bleiben dennoch alle bisher angesprochenen Themenbereiche erhalten. Die Apokalypse wird in jedem Fall eintreffen und anschließend findet die Auferstehung statt208. Die Stunde des Weltuntergangs ist als großes Beben beschrieben, die jedem logisches Denken abverlangt209. Wann diese Stunde genau eintrifft, wird von AllÁh weiterhin nicht preisgegeben210. Gott sagt aber auch, dass die Vernichtung der ablehnenden Adressaten, solange Mu½ammad unter ihnen weilt, nicht eintreten wird211. Wenn sie jedoch eintrifft, wird es keine Möglichkeit mehr geben, zu bereuen oder umzukehren212. Nach der Auferstehung tritt das Endgericht ein. Da wird jeder über seine schon längst vergessenen Taten in Kenntnis gesetzt213. Menschen, die sich im Diesseits AllÁh und dem Gesandten widersetzten214, AllÁhs Zeichen leugneten215, sich dem Gesandten gegenüber unloyal verhielten, über AllÁh bodenlose Vermutungen anstellten216 etc., werden im Jenseits aufs Schlimmste bestraft, während Menschen, die ihren Herrn fürchteten217 und so, wie er es ihnen vorschrieb, 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217

Vgl. 4 an-NisÁÿ 87; 22 ¼aºº 7. Vgl. 22 ¼aºº 1-2. Vgl. 33 al-A½zÁb 63. Vgl. 8 al-AnfÁl 32-33. Vgl. 2 al-Baqara 167; 47 Mu½ammad 18; 33 al-A½zÁb 64-68. Vgl. 58 al-MuºÁdila 6. Vgl. 58 al-MuºÁdila 5. Vgl. 4 an-NisÁÿ 56. Vgl. 22 ¼aºº 8-9. Vgl. 47 Mu½ammad 15. 55

glaubten und gute Werke taten, belohnt werden218. Unrecht wird niemandem angetan219. AllÁhs jenseitige richterliche Funktion findet zwar in der medinensischen Periode weniger Erwähnung, umso mehr jedoch die diesseitige. Was die medinensische Periode von der mekkanischen unterscheidet, ist, dass sich die Lebenssituation Mu½ammads und seiner Anhänger in Medina völlig verändert hat. Es gibt hier neben den ausgewanderten und sesshaften Anhängern Mu½ammads mehrere Adressaten, die sowohl aufgrund ihrer unterschiedlichen Handlungen, aber auch aufgrund ihres Glaubens, wie die aufsässigen Adressaten in Mekka, meist in die Kritik AllÁhs geraten. Pure Eintracht herrscht jedoch auch nicht zwischen allen Anhängern Mu½ammads. Immer wieder werden von AllÁh neue Regeln und Anordnungen aufgestellt, die neben dem ohnehin schon schweren Nebeneinander mit den Gegnern auch ein funktionierendes Miteinander ermöglichen soll. Alle diese Zustände wirken sich teilweise sehr radikal auf die Offenbarung aus. Wichtig ist festzuhalten, dass es bei der Betrachtung der über die unterschiedlichen Adressaten handelnden Verse für die neu entstandene Glaubensgemeinschaft zunächst auf die Frage ankommt, wer aus AllÁhs Sicht in seinem Glauben und Handeln ehrlich ist und Mu½ammad in dieser schwierigen Zeit die Treue hält. Es würde den Rahmen der Arbeit zu sehr beanspruchen, wenn auf jede Gruppe im Einzelnen eingegangen werden sollte. Einige Beispiele sollten genügen, um ein Bild von AllÁhs diesseitiger richterlicher Funktion gegenüber einigen der Adressaten zu bekommen. 4.1 Mu½ammad und seine Anhänger Was in dieser Periode für Mu½ammad und seine Anhänger sehr stark im Vordergrund steht, sind die allmählich erweiterten und neu eingeführten rechtlichen Anordnungen und Empfehlungen, die die neu entstandene Gemeinde betreffen. Sie sind im Diesseits einzuhalten und ihre Einhaltung wird sich auf das Leben im Jenseits auswirken. Sie können als die Ausweitung und/oder Präzisierung der religiösen und sozialen Komponenten des Dienens betrachtet werden und erstrecken sich über die gesamte Periode220. AllÁh gebietet den Anhängern Mu½ammads ständig, dass sie sich an 218 Vgl. 47 Mu½ammad 12; 4 an-NisÁÿ 57-59, 122; 22 ¼aºº 14, 23-24. 219 Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 25. 220 Vgl. 2 al-Baqara 168, 172-173, 178-185, 187-189, 196-203, 215, 219-242, 254, 56

die Anordnungen halten und dem Gesandten gehorchen sollen221. Besonders gegenüber den Anhängern Mu½ammads zeichnet sich dadurch ein vielfältiges Gottesbild ab. Es ist manchmal sehr sachlich, manchmal aber auch sehr einfühlsam und fürsorglich. Es geht auch teilweise ins Bedrohliche und Furchterregende über. Ganz besonders in Angelegenheiten der zwischenmenschlichen Beziehungen, wenn es sich um sozial Benachteiligte oder ehe- und familienrechtliche Probleme handelt, geht AllÁh in den Anordnungen bis in die Details hinein222. Sie werden gewarnt, nicht auf äußere Einflüsse einzugehen223. Wenn es darauf ankommt, müssen sie, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen, auf ihr Vermögen verzichten oder sogar ihr Leben riskieren können224. Ein Lippenbekenntnis reicht ebenfalls nicht aus225. Dass sie aufgrund menschlicher Schwächen manchmal sogar schwerwiegende Fehler begehen, kann AllÁh ihnen vergeben, wenn keine gezielte Absicht in ihrem Verhalten verborgen ist und sie einige Voraussetzungen erfüllen, vor allem aber wirklich bereuen226. In den Aussagen gegenüber den Anhängern Mu½ammads wird außerdem ersichtlich, dass AllÁh ihnen gegenüber immer wohlwollend gewesen ist227 und niemanden über seine Kraft hinaus verantwortlich macht228. Für die Anhänger Mu½ammads reicht es dennoch nicht mehr aus, dass sie sich nur an die erweiterten und präzisierten religiösen und sozialen Komponenten des Dienens halten229. Sie sollen nunmehr eine Gemeinde bilden, die zum Guten aufruft, das Gute gebietet und das Schlechte verbietet230. Mit dieser

221 222 223 224 225 226 227 228 229 230

267, 270-276, 280-281; 8 al-AnfÁl 41; 3 Àl-i þImrÁn 130; 4 an-NisÁÿ 15-25, 3238, 43, 58, 85-86, 92-94, 101-104, 135-137, 176; 65 aÔ-ÓalÁq 1-7; 59 al-¼aÊr 7-9; 33 al-A½zÁb 4-5, 49-55, 59; 24 an-NÚr 2-9, 26-33; 22 ¼aºº 31-38; 60 al-Mumta½ana 10-12; 49 al-¼uºurÁt 9-12; 9 at-Tauba 60; 5 al-MÁÿida 1-8, 38-39, 87-96, 103-108. Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 131-132; 4 an-NisÁÿ 13-14, 59; 33 al-A½zÁb 36; 5 al-MÁÿida 92. Vgl. 2 al-Baqara 226, 240-241, 237, 282-283; 4 an-NisÁÿ 2-12, 127-130; 24 anNÚr 58-61; 58 al-MuºÁdila 1-4. Vgl. 2 al-Baqara 268-269; 5 al-MÁÿida 91. Vgl. 2 al-Baqara 190-193, 216-217; 57 al-¼adÍd 10; 22 ¼aºº 39-40; 49 al¼uºurÁt 15. Vgl. 49 al-¼uºurÁt 14. Vgl. 2 al-Baqara 225; 3 Àl-i þImrÁn 135; 9 at-Tauba 102-105, 117-119. Vgl. 8 al-AnfÁl 26, 63; 3 Àl-i þImrÁn 103. Vgl. 9 at-Tauba 90-92. Vgl. 65 aÔ-ÓalÁq 10-11; 58 al-MuºÁdila 22; 48 al-Fat½ 29. Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 104, 110; 22 ¼aºº 41; 9 at-Tauba 71. 57

Anweisung weitet sich die Bedeutung des Dienens noch mehr aus. Es reicht nicht mehr aus, dass ein jeder, der sich für diese Art der Lebensweise entscheidet, nur das tut, was ihm vorgeschrieben wird. Es ist nicht mehr allein der Gesandte, der ein Musterverhalten darstellt, sondern ein jeder in der Gemeinde231. Darüber hinaus gibt es Anweisungen, Empfehlungen und manchmal auch Mahnungen, die die Beziehung der Anhänger zu Mu½ammad, aber auch der eigenen Familienmitglieder Mu½ammads und Angelegenheiten, die nur Mu½ammad betreffen, regeln232. Neben neuen Herausforderungen und Problemen einer gerade gewordenen Gemeinde weisen die Verse auch stark auf die außerordentliche Stellung des Gesandten und seiner Familie hin233. 4.2 Die Heuchler AllÁhs Bereitschaft, Fehler zu vergeben, und seine Nähe zu den Anhängern Mu½ammads ist in manchen Versen unverkennbar234. Genau umgekehrt verhält es sich mit den Heuchlern. Diese machen den Eindruck, treue Anhänger Mu½ammads zu sein, glauben und handeln aber in Wirklichkeit genau umgekehrt. Ihr undurchsichtiges Verhalten hat für die Gesellschaft, besonders aber für die Gläubigen, sowohl religiöse als auch soziale Gefahren zur Folge235. Deshalb haben sich Mu½ammad und seine Anhänger von den Heuchlern fernzuhalten236. Außerdem sind sie in ihrer Verstockung in keiner Weise für den Islam zu gewinnen237. Da sie einerseits AllÁh ohnehin nicht überlisten können, legen sie sich eigentlich selbst rein. Deshalb lässt Gott sie schon im Diesseits tiefer sinken, als sie schon gesunken sind238. Andererseits führt im Jenseits kein Weg an AllÁh und am Endge-

231 Vgl. 2 al-Baqara 143. 232 Vgl. 33 al-A½zÁb 28-34, 37-39, 50-53; 24 an-NÚr 62-63; 58 al-MuºÁdila 11-13; 60 al-Mumta½ana 12-13; 49 al-¼uºurÁt 1-5; 5 al-MÁÿida 99-100. 233 Vgl. 33 al-A½zÁb 6, 56; 49 al-¼uºurÁt 7-8; 9 at-Tauba 128. 234 Vgl. 2 al-Baqara 143; 4 an-NisÁÿ 95-96, 100; 33 al-A½zÁb 35; 24 an-NÚr 10; 5 alMÁÿida 9. 235 Vgl. 2 al-Baqara 8, 11-14, 204-206; 47 Mu½ammad 20-26; 3 Àl-i þImrÁn 118120; 4 an-NisÁÿ 60-61, 72-73, 81, 138-139, 141; 59 al-¼aÊr 16; 63 al-MunÁfiqÚn 1-2, 7-8; 24 an-NÚr 47-50, 53; 58 al-MuºÁdila 14, 16; 9 at-Tauba 56-59, 61-67. 236 Vgl. 4 an-NisÁÿ 88-89; 60 al-Mumta½ana 8-9. 237 Vgl. 47 Mu½ammad 16; 4 an-NisÁÿ 64-68; 63 al-MunÁfiqÚn 3-6; 58 al-MuºÁdila 8, 19-21. 238 Vgl. 2 al-Baqara 9-10; 47 Mu½ammad 23, 27-29; 4 an-NisÁÿ 142-143; 9 at-Tauba 53-55, 69-70. 58

richt vorbei. Es gibt weder im Diesseits noch im Jenseits Hoffnung für sie. Sie werden die unterste Ebene der Hölle auf ewig belagern239. Die Auseinandersetzung der Heuchler geht soweit, dass ihrer Bekämpfung stattgegeben wird240. Dennoch räumt AllÁh ihnen die Möglichkeit einer (letzten) Reue ein und signalisiert damit auch die Möglichkeit der Vergebung241. Aber ihre eigene Unzuverlässigkeit steht ihnen im Weg, sodass AllÁh ihnen doch nicht vergibt und sie auch nicht rechtleitet242. 4.3 Juden und Christen Da die Heuchler von sich angeben, dass sie genau so wie Mu½ammad und seine Anhänger glauben, wird in der Offenbarung nicht gegen ihre Glaubensgrundsätze polemisiert. Anders verhält es sich mit den Schriftbesitzern in Medina. Besonders Juden, aber auch Christen werden an ihre Vergangenheit und ihre Glaubensgrundsätze erinnert243 und vergeblich aufgefordert, Mu½ammad und die Botschaft anzuerkennen244. Endgericht und Jenseits kommen auch für sie nach bisher bekanntem Stil in Frage, auch wenn Juden dies nicht auf sich beziehen245. Gegenüber den meisten Juden und Christen werden Mu½ammad und seine Anhänger angehalten sich von ihnen soweit es geht fernzuhalten und ihnen auf keinen Fall zu folgen246. Wie gegenüber den Heuchlern ist in der Offenbarung eine Verhärtung besonders gegenüber Juden zu erkennen, die auch zu einer kriegerischen Auseinandersetzung führt247. Zuweilen begegnet man auch Versen, die positive Ansichten gegenüber Juden und Christen vertreten248. Gottes Entscheidungen gegenüber den unterschiedlichen Adressaten sind in der medinensischen Periode, wie man sieht, sehr ambivalent. In Versen, die z.B. innere Angelegenheiten Mu½ammads und seiner Anhänger regeln, gestalten sie sich anders als in Versen, in denen es um äußere 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248

Vgl. 4 an-NisÁÿ 145; 58 al-MuºÁdila 15-18; 9 at-Tauba 68. Vgl. 4 an-NisÁÿ 90-91; 9 at-Tauba 73. Vgl. 9 at-Tauba 74. Vgl. 9 at-Tauba 75-87. Vgl. 2 al-Baqara 40, 42-47, 75-79, 135-140, 146, 211; 4 an-NisÁÿ 153-161; 5 alMÁÿida 43-45, 61-62, 64-66, 68, 77-79; 9 at-Tauba 30-31. Vgl. 6 al-AnþÁm 20; 2 al-Baqara 41, 121; 3 Àl-i þImrÁn 21-23, 60-74, 98-99, 110-112, 184; 5 al-MÁÿida 15, 18-19, 41. Vgl. 2 al-Baqara 47-48, 80; 3 Àl-i þImrÁn 24-25. Vgl. 2 al-Baqara 109, 120; 4 an-NisÁÿ 44-46; 5 al-MÁÿida 13, 42, 57. Vgl. 4 an-NisÁÿ 47, 49-55; 59 al-¼aÊr 2-6; 5 al-MÁÿida 58-60. Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 75, 113-115; 4 an-NisÁÿ 162; 5 al-MÁÿida 82-85. 59

Angelegenheiten wie z.B. die Beziehung zu Heuchlern, Juden und Christen geht. Bereits getroffene Entscheidungen werden für alle Parteien immer wieder situationsgemäß revidiert oder neu geregelt. Die Regel gestaltet sich nach der Situation. Was aus der mekkanischen Periode in der medinensischen von Gottes richterlichen Funktion erhalten bleibt, ist, dass er stets zu vergeben bereit ist, wenn jemand ein Vergehen wirklich bereut und umkehrt und dass er im Jenseits beim Endgericht absolut gerecht sein wird.

E Der allmächtige AllÁh 1. Der allmächtige AllÁh in der frühmekkanischen Periode Ein weiterer Aspekt Gottes, der mit dem Beginn der Offenbarung ins Auge springt, ist die Darstellung seiner Allmacht. AllÁh ist mit einer derartigen Macht ausgezeichnet, dass sie das Vorstellungsvermögen des Menschen übersteigt. An oberster Stelle steht zweifelsohne die Erschaffung des gesamten Kosmos. Eine besondere Betonung erhält aber die Auferstehung. Gott kann und wird den verstorbenen Menschen mühelos bis zu seinen Fingerspitzen wiedererschaffen, heißt es schon in der frühmekkanischen Periode249. Szenen oder Dialoge, die den Weltuntergang, das Endgericht, die Höllen- und Gartenbeschreibungen, sowie die Höllenstrafen und Paradiesgaben, die Schöpferkraft Gottes schildern, weisen alle demonstrativ auf dieses Vermögen Gottes hin. Die Allmacht Gottes wirkt sich auch auf die auf ihn bezogenen Bezeichnungen aus: Gott ist der edelmütigste250, allerhöchste251 und gerechteste aller Richter252. Ferner ist er erhaben und lobenswert253, verzeihend und liebevoll254, weise und wissend255, stark und unerschütterlich256, maje-

249 Vgl. 86 aÔ-ÓÁriq 8; 80 þAbasa 22; 53 an-Naºm 47; 100 al-þÀdiyÁt 9; 79 an-NÁziþÁt 10-14; 75 al-QiyÁma 1-4, 40; 83 al-MuÔaffifÍn 4-6; 56 al-WÁqiþa 47-50; 70 al-MaþÁriº 43-44. 250 Vgl. 96 al-þAlaq 3. 251 Vgl. 92 al-Layl 20; 87 al-AþlÁ 1. 252 Vgl. 95 at-TÍn 8. 253 Vgl. 85 al-BurÚº 8. 254 Vgl. 85 al-BurÚº 14. 255 Vgl. 51 aª-©ÁriyÁt 30. 256 Vgl. 51 aª-©ÁriyÁt 58. 60

stätisch und verehrungswürdig257, gewaltig258 und mächtig259. Auch ist er es, der den Menschen zum Lachen und Weinen bringt260. Gott umfasst als einzige Gottheit alle Vorstellungen, die man sich von einer Gottheit machen könnte. So ist er der Herr des Ostens und Westens 261, Herr des Thrones262, Herr der Welten263, Herr und Besitzer der Himmel und der Erde264, Besitzer des Jenseits und Diesseits265, Herr der Himmelsleiter266, Herr des Morgengrauens267, Herr, König und Gottheit der Menschen268, Herr des Sirius269. 1.1 Das Wissen AllÁhs Zu Gottes unvorstellbarem Vermögen gehört auch sein Wissen über alles. Es geht weit über das Offenkundige hinaus. Er kennt die innersten Geheimnisse und Gedanken des Menschen. Gott ist mit keiner List zu hintergehen, da er durch sein Wissen die Pläne der Widersacher seines Gesandten zunichte macht. Auch über die dem Menschen verborgenen Dinge weiß Gott Bescheid, wie zum Beispiel den Zeitpunkt des Weltuntergangs270 oder die Beschaffenheit der Engel271 und die Armee272. Sein Wissen umfasst jede noch so kleine Bewegung im Universum. 1.2 Der Wille AllÁhs Was den Willen Gottes betrifft, so ist dieser sowohl im Diesseits als auch im Jenseits uneingeschränkt273. Gott ist imstande, alles zu tun, was er

257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273

Vgl. 55 ar-Ra½mÁn 78. Vgl. 56 al-WÁqiþa 74. Vgl. 53 an-Naºm 6. Vgl. 53 an-Naºm 43. Vgl. 73 al-Muzzammil 9; 55 ar-Ra½mÁn 17. Vgl. 81 at-TakwÍr 20; 85 al-BurÚº 15. Vgl. 81 at-TakwÍr 29; 83 al-MuÔaffifÍn 6; 56 al-WÁqiþa 80. Vgl. 85 al-BurÚº 9; 51 aª-©ÁriyÁt 23; 78 an-Nabaÿ 37. Vgl. 92 al-Layl 13; 53 an-Naºm 25. Vgl. 70 al-MaþÁriº 3. Vgl. 113 al-Falaq 1. Vgl. 114 an-NÁs 1-3. Vgl. 53 an-Naºm 49. Vgl. 51 aª-©ÁriyÁt 12-13; 70 al-MaþÁriº 1-2. Vgl. 53 an-Naºm 27-28. Vgl. 74 al-MuddaÝir 31. Vgl. 74 al-MuddaÝir 31; 87 al-AþlÁ 6-7; 53 an-Naºm 26; 56 al-WÁqiþa 65, 70. 61

möchte. Der Wille des Menschen ist an den Willen Gottes gebunden274. Der Mensch kann nur dann etwas wollen, wenn AllÁh will, dass der Mensch will. So steht die Rechtleitung des Menschen ebenfalls unter Gottes Willen. Auch hat Gott ihn nach der von ihm selbst erwünschten Gestalt erschaffen275 und er wird ihn zu dem von ihm erwünschten Zeitpunkt wieder erwecken276. Gott ist es vorbehalten, diese Entscheidungen zu treffen. 1.3 Das Wirken AllÁhs Gottes Wirken in der Offenbarungszeit geschieht durch die Offenbarung, die Mu½ammad vermittelt. In dieser Botschaft werden die Adressaten weitgehend zur Vernunft und bescheidenem Verhalten angehalten. Ein zusätzlicher Akzent verdient aber in Bezug auf den Willen Gottes Erwähnung. Manche Verse machen den Eindruck, dass Gott gegenüber Mu½ammad seit dessen Kindheit eine gewisse wohlwollende Neigung zeigt. Sie äußert sich jedoch nicht dadurch, dass ihm ein außergewöhnliches Leben beschert wurde, wozu Gott nach seiner Allmacht zu urteilen eigentlich imstande wäre. Auffallend ist in diesen Versen die Art, wie Gott sein Wirken Mu½ammad in gewisser Weise vorhält oder ihm auch ganz liebevoll Mut zuspricht: Haben wir dir deine Brust nicht geweitet und abgenommen von dir deine Last, die dich erdrückte, und (haben wir nicht) dein Ansehen erhöht? Zusammen mit der Schwere ist die Erleichterung. Wahrlich, neben der Schwere ist die Erleichterung. Wenn du daher (mit einer Sache) fertig bist, dann wende dich (der nächsten) zu. Und verlange nur von deinem Herrn. 94 al-InširÁ½ 1-8 Dein Herr hat dich nicht vergessen und ist nicht Böse mit dir. Das Ende wird besser für dich sein als der Anfang. Dein Herr wird dir geben und du wirst zufrieden sein. Hat er dich nicht als Waise gefunden und dir Zuflucht gewährt. (Hat er) dich nicht im Irrtum gefunden und rechtgeleitet? (Hat er) dich nicht bedürftig gefunden und reich gemacht? 93 a±-®u½Á 3-8 Aus den Versen wird ersichtlich, dass das von Kindheit an schwere Leben des Propheten durch seine Berufung zum Gesandten nicht erleichtert werden wird. Im übertragenen Sinne nimmt Gott einen Menschen die Belas274 Vgl. 81 al-AþlÁ 29; 74 al-MuddaÝir 55-56. 275 Vgl. 82 al-InfiÔÁr 7-8. 276 Vgl. 80 þAbasa 22. 62

tungen also nicht einfach ab. Er verschont nicht einmal Gesandte damit. Gott versichert jedoch, dass sich im Leben vom ihm geschaffene Möglichkeiten ergeben. Solch eine von Gott bewirkte Möglichkeit ist, dass der Prophet, nachdem er seine Eltern verlor, von seinem Großvater großgezogen wurde. Gott beansprucht hier die Schaffung der Möglichkeit(en) für sich. Die Entscheidung, die Möglichkeit für sich in Anspruch zu nehmen, überlässt er dem Menschen. In diesem Sinne ist auch die Verteilung von Vermögen oder Nachkommen, aber auch Armut zu verstehen. Sie alle werden von Gott bewirkt; aber was der Mensch daraus macht, ist ihm überlassen. Denn Armut, Reichtum, Nachkommen etc. sind Prüfungen für den Menschen. Es kommt Gott darauf an, ob der Mensch seine Prüfung besteht oder nicht. Neben Gottes Wirken in der Gegenwart ist erwähnt, dass frühere Völker, wie die ÕamÚd und þÀd u.a. von Gott vernichtet wurden277. Diese Verse zeigen, dass Gottes Wirken auch zerstörerisch sein kann. Dem Wortlaut zufolge verfuhr Gott mit ihnen nicht gerade sanft und barmherzig. Im Gegenteil, der Herr fiel über sie (Pharao und seine Armee) her mit der Peitsche der Qual, wie es in 89 al-Faºr 13 geschildert wird. Das Wesentliche in diesen Versen bezieht sich jedoch auf die Frage, weswegen mit ihnen so widerfahren wurde. Immer sind die Gründe ihrer Vernichtung mit angegeben, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: • sie widersetzten sich den Gesandten (73 al-Muzammil 16), • sie waren ungerecht und grausam (53 an-Naºm 52), • sie leugneten die Auferstehung und das Jüngste Gericht (69 al-¼Áqqa 4), • sie sündigten maßlos und waren frevelhaft (51 aª-©ÁriyÁt 34, 46). Dass Gott mit früheren Völkern so verfuhr, liegt demnach am Verhalten des Menschen. Ebenso warnt Gott nun die Landsleute Mu½ammads. Wenn sie auf ihrer jetzigen Verhaltensweise beharren, werden sie früher oder später dasselbe Ende erleben. Gott verlangt von ihnen, dass sie den Propheten anerkennen, an die Apokalypse und die Auferstehung glauben, gerecht und vernünftig handeln. Nur dann steht der Mensch im Jenseits auf der Gewinnerseite. Es besteht für ihn dort nicht die Möglichkeit, dass er Gott werde hintergehen können, wie er es hier mit seinen Mitmenschen tut. Er wird sich auch nicht tarnen können, indem er angibt, gläubig zu

277 Vgl. 105 al-FÍl 1-5; 91 aÊ-Éams 11-15; 73 al-Muzammil 15-16; 53 an-Naºm 5054; 89 al-Faºr 6-13, 69 al-¼Áqqa 4-10; 51 aª-©ÁriyÁt 24-46. 63

sein278. Denn Gott kennt den Menschen in- und auswendig. Schließlich ist er sein Schöpfer. Außerdem ist an drei Stellen erwähnt, dass der Mensch nicht unbeaufsichtigt ist. Es gibt Wächter, die ihn beobachten und seine Taten aufzeichnen279. So kann gesagt werden, dass Gott unermessliche Fähigkeiten innewohnen, von denen er zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlicher Weise Gebrauch macht.

2. Der allmächtige AllÁh in der mittelmekkanischen Periode Gottes Allmacht ist in dieser Periode, wie in der frühmekkanischen, gekennzeichnet durch sein Vermögen, zu erschaffen und Tote wieder lebendig zu machen. Als Schöpfer des Kosmos zieht Gott es nicht vor, sich nach dem Erschaffen zurückzuziehen, sondern beansprucht auch die Herrschaft über die Schöpfung für sich. Gott ist demnach nicht nur der Schöpfer, sondern auch der Herr bzw. Herrscher über Himmel und Erde 280. Ihm gehört alles und er hat niemandem in irgendeiner Weise Rechenschaft abzulegen281. Als Schöpfer auch des Menschen ist Gottes Beziehung gerade zu ihm besonders intensiv. Er steht dem Menschen in unmittelbarer Nähe, verfügt über ihn und kennt seine Stärken und Schwächen am besten: Wir erschufen den Menschen und wir wissen, was er sich selbst einflüstert. Wir sind ihm (ja) näher als seine Halsschlagader. 50 QÁf 16 Die Allmacht Gottes kommt, wie bereits erwähnt, in dieser Periode hauptsächlich in seiner Schöpferkraft zum Ausdruck. Firþaun, dem die Herrschaft über Ägypten schon genügt282, zu erlauben, sich als eine Gottheit zu betrachten283, übernimmt sich in seinem Verhalten eindeutig. Derartige Anmaßungen wird AllÁh mit der Hölle vergelten284. Es ist und bleibt der Mensch, der die Schwierigkeit damit hat, die Allmacht Gottes anzuerkennen. Es ist sein Übermut, der ihn seine Kreatürlichkeit vergessen lässt:

278 279 280 281 282 283 284 64

Vgl. 87 al-AþlÁ 7; 68 al-Qalam 7. Vgl. 86 aÔ-ÓÁriq 4; 82 al-InfiÔÁr 10-12; 75 al-QiyÁma 36. Vgl. 44 ad-Du¿Án 7; 20 ÓÁ HÁ 6; 38 ÆÁd 66; 43 az-Zu¿ruf 85; 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 24. Vgl. 21 al-AnbiyÁÿ 19, 23. Vgl. 43 az-Zu¿ruf 51. Vgl. 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 29. Vgl. 21 al-AnbiyÁÿ 29.

