Aktuelles Arbeitsrecht, Band 1/2013 9783504383565

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Aktuelles Arbeitsrecht, Band 1/2013
 9783504383565

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Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 1/2013

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Band 1/2013

Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von

Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von

Dietrich Boewer Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.

Prof. Dr. Björn Gaul Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2013, S. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21 / 9 37 38-01, Fax 02 21 / 9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ISBN 978-3-504-42676-7 © 2013 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: Betz, Darmstadt Printed in Germany

Vorwort Das bevorstehende Ende der Legislaturperiode hat gesetzgeberische Ergebnisse der letzten Monate begrenzt. Vorhaben zum Beschäftigtendatenschutz, zum Mindestlohn, zur arbeitsrechtlichen Begrenzung des Einsatzes von Werkverträgen bleiben ebenso wie Vorgaben zur Geschlechterquote im Aufsichtsrat ohne Abschluss. Lediglich „bewusstseinserweckende“ Klarstellungen zur Berücksichtigung der psychischen Belastung als Folge der Arbeit sind in das Arbeitsschutzgesetz aufgenommen worden. Außerdem sind die Veränderungen bei der geringfügigen Beschäftigung in Kraft getreten. Wesentliche Veränderungen hat die Rechtsprechung im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung bewirkt. So wird man Leiharbeitnehmer zukünftig bei allen Schwellenwerten der Betriebsverfassung ebenso wie der Unternehmensmitbestimmung zu berücksichtigen haben. Gleiches gilt für den Kleinbetrieb im KSchG. Ergänzende Feststellungen zum Equal-Treatment-Gebot bei Arbeitsverhältnissen mit Bezugnahme auf „Tarifverträge“ der CGZP haben bestätigt, dass Ausschluss- und Verjährungsfristen ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt gerichtlicher Feststellungen zur Tariffähigkeit der Christlichen Gewerkschaften gelten. Ganz erhebliche Bedeutung – auch in Bezug auf eine Anwendung der Tarifverträge der DGB-Gewerkschaften – hat aber die Annahme des BAG, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf mehrgliedrige Tarifverträge intransparent und damit unwirksam ist. Sie kann zur Folge haben, dass auch hier Equal-Treatment verlangt werden kann. Hinzu kommen divergierende Entscheidungen des LAG Berlin-Brandenburg zu den Folgen einer unbefristeten Arbeitnehmerüberlassung. In Bezug auf die Vertragsgestaltung wird man in der Zukunft den Freiraum nutzen können, den die Feststellungen des BAG zur Ermessenstantieme - auch im Zusammenhang mit Zielvereinbarungen – eröffnen. Auch die gedankliche Vertretung als Sachgrund der Befristung von Arbeitsverhältnissen ist noch einmal bestätigt. Schranken können sich freilich insbesondere als Folge der AGB-Kontrolle in Bezug auf Ausschlussfristen, Freistellungsklauseln oder Stichtagsklauseln ergeben. Erhebliche Bedeutung auf individualvertraglicher Ebene haben auch die Änderung der Rechtsprechung zur Kennzeichnung von Umkleidezeiten als Arbeitszeit und die Kürzung des Urlaubs während der Kurzarbeit. Im Bereich des Kündigungsrechts wird die Praxis die Handhabe der Betriebsratsbeteiligung bei Massenentlassungen den Feststellungen des BAG zu § 17 Abs. 2 und 3 KSchG anpassen müssen. Die Sozialauswahl mit Altersgruppen ist zulässig, bedarf aber eines erheblichen BegründungsaufV

Vorwort

wands, so dass hier alternative Wege gesucht werden müssen. Soweit Arbeitnehmer nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden können, sind Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers, die an sich nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen, abweichend von der früheren Rechtsprechung unzureichend. Dies gilt für Betriebsratsmitglieder ebenso wie für Arbeitnehmer mit tariflichem Sonderkündigungsschutz. Gerade deshalb ist es wichtig, berechtigte Abmahnungen nicht bereits dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie keine Warnfunktion mehr besitzen. Im Betriebsverfassungsrecht eröffnet das BAG Wege, durch Betriebsvereinbarung Sozialleistungen (einschließlich Altersversorgung) abzubauen, die bislang nur arbeitsvertraglich geregelt waren. Sogar Altersgrenzen können unter bestimmten Voraussetzungen durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden. Geschärft hat das BAG die Mitbestimmung des Betriebsrats im Bereich der Vergütung sowie die Kriterien einer Zuständigkeit des Gesamtoder Konzernbetriebsrat. Betroffen hiervon waren die Einführung einer Personaldatensoftware ebenso wie Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen bei betriebsübergreifenden Restrukturierungsmaßnahmen. Erhebliche Bedeutung haben neue Feststellungen von EuGH, BGH und BAG zur Diskriminierung wegen Alters und Behinderung bei Sozialplanabfindungen, die Haftung von Betriebsratsmitgliedern für die Beauftragung von Beratern und die Unwirksamkeit bestimmter Modelle zur Vermeidung von § 613 a BGB. Darauf wird die Praxis sehr kurzfristig Rücksicht nehmen müssen, will man vermeiden, dass erhebliche wirtschaftliche Mehrbelastungen eintreten, wenn die Unwirksamkeit der bisherigen Handhabe geltend gemacht wird. Entsprechendes gilt für die Steuerung eines Betriebsübergangs im Dienstleistungsbereich, der eine sorgfältige Analyse der Bedeutung von Arbeitnehmern und Betriebsmitteln verlangt. In der Regel sind davon eine größere Zahl von Arbeitnehmern betroffen, was die Kostensensibilität zeigt. Ich danke Dietrich Boewer (Boe) sehr herzlich für seine umfangreiche Bearbeitung der einzelnen Beiträge, die gerade wegen meines Sabbaticals für das Gesamtwerk eine übergeordnete Bedeutung hatte. Ebenso danke ich Herrn Daniel Dominik (Do), Herrn Christoph Kaul, Herrn Daniel Krause (Kr), Herrn Stefan Schmidt-Lauber, Herrn Jörn Schneider (Sch), Herrn Dr. Hendrik Strauf (Str) und – ganz wesentlich –Frau Doris Hensch. Sie hat die Fertigstellung des Werks sichergestellt, so dass wir erneut eine hochaktuelle Zusammenfassung der jüngsten Entwicklung zur Verfügung stellen können. Köln, im Frühjahr 2013 VI

Björn Gaul (Ga)

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort .......................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV

A.

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ................................ 1

1.

Der letzte (gescheiterte) Anlauf zur Änderung des Beschäftigtendatenschutzes ................................................................. 1

2.

Gesetzgeberische Initiativen zur psychischen Belastung bei der Arbeit .............................................................................................. 2 a) Änderungen im Arbeitsschutzgesetz ............................................. 3 b) Initiative der Arbeits- und Sozialministerkonferenz ..................... 4 c) Fazit ............................................................................................... 5

3.