Die sieben Himmel, die Erde und wer darin ist, preisen ihn. Es gibt nichts, das ihn in Lob nicht verherrlicht. Ihr (Menschen) versteht deren Lob nicht. Wahrlich, er (AllÁh) ist milde und barmherzig. 17 al-IsrÁÿ 44 So übermächtig wie Gott ist, kommt er manchmal in der Metapher eines Königs vor285, dessen Herrschaftsbereich der gesamte Kosmos ist. Er besitzt einen Thron wie alle Herrscher und hat keine Teilhaber, wie es nicht üblich ist, dass zwei Könige ein Land regieren. Sonst würde die Herrschaft in Zwietracht verfallen286. Ganz im Sinne eines Königs verfügt Gott über einen Generalstab (al-Malaÿi ÿl-AþlÁ)287, einen vertrauenswürdigen Geist (ar-RÚ½u ÿl-AmÍn)288 als Offenbarungsträger und weitere Bedienstete wie Engel (al-MalÁÿika)289. Sie alle führen die Befehle Gottes aus und sind sich ihrer Kreatürlichkeit bewusst290. 2.1 Der Wille AllÁhs Wenn wir eine Ortschaft vernichten wollen, befehlen wir den darin in Wohlstand Lebenden, dass sie dort freveln. Damit erfüllt sich das Wort gegen sie und wir machen den Ort dem Boden gleich. 17 al-IsrÁÿ 16291 In dieser Periode häufen sich Aussagen darüber, dass Gott, wenn er es gewollt hätte, Mu½ammads Gegner rechtgeleitet hätte oder, wie oben zitiert, dass er ein Volk nach Gutdünken vernichten würde. Derartige Verse, die auf den uneingeschränkten Willen Gottes hinweisen, kommen vereinzelt schon in der frühmekkanischen Periode vor. Sie machen den Eindruck, als würden sie mit der Entscheidungsfreiheit des Menschen im Widerspruch stehen. Einerseits soll der Mensch sich mit Hilfe der Botschaft freiwillig und mit Überzeugung auf den rechten Weg begeben, wohingegen andererseits Gott betont, dass er die Menschen freveln lässt, ihnen Satane beigesellt, die sie noch tiefer verführen, oder sie nach Gutdünken belohnt oder

285 286 287 288 289 290 291

Vgl. 23 al-MuÿminÚn 116. Vgl. 21 al-AnbiyÁÿ 21-22. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 8; 38 ÆÁd 69. Vgl. 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 193; 19 Maryam 17. Vgl. 25 al-FurqÁn 25. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 22; 19 Maryam 64; 21 al-AnbiyÁÿ 19-20; 15 al-¼iºr 8. Vgl. 76 al-InsÁn 30-31; 17 al-IsrÁÿ 54, 97. 65

bestraft. Jedenfalls ist AllÁh niemandem Rechenschaft schuldig292. Entsprechend äußern sich auch die Adressaten über den Willen Gottes: Diejenigen, die (AllÁh) andere Gottheiten beigesellen, sagten (zu dir): Wenn AllÁh gewollt hätte, hätten wir und unsere Vorväter nichts anderem gedient als (nur) ihm. Und wir hätten nichts für heilig gehalten außer ihm. Genau so handelten auch diejenigen vor ihnen. Ist die Aufgabe der Gesandten denn etwas anderes als die deutliche Mitteilung? 16 an-Na½l 35293 Oder sie sagen: Sollen wir jemanden versorgen, den AllÁh, wenn er wollte, versorgen könnte? Wahrlich ihr befindet euch im deutlichen Irrtum. 36 YÁ SÍn 47 Was den Willen Gottes betrifft, der den Menschen mit Absicht in die Irre zu führen scheint, so entsteht er zunächst aus der freiwilligen Verweigerung des Menschen. Sobald dieser, wenn er über Gottes Einsheit, über das Jenseits, die Auferstehung, das Endgericht unterrichtet wird, den Rücken kehrt, sich die Finger in die Ohren steckt oder sein Gewand über den Kopf zieht294 und die Botschaft Gottes von vornherein ablehnt, dann ergibt sich keine Basis für die Möglichkeit der Überzeugung. Die Botschaft kann keine Wirkung zeigen, wenn man von Anfang an auf der ablehnenden Haltung besteht295. Und genau dann setzt Gottes Wille ein: Wer blind dafür ist, des Herrn zu gedenken, dem senden wir einen Kumpanen (wörtl. Satan), der sich ihm dann zugesellt. Sie halten sich (gegenseitig) vom Weg ab und glauben dabei, auf dem rechten Weg zu sein. 43 az-Zu¿ruf 36-37296 Die Verehrung von anderen Gottheiten begründen die Adressaten damit, dass sie die Tradition ihrer Väter fortsetzten297. In dem Sinne wird zugegeben, dass ihre Väter nicht gewarnt wurden und sie daher deren Irrtum fort292 293 294 295

Vgl. 21 al-AnbiyÁÿ 23. Vgl. 43 az-Zu¿ruf 20. Vgl. 71 NÚ½ 7. Vgl. 36 YÁ SÍn 7-11; 21 al-AnbiyÁÿ 45; 17 al-IsrÁÿ 45-47; 27 an-Naml 80-81; 18 al-Kahf 57. 296 Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 22-32; 50 QÁf 21-27. 297 Vgl. 43 az-Zu¿ruf 22. Im übertr. Sinn auch 21 al-AnbiyÁÿ 52-53. 66

setzten298. Aber viel früher kamen Gesandte mit Gottes Botschaft, die ebenfalls abgelehnt wurden, woraufhin Gott sie vernichtete. Weil sie die Geschichten von früher kennen, ist es daher für Gott kein Argument, dass sie sich auf die Tradition ihrer Ahnen stützen. Sie sollten aus deren tragischem Ende eine Lehre ziehen, bevor es zu spät ist299. 2.2 Das Wirken AllÁhs Das Wirken Gottes in der Offenbarungszeit ist weiterhin auf die Sendung der Offenbarung beschränkt. Aber die zusätzliche Komponente im Wirken Gottes, die Möglichkeiten in Aussicht stellt, findet in dieser Periode in der Kindheit von MÚsÁ Erwähnung. Durch Gottes wohlwollende Neigung hat er den Weg zu seiner Mutter wieder zurückgefunden, nachdem er von ihr (durch Gottes Eingebung) in einem Kasten im Wasser ausgesetzt wurde und überlebte300. Daher soll Mu½ammad sich auf jeden Fall gedulden, standhaft bleiben und die Erlebnisse der früheren Gesandten gedenken301. Die Möglichkeiten werden sich für ihn ergeben; so redet Gott auf ihn zuversichtlich ein und spendet ihm Trost302. Die Tatsache, dass Mu½ammad als Überbringer der Botschaft Gottes von einigen Menschen abgelehnt und der Lüge bezichtigt wird, hat zur Folge, dass Gott in dieser Periode sehr oft in die Vergangenheit blickt. Allen früheren Gesandten ist mehr oder minder dasselbe widerfahren, was Mu½ammad gerade durchlebt. Daher kann gesagt werden, dass die Geschichten zweierlei Funktionen erfüllen. Einerseits dienen sie als Trost für den Gesandten, den der Widerstand der Mekkaner offenbar ziemlich mitnimmt303. Andererseits sollen die Leute zum Nachdenken bewegt werden304. Die früheren Völker, zu denen Gott Gesandte schickte, zeigten unter Umständen dasselbe a-soziale und a-religiöse Verhalten wie die Adressaten jetzt. Aufgrund ihres Verhaltens hat Gott sie durch eine von ihm bewirkte Katastrophe vernichtet. Sowohl die Ruinen305, die sie nun hinterlassen haben, als auch die früheren Nachrichten bezeugen dies und sollen da298 299 300 301 302 303 304 305

Vgl. 36 YÁ SÍn 6. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 69-74. Vgl. 20 ÓÁ HÁ 37-41. Vgl. 38 ÆÁd 17. Vgl. 37 aÈ-ÆÁffÁt 178-179; 43 az-Zu¿ruf 43. Vgl. 38 ÆÁd 12-48; 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 3; 15 al-¼iºr 88, 97; 18 al-Kahf 6. Vgl. SÚra 54. Vgl. 20 ÓÁ HÁ 128. 67

her als Lehre und Ermahnung gelten. Gottes Drohung, ein Volk zu vernichten, wird demnach dann in die Tat umgesetzt, wenn der Mensch in seiner Verstockung verharrt und von seiner Sturheit nicht ablässt. Sobald die von Gott zur Umkehr bestimmte Frist abgelaufen ist, wird Gottes vernichtendes Wirken in die Tat umgesetzt. In diesem Zusammenhang ist der Satan zu erwähnen, der, nachdem er aus dem Garten vertrieben wurde, von Gott die Erlaubnis erbittet, bis zum Tag der Auferstehung die Menschen verführen zu dürfen. Gott gewährt ihm zwar diesen Wunsch, doch er ist fest davon überzeugt, dass die Schmeicheleien und Zuflüsterungen des Satans seine standhaften Knechte nicht beeinflussen können306. Ebenso weiß der Satan, dass er diese vom rechten Weg nicht abbringen kann. Deshalb beschränkt er sich in seinen Aussagen auf jene, die ihren Begierden schon verfallen sind307. In dem Sinne spielt es keine Rolle, ob der verstockte Mensch nunmehr von Gleichgesinnten oder durch die Einflüsterungen des Satans in noch tiefere Verirrung sinkt. Im Gegenzug dazu gibt es Menschen, die sich zwar auch auf dem falschen Weg befinden, aber nicht von vornherein verstockt sind wie manch andere. Die Geschichte über SulaymÁn und einer Herrscherin in SÚra 27 an-Naml 17-44 bildet hierfür ein hervorragendes Beispiel: Ein Spitzel SulaymÁns, der Wiedehopf, bringt die Kunde über ein sonnenanbetendes Volk, das von einer Herrscherin, der Königin von Saba, regiert wird. Der Satan hat sie zudem in ihrem Irrtum bestärkt und sie vom Weg abgehalten. Daraufhin beschließt SulaymÁn, die Herrscherin zur Umkehr einzuladen, und sendet ihr einen Brief mit dem Aufruf: Im Namen AllÁhs, des Barmherzigen, des Erbarmers Seid mir gegenüber nicht aufsässig und kommt als Ergebene! SulaymÁn Nachdem sich die Herrscherin mit ihrem Regierungsstab beraten hat, beschließt sie, die Angelegenheit zunächst ohne eine kriegerische Auseinandersetzung zu klären. Als dieser Versuch scheitert, macht sie sich auf den Weg zu SulaymÁns Reich. Noch bevor sie antrifft, lässt SulaymÁn – durch Gottes ihm zugeteilte Gnadengabe – heimlich ihren sagenhaften Thron herbeiholen und umgestalten. Sein Ziel besteht darin, der Herrscherin die Erhabenheit Gottes unter Beweis zu stellen. Auf SulaymÁns Anfrage 306 Vgl. 15 al-¼iºr 41-43. 307 Vgl. 38 ÆÁd 77-85; 15 al-¼iºr 39-40. 68

meint die Herrscherin, ihren Thron erkennen zu können, und erinnert sich vage an eine Kunde von früher. Ihr Volk hat sich offensichtlich damals von dieser Kunde abgewandt, sodass auch sie, nachdem sie in diese Gesellschaft hineingeboren wurde, diesen Irrweg auch als Herrscherin weiterhin fortsetzte. Als nächstes wird sie aufgefordert, in das Schloss SulaymÁns einzutreten. Sie zieht im Glauben, Wasser vor sich zu haben, ihr Kleid hoch. Daraufhin erklärt ihr SulaymÁn, dass es poliertes Glas sei, welches anscheinend bei ihr den Eindruck von Wasser erweckte. Dies gibt ihr den letzten Anstoß, sich endgültig AllÁh, dem Herrn der Welten, in Reue zu ergeben. Aus dem Verhalten der Herrscherin ergibt sich das für Gott wichtige Grundverhalten: Die Königin von Saba lehnt den Aufruf SulaymÁns nicht sofort ab. Sie versucht ihn zuerst zu umgehen. Da SulaymÁn jedoch zu Gottes standhaften und weisen Knechten gehört, lässt er sich durch den Versuch der Herrscherin nicht bestechen. Die Kunde von früher weist die Herrscherin aber auch nicht als längst vergangene Geschichte ab. Die SulaymÁn zuteil gewordene Gnadengabe, den Boden seines Schlosses aus Glas verlegen zu lassen, versteht sie als ein Zeichen der Erhabenheit Gottes, wird sich ihres Fehlers bewusst und ergibt sich dann in Demut und Reue. Dieses Verhaltensmuster der Herrscherin erwartet Gott von den Landsleuten Mu½ammads. Aus den Geschichten über DÁwÚd, Àdam und IblÍs, YÚnÚs u.a. sind ähnliche Lehren zu ziehen308. Aus den Lebensabschnitten früherer Propheten ergibt sich, dass Gott nicht nur der Schöpfer des Menschen ist, sondern auch seine Beziehung zu ihm bestimmt, die gewissen ethischen Prinzipien unterliegt. Gott vertritt in dieser Beziehung eine bestimmte Position und hat sein Verhalten in der (Ur-)Vergangenheit bestimmt. Sein Umgang mit früheren Völkern unterliegt dem von ihm bestimmten Verhalten. Dieses Verhalten hat er bei einigen Völkern angewandt, wenn die Bedingungen dieses Verhalten erforderten. In ihrem religiösen als auch sozialen Verhalten stehen die ablehnenden Adressaten jetzt eindeutig auf der falschen Seite. Daher die Ermahnung Gottes an sie, dass seine Gesetzmäßigkeit auch sie treffen wird309. Gott besitzt das Vermögen, seine zerstörerische Seite zu jeder Zeit geltend zu machen. Nach den Prophetengeschichten kann von einem absolut will-

308 Vgl. DÁwÚd: 38 ÆÁd 21-28. Àdam und IblÍs: 20 ÓÁ HÁ 115-123. YÚnus: 37 aÈÆÁffÁt 139-148; 21 al-AnbiyÁÿ 87-88. 309 Vgl. 15 al-¼iºr 13; 18 al-Kahf 55. 69

kürlichen Verhalten Gottes jedoch auch nicht gesprochen werden. Die Frage ist hier, inwiefern Gott von seinem Willen Gebrauch macht. Bei den Verstockten und Sturen setzt Gott seinen Willen insofern ein, dass er sie noch mehr irren lässt. Von außergewöhnlichen Verhaltensweisen ist Gott überaus beeindruckt und erweist sich demgegenüber als besonders großzügig. Von denen, die irgendwo dazwischen sind, erwartet Gott, dass sie zunächst ihre Fehler erkennen und in Reue umkehren. Doch damit ist es noch nicht getan, denn der Reue hat der Glaube zu folgen, der zum wesentlichen Bestandteil der Standhaftigkeit gehört. Erst nach diesem Prozess, den der Mensch aus eigener Überzeugung und freiwillig zu leisten hat, erklärt sich Gott bereit, zu vergeben310.

3. Der allmächtige AllÁh in der spätmekkanischen Periode Die Hervorhebung der Allmacht AllÁhs setzt sich in dieser Periode ohne nachzulassen fort. Dieses Vermögen ist nach wie vor hauptsächlich in Gottes Schöpferkraft begründet. Als einziger Schöpfer und Besitzer kennt Gott den Kosmos am besten und weiß Bescheid, was sich darin abspielt311. Kein Blatt bewegt sich ohne sein Wissen und nichts entgeht seiner Aufmerksamkeit312. Genau so ist im engeren Sinne seine Beziehung zum Menschen geregelt. Über jede Kleinigkeit, die der Mensch denkt, besitzt AllÁh Kenntnis313. Sein Wissen reicht weit über das uns Verborgene im Himmel und auf Erden hinaus314 und der Mensch wird darüber nur soweit wie nötig in Kenntnis gesetzt. Dazu gehören Informationen über die Engel, Hölle oder Paradies etc. Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Barmherzigkeit AllÁhs einzugehen, die bereits in Teil D erwähnt wurde. Trotz jeglicher Allmacht und Allkraft verkündet AllÁh, wie umfassend seine Barmherzigkeit sei315. Ebenfalls nehmen Gesandte, wie z.B. MúsÁ, Zuflucht in die Barmherzigkeit ihres einzigen Herrn316. Ihren Höhepunkt erreicht die Barmherzigkeit AllÁhs in SÚra 6 al-AnþÁm 54, in der es heißt: 310 Vgl. 20 ÓÁ HÁ 82. 311 Vgl. 45 al-¹ÁÝiya 27; 16 an-Na½l 52; 11 HÚd 123; 14 IbrÁhÍm 38; 34 Sabaÿ 2; 13 ar-Raþd 8-10. 312 Vgl. 41 FuÈÈilat 47; 6 al-AnþÁm 59. 313 Vgl. 11 HÚd 5; 28 al-QaÈaÈ 69; 10 YÚnus 61; 6 al-AnþÁm 3; 13 ar-Raþd 8. 314 Vgl. 32 as-Saºda 6; 16 an-Na½l 19, 23, 77; 35 FÁÔir 38. 315 Vgl. 7 al-AþrÁf 156. 316 Vgl. 7 al-AþrÁf 151. 70

Kataba Rabbukum þalÁ Nafsihi ÿr-Ra½mata. Das bedeutet, dass AllÁh sich seine Barmherzigkeit zu einer Vorschrift angeeignet hat. Weiter heißt es nämlich im selben Vers: Wer von euch in Unkenntnis Schlechtes tut, danach seine Tat (aber) bereut und sie bessert, (soll wissen), dass sein Herr vergebend und barmherzig ist. 6 al-AnþÁm 54 Trotz Freveltaten ist Gott im Falle der Reue stets zu vergeben bereit. Sie muss nur im Diesseits stattfinden. 3.1 Der Wille AllÁhs Was AllÁh macht oder wozu er sich entscheidet, obliegt allein ihm317. Er ist niemandem eine Antwort schuldig. Dazu gehört auch, dass allein AllÁh es ist, der darüber verfügt, dem Menschen zu vergeben und seine Reue anzunehmen318. Wenn Unheil über den Menschen kommt, ist dies von Gott und kann auch nur von ihm beseitigt werden319. Er allein ist es, der gibt oder nicht oder der nimmt oder nicht320. Da es sonst niemanden gibt, der über all diese Fähigkeiten verfügt, hat es keinen Sinn, andere Gottheiten zu verehren oder sich einen anderen Schutzherrn zu nehmen321. Jede Bitte und jedes Lob ist daher an ihn zu richten322 und seine sind die schönsten Namen, mit denen er angerufen werden soll323. Dass AllÁh von seinem uneingeschränkten Willen keinen willkürlichen Gebrauch macht, sondern nach einem bestimmten Verhalten handelt, wird in dieser Periode mit dem Ausdruck Sunnatu ÿl-LÁh bezeichnet. Die gleichen Prinzipien für dieses Verhalten setzen sich in dieser Periode fort und lassen sich im Wirken Gottes erkennen. 3.2 Das Wirken AllÁhs Um das Verhalten AllÁhs zu verstehen, bilden die Ereignisse in der Vergangenheit wie Prophetengeschichten, Gleichnisse oder Mono- und Dialoge außerirdischer Wesen wie die ¹inn, Höllenwächter, Engel etc., eine ge317 318 319 320 321 322 323

Vgl. 28 al-QaÈaÈ 68. Vgl. 42 aÊ-ËÚrÁ 26. Vgl. 10 YÚnus 107. Vgl. 42 aÊ-ËÚrÁ 49; 6 al-AnþÁm 17. Vgl. 42 aÊ-ËÚrÁ 9, 31; 40 ³Áfir 18. Vgl. 45 al-¹ÁÝiya 36; 34 Sabaÿ 1. Vgl. 7 al-AþrÁf 180. 71

eignete Grundlage. Auch in der spätmekkanischen Periode wird ihnen große Bedeutung zugeschrieben. Gleichnisse sind z.B. im Vergleich zu Prophetengeschichten in allen drei Perioden seltener und kürzer. Im Kern der Nachrichten ändert sich jedoch nichts. In ihnen werden größtenteils die zur Offenbarungszeit aktuellen Themen wie die schon oftmals erwähnte religiöse und soziale Kritik angesprochen. Außerdem wird die Botschaft, aber auch Mu½ammad in seiner Funktion als Überbringer nicht als etwas Neues, sondern als Bestätigung und Fortsetzung des Vergangenen verstanden324. Anschließend wird auf das Ende derjenigen hingewiesen, die sich genau so verhielten wie die ablehnenden Adressaten jetzt. Der gesamte Themenkomplex zeigt, dass AllÁh immer nach demselben Verhaltensmuster gehandelt hat. Das bedeutet, dass jetzt hier keine Ausnahme gemacht wird: Ziehen sie denn nicht im Land umher und schauen, wie das Ende der Vorherigen war? Sie waren zahlreicher, stärker und haben auf Erden festere Spuren hinterlassen als sie (jetzt). Was sie erwarben, hatte ihnen (den Früheren) nichts genützt. Als ihre Gesandten mit klaren Beweisen zu ihnen kamen, freuten sie sich (anmaßend) über das Wissen, welches sie (selbst) besaßen. Da umschloss sie das, worüber sie sich lustig machten. Als sie unseren (unerwarteten) Überfall sahen, riefen sie (laut): Wir glauben (jetzt) an AllÁh (als einzige Gottheit) und leugnen (alles), was wir ihm beigesellten. Ihre Umkehr zum Glauben nützte ihnen jedoch nicht mehr, als sie unseren Überfall sahen. (Dies ist seit jeher) das Verfahren AllÁhs über seine Knechte. Diejenigen, die ablehnten, haben genau dann Schaden erlitten. 40 ³Áfir 82-85325 Verse, die in diesem Zusammenhang über die Rechtleitung oder Irreführung AllÁhs berichten, stehen immer in Verbindung mit dem Verhalten des Menschen, wofür er sich aus eigenem Willen und eigener Wahl entscheidet. Verse, die die Umsetzung der Drohung Gottes in die Tat ausdrücken, sind jedenfalls mit diesem Hintergrund zu verstehen. Die Beziehung, die AllÁh zu den Menschen hat, basiert auf einer gewissen Ethik, deren Grenzen AllÁh nicht überschreitet. Welchen Weg der Mensch einschlägt, ist ihm selbst überlassen. Er trägt jedoch die Verantwortung seiner Entscheidung.

324 Vgl. 12 YÚsuf 111. 325 Vgl. 35 FÁÔir 42-45. 72

4. Der allmächtige AllÁh in der medinensischen Periode Aussagen über Gottes Allmacht setzen sich auch in der medinensischen Periode fort. Alle bisher angesprochenen Themenbereiche finden auch hier Erwähnung326. AllÁh ist der Schöpfer und auch Herrscher von Himmel und Erde327. Er ist es, der die Ordnung im Kosmos aufrecht hält328. Leben und Tod liegen in Gottes Hand329. Er bestimmt ihren Zeitpunkt330. Die Auferstehung wird neben den bisher üblichen Darstellungen auch durch Berichte aus der Vergangenheit weiterhin aktuell gehalten. So wird berichtet, dass zur Zeit von MÚsÁ ein Mann von einem Juden getötet wurde. Weil der Täter nicht bestimmt werden konnte, ließ Gott den Verstorbenen etwas berühren und wieder auferstehen331. Auch IbrÁhÍm beschäftigte die Frage, wie AllÁh Tote wieder zum Leben erweckt. Über das Vermögen Gottes, Lebende sterben und Tote wiederauferstehen zu lassen, diskutiert ein Mann mit ihm in 2 al-Baqara 258. Obwohl er den Mann durch seine Argumentation überzeugt zu haben scheint, kann er sich selbst nicht zurückhalten, Gott zu fragen, wie er Tote wiedererweckt332. Vermutlich geht Gott auf seinen Wunsch ein, weil IbrÁhÍm wirklich glaubt und nur sein Herz beruhigen möchte. Dabei ist, so Gott, die Wiedererweckung ein in der Natur ständig vorkommendes Ereignis. Der Regen macht die tote Erde wieder lebendig und sollte dem Menschen der Offenbarungsgegenwart als ein Zeichen dafür eigentlich genügen333. Außer dem Menschen ist sich jedes Geschöpf im Himmel und auf Erden seines einzigen Schöpfers bewusst und verhält sich entsprechend dankbar334. Aber die Menschen in Medina (und in Mekka) haben Proble326 Vgl. 2 al-Baqara 22, 107, 148, 243, 258, 284; 8 al-AnfÁl 30; 47 Mu½ammad 17; 3 Àl-i þImrÁn 26-27, 129, 179; 4 an-NisÁÿ 131-134, 139; 65 aÔ-ÓalÁq 12; 24 anNÚr 43-45; 58 al-MuºÁdila 18; 22 al-¼aºº 1-7, 61, 69; 48 al-Fat½ 7; 9 at-Tauba 94, 105. 327 Vgl. 2 al-Baqara 28-29, 255; 64 at-Ta™Ábun 2-3; 3 Àl-i þImrÁn 6, 189-190; 57 al¼adÍd 2-6; 24 an-NÚr 42, 64; 22 al-¼aºº 56, 64, 66, 73; 48 al-Fat½ 14; 9 at-Tauba 116; 5 al-MÁÿida 40, 120. 328 Vgl. 22 al-¼aºº 65. 329 Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 156; 8 al-AnfÁl 17. 330 Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 145. 331 Vgl. 2 al-Baqara 73. 332 Vgl. 2 al-Baqara 260. 333 Vgl. 2 al-Baqara 164; 57 al-¼adÍd 17; 22 al-¼aºº 5, 63. 334 Vgl. 64 at-Ta™Ábun 1; 62 al-¹umuþa 1; 61 aÈ-Æaff 1; 57 al-¼adÍd 1; 59 al-¼aÊr 1; 24 an-NÚr 41; 22 al-¼aºº 18. 73

me, ihren Herrn richtig einzuschätzen335. Hinzu kommt, dass in Medina mehrere Glaubensrichtungen zu Hause sind, von denen zwei eine sehr alte Tradition haben und zu den Schriftreligionen gehören: die jüdische und die christliche. Zudem herrschen dort andere wirtschaftliche und soziokulturelle Gegebenheiten. Aus unterschiedlichen Anlässen lehnt ein Großteil der Leute in Medina Mu½ammad und AllÁhs Botschaft nicht nur ab, sondern agiert auch gegen ihn. Entsprechend spannend wirkt sich dies auf das Wissen, ganz besonders aber auf den Willen und das Wirken Gottes aus. 4.1 Das Wissen AllÁhs Die Aussagen über das Wissen fokussieren sich nunmehr sehr intensiv auf das Verhalten der Menschen und machen deutlich, dass Gott nichts entgeht336. Wenn zwei sich irgendwo unterhalten, ist Gott als Dritter anwesend337. Über jeden einzelnen Widersacher Mu½ammads weiß Gott Bescheid: was sie öffentlich tun, was sie untereinander im Geheimen über ihn sprechen oder gegen ihn planen338. Gott kennt sich aber auch in ihrer Vergangenheit besser als sie selbst und Mu½ammad aus339. Gottes Wissen über das Handeln des Menschen bezieht sich nicht nur auf die Feinde, sondern auch auf das Handeln Mu½ammads und dessen Anhänger. Gott entgeht nicht, ob und inwiefern sie sich an die von AllÁh gestellten Regeln halten340. Was für sie in einem Moment nicht so günstig erscheint, könne sie trügen. Gott weiß, was für sie günstig oder ungünstig ist341. 4.2 Der Wille und das Wirken AllÁhs In der mekkanischen Periode basierte die Problematik hauptsächlich auf der Wiederherstellung des Ein-Gott-Glaubens. Sowohl die religiösen als auch sozialen Komponenten des Dienens gingen von der Grundvoraussetzung aus, dass es nur einen Gott gibt, der alles zu tun imstande ist. Dazu gehörte, dass er seinen Gesandten die Fähigkeit zuteil werden ließ, Wunder zu wirken. Vernichtend wirkte Gott in der Vergangenheit, wenn alles 335 336 337 338 339 340

Vgl. 22 al-¼aºº 74. Vgl. 2 al-Baqara 110; 64 at-Ta™Ábun 4; 3 Àl-i þImrÁn 5, 29; 9 at-Tauba 78. Vgl. 58 al-MuºÁdila 7. Vgl. 2 al-Baqara 76-77; 3 Àl-i þImrÁn 63, 119; 4 an-NisÁÿ 45, 81. Vgl. 2 al-Baqara 140; 3 Àl-i þImrÁn 44. Vgl. 2 al-Baqara 180-181, 187, 215, 270; 4 an-NisÁÿ 58; 59 al-¼aÊr 18; 22 al¼aºº 68; 60 al-Mumta½ana 1. 341 Vgl. 2 al-Baqara 216. 74

getan wurde, um eine Völkerschaft auf den rechten Weg zu bringen, sich diese jedoch davon abwandte und ihre Frist verstrich. Besonders in der frühmekkanischen Periode verkündete Gott den Adressaten auch einen baldigen Weltuntergang. Sowohl aufgrund der Nachrichten aus der Vergangenheit und der Ordnung im Universum wurden sie ermahnt und ihnen wurde versichert, dass sie einem ähnlichen Ende nicht entkommen würden, wenn sie ihr Verhalten nicht änderten. Diese Vernichtung fand in Mekka nicht statt, und Mu½ammad zog mit seinen Anhängern nach Medina. Was den Willen und das Wirken Gottes hinsichtlich Mu½ammads und seinen Anhängern in Medina betrifft, so wird ihm weder die Fähigkeit, Wunder zu wirken, zuerteilt, noch wirkt Gott gegen seine Feinde durch irgendeine Zerstörung. Er wirkt ihnen gegenüber weiterhin durch die Offenbarung und macht sich durch die Erschaffung neuer Möglichkeiten spürbar342. Obwohl sich für Mu½ammad und seine Anhänger dort eine neue Existenzgrundlage findet, müssen sie sich diese in Medina weitgehend härter erkämpfen als in Mekka343. Dass sie in dieser Periode vor allem ihren Glauben durch eine besondere Mühe (¹ihÁd), sei sie friedlich oder kriegerisch, unter Beweis stellen müssen, zeigt, dass Gott die bereits bekannte Verhaltensweise (Sunnatu ÿl-LÁh) auch gegenüber Mu½ammad und seinen Anhängern geltend macht. Im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung bekommen sie von Gott Unterstützung durch seine unsichtbaren Heerscharen, er beruhigt ihre Herzen, erfüllt sie mit Ruhe und lässt die Anzahl der Feinde wenig erscheinen, einige Male erspart er ihnen sogar den Kampf344. Aber diese sind alles sekundäre Umstände. Die eigentliche Leistung haben Mu½ammad und seine Anhänger selbst zu erbringen. Wer sich im Diesseits für die Beseitigung von Unrecht wie Unterdrückung, Angriff oder Ausbeutung einsetzt, sei sie friedlich oder kriegerisch, soll für seine Anstrengung im Jenseits belohnt werden. Welchen Ausgang die Anstrengung im Diesseits jedoch nimmt, liegt in der Allmacht Gottes. Er verleiht Sieg und Niederlage, wem er möchte345. Wichtig ist, wer sich in seiner Anstrengung für welche Seite entscheidet. Abgesehen vom Ausnahmezustand des Krieges geht es in dieser Periode auch viel um die Regelungen diesseitiger Angelegenheiten durch 342 Vgl. 8 al-AnfÁl 26; 3 Àl-i þImrÁn 103. 343 Vgl. 8 al-AnfÁl 45-46, 65-66; 47 Mu½ammad 4; 9 at-Tauba 14-16. 344 Vgl. 8 al-AnfÁl 9-12, 43-44; 3 Àl-i þImrÁn 13, 124-125, 152-154; 33 al-A½zÁb 911, 25; 48 al-Fat½ 4, 10, 18-19, 24-25; 9 at-Tauba 25-26, 40; 5 al-MÁÿida 11. 345 Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 126, 160; 48 al-Fat½ 1-3. 75

Gott. Was einige zwischenmenschliche oder rechtliche Probleme unter Mu½ammads Anhängern betrifft, so wirkt Gott ebenfalls durch die Offenbarung, um diese zu lösen346. Gott sagt, dass er ihnen sehr nahe stehe, sie höre und sehe347. Bei diesen Regelungen handelt es sich weitgehend um die religiösen und sozialen Komponenten des Dienens, die nunmehr verbindlich festgelegt oder neu eingeführt werden348. Gott regelt nicht nur allgemeine Probleme in der Gemeinde, sondern kümmert sich auch um Einzelfälle. Zu Beginn der SÚra 58 al-MuºÁdila 1-4 wird z.B. von einer Frau berichtet, die sich anscheinend bei Mu½ammad über ihren Mann beschwert hat. Der Mann hat sich von ihr durch die Schwurformel: Sei mir wie der Rücken meiner Mutter getrennt. Diese Art der Trennung bezieht sich allerdings nur auf den Geschlechtsverkehr. Die Frau bleibt weiterhin an den Mann gebunden. Zur Lösung des Problems stellt Gott eine für alle gültige Regel auf: Wer sich von seiner Frau durch diese Schwurformel trennt und es dann später bereut, soll zuerst einen Sklaven befreien, bevor er seiner Frau wieder beiwohnt. Wer keinen Sklaven besitzt, soll zwei Monate lang fasten. Wer dies nicht kann, soll sechzig Arme speisen349. Obwohl Gott in Vers 2 die Trennung durch den Rückenschwur nicht gutheißt, in der Mutter des Mannes die Mutter und in der Frau weiterhin die Frau sieht, hebt er diese Trennungsmethode nicht gänzlich auf. Doch die Möglichkeit zur Rückkehr zur eigenen Frau wird durch die gestellten Bedingungen besonders erschwert. Gottes Vermögen, vernichten zu können, wird auch in der medinensischen Periode von den ablehnenden Adressaten erwünscht. Sie gehen sogar soweit, dass sie es von Gott persönlich verlangen: Unser AllÁh! Wenn dies(es Buch) wirklich von dir ist, dann lass auf uns vom Himmel Steine regnen oder gib uns eine schmerzliche Strafe! 8 al-AnfÁl 32 Gottes Antwort darauf ist folgende: (Solange) du (Mu½ammad) unter ihnen bist, würde AllÁh sie nicht bestrafen, und er würde sie auch nicht bestrafen, wenn sie um Verzeihung gebeten hätten. 8 al-AnfÁl 33350 346 347 348 349 350 76

Vgl. 8 al-AnfÁl 41. Vgl. 2 al-Baqara 186. Vgl. 4 an-NisÁÿ 1-26; 5 al-MÁÿida 1-7. Vgl. 58 al-MuºÁdila 3-4. Vgl. 47 Mu½ammad 18; 58 al-MuºÁdila 8; 22 al-¼aºº 47-48.

Dass ihre Vernichtung mit Mu½ammads Anwesenheit in Zusammenhang gebracht wird oder, wie in einem anderen Zusammenhang, Gott sagt, dass er sie nicht vernichtet, damit sich ihre Sünden mehren351, zeigt, dass ihre plötzliche Vernichtung noch nicht eingeführt werden soll. Alle in der medinensischen Periode eingeführten gesellschaftlichen Regelungen und rechtlichen Anordnungen lassen diese Entscheidung Gottes über den großen Weltuntergang ebenfalls vermuten. Die Funktion übernimmt aber der von Gott für jeden einzelnen bestimmte Tod. Aus den Versen über frühere Gesandte wie NÚ½, HÚd, ÆÁli½, LÚÔ, Éuþayb und vielen anderen wissen wir, dass Gott ihre Völker durch eine von ihm gewirkte Katastrophe plötzlich tilgte352. In der medinensischen Periode wird besonders über MÚsÁ und þÌsÁ berichtet, die ebenfalls mit ihren Landsleuten, wenn nicht immer kriegerische, so doch viele religiös und gesellschaftlich bedingte Auseinandersetzungen hatten. So haben MÚsÁ sowohl Firþaun als auch seine eigenen Landsleute sehr herausgefordert. Während AllÁh auch ihnen die Möglichkeit gab, aus Ägypten zu fliehen, und die Armee des Firþauns ertränkte, begannen seine Landsleute in seiner 40tägigen Abwesenheit, ein Kalb anzubeten353. Trotz vieler Wundertaten verhielten sie sich aufsässig. Sie lehnten sich gegen ihn und ihren Herrn auf oder bekundeten stets ihre Unzufriedenheit354. Sie hielten MÚsÁ hin, als Gott von ihnen verlangte, eine Kuh zu opfern. Anstatt dieses Verlangen in Demut zu erbringen, fragten sie MÚsÁ nach dem erwünschten Alter, der Farbe und dem Aussehen der Kuh. MÚsÁ musste dabei ständig zwischen seinem Herrn und seinem Volk vermitteln, ehe sie sich dazu entschieden, dem Verlangen Gottes nachzukommen. Gleichzeitig beantwortete Gott jede ihrer Fragen nach der Kuh und betonte am Ende nur, dass sie sie fast nicht geopfert hätten355. Das Volk MÚsÁs ging einmal sogar soweit, dass es Gott sehen wollte, um ihm glauben zu können. Noch in dem Augenblick ließ Gott sie durch einen Donnerschlag erstarren. Er erweckte sie hierauf, vergab ihnen ihr Vergehen, ließ über sie die Wolken Schatten spenden und speiste sie mit Manna und Wachteln356. Gegenüber Maryam

351 352 353 354 355 356

Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 178. Vgl. 47 Mu½ammad 10, 13; 65 aÔ-ÓalÁq 8-9. Vgl. 2 al-Baqara 49-71, 83-93. Vgl. 2 al-Baqara 54-61. Vgl. 2 al-Baqara 67-71. Vgl. 2 al-Baqara 55-57. 77

und ihrem Sohn þÌsÁ zeigte sich Gott auch besonders wohlwollend357. Er versorgte sie im Tempel mit Speisen und verkündete ihr einen Sohn, den er ihr auf unnatürlichem Wege zuteil werden ließ. þÌsÁ hingegen durfte mit der Erlaubnis Gottes sowohl Tonvögel als auch Tote zum Leben erwecken, Blinde und Kranke heilen.