Gesetzentwurf zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen ....................................... 5

4.

Die parlamentarische Diskussion um die Zeitarbeit ............................ 6

5.

Gesetzentwürfe zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen ...................................................................................... 8 a) b) c) d)

Ausgangssituation ......................................................................... 8 Gesetzentwurf der SPD-Fraktion .................................................. 9 Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE .................................... 13 Fazit ............................................................................................. 17

6.

Gesetzentwurf über die Festsetzung des Mindestlohns ..................... 17

7.

Umsetzungsstand bei der Familienpflegezeit .................................... 19

8.

Entschließung des Bundestags zur Altersdiskriminierung ................. 20

9.

Gesetzgeberische Initiativen zur Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung ........................................................... 21

VII

Inhaltsverzeichnis

B.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht ............ 23

1.

Stellungnahme des Bundesrats zur Europäischen CloudComputing-Initiative .......................................................................... 23

2.

Stellungnahmen des Bundesrats zum Vorschlag einer Richtlinie zur Geschlechterquote ....................................................... 25

C.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................... 31

1.

Altersdiskriminierung durch die Suche nach „Berufsanfängern“.............................................................................. 31

2.

Schwerbehinderung: Darlegungspflicht bei behaupteter Benachteiligung im Bewerbungsverfahren ........................................ 33

3.

Formale Anforderungen an die Befristung zur „gedanklichen Vertretung“ ......................................................................................... 35

4.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung wegen Erwerbsminderung ............................................... 37

5.

Keine Pauschalbegrenzung der Arbeitnehmerhaftung ....................... 40

6.

AGB-Kontrolle von Rückzahlungsklauseln bei Fort- und Weiterbildungskosten ......................................................................... 43

7.

Unbefristete Arbeitnehmerüberlassung: Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher? ................................................................................... 48

8.

Vorlage der AU-Bescheinigung bereits am ersten Krankheitstag ..................................................................................... 52

9.

Wahrung der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist durch Erhebung einer Bestandsschutzklage ................................................. 54

10.

Anspruch auf Herausgabe anderweitiger Vergütung bei Freistellung und Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot ............................................................................. 58

11.

Keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für den GmbH-Geschäftsführer ...................................................................... 64

D.

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub ............................................ 67

1.

Umkleidezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit ........................ 67

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.

AGB-Kontrolle bei einer Vereinbarung zur unbezahlten Arbeitszeitverlängerung ..................................................................... 70

3.

Zweimaliger Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit ....................................................................... 73

4.

Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung: Einbindung der im Direktionsrecht zuweisbaren Arbeitsplätze ........................................ 75

5.

Betriebliche Übung bei übertariflichen Leistungen ........................... 76

6.

Zulässigkeit von Jahressonderzahlungen im Ermessen des Arbeitgebers ....................................................................................... 79 a) Ermessenstantieme bei Zielvereinbarung ................................... 79 b) Weihnachtsgratifikation im jährlichen Ermessen........................ 88

7.

Zeitanteilige Entstehung einer leistungsbezogenen Jahressonderleistung .......................................................................... 91

8.

Stichtagsregelung einer tariflichen Jahressonderzahlung .................. 95

9.

Differenzierte Tilgung von Mindest- und Mehrurlaub? ..................... 97

10.

Wegfall von Urlaubsansprüchen bei „Kurzarbeit Null“ .................. 101

11.

Urlaubsansprüche beim Wechsel in die Freistellungsphase der Altersteilzeit ..................................................................................... 104

12.

Vereinbarung über Ausschluss einer Abgeltung von Mehrurlaub ....................................................................................... 108

13.

Untergang des Urlaubsanspruchs nach Ablauf der 15-MonatsFrist .................................................................................................. 110

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ............................................ 113

1.

Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung ...... 113

2.

Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen ................. 118 a) b) c) d) e) f)

Zuständiger Betriebsrat ............................................................. 118 Inhalt der Unterrichtung ............................................................ 123 Zeitpunkt der Unterrichtung ...................................................... 125 Form der Unterrichtung............................................................. 126 Einbeziehung von Leiharbeitnehmern ...................................... 128 Fazit ........................................................................................... 131 IX

Inhaltsverzeichnis

3.

Einbeziehung der Leiharbeitnehmer bei der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 KSchG .................................................................. 132

4.

Betriebsbedingte Kündigung trotz des weiteren Einsatzes von Leiharbeitnehmern ........................................................................... 133

5.

Der wichtige Grund bei der Kündigung von Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz ........................................................... 136 a) Außerordentliche Kündigung eines Mandatsträgers und Umdeutung ................................................................................ 136 b) Kündigung einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und Zustimmung des Betriebsrats ................................................................................ 140

6.

Konsequenzen bei der Verkennung des Betriebsbegriffs für die Sozialauswahl ............................................................................. 142

7.

Strenge Anforderungen an die Bildung einer Altersgruppe zur Sozialauswahl ................................................................................... 146 a) Ausgangssituation ..................................................................... 146 b) Formale Anforderungen an die Namensliste im Interessenausgleich ................................................................... 147 c) Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen ......................... 148 d) Sozialauswahl ohne Altersgruppe ............................................. 150

8.

Kennzeichnung des leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG................................................................................... 152 a) Ausgangssituation ..................................................................... 152 b) Berechtigung zur selbständigen Einstellung oder Entlassung ................................................................................. 153 c) Bedeutung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses ................. 154

9.

Wie gewonnen, so zerronnen: Restitutionsklage nach EGMREntscheidung .................................................................................... 155

10.

Beginn der Klagefrist nach Kündigung durch vollmachtlosen Vertreter ............................................................................................ 157

X

Inhaltsverzeichnis

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................................................ 161

1.

Dynamische Änderungen bei der betrieblichen Altersversorgung .............................................................................. 161

2.

Bedeutung der Jahresabschlüsse nach IFRS für Anpassungspflicht nach § 16 BetrAVG ........................................... 167

3.

Diskriminierung wegen des Geschlechts bei abweichender Regelungen zu Beitragszeiten bei Teilzeitbeschäftigung................. 169

4.

Wartezeitregelung in einer Versorgungsordnung ............................. 172

5.

Arbeitszeugnis: Kein Anspruch auf Dank ........................................ 173

G.

Tarifrecht........................................................................................ 179

1.

Gleiches Arbeitsentgelt für Leiharbeitnehmer ................................. 179

2.

Zeitarbeit: Weiterhin Streit über die Tariffähigkeit der DGBGewerkschaften ................................................................................ 182

3.

Geltung einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist durch arbeitsvertragliche Bezugnahme ...................................................... 184

4.