357 Vgl. 3 Àl-i þImrÁn 45-51; 5 al-MÁÿida 110, 114. 78

II. an-NÚr (das Licht) im Kontext der Offenbarung A an-NÚr (das Licht) im QurÿÁn 1. an-NÚr (das Licht) in der mittelmekkanischen Periode 1.1 SÚra 71 NÚ½ 15-16 und SÚra 25 al-FurqÁn 61 Seht ihr denn nicht, wie AllÁh die sieben Himmel in Schichten erschuf und den Mond darin zum Licht und die Sonne zu einer Leuchte machte? 71 NÚ½ 15-16 Segenvoll ist der, der am Himmel Sternbilder setzte und daran eine Leuchte und einen leuchtenden Mond anbrachte. 25 al-FurqÁn 61 Kommentar Dem Begriff an-NÚr (Licht) begegnen wir zum ersten Mal in der mittelmekkanischen Periode in SÚra 71 NÚ½ und 25 al-FurqÁn 61. Die SÚra 71 NÚ½ besteht aus 28 Versen und thematisiert einen Abschnitt aus dem Leben des Gesandten NÚ½. Auch er war von Gott auserwählt, um das Volk zu ermahnen. Aber es widersetzte sich ihm, woraufhin sich NÚ½ bei Gott darüber beklagte: Er habe seinen Leuten alles Mögliche in öffentlichen und heimlichen Zusammenkünften erzählt, damit sie nur AllÁh dienten und ihm als Gesandten gehorchten. Denn sowohl als Schöpfer als auch als einzige Gottheit gebühre AllÁh jede Verehrung. Doch alles, was er zu ihnen sagte, wirkte kontraproduktiv, sodass sie seinen Fluch auf sich zogen. Nachdem von ihm nichts unversucht gelassen worden war, eine Umkehr jedoch nicht stattfand, erfüllte sich das Wort Gottes gegen sie. Die SÚra 25 al-FurqÁn besteht aus 77 Versen und spiegelt die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Mu½ammad und seinen Landsleuten wider. Sie umfasst übliche Themen wie falsche Vermutungen über AllÁh, Leugnung des Gesandten, der Botschaft und des Endgerichts etc. Darunter beziehen sich mehrere Verse auch auf die dem Menschen von Gott zugeteilten Gnadengaben. Der hinter diesen Versen stehende Grundgedanke ist, dass es nur eine Gottheit gibt, die alles im Himmel und auf Erden Befindliche erschafft und die Ordnung im Kosmos instand hält. Diese uns aus der frühmekkani79

schen Periode schon bekannte Auffassung von Gott ist demnach nicht neu, sondern wurde bereits in der Vergangenheit gleichermaßen von den Gesandten verkündet. In beiden Versstellen geht es also darum, dem Menschen die Herrlichkeit und Erhabenheit AllÁhs vor allem im Gegensatz zu den neben ihm verehrten Gottheiten vor Augen zu führen. Der Mensch soll in den Himmel schauen und darüber nachdenken, wie Sonne, Mond und Sternbilder so lose stehen können. Was die in den Versen vorkommenden Begriffe an-NÚr (Licht) und MunÍrun (leuchtend) betrifft, stehen sie in sekundärer, dem Mond untergeordneter Bedeutung. Beide Verse weisen primär auf die Nützlichkeit der Himmelskörper hin, die durch ihre Leuchtkraft den Menschen Orientierungsmöglichkeiten bieten. Damit erfüllen sie die ihnen zugemessene Gesetzesmäßigkeit (Qadar). Als Mahnworte Gottes sollen diese Beispiele dem Menschen genügen, damit er sich in seiner Gottesverehrung besinnt und umkehrt.

2. an-NÚr (das Licht) in der spätmekkanischen Periode 2.1 SÚra 14 IbrÁhÍm 1-2, 5 Alif LÁm Ra. (Der QurÿÁn ist) ein Buch, das wir dir (Mu½ammad) hinabsandten, damit du die Menschen mit der Erlaubnis ihres Herrn aus den Finsternissen ans Licht, auf den Weg des Gewaltigen und Lobenswerten hinausbringst, dem das in den Himmeln und auf Erden Befindliche gehört. Wehe den Undankbaren, die eine heftige Strafe erwartet. 14 IbrÁhÍm 1-2 Kommentar In der spätmekkanischen Periode kommt der Begriff an-NÚr (Licht) öfter als in der mittelmekkanischen vor. So finden wir ihn in der SÚra 14 IbrÁhÍm, in Vers 1 und 5 gleich zwei Mal. In beiden Versstellen wird dem Begriff jedoch keine wörtliche, sondern eine übertragene Bedeutung zugesprochen. In Vers 1 soll Mu½ammad seine Leute mit dem als Buch bezeichneten QurÿÁn (die Lesung) aus den Finsternissen ans Licht hinausbringen. Formal betrachtet, zeigt das zunächst, dass die an Mu½ammad offenbarte Botschaft seit geraumer Zeit schriftlich fixiert wird, sodass sich diejenigen, die glauben und Gutes tun/rechtschaffen handeln an ihm orientieren können. Ziel dieser Orientierung ist die von Gott erwünschte Lebensweise (ad-DÍn), an die sich der Mensch in seinem diesseitigen Leben halten soll. Diese Lebensweise entspricht der Natur (FiÔra) des Menschen

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und wird ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit seine jenseitige Zukunft sichern. Hier wird demnach die Botschaft von Gott an Mu½ammad als ein rechtleitendes Mittel betrachtet. an-NÚr (Licht) bezeichnet in dem Sinne die von AllÁh erwünschte Lebensweise und aã-ÞulumÁt (die Finsternisse) alle aus diesem Rahmen fallenden Vorstellungen. In diesem Zusammenhang leitet der Ausdruck aus den Finsternissen ans Licht auch einen Prozess ein, der ermöglicht, sich diese Lebensweise anzueignen oder sich dadurch im Glauben zu stärken. Demselben Ausdruck begegnen wir in Vers 5 der SÚra in einem anderen Bedeutungszusammenhang: Wir sandten ja bereits MÚsÁ mit unseren Zeichen (Offenbarung). (Einst sagten wir zu ihm:) Bringe dein Volk hinaus aus den Finsternissen ans Licht und erinnere sie an die Tage AllÁhs. Darin liegen Zeichen für jeden, der geduldig und dankbar ist. 14 IbrÁhÍm 5 Kommentar Aus diesem Vers wird ersichtlich, dass auch MÚsÁ die Pflicht, seine Leute aus den Finsternissen ans Licht zu bringen, auferlegt wurde wie oben Mu½ammad. Gesandten Gottes obliegt demnach die Aufgabe, ihre Leute auf eine von Gott erwünschte Lebensweise zu führen bzw. sie in diesem Prozess mit zu begleiten. Wir wissen aber aus einigen Versen der frühmekkanischen Periode, dass Gott die Lebenssituationen der Menschen nicht einfach ändert, sondern Möglichkeiten schafft, durch deren Nutzung der Mensch (s)eine Situation selbst verändert. Ein interessantes Beispiel dazu finden wir im Leben MÚsÁs. Er gehörte zu den Gesandten, denen viele Wundertaten zugeteilt wurden, damit Firþaun, der Herrscher von Ägypten, AllÁh als den einzigen Schöpfer und Herr anerkennen sollte. Seine Umkehr sollte aufgrund seiner Position außerdem zur Umkehr des ganzen Volkes führen, was wiederum das Heil aller bedeutet hätte. Dieses Ziel wurde allerdings nicht erreicht, weil Firþaun die ihm gebotene Möglichkeit der Umkehr nicht akzeptierte. Außerdem mussten MÚsÁ und seine Leute unter der Führung Firþauns viel leiden. Daraufhin wurde MÚsÁ offenbart, sein Volk aus den Finsternissen ans Licht zu führen. In diesem Zusammenhang bezeichnen die aã-ÞulumÁt (die Finsternisse) hier eher die missliche Lage, die Unterdrückung, in der sich MÚsÁ und sein Volk befanden. Durch den Aufruf Gottes ergriff er die Initiative, um sich und seine Leute aus dieser Lage zu befreien. an-NÚr (das Licht) hingegen deutet mehr auf die Möglichkeiten hin, die sich für MÚsÁ und seine Leute erga81

ben. Die Ergreifung der Initiative ist aber nicht die primäre Absicht, auf die der Vers aufmerksam machen will. Die Offenbarung teilt uns nämlich auch mit, dass das Volk MÚsÁs danach Probleme hat, sich an die von Gott gewünschte Lebensweise zu halten. Es wird in der Abwesenheit MÚsÁs rückfällig und beginnt, andere Gottheiten zu verehren. Deshalb wird es wieder durch die Offenbarung an die Tage erinnert, an denen Gott ihnen zu ihrer derzeitigen Lage verhalf. Demnach liegt der Erfolg nicht nur im Ergreifen einer Initiative, sondern auch in einer dauerhaften Gottesergebenheit und in der in Geduld und Dankbarkeit ausgeübten Einhaltung des Dienens. Da auch dies eines kontinuierlichen Verhaltens bedarf, kann auch hier gesagt werden, dass die Konstellation aus den Finsternissen ans Licht einen Prozess bezeichnet, dessen Ziel zu erreichen für den Menschen eine Herausforderung bzw. eine Prüfung bedeutet. 2.2 SÚra 39 az-Zumar 22, 69 Ist denn nicht jemand, dessen Brust AllÁh für den IslÁm (d.h. völlige Hingabe zu Gott) weitet, in Licht seines Herrn? Wehe denen, deren Herzen sich durch die (alleinige) Erwähnung AllÁhs verhärten. Sie befinden sich im klaren Irrtum. 39 az-Zumar 22 Kommentar Spätestens seit der mittelmekkanischen Periode wissen wir, dass Gott von seiner Allmacht keinen willkürlichen Gebrauch macht, sondern sie gewissen Regeln unterworfen hat. Gottes Verhalten richtet sich nach dem Verhalten des Menschen. Das bedeutet, dass AllÁh einem die Brust erst dann weitet, wenn dieser sich Gott bereits zugewandt hat. Daher handelt es sich an dieser Versstelle um Leute, deren praktizierte Religiosität über ein gewisses Maß hinausgeht, wie z.B. in Vers 9 derselben SÚra beschrieben wird: Ist denn jemand, der die Nacht in Gottergebenheit sich niederwerfend und aufrecht stehend verbringt, der das Jenseits fürchtet und sich die Barmherzigkeit seines Herrn erhofft, ... Sag, sind diejenigen, die wissen, jenen die nicht wissen, gleichzusetzen?! Nur die, die Verstand haben, überlegen. 39 az-Zumar 9 Der Gedanke im ersten Satz in Vers 9 ist nicht zu Ende geführt; aber man kann sich ihn schon zu Ende denken. Jemand, der – wenn nicht die ganze, so doch einen Teil der Nacht durch zusätzliche Gebete wach verbringt – trotz seiner Frömmigkeit das Jenseits fürchtet und auf die Barmherzigkeit

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Gottes hofft, ist sich bewusst, dass er stets Herausforderungen ausgesetzt ist und aufgrund seiner Unvollkommenheit Fehler begehen kann. Deshalb wird in Vers 22 die etwas größere Hingabe besonders gelobt. So jemand bewegt sich in Licht des Herrn, d.h. er richtet sein Verhalten nach dem Mahnwort Gottes. Schon aus der frühmekkanischen Periode wissen wir, dass das Erstreben des Antlitzes des Herrn – mithin das Erlangen seiner Zufriedenheit – ein hochgelobtes Ziel ist, das durch Lobgebete und gute Taten erstrebt werden kann. Ferner gibt Vers 23 über diese Leute weitere Auskünfte. Da heißt es, wenn die Gottesfürchtigen die sich ständig wiederholenden Verse der Offenbarung vernehmen würden, sie Gänsehaut bekämen. Sie durchdringe Haut und Herz und führe dazu, der Erhabenheit Gottes zu gedenken. Auch dieser Vers zeigt, dass es um mehr als bloße Überzeugung geht. In Licht des Herrn ist demnach jemand, der sich die Worte Gottes sehr zu Herzen nimmt und sich über diese Gedanken macht. In der zweiten Hälfte des 22. Verses werden dagegen jene ermahnt, deren Herzen sich aufgrund der Erwähnung AllÁhs als einzige Gottheit verhärten. Außer mehreren Versen in der SÚra, die auf das falsche Wissen über Gott aufmerksam machen, sind uns aus der spätmekkanischen Periode zwei ähnliche Verse bekannt, nämlich 40 ³Áfir 12 und 39 az-Zumar 45. Da heißt es beide Stellen betreffend, dass manche die Anrufung AllÁhs nur dann akzeptieren würden, wenn er zusammen mit den anderen Gottheiten erwähnt werde. Auf diese Thematik kommt die folgende Verspassage berichtigend zurück und stellt dann einen Bezug zur Auferstehung her: Sie haben AllÁh wirklich nicht richtig eingeschätzt. Die ganze Erde wird am Tag der Auferstehung in seiner Hand liegen und die Himmel werden in seiner Rechten zusammengefaltet. Erhaben ist der, dem Lob gebührt, über das, was sie ihm zur Seite stellen. Es wird in die Posaune geblasen und alles in den Himmeln und auf Erden Befindliche stirbt, außer denen, die AllÁh nicht will. Dann wird ein weiteres Mal in die Posaune gestoßen und alle werden um sich her blickend auferstehen. Und die Erde wird im Lichte ihres Herrn strahlen. So wird die Schrift niedergelegt, die Gesandten und Zeugen werden herbeigebracht und es wird zwischen ihnen wirklich, ohne dass (ihnen) Unrecht zustößt, geurteilt werden. 39 az-Zumar 67-69 Kommentar In dieser Verspassage geht es um eine künftige Weltuntergangsszene, die hier mit der falschen Einschätzung AllÁhs begründet wird. Derartige Sze83

narien sind uns hauptsächlich aus der frühmekkanischen Periode bekannt. Der gesamte als Geschöpf betrachtete Kosmos wird an diesem Tag durch Gottes unerschöpfliche Kraft zusammengeballt. Unter den Geschöpfen wird nur der Mensch wieder zum Leben gerufen, weil er vor seinem Schöpfer Rechenschaft ablegen muss. Was dem Vers danach folgt, gehört zur Thematik der Anwesenheit Gottes beim Endgericht. In seiner überragenden Erhabenheit und Größe wird AllÁh beim Endgericht antreten. Sobald dies geschieht, wird der als Erde genannte Ort in Gottes Licht – mithin in seiner unbegreiflichen Herrlichkeit – erstrahlen. 2.3 SÚra 31 LuqmÁn 20 Seht ihr denn nicht, dass AllÁh für euch das in den Himmeln und auf Erden Befíndliche dienstbar machte und euch seine Gabe(n) in Hülle und Fülle sichtlich und unscheinbar zuteil werden ließ? Doch einige von den Menschen streiten über AllÁh ohne Wissen, ohne Rechtleitung und ohne ein erleuchtendes Buch. 31 LuqmÁn 20 Kommentar Der Streit über AllÁh ergibt sich nie aufgrund seiner Existenz, sondern hauptsächlich wegen der Konkurrenz anderer Gottheiten und Wesen, die ihm zur Seite gestellt werden. Um AllÁh als einzigen Gott deutlich hervorzuheben, ragt schon gleich zu Beginn der Offenbarung AllÁh als die einzige Gottheit unverkennbar hervor. In der mittelmekkanischen Periode verdichten sich die Auseinandersetzungen über das fehlende Wissen und die falschen Vermutungen der Menschen in Bezug auf AllÁh. Diese Thematik wird auch in der spätmekkanischen Periode intensiv fortgesetzt, wie hier in 31 LuqmÁn 20. Die Verse 12-19 der SÚra berichten aus der Vergangenheit von einem weisen Mann namens LuqmÁn, der seinen Sohn hauptsächlich über den alleinigen Glauben an AllÁh aufklärt. Ferner ermahnt er ihn, dass er das Gebet verrichten, das Billigenswerte empfehlen und Tadelnswerte verhindern soll. Nach diesem aufklärenden Monolog LuqmÁns richtet der obige Vers 20 seinen Fokus in die damalige Gegenwart und kritisiert jene, die ohne eine vergleichbare Weisheit und ohne etwas Handfestes wie ein von Gott offenbartes Buch einfach über AllÁh diskutieren können. Dabei enthält das Buch unter anderem aufklärendes Wissen über AllÁh. Dennoch wollen einige dem Wissen ihrer Väter folgen.

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2.4 SÚra 42 aÊ-ÉÚrÁ 51-53 AllÁh spricht den Menschen nur durch Offenbaren oder hinter einem Vorhang an, oder er sendet einen Boten, der ihm (dem Menschen) mit seiner (Gottes) Erlaubnis eingibt, was er will. Er ist erhaben und weise. So haben wir dir einen RÚ½ (einen Geist) aus unserer Fügung eingegeben. Du wusstest vorher nicht, was eine Schrift und Glauben waren. Aber wir machten sie (die Schrift) zum Licht und leiteten dich damit recht. Wir leiten damit, wen von unseren Knechten wir wollen, recht. Und du leitest (ebenfalls) auf den geraden Weg, den Weg AllÁhs, dem das in den Himmeln und auf Erden Befindliche gehört. Gelangen denn nicht (alle) Angelegenheiten zu AllÁh? 42 aÊ-ÉÚrÁ 51-53 Kommentar Ein vertrauenswürdiges Wesen aus Gottes verborgenem Herrschaftsbereich, ar-RÚ½ (der Geist) genannt, kennen wir schon aus der mittelmekkanischen Periode358. Die Frage nach dem ar-RÚ½ wurde in dieser Periode in SÚra 17 al-IsrÁÿ 85 soweit beantwortet, dass er zu Gottes Fügung gehöre. In SÚra 16 an-Na½l 102 aus der spätmekkanischen Periode erfuhren wir, dass der heilige Geist u.a. damit beauftragt sei, den QurÿÁn (die Lesung) an Mu½ammad zu überbringen. Demnach handelt es sich um ein Wesen, das gewissermaßen zwischen dem Seinsbereich Gottes und dem Mu½ammads fungiert. Von diesem Wesen ist im obigen Vers wohl eher nicht die Rede. Der hier zur Sprache gebrachte ar-RÚ½ bezeichnet vielmehr die an Mu½ammad übermittelte Offenbarung. Denn im Kontext der Passage wird über die Kommunikationsarten Gottes berichtet, wozu auch das Offenbaren an sich gezählt wird. In schriftlich fixierter Form wird das Offenbaren als Licht betrachtet, womit der Gesandte und seine Anhänger rechtgeleitet werden. Wohin dieser Weg führt, ist im Vers ebenfalls evident, nämlich zu Gott. Er besteht in der Einhaltung der von Gott erwünschten Lebensweise (ad-DÍn). Die Offenbarung, die Mu½ammad auf diesen Weg geführt hat, wird jeden Knecht Gottes rechtleiten, wenn sich ihm dieser anschließt. Die Einhaltung der Lebensweise ist deshalb so wichtig, weil alle diesseitigen Angelegenheiten im Jenseits zum Endgericht führen. 2.5 SÚra 10 YÚnus 5 Er machte die Sonne zu einem Leuchtkörper, den Mond zum Licht und bestimmte ihnen ihre Laufbahn, damit ihr die Anzahl 358 Vgl. 26 aÊ-ÉuþarÁÿ 193; 19 Maryam 17. 85

der Jahre und die Berechnung machen konntet. AllÁh hat dies wirklich erschaffen. Er legt die Zeichen für Leute, die Bescheid wissen, offen dar. 10 YÚnus 5 Kommentar In der spätmekkanischen Periode kommt der Begriff an-NÚr (das Licht) im Zusammenhang mit dem Mond nur einmal hier in SÚra 10 YÚnus 5 vor. Wie in den beiden mittelmekkanischen Versen geht es auch in diesem Vers um die Hervorhebung der Erhabenheit Gottes. Er ist es, der die Sonne und den Mond erschuf, und er ist es, der diese dem Menschen zur Verfügung stellte. Darüber hinaus wird die in der Natur erschaffene Ordnung durch die Erwähnung ihrer Nützlichkeit und ihrer Funktion vor Augen geführt und nur jene, die über derartige Naturphänomene nachdenken, werden in der Lage sein, diese als (Wunder-)Zeichen Gottes aufzufassen. 2.6 SÚra 35 FÁÔir 25 Und wenn sie dich (Mu½ammad) der Lüge bezichtigen, so bezichtigten diejenigen, die vor ihnen gelebt haben, ihre Gesandten (ebenfalls) der Lüge. Sie (die Gesandten) kamen mit (Wunder-) Zeichen, mit Seiten und dem erleuchtenden Buch. 35 FÁÔir 25 Kommentar Aus vielen Versen der gesamten mekkanischen Periode geht hervor, dass Mu½ammad seit Beginn der Offenbarung sowohl in seiner Funktion als Gesandter als auch vom Inhalt seiner Botschaft her von seinen Landsleuten abgelehnt wird. Sie spotten über ihn und unterstellen ihm, ein besessener Dichter u.ä. zu sein. Gott sind derartige Verhaltensweisen aus der Vergangenheit längst bekannt. Daher spricht er Mu½ammad Trost zu. Weder Wunder noch schriftlich festgehaltene Offenbarungen haben früheren Völkern als Beweise ausgereicht, dass sie sich den Worten der Gesandten auf Anhieb einfach unterwarfen. Die Aufgabe der Gesandten bleibt jedoch nur, zu mahnen und die bereits Ermahnten zu betreuen. Die Offenbarung hingegen ist ein rechtleitendes und aufklärendes Mittel für all jene, die sich aus eigener Überzeugung den Ermahnungen unterwerfen. 2.7 SÚra 7 al-AþrÁf 157-158 (Die die Barmherzigkeit Gottes umfasst, werden) diejenigen (sein), die dem Gesandten, dem zuvor keine Schrift zugeteilt wurde und den sie (Juden und Christen) bei sich in der Tora und im Evangelium erwähnt finden, folgen. Er (dieser Gesandte) 86

wird ihnen das Gute mitteilen und sie vom Verwerflichen abhalten. Er wird ihnen das Billigenswerte erlauben und Tadelnswerte verbieten, sowie die ihnen auferlegte Last und Fesseln abnehmen. Diejenigen, die an ihn (diesen Gesandten) glauben, ihn ehren und ihm helfen und (auch) dem auf ihn herabgesandten Licht folgen, werden zu denen gehören, denen es (im Jenseits) gut ergeht. Sprich (o Mu½ammad): Ihr Leute! Ich bin (dieser) an euch alle geschickte Gesandte AllÁhs. Ihm gehört die Herrschaft über die Himmel und die Erde. Außer ihm gibt es keine weitere Gottheit. Er macht lebendig und er lässt sterben. So glaubt an (nur) AllÁh und an den zuvor schriftlosen Gesandten, der (ebenfalls) an ihn und an seine Worte glaubt. Folgt ihm, damit ihr rechtgeleitet seid! 7 al-AþrÁf 157-158 Kommentar SÚra 7 al-AþrÁf enthält viele Nachrichten aus den Lebenserfahrungen früherer Gesandter und ihren Landsleuten. Die Rückschau zu Zeiten von MÚsÁ beginnt mit Vers 103 und setzt sich bis Vers 171 fort. In den Versen 157 und 158 wird von dieser Rückschau aus ein kurzer Blick in die jenseitige Zukunft geworfen, und es wird die Frage geklärt, wen die Barmherzigkeit Gottes dort umfassen wird. Juden und Christen werden im Zusammenhang mit den ihnen früher zugeteilten Schriften genannt, die die Voraussage der Ankunft eines Gesandten beinhalten sollen. Der Vers 157 knüpft an dieses alttestamentliche Gedankengut an und sagt die Zuständigkeiten dieses in der Zukunft zu erscheinenden Gesandten voraus. Gemeint ist damit Mu½ammad, wie aus dem darauf folgenden Vers hervorgeht. Er ist es, der mit Hilfe der als Licht bezeichneten Offenbarung die an seine Worte Glaubenden im Jenseits in die Barmherzigkeit Gottes führen wird. Damit steht der Ausgang im Jenseits wieder im Vordergrund. Wer sowohl an Mu½ammad als auch an die Offenbarung glaubt und in diesem Glauben stirbt, erreicht Heil im Jenseits. 2.8 SÚra 6 al-AnþÁm 1, 122 Lob sei AllÁh, der die Himmel und die Erde erschuf und die Finsternisse und das Licht machte. Dennoch setzten die Undankbaren ihrem Herrn (Wesen) zur Seite. 6 al-AnþÁm 1 Kommentar In diesem Lobvers wird AllÁhs Erhabenheit als Schöpfer von Himmel und Erde hervorgehoben und Unverständnis dafür gezeigt, wie ihm – trotz die87

ser Kenntnis – andere Wesen oder Teilhaber zur Seite gestellt werden können. Die Konstellation aã-ÞulumÁt (die Finsternisse) und an-NÚr (das Licht) folgt gleich der gängigen Konstellation as-SamÁwÁt (die Himmel) und al-Ar± (die Erde). Deshalb kann man hier davon ausgehen, dass mit die Finsternisse die Erschaffung der Dunkelheit bzw. der Nacht und mit das Licht die Erschaffung der Helligkeit, bzw. des Tages gemeint sind. Dass das Wort die Finsternisse wieder im Plural vorkommt, sollte nicht irritieren. In Erwähnung mit Licht kommen die Finsternisse immer im Plural vor. Bei dem Gebrauch handelt es sich vermutlich um eine gängige Redewendung. Es ist aber auch möglich, dass der Plural aufgrund der Sprachharmonie verwendet wird, worauf man in der arabischen Sprache sehr achtet. Denn in SÚra 35 FÁÔir 19-21 sowie in 13 ar-Raþd 16 kommt die Konstellation ebenfalls in dieser Zusammenstellung vor und bezeichnet die Dunkelheit und Helligkeit an sich. Im Vers 122 der SÚra finden wir wieder Licht und Finsternisse in einem interessanten Gleichnis vor: Ist denn einer, der vorher tot war, dem wir jedoch Leben verliehen und ein Licht vorhielten, mit dem er unter die Menschen geht, einem gleich, der sich in den Finsternissen befindet und keinen Ausgang hat? So wurde den Aufsässigen schön gezeigt, was sie taten. 6 al-AnþÁm 122 Kommentar In Vers 116 der SÚra 6 al-AnþÁm wird Mu½ammad ermahnt, dass er vom Weg Gottes loskäme, wenn er jenen, die ihren Vermutungen folgten und nur mutmaßten, gehorchte. Mit diesem Vers wird in ein neues Thema eingeführt, in dem eine allgemeine Speisevorschrift bekannt gemacht wird. Sie erlaubt den Verzehr von Fleisch, wenn das Tier im Namen AllÁhs geschlachtet wurde. In Vers 119 stellt sich nämlich heraus, dass einige den Verzehr mieden, weil sie sich durch die Neigungen anderer haben leiten lassen. Es geht dabei offensichtlich um Gerüchte, die innerhalb der Gemeinde für Verwirrung sorgen. Mehrmals werden die Anhänger Mu½ammads angehalten, sich an die von Gott vorgeschriebenen Regeln zu halten. Am Schluss dieser Thematik wird mit Vers 122 das obige Gleichnis aufgestellt. Hierin geht es weniger um die Wiedererweckung einer Person als um den Vergleich zweier Personen. Einer, der sich von seiner alten Lebensweise getrennt hat, wird in der Metapher als eine zum Leben wiedererwachte Person verstanden. Mit dem Eintritt in die neue Lebensweise 88

wird ihm ein Licht vorgehalten, womit er sich unter den Menschen seinen Weg bahnen kann. Jemand, der sich noch nicht bekehrt hat, wird dagegen als einer betrachtet, der sich in ausweglosen Finsternissen befindet. Da diese zwei Personen in keiner Weise miteinander zu vergleichen sind, sollen sich die Anhänger Mu½ammads nicht gerade von Leuten leiten lassen, die ihren Neigungen folgen. Diese seien nämlich gar nicht in der Lage, den Fehler in ihrem Verhalten zu erkennen. Deshalb sollen sie lieber dem ihnen vorgehaltenen Licht folgen, wenn sie in ihrer Lebensweise aufrichtig sein wollen.

3. an-NÚr (das Licht) in der medinensischen Periode 3.1 SÚra 6 al-AnþÁm 91 Sie haben AllÁh wirklich nicht richtig eingeschätzt, als sie sagten: AllÁh hat niemandem irgendetwas herabgesandt. Antworte (ihnen): Wer sandte dann das Buch, das MÚsÁ den Menschen als Licht und Rechtleitung brachte? Ihr schreibt sie (jetzt) auf Papyri und legt einiges davon ganz offen dar, doch vieles verbergt ihr. Es wurde euch gelehrt, was weder ihr noch eure Väter wussten. Sag: (Das ist) AllÁh. So lass sie in ihrem Gerede, mit dem sie (ständig) spielen. 6 al-AnþÁm 91 Kommentar Der an Mu½ammad offenbarte QurÿÁn wird von Juden mit der Behauptung abgelehnt, dass Gott keinem Menschen etwas herabsende. Wenn dies wirklich so sein sollte, erwidert Gott, dann sollten sie erklären, wer denn MÚsÁ das Buch gesandt hätte. Wie der QurÿÁn wird auch das Buch an MÚsÁ aus derselben Quelle kommend und in seiner Funktion als aufklärender und wegweisender Leitfaden betrachtet. Im weiteren Verlauf des Verses wird den Juden dagegen unterstellt, vieles aus ihren Schriften zu verheimlichen. Dazu gehört auch die Kunde über einen künftigen Gesandten, die in den vorangegangenen Offenbarungsschriften existiert, wie sie in SÚra 7 al-AþrÁf 157 thematisiert ist. Mit der Offenbarung an Mu½ammad erfüllt sich einerseits die Kunde aus der Vergangenheit. Andererseits werden die vorgehaltenen Informationen damit offen dargelegt. Aufgrund der ablehnenden Haltung der Juden wird Mu½ammad geboten, sich von ihnen fern zu halten.