Ablösung eines Verbandstarifvertrags durch Firmentarifvertrag ............................................................................ 187

5.

Tarifvertragliche Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern................................................................ 191

H.

Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 195

1.

Ablösung allgemeiner Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung ....................................................................... 195 a) Ausgangssituation ..................................................................... 195 b) Allgemeine Wirksamkeit der Bezugnahme auf betriebliche Einheitsregelungen ................................................ 196 c) Betriebsvereinbarungsoffenheit der betrieblichen Einheitsregelung ........................................................................ 198

2.

Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen ........................................ 200

XI

Inhaltsverzeichnis

3.

Neues zur Wahlberechtigung (früherer) Leiharbeitnehmer ............. 202 a) Wahlberechtigung nach Einstellung eines früheren Leiharbeitnehmers ..................................................................... 202 b) Besonderheiten bei Arbeitnehmern im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG ................................................................... 204

4.

Einbeziehung der Leiharbeitnehmer in die Schwellenwerte zur Betriebsratsgröße ....................................................................... 206

5.

Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl bei unwirksamem Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG ............................................... 209

6.

Kein Erfordernis von Vollmachtsurkunden bei der Betriebsratsanhörung........................................................................ 210

7.

Personalverwaltungssoftware: Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats.......................................................................... 213

8.

Mitbestimmung bei der Verwendung von Laufzetteln ..................... 217

9.

Mitbestimmungsfreie Vereinbarung des Einstiegsgehalts ............... 219

10.

Ausschluss aus Betriebsrat wegen unerlaubten Zugriffs auf elektronisches Personalinformationssystem .................................... 210 a) Ausgangssituation ..................................................................... 223 b) Kein wichtiger Grund nach § 626 BGB .................................... 225 c) Ausschluss aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG ...................................................................................... 226

11.

Außerordentliche Kündigung des Ersatzmitglieds eines Betriebsrats ....................................................................................... 228

I.

Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 231

1.

Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung bei Berechnungsregeln für Sozialplanabfindung ................................... 231 a) b) c) d) e)

XII

Ausgangssituation ..................................................................... 231 Vorliegen einer Ungleichbehandlung ........................................ 232 Rechtfertigung der Ungleichbehandlung .................................. 233 Rechtsfolgen bei unzulässiger Differenzierung ........................ 238 Anpassungsmöglichkeiten......................................................... 238

Inhaltsverzeichnis

2.

Haftung der Betriebsratsmitglieder für Honorarforderungen ihrer Berater bei Betriebsänderungen .............................................. 239

3.

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bei standortübergreifendem Personalabbau ........................................... 243

4.

Betriebsübergang durch Übernahme wesentlicher Betriebsmittel ................................................................................... 246 a) Abstrakte Kennzeichnung eines Betriebsübergangs ................. 246 b) Bestehen einer organisatorischen Einheit ................................. 248 c) Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel und/oder wesentlichen Arbeitnehmer ....................................................... 249 d) Keine wesentliche Unterbrechung ............................................ 253 e) Tatsächliche Fortsetzung der gleichen oder gleichartigen Tätigkeit .................................................................................... 256 f) Fazit ........................................................................................... 259

5.

Wechsel zu einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft „zur Vermeidung von § 613 a BGB“? .............................................................................................. 259

6.

Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bei Einzelrechtsnachfolge und Umwandlung? ........................................................................... 266 a) Ausgangssituation ..................................................................... 266 b) Übergang durch Übernahme von Betriebsmitteln .................... 267 c) Übergang durch Einstellung von Personal und Fortsetzung der Betriebstätigkeit .............................................. 269 d) Übergang bei Umwandlungen................................................... 270

7.

Haftung von Betriebserwerber und Veräußerer trotz Ausschlussfrist ................................................................................. 275

8.

Kündigung eines Schwerbehinderten nach Betriebsübergang ......... 278

9.

Kein Restmandat des Betriebsrats bei Kündigung nach Widerspruchs gemäß § 613 a Abs. 6 BGB ....................................... 279 a) Ausgangssituation ..................................................................... 279 b) Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen oder Konzern ............................................................................. 281 c) Vorliegen eines Übergang- oder Restmandats beim Betriebs- oder Betriebsteilübergang .......................................... 283

XIII

Inhaltsverzeichnis

d) Wegfall der Abfindung bei Kündigung nach Widerspruch gemäß § 613 a Abs. 6 BGB ....................................................... 284

J.

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 287

1.

Anhebung der Vergütungsgrenze für geringfügig Beschäftigte ....... 287

2.

Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge .................................................................... 289

3.

Übernahme der Riester-Förderung in die gesetzliche Rentenversicherung .......................................................................... 290

Stichwortverzeichnis................................................................................... 291

XIV

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. abl. ABlEG Abs. abw. AcP AGBG ADG ÄndG AEntG AEUV AFG AGBG AiB AFKG AktG AktuellAR AltEinkG AltZertG AVmG allg. AMP AMS amtl. Anl. Anm. AO AP ArbG ArbGG AR-Blattei

anderer Auffassung alte Fassung ablehnend Amtsblatt der EG Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungengesetz Antidiskriminierungsgesetz Änderungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz 1969 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) 1976 Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz Aktiengesetz Gaul bzw. Gaul/Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht Alterseinkünftegesetz Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Altersvermögensgesetz allgemein Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Anlage Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz 1979 Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis

XV

Abkürzungsverzeichnis

ArbNErfG

AuR AWbG

Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) 1957 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) 1957 Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitsrecht in Stichworten Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Das Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsgenehmigungsverordnung Artikel Anwerbestoppausnahmeverordnung Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Aufenthaltsgesetz Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) 1972 Arbeit und Recht Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz

BA BAG BAVAZ BAT BAT-O

Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost

ArbPlSchG ArbRB ArbSchG

ARSt ArbStättVO ArbZG ARdGgw. ArGV Art. ASAV ASiG ATG AuA AU-Bescheinigung Aufenthalt/EWG AufenthG Aufl. AÜG

XVI

Abkürzungsverzeichnis

BB BBiG Bd. BDA Beil. BEEG BEM BerASichG BErzGG Beschäftigungschancen gesetz BeschFG BeschSchG BetrAVG BetrSichVO BetrVG BetrVG 1952 BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BildschArbV BilMoG BImSchG BKK Bl. BMF BMT-G BMWA BPersVG br BR-Drucks.