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3.2 SÚra 2 al-Baqara 17, 257 Sie (die Heuchler) gleichen jemandem, der ein Feuer angezündet hat. Sobald sein Umfeld erhellt, nimmt AllÁh das Licht (der Heuchler) weg und hinterlässt sie in den Finsternissen, sodass sie nichts sehen können. 2 al-Baqara 17 Kommentar Wie das Verhalten der MunÁfiqÚn (Heuchler) in der Offenbarungszeit gewesen ist, wird u.a. in SÚra 2 al-Baqara ausführlich erzählt. Ein sie betreffendes Gleichnis ist hier in der Konstellation von Licht und Finsternissen aufgestellt, was ebenfalls auf das Verhalten der Heuchler bezogen werden kann. Wenn ein Heuchler ein Feuer entfacht und Gott es gleich löscht, heißt das, dass seine guten Taten bei Gott nur einen augenblicklichen Wert haben. Denn es wird von seinem hinterhältigen Verhalten so gut wie gänzlich überschattet. Sein Verhalten macht sein Tun nichtig und wertlos. Es zählt nicht, solange er nicht aufrichtig in seiner Lebensweise ist. Genau umgekehrt verhält es sich mit dem an Gott Glaubenden: AllÁh ist Freund derjenigen, die glauben. Er bringt sie aus den Finsternissen ans Licht. Jene die ablehnen; ihre Freunde sind die Götzen. Sie bringen sie aus dem Licht in die Finsternisse. Das sind die Leute des Feuers. Darin werden sie ewig weilen. 2 al-Baqara 257 Kommentar Auch wenn es hier nicht um die MunÁfiqÚn (Heuchler), sondern um die verehrten Götzen geht, kann die Bedeutung des Lichts übertragen werden. Als Freund eines nur an ihn Glaubenden verhilft Gott ihm durch die Sendung von Boten und der Offenbarung, sodass er den richtigen Weg findet. Nur Gott führt ihn aus den Finsternissen ans Licht. Die Verehrung der Götzen dagegen bewirkt genau das Gegenteil. Wer an AllÁh als die einzige Gottheit glaubt, befindet sich im Prozess, aus den Finsternissen ans Licht zu gelangen, während jemand, der neben AllÁh gleichzeitig andere Gottheiten verehrt, sich im gegenteiligen Prozess befindet. Wenn die Letzteren in dieser Zeit sterben sollten, wird ihr Ausgang für ewig die Hölle sein. 3.3 SÚra 64 at-Ta™Ábun 7-8 Jene, die ablehnen, behaupten, dass sie nicht wiedererweckt werden. Antworte (ihnen): O doch! Bei meinem Herrn! Ihr werdet

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wiedererweckt werden. Dann wird euch mitgeteilt, was ihr getan habt. Das ist für AllÁh ein leichtes. So glaubt an AllÁh und an seinen Gesandten und an das Licht, welches wir (ebenfalls) herabsandten. AllÁh weiß wirklich, was ihr tut. 64 at-Ta™Ábun 7-8 Kommentar Die Auferstehung gehört von Anfang an zum abgelehnten Teil der Offenbarung. Dass sich in der medinensischen Periode derartige Aussagen finden lassen, zeigt, dass dieses Thema weiterhin aktuell ist. Was den Begriff an-NÚr (das Licht) betrifft, bezeichnet er wieder die an Mu½ammad gesandte Offenbarung. Der ausschließliche Glaube an AllÁh sowie der Glaube an Mu½ammad in seiner Funktion und der Glaube an die Offenbarung bilden den Grundstein für die von Gott erwünschte Lebensweise. 3.4 SÚra 3 Àl-i þImrÁn 184 Wenn sie dich der Lüge bezichtigen, so wurden Gesandte vor dir auch der Lüge bezichtigt. Sie kamen mit (Wunder-)Zeichen, Schriftstücken und einem erleuchtenden Buch. 3 Àl-i þImrÁn 184 Kommentar Einer uns aus der spätmekkanischen Periode bekannte Versstelle begegnen wir auch hier in der medinensischen. Dabei geht es erneut um die Leugnung des Gesandten. Wenn der Mensch auf seiner ablehnenden Haltung verharrt, hilft nichts, um ihn aus dieser Verstockung zu bringen, mögen die Zeichen Gottes noch so evident sein. Die Vergangenheit liefert unzählige Beispiele dafür, worauf dieser Vers Bezug nimmt. 3.5 SÚra 61 aÈ-Æaff 7-8 Wer ist ungerechter als jemand, der gegen AllÁh Lügen ersinnt, obwohl er zur völligen Hingabe aufruft. AllÁh leitet ein frevelndes Volk nicht recht. Sie wollen das Licht AllÁhs mit ihrem Gerede auslöschen. Aber AllÁh wird sein Licht (ganz gewiss) vollenden. Auch wenn dies denen, die ablehnen, zuwider ist. 61 aÈ-Æaff 7-8 Kommentar Auch im folgenden Versabschnitt geht es um die Offenbarung Gottes, die als NÚr (Licht) bezeichnet wird. Während AllÁh mit seiner Offenbarung dazu aufruft, dass der Mensch sich ihm unterwirft, herrschen immer noch falsche Vermutungen über ihn. Darüber hinaus wirkt sie kontraproduktiv, 91

sodass einige sie mit ihrem Gerede zu unterbinden versuchen. In SÚra 38 ÆÁd 6-8 aus der mittelmekkanischen Periode erfahren wir, wie sich einige der Adressaten in Mekka sowohl gegen den Inhalt der Offenbarung als auch gegen den Anspruch Mu½ammads, Gottes Gesandter zu sein, offen zur Wehr setzten. In Medina wird diese Haltung von einigen der dortigen Adressaten fortgesetzt, sodass das Thema wieder aufgegriffen wird. Hier erwidert Gott, dass die Offenbarung solange fortdauern wird, bis sie vollendet ist. Vollenden bedeutet an dieser Stelle die Wiederherstellung des ursprünglichen Eingottglaubens. 3.6 SÚra 57 al-¼adÍd 9-13, 19, 28 Er ist es, der seine klaren (Wunder-)Zeichen an seinen Knecht herabsendet, um euch aus den Finsternissen ans Licht zu bringen. AllÁh ist euch gegenüber gnädig und barmherzig. Was ist mit euch, dass ihr nicht auf Gottes Wege spendet? Das Erbe der Himmel und Erde gehört (ohnehin) AllÁh. Nicht gleich sind jene, die vor der Eroberung (von Mekka) gespendet und gekämpft haben (mit jenen), die später gespendet und gekämpft haben. Die Ersteren stehen höher im Rang. (Dennoch) hat AllÁh allen das Schönste versprochen. AllÁh weiß, was ihr tut. Wer AllÁh ein schönes Darlehen gewährt, dem fügt er (als Rückgabe) viel mehr hinzu. Ihm gebührt (außerdem) ein großzügiger Lohn. An dem Tag siehst du gläubige Männer und Frauen, deren Licht ihnen von vorn und von ihrer Rechten vorauseilt. (Ihnen wird zugerufen:) Frohe Botschaft! Heute gehören euch Gärten, durchteilt von Bächen. Darin werdet ihr ewig weilen. Dies ist das große Heil! Wenn die Heuchler und Heuchlerinnen den Glaubenden an diesem Tag (flehend) zurufen: “Steht uns bei, lasst uns von eurem Licht etwas entnehmen!”, dann wird ihnen gesagt: “Kehrt euch um und sucht dort nach Licht!” Dann wird zwischen ihnen eine Mauer mit einem Tor errichtet. Innen bleibt die Barmherzigkeit, außen die Qual. 57 al-¼adÍd 9-13 Kommentar In der oben etwas längeren Verspassage geht es zunächst um die Aufgabe Mu½ammads, seine Leute mit Hilfe der Offenbarung rechtzuleiten. Doch die Offenbarung oder Mu½ammad reichen hier allein nicht mehr aus, damit sich dies ereignet. Die Anhänger Mu½ammads werden angehalten, die ihnen von Gott zugeteilten Gnadengaben in seinem Namen für andere wieder auszugeben. An sich ist dies keine neue Aufforderung. Sie hat nur den Adressaten gewechselt. Früher richteten sich derartige Verse an jene, 92

die das nicht taten. Die Anhänger Mu½ammads wurden als dies schon Praktizierende gesehen und oft dafür gelobt. Diese Passage zeigt außerdem, dass eine Werteaufstellung zwischen den Anhängern aus Mekka und denen aus Medina gemacht wird, die allerdings auf den Ausgang keinen Einfluss nehmen wird. Der Vers betont noch, dass derjenige, der für jemanden etwas übrig hat, im Jenseits von Gott mit viel mehr belohnt werden wird. Dies ist Gottes Versprechen. In diesem Zusammenhang wird eine jenseitige Zukunftsperspektive für jene eingeleitet, die im Diesseits in der Gemeinde der Aufforderung Gottes folgten, und für jene, die es nicht taten. Dem Begriff NÚr (Licht) wird dabei eine gewichtigere Bedeutung zugeordnet als bisher üblich. Er erscheint uns als ein die Glaubenden im Jenseits betreffendes Erkennungsmerkmal. Die Männer und Frauen, die von Licht begleitet werden, werden von denen, die keins besitzen, als die künftigen Paradiesbewohner wahrgenommen, noch bevor das Endgericht begonnen hat. Die Heuchler, die vermutlich zu den Auslösern dieser Verspassage gehören, sind in den Fokus der Offenbarung geraten, weil sie sich als Anhänger Mu½ammads ausgeben, es in Wirklichkeit jedoch nicht sind und damit insgeheim zusätzlich der Gemeinde schaden. Derartigen Leuten wird dieses Licht eben nicht gewährt. Darüber hinaus werden sie spätestens im Jenseits von Mu½ammad und seinen Anhängern getrennt. Eine Scheidewand wird errichtet, die sie daran hindert, an der Barmherzigkeit Gottes teilzuhaben. Diese Thematik beherrscht im Grunde die gesamte SÚra und wird in den Versen 19 und 28 wieder auf denselben Punkt gebracht: Diejenigen, die an AllÁh und an seinen Gesandten glauben, gehören zu den Aufrichtigen. Sie sind die ÉuhadÁÿ bei ihrem Herrn (d.h. die auf dem Wege Gottes Gefallenen). Für sie gibt es Lohn und Licht. Diejenigen, die ablehnen und unsere Zeichen leugnen, gehören zu den Leuten der Hölle. 57 al-¼adÍd 19 O die ihr glaubt, fürchtet AllÁh und glaubt an seinen Gesandten. So gibt AllÁh euch das Doppelte seiner Barmherzigkeit und macht euch ein Licht, womit ihr gehen könnt. Und er vergibt euch. AllÁh ist der Vergebende und Barmherzige. 57 al-¼adÍd 28 Kommentar Was in dieser SÚra besonders in den Vordergrund tritt, ist die Nichtigkeit und Wertlosigkeit der Welt. Alles konzentriert sich auf das als das Eigentliche betrachtete Jenseits. Vermögen jeglicher Art hat keinen Wert, wenn 93

es nicht für Gott ausgegeben wird. Da ohnehin alles Gott gehört, hat es auch keinen Sinn, Vermögen zu horten. Wichtig ist, was man sich alles fürs Jenseits verdient. 3.7 SÚra 4 an-NisÁÿ 173-174 Was diejenigen betrifft, die glauben und Gutes tun: Ihnen wird er (Gott) ihren Lohn in vollem Maß geben und von seiner Huld noch mehr zuteilen. Was diejenigen betrifft, die zurückweisen und hochmütig sind: Sie wird er schmerzlich bestrafen. Außer AllÁh werden sie keinen Schutzherrn und Helfer haben. O ihr Leute! Zu euch ist der Beweis von eurem Herrn gekommen und wir sandten euch ein klares Licht herab. 4 an-NisÁÿ 173-174 Kommentar In dieser ebenfalls in die jenseitige Zukunft blickenden Versstelle wird wieder auf die Offenbarung als wegweisender Leitfaden hingewiesen. Wer sich im Diesseits daran orientiert, wird im Jenseits mit mehr belohnt als ihm zusteht. Wer sich gegen die Zeichen Gottes auflehnt und sich hochmütig verhält, wird im Jenseits bestraft werden. 3.8 SÚra 65 aÔ-ÓalÁq 10-11 AllÁh hatte ihnen (denen, die sich einst gegen ihren Herrn und seinen Gesandten auflehnten) heftige Strafe vorbereitet. So fürchtet AllÁh! Ihr, die Verständigen, die ihr glaubt! AllÁh sandte euch eine Ermahnung und einen die klaren Zeichen AllÁhs vortragenden Gesandten, um diejenigen, die glauben und rechtschaffen handeln, aus den Finsternissen ans Licht hinauszubringen. Wer an AllÁh glaubt und Gutes tut, wird in Gärten geführt, die Bäche durchteilen. Darin wird er ewig weilen. AllÁh hat ihm eine schöne Versorgung gegeben. 65 aÔ-ÓalÁq 10-11 Kommentar Die SÚra 65 aÔ-ÓalÁq besteht aus nur 12 Versen und behandelt – wie ihr Name es uns schon verrät – Angelegenheiten, die die Scheidung betreffen (V. 1-7). Vers 8-9 berichtet von der Vernichtung früherer Völker, die sich den Anordnungen Gottes und denen der Gesandten widersetzten. Interessant ist, dass mit diesen Versen die Anhänger Mu½ammads in dem Sinne, dass auch ihnen Ähnliches zustoßen könnte, ermahnt werden, wenn sie sich ebenfalls nicht an die Anordnungen halten sollten. Die SÚra endet abschließend mit einem die Schöpferkraft und Allmacht betonenden Vers. In 94

den Versen 10-11 wird in diesem Zusammenhang auf die Berufung und Funktion Mu½ammads aufmerksam gemacht, der die Aufgabe hat, seine Leute zu führen und zu betreuen. Die Konstellation aus den Finsternissen ans Licht bezieht sich hier auf die Anhänger Mu½ammads und unterstreicht, dass auch jene, die bereits die neue Lebensweise angenommen haben, sich aufgrund ihrer Umkehr einer Strafe nicht entziehen können. Sie sollen sich an die Regeln und Anordnungen halten, die von Gott und von dem Gesandten kommen. Daraus besteht für sie der Weg, um aus den Finsternissen an Licht zu gelangen. Dann wird ihnen das von Gott versprochene Heil zuteil. 3.9 SÚra 33 al-A½zÁb 41-46 O, die ihr glaubt! Gedenkt sehr oft an AllÁh, preist ihn morgens und abends. Er ist es, der mit seinen Engeln über euch den Segen ausspricht, damit ihr aus den Finsternissen ans Licht hinauskommt. Er ist den Gläubigen gegenüber barmherzig. Am Tag, wenn sie ihn (AllÁh) treffen, werden sie (mit dem Grußwort) „Friede“ beglückwünscht. Er hat ihnen einen großzügigen Lohn bereitet. O Prophet! Wir sandten dich als Zeugen, als Frohbote und als Warner. (Wir sandten dich als) jemand, der zu AllÁh mit dessen Erlaubnis aufruft und als Licht spendende Leuchte. Verkünde den Gläubigen, dass ihnen von AllÁh große Huld zugeteilt werden wird. 33 al-A½zÁb 41-46 Kommentar Auch diese Verspassage richtet sich an die Anhänger Mu½ammads. Dass das Heil des Menschen auch von Gott sehr erwünscht wird, zeigt, dass ihm der Mensch viel bedeutet. Aber der Mensch muss es aus eigener Kraft schaffen aus den Finsternissen ans Licht zu gelangen. Das Gedenken Gottes kann dazu beitragen sowie die Segenssprüche Gottes und die seiner Engel. Aber auch die Person Mu½ammads spielt – wie die Offenbarung – dabei eine entscheidende Rolle. Daher wird Mu½ammad als Licht spendende Leuchte (sirÁºun munÍrun) bezeichnet. So sind die Orientierung sowohl an Mu½ammad als auch an die Offenbarung und das ständige Gedenken Gottes u.ä. Faktoren, die den Menschen nach dessen Tod in die Barmherzigkeit Gottes führen. 3.10 SÚra 24 an-NÚr 35-40 AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde. Das Gleichnis seines Lichtes ähnelt einer Nische, in der sich eine Lampe befindet. Die 95

Lampe ist in einem Glas, das einem funkelnden Stern gleicht. Sie brennt von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist. Sein Öl leuchtet schon fast, ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist. Pures Licht. AllÁh führt zu seinem Licht, wen er will und er prägt den Menschen die Gleichnisse. AllÁh weiß über alles Bescheid. Solche (hell leuchtenden) Lampen befinden sich in Häusern, die AllÁh zu errichten erlaubte und in denen sein Name erwähnt wird. Darin preisen ihn morgens und abends Leute, die vom Gedenken AllÁhs weder Handel noch Kaufgeschäfte ablenken, ebenso nicht vom Verrichten des Gebets noch vom Entrichten der Läuterungsgabe. Sie fürchten einen Tag, an dem sich ihre Herzen und Augen hin und her wenden. Für das Beste, was sie getan haben, wird AllÁh sie belohnen und ihnen von seiner Huld noch mehr geben. AllÁh versorgt, wen er möchte, ohne Abrechnung. Die Taten derjenigen, die ablehnen, sind wie eine Luftspiegelung im Flachland. Der Dürstende hält sie für Wasser, bis er dort (an der Luftspiegelung) ankommt und nichts vorfindet. (In dem Moment) findet er AllÁh bei sich, der mit ihm abrechnet. AllÁh ist schnell im Abrechnen. Oder (die Taten derjenigen, die ablehnen,) sind wie Finsternisse in einem abgrundtiefen Meer, das von übereinander ragenden Wogen bedeckt ist. Die Wogen werden (wiederum) von Wolken überdeckt. Es herrscht pure Finsternis. Wenn er seine Hand ausstreckt, kann er sie kaum sehen. Wem AllÁh kein Licht gibt, der hat eben kein Licht. 24 an-NÚr 35-40 Kommentar Diese Verspassage beginnt mit einer Aussage über Gott selbst, dass er das Licht (NÚr) der Himmel und Erde sei. Wie dies zu verstehen ist, wird gleich im Anschluss in einem Gleichnis erörtert. Demnach gleicht das Licht Gottes einer in einer Nische befindlichen Lampe aus einem außergewöhnlich glänzenden Glas. Wie die Lampe, so ist auch das dafür nötige Brennmaterial, nämlich das Olivenöl, außergewöhnlich. Es wird von einem nicht auf der Erde wachsenden Baum gewonnen. In seiner Reinheit leuchtet es bereits, sodass es kaum nötig ist, es anzuzünden. Bereits seit der frühmekkanischen Periode wissen wir, dass Gott weder jemandem gleicht noch dass ihm irgendetwas ebenbürtig ist. So ist auch sein Licht unbeschreiblich. Jeder Vergleich mündet in einem kaum existenten Gegenstand, der sich in seiner Außerordentlichkeit von einer Ebene in die nächste steigert, bis er nur noch aus purem Licht besteht. Je präziser das Licht Gottes zu umschreiben versucht wird, scheinen die dafür notwendi96

gen Vergleichsgegenstände auszugehen. Von purem Licht aus wird dann der Fokus auf den Menschen gerichtet und gesagt, dass er zum Licht Gottes gelangen kann. Eine Beschreibung von solchen Menschen ist im Vers auch gleich gegeben. Davon handelt das erste Gleichnis: Die Leute preisen Gott ständig und lassen sich in ihrem Alltag davon nicht wirklich abhalten. Weltliche Angelegenheiten haben für sie keinen großen Wert. Sie gehen ihren Geschäften und Pflichten nach, jedoch im steten Bewusstsein auf das Jenseits. Sie halten sich an die religiösen und sozialen Komponenten des Dienens. Worum es sich dabei handelt, ist im Vers in verkürzter Form wiedergegeben: preisen, beten und läutern. Dagegen hat das Jenseits aufgrund seiner Ewigkeit höchste Priorität. Es relativiert die Bedeutung des vergänglichen Diesseits erheblich. Dagegen bleiben die Taten im Diesseits von tragender Relevanz, wie aus dem zweiten Gleichnis hervorgeht. Ihre totale Abwertung als Luftspiegelungen oder tiefste Finsternisse zeigen, dass die Taten ohne die Einhaltung der Komponente des Dienens nichtig sind. Gottes Ansprüche im Vers, die Leute nach belieben in sein Licht zu führen oder davon auszuschließen, werden durch die Angaben in den Gleichnissen wieder auf den Punkt gebracht: Gott hat das absolute Vermögen dazu, aber das Gleichnis zeigt, dass die Taten als eigene Leistungen der Menschen zum Licht Gottes hin oder davon wegführen. Die Orientierung am Gesandten – als Licht spendende Leuchte – und die an der Offenbarung – als erleuchtendes Licht – bilden den zum Licht Gottes führenden Leitfaden. 3.11 SÚra 22 al-¼aºº 8-9 Unter den Menschen gibt es manch einen, der über AllÁh ohne Wissen, Rechtleitung oder erleuchtendes Buch streitet. Er wendet sich (davon) ab, um vom Wege AllÁhs in die Irre zu führen. Im Diesseits ist Schande über ihn und am Tag der Auferstehung werden wir ihn schmerzliche Qual kosten lassen. 22 al-¼aºº 8-9 Kommentar Der Anfang der Verses unter den Menschen gibt es manch einen lässt vermuten, dass sich die Aussage auf eine bestimmte Person bezieht. Sie wird jedoch namentlich nicht erwähnt. Wichtig scheint die hochmütige Haltung und die Absicht, die diese Person zeigt. Ohne etwas Handfestes in der Hand diskutiert sie über Gott in der Absicht, die Leute vom rechten Weg abzubringen. In diesem Zusammenhang erscheinen Wissen, Rechtleitung 97

und Offenbarung als gleichwertige Komponenten, die eine Diskussion über Gott rechtfertigen. Wer dies ohne derartige Mittel tut, handelt sich den Fluch Gottes ein wie diese Person, und ihr Gang ins Jenseits wird die Hölle sein. 3.12 SÚra 66 at-Ta½rÍm 8 O die ihr glaubt! Wendet euch zu AllÁh in aufrichtiger Buße, damit AllÁh euer schlechtes Handeln verzeihen möge und euch in Gärten eintreten lasse, die Bäche durchteilen. Am Tag, an dem AllÁh den Propheten und die mit ihm Glaubenden nicht beschämen wird, wird (einem jeden von ihnen) ihr (zugeteiltes) Licht von vorn und ihrer rechten Seite vorauslaufen und (ihm) zurufen: Unser Herr! Vervollständige unser Licht! Vergib uns! Du hast zu allem die Macht! 66 at-Ta½rÍm 8 Kommentar Die SÚra 66 at-Ta½rÍm besteht aus insgesamt zwölf Versen und thematisiert eine innerfamiliäre Angelegenheit Mu½ammads. Er wird aufgrund seiner Entscheidung von Gott getadelt. Aufgrund einer Information, die von einer seiner Gattinnen nicht vertraulich behandelt wurde, verbietet sich Mu½ammad etwas, was ihm im Grunde zu tun erlaubt ist. Darauf gibt Gott ihm zu verstehen, dass er seinen Eid nach gegebener Vorschrift auflösen soll (1-3). Dann weisen die darauf folgenden Verse die Gattin/nen zurecht, die Mu½ammad in diese Situation gedrängt haben, und geben ihnen deutlich zu verstehen, dass sie nicht unersetzlich seien (4-5). Die Verse 6-8 sprechen dann im Wechsel die Anhänger und Gegner Mu½ammads an. Die Anhänger sollen sich an die von Gott aufgestellten Regeln halten und Fehler, die sie begehen, aufrichtig bereuen. Denn nur dann, wenn Gott ihnen vergibt, wird ihnen das Licht zuteil, welches den Gläubigen im Jenseits vor dem Endgericht von vorn und von rechts vorauseilen wird. Denjenigen, die im Diesseits die Botschaft abgelehnt haben, wird nicht verziehen, auch wenn sie sich für ihr Tun entschuldigen. Die letzten drei Verse (10-12) berichten über vier Frauen: Zwei von ihnen, nämlich die Frau von NÚ½ und die von LÚÔ, handelten wie die Gattinnen Mu½ammads verräterisch und wurden mit der Hölle bestraft. Die Frau Firþauns und Maryam, die Tochter der Familie þImrÁn, werden hingegen aufgrund ihres Verhaltens besonders gelobt und hervorgehoben.

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3.13 SÚra 9 at-Tauba 32 Sie wollen das Licht AllÁhs mit ihrem Gerede auslöschen. Aber AllÁh besteht darauf, sein Licht zu vollenden, auch wenn dies den Ablehnenden zuwider ist. 9 at-Tauba 32 Kommentar Die Verse 28-31 der SÚra sprechen der Reihe nach die Gruppen an, die an Mu½ammads Glaubens- und Lebensgrundsätzen Kritik üben. Zuerst wird den MuÊrikÚn verboten, die Kaþba zu betreten, solange sie die religiösen und sozialen Komponenten des Dienens nicht befolgen. Die Anhänger Mu½ammads sollen sich um die dadurch wegbleibenden Einkünfte keine Sorgen machen, sondern die MuÊrikÚn bekämpfen. In den Versen 30 und 31 werden Juden und Christen aufgrund ihrer Glaubensgrundsätze kritisiert und auch hier werden Mu½ammad und seine Anhänger angehalten, diese zu bekämpfen. Daran schließt sich der Vers 32 mit der uns aus der SÚra 61 aÈ-Æaff 8 bekannten Aussage an, dass die Gegner Mu½ammads das Licht Gottes mit ihrem Gerede am liebsten getilgt hätten. Da die Verse 28-31 über Glaubensinhalte handeln, bezeichnet das Licht Gottes auch hier die Offenbarung. Dass Gott sein Licht vollenden wird, weist darauf hin, dass die von ihm erwünschte Lebensweise (ad-DÍn) noch nicht ausreichend und stabil Fuß fassen konnte, obwohl zum Zeitpunkt dieses Verses mehrere Kämpfe zugunsten Mu½ammads ausgefallen sind und auch Mekka bereits erobert worden ist. 3.14 SÚra 5 al-MÁÿida 15-16, 44-46 O Leute der Schrift! Unser Gesandter, der euch vieles, was ihr aus dem Buch verheimlicht habt, offen erklärt und vieles davon übergeht, ist zu euch gekommen. Euch ist ein Licht und ein deutliches Buch von AllÁh gekommen. AllÁh leitet damit die, die seiner Zufriedenheit folgen, auf heilbringende Wege; (er) bringt sie mit seiner Erlaubnis aus den Finsternissen ans Licht hinaus und leitet sie auf den geraden Weg. 5 al-MÁÿida 15-16 Wir sandten die Rechtleitung und die Licht enthaltende Tora. Gesandte, die sich AllÁh völlig hingaben, haben für Juden (mit der Tora) entschieden. Rabbinern und Gelehrten, denen das Buch AllÁhs anvertraut wurde und die Zeugen dessen waren, haben ebenfalls (mit der Tora) entschieden. So fürchtet nicht die Menschen, sondern mich. Setzt meine Zeichen nicht einem geringen (weltlichen) Preis aus. Wer nicht urteilt wie AllÁh sie (die Verse) herabsendet, gehört zu den Aufsässigen. (...) Wir ließen 99

(auf die Rabbiner und Gelehrten) þÌsÁ, den Sohn Maryams, folgen, damit er die vor ihm liegende Tora (als Gottes Offenbarung) bestätige. (Außerdem) gaben wir ihm das (ebenfalls) Rechtleitung und Licht enthaltende Evangelium, welches diese Tora bestätigt. Es ist eine Rechtleitung und Lehre für die Gottesfürchtigen. 5 al-MÁÿida 44-46 Kommentar In den Versen 15-16 der SÚra 5 al-MÁÿida wird Mu½ammad auch als Gesandter der Leute der Schrift – mithin der Juden und Christen – verstanden. Das wird quasi damit begründet, dass gewisse Glaubensinhalte aus ihren Offenbarungstexten absichtlich verschwiegen wurden. Aber den aufrichtigen Glaubensgenossen dieser Religionen sollen diese Informationen nicht vorenthalten werden. Denn auch sie sollen durch den hier als Licht bezeichneten Gesandten Mu½ammad auf den heilbringenden Weg Gottes geführt werden. Das macht er, indem er einige der verheimlichten Inhalte offenlegt, jedoch einiges auch überspringt. Interessant ist dabei, dass Juden und Christen dennoch geboten wird, nach den Vorschriften ihrer jeweiligen heiligen Schriften zu urteilen. Beide Bücher werden – wie der QurÿÁn – als Licht bezeichnet, die geschichtlich aufeinander folgend entstanden sind. Mögen ihre Inhalte teilweise anders ausgefallen sein, gespeist sind sie von ein und derselben Quelle, nämlich von AllÁh, dem einzigen Gott. Gleichzeitig werden sie als rechtleitende, wegweisende Mittel betrachtet, deren Einhaltung in die Barmherzigkeit Gottes – d.h. in viel erzählten Gärten – führen wird.

B Zusammenfassung des I. und II. Kapitels Im QurÿÁn gibt es nur eine einzige Gottheit und diese heißt AllÁh. Sie ist aus sich selbst heraus existent und lebendig. Darin besteht ihre Anfangsund Endlosigkeit, d.h. ihre Existenz ist nicht zeitlich begrenzt, sondern ewig. Diese nur AllÁh eigenen Wesenszüge sind einzigartig. Wie unfassbar Gott in seiner Wesenheit ist, geht am deutlichsten aus dem Gleichnis im Lichtvers hervor. Seit Anbeginn der Offenbarung ist AllÁh als der Schöpfer des gesamten Universums zu erkennen. Mit der Erschaffung beginnt der Prozess der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf. Sich seiner Kreatürlichkeit bewusst, erfüllt jedes Geschöpf die ihm von Gott bestimmte Gesetzesmäßigkeit. Im QurÿÁn nimmt die Erschaffung des Menschen und die der Welt

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einen besonderen Platz ein. Der Mensch ist – wie die gesamte Schöpfung – zunächst durch das Wohlwollen Gottes erschaffen. Aufgrund seiner Beschaffenheit unterliegt er Schwächen und Unzulänglichkeiten. Die Unvollkommenheit des Menschen ist der Grund, warum Gott sich ihm hin und wieder kundtut. Der Mensch, soll sich laut QurÿÁn ein Verhalten aneignen, das ihn sowohl in seiner Religiosität als auch im Umgang mit seiner Umgebung besonders auszeichnet. Sensibilität und Nützlichkeit können diesbezüglich als Schlagwörter geltend gemacht werden. Dieses Verlangen Gottes wird damit begründet, dass auch er seine Beziehung zu seinen Geschöpfen einem derartigen Verhalten untergeordnet hat. Nun gibt es unter den Menschen einige, die sich dieser Pflicht aus diversen Gründen entziehen. Diesen laut QurÿÁn – unvollkommenen Menschen bietet die Welt die Gelegenheit ihre Verhaltensweisen positiv zu verändern und sich damit Gott unterzuordnen. Verse, die über den erfolgreichen Ausgang derjenigen, die glauben und Gutes tun, berichten, machen den Eindruck, dass Gott sie gleich, ohne mit ihnen abzurechnen, in die Gärten des Paradieses hereinlassen wird. Deshalb ist die Welt auch für sie stets von großer Bedeutung. Fügt sich der Mensch dem Verlangen Gottes, dann werden ihm im Jenseits Barmherzigkeit, Gnade und Belohnung zuteil; weigert er sich jedoch, Gottes Anweisungen zu folgen, zieht er im Jenseits Zorn, Ungnade und Strafe des Schöpfers auf sich. Nach dieser Logik kommt Gottes richterliche Funktion nur dann zum Tragen, wenn es nötig ist. Es lassen sich im QurÿÁn ebenfalls unzählige Aussagen finden, die auf Gottes absolute Allmacht hindeuten. Die realen Ereignisse, die Mu½ammad und seine Anhänger durchleben, zeigen jedoch, dass Gott von diesem ihm innewohnenden Vermögen nicht immer Gebrauch macht. Deshalb ist der Sinn in den Aussagen des QurÿÁn in der theozentrischen Ausdrucksweise Gottes zu suchen. Diese haben ausschließlich das Ziel, auf die Zuhörer unmittelbar zu wirken, sie zum Denken zu bewegen oder sie zu (de)motivieren etc., um damit eine Verhaltensänderung zu erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, kommen Tiere oder jenseitige Geschöpfe zu Wort. Gleichnisse werden aufgestellt und Beispiele aus der Vergangenheit gebracht. Die bevorzugte Form sind Monologe und Dialoge in direkter Rede. Das Ziel der Verse lässt Raum, Zeit und die Frage nach der realen Möglichkeit der Ereignisse in den Hintergrund treten. Gemäß dieser Absicht erfüllt auch der Begriff an-NÚr (das Licht) eine wichtige Funktion im Mahnwort Gottes. In dem Maß, wie die von Gott erwünschte Lebensweise 101

an Bedeutung gewinnt und konkretere Konturen annimmt, präzisiert sich auch ihr Bedeutungsrahmen. Ihre Erwähnung beginnt mit der mittelmekkanischen Periode, reift in der spätmekkanischen und erreicht ihren Höhepunkt in der medinensischen. Während der Begriff in der mittelmekkanischen Periode noch keine nennenswerte Funktion hat, ändert sich dies in der mittelmekkanischen. Da bezeichnet er zunächst den Prozess der Umkehr (aus den Finsternissen ans Licht). Er weist aber auch darauf hin, dass sich mit der Umkehr der begonnene Prozess weiterhin fortsetzt. Um im Rahmen der von Gott erwünschten Lebensweise (auf dem Lichte des Herrn) bleiben zu können, verlagert sich das Gewicht auf die Offenbarung (erleuchtendes Buch). Gegen Ende der Periode wird durch Bezugnahme auf vorangegangene Schriften die Bedeutung der Offenbarung nochmals bekräftigt. In der medinensischen Periode tritt neben die Problematik mit den MuÊrikÚn (die neben AllÁh an weitere Gottheiten glauben) und MuÿminÚn (die u.a. an AllÁh als einzige Gottheit glauben), auch die der MunÁfiqÚn (Heuchler), der BanÚ IsrÁÿÍl (Juden) und an-NaÈÁra (Christen) hinzu. Je nachdem, in welchem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Gruppe geführt wird, ändert sich der Bedeutungsrahmen des Begriffs an-NÚr (das Licht). Seinen Höhepunkt erreicht der Begriff im Lichtvers. Der Vers ist deshalb besonders interessant, weil er gleich im Anschluss an die Gottesbeschreibung Hinweise darauf gibt, wie man zum Licht Gottes gelangen und wie man sich davon entfernen kann. Obwohl Gott von seinem Wesen her vom Kosmos eigentlich getrennt zu sein scheint, rückt er in der Offenbarung immer wieder in die Wahrnehmung des Menschen hinein. Damit wird Gott ein fester Bestandteil des menschlichen Entwicklungsprozesses.

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III. Der Lichtvers in der Auffassung der islamischen Gelehrsamkeit A Auslegungen zum Lichtvers vom 8. bis 17. Jahrhundert 1. Der Lichtvers im Kommentar von MuqÁtil b. SulaymÁn (150/767) In seiner Auslegung betrachtet MuqÁtil b. SulaymÁn (150/767) die Aussage [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde] unabhängig vom Rest des Verses. Zu dieser Stelle meint er, dass Gott der Führer der Bewohner von Himmel und Erde sei359. Das Gleichnis mit dem [Licht] und der [Nische] im darauf folgenden Teil bezieht er auf Mu½ammad und meint: (...) [das Gleichnis des Lichtes] von Mu½ammad (Èþaw), als er in das Rückgrat seines Vaters þAbdallÁh b. þAbd al-MuÔÔalib niedergelegt wurde, [ähnelt einer Nische].360 Ähnlich wie die oben zitierte Auffassung vergleicht er der Reihe nach [die Nische] mit dem Rückgrat þAbdallÁhs und [das Glas] mit dem Leib Mu½ammads361. [Die Lampe] bezeichne den Glauben im Leib Mu½ammads. Er sei wie das Licht des [funkelnden Sterns], der auch Jupiter genannt werde362. Diesem Kommentar fügt MuqÁtil folgende Bemerkung hinzu: Als das Glas, in der sich die Lampe befand, hinaustrat, verfinsterte sich die Öffnung. Ihr Licht verschwand.363 Nach MuqÁtil (150/767) steht der [gesegnete Baum] für den Gesandten IbrÁhÍm. Den Ursprung des Lichtes Mu½ammads sieht er in IbrÁhÍm und meint, dass Mu½ammad aus dessen Nachkommenschaft abstamme364. Den 359 Vgl. MuqÁtil b. SulaymÁn, TafsÍru MuqÁtil b. SulaymÁn, Ed. þAbdullÁh Ma½mÚd Éa½Áta, Kairo 1984, Bd. 3, S. 199. 360 Ebd. S. 199. 361 Vgl. Ebd. S. 199. 362 Vgl. Ebd. S. 199. 363 Ebd. S. 199. 364 Vgl. Ebd. S. 200. 103

[Ölbaum] hingegen legt er als vortreffliche Folgsamkeit aus und bezieht sie ebenfalls auf IbrÁhÍm. Zum Versteil [weder östlich noch westlich] meint er, dass IbrÁhÍm weder in Richtung Osten – wie es die Christen taten – noch in Richtung Westen – wie es die Juden taten – gebetet hat. Er habe nur in Richtung der Kaþba gebetet365. Die Helligkeit des [Öls] bezieht er auf das Wissen IbrÁhÍms und fügt dem eine Überlieferung von AbÚ ÆÁli½ hinzu: Mu½ammad (Èþaw) war fast dabei durch die Prophetie zu sprechen, da wurde ihm kurz davor offenbart: [ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist]. Das heißt, noch bevor die Prophetie zu ihm kam, war sein Gehorsam zusammen mit dem der Propheten (þas).366 Den Versabschnitt [pures Licht] bezieht er auf die Thematik der Nachkommenschaft von Propheten. Demnach komme ein Prophet aus dem Rückgrat eines anderen Propheten und sein Ursprung beginne mit IbrÁhÍm367. Während MuqÁtil (150/767) den 35. Vers größtenteils in symbolische Bedeutungen überträgt und auslegt, führt er diese Methode in den Versen 36-40 nicht fort. Er umschreibt eher die Hauptwörter, als dass er sie auslegt. Demnach deutet er die [Häuser] in Vers 36 als Gebäude, die man nur zur Gottesanbetung errichtet habe368. Seiner Ansicht nach sprechen die Verse 36-38 jene an, die die Pflichtgebete verrichten und die Almosensteuer entrichten. Ihre schlechten Taten werde Gott nicht strafen369. Erst zum letzten Satz in Vers 38 [AllÁh versorgt, wen er möchte, ohne Abrechnung] fügt er einen Kommentar hinzu: AllÁh – der Erhabene – sagt: Es gibt über mir keinen Herrscher, der mit mir abrechnet. Ich bin der Herrscher. Ich gewähre, wem ich will, ohne abzurechnen. Ich fürchte niemanden, der mit mir abrechnet.370 Unter dem Versabschnitt [die Taten derjenigen, die ablehnen] versteht er 365 366 367 368 369 370 104

Vgl. Ebd. S. 200. Ebd. S. 200. Vgl. Ebd. S. 200. Vgl. Ebd. S. 201. Vgl. Ebd. S. 201. Ebd. S. 201.

die Ablehnenden als jene, die die Einsheit AllÁhs ablehnen371. Ihre Taten seien wie Übel372. Er sieht die Taten des Menschen für das Diesseits bestimmt und meint, dass ein KÁfir im Jenseits keines seiner Taten entbehren könne, weil er sie ohne Glauben getan habe373. So wie der [Dürstende] zugrunde gehe, wenn er an der [Luftspiegelung] angekommen nichts vorfinde und sterbe, werde auch der KÁfir am Tag der Auferstehung zugrunde gehen374. Die beiden Gleichnisse in den Versen 39 und 40 bezieht MuqÁtil zunächst auf den Glauben eines Mannes namens Éayba b. RabÍþa b. þAbd Éams b. þAbd ManÁf. Diese Person sei vor dem Beginn der Offenbarung auf der Suche nach einer Religion gewesen. Den Islam habe er jedoch abgelehnt375. Im Anschluss daran nimmt er wieder Bezug auf den Zustand eines KÁfir: Sein Herz in der Brust ist finster, in seinem Leib ist es finster und er sieht das Licht des Glaubens nicht, wie der Mann im [abgrundtiefen Meer] seine Hand nicht sieht, [wenn er sie ausstreckt]376. Im Vers [wem AllÁh kein Licht gibt, der hat eben kein Licht] bezeichnet er den Begriff [Licht] im ersten Teil als rechten Glauben und im zweiten als Rechtleitung377.

2. Der Lichtvers im Kommentar von Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) Zu dem Vers [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde] gibt Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) drei Überlieferungen an: Die erste geht auf Ibn þAbbÁs (68/687) zurück. Demnach ist Gott der Leiter der Bewohner der Himmel und Erde378. Die zweite Überlieferung ist von Ubayy b. Kaþb (32/652). 371 372 373 374 375 376 377 378

Vgl. Ebd. S. 201. Vgl. Ebd. S. 201. Vgl. Ebd. S. 202. Vgl. Ebd. S. 202. Vgl. Ebd. S. 202. Vgl. Ebd. S. 202. Vgl. Ed S. 202. Vgl. Ibn AbÍ ¼Átim, TafsÍru ÿl-QurÿÁni ÿl-þAãÍm. Musnadan þan RasÚli ÿllÁhi wa ÿÈ-Æa½Ábati wa ÿt-TÁbiþÍn, Hrsg. Asþad Mu½ammad aÔ-Óayyib, 1. Aufl., Makka ar-RiyÁ± 1997/1417, Bd. 8, S. 2593. 105

Dieser hingegen sagt, dass mit dem Vers der Gläubige, in dessen Brust der Glaube und der Koran gelegt wurden, gemeint seien379. Bei Gott seien sie wie in diesem Gleichnis, doch Gott hätte den Vers mit seinem eigenen Licht begonnen380. Die letzte Überlieferung reicht zu as-SuddÍ (127/745) zurück. Seiner Ansicht nach erleuchtet Gott mit seinem Licht Himmel und Erde381. Von Ubayy b. Kaþb (32/652) erfahren wir, dass er den Versteil [das Gleichnis seines Lichtes] etwas anders gelesen hat als die Stelle im Koran. Nämlich: [Das Gleichnis] des Lichtes dessen, der an ihn glaubt. Das ist der Gläubige, in dessen Brust der Glaube und der Koran gelegt wurden.382 Auch nach Ibn þAbbÁs (68/687) bezeichnet der Vers denjenigen, der an Gott glaubt383. Nach einer anderen Überlieferung von ihm, die gleichzeitig auf þAlÍ b. AbÍ Óal½a (143/760) zurückgeführt wird, erfahren wir, dass [das Gleichnis] des Lichtes der Rechtleitung gleicht384. Eine Überlieferung von SulaymÁn al-AþmaÊ (147/764) dagegen besagt, dass sich das Licht im Herzen des Gläubigen, in seinem Hören und Sehen ereignet385. In drei weiteren von Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) angeführten Überlieferungen wird der Versteil [das Gleichnis seines Lichtes] der Reihe nach einmal auf Mu½ammad, dann auf den Koran und zuletzt auf den Koran im Herzen bezogen386. Interessant ist auch der Hinweis von Ibn þAbbÁs (68/687), der meint, dass es sich im Vers um einen Fehler des Schreibers handle. Er solle demnach [das Gleichnis] des Lichtes des Gläubigen ähnelt einer Nische heißen387. Zum Vers [(das Gleichnis seines Lichtes) ähnelt einer Nische] gibt es ebenfalls mehrere Überlieferungen: Die [Nische] definieren einige als einen Docht bzw. als die Stelle eines Dochtes in einer Lampe und nach an379 380 381 382 383 384 385 386 387 106

Ebd. S. 2593. Vgl. Ebd. S. 2593. Ebd. S. 2593. Ebd. S. 2594. Vgl. Ebd. S. 2594. Ebd. S. 2594. Vgl. Ebd. S. 2594. Vgl. Ebd. S. 2594. Vgl. Ebd. S. 2595.

deren ist [Nische] eine Öffnung ohne Fenster388. Es gibt auch Ansichten, die unter [Nische] eine Leuchte aus Messing oder Eisen verstehen389. Erwähnenswert sind drei Überlieferungen, von denen die erste auf Ubayy b. Kaþb (32/652) zurückgeführt ist. Er meint, dass die [Nische] die Brust des Gläubigen bezeichne390. Die andere Überlieferung ist von Ibn þAbbÁs (68/ 687). Der Vers [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde. Das Gleichnis seines Lichtes ähnelt einer Nische] sei von Gott als Beispiel gegeben worden, weil einige Juden Mu½ammad gefragt hätten, wie das Licht Gottes ohne den Himmel (zu berühren auf die Erde) gelange? Daraufhin habe Gott ein Beispiel für sein Licht gegeben391. Aus der letzten Überlieferung erfahren wir, dass Ibn þAbbÁs (68/687) zu Kaþb al-A½bÁr (23-35/644655) ging, damit er ihm den Vers auslege: [Das Gleichnis] des Lichtes von Mu½ammad (Èþaw) [ähnelt einer Nische]. Die Nische ist eine Öffnung und wurde als ein Beispiel gegeben.392 Die Überlieferungen zum Versabschnitt [in der sich eine Lampe befindet] variieren zwischen einem Leuchter, dem Koran und dem Glauben in der Brust393. Aber es gibt auch hier eine Überlieferung, aus der wir erfahren, dass Ibn þAbbÁs (68/687) zu Kaþb al-A½bÁr (23-35/644-655) ging und sich nach der Auslegung erkundigte. Demnach sei die [Lampe] das Herz Mu½ammads394, das [Glas] hingegen dessen Brust395. Ibn þAbbÁs (68/687) meint zusätzlich, dass die [Lampe] ein im [Glas] befindlicher Leuchter sei und für den Gehorsam stehe396. [Die Lampe ist in einem Glas, das einem funkelnden Stern gleicht]. Das im Vers vorkommende [Glas] steht nach Ubayy b. Kaþb (32/652) für das Herz (eines Gläubigen)397. Es sei erleuchtet – [wie ein funkelnder Stern] – nachdem der Koran und der Glauben dort (einzogen)398. Kaþb al-A½bÁr 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398

Vgl. Ebd. S. 2595. Vgl. Ebd. S. 2595. Vgl. Ebd. S. 2595. Vgl. Ebd. S. 2596. Ebd. S. 2596. Vgl. Ebd. S. 2596. Vgl. Ebd. S. 2596. Vgl. Ebd. S. 2596. Vgl. Ebd. S. 2596-2597. Vgl. Ebd. S. 2597. Vgl. Ebd. S. 2597. 107

(23-35/644-655) hingegen klärt Ibn þAbbÁs (68/687) wieder auf, indem er den [funkelnden Stern] als ein Gleichnis für die Brust Mu½ammads interpretiert399. Zu diesem Vers meint as-SuddÍ (127/745) hingegen folgendes: [Das Glas] ist das Herz und die [Nische] die Brust. Wenn die [Lampe] ins [Glas] gesetzt wird, wird (das Umfeld) erleuchtet. Genau so wird auch das Herz erleuchtet. Dann dringt es aus dem [Glas] heraus und erleuchtet die Nische. Ebenso erleuchtet es die Brust. Das [Licht] dringt dann aus der Öffnung heraus und erleuchtet das Haus. Genau so dringt das Licht in die ganze Bauchhöhle und verhindert die Einfuhr des Verbotenen.400 Bis auf a±-®a½½Ák (105/723) teilen uns die Überlieferungen mit, dass mit dem Versteil [einem funkelnden Stern] ein leuchtender oder großer Stern gemeint ist401. a±-®a½½Ák (105/723) bestimmt ihn – wie MuqÁtil (150/767) – als den Jupiter402. Nach Ubayy b. Kaþb (32/652) ist mit dem [gesegneten Baum] die aufrichtige Ergebenheit gegenüber der Einsheit Gottes und seiner Verehrung gemeint, wohingegen Ibn þAbbÁs (68/687) darunter einen frommen Menschen versteht403. Dass der [Baum weder östlich noch westlich ist], bedeutet für Ubayy b. Kaþb (32/652) zarte frische Bäume, die noch kein Sonnenlicht berührt hat404. Den Vergleich bezieht er dann auf den Gläubigen. Er sei vor Versuchungen geschützt, in die Irre zu gehen. Denn Gott festige denjenigen, der sich zwischen den vier Pflocken bewege, vor derartigen Heimsuchungen405: Wenn er spricht, dann sagt er die Wahrheit. Wenn er urteilt, dann ist er gerecht. Wenn er auf die Probe gestellt wird, übt er sich in Geduld. Wenn ihm gegeben wird, zeigt er sich dankbar. Unter allen anderen Menschen ist diese Person wie ein Lebendiger, der sich unter den Verstorbenen bewegt.406 399 400 401 402 403 404 405 406 108

Vgl. Ebd. S. 2597. Vgl. Ebd. S. 2598. Vgl. Ebd. S. 2598. Vgl. Ebd. S. 2598. Vgl. Ebd. S. 2599. Vgl. Ebd. S. 2599. Vgl. Ebd. S. 2599. Ebd. S. 2599.

Darüber hinaus lassen sich noch weitere Überlieferungen finden, die Auskunft über den Ort und die Beschaffenheit des Ölbaumes geben407. [Sein Öl leuchtet schon fast, ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist.] Einige Überlieferungen zu diesem Vers beziehen das fast leuchtende [Öl] auf den Gläubigen, auf Mu½ammad oder auf Feuer408. Zum zweiten Teil des Verses meint Kaþb al-A½bÁr (23-35/644-655) zu Ibn þAbbÁs (68/687), dass Mu½ammad die Leute aufklärte, ohne zu sagen, dass er ein Prophet war, wie [das Öl schon fast leuchtet, ohne dass Feuer überhaupt daran kommt ist]409. Ubayy b. Kaþb (32/652), der seine Ansichten über den Gläubigen auch im Vers [pures Licht] fortsetzt, meint, dass sein Sprechen, seine Taten, sein Eintritt in die Welt und sein Hinaustreten aus ihr Licht seien410. Am Tag der Auferstehung werde sein Ausgang zum Licht, d.h. zum Paradies sein411. Ibn þAbbÁs (68/687) versteht darunter den Glauben und die Taten des Knechtes412. Auch as-SuddÍ (127/745) interpretiert den Vers ähnlich wie Ibn þAbbÁs413. Er meint, wie das Licht des Öls und das Licht des Feuers, nur wenn sie zusammen kommen, (ihr Umfeld) erleuchten, genau so sind das Licht des Koran und das Licht des Glaubens, wenn sie zusammen kommen414. [AllÁh führt zu seinem Licht, wen er will.] Damit ist nach Ibn þAbbÁs (68/687) der Gläubige gemeint415. [Und er prägt den Menschen die Gleichnisse.] QatÁda (117/735) meint hierzu, dass dieses Gleichnis von Gott gegeben wurde416. [AllÁh weiß über alles Bescheid:] nach SaþÍd b. ¹ubayr (95/714) ist Gott über die Taten der Menschen informiert417. Zu den [Häusern] in Vers 36 teilt uns Ibn þAbbÁs (68/687) in Übereinstimmung mit einigen anderen mit, dass diese Moscheen sind, in denen Gott verehrt wird und worin törichtes Gerede untersagt ist418. Ibn AbÍ 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418

S. Ebd. S. 2599-2602. Vgl. Ebd. S. 2602. Vgl. Ebd. S. 2603. Vgl. Ebd. S. 2603. Vgl. Ebd. S. 2603. Vgl. Ebd. S. 2603. Vgl. Ebd. S. 2603. Vgl. Ebd. S. 2603. Vgl. Ebd. S. 2603. Vgl. Ebd. S. 2604. Vgl. Ebd. S. 2604. Vgl. Ebd. S. 2604. 109

¼Átim (327/939) räumt aber auch ein, dass es Überlieferungen gebe, die andere Ansichten vertreten. So meint z.B. MuºÁhid (103/721), dass damit die Häuser des Propheten gemeint seien419 und þIkrima (105/723) bezieht sie auf alle Häuser oder Wohnorte420. Kaþb al-A½bÁr (23-35/644-655) hingegen zitiert aus der Tora einen Vers: Sind meine Häuser auf Erden keine Tempel...?421 [(Häuser, ...) in denen sein Name erwähnt wird. Darin preisen ihn morgens und abends Leute.] Den Überlieferungen zu dieser Versstelle ist größtenteils gemein, dass sie auf das rituelle Gebet hinweisen. Die Überlieferungen variieren allerdings in den Gebetszeiten422. [Leute, die von dem Gedenken AllÁhs weder Handel noch Kaufgeschäfte ablenken.] Eine Überlieferung hierzu wird auf Mu½ammad zurückgeführt. Er habe dazu gesagt, dass diese [Leute] auf der Erde umherzogen und die Gunst Gottes anstrebten423. Ibn þAbbÁs (68/687) verbindet diese Verstelle mit dem Gleichnis in Vers 35. Gott führe dieses Gleichnis für jene Leute an, die vom Gedenken Gottes nichts abhalte424. Ibn þOmar (74/ 693) berichtet, dass er einst auf dem Markt war, als zum Gebet gerufen wurde. In dem Moment schlossen die Verkäufer ihre Stände und begaben sich in die Moschee. Daraufhin habe er gesagt, dass die Versstelle für diese Leute herabgesandt worden sei425. Weitere Überlieferungen berichten aber auch, dass mit [Leute] jene gemeint sind, die – während sie einkaufen – mit dem Eintritt der Gebetszeit ihrer Pflicht nachgehen426. [(...) ebenso nicht vom Verrichten des Gebets noch vom Entrichten der Läuterungsgabe.] Zum [Gebet] variieren die Überlieferungen ebenfalls. Einige weisen auf die rituellen Gebete427 hin, eine hingegen auf das Freitagsgebet428. Nach Ibn þAbbÁs (68/687) ist mit der [Läuterungsgabe] der Gehorsam und die Aufrichtigkeit gegenüber Gott gemeint429. 419 Vgl. Ebd. S. 2604. 420 Vgl. Ebd. S. 2605. 421 Vgl. Ebd. S. 2605. Welche Stelle Kaþb al-A½bÁr (23-35/644-655) aus der Tora zitiert, ist nicht angegeben. Sie könnte sich auf Jesaja 56:7 beziehen. 422 Vgl. Ebd. S. 2606. 423 Vgl. Ebd. S. 2607. 424 Vgl. Ebd. S. 2607. 425 Vgl. Ebd. S. 2607. 426 Vgl. Ebd. S. 2607-2608. 427 Vgl. Ebd. S. 2608-2609. 428 Vgl. Ebd. S. 2609. 429 Vgl. Ebd. S. 2609. 110

[Für das Beste, was sie getan haben, wird AllÁh sie belohnen und ihnen von seiner Huld noch mehr geben.] Hierzu gibt es eine Überlieferung, die erneut auf Mu½ammad zurückgeführt wird. Darin teilt er mit, dass alle Geschöpfe am Tag der Auferstehung – wenn Gott sie versammelt – die Stimme eines Rufers hören würden. Dann würden die Versammelten wissen, wer Anspruch auf die Güte (Gottes) habe, da sich diejenigen, [die vor dem Gedenken AllÁhs weder Handel noch Kaufgeschäfte ablenk(t)en], durch den Ruf aufstehen würden430. Danach werde Gott mit den Übrigen abrechnen431. Für den Versteil [und ihnen von seiner Huld noch mehr geben] meint al-AþmaÊ (147/764), dass die Fürsprache Gottes demjenigen gelte, der eigentlich für die Hölle bestimmt sei, aber jemandem im Diesseits eine Gefälligkeit erwiesen habe432. [AllÁh versorgt, wen er möchte, ohne Abrechnung.] Hierzu meint arRabÍþ b. Anas (140/757), dass keiner der Abrechnung entkommen werde und (in diesem Bewusstsein) befürchte, dass ihm das, was er (an guten Taten) bei sich habe, verringert werde. Doch Gott werde so etwas nicht tun433. Ubayy b. Kaþb (32/652) legt Vers 39 [die Taten derjenigen, die ablehnen, sind wie eine Luftspiegelung im Flachland] so aus: Der KÁfir glaube zwar, eine Wohltat bei sich zu haben, wenn er am Tag der Auferstehung vor Gott stehe. Er werde jedoch nichts davon vorfinden. Dann werde Gott ihn ins Feuer eintreten lassen434. Die darauf folgenden Äußerungen zur [Luftspiegelung im Flachland] variieren zwischen Flachland, Wind, Erdfleck und wasserlose Wüste435. [Der Dürstende hält sie für Wasser, bis er dort (an der Luftspiegelung) ankommt und nichts vorfindet.] Nach einer Überlieferung von den Gefährten Mu½ammads sollen die KuffÁr (die Ablehnenden) im Jenseits in der Nähe einer Wasserstelle auferstehen und gleich danach fragen. Da wird ihnen eine [Luftspiegelung] erscheinen, von der sie glauben, dass sie Wasser sei. Dort in Eile angekommen würden sie statt dessen Gott vor sich finden, der ihnen im vollen Maß geben und schnell mit ihnen abrechnen werde436. 430 431 432 433 434 435 436

Vgl. Ebd. S. 2610. Vgl. Ebd. S. 2610. Vgl. Ebd. S. 2610. Vgl. Ebd. S. 2610. Vgl. Ebd. S. 2610. Vgl. Ebd. S. 2611. Vgl. Ebd. S. 2611. 111

Ibn þAbbÁs (68/687) überträgt den Vers von einem [Dürstenden] auf die Taten eines KÁfir. Da er im Diesseits nicht nach den Regeln gelebt habe, würden ihn seine Taten nach dessen Tod nicht bereichern oder ihm keinen Nutzen bringen437. Auch wenn sich weitere Überlieferungen von dem bisher Erwähnten unterscheiden, sind sie sich darüber einig, dass hier die Taten eines KÁfir mit einem Gleichnis eines durstigen Menschen verglichen werden, den eine [Luftspiegelung] täusche. Gemein ist ihnen auch, dass sich die Deutungen bis zur Ankunft an der [Luftspiegelung] aufs Diesseits beziehen und dann der Tod eintrifft. Der Rest des Gleichnisses ereignet sich im Jenseits am Tag der Auferstehung438. Die Versstelle [(in dem Moment) findet er AllÁh bei sich, der mit ihm abrechnet. AllÁh ist schnell im Abrechnen] bedeutet, dass sobald dieser Zustand eintrifft, sie geholt, ihnen ihre Taten aufgezählt und mit ihnen abgerechnet wird439. Eine Überlieferung von Ibn þAbbÁs (68/687) zu Vers 40 [oder (die Taten derjenigen, die ablehnen,) sind wie Finsternisse] bezieht dieses Mal [die Finsternisse] auf die Taten und das [abgrundtiefe Meer] bezeichne das Herz des Menschen440. So ähnlich interpretiert auch QatÁda (117/735) den Vers und meint, dass die KÁfir in Finsternis und in Verwirrung handeln441. Die [übereinander ragenden] und nochmals [von Wolken überdeckten Wogen] versteht er als eine Hülle auf dem Herzen, auf dem Gehör und über den Augen442. Dann stellt er einen Bezug zu 2 al-Baqara 7 und 45 al-¹ÁÝiya 23 her, in denen ebenfalls der Zustand eines KÁfir beschrieben werde443. In der [puren Finsternis] sieht Ubayy b. Kaþb (32/652) fünf Gesichtspunkte, zwischen denen sich der KÁfir bewegt: Seine Worte, seine Taten, sein Eintritt (in die Welt) und sein Verscheiden sind jeweils eine Finsternis. Darüber hinaus wird sein Ausgang am Tag der Auferstehung in die Finsternisse, d.h. ins Feuer sein.444 437 438 439 440 441 442 443 444 112

Vgl. Ebd. S. 2611-2612. Vgl. Ebd. S. 2612. Vgl. Ebd. S. 2613. Vgl. Ebd. S. 2613. Vgl. Ebd. S. 2613. Vgl. Ebd. S. 2614. Vgl. Ebd. S. 2614. Ebd. S. 2614.

ar-RabÍþ b. Anas (140/757) überliefert dasselbe mit dem Zusatz, dass der wiederauferstandene Tote unter den Menschen wandelt, ohne begriffen zu haben, was er hat und was mit ihm passiert ist445. Gott habe den Gehorsam als [Licht] und den Ungehorsam als [Finsternis] bestimmt. Der Glaube im Diesseits werde am Tag der Auferstehung Licht sein. Dort hätten weder Wort noch Tat etwas Wohltuendes an sich446. as-SuddÍ (127/745) meint dagegen, dass es drei [Finsternisse] gebe: Diese seien die Finsternisse der Nacht, die des Meeres und die der Wolken. Ebenso beträfen das Herz des KÁfir drei Finsternisse: Die des Herzens, die der Brust und die der Bauchhöhle447. QatÁda (117/735) interpretiert die Versstelle ebenfalls auf einen KÁfir bezogen, der im Irrtum umhertappt und nicht rechtgeleitet ist448. þAbdurra½mÁn b. Zayd (182/798) versteht unter der [puren Finsternis] hingegen großes Übel449. [Wenn er seine Hand ausstreckt, kann er sie kaum sehen.] Zu dieser Versstelle gibt es zwei Überlieferungen. Beide meinen, dass man überhaupt nichts sehen könne. Nur QatÁda (117/735) – der Letztere von beiden – fügt hinzu, dass er in der Finsternis keine Öffnung und keinen Ausgang finde450. [Wem AllÁh kein Licht gibt, der hat eben kein Licht.] Hierzu meint asSuddÍ (127/745), dass damit derjenige, der keinen Glauben hat, gemeint sei451.

3. Der Lichtvers im Kommentar von aÔ-ÓabarÍ (310/923) aÔ-ÓabarÍ (310/923) ist der Ansicht, dass mit dem Versabschnitt [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde] Gott als Leiter der Bewohner von Himmel und Erde gemeint sei452. Er sagt, dass die Bewohner durch sein Licht zur Wahrheit geführt werden und durch seine Rechtleitung Schutz vor der Unsicherheit von Irrtümern suchen453. Dann führt er Überlieferungen von Ibn þAbbÁs (68/687) und Anas b. MÁlik (179/795) an, die seine Interpreta445 446 447 448 449 450 451 452 453

Vgl. Ebd. S. 2614. Vgl. Ebd. S. 2614. Vgl. Ebd. S. 2615. Vgl. Ebd. S. 2615. Vgl. Ebd. S. 2615. Vgl. Ebd. S. 2615. Vgl. Ebd. S. 2615. Vgl.aÔ-ÓabarÍ, ¹Ámiþu ÿl-BayÁn , Bd. 18, S. 135. Vgl. Ebd. S. 135. 113

tion unterstützen454. Nach einer weiteren Überlieferung von Ibn þAbbÁs (68/687) und MuºÁhid (103/721) sei der Vers auch so zu verstehen, dass Gott die Sterne, die Sonne und den Mond im Himmel und auf Erden lenke455. Einer dritten Ansicht nach ist mit an-NÚr a±-®iyÁÿ das (sinnlich wahrnehmbare) Licht der Himmel und Erde gemeint456. Dann leitet aÔ-ÓabarÍ (310/923) die bis dahin geführten Deutungen zum Personalpronomen sein für den Versabschnitt [das Gleichnis seines Lichtes] ein457. Da sich die Überlieferungen mit denen von Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) größtenteils decken, soll hier nur aufgezählt werden, was darunter der Reihe nach verstanden wurde: • der Gläubige458 • Mu½ammad459 • die Rechtleitung im Herzen des Gläubigen460 • der Koran im Herzen461 • der Gehorsam462 Die Anfrage der Juden, wie das Licht Gottes zur Erde gelange, und die Überlieferungen zur Bedeutung der [Nische], der [Lampe], dem [Glas], dem [funkelnden Stern], dem [Baum] und dem [Öl], decken sich ebenfalls mit denen von Ibn AbÍ ¼Átim (327/939)463. aÔ-ÓabarÍ (310/923) fügt zusätzlich eine Überlieferung von Ibn þAbbÁs (68/687) hinzu: Das Gleichnis der Rechtleitung im Herzen des Gläubigen ist so, als ob reines Öl leuchtet, bevor es angezündet ist. Wenn es aber angezündet wird, dann leuchtet es stärker. So ist das Herz des Gläubigen. Es handelt, noch bevor das Wissen zu ihm gelangt ist. Wenn es jedoch dort ankommt, dann ist es noch mehr rechtgeleitet. Licht über Licht. So wie IbrÁhÍm (Èþaw), bevor ihn die Erkenntnis erreichte und er zum Stern, dieser ist mein Herr, sagte, ohne dass ihn jemand in Kenntnis setzte, dass er einen Herrn

454 455 456 457 458 459 460 461 462 463 114

Vgl. Ebd. S. 135. Vgl. Ebd. S. 135. Vgl. Ebd. S. 135. Vgl. Ebd. S. 136. Vgl. Ebd. S. 136. Vgl. Ebd. S. 136. Vgl. Ebd. S. 137. Vgl. Ebd. S. 137. Vgl. Ebd. S. 137. Vgl. Ebd. S. 137-140.

hat. Und als AllÁh ihm mitteilte, dass er sein Herr ist, vermehrte sich seine Rechtleitung.464 aÔ-ÓabarÍ (310/923) selbst teilt auch die Ansicht, dass dieses Gleichnis für den in den Herzen der Gläubigen liegenden Koran gegeben wurde465: [Das Gleichnis des Lichtes] Gottes (ist der Koran), der den Pfad der Vernunft für seine Knechte erleuchtet. (Gott hat ihn) seinen Knechten herabgesandt und sie haben an ihn geglaubt und einschließlich in ihren Herzen für wahr gehalten. Das Gleichnis der [Nische], die der Stiel der Leuchte ist, in dem sich ein Docht befindet, gleicht der fensterlosen Lichtöffnung in der Wand. Wenn dieser Stiel für die Nische steht, weil er (auch) keine Öffnung hat, hohl und (nur) am oberen Teil offen ist, dann ist er wie die Lichtöffnung. Dann sagte er (Gott): [in der sich eine Lampe befindet]: Die [Lampe] ist eine Leuchte. Sie steht für [die Lampe] als Gleichnis, nachdem ins Herz des Gläubigen der Koran und die offenkundigen Zeichen (einzogen). Darauf sagte er (Gott): [Die Lampe ist in einem Glas]: das bedeutet, dass die Leuchte in der [Nische] steht. Über der [Lampe] ist [Glas]. Das ist ein Gleichnis für den Koran. (Der Vers) besagt: Der Koran befindet sich im Herzen des Gläubigen. AllÁh erleuchtet dessen Herz. Über dem Herzen ist die Brust. Die Brust ist ein Gleichnis für die Aufrichtigkeit (im Glauben, die im Gegensatz zur) Gotteslästerung und Zweifel steht. Sie erleuchtet mit dem Licht des Koran und strahlt mit den offenkundigen Versen. Eine Lehre Gottes ist auch der [funkelnde Stern:] Das [Glas] und diese Brust des Gläubigen, in dem sich sein Herz befindet, sind wie ein [funkelnder Stern].466 aÔ-ÓabarÍ (310/923) meint auch, dass das [Glas] die Brust des Gläubigen bezeichne und der [Stern] ihre Reinheit, ihren Glanz und ihre Schönheit467. Sie sei frei von Ungewissheit und Zweifel und aufgrund des Glaubens an Gott fern vor Verworfenheit und Sünde, so wie der Stern in seiner Reinheit, in seinem Glanz und in seiner Schönheit Perlen ähnele468. 464 Ebd. S. 138. 465 Ebd. S. 140. 466 Ebd. S. 140. Als nächstes leitet aÔ-ÓabarÍ (310/923) eine Diskussion der Lesart zum Adjektiv durrÍ (funkeln) ein und teilt die Ansicht derjenigen Rezitatoren, die den Buchstaben dÁl mit dem Vokal -u aussprechen. Vgl. Ebd. S. 140. 467 Vgl. Ebd. S. 141. 468 Hier beginnt eine neue Diskussion zur Lesart des Verbs auqada (anzünden, leuchten). aÔ-ÓabarÍ (310/923) neigt dazu, das Verb im V. Stamm zu lesen. Er 115