Betriebs-Berater Berufsbildungsgesetz 1969 Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Beilage Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz 2004 Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) 1985 Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Beschäftigungsförderungsgesetz) 2001 Beschäftigtenschutzgesetz Betriebsrentengesetz Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz 1972 Betriebsverfassungsgesetz 1952 Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bildschirmarbeitsverordnung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bundes-Immissionsschutzgesetz Betriebskrankenkasse Blatt Bundesministerium für Finanzen Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesratsdrucksache XVII

Abkürzungsverzeichnis

BRTV-Bau BSDG BSeuchG BSG BSGE BSHG BSSichG BStBl. BT-Drucks. BUrlG BuW BNichtrSchG BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. ca. CGM CGZP ChemG ChGlFöG

DA DAG DB DBGrG ders. DGB d. h. DKK XVIII

Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (BundesSeuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Breitragssatzsicherungsgesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) 1963 Betrieb und Wirtschaft Bundesnichtraucherschutzgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise circa Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) 1994 Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten Gewerkschaft Der Betrieb Gesetz über die Gründung der Deutschen Bahn-AG derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Däubler/Kittner/Klebe

Abkürzungsverzeichnis

DLW DNotZ DOK DP DrittelbG DSAG DStR DStRE

Dörner/Luczak/Wildschütz Deutsche Notarzeitschrift Zeitschrift für "Ortskrankenkassen" Das Personalbüro Drittelbeteiligungsgesetz Datenschutzauditgesetz Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerrechtentscheidung

EAS EBRG

Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) 1996 Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) 1994 Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises Einkommenssteuerberater Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1997 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag über die Europäische Union eingetragener Verein eventuell

EBR-Richtlinie EFG EFTA EFZG EG EGBGB ELENA-VerfahrensG EstB EGV EGMR EMRK ErfK ESC EStG etc. EU EuGH EUZBLG EuZW EUV e. V. evtl.

XIX

Abkürzungsverzeichnis

EVÜ EWG EWiR EzA

Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

FamPflegeZG f. ff. FG Fitting FMStG Fn. FR FS

Familienpflegezeitgesetz folgend fortfolgende Finanzgericht Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanz-Rundschau (Dt. Steuerblatt) Festschrift

GA-AÜG

GRC GRUR GS GSG GWB

Geschäftsanweisung zum AÜG von der Bundesagentur für Arbeit (Stand 12/2011) Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe gemeinsam(e) Gendiagnostikgesetz Gentechniksicherheitsverordnung Gewerbeordnung 1869 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gerätesicherheitsgesetz 1992 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HAG HaKo-KSchR

Heimarbeitergesetz Handkommentar- Kündigungsschutzrecht

GefStoffV gem. GenDG GenTSV GewO GG ggf. GK GK-KR GmbHR GmS-OBG GNBZ

XX

Abkürzungsverzeichnis

Halbs. h. M. HGB HinGebSchG SWG

Halbsatz herrschende Meinung Handelsgesetzbuch 1897 Hinweisgeberschutzgesetz Hess/Schlochauer/Worzolla/Glock

i. d. F. i. E. i. H. a. INF InKDG

in der Fassung im Ergebnis im Hinblick auf Die Information über Steuer und Wirtschaft Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung 1994 Investmentgesetz im Sinne des Verordnung über Arbeitsgenehmigungen Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen IT-Rechtsberater in Verbindung mit

InsO InvG i. S. d. IT-ArGV IT-AV ITRB i. V. m. JArbSchG JuMoG KDZ Kap. KAPOVAZ KassArbR KassKomm KG KO KPK KR K&R krit. KSchG

Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) 1976 Justizmodernisierungsgesetz Kittner/Däubler/Zwanziger (Hrsg.) Kündigungsschutzrecht Kommentar 8. Aufl., 2011 Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kammergericht Konkursordnung Kölner Praxiskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Kommunikation und Recht kritisch Kündigungsschutzgesetz 1969 XXI

Abkürzungsverzeichnis

KuG

Kurzarbeitergeld

LadschlG LAG LAGE LasthandhabV LFZG

Ladenschlussgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lastenhandhabungsverordnung Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) 1969 Literatur Lebenspartnergesetz Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Lohnsteuer-Durchführungsverordnung

Lit. LPartG LPartÜAG LS LStDV m. MDR m. E. MERL MgVG m. w. N. MindArbBedG MinLohnG MitbestG MitbestErgG MontanMitbestG MonMitbestErgG MTV MünchArbR MüKo MuSchG

XXII

mit Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung mit weiteren Nachweisen Mindestarbeitsbedingungsgesetz Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) 1976 Mitbestimmungsergänzungsgesetz Montan-Mitbestimmungsgesetz Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Manteltarifvertrag Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) 1968

Abkürzungsverzeichnis

NachwG n. F. NJW Nr. Nrn. NZS n. v. NZA NZA-RR NZG

Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Sozialrecht (noch) nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OLG

Oberlandesgericht

PatG PersR PersVG NW

Patentgesetz 1980 Personalrat Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Pflegeversicherungsgesetz Pflegezeitgesetz Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Preisklauselgesetz Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Ausrüstungen bei der Arbeit

PflegeVG PflegeZG PfWG PreisKlG PSABV PSDG PSH-BV PSV PW

Verordnung über die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung Pensionssicherungsverein Preis/Willemsen

RabattG RAG RAGE

Rabattgesetz Reichsarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Reichsarbeitsgerichts RdA Recht der Arbeit RDV Recht der Datenverarbeitung Risikobegrenzungsgesetz Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken RIW Recht der internationalen Wirtschaft XXIII

Abkürzungsverzeichnis

RL Rz. Rs. RsprEinhG RVO RzK s. S. Sachgeb. SAE SchwarzArbG SchwbG SE SEAG SEBG SeemG SGB I SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB IX SGB X SGB XI SGb XXIV

Richtlinie(n) Randzahl/Randziffer Rechtssache Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes 1968 Reichsversicherungsordnung 1911 Rechtsprechung zum Kündigungsrecht siehe Seite bzw. Satz Sachgebiet Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft – Schwerbehindertengesetz (1986) Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Seemannsgesetz 1957 Sozialgesetzbuch, I. Buch - Allgemeiner Teil 1975 Sozialgesetzbuch, III. Buch - Arbeitsförderung 1997 Sozialgesetzbuch, IV. Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung 1976 Sozialgesetzbuch, V. Buch - Gesetzliche Krankenversicherung 1988 Sozialgesetzbuch, VI. Buch - Gesetzliche Rentenversicherung 1989 Sozialgesetzbuch, VII. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung 1996 Sozialgesetzbuch, IX. Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001 Sozialgesetzbuch, X. Buch - Verwaltungsverfahren 1980/82 Sozialgesetzbuch, XI. Buch - Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit 1994 Die Sozialgerichtsbarkeit

Abkürzungsverzeichnis

SigG s. o. sog. SozplKonkG SozR SPE spi SprAuG SpTrUG StGB st. Rspr.