Wie Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) gibt auch aÔ-ÓabarÍ (310/923) alle zur räumlichen Befindlichkeit des [Baumes] und zur Beschaffenheit seines [Öls] geführten Ansichten an469. Weil Gott im Vers vielmehr das in der Lampe brennende Öl in seiner Reinheit und Qualität beschreibe, sei – nach aÔÓabarÍs Ansicht – der Baum ost-westlich liegend und sein Öl zweifelsohne besser, reiner und glänzender470. Zu der Versstelle [ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist], meint er ebenfalls, dass damit der Koran gemeint sei: Dieser Koran ist von AllÁh. Er ist sein Wort. Er setzte (zunächst) sein Gleichnis fest und verglich (dann) die Existenz seinerseits, so wie die Lampe von einem gesegneten Baum brennt, die der Erhabene zwei Mal im Vers beschrieb.471 Den Versabschnitt [sein Öl leuchtet schon fast] deutet aÔ-ÓabarÍ (310/923) als Beweise Gottes, die er gegen den Menschen erwähnt hat472. Er meint, dass die Beweise schon aufgrund ihrer Deutlichkeit und Klarheit für den, der darüber nachdenke, leuchteten oder dass er auf sie (gänzlich) verzichtete473. Und zur Versstelle [ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist] meint er, ohne dass Gott (die Beweise) vermehrt hat474: Gott sei klar und deutlich. Mit der Herabsendung des Koran habe er auf seine Einsheit aufmerksam gemacht. Wie sonst hätte er die Menschen darauf hingewiesen und sie an seine Zeichen erinnert. So habe er (nur) ein Argument zu den vorherigen hinzugefügt475. [Pures Licht] sei demnach der Koran, das von Gott an die Menschen herabgesandt wurde und sie erleuchtete; nämlich gegen die Argumente und Erklärungen, die vor seiner Herabsendung aufgestellt wurden. Somit habe Gott sie auf die Wahrheit und auf seine Einsheit hingewiesen476. Das Wort Licht im Vers [AllÁh führt zu seinem Licht, wen er will] bezieht aÔ-ÓabarÍ (310/923) auch auf den Koran. Gott bestimme, wer von

469 470 471 472 473 474 475 476 116

meint, dass es eine Beschreibung der Lampe ist, nämlich dadurch, dass sie brennt. Vgl. Ebd. S. 141. Vgl. Ebd. S. 141-142. Vgl. Ebd. S. 143. Ebd. S. 143. Vgl. Ebd. S. 143. Vgl. Ebd. S. 143. Vgl. Ebd. S. 143. Vgl. Ebd. S. 143. Vgl. Ebd. S. 143.

den Menschen den Koran einhalte. Er meint, dass Gott die Gleichnisse für die Menschen anführe und dass er der Besitzer von Wissen sei477. Die Aussage über die [Lampen] in Vers 36 legt aÔ-ÓabarÍ (310/923) im Zusammenhang mit der [Lampe] in Vers 35 aus. Zum Versabschnitt [Häuser, die AllÁh zu errichten erlaubte] hingegen schließt er sich der Ansicht von MuºÁhid an, der meint, dass mit Häusern Gebäude gemeint seien, deren Grundmauern erhöht wurden, wie es im Vers 127 der SÚra 2 al-Baqara angegeben ist478. aÔ-ÓabarÍ sagt aber auch, dass Häuser einfach nur Häuser bedeuteten479. Dann führt er die uns schon von Ibn AbÍ ¼Átim (327/ 939) bekannten Ansichten an, die besagen, dass damit Moscheen gemeint seien480. In diesem Zusammenhang fügt aÔ-ÓabarÍ hinzu, dass darin der Koran rezitiert werde481 und dass Leute dort am Morgen und am Abend beten482. [Darin preisen ihn morgens und abends Leute, die von dem Gedenken AllÁhs weder Handel noch Kaufgeschäfte ablenken.] Hier geht es – wie bei AbÍ ¼Átim (327/939) bereits angegeben – um Leute, die, sobald sie den (rituellen) Gebetsruf vernähmen, alles stehen und liegen ließen und zum Gebet eilten483. [... ebenso nicht vom Verrichten des Gebets noch vom Entrichten der Läuterungsgabe.] Hierzu meint aÔ-ÓabarÍ, dass es sich um die Gebote des Gebets und die der Almosensteuer handle und führt zur Unterstützung die Versstellen 19 Maryam 31; 24 an-NÚr 21; 19 Maryam 13 an484. [Sie fürchten einen Tag, an dem sich ihre Herzen und Augen hin und her wenden.] Am Tag der Auferstehung, so aÔ-ÓabarÍ, werden sich die Herzen vor Schrecken hin und her wenden. Das Verlangen, gerettet und die Befürchtung, vernichtet zu werden, erleben sie gleichzeitig. Ihre Blicke wenden sich nach rechts und links, um zu sehen, aus welcher Richtung sie ihr Buch bekommen.485 477 478 479 480 481 482 483

Vgl. Ebd. S. 143. Vgl. Ebd. S. 145. Vgl. Ebd. S. 145. Vgl. Ebd. S. 144-145. Vgl. Ebd. S. 145. Vgl. Ebd. S. 146. Vgl. Ebd. S. 146-147. Im Anschluss dieser Versstelle diskutiert aÔ-ÓabarÍ (310/923) über die Verbform und den Verbalsubstantiv von iqÁma (verrichten). Vgl. Ebd. S. 147. 484 Vgl. Ebd. S. 147-148. 485 Ebd. S. 148. 117

[Für das Beste, was sie getan haben.] aÔ-ÓabarÍ (310/923) meint, dass sich die Leute, von denen hier im Vers die Rede sei, vom Gottesgedenken in ihrem alltäglichen Leben nicht ablenken ließen. Er sagt, dass sie beten, die Almosensteuer entrichten und ihrem Herrn gehorchen, um sich vor der Strafe am Tag des Gerichts zu schützen 486. Sie würden so handeln, damit Gott ihnen ihre besten Taten im Diesseits am Tag des Gerichts aufrechne und sie durch seine Güte reichlich belohne487. [AllÁh versorgt, wen er möchte, ohne Abrechnung.] Gott werde seine Großzügigkeit, wem er möchte, zeigen und ihn zu seiner Größe und Würde hinführen, ohne darauf zu achten, ob er einen Anspruch darauf habe oder ihn mit seinem (geleisteten) Gehorsam erreiche488. Die Verse 39-40 sind für die Taten der KÁfir angegeben489. Unter diesem Begriff versteht aÔ-ÓabarÍ (310/923) denjenigen, der die Einsheit Gottes abstreitet und den Koran leugnet490. Dessen [Taten] seien wie eine [Luftspiegelung], da diese nicht an der Erde hafte 491. Er meint, dass sie sich gegen Mittag ereigne und zwischen Himmel und Erde wie Wasser aussehe492. [Im Flachland] hingegen bezeichne den Ort, an dem sich eine Luftspiegelung in Form einer Dehnung und Ausweitung des Bodens ereigne493. Sie erscheine einem verdurstenden Menschen wie [Wasser], bis er dort ankomme und nichts vorfinde. Diesen Zustand des Verdurstenden vergleicht aÔ-ÓabarÍ (310/923) mit den Taten eines KÁfir494. Er sei hochmütig und glaube, vor Gottes Strafe sicher zu sein, so wie der Dürstende eine Luftspiegelung sehe und glaube, Wasser gesehen zu haben495. Wenn er – an der Luftspiegelung angekommen – nichts vorfinde und an seinem Durst zugrunde gehe, beginne das Leben im Jenseits. Dort warte er angewiesen auf seine Taten und glaube, dass seine Leistungen ihm Vorteile verschafften. Er werde davon jedoch nichts vorfinden,was ihm nütze496. Nach aÔ-Óa486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 118

Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 148 Vgl. Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 148.

barÍs Ansicht hat die Tat eines KÁfir keinen Wert, weil er sie in Ablehnung (der Einsheit Gottes und des Koran) tue. Denn Gott habe versprochen, das im Diesseits Verübte im Jenseits am Tag der Auferstehung abzurechnen und ihn für das, was er verdiene, zu bestrafen497. [AllÁh ist schnell im Abrechnen.] Da Gott es nicht nötig habe, sich die Taten des Menschen zu merken oder im Gedächtnis zu behalten, werde er schnell mit ihm abrechnen. Er kenne ohnehin all die Taten, noch bevor er sie tue498. Die Taten des KÁfir in Vers 40 würden in fehlgehendem, verdorbenem, irrendem und ratlosem Zustand ohne Rechtleitung begangen, so aÔ-ÓabarÍ (310/923)499. Sie glichen der Finsternis im [abgrundtiefen Meer]. Das Meer sei größtenteils von übereinander liegenden Wogen überdeckt und auch darüber lägen Wolken. Das [abgrundtiefe Meer] bezieht er auf das Herz des KÁfir500: Denn die Tat ist ein Bau des Herzens, doch sieht aÔ-ÓabarÍ (310/923) es von der Unwissenheit überschwemmt501. Der Irrtum und die Verwirrung hätten es – wie in der Beschreibung der [übereinander ragenden Wogen] und [Wolken] – überwältigt: Sein Herz ist versiegelt, sodass er Gott nicht mehr begreifen kann. Sein Gehör ist versiegelt, sodass er die Ermahnung Gottes nicht mehr hören kann. Auf seinen Augen liegt ein Schleier, sodass er die Beweise Gottes nicht mehr sehen kann.502 So lägen jene Finsternisse übereinander503. Zum Versteil [wenn er seine Hand ausstreckt, kann er sie kaum sehen] meint er, dass die Finsternis so intensiv sei, dass man die ausgestreckte Hand kaum sehe504. [Wem AllÁh kein Licht gibt] bedeute, wem Gott keinen Glauben und keine Rechtleitung gebe, wer im Irrtum sei und sein Buch nicht kenne505. Und zum letzten Versteil [der hat eben kein Licht] meint aÔ-ÓabarÍ (310/923), dass dieser keinen Glauben und keine Rechtleitung habe und Gottes Buch, den Koran, nicht kenne506.

497 498 499 500 501 502 503 504 505 506

Vgl. Ebd. S. 148. Vgl. Ebd. S. 149. Vgl. Ebd. S. 150. Vgl. Ebd. S. 150. Vgl. Ebd. S. 150. Vgl. Ebd. S. 150. Vgl. Ebd. S. 150. Vgl. Ebd. S. 151. Vgl. Ebd. S. 151. Vgl. Ebd. S. 151. 119

4. Der Lichtvers in der Abhandlung MiÊkÁtu ÿl-AnwÁr von AbÚ ¼Ámid Mu½ammad al-³azÁlÍ (505/1111) [Gott ist das Licht von Himmel und Erde.] al-³azÁlÍ trennt gleich zu Beginn seiner Abhandlung das Licht Gottes von allen anderen Begriffen des Verses. Keiner davon hätte eine wirkliche Bedeutung und sei nur eine Metapher507. Denn Gott ist das eigentliche Licht, weil er an sich leuchtet und alles andere außer sich selbst erleuchtet.508 Das Licht leuchte aus sich heraus, ohne Beteiligung von etwas anderem und in den Händen dieses wirklichen Lichtes liege die Schöpfung und die Führung509. Nach al-³azÁlÍ gibt es nur ein wirklich existentes Wesen und das sei Gott. Alles andere sei nicht wirklich existent. Alle Dinge seien nur im Hinblick auf Gott relevant. Sie existierten nicht aus sich selbst heraus, sondern nur von Gott aus, weil seine Existenz auf die Dinge einströme510. Sie seien der Existenz Gottes untergeordnet bzw. abhängig davon. Unter dieser Voraussetzung gehöre das Licht im Himmel und auf Erden ebenfalls in den nicht wirklich existenten Seinsbereich. Demnach gebe es in den Himmeln und auf Erden zwei Arten von Licht511. Eines davon sei das sinnlich wahrnehmbare Licht (al-BaÈar), das von den Gestirnen, der Sonne oder dem Mond ausströme. Das zweite Licht sei das der Vernunft (alBaÈÍra), welches auch als geistige Wahrnehmung verstanden werden könne. al-³azÁlÍ teilt außerdem die Welt in zwei sogenannte Seinsbereiche: Im rationalen Bereich (höhere Welt) existierten Engel als vernünftige, geistige Lichter, im sinnlichen Bereich (niedere Welt) hingegen nur Tiere und Menschen512. Unter den Menschen gebe es einige, die in die Himmel der Wahrheit, d.h. zum Ort Gottes aufstiegen. Diese seien die Kenner (þÀrifÚn)513. Sie gelangten dahin durch wissenschaftliche Erkenntnis 507 AbÚ ¼Ámid al-³azÁlÍ, MiÊkÁtu ÿl-AnwÁr, Hrsg. AbÚ ÿl-þAlÁÿ þAfÍfÍ, Kairo 1964/1383, S. 41. 508 Vgl. Ebd. S. 54. 509 Vgl. Ebd. S. 54. 510 Vgl. Ebd. Kapitel ¼aqÍqatu ÿl-¼aqÁÿiq, S. 55-56. 511 Vgl. Ebd. S. 59. 512 Vgl. Ebd. S. 59. 513 Vgl. ElschazlÍ übersetzt das Wort als Gnostiker. Vgl. in: AbÚ ¼Ámid al-³azÁlÍ, Die Nische der Lichter. MiÊkÁtu ÿl-AnwÁr, aus dem Arabischen übersetzt, mit einer Einleitung, mit Anmerkungen und Indices herausgegeben von þAbd-ElÈamad þAbd-El½amÍd ElschazlÍ, Felix Meiner Verlag, Hamburg 1987, S. 22. 120

(þIrfÁn þIlmÍ) oder durch Schmecken (©awq)514. Doch sei diese Angelegenheit nur den Gottesgelehrten bekannt515. al-³azÁlÍ versteht den Vers [Gott ist das Licht von Himmel und Erde] in dem Sinne, dass das [Licht] aufgrund der Stärke seiner Helligkeit auf Anhieb nicht im Vordergrund unserer Wahrnehmung läge. Dennoch meint er, wir könnten nicht sagen, dass es nicht existiere. Wir würden die Dinge wahrnehmen, weil das Licht ihre Wahrnehmung ermögliche516. Demnach sei Licht aus sich selbst heraus sichtbar und mache die Dinge erkenntlich. Diese Eigenschaft des Lichtes ermögliche, in allen Dingen Gott sowohl sinnlich als auch vernunftmäßig wahrzunehmen517. Das Licht unterscheide sich vom Licht Gottes insofern, als dass das Licht Gottes nicht etwas Vergängliches sei. Das sinnlich wahrnehmbare Licht verändere sich, wenn die Dunkelheit eintreffen würde. So ein Zustand sei für das Licht Gottes nicht denkbar. So wie das Licht – aufgrund der Stärke seiner Helligkeit – unsichtbar ist, so sei auch Gott – aufgrund der Stärke seiner Sichtbarkeit – verborgen. Im zweiten Kapitel führt al-³azÁlÍ seine Ansichten über die höhere und niedere Welt weiter aus. Wie bereits erwähnt, sieht er die niedere (sinnliche) Welt als einen Ort, der den Aufstieg in die höhere (rationale) Welt ermögliche. Das gelinge, weil zwischen beiden Welten eine Ähnlichkeit und eine Verbindung existiere518. Aufgrund dieser Analogie meint er, dass es für alle Gegenstände in der niederen Welt ein oder mehrere Symbol(e) in der höheren Welt gebe und umgekehrt519. In diesem Zusammenhang könne der Mensch, wenn seine Seele520 die vierte Ebene (der Reife) erreiche, den Gegenständen ihre symbolische Bedeutung zuordnen521. Dieser Reifezustand treffe auf die Bezeichnung Denkende Seele (ar-RÚ½u ÿl-FikrÍ) zu, die die reinen rationalen Erkenntnisse aufgreife, zwischen ihnen Zusammenhänge und Parallelen herstelle und durch sie zu wertvollen Ergebnissen gelange522. Weil dieser Prozess bis ins Unendliche weitergeführt wer514 515 516 517 518 519 520 521 522

Vgl. al-³azÁlÍ, MiÊkÁtu ÿl-AnwÁr, S. 57. Vgl. Ebd. S. 61. Vgl. Ebd. S. 63. Vgl. Ebd. S. 63. Vgl. Ebd. S. 66-67. Vgl. Ebd. S. 67. Dazu unten gleich mehr. Vgl. Ebd. S. 77. Vgl. Ebd. S. 77. 121

den könne, vergleicht al-³azÁlÍ die Denkende Seele mit dem [gesegneten Baum] in Vers 35. Seine Zweige vermehrten sich wie die Erkenntnisse. Aus ihm gingen Früchte hervor, woraus wiederum Samen gewonnen werden. al-³azÁlÍ meint, wenn die Früchte des Baumes eine Substanz für die Vermehrung, die Festigkeit und Beständigkeit der Lichter der Erkenntnisse seien, so würden sie nicht mit einem Quitten-, Apfel-, Granatapfelbaum oder einem anderen verglichen werden, sondern mit dem Olivenbaum als einzigem bzw. bedeutendstem aller Bäume. Denn das Mark seiner Früchte beinhalte [Öl], welches wiederum Brennmaterial der [Lampe] sei. Unter allen Ölarten habe Olivenöl die stärkste Leuchtkraft und entwickle den geringsten Rauch. Aufgrund der großen Anzahl seiner Früchte sei er [gesegnet]. Die in jede Richtung wachsenden Zweige deutet er so, dass der [Baum weder östlich noch westlich] sei523. Die hier nur mit der vierten Seele dargestellte Analogie zu Vers 35 führt al-³azÁlÍ zusammen mit vier weiteren Stufen der Seele auf. Die Seele unterliege insgesamt fünf Ebenen der Reife und eine jede finde ihre Entsprechung in den in Vers 35 aufgezählten Gegenständen. So sei die erste die (sinnlich) Wahrnehmende Seele (ar-RÚ½u ÿl-¼assÁs)524. Sie empfange das, was ihr die fünf Sinne übermittelten. al-³azÁlÍ sieht diese Ebene als grundlegende Basis für das Lebendigsein der Lebewesen und setzt ihren Beginn mit der Geburt an525. Die Lichter dieser Seele befänden sich in den Körperöffnungen wie den Augen, Ohren oder der Nase und symbolisch fänden sie ihre Entsprechung in der niederen Welt in der [Nische]526. In einer etwas späteren Entwicklungsphase eines Kindes, nämlich, wenn es beginne, die über die fünf Sinne gewonnenen Erfahrungen zu speichern und sie zu bewahren, setze die zweite Ebene der Seele an. Diesen Teil bezeichnet al-³azÁlÍ als die Vorstellende Seele (ar-RÚ½u ÿl-¾ayÁlÍ)527. Den Prozess des Speicherns und Bewahrens von Erfahrungen sieht er als eine Notwendigkeit für die Entwicklung der dritten Seele. In Bezug auf die niedere Welt habe die Vorstellende Seele zunächst die Eigenschaft, die Dinge in ihrer äußerlichen dichten Beschaffenheit zu erkennen und zweitens, die gewonnenen Erkenntnisse zu verfeinern. Sobald der Prozess des Verfeinerns beginne, lasse sie zu, dass das Licht aus der höheren Welt 523 524 525 526 527 122

Vgl. Ebd. S. 80-81. Vgl. Ebd. S. 76. Vgl. Ebd. S. 76. Vgl. Ebd. S. 79. Vgl. Ebd. 76-77.

in sie eindringe und sie erleuchte528. Die Vorstellung sei drittens eine große Notwendigkeit für die rationalen Erkenntnisse (aus der höheren Welt), um sie unter Kontrolle halten zu können529. Diesen drei Eigenschaften der Vorstellenden Seele würden in der niederen Welt die Eigenschaften des [Glases] entsprechen. Es unterliege nämlich ebenfalls einem Reifeprozess: Glas sei zunächst ein dichter Gegenstand, der gereinigt und verfeinert werde, sodass später daraus etwas entstehe, welcher schließlich das Licht aus sich hinausströmen lasse und das Feuer der Lampe vor dem Erlöschen bewahre530. Die dritte Ebene nennt al-³azÁlÍ die Vernünftige Seele (ar-RÚ½u ÿlþAqlÍ)531. Diese sei nur bei einem erwachsenen Menschen vorhanden. Tiere und Kleinkinder schließt er in dieser Ebene aus. Weil auf dieser Stufe eine höhere geistige Wahrnehmung stattfinde, sieht er diese Ebene als Basis, um die hervorragenden göttlichen Erkenntnisse empfangen zu können. Deshalb entspricht nach al-³azÁlÍ ihr Symbol in der niederen Welt der [Lampe]532. Über die Denkende Seele (ar-RÚ½u ÿl-FikrÍ) als vierte Stufe soll aufgrund ihrer bereits oben stattgefundenen Erörterung nur soviel gesagt werden, dass al-³azÁlÍ ihr Vorhandensein noch einem erwachsenen Menschen zuschreibt, während er die fünfte Stufe der Seele – nämlich den Heiligen prophetischen Geist (ar-RÚ½u ÿl-Qudsiyyu ÿn-NabawÍ) – nur auf Propheten und einige der Gottesfreunde (al-AwliyÁÿ) überträgt533. Die Vernünftige und Denkende Seele seien nämlich unfähig, die sich in dieser Ebene zeigenden verborgenen Erscheinungen, die Bestimmungen im Jenseits und die Summe der Erkenntnisse des Königsreiches der Himmel und Erde sowie einige göttliche Erkenntnisse zu erlangen 534. Ihre Entsprechung in der niederen Welt finde die fünfte Seele im Versteil [sein Öl leuchtet schon fast, ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist]. Sie sei die äußerste Grenze, also der Höhepunkt der Reinheit und Ehre. Der denkende Geist erreiche diese Ebene durch Ausbildung, Aufmerksamkeit und Beistand, die er von außen brauche. Er werde solange darin geschult, bis er in 528 529 530 531 532 533 534

Vgl. Ebd. S. 79. Vgl. Ebd. S. 79-80. Vgl. Ebd. S. 80. Vgl. Ebd. S. 77. Vgl. Ebd. S. 80. Vgl. Ebd. S. 77. Vgl. Ebd. S. 77. 123

den verschiedenen Arten der Erkenntnisse Dauerhaftigkeit erlange. Nach seinem Abschluss könne er – aufgrund der Stärke der Reinheit – ohne einen Beistand von außen durch sich selbst bestehen, so wie das [Öl] im Vers ohne [Feuer] schon leuchte535. Wenn diese Lichter (die fünf Seelen) aufeinander folgen, so ist das erste das sinnlich wahrnehmbare Licht. Es bereitet das Vorstellende (Licht) vor und leitet es ein. Davor kann man es sich nicht vorstellen. Das Vernünftige und Denkende (Licht) folgt diesen beiden. Genau gesagt ist (demnach) das [Glas] der Ort für die [Lampe] und die [Nische] der Ort für das [Glas]. So ist die [Lampe] im [Glas] und das [Glas] in der [Nische]. Und wenn all diese Lichter sind, welche übereinander liegen, dann sind sie genauer genommen [pures Licht].536 Im Nachwort geht al-³azÁlÍ ganz kurz auf die Finsternisse in Vers 40 ein, die er im Hinblick auf die KuffÁr (die Ablehnenden) erörtert. Weil die Finsternis weder zu Unrecht noch zu Recht führe, sei der Aufwand, der vom Weg der Rechtleitung abbringe, noch finsterer als die Finsternis selbst537. Ihr Zustand gleiche einem Menschen in einem [abgrundtiefen Meer], welches dem Diesseits entspreche538. In der ersten Woge sieht al³azÁlÍ diesseitige Begierden jeglicher Art und in der zweiten alle negativ geladenen Gefühle wie Zorn, Hass etc. So wie die [Wolke] verhindere, dass die Strahlen der Sonne sie durchdringen, stehe ein Schleier zwischen den KuffÁr und dem Glauben, der Erkenntnis des Wahren, dem wegweisenden Koran und der Vernunft539. Wenn alle diese Finsternisse sind, dann sind sie genauer genommen [Finsternisse über Finsternisse].540

5. Der Lichtvers im Kommentar von þUmar az-Zama¿ÊarÍ (538/1143) Die Aussage [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde] sieht az-Zama¿ÊarÍ zusammen mit den Aussagen [das Gleichnis seines Lichtes] und 535 536 537 538 539 540 124

Vgl. Ebd. S. 81. Ebd. S. 81. Vgl. Ebd. S. 82. Vgl. Ebd. S. 82. Vgl. Ebd. S. 82-83. Ebd. S. 83.

[AllÁh führt zu seinem Licht] als gleichwertig an541. So wie man über jemanden sagen könne, dass er wohltätig und freigiebig sei, könne man auch sagen, dass er durch seine Wohltätigkeit und Freigiebigkeit die Menschen belebe542. In dem Sinne versteht er Gott als den Besitzer und Herr des Lichtes der Himmel543. Mit Licht vergleiche sich Gott in seiner Sichtbarkeit und Klarheit wie im Vers 257 in SÚra 2 al-Baqara, die besagt AllÁh ist Freund derjenigen, die glauben. Er bringt sie aus den Finsternissen ans Licht544. Das Licht wird seiner Ansicht nach aus zwei Gründen mit Himmel und Erde in Verbindung gebracht: Entweder sei es der Beweis für das Fassungsvermögen der Leuchtkraft Gottes und der Weite seines Himmel und Erde erhellenden Erleuchtens oder damit seien die auf der Suche nach Aufklärung befindlichen Bewohner der Himmel und Erde gemeint545. [Das Gleichnis] des Lichtes hat nach az-Zama¿ÊarÍ die Eigenschaft einer [Nische], worin sich eine hell leuchtende [Lampe] befinde. Der Glanz ihres Lichtes gleiche einer Perle und sei wie der Jupiter, die Venus (...) unter den Sternen546. Die Lampe brenne vom [Öl] eines Olivenbaums. Das Olivenöl habe viele Vorzüge und fördere die Gesundheit und der Olivenbaum sei das erste, was auf der Erde wachse547. Unter [weder östlich noch westlich] versteht az-Zama¿ÊarÍ einen Baum, der in Damaskus wächst, weil es dort die besten Olivenbäume gebe548. Außerdem führt er eine Überlieferung von Mu½ammad an, die besage, dass ein Baum vom Sonnenlicht keinesfalls tagsüber berührt werden solle, da das schädlich für die Pflanze sei549. Die Besonderheit des Öls sei, dass es [ohne Feuer] bereits leuchte. [Pures Licht] bezeichne die [Nische], die [Lampe], das [Glas] und das [Öl] zusammen. Sie verstärkten das Licht und mehrten die Leuchtkraft. Wenn man die Lampe in einen beengten Ort wie in eine Nische stellt, so az-Zama¿ÊarÍ, dann leuchtet es heller und das Licht strahlt gebündelt aus, was im Gegensatz zu einem breiten Ort stehe550. [AllÁh führt] zu diesem erwähnten Licht, [wen er will]. Das bezeichne 541 542 543 544 545 546 547 548 549 550

Vgl. az-Zama¿ÊarÍ, al-KaÊÊÁf , Bd. 2, S. 312. Vgl. Ebd. S. 312. Vgl. Ebd. S. 312. Ebd. S. 312. Vgl. Ebd. S. 312. Vgl. Ebd. S. 312. Vgl. Ebd. S. 312. Vgl. Ebd. S. 312. Vgl. Ebd. S. 312. Vgl. Ebd. S. 312-313. 125

jene, die aus sich selbst heraus mit den Augen der Vernunft und Gerechtigkeit schauten und überlegten. Wer nicht nachdenke, sei wie ein Blinder551. Zu der Überlieferung der Lesart [AllÁh] erleuchtet (nawwara) [Himmel und Erde], meint az-Zama¿ÊarÍ, dass Gott die Wahrheit aussende und verbreite. Er erleuchte mit seinem Licht oder erhelle die Herzen derjenigen, die sich in Himmel und Erde befänden552. In Bezug auf die [Häuser] in Vers 36 schließt sich az-Zama¿ÊarÍ der bereits erwähnten Interpretation an, dass damit Moscheen gemeint seien. Doch wie einige der vorangegangenen Kommentatoren fügt er hinzu, dass diese auch normale Häuser sein könnten, in denen die Leute Gott verehrten553. [Sie fürchten einen Tag, an dem sich ihre Herzen und Augen hin und her wenden.] Hierzu meint er, dass das Herz in jedem vor Schrecken und Angst erregt sein werde. Diesen Zustand erörtere SÚra 33 al-A½zÁb 10554. Dass sich die [Herzen und Augen hin und her wenden] bedeute, dass das Herz, dass von Natur aus die Eigenschaft des Verstehens besitze, (am Tag der Auferstehung) nichts mehr verstehe und die nachdenkende Einsicht aufgrund ihres Erblindens nichts mehr erkenne555. [Für das Beste, was sie getan haben] bezieht az-Zama¿ÊarÍ auf diejenigen, die Gott priesen und ihn gleichzeitig fürchteten. Sie verhielten sich so, damit Gott die Belohnung ihrer guten Taten verdoppele und sie durch seine Güte mehre556. [AllÁh versorgt, wen er möchte, ohne Abrechnung.] Wer Gutes tue, habe Anspruch darauf557. Die Verse 39-40 beginnt az-Zama¿ÊarÍ mit der Definition der [Luftspiegelung]: Sie ist das, was man in der Wüste im Glanz der Sonne zur Mittagszeit auf dem flachen Erdboden wie fließendes Wasser sieht558. Er vergleicht das im Vers vorkommende Gleichnis mit jemandem, der keinen 551 Vgl. Ebd. S. 313. 552 Vgl. Ebd. S. 313. 553 az-Zama¿ÊarÍ (538/1143) beginnt im Anschluss eine kurze Diskussion über die Lesart von yusabbi½u (preisen), ™uduww (morgens) und āÈÁl (abends). Dann umschreibt er den Versteil [die von dem Gedenken AllÁhs weder Handel noch Kaufgeschäfte ablenken] im Hinblick auf die Wörter TiºÁra (Handel) und Bayþ (Kaufgeschäfte). Vgl. S. 313. 554 Vgl. Ebd. S. 313. 555 Vgl. Ebd. S. 313. 556 Vgl. Ebd. S. 313. 557 Vgl. Ebd. S. 313. 558 Vgl. Ebd. S. 313. 126

Glauben habe und der Wahrheit nicht folge. Im Jenseits werde dieser trotz seiner guten Taten keinen Vorteil davon haben und dem Gegenteil seiner Hoffnung begegnen559. Am Tag der Auferstehung werde er an der Stelle, wo er Wasser zu sehen glaube, nichts außer die für die Hölle zuständigen Engel (ZabÁniya) finden, die gekommen seien, um ihn abzuholen560. In der Hölle würden diese ihm heißes Wasser und Eiter zu trinken geben. In SÚra 18 al-Kahf 104 werde von den Leuten, die glaubten, gut gehandelt zu haben, gesprochen. Doch ihre Taten würden sich, wie in SÚra 25 al-FurqÁn 23 beschrieben, in Staub auflösen561. Im Gegensatz zu MuqÁtil (159/767) gibt az-Zama¿ÊarÍ an, dass dieser Vers wegen eines Mannes namens þUtba b. RabÍþa b. Umayya herabgesandt worden sei562. Er habe sich der Gottesverehrung hingegeben, Kleider aus Wolle getragen und zur Zeit vor dem Islam nach der wahren Religion gesucht. Zur Zeit des Islam hingegen habe er (alles) abgelehnt563. Das [abgrundtiefe Meer] in Vers 40 bezeichnet nach az-Zama¿ÊarÍ eine riesengroße Wassermenge564. Der Ausdruck [wenn er seine Hand ausstreckt, kann er sie kaum sehen] bedeute, dass die Hand nicht nahe sei und er sie deshalb nicht sehen könne565. Das [Meer] hingegen gleiche in seiner Finsternis und Schwärze dem Begriff Unrecht (BÁÔil) und sei frei vom Licht des Rechts (þan NÚru ÿl-¼aqq)566. [Wem AllÁh kein Licht gibt, der hat eben kein Licht.] Wen das Licht des Erfolgs, der Sündlosigkeit und Güte nicht unterstütze, der befinde sich – so az-Zama¿ÊarÍ – in der Finsternis des Unrechts (Þulmatu ÿl-BÁÔil)567.