Signaturgesetz siehe oben sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht, Entscheidungssammlung Societas Privata Europaea (=Statut der Europäischen Privatgesellschaft) sozialpolitische Informationen Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) 1988 Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Strafgesetzbuch 1871 ständige Rechtsprechung

TransPuG TVG TVöD TzBfG

Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz 1969 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge 2001

u. a. u. ä. ÜbernG

unter anderem und ähnlich Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen 2002 Umlagefinanzierungsgesetz Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (Umwandlungsgesetz) 1994 Urheberrechtsgesetz 1965 und so weiter Unfallverhütungsvorschriften

UmlFinG UmwG UrhG usw. UVV v. VAG VermbG VermG VersAusglG vgl.

vom Versicherungsaufsichtsgesetz Vermögensbildungsgesetz Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Versorgungsausgleichsgesetz vergleiche XXV

Abkürzungsverzeichnis

VglO Vorbem. VorstAG VorstOG VVG VwGO VwVfG WahlO WhistleblowerSchutzgesetz WHSS WiB wib WissZeitG WM WpHG WPrax WpÜG z. B. ZDG ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO ZSEG z. T. XXVI

Vergleichsordnung 1935 Vorbemerkung(en) Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz Gesetz über den Versicherungsvertrag 1908 (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz 1976 Wahlordnung Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Wirtschaftliche Beratung Woche im Bundestag Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft Wertpapiermitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zum Beispiel Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung 1877 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zum Teil

Abkürzungsverzeichnis

ZTR zust. ZustRG

Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Zustellungsreformgesetz

XXVII

A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.

Der letzte (gescheiterte) Anlauf zur Änderung des Beschäftigtendatenschutzes

Mehr als zweieinhalb Jahre nach der Einbringung ihres Gesetzentwurfs zum Beschäftigtendatenschutz - wir hatten über dieses lange Gesetzgebungsverfahren bereits mehrfach berichtet1 - hatte die Bundesregierung im Januar plötzlich doch noch den Versuch gemacht, ihr Vorhaben in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Im Hinblick darauf hatte sie den Entwurf noch einmal in einer Reihe von Punkten überarbeitet und zu den Beratungen des Innenausschusses am 10.1.2013 eingebracht2. Mit diesen Änderungen hatte die Bundesregierung zwar einen Teil der Kritik aufgegriffen, welche von Seiten der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Sachverständigen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erhoben worden war. Unstimmigkeiten wurden beseitigt und zusätzliche Schutzbestimmungen aufgenommen. Darüber hinaus wurde der Entwurf durch eine Klausel ergänzt, die den Datentransfer im Konzern erleichtern sollte. Auch der neue Entwurf enthielt allerdings erneut Unstimmigkeiten und Unklarheiten. Aus Sicht der Gewerkschaft lag darin eine erhebliche Verschlechterung der bestehenden Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten im Arbeitsverhältnis. Doch auch die Arbeitgeberseite übte Kritik. Sie machte auch in Bezug auf den geänderten Entwurf zu Recht geltend, dass vor allem die Gestaltungsmöglichkeiten durch Betriebsvereinbarungen weit hinter die derzeit geltende Rechtsprechung zurückgeführt würden. Darüber hinaus hatten die Regelungen zum Datenschutz bei unternehmensinternen Ermittlungen zur Folge, dass Beschäftigte, die gegen vertragliche Pflichten verstießen und/oder in strafrechtlicher Weise tätig wurden, nur unter sehr strengen Voraussetzungen überhaupt zulässige Ermittlungen des Arbeitgebers befürchten mussten. Insofern wäre mit diesem Entwurf die Frage aufgekommen, ob zukünftig überhaupt noch bestehende gesetzliche Regelungen zur Compliance hätten wirksam umgesetzt werden können. Der offenbar auch in der Bundesregierung selbst kaum koordinierte Vorstoß hat angesichts dieser Widersprüche erhebliche Kritik ausgelöst. Die Bundesregierung hat diese Kritik nunmehr zum Anlass genommen, ihren Vorschlag 1 2

B. Gaul, AktuellAR 2010, 269 ff.; 2011, 1 ff., 303 ff.; 2012, 1 ff. BT-Drucks. 17(4) 636.

1

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

zurückzuziehen. Angesichts des bevorstehenden Endes der Legislaturperiode steht damit fest, dass es auch 2013 keine Änderung der bestehenden Vorschriften zum Beschäftigtendatenschutz geben wird. Es bleibt im Wesentlichen bei § 32 BDSG, dessen Vorgaben allerdings unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts durch Kollektivvereinbarung ersetzt werden können. Das folgt bereits heute aus § 4 Abs. 1 BDSG. In vielen Fällen eröffnet dies größere Gestaltungsmöglichkeiten, als es mit einer Umsetzung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung der Fall gewesen wäre. Lediglich bei unternehmensübergreifenden Vorgängen wird man leider auch in Zukunft in der Regel nur auf die erleichterten Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung zurückgreifen können. Veränderungen im Datenschutzrecht wird es deshalb wohl nur auf Veranlassung des europäischen Gesetzgebers geben. Hier bleibt abzuwarten, ob und in welcher Gestalt das Vorhaben einer Datenschutz-Grundverordnung umgesetzt wird3. (Ga)

2.

Gesetzgeberische Initiativen zur psychischen Belastung bei der Arbeit

Im Herbst des vergangenen Jahres hatten wir uns intensiv mit der psychischen Belastung von Arbeitnehmern und den daraus folgenden Handlungsmöglichkeiten und -pflichten befasst4. Die öffentliche Diskussion zu diesem Thema macht deutlich, dass sich Gesetzgeber und betriebliche Praxis auch in der Zukunft intensiv mit den damit zusammenhängenden Fragen befassen müssen. Deutlich wird dies nicht nur in mehreren Anfragen, die durch einzelne Abgeordnete und die Fraktion DIE LINKE an die Bundesregierung gerichtet wurden. Sie betreffen psychische Belastungen aufgrund flexibler und atypischer Arbeitszeiten5 und die Förderung des betrieblichen Gesundheitsmanagements durch steuerrechtliche sowie darüber hinausgehende Regelungen und deren Nutzung6.

3 4 5 6

2

Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2012, 1 f., 297 ff., vgl. auch Thüsing, BB 2013, erste Seite. B. Gaul, AktuellAR 2012, 334 ff. BT-Drucks. 17/11974. BT-Drucks. 17/12127.

Gesetzgeberische Initiativen zur psychischen Belastung bei der Arbeit

Eine Antwort der Bundesregierung hierauf steht noch aus. Allerdings hat die Bundesregierung, wie nachfolgend aufgezeigt wird, den Entwurf einer Ergänzung der §§ 4, 5 und 6 ArbSchG vorgelegt.

a)

Änderungen im Arbeitsschutzgesetz

Im Rahmen des Gesetzentwurfs zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz) hat die Bundesregierung am 5.2.2013 die Diskussion über den Umgang mit psychischer Belastung am Arbeitsplatz aufgegriffen und Vorschläge zur Änderung der §§ 4, 5 und 6 ArbSchG vorgelegt7. Nach dem Entwurf soll zunächst einmal bei der Darstellung der allgemeinen Grundsätze in § 4 Nr. 1 ArbSchG eine Klarstellung vorgenommen werden. Danach ist der Arbeitsplatz zukünftig so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die „physische und die psychische“ Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Ergänzend hierzu sollen die gesetzlichen Regelungen zur Gefährdungsanalyse in § 5 dahingehend präzisiert werden, dass sich eine Gefährdung gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG insbesondere auch ergeben kann durch psychische Belastungen bei der Arbeit. Beide Änderungen sind materiell-rechtlich völlig überflüssig. Bereits der heutige Wortlaut des Gesetzes begründet entsprechende Pflichten. Insofern zielt die Anpassung auch nur darauf ab, „das Bewusstsein der Arbeitgeber für psychische Belastungen bei der Arbeit zu schärfen … und dabei das Augenmerk vor allem auch auf die Berücksichtigung von psychischen Belastungen zu richten.“8. Denn die psychische Belastung muss schon heute bei der Gefährdungsanalyse nach § 5 ArbSchG berücksichtigt werden9. Die Formulierung „bei der Arbeit“ soll in diesem Zusammenhang deutlich machen, dass arbeitgeberseitige Schutzmaßnahmen nur insoweit geboten sind, als Gefährdungen für die physische und die psychische Gesundheit der Beschäftigten als Folge der Arbeit auftreten.

7 8 9

BT-Drucks. 17/12297. BT-Drucks. 17/12297, 67. Eingehend hierzu GDA, Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz (2012); Inqa, Integration der psychischen Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung (2012).

3

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Als Reaktion auf die Stellungnahme des Bundesrats zum Gesetzentwurf soll darüber hinaus das Privileg der Kleinunternehmen in § 6 Abs. 1 S. 3, 4 ArbSchG gestrichen werden. Danach werden derzeit noch Betriebe mit zehn oder weniger Beschäftigten von der Pflicht zur Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ausgenommen. Mit dieser Änderung wird klargestellt, dass die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung und ihre anschließende Dokumentation bereits ab dem ersten Beschäftigten erforderlich ist. Insoweit erlaubt Art. 9 Abs. 2 Richtlinie 89/391/EWG den Mitgliedstaaten zwar, Art und Umfang der Dokumentation unterschiedlich zu regeln, nicht aber auf eine Dokumentation zu verzichten10.

b)

Initiative der Arbeits- und Sozialministerkonferenz

Ungeachtet dessen hat die 89. Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 28./29.11.2012 mehrere Punkte beschlossen, auf deren Grundlage zukünftig der steigenden psychischen Belastung bei der Arbeit entgegnet werden soll. Der Beschluss, der mehrheitlich von den durch die aktuelle Opposition regierten Bundesländern getragen wird, lautet wie folgt: Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder: 1. stellen fest, dass ein dringender Handlungsbedarf für den Arbeitsschutz besteht, die negativen Auswirkungen arbeitsbedingter psychischer Belastungen zu vermeiden oder zu verringern. Die gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen, als auch die enormen betriebs- und volkswirtschaftlichen Kosten erfordern Anstrengungen aller Akteure. 2. Halten es für erforderlich, dass die Aufsichtsbehörden hinsichtlich arbeitsbedingter psychischer Belastungen mit den in diesem Themenfeld agierenden Akteuren, Netzwerken und Sozialpartnern kooperieren müssen, insbesondere mit den Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern. 3. Sprechen sich dafür aus, dass die staatlichen Arbeitsschutzbehörden ihre Aktivitäten im Handlungsfeld „Arbeitsbedingte psychische Belastungen“ auf der Grundlage der vorhandenen Konzeptionen und Handlungshilfen weiter intensivieren.

10 BT-Drucks. 17/12297, Anlage 4.

4

Gesetzentwurf zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern

4. Sind der Auffassung, dass für arbeitsbedingte psychische Belastungen die rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Grundpflichten der Arbeitgeber, der Anforderungen an die entsprechende Gefährdungsbeurteilung und zur Umsetzung präventiver Maßnahmen nicht hinreichend konkret beschrieben sind. Sie bitten die Bundesregierung, die notwendigen Rechtsgrundlagen für eine angemessene Überwachung und Beratung der Betriebe zur arbeitsbedingten psychischen Belastungen zu schaffen und die Länder an der Erarbeitung zu beteiligen.

c)

Fazit

Berechtigterweise wird insbesondere die letztgenannte Aufforderung nach einer Konkretisierung der bestehenden Rechtsgrundlagen arbeitgeberseits abgelehnt. Das geltende Recht enthält bereits ausreichende Vorgaben, die Handlungspflichten insbesondere im Bereich des Arbeitsschutzes bei psychischer Belastung begründen11; schon die vorstehend dargestellte Ergänzung durch den aktuellen Entwurf der Bundesregierung zu den §§ 4, 5 ArbSchG ist überflüssig. Es obliegt den im Betrieb Verantwortlichen, diese Vorschriften auszufüllen. Da die insoweit maßgeblichen Standards ohnehin betriebs- und tätigkeitsbezogen spezifiziert werden müssen, sind abstraktgenerelle Rechtsvorschriften ungeeignet. Insoweit war auch die Anti-StressVerordnung der IG-Metall12 vom Juni 2012 einerseits zu unbestimmt, andererseits zu weitgehend. Abzuwarten bleibt, ob und inwieweit das Thema im Anschluss an die Bundestagswahl erneut Aktivitäten auslösen wird. Wir werden darüber berichten. (Ga)

3.

Gesetzentwurf zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen

Im vergangenen Herbst hatten wir über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG)13 berichtet14. Derzeit ist nicht davon auszugehen, dass im Rahmen dieser Legislaturperiode eine Mehrheit für diese Initiative des 11 12 13 14

B. Gaul, AktuellAR 2012, 339 ff. www.igmetall.de BR-Drucks. 330/12 und BT-Drucks. 17/11270 bzw. 17/11139. B. Gaul, AktuellAR 2012, 282 ff.

5

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Bundesrats gefunden wird. Nach der ersten Lesung ist der Entwurf in die Ausschüsse verwiesen worden. Änderungsvorschläge der Länder Hamburg und Brandenburg, die sich gegen eine Sanktion über die Streichung der körperschaftsteuerrechtlichen Abzugsfähigkeit der Aufsichtsratsaufwendungen wenden15, wurden dabei noch nicht berücksichtigt. Insofern könnte es sogar sein, dass erst die auf europäischer Ebene gestartete Initiative einer Richtlinie zu Geschlechterquoten16 eigenständige Umsetzungsvorgaben auch in Deutschland schaffen wird, sollten sich hierfür auf dieser Ebene Mehrheiten finden. Dann wären auch Vorstand und Geschäftsführung betroffen. (Ga)

4.