6. Der Lichtvers im Kommentar von Fa¿r ad-DÍn ar-RÁzÍ (606/1209) Unter Berücksichtigung des 34. Verses meint ar-RÁzÍ, dass im folgenden zwei Gleichnisse erwähnt seien, von denen das eine die Beweise des Glaubens offenkundig zu erörtern beabsichtige568. Im zweiten Gleichnis hinge559 560 561 562 563 564 565 566 567 568

Vgl. Ebd. S. 313. Vgl. Ebd. S. 313-314. Vgl. Ebd. S. 314. Vgl. Ebd. S. 314. Vgl. Ebd. S. 314. Vgl. Ebd. S. 314. Vgl. Ebd. S. 314. Vgl. Ebd. S. 314. Vgl. Ebd. S. 314. Vgl. Ebd. al-Fa¿r ad-DÍn ar-RÁzÍ, at-TafsÍru ÿl-KabÍr li ÿl-ImÁm al-Fa¿r ar-RÁzÍ, 127

gen sei die finstere und verborgene Glaubensweise der Kafara (die Ablehnenden) erklärt569. Doch bevor er auf die Auslegung dieser Gleichnisse eingeht, diskutiert er den Begriff Licht (an-NÚr): Es bezeichnet im Arabischen ein Phänomen, das aufgrund seiner Beschaffenheit von der Sonne, vom Mond und vom Feuer ausgehend auf die Erde, die Wände und anderen Dinge fällt.570 Ganz gleichgültig, ob Licht als eine körperliche Substanz gesehen werde oder als eine Eigenschaft in einer körperlichen Substanz; in beiden Fällen habe es folgende Besonderheiten und könne daher in keiner Weise eine Gottheit sein571: • Licht sei (zu einem Zeitpunkt) eingetreten. • Es sei teilbar. • Es sei vergänglich. • Es entstehe. • Es sei endlich. • Es sei bedürftig. ar-RÁzÍ meint, aus den o.g. Besonderheiten den Glaubensgrundsatz der Manichäisten widerlegt zu haben, die glaubten, dass Gott das größte Licht sei572. Gleich im Anschluss beginnt er eine weitere Diskussion, dieses Mal allerdings gegen eine islamische Strömung, nämlich die Muºassima (Verkörperer)573. Mit verschiedenen Versen aus dem Koran und besonders mit dem Vers 35, versucht er, deren Auffassung, dass mit dem Licht Gottes das sinnlich wahrnehmbare Licht gemeint sei, zu widerlegen. Aufgrund dieser Feststellungen – so ar-RÁzÍ – sei die Auslegung dieser Versstelle unbedingt notwendig.574 Doch zuvor beginnt er mit der Zusammenfassung und Weiterführung der Ansichten al-³azÁlÍs (505/1111) aus dessen Ab2. Aufl., TahrÁn ohne Jahr, Bd. 23, S. 222. Vgl. Ebd. S. 222. Vgl. Ebd. S. 222. Vgl. Ebd. S. 223. Vgl. Ebd. S. 223. Die Muºassima ist eine Strömung, die das Wesen Gottes in Form einer körperlichen Substanz verstand. Sie wird auf AbÚ þAbd AllÁh Mu½ammab b. Karam (255/869) zurückgeführt. Vgl. C. E. Bosworth, KarrÁmiyya, in: EI2, Bd. IV, S. 667a-669b. Neşet Çağatay und Agâh Çubukçu: İslâm Mezhepleri Tarihi. 3. Aufl., Ankara Üniversitesi İlâhiyat Fakültesi Yayınlarından 167, Ankara Üniversitesi Basımevi, Ankara 1985. Ëerafeddin Gölcük, Kelâm Tarihi, Konya, 2000, S. 75. J. v. Ess, TaÊbÍh wa TanzÍh, in: EI2, Bd. X, S. 341b-344a. 574 In einem kurzen Überblick gibt ar-RÁzÍ hier die gängigen Ansichten von früheren Gelehrten wie Ibn þAbbÁs (68/687) und Ubayy b. Kaþb (32/652) wieder. S. 224.

569 570 571 572 573

128

handlung MiÊkÁtu ÿl-AnwÁr575. ar-RÁzÍ schlussfolgert daraus, dass sie im Endeffekt auf folgendes Ergebnis zurückzuführen seien: Der Gepriesene ist Licht, bedeutet, dass er der Schöpfer der Welt und der Schöpfer des Fassungsvermögens (des Menschen) ist.576 Dieses Ergebnis stimme mit seiner Ansicht überein, dass Gott im Vers 35 [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde] meine, dass er der Leiter der Bewohner von Himmel und Erde sei577. Als nächstes geht ar-RÁzÍ auf eine Überlieferung von Mu½ammad ein, die al-³azÁlÍ (505/1111) im dritten Kapitel seiner genannten Abhandlung behandelt hat578. Diese Überlieferung lautet: AllÁh hat siebzig Schleier aus Licht und Finsternis. Würde er sie enthüllen, dann würde alles, was sein Blick erfasst, durch die Erhabenheit seines Wesens (wörtl. Antlitzes) verbrennen.579 Ohne einen Bezug zu al-³azÁlÍ oder zu dessen Abhandlung herzustellen, fasst er dessen Ansichten in drei kurzen Abschnitten zusammen: Hierbei handle es sich erstens um diejenigen, die nur durch die Finsternis verhüllt werden würden. Zweitens seien die gemeint, die nur durch das Licht verhüllt sein würden und drittens jene, die durch eine Mischung von beiden verhüllt sein würden580. Nach diesen Einführungen und Erörterungen geht ar-RÁzÍ schließlich auf den Rest des 35. Verses ein. Demnach trennt auch er das Gleichnis mit der [Lampe] in der [Nische] vom Licht Gottes. In einer rhetorischen Frage, warum Gott sein Licht nicht mit dem Sonnenlicht verglichen habe, obwohl wir (Menschen) wüssten, dass dessen Licht um vieles mehr stärker sei vom Licht der Lampe, meint er, dass Gott damit das vollkommene Licht beschrieben habe, welches inmitten der Finsternis leuchte581. Denn die falschen Vorstellungen der Menschen und ihre Phantasien seien Zweifel und überwältigten sie wie die Finsternisse. Die Rechtleitung Gottes 575 576 577 578 579 580 581

Vgl. Ebd. S. 224-230. Ebd. S. 230. Vgl. Ebd. S. 230. al-³azÁlÍ, MiÊkÁtu ÿl-AnwÁr, S. 84-93. ar-RÁzÍ, at-TafsÍru ÿl-KabÍr, S. 230-231. Vgl. Ebd. S. 230-231. Vgl. Ebd. S. 232. 129

hingegen sei zwischen diesen Zweifeln wie ein vollkommenes Licht, das zwischen den Finsternissen leuchte582. Diese Absicht ereigne sich nicht im Sonnenlicht, da, wenn das Licht der Sonne hervortrete, die Welt gänzlich mit Licht gefüllt werde. Wenn sie hingegen untergehe, bliebe die Welt in Finsternis zurück583. Für ar-RÁzÍ vervollständigt sich das Licht durch das Gleichnis. Denn die [Nische] sorge erstens dafür, dass sich das Licht in der Lampe im Raum gebündelt verteile und daher stärker leuchte, als wenn sie irgendwo im Raum stünde584. Aufgrund der Reinheit und Durchsichtigkeit des Glases trete zweitens das Licht der [Lampe] von der Innenseite des [Glases] nach außen hinaus. Deshalb mehre sich ihr Licht. Und wenn die Strahlen der Sonne auf das reine Glas träfen, verstärke sich ihr Licht um ein Vielfaches, sodass es die dem [Glas] gegenüber liegenden Dinge reflektiere. Wenn diese Strahlen alle außerhalb des [Glases] liegende Dinge ebenfalls reflektierten, dann vermehrten sich die Lichter und die Helligkeit und gelangten an jeden möglichen Ort585. Drittens verändere sich das Licht der [Lampe] je nach ihrem Brennmaterial. Der Zustand von reinem und unvermischtem [Öl] sei anders als der von trübem. Unter den Ölen sei in seiner Leuchtkraft keines wie das Olivenöl. Neben seiner bis ins Kleinste verteilten Weißheit sei es in seiner Reinheit und Feinheit wie Wasser586. Das [Öl] verändere sich viertens, je nachdem, um was für einen Baum es sich handle. Wenn er weder östlich noch westlich sei, d.h. auf jeden Fall durchgehend Sonnenlicht empfange, dann erlangten seine Früchte die höchste Reife. Das daraus gewonnene Öl sei reiner und liege fern von Trübnis, wofür die Sonne sorge587. Wenn diese vier Gesichtspunkte zusammenträfen und sich gegenseitig unterstützten, dann werde dieses Licht vollständig lauter sein und es sei daher für das Gleichnis der Rechtleitung Gottes geeignet588.589

582 583 584 585 586 587 588 589

130

Vgl. Ebd. S. 232. Vgl. Ebd. S. 232. Vgl. Ebd. S. 232. Vgl. Ebd. S. 232. Vgl. Ebd. S. 232. Vgl. Ebd. S. 232. Vgl. Ebd. S. 232. Nach diesen Erklärungen zählt ar-RÁzÍ (606/1209) die herrschenden Ansichten darüber auf, was mit Licht alles bezeichnet worden ist: Diese sind uns bereits als der Koran, als Mu½ammad und als der Glaube im Herzen des Gläubigen bekannt. Vgl. S. 232-233.

Später greift ar-RÁzÍ erneut auf die Abhandlung von al-³azÁlÍ (505/ 1111) zurück und fasst die von ihm erklärten fünf Seelen mit der Erörterung der dazugehörenden Analogien zusammen590. Danach geht er auf die Ansichten des muslimischen Philosophen Ibn SÍnÁ (429/1037) ein591. Dessen Ansichten ähneln denen von al-³azÁlÍ (505/1111), wenn er meint, dass die fünf Gleichnisse, also die [Nische], der [Baum], die [Lampe], das [Öl] und das [Glas] auf die Stufen der Wahrnehmungen der menschlichen Seele zuträfen. Ibn SÍnÁ (429/1037) sagt, dass die Seele zu Beginn frei von jeglichen Erkenntnissen sei592. Diesen Zustand bezeichnet er als Materielle Vernunft (þAqlun HayÚliyyun) und sie treffe auf die [Nische] zu593. Auf der zweiten Stufe der Wahrnehmung erreiche man die Intuitiven Wissenschaften, die das Erreichen der theoretischen Wissenschaften ermöglichten. Wenn der Übergang (zu den theoretischen Wissenschaften) schwach sei, dann sei dies mit dem [Baum] wiedergegeben; und wenn er stark sei, dann mit dem Olivenöl594. Im Falle einer heftigen (Übergangs)kraft sei die Wahrnehmung der menschlichen Seele wie das [Glas, das einem funkelnden Stern gleicht]595. Im äußersten Zustand des Übergangs erreiche die Wahrnehmung die auf die Propheten zutreffende Heilige Seele (an-Nafsu ÿl-Qudsiyya)596. Dieser Zustand komme dem Vers zu [sein Öl leuchtet schon fast, ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist]597. In der dritten Stufe der Wahrnehmung erlange die menschliche Seele die theoretischen Wissenschaften. Diese bezeichnet Ibn SÍnÁ (429/ 1037) als die Tatsächliche Vernunft (þAqlu bi ÿl-Fiþil) und sie treffe auf die [Lampe] zu598. Auf der vierten Stufe seien die notwendigen und theoretischen Erkenntnisse nunmehr wirklich entstanden und der Besitzer dessen schaue beinahe darauf. Dies nennt er als die Zur Nutzung Bereit Stehende Vernunft (þAqlun MustafÁdun) und sie treffe auf den Versteil [pures Licht] zu599. Im Anschluss an dieses Resümee übermittelt ar-RÁzÍ noch ganz kurz die Ansichten einiger Sufis und geht gleich zu den bis hierher gängigen 590 591 592 593 594 595 596 597 598 599

Vgl. Ebd. S. 233-234. Vgl. Ebd. S. 234. Vgl. Ebd. S. 234. Vgl. Ebd. S. 234. Vgl. Ebd. S. 234. Vgl. Ebd. S. 234. Vgl. Ebd. S. 234. Vgl. Ebd. S. 234. Vgl. Ebd. S. 234. Vgl. Ebd. S. 234. 131

Ansichten zum Versteil [das Gleichnis seines Lichtes] über600. Diesbezüglich vertritt er selbst die Ansicht, dass damit der Bezug zu Vers 34 hergestellt werde und dass es sich hier um das Gleichnis der Rechtleitung und Erklärung Gottes handle601. Diese Auslegung stimme mit dem zu Beginn Gesagten überein, nämlich, dass Gott der Leiter der Bewohner von Himmel und Erde sei602.603 Was mit dem Wort [die Häuser] in Vers 36 gemeint sei, erörtert arRÁzÍ in seiner Antwort an AbÚ Muslim b. Ba½r al-IÈfahÁnÍ (322/934)604. Daraus ergibt sich, dass er selbst darunter einerseits in Moscheen befindliche Lampen versteht, aber auch meint, dass das Wort auf jede Behausung zutreffen könne, in der sich eine Nische befinde, worin eine Lampe mit den in Vers 35 genannten Besonderheiten stehe605.606 Zur Fortsetzung des Verses [die AllÁh zu errichten erlaubte und in denen sein Name erwähnt wird] schließt sich ar-RÁzÍ (606/1209) den unterschiedlichen Ansichten von Ibn þAbbÁs (68/687) und az-ZaººÁº (311/924) an. Der Erstere gibt hierzu an, dass damit Moscheen, die Gott zu errichten gebot, und der Letztere, dass die Verherrlichung (Gottes), Reinhaltung (des Ortes) und die Enthaltung vom Geschwätz gemeint seien607. Unter 600 601 602 603

604 605 606

607 132

Vgl. Ebd. S. 234-235. Vgl. Ebd. S. 235. Vgl. Ebd. S. 235. Was die im Anschluss von ar-RÁzÍ (606/1209) aufgezeichneten Definitionen zu den Begriffen [Nische], [Lampe] und [Glas] betrifft, so gleichen sie denen, die bei aÔ-ÓabarÍ (310/922) und Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) zu finden sind. Vgl. Ebd. S. 235. Gleich darauf beginnt er mit der uns aus der Auslegung von aÔ-ÓabarÍ (310/ 923) bekannten Diskussion über die Lesarten des Adjektivs durrÍ (funkeln) und des Verbs yÚqadu (brennen), denen er weitere Ansichten hinzufügt. Vgl. Ebd. S. 235-236. Dann geht ar-RÁzÍ (606/1209) wieder auf die einzelnen Versteile zurück. Mit einigen Ergänzungen gibt er größtenteils das bisher Bekannte wieder. Vgl. Ebd. S. 236-237. Zum Schluss greift er einen Disput zwischen ¹ubbÁÿÍ (303/915), AbÚ Muslim al-IÈfahÁnÍ (322/934) und QÁ±Í þAbdu ÿl-¹abbÁr (415/ 1025) auf, die zum Vers [AllÁh führt zu seinem Licht, wen er will], geführt wurde. Vgl. S. 237-238. Vgl. ar-RÁzÍ, at-TafsÍru ÿl-KabÍr, Bd. 24, Ebd. S. 2. Vgl. Ebd. S. 2. Desweiteren führt ar-RÁzÍ (606/1209) zur Versstelle die Ansichten von alIÈfahÁnÍ (322/934), ¹ubbÁÿÍ (303/915), al-FarrÁÿ (207/822), az-ZaººÁº (311/924), QÁ±Í þAbdu ÿl-¹abbÁr (415/1025), þIkrima (105/723), Hasan al-BaÈrÍ (110/728) und Ibn þAbbÁs (68/687) an. Es geht dabei immer noch um die Diskussion, ob damit Häuser oder Moscheen gemeint seien. Vgl. S. 2-3. Vgl. Ebd. S. 3.

dem Versteil [in denen sein Name erwähnt wird], versteht er im Gegensatz zu Ibn þAbbÁs (68/687), dass er jegliche Erwähnung Gottes bezeichne. Diese Ansicht erschließt er vom Verb yusabbi½u (preisen) ausgehend und in Bezugnahme auf den Vers 37 [Leute, die von dem Gedenken AllÁhs weder Handel noch Kaufgeschäfte ablenken, ebenso nicht vom Verrichten des Gebets noch vom Entrichten der Läuterungsgabe]608. Die Versstelle [darin preisen ihn morgens und abends Leute] scheint ar-RÁzÍ (606/1209) nicht als die morgens und abends stattfindenden rituellen Gebete aufzufassen. Sowohl seine Erklärungen zu den Wörtern ™uduww (morgens) und ÁÈÁl (abends) als auch die beiden Überlieferungen von AbÚ Hurayra (57/677) und Sahl b. Saþd (88/707) geben zu verstehen, dass er damit die Morgen- und Abendstunden des Tages meint609. Dass diese Leute [weder Handel noch Kaufgeschäfte ablenken] interpretiert ar-RÁzÍ (606/1209) insofern, dass sie neben ihrem alltäglichen Leben, wozu Handel- und Kaufgeschäfte gehörten, ihren Pflichten wie dem Verrichten des rituellen Gebets nachgingen610. Und zum Versteil [ebenso nicht vom Verrichten des Gebets noch vom Entrichten der Läuterungsgabe] vertritt er die Ansicht, dass damit die im Koran festgesetzten Pflichtgebete und Almosensteuer gemeint seien611. Dabei distanziert er sich von Ibn þAbbÁs (68/687), der unter dem Begriff ZakÁt (Almosensteuer) den Gehorsam und die Aufrichtigkeit gegenüber Gott versteht612. ar-RÁzÍ (606/1209) meint, dass diese Leute, obwohl sie stets in Gottesgedenken und im Pflichtbewusstsein handelten, dennoch [einen Tag, an dem sich ihre Herzen und Augen hin und her wenden] fürchteten. Denn sie wüssten, dass sie Gott nicht so verehrten, wie es ihm gebühre 613. Dabei erwähnt er, dass er die Ansicht der Muþtazila, die besage, dass diejenigen, die belohnt würden, keine Furcht hätten und diejenigen, die (sowieso) in die Hölle kämen, gar keine Vergebung erwarteten, ablehne614. [Für das Beste, was sie getan haben, wird AllÁh sie belohnen.] Hierzu meint er, dass die oben erwähnten Leute Gott verehrten, damit er sie u.a. für das Beste ihrer Taten belohne. Und nach dem Versteil [und ihnen von 608 609 610 611 612 613 614

Vgl. Ebd. S. 4. Vgl. Ebd. S. 4. Vgl. Ebd. S. 4. Vgl. Ebd. S. 4. Vgl. Ebd. S. 4-5. Vgl. Ebd. S. 5. Vgl. Ebd. S. 6. 133

seiner Huld noch mehr geben] werde Gott sie nicht nur wegen ihrer guten Taten belohnen, sondern ihnen über das hinaus, was sie verdienten, viel mehr als göttliche Güte zuteil werden lassen615. Im letzten Satz des Verses [AllÁh versorgt, wen er möchte, ohne Abrechnung], mache Gott auf die Vollkommenheit seiner Allmacht und Freigiebigkeit und auf seinen alles durchdringenden Willen sowie auf sein Wohlwollen aufmerksam616. Da die Leute gleichzeitig in (Gottes)furcht seien, habe Gott ihnen im Vers mitgeteilt, dass er sie für ihren Gehorsam großzügig belohnen und für ihre Furcht seine göttliche Güte grenzenlos walten lassen werde617. Wie die bisherigen Gelehrten bezieht ar-RÁzÍ (606/1209) die Verse 39 und 40 auf die Taten der KuffÁr (die Ablehnenden). Der Bezug zwischen einem [Dürstenden] und einem KÁfir bestehe darin, dass der Letztere für seine gute Taten keine Belohnung erhalten werde, obwohl er daran glaube618. Am Tag der Auferstehung werde er anstelle einer Belohnung die große Strafe vorfinden. Sein Kummer und sein Gram würden wachsen. Eben dieser Zustand gleiche dem [Dürstenden]619: Vor der Heftigkeit seines Bedürfnisses nach Wasser hänge er sein Herz fest an die [Luftspiegelung] und hoffe darauf, gerettet worden zu sein, sodass sich sein Durst verstärke. Wenn er dort ankomme, verzweifle er aber an seiner Hoffnung620. Dass der [Dürstende] nichts vorfinde, bedeute entweder, dass er nichts Nützliches (an Taten) vorfinde oder dass die [Luftspiegelung] Nichts sei621. Eine dritte Möglichkeit der Deutung ist nach ar-RÁzÍ eine Anspielung: Denn eine [Luftspiegelung] sehe aufgrund ihrer Dichte von weitem wie Nebel oder eine Staubwolke aus, sodass sie, wenn man sich ihr nähere, immer dünner werde. Am Ende zerstreue sie sich und werde nur noch Luft622. [(In dem Moment) findet er AllÁh bei sich, der mit ihm abrechnet. AllÁh ist schnell im Abrechnen]. Dieser Versteil bezeichne, dass der KÁfir die Strafe Gottes bei sich vorfinde, die Gott ihm (im Diesseits) verspro615 616 617 618 619 620 621 622 134

Vgl. Ebd. S. 6. Vgl. Ebd. S. 6. Vgl. Ebd. S. 6. Vgl. Ebd. S. 7. Vgl. Ebd. S. 7. Vgl. Ebd. S. 7. Vgl. Ebd. S. 8. Vgl. Ebd. S. 8

chen habe623. Seine Vermutung, im Vorteil zu sein, verwandle sich dann in eine Gewissheit des großen Verlustes. Eine weitere Deutung hierzu gleicht der von az-Zama¿ÊarÍ (538/1143), der meinte, dass der KÁfir die für die Hölle zuständigen Engel (az-ZabÁnÍ) Gottes vorfinden werde624. ar-RÁzÍ (606/1209) gibt ebenso wie az-Zama¿ÊarÍ (538/1143) an, dass dieser Vers wegen einem Mann namens þUtba b. RabÍþa b. Umayya herabgesandt worden sei625. Da Gott alles wisse, werde es ihm nicht schwer fallen, abzurechnen. Dies besage der Versabschnitt [AllÁh ist schnell im Abrechnen]626. Dem zweiten Gleichnis in Vers 40 fügt ar-RÁzÍ (606/1209) lediglich hinzu, dass es sich beim Ausdruck [abgrundtiefes Meer] um eine riesige Wassermasse, einen Ozean handle. Was dort hineinfalle gelange zum Abgrund627. Solch ein [Meer] sei aufgrund der Tiefe und der Fülle des Wassers äußerst finster. Die darüber liegenden Wogen verstärkten die Finsternis und die Wolken brächten sie auf den Höhepunkt. Jemand, der sich auf dem Grund eines solchen Meeres befinde, stehe am äußersten Punkt der Finsternis628. Die Hand sei in diesem Zusammenhang das Naheliegendste, was man sehen könne, doch hier sei sie das Entfernteste, was man eben nicht sehen könne629. Daher der Ausdruck Gottes [wenn er seine Hand ausstreckt, kann er sie kaum sehen]. Demnach teile Gott mit, dass hiermit die [Finsternis] seinen Höhepunkt erreicht habe und er vergleiche sie mit dem KÁfir in seinem Glauben. Er sei nämlich das Gegenteil eines Muÿmin (Gläubigen)630.

7. Der Lichtvers im Kommentar von al-Fay±u ÿl-KÁÊÁnÍ (1091/1680) [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde]. Diesen Versabschnitt deutet al-KÁÊÁnÍ (1091/1680) zunächst im Sinne der Sichtbarkeit Gottes aus sich selbst heraus und im Sinne der äußeren Erscheinung für sich631. Dann 623 624 625 626 627 628 629 630 631

Vgl. Ebd. S. 8. Vgl. Ebd. S. 8. Vgl. Ebd. S. 8. Vgl. Ebd. S. 8. Vgl. Ebd. S. 8. Vgl. Ebd. S. 8. Vgl. Ebd. S. 8. Vgl. Ebd. S. 8. Vgl. al-Fay± al-KÁÊÁnÍ, TafsÍru ÿÈ-ÆÁfÍ, BayrÚt-LubnÁn 1979/1399, Bd. 3, S. 434. 135

weist er auf die Überlieferung hin, die besage, dass Gott der Leiter der Bewohner der Himmel und Erde sei632. Allerdings gibt er dafür andere Überlieferer an633. Ähnlich wie in den Berichten von Kaþb al-A½bÁr (23-35/644-655) sind von al-KÁÊÁnÍ (1091/1680) mehrere Überlieferungen angegeben, die die einzelnen Gegenstände auf die Brust oder die Prophetie Mu½ammads und die seiner Familienangehörigen hindeuten. So wird z.B. von ¹aþfar aÈ-ÆÁdiq (148/765) überliefert, dass Gott zu Beginn des Verses ein Gleichnis über sich mitteile. Dieses sei [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde]. Doch den folgenden Versabschnitt [das Gleichnis seines Lichtes] betrachtet er getrennt davon und meint, dass hiermit der Prophet gemeint sei 634. Die [Nische] sei die Brust des Propheten und die [Lampe] in der [Nische] sei das Licht des Wissens, d.h. die Prophetie635. Den Versteil [die Lampe ist in einem Glas] interpretiert ¹aþfar aÈ-ÆÁdiq (148/765) als das Wissen des Propheten, welches im Herzen von þAlÍ (40/661) erschienen sei636. Das [Glas, das einem funkelnden Stern gleicht. Sie brennt von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist] bezeichne ebenfalls þAlÍ (40/661), den der als den Herrscher der Gläubigen sieht637. [Sein Öl leuchtet schon fast, ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist] meine, dass das Wissen, noch bevor þAlÍ (40/661) spreche, fast leuchte, wenn es aus dem Munde des Gelehrten, dem Angehörigen Mu½ammads, herauskomme638. [Pures Licht] deutet er dagegen auf die Imame hin, die den Spuren (anderer) Imame folgten639. Bis zu Vers 40 gleichen die Angaben dem bisher Erwähnten. Doch über den 40. Vers überliefert al-KÁÊÁnÍ (1091/1680) von ¹aþfar aÈ-ÆÁdiq (148/765), dass die [übereinander ragenden Wogen] und [Wolken] auf MuþÁwiya hindeuteten640. Da die Söhne Umayyas sich abgewendet hätten, treffe auf ihn der Versabschnitt [wem AllÁh kein Licht gibt, der hat eben kein Licht] zu. Dieser bedeute, dass MuþÁwiya keinen Imam als Licht von

632 633 634 635 636 637 638 639 640 136

Vgl. Ebd. S. 434. Vgl Ebd. S. 434. Vgl. Ebd. S. 435. Vgl. Ebd. S. 435. Vgl. Ebd. S. 435. Vgl. Ebd. S. 435. Vgl. Ebd. S. 435. Vgl. Ebd. S. 435. Vgl. Ebd. S. 438.

den Söhnen der FÁÔima (9/632) hat und auch am Tag der Auferstehung kein Licht der Imame haben wird641.

B Auslegungen zum Lichtvers im 20. Jahrhundert 1. Der Lichtvers im Kommentar von Elmalïlï M. Hamdi Yazïr (1360/1942) [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde.] Gott ist es, der die gesamte Welt hervorbringt, das Universum zeigt, die Wahrheit mitteilt und die Herzen erfreut. Ohne ihn lässt sich nichts vorfinden, keine Wahrheit erahnen und keine Freude empfinden.642 Mit diesen Worten beginnt Elmalïlï seine Auslegung des Lichtverses. Den Begriff NÚr versteht er als ein eine Art von Licht, das gewisse Besonderheiten habe: Es bringe die Dinge außerhalb von uns mit denen in uns selbst zusammen und vereine sie. So entstehe ein Glanz, der die Oberflächen der Gegenstände hervortreten lasse. Diese transparente und schöne Erscheinung nennt er NÚr und bezeichnet ihn als eine besondere Erscheinung des Lichts643. Daher unterscheide sich NÚr vom Licht und werde manchmal auch als dessen Gegenteil verwendet644. Demnach umfasst der Begriff NÚr einen größeren Bedeutungsrahmen, da Elmalïlï ihn nicht nur als das sinnlich wahrnehmbare Licht versteht sondern auch als eine den Sinnen, der Vernunft und der Wahrnehmung zugehörige Erscheinungsform begreift, die im Gemüt und in der Intuition entstehe645. Obwohl es nicht gestattet sei, Gott auch nur metaphorisch als Licht zu bezeichnen, komme in diesem Vers sein Name NÚr vor646. Doch in Bezugnahme auf SÚra 6 al-AnþÁm 1 sei Gott selbst nicht NÚr, sondern der Schöpfer dessen und ebenso der Schöpfer der Finsternis647. Deshalb hätten

641 Vgl. Ebd. S. 438. 642 Elmalïlï M. Hamdi Yazïr, Hak Dini Kur'an Dili, Hrsg. Feza Gazetecilik A. Ë., İstanbul ohne Jahr, Bd. 6, S. 22. 643 Vgl. Ebd. S. 22. 644 Vgl. Ebd. S. 22. 645 Vgl. Ebd. S. 22. 646 Vgl. Ebd. S. 22. 647 Vgl. Ebd. S. 22-23. 137

einige Kommentatoren den Vers in der folgenden Bedeutung gelesen: Gott ist der Erleuchter (Munawwir) der Himmel und Erde648.649 [Das Gleichnis seines Lichtes]: Dieser Versabschnitt sei ein symbolischer Vergleich zum Vorangegangenen und zeige, dass der Begriff NÚr ein Bestimmungswort zu AllÁh darstelle650. So wie die Bedeutung des Vorangegangenen nicht auf die äußere Erscheinung übertragen werde, stehe der Bezug zu den Himmeln und zur Erde nicht in Relation zu dessen wahren Besitzer, sondern mit der [Nische, in der sich eine Lampe befindet]651. Dies bezeichnet laut Elmalïlï eine anmutig und kräftig leuchtende [Lampe in einem Glas], das einer Perle, also einem klar und schön [funkelnden Stern] wie der Venus oder dem Jupiter gleiche652. [Sie brennt von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist.] Hierzu gibt Elmalïlï die zwei gängigen Ansichten an: Dieser Baum stehe entweder inmitten einer Höhe, wodurch er in beiden Richtungen stehe oder er sei im Diesseits nicht vorhanden653. Die Folge sowohl dieser als auch jener Ansicht sei, dass [sein Öl] aufgrund seiner Reinheit [schon fast leuchtet, ohne dass Feuer überhaupt daran gekommen ist]654. Elmalïlï meint, dass das Licht Gottes nicht wie im Gleichnis auf fünf oder nur auf eines dieser Gegenstände begrenzt werden könne, sondern ein unendliches und unbegreifliches, also [pures Licht], bezeichne655. Da Gott [zu seinem Licht, wen er will, führt] könne nicht jeder den richtigen Beweis sehen, die richtigen Zeichen wissen oder dem Willen 648 Munawwiru ÿs-SamÁwÁti wa ÿl-Ar±. Diese Lesart lässt sich im Kommentar von QÁ±i al-Bay±ÁwÍ, AnwÁru ÿt-TanzÍl wa AsrÁru ÿt-TaÿwÍl, in: Baidhawii. Commentarius in Coranum. Ex Codd. Parisiensibus Dresdenibus et Lipsiensibus, Hrsg. H. O. Fischer, Lipsiae 1848, Bd. 2, S. 23 und bei Mu½ammad al-AlÚsÍ, RÚ½u ÿl-MaþÁnÍ fÍ TafsÍru ÿl-QurÿÁni ÿl-þAãÍm wa ÿs-Sabþu ÿl-MaÝÁnÍ, BayrÚtLubnÁn ohne Jahr, Bd. 18, S. 164 finden. 649 Im Anschluss an diese Feststellung beginnt Elmalïlï (1360/1942) mit der Zusammenfassung der Abhandlung MiÊkÁtu ÿl-AnwÁr von al-³azÁlÍ (505/1111). Er meint aber am Ende, dass al-³azÁlÍ die bedingte Wahrheit und metaphorische Wahrheit durcheinander gebracht hätte. Der Schöpfer des NÚr sei darüber erhaben, Licht genannt zu werden. Den Schöpfer als NÚr zu bezeichnen, stehe aus sprachlicher Sicht nicht in wirklicher, sondern in metaphorischer Bedeutung. In Wahrheit sei Gott der Besitzer des Lichtes. Vgl. S. 27. 650 Vgl. Ebd. S. 27. 651 Vgl. Ebd. S. 27. 652 Vgl. Ebd. S. 28. 653 Vgl. Ebd. S. 28. 654 Vgl. Ebd. S. 28. 655 Vgl. Ebd. S. 28. 138

Gottes folgen. Nicht jeder kann ein Prophet, ein Gottesfreund, ein Gläubiger, ein Kenner oder ein guter Knecht sein. Daher kann auch nicht jeder vom Licht der Prophetie oder vom Licht des Koran oder vom Licht des Wissens profitieren656. Für das, was der Mensch nicht unmittelbar verstehe [prägt Gott die Gleichnisse]. Dies gehört nach Elmalïlï zur Rechtleitung Gottes657. Auch dieser Vers sei ein solches Gleichnis. Daher solle man an einem Gleichnis nicht wie eine Wahrheit festhalten, sondern die dahinter steckende Wahrheit fühlen658. [AllÁh weiß über alles Bescheid.] Da Gott wisse, was sinnlich, offenkundig, heimlich, wahr und symbolisch sei, kenne er auch die Gefühle und die Auffassung der Menschen und wisse, welche Gründe und Absichten sie bewegten. Dementsprechend werde er sie auch (später) behandeln659. Die Verse 36-38 fasst Elmalïlï kurz zusammen. Er meint, dass sich das Gleichnis in Vers 35 auf Moscheen beziehe, da dort der Name Gottes erwähnt und verehrt werde660. Der Zustand derjenigen, die Gott zu seinem Licht rechtgeleitet habe, gelte für jene, die sich im Alltag nicht davon abhalten ließen, zu beten, ihre Almosensteuer zu zahlen und den Tag der Auferstehung zu fürchten661. Sie würden mit viel mehr belohnt werden, als mit dem, was ihnen ohnehin schon zustehe662. Ebenso kurz fast Elmalïlï die Verse 39-40 zusammen. Da nicht nur die Taten der Kafara (die Ablehnenden), sondern auch ihre Überzeugung und ihr Glaube verdorben seien und sie in ihren Absichten ihrer Lust und Laune folgten, glichen sie dem [Dürstenden] im Gleichnis, der erkannt habe, dass er durch die Täuschung der Luftspiegelung nicht dem [Wasser], sondern der Lüge gefolgt sei663. Aber es bleibe nicht dabei. Denn Gottes Gewalt und Wut, wovor der KÁfir vorher keine Furcht gehabt hätte, würden ihn nun durchfluten664. Daher – so Elmalïlï – solle man Gottes Abrechnung nicht als etwas fern liegendes sehen665. 656 657 658 659 660 661 662 663 664 665

Vgl. Ebd. S. 28. Vgl. Ebd. S. 29. Vgl. Ebd. S. 28-29. Vgl. Ebd. S. 29. Vgl. Ebd. S. 29. Vgl. Ebd. S. 29. Vgl. Ebd. S. 29. Vgl. Ebd. S. 30 Vgl. Ebd. S. 30. Vgl. Ebd. S. 31. 139

Was die Gefühle der Kafara und ihre Glaubensweise, ihre Ideen und Gedanken, ihre Worte und Taten beträfen, glichen sie dem, der sich in einem [abgrundtiefen Meer] befinde666. Dort könne er absolut nichts sehen, geschweige denn die Wahrheit erkennen und ertrinke im blinden Eifer seiner Ablehnung667. Genau so sieht Elmalïlï die Kafara: Sie würden ebenfalls im Fanatismus ihrer Ablehnung ertrinken. Nur um die Wahrheit nicht zu akzeptieren, setzten sie ihre Sturheit fort und wüssten nicht, was sie damit anrichteten668.