Die parlamentarische Diskussion um die Zeitarbeit

Auf der Grundlage mehrerer Anfragen einzelner Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird die Diskussion um die Zeitarbeit und den Schutz der Leiharbeitnehmer auf parlamentarischer Ebene fortgeführt17. Der Umstand, dass auf tarifvertraglicher Ebene insbesondere durch die Vereinbarung von Branchenzuschlägen wesentliche Verbesserungen beim Arbeitsentgelt durchgesetzt wurden18, hat nur kurz zu einem Rückgang der kritischen Auseinandersetzung geführt. In ihrer Antwort auf die erste Anfrage musste sich die Bundesregierung nicht nur mit Fragen zur Durchsetzung der Drehtürklausel in der Leiharbeit befassen19. Die entsprechende Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 3 S. 4 AÜG hat zum Inhalt, dass eine Abweichung vom Equal-Treatment-Grundsatz durch Tarifvertrag ausgeschlossen ist, für jene Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitgeber ausgeschieden sind, welcher mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des § 18 AktG bildet. Ergänzend hierzu musste sich die Bundesregierung intensiv mit der Wirkungsweise des Equal-Pay-Grundsatzes und den Branchenzuschlägen in der Leiharbeit auseinandersetzen20. Ausgangspunkt der entsprechenden Anfrage sind die Branchentarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und dem Interessenverband der Deutschen Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) auf der einen und den Mitgliedsge15 16 17 18 19 20

6

BR-Drucks. 330/1/12. B. Gaul, AktuellAR 2012, 301 f., 302; 2013, 25 ff. BT-Drucks. 17/12165 und 17/12271. B. Gaul, AktuellAR 2012, 278 ff. BT-Drucks. 17/12165. BT-Drucks. 17/11738.

Die parlamentarische Diskussion um die Zeitarbeit

werkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf der anderen Seite abgeschlossen worden sind. Die entsprechenden Regelungen sind in der Zeit vom 1.11.2012 bis zum 1.4.2013 in Kraft getreten, ohne dass dabei die derzeit anhängigen Verfahren wegen des Vorwurfs einer fehlenden Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaft eine Rolle gespielt haben21. Sie betreffen etwa 600.000 der 873.000 Zeitarbeitnehmer. Ob und inwieweit hiervon durch Tarifverträge ohne Branchenzuschläge geringere Vergütungsansprüche für Zeitarbeitnehmer durchgesetzt werden können, hat die Bundesregierung offengelassen. Voraussetzung hierfür wäre allerdings, dass für die entsprechenden Leiharbeitnehmer solche (anderen) Tarifverträge zur Anwendung kommen, die auch von einer insoweit anerkannten Gewerkschaft abgeschlossen wurden. Dies wäre jedenfalls dann der Fall, wenn CGM oder DHV als Vertragspartner tätig werden. Zweifel dürften allerdings dann bestehen, wenn tarifvertragliche Regelungen durch Abschluss mit der BIGD, ALEB oder medsonet angestrebt werden. Hier ist die fehlende Tariffähigkeit rechtskräftig festgestellt oder derzeit noch Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Vor dem Hintergrund der tarifvertraglichen Regelungen über Branchenzuschläge sieht die Bundesregierung keinen Anlass, eine Kommission zum Thema Equal-Pay in der Zeitarbeit einzurichten. Solche Überlegungen waren durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales angestellt worden, als es noch keine solchen Tarifverträge gegeben hatte. Die ergänzende Anfrage vom 4.2.201322 beschäftigt sich vor allem mit der Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Leiharbeit. Dabei geht es um Vermittlungsquoten, die Verweildauer von Leiharbeitnehmern in Beschäftigungsverhältnissen, die Wirkungsweise von Kooperationsvereinbarungen zwischen der Bundesagentur für Arbeit und Leiharbeitsunternehmen und die Nachhaltigkeit und Qualität einer Tätigkeit als Leiharbeitnehmer. Hier steht die Antwort der Bundesregierung aber noch aus. Angesichts dieser weiterhin kritischen Bewertung durch die Opposition steht zu erwarten, dass die Zeitarbeit nicht nur Gegenstand von Auseinandersetzungen im Rahmen des Bundestagswahlkampfs werden wird. Insbesondere für den Fall eines Regierungswechsels wird man davon ausgehen können, dass es in diesem Bereich weitergehende Regulierungen gibt. Das derzeit vorrangige Problem, nämlich eine Korrektur etwaiger Bezugsnah-

21 Hierzu B. Gaul, AktuellAR 2013, 182 ff. 22 BT-Drucks. 17/12271.

7

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

meklauseln, über die wir mit Blick auf das Urteil des BAG vom 13.3.201323 an anderer Stelle berichten24, ist davon indes nicht betroffen. (Ga)

5.

Gesetzentwürfe zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen

a)

Ausgangssituation

Die öffentliche Diskussion über die Zeitarbeit und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten zur Absenkung der für Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen auf der einen Seite und die zunehmende tarifvertragliche Regelung der für Leiharbeitnehmer geltenden Vergütung (einschließlich Branchenzuschläge) auf der anderen Seite, die zu einer Kostensteigerung dieser Form des Personaleinsatzes geführt hat, hatten die Zunahme der Abwicklung von Dienst- oder Werkleistungen im Rahmen von Werkverträgen zur Folge. Denn für Werkverträge bzw. den Einsatz von Arbeitnehmern des Werkunternehmers beim Auftraggeber finden die gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen zur Leiharbeit keine Anwendung. Die Fraktion DIE LINKE25 und die Fraktion der SPD26 haben nun Gesetzentwürfe vorgelegt, mit denen nach ihrer Bezeichnung der Missbrauch von Werkverträgen bekämpft werden soll. Im Ergebnis hätte eine Umsetzung dieser Gesetzentwürfe aber zur Folge, dass solche Verträge generell eingeschränkt, mit erhöhten personellen Aufwendungen verknüpft sind und schlussendlich ein Teil der mit Werkverträgen insbesondere im Bereich des Outsourcings verbundenen Kosteneinsparung nicht (mehr) erreicht werden kann. Ausgangspunkt dabei ist die Erkenntnis der beiden Parteien, dass Arbeitnehmer, die im Rahmen von Werkverträgen zum Einsatz gelangen, zum Teil deutlich weniger verdienen, als dies bei Arbeitnehmern im Einsatzbetrieb oder bei Leiharbeitnehmern der Fall ist. Soweit keine Branchen mit allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen in Rede stehen, bewirkt schon das Fehlen eines gesetzlichen Mindestlohns, dass durch Tarifvertrag oder – in den Grenzen der Sittenwidrigkeit - durch Arbeitsvertrag ein erheblicher Gestaltungsspielraum für schlechtere Arbeitsbedingungen besteht. Beteili23 24 25 26

8

5 AZR 146/12 n. v.; 5 AZR 242/12 n. v.; 5 AZR 294/12 n. v. B. Gaul, AktuellAR 2013, 179 ff. BT-Drucks. 17/12373. BT-Drucks. 17/12378.