2. Deutung des 35. Verses von Bediüzzaman Said Nursî (1378/1960) Said Nursî meint, dass der Lichtvers, der viele Bedeutungsschichten und Gesichtspunkte in sich trägt, die Erfindung der Elektrizität voraussage669. Der Versteil [das Gleichnis seines Lichtes ähnelt einer Nische] bezeichne entweder das Licht Gottes oder das Licht des Koran oder das Licht Mu½ammads670. Sie alle seien wie [eine Nische, in der sich eine Lampe befindet]671. Desweiteren gelangt er durch Berechnungen der Buchstaben des Verses mit Zahlen auf seine eigene Person oder auf seine eigenen Schriften hindeutenden Ergebnisse: Hierzu gehören z.B. die Aussage [von einem gesegneten Ölbaum]. Seiner Berechnung nach stimme die Summe dieser Versstelle mit dem Beginn seines arabischen Sprachstudiums überein672. Eine weitere Deutung bezieht er auf die Aussage [einem Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist]: Der wertvolle Nutzen der Elektrizität ist weder ein aus dem Osten noch aus dem Westen hervorgerufenes Gut. Vielleicht kommt es von oben, aus dem in der Luft befindlichen Schatz der Barmherzigkeit, aus den Himmeln. Es gehört überall hin. Es ist nicht nötig, sie irgendwo zu suchen. Ebenso sind die Lichtbriefe (Resâili'n Nur) kein Gut, das aus den Kenntnissen und (religiösen) Wissenschaften des Ostens entstand, oder aus der Philoso666 667 668 669

Vgl. Ebd. S. 31. Vgl. Ebd. S. 31. Vgl. Ebd. S. 31. Vgl. Bediüzzaman Said Nursî, Sikke-i Tasdîki Gaybî, Yeni Asya Neşriyat, İstanbul 2000, S. 65. 670 Vgl. Ebd. S. 65. 671 Vgl. Ebd. S. 65. 672 Vgl. Ebd. S. 67. 140

phie und den Naturwissenschaften des Westens; sie sind kein aus denen übernommenes Licht. Vielleicht sind sie vom himmlischen Koran, aus dem hohen Rang des Thrones übernommen, der über dem Osten und Westen liegt.673

3. Der Lichtvers im Kommentar von Sayyid QuÔb (1384/1966) [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde.] Hierzu meint Sayyid QuÔb, dass die Beschaffenheit und die Ordnung der Himmel und Erde auf das Licht gegründet seien674. Das Licht gewähre den Wesen ihre Existenz und bestimme das System ihrer Bewegungsformen675. Nach der Kernspaltung, meint er, habe der Mensch die Möglichkeit bekommen, teilweise zu begreifen, dass die Materie nur aus frei gewordenen Strahlen bestehe, die außer dem Licht keine weitere Grundlage habe676. Denn das Atom, welches das Wesen der Materie ausmache, bestehe aus Neutronen und Elektronen. Durch die Kernspaltung verteilten sich diese in Form von Strahlen, deren Wesen Licht sei677. Das Herz des Propheten Mu½ammad habe diese Wahrheit gänzlich begriffen. Doch die Beschaffenheit des Menschen sei nicht ausreichend ausgestattet, dieses stets quellende und in jeden Winkel reichende Licht lange Zeit wahrzunehmen. Deshalb sei dies der begrenzten Einsicht durch das darauf folgende Gleichnis näher gebracht worden678. Zwischen dem Licht der strahlenden [Lampe] in Vers 35 und dem Licht der strahlenden Herzen der Gläubigen in den [Häusern] Gottes in Vers 36 bestehe ein Zusammenhang679. Das Wort [Häuser] bezeichne Häuser, deren Grundmauern erhöht und die restauriert worden seien, um den Namen Gottes darin zu preisen680. Es handle sich hierbei um Leute, die zwar ihren Geschäften nachgingen, doch auch gleichzeitig ihre von Gott geforderten religiösen Pflichten einhielten681. Dagegen sieht er in den Gleichnissen der Verse 39-40 den Zustand der KÁfir (die Ablehnenden) 673 Ebd. S. 67-68. 674 Vgl. Sayyid QuÔb, FÍ ÞilÁli ÿl-QurÿÁn, DÁr aÊ-ÉurÚq, BayrÚt - al-QÁhira 1982/1402, Bd 12-18, S. 2519. 675 Vgl. Ebd. S. 2519. 676 Vgl. Ebd. S. 2519. 677 Vgl. Ebd. S. 2519. 678 Vgl. Ebd. S. 2519. 679 Vgl. Ebd. S. 2520. 680 Vgl. Ebd. S. 2520. 681 Vgl. Ebd. S. 2520. 141

und ihren Ausgang beschrieben682. Sayyid QuÔb meint, dass der [Dürstende] Gott vorfinde, wenn er an der [Luftspiegelung] in Unwissenheit seines ihn erwartenden Schicksals ankomme683. Denn Kufr (die Ablehnung Gottes) ist seiner Ansicht nach eine vom Licht Gottes abgeschnittene Finsternis und ein Zustand, in der es keine Ruhe und keine Sicherheit gibt684.

4. Der Lichtvers im Kommentar von Ömer Nasuhi Bilmen (1389/1971) Zum Lichtvers meint Ömer Nasuhi Bilmen (1389/1971), dass er das deutlichste und großartigste Gleichnis der (islamischen) Theologie darstelle685. Ein Großteil dessen, was er zur Auslegung beiträgt, unterscheidet sich kaum von dem bisher Erwähnten. Deshalb sollen hier nur zwei Gesichtspunkte erörtert werden: Bilmen ist erstens der Ansicht, dass der Lichtvers, trotz seines Bezuges zur Offenbarungsgeschichte, die zur Erfindung der Elektrizität zugehörigen Besonderheiten beschreibt. Er bezeichnet dies als ein Wunder des Koran686. Zweitens weitet er den Bedeutungsrahmen des Verses [das Gleichnis seines Lichtes] ungemein aus. Dieser Versteil wurde von den Kommentatoren bisher auf den Koran, auf Mu½ammad usw. ausgelegt. Bilmen erwähnt auch diese, doch seiner Ansicht nach bezeichne der Versteil auch die Religion des Islam687: Sie sei ein Licht, deren himmlische Existenz von der Arabischen Halbinsel aus zu leuchten begann und es binnen kurzer Zeit schaffte, viele Erdteile zu erleuchten688. Gott habe diese heilige Religion aufgestellt und Mu½ammad, das Siegel der Propheten, habe sie verkündet689. Dies sei eine der Natur des Menschen entsprechende (fıtrî) und allgemeine (umumî) Religion. Sie richte sich nicht nach Osten oder Westen sondern an die gesamte Menschheit690: Die erhabene Beschaffenheit dieser Religion ist so klar und deutlich, dass sie keines Beweises bedarf. 682 683 684 685 686 687 688 689 690 142

Vgl. Ebd. S. 2521. Vgl. Ebd. S. 2521. Vgl. Ebd. S. 2521. Vgl. Ömer Nasuhi Bilmen, Kur'anı Kerim'in Türkçe Meâli Âlisi ve Tefsiri, Bilmen Yayïnevi, Ïstanbul 1964, Bd. 5, S. 2355. Vgl. Ebd. S. 2356. Vgl. Ebd. S. 2358. Vgl. Ebd. S. 2359. Vgl. Ebd. S. 2359. Vgl. Ebd. S. 2359.

Sie ist die Quelle der Lichter; ihre ganze Grundlage und ihre Gebote sind Licht und die Fackel der Rechtleitung. Was für ein großes Werk der Rechtleitung, was für ein vollkommenes Ergebnis einer göttlichen Gnade ist nunmehr die Teilhabe an solch einer erhabenen wahren Religion! Man denke darüber nach!691

5. Der Lichtvers im Kommentar von Süleyman AteÐ (geb. 1350/1933 ) Süleyman AteÐ meint, dass der Vers 35 über die Schönheit Gottes berichte692. Es solle jedoch niemandem in den Sinn kommen, dass die Schönheit Gottes mit der eines Menschen verglichen werde; denn Gott gleiche niemandem693. Der Koran erzähle die Schönheit Gottes nur in einer den Menschen verständlichen Art694.695 AteÐ definiert den Begriff NÚr wie folgt: NÚr bedeutet Licht. Licht besteht aus den im Gedächtnis geweckten Eindrücken, die eigentlich durch Ätherwellen im Universum erzeugt werden.696 Da der Mensch nicht diese beweglichen Ätherwellen, sondern die dadurch hinterlassenen Eindrücke wahrnehme, bestehe die Welt aus den Erscheinungen des Lichtes697. Genau dies sei Gottes Licht. Der Mensch könne das Licht an sich nicht sehen, sondern nur dessen Erscheinung wahrnehmen. Denn er sei nicht imstande, die hinter der Erscheinung stehende Wahrheit zu sehen698. Das Universum besteht seiner Ansicht nach aus Atomen, die unterschiedlich zusammengesetzt seien699. Da alle Materien Atome seien und diese wiederum aus Strom bestünden, sei das gesamte Universum aus 691 Vgl. Ebd. S. 2359. 692 Vgl. Süleyman AteÐ, Yüce Kur'ân'ın Çağdaş Tefsîri, Yeni Ufuk NeÐriyat, o.O. o.J., S.191. 693 Vgl. Ebd. S. 192. 694 Vgl. Ebd. S. 192. 695 Im Anschluss daran fasst AteÐ die klassischen Ansichten über den Lichtvers zusammen. Vgl. Ebd. S. 192-194. 696 Ebd. S. 194. 697 Vgl. Ebd. S. 194. 698 Vgl. Ebd. S. 194. 699 Vgl. Ebd. S. 195. 143

Licht entstanden700. Seine These stützt er mit Ansichten westlicher Wissenschaftler, wie dem englischen Philosophen Prout, der gesagt habe, dass das Universum aus Wasserstoff oder wie Einstein, der meine, dass die Materie durch die Verdichtung von Energie entstanden sei701. Wie eben in diesem Vers darauf hingewiesen wird, sind alle universellen Körper durch die unterschiedliche Verdichtung des göttlichen Lichtes entstanden; jedes Teilchen ist aus diesem Licht erschaffen.702 Zum Vers 36 meint AteÐ, dass es eine Tugend sei, wenn Moscheen errichtet würden, und fügt eine entsprechende Überlieferung von Mu½ammad und eine von seiner Ehefrau þÀÿiÊa hinzu. Er meint, dass es um ein Fünfundzwanzig- oder Siebenundzwanzigfaches besser sei, in einer Moschee zu beten als allein. Es gehöre auch zum Brauch der Prophetengenossen, dass Frauen in Moscheen beteten703.

6. Deutung des 35. Verses im Aufsatz von M. Zeki Duman (geb. 1370/1952) M. Zeki Duman ist der Ansicht, dass die im Vers vorkommende [Nische], die [Lampe], das [Glas] und das [Öl] Symbole seien, die Gott dem Menschen als Wissensquelle zugestand und die auf den geraden Weg (sırat-ı müstakim) hinweisen704. Demnach symbolisiere die [Nische] den Menschen705. Er meint, wenn die [Lampe] in der [Nische] nicht brenne, dann bleibe sie dunkel706. Diese Folgerung überträgt Duman auf den Menschen: Solange der Mensch keine Vernunft (Akıl) besitze, sei er nicht aufgeklärt und bleibe aufgrund seiner Unwissenheit dunkel707. Die [Lampe] (Misbah) versteht Duman als eine potentielle Lichtquelle und meint, dass sie im Zustand – wenn sie nicht brennt – den Körper eines 700 701 702 703 704

Vgl. Ebd. S. 195. Vgl. Ebd. S. 195. Vgl. Ebd. S. 194. Vgl. Ebd. S. 197. Vgl. M. Zeki Duman, Nur Suresi'nin 35. Ayetinin Tefsir ve Te'vili Bağlamında Allah'ın İnsana Dört Hidayeti: Fıtri Din, Akıl, Peygamber ve Kitap, in: Usûl, Ïslam Araştırmaları, Heft 3, Januar-Juni 2005, S. 25. 705 Vgl. Ebd. S. 26. 706 Vgl. Ebd. S. 26. 707 Vgl. Ebd. S. 26. 144

die Pubertät noch nicht erreichten Menschen symbolisiere708. Dass die [Lampe] in der [Nische] noch nicht brennt, heißt für ihn nicht, dass sie leer sei. Aber erst dann, wenn die Vernunft aktiv zu werden und nachzudenken beginne, entstehe daraus ein göttliches Licht, das der Koran als Religion (Din) und natürliche Veranlagung (Fıtrat) bezeichne709. Das im Vers zum zweiten Mal vorkommende Wort [die Lampe] (alMisbah) deutet er in Bezug auf die Vernunft (akıl) des Menschen, die er als die grundlegende und alleinige Sensibilität betrachtet710. Doch sie sei eingeschränkt und könne fehlgehen oder fehlgeleitet werden. Damit die Vernunft – in voller Kapazität – in Betrieb genommen werden kann, so Duman, benötige sie einer äußerlichen und göttlichen Unterstützung und Schutz711. Eben das sei der Prophet und das durch ihn offenbarte göttliche Buch712. Das [Glas] symbolisiere dementsprechend den Propheten Mu½ammad713. Seine Vernunft sei durch der Offenbarung unterstützt und er stehe als Auserwählter unter Schutz. Er würde die kräftigste, die aufgeklärteste und vertrauenswürdigste Vernunft besitzen, da jeder auserwählte Prophet der vernünftigste Mensch sei714. Das von einem imaginären [Baum] gewonnene [Öl], das durch das den ganzen Tag andauernde Sonnenlicht reichlich an Energie gewinne, symbolisiere die Bücher und Seiten, die den Propheten offenbart wurden715. Von all denen bewahre der edle Koran (Kur'an-ı Kerîm) immer noch seine ursprüngliche Identität716. Seine ursprüngliche Existenz werde bis in die Ewigkeit andauern und er sei die Rechtleitung der Vernunft717. Wer von diesen von Gott zugestandenen vier Rechtleitungen, d.h. der Religion, der Vernunft, des Propheten und der Offenbarung keinen Nutzen ziehe, sei wie jemand, der [von übereinander ragenden Wogen bedeckt ist]718. Er befinde sich in einer ihn ringsum umfassenden Finsternis. Die 708 709 710 711 712 713 714 715 716 717 718

Vgl. Ebd. S. 27. Vgl. Ebd. S. 27. Vgl. Ebd. S. 29. Vgl. Ebd. S.30. Vgl. Ebd. S. 29-30. Vgl. Ebd. S. 30. Vgl. Ebd. S. 29. Vgl. Ebd. S. 32. Vgl. Ebd. S. 32. Vgl. Ebd. S. 32. Vgl. Ebd. S. 34. 145

zur Aufklärung führenden Kanäle – so Duman – hätte er verschlossen und darüber hinaus würde er sehr bald seinen Begierden verfallen719.

C Auswertung der Auslegungen Im III. Kapitel konnten wir verfolgen, wie die Gelehrten den Lichtvers ausgelegt haben. Da die frühesten Überlieferungen dazu über Ibn þAbbÁs (68/687) zu Kaþb al-A½bÁr (23-35/644-655) führen, ist anzunehmen, dass ihm im Kontext der Offenbarung keine außerordentliche Bedeutung zugeschrieben wurde720. Erst zur Zeit der TÁbiþÚn (der Folgegeneration) scheinen die ersten Fragen nach der Deutung des Verses aufgetreten zu sein, da Ibn þAbbÁs (68/687) mehrmals die Ansichten des Kaþb al-A½bÁr (23-35/ 644-655) einholt. Wenn man in Betracht zieht, dass Kaþb ein aus dem Jemen stammender Jude war, der sich in der Tora auskannte und erst zur Kalifatszeit des Abū Bakr (632-634) zum Islam konvertierte721, ist es umso bemerkenswerter, dass er die Deutung des Verses – ohne Bezug zur Tora – individuell auslegt. Seine Interpretation ist aus dem Vers an sich eigentlich nicht ohne Weiteres herzuleiten722. Zu klären bleibt noch die Überlieferung, dass der Vers [AllÁh ist das Licht von Himmel und Erde. Das Gleichnis seines Lichtes ähnelt einer Ni-

719 Vgl. Ebd. S. 35. 720 Liest man in den Schriften des Pseudo-Dionysius Areopagita, der etwa um 500 n. Chr. in Syrien lebte, oder in den Hymnen des Romanos Melodos (562), wird ersichtlich, dass der Begriff Licht bereits in der Ost- und Westkirche eine tragende Funktion übernommen hatte. Ein Mindestmaß an Kenntnis vom Licht Gottes kann daher in diesem Gebiet als religiöses Kulturgut vorausgesetzt werden. Vgl. Otto Semmelroth S. J., Die Lehre des Ps.-Dionysius Areopagita vom Aufstieg der Kreatur zum göttlichen Licht. In: Scholastik. Vierteljahresschrift für Theologie und Philosophie, XXIX. Jahrgang, Verlag Herder, Freiburg 1953, S. 24-52. Otto Semmelroth S. J., Gottes ausstrahlendes Licht. Zur Schöpfung- und Offenbarungslehre des Ps.-Dionysius Areopagita. In: Scholastik. Vierteljahresschrift für Theologie und Philosophie, XXIX. Jahrgang, Verlag Herder, Freiburg 1954, S. 481-503. Romanos Melodos, Die Hymnen. Übersetzt und Erläutert v. Johannes Koder, Erster Halbband. In: Bibliothek der griechischen Literatur. Hg. v. Peter Wirth u. Wilhelm Gesse. Bd. 62. Anton Hiersemann, Stuttgart 2005, S. 134-143. 721 Vgl. İsmail Cerrahoğlu, Tefsir Usûlü, 13. Aufl. Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, Ankara 2003. S. 255. 722 M. A. Koç meint, dass Kaþb al-A¿bÁrs Interpretation auf Argumenten basiert, die mit dem Text des Verses in keinem Zusammenhang stehen. Seiner Ansicht nach ist in der Interpretation Kaþb al-A¿bÁrs eine verborgene Auslegungsart (batıni tefsir tarzi) erkennbar. Vgl. Koç, Ïsnad Verileri, S. 120. 146

sche] auf Anfrage der Juden, wie das Licht Gottes ohne die Himmel zu berühren zur Erde gelange, von Gott als Beispiel gegeben wurde. Es ist schwierig, aus dieser kurzen Überlieferung einen kausalen Zusammenhang zwischen der Frage und der Antwort herzustellen, weil unklar ist, ob diese Frage während einer Auseinandersetzung zwischen Juden und dem Propheten aufkam und der Prophet diesen Vers rezitierte oder ob er nach der Anfrage offenbart wurde. Ich würde eher davon ausgehen – vorausgesetzt, diese Unterhaltung hat stattgefunden –, dass der Vers bereits vorhanden war und vom Propheten auf Anfrage vorgetragen wurde. Denn glaubensgebundene Diskussionen zwischen Juden und Mu½ammad sind uns aus der medinensischen Periode geläufig. Auffallend ist in der Frage, dass sie sich auf den ersten Satz des Verses bezieht. Demnach würde der Prophet den Juden in dem Sinne geantwortet haben, dass das Licht Gottes nicht zur Erde gelangen müsse, weil Gott selbst das Licht der Himmel und Erde sei. Wie dies wiederum zu verstehen ist, wird im Gleichnis erörtert. Dies ist zwar eine vage Vermutung; sie könnte aber auch erklären, warum der erste Satz des Verses vom Gleichnis schon von den TÁbiþÚn und den Gelehrten fast immer getrennt betrachtet wurde. Wenn wir die Auslegungen – mit MuqÁtil b. SulaymÁn (150/767) beginnend – kurz zusammenfassen, kann gesagt werden, dass MuqÁtil Gott als den Lenker der Welt auffasst. Seine Deutungsweise in Bezug auf das Gleichnis hingegen erinnert sehr stark an das präexistente Licht Mu½ammads (NÚr-i Mu½ammadÍ), das zu den grundlegendsten Voraussetzungen der islamischen Mystik gehört. Doch kann MuqÁtil b. SulaymÁn (150/767) nicht als deren Ideengeber betrachtet werden, da seine Interpretation der von Kaþb al-A½bÁr (23-35/644-655) sehr ähnelt. Er scheint sie bereits gekannt und nur noch weiter individuell ausgeführt zu haben723. Einen kausalen Bezug zwischen Vers 35 und den Versen 36-40 stellt er nicht her. Bemerkenswert ist, dass er ab Vers 36 teilweise auf den Kontext der Offenbarung Rücksicht nimmt, wie z.B. bei der Umschreibung der [Häuser] oder in der Definition des [KÁfir]. Die Auslegung des Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) besteht ausschließlich aus Überlieferungen mit der vollständigen Ausführung ihrer Überliefererketten. Den Lichtvers betreffend ist jedes im Vers vorkommende Wort bzw.

723 Vgl. Mehmet Akif Koç, Tefsirde Bir Kaynak Ïncelemesi. EÒ-ÑaþlebÍ (427/1036) Tefsirinde MuÅÁtil b. SuleymÁn (150/767) Rivayetleri, kitâbiyât, Ankara 2005, Fußnote 151, S. 63. 147

jede Wortgruppe von verschiedenen Gelehrten mehrmals erklärt oder definiert. Auffallend ist, dass viele Angaben auf Ibn þAbbÁs (68/687) zurückführen. Wir erfahren aufgrund des Stils des Kommentators leider dessen eigene Ansichten zu den Versen nicht. Da die Überlieferungen immer ein Wort oder eine Wortgruppe erörtern, entsteht meines Erachtens in der Auslegung ein verzerrtes Bild. So kann aus ihnen für die Verse 36-38 z.B. nicht entnommen werden, wer und was genau gemeint ist. Die Überlieferungen scheinen vielmehr als mögliche Deutungen zu den Versen aufgelistet worden zu sein. Im Kontext der Offenbarung betrachtet können allerdings – laut Überlieferungen – z.B. mit dem Wort [Häuser] in Vers 36 keine Moscheen oder sonstiges gemeint sein. Dagegen ergeben die Angaben zu den Versen 39-40 ein konkreteres Bild. Hier scheint z.B. der Ausdruck die [Taten des KÁfir] noch in seiner Bedeutung der Offenbarungszeit aufgefasst zu werden. Doch dann ist zu fragen, ob es zu Lebzeiten des Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) denn noch KÁfir nach der koranischen Auffassung gab. Achtet man auf die Sterbejahre der Überlieferer, bemerkt man außerdem, dass sich die Inhalte der Überlieferungen im Allgemeinen vom Kontext der Offenbarung immer mehr lösen. Im Gegensatz zu Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) teilt aÔ-ÓabarÍ (310/923) dem Leser seine eigenen Ansichten oder Neigungen zur Auslegung des Verses immer mit. Genau so wie die beiden vorangegangenen Gelehrten betrachtet auch er den ersten Satz des Verses vom Gleichnis getrennt. In der Auslegung des Gleichnisses ist für ihn der Koran und der Glauben jedoch tragend. Darüber hinaus fällt bei ihm auf, dass sich die Inhalte der Überlieferungen und die Überliefererketten mit denen von Ibn AbÍ ¼Átim (327/939) oft decken. Des öfteren versucht aÔ-ÓabarÍ (310/923) eine Versstelle durch die Unterstützung weiterer Versstellen aus dem Koran zu untermauern. Bemerkenswert ist auch, dass er z.B. zu Beginn der Verse 3940 erörtert, was er unter KÁfir versteht: nämlich jemanden, der die Einsheit Gottes und den Koran abstreitet. Demnach unterscheidet sich seine Ansicht von der des MuqÁtil b. SulaymÁn (150/767), der das Wort nur auf den die Einsheit Gottes Abstreitenden bezog. Doch einen Bezug zwischen dem Lichtvers und den Versen 36-40 stellt auch er nicht her. al-³azÁlÍ (505/1111) betrachtet den Lichtvers aus einer ganz anderen Perspektive. An die Gegebenheiten der Offenbarungszeit ist hier bis auf eine auf den Propheten zurückgeführte Überlieferung – allerdings ohne Angabe einer Überliefererkette – nicht mehr zu denken. Erst bei ihm begegnen wir der Definition des Begriffes Licht an sich und der Erörterung, 148

warum dieses Licht nicht auf Gott bezogen werden kann. Aus dem Lichtvers hingegen entwickelt er zunächst eine Theorie zur Existenz Gottes. Darin bezeichnet er das im Vers vorkommende [Licht] als das Licht Gottes, weil er davon ausgeht, dass es darüber hinaus nichts wirklich Existentes gibt. Demnach sieht er alles Existente als abhängig von der Existenz Gottes. Ähnlich wie Kaþb al-A½bÁr (23-35/644-655) überträgt er dann individuelle Deutungen auf die im Gleichnis vorkommenden Gegenstände. Von den anderen unterscheidet sich al-³azÁlÍ (505/1111) in zweierlei Hinsicht: Erstens erörtert er das Gleichnis im Zusammenhang mit der menschlichen Vernunft und zweitens betrachtet er die im Vers vorkommenden Gegenstände als jenseitige Bezeichnungen und sieht ihre diesseitigen Entsprechungen in der Reife dieser Vernunft. Im Unterschied zu allen bisherigen Ansichten betrachtet az-Zama¿ÊarÍ (538/1143) den ersten Satz im Vers 35 vom Rest nicht getrennt. Er sieht zwischen Gott und dem Menschen insofern eine Verbindung, als dass Gott diejenigen, die an ihn glauben, rechtleitet. Doch auch seine Auslegung des Gleichnisses ist individuell. Äußerlich betrachtet fällt die Kürze seiner Auslegung der Verse auf. Außerdem gibt er selten Überlieferungen an und wenn, dann ohne eine Überliefererkette. Wie aÔ-ÓabarÍ (310/923) versucht auch er des öfteren, seine Ansichten mit anderen Versen aus dem Koran zu unterstützen. In ar-RÁzÍs (606/1209) Korankommentar zum 35. bis 40. Vers finden wir eine Zusammenfassung von den frühesten bis zu seiner Zeit hineinreichenden Erörterungen. Darüber hinaus nimmt er Stellung zu den aktuell geführten Diskussionen. Über die Verse an sich sagt er selbst sehr wenig aus. Auffallend ist, dass er fast die ganze Abhandlung von al-³azÁlÍ (505/ 1111) zitiert. Ihm geht es aber hauptsächlich darum, zu beweisen, dass mit dem im Vers gemeinten [Licht] keine Gottheit bezeichnet wird und dass damit auch nicht das sinnlich wahrnehmbare, sondern das vollkommene Licht gemeint ist. Demnach bestätigt er eigentlich die Theorie von al-³azÁlÍ (505/1111). Auch von ihm kann gesagt werden, dass er zwischen dem ersten Satz des 35. Verses und dem Gleichnis keinen Zusammenhang sieht. Bei al-Fay±u ÿl-KÁÊÁnÍ (1091/1680) unterscheiden sich die Überliefererketten gänzlich von den vorangegangenen, doch die Inhalte der Überlieferungen unterscheiden sich nur teilweise von dem bisher Erwähnten. Das liegt daran, dass er der schiitischen Glaubensrichtung angehört. Die Auslegungen der Verse können allerdings ebenfalls als individuelle Deu149

tungen betrachtet werden, die aus den Versen selbst nicht zu entnehmen sind. Auffällig ist der zu þAlÍ (40/661) und seinen Familienangehörigen hergestellte Bezug und die Erwähnung der Problematik mit den Omayyaden. Die Auslegungen des 20. Jahrhunderts hingegen unterscheiden sich äußerlich hauptsächlich durch ihre Kürze. Inhaltlich hingegen geben die wenigsten eine Auswahl aus den frühesten Überlieferungen wieder. Von allen Kommentatoren betrachtet nur Elmalïlï (1360/1942) den 35. Vers als Ganzes. Indem er den Begriff NÚr als eine Art von Licht definiert, löst er die Frage, ob das Wort das sinnlich wahrnehmbare Licht bezeichnet oder nicht. Gott selbst sieht er als den Schöpfer des Lichtes an und greift das Gleichnis als einen symbolischen Vergleich dazu auf. Einen Bezug zwischen den Versen 35 und 36-40 stellt er allerdings auch nicht her. Bei Sayyid QuÔb (1384/1966) und Süleyman AteÐ (geb. 1350/1933) fällt auf, dass sie den im Vers vorkommenden Begriff [Licht] mithilfe der Naturwissenschaft und insbesondere der Physik erklären wollen. Bediüzzaman Said Nursî (1378/1960) hingegen meint, dass der Vers die Erfindung der Elektrizität voraussagt. Während Ömer Nasuhi Bilmen (1389/ 1971) sich dieser Ansicht anschließt, überträgt er außerdem den Lichtvers auf den koranischen Wahrheitsanspruch. M. Zeki Dumans (geb. 1370/ 1952) Betrachtungsweise hingegen orientiert sich formal stark an der Abhandlung von al-³azÁlÍ (505/1111). In den Auslegungen der Verse 36-40 ist sonst kein nennenswerter Unterschied zu den klassischen Auslegungen festzustellen.

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Schlussbemerkung Wenn die Gelehrten den ersten Satz im 35. Vers vom darauf folgenden Gleichnis getrennt betrachten, müssen sie zwei Fragen beantworten: 1. Warum beginnt das Gleichnis dann nicht mit einem neuen Subjekt? 2. Worauf bezieht sich das dem ersten Satz unmittelbar folgende Possessivpronomen [sein] im Gleichnis? Aussagen der Gelehrten, die die Gegenstände im Gleichnis des 35. Verses mit dem Propheten u.a. in Verbindung bringen, bewerten meines Erachtens die Bedeutung der Gegenstände über und sprechen ihnen dadurch eine zu große Bedeutungen zu. Auch wenn der Begriff Licht in der Offenbarung für den Propheten, den Koran oder für Rechtleitung u.a. verwendet wird, sollten die Gegenstände nicht vom Kontext des Verses getrennt werden. Wie wir in den Auslegungen zum Lichtvers gesehen haben, ist seine ursprüngliche Absicht durch diese Herangehensweise, die der Entfaltung der Ideen (zu) viel Raum gibt, nicht gerade selten von eigenwilligen Interpretationen überschattet worden. Der Kontext der Offenbarung sollte jedoch Priorität haben, auch dann, wenn es zur Deutung eines Verses kaum konkrete Hinweise gibt. Die islamwissenschaftliche Forschung steht daher vor der großen Aufgabe und Herausforderung, die Geschichte der Offenbarung zu rekonstruieren. Außerdem sollte sie eine einheitliche Methodologie entwickeln, die es ermöglicht, wissenschaftlich akzeptable Koranforschung zu betreiben. Sonst kann nicht verhindert werden, dass sich das Wort Gottes durch die eigenwilligen Interpretationen verselbständigt.

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Die osmanischen Ulema des 17. Jahrhunderts Eine geschlossene Gesellschaft? 2007. 224 S., Pb., 978-3-87997-337-8 Band 275 Fouzia El-Asrouti

Der Rif-Krieg 1921–1926. Eine kritische Untersuchung des gesellschaftlichen Transformationsprozesses unter MuÎammad Ibn ÝAbd al KarÐm al-ËaÔÔabÐ. 2007. 131 S., Pb., 978-3-87997-338-5 Band 279 Marcin Marcinkowski

Die Entwicklung des Osmanischen Reiches zwischen 1839 und 1908. Reformbestrebungen und Modernisierungsversuche. 2007. 97 S., Pb., 978-3-87997-342-2 Band 280 Hakan Özkan

Narrativität im KitÁb al-Faraº baÝda š-šidda des AbÙ ÝAlÐ al-MuÎassin at-TanÙÌÐ. 2008. 429 S., Pb., 978-3-87997-344-6 Band 281 Ursi Schweizer

Muslime in Europa. Staatsbürgerschaft und Islam in einer liberalen und säkularen Demokratie. 2007. 100 S., Pb., 978-3-87997-346-0

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