Gesetzentwürfe zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen

gungsrechte des Betriebsrats sind dabei wegen der fehlenden Eingliederung von Arbeitnehmern des Werkunternehmers in den Betrieb des Auftraggebers nicht gegeben. Hinzu kommt, dass im Zusammenhang mit der Fremdvergabe von Dienst- oder Werkleistungen nicht notwendig eine beteiligungspflichtige Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorliegt. In jedem Fall aber geht das BAG davon aus, dass Nachteile eines Betriebsübergangs – im Gegensatz zu den Nachteilen einer Betriebsänderung – gegen den Willen des Arbeitgebers nicht zum Inhalt eines Sozialplans oder des Spruchs einer Einigungsstelle gemacht werden können. Vergleichbar mit Initiativen des DGB27 sollen deshalb nicht nur im Bereich der Zeitarbeit, sondern auch im Betriebsverfassungsrecht und im Sozialversicherungsrecht Veränderungen in Bezug auf die bestehenden gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Dies schließt nach den insoweit übereinstimmenden Vorstellungen von der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE auch die Einführung eines Mindestlohns ein28.

b)

Gesetzentwurf der SPD-Fraktion

aa)

Vermutung für Arbeitnehmerüberlassung

Durch Einfügung von § 1 Abs. 1 a AÜG soll eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung geschaffen werden, wenn drei der folgenden Merkmale vorliegen: 1.

Die Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit eines im Einsatzbetrieb Angestellten oder eines dort innerhalb der letzten zwei Jahre angestellten Arbeitnehmers;

2.

der Arbeitnehmer verwendet Material oder Werkzeug des Einsatzbetriebs;

3.

es soll kein Ergebnis erstellt werden, das dem Arbeitgeber zugerechnet werden kann;

4.

eine Gewährleistung des Arbeitgebers ist vertraglich ausgeschlossen;

5.

der Arbeitgeber haftet für Ausfall und fristgerechte Zurverfügungstellung der Arbeitnehmer;

6.

es erfolgen von einem konkreten Ergebnis unabhängige Abschlagszahlungen an den Arbeitgeber;

27 arbeitsmarkt aktuell Nr. 5 2012. 28 Ähnlich Jakob/Thannisch, AiB 2013, 81 ff.

9

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

7.

die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist im Vertrag mit seinem Arbeitgeber detailliert beschrieben.

Kann diese Vermutung nicht widerlegt werden, soll Arbeitnehmerüberlassung gegeben sein. Fehlt dann die hierfür erforderliche Erlaubnis, liegt nicht nur eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat vor. Vielmehr kommt es auch zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher (§§ 9, 10 AÜG). bb)

Kennzeichnungspflicht bei Leiharbeit

Leiharbeit soll zukünftig auch ausdrücklich als solche gekennzeichnet werden müssen. Hierfür wird § 11 Abs. 1 AÜG ergänzt. Wird diese Kennzeichnungspflicht missachtet, soll es nicht nur statthaft sein, die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu versagen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG). Vielmehr soll als Konsequenz entsprechender Änderungen in § 1 Abs. 2 AÜG auch von einer Arbeitsvermittlung auszugehen sein, die die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher entsprechend § 10 AÜG zur Folge hat, sofern der Leiharbeitnehmer dem nicht gegenüber dem Entleiher widerspricht. Darüber hinaus liegt darin eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 30.000,- € geahndet werden kann (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 AÜG). cc)

Unterrichtungs- und Beratungsanspruch des Betriebsrats

Im Betriebsverfassungsrecht soll zunächst einmal § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG ergänzt werden. Danach sind dem Betriebsrat bereits heute auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Zukünftig sollen dem Betriebsrat bei einer Person, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber steht, auch die Verträge des Unternehmens mit der eingesetzten Person oder dem diese beschäftigenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden sowie Unterlagen über Einsatztage, Einsatzzeiten und Tätigkeit dieser Person. Darüber hinaus soll die Informations- und Beratungspflicht in Bezug auf die Personalplanung nach § 92 Abs. 1 BetrVG auch auf Personen erstreckt werden, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, jedoch einen Arbeitsplatz besetzen oder besetzen sollen, der der unternehmerischen Konzeption des Arbeitgebers unterliegt. Damit wird auch das Fremdpersonal in die Beteiligung des Betriebsrats wegen der Personalplanung eingebunden.

10

Gesetzentwürfe zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen

dd)

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Die Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG soll weitgehend auch auf Fremdpersonal erweitert werden. Insofern ist vorgesehen, § 87 BetrVG wie folgt zu ergänzen: In Angelegenheiten von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, jedoch einen Arbeitsplatz besetzen, der der unternehmerischen Konzeption desselben unterliegt, ist der Betriebsrat des Arbeitgebers in gleicher Weise zuständig, soweit nicht die arbeitsvertragliche Bindung zwingend ist. Die Personen bleiben auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei dem anderen Arbeitgeber Angehörige des entsendenden Betriebs.

Beteiligungsrechte des Betriebsrats dürften sich auf dieser Grundlage insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 6, 7 BetrVG ergeben. Mangels Eingliederung der im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen eingesetzten Personen können derzeit entsprechende Mitbestimmungsrechte nicht geltend gemacht werden. ee)

Mitbestimmung bei Einstellungen

Eine Beteiligung des Betriebsrats soll nach dem Gesetzentwurf gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG nicht nur dann erfolgen, wenn Personen in die betriebliche Organisationsstruktur eingebunden und dort weisungsgemäß tätig werden. Hiervon werden bislang nur Arbeitnehmer des Arbeitgebers und Leiharbeitnehmer erfasst. Durch Ergänzung der gesetzlichen Vorgabe soll bewirkt werden, dass ein entsprechendes Beteiligungsrecht des Betriebsrats vor jeder Besetzung eines Arbeitsplatzes besteht, der der unternehmerischen Konzeption des Arbeitgebers unterliegt. Eine Eingliederung der betroffenen Person und ihre weisungsgebundene Tätigkeit im Betrieb ist damit nicht mehr erforderlich. ff)

Betriebsübergang als Betriebsänderung

In § 111 BetrVG soll der Betriebsübergang als eigenständige Form der Betriebsänderung erfasst werden. Daraus folgt nicht nur die Verpflichtung, den Betriebsrat wegen solcher Übertragungsvorgänge auch dann zu unterrichten und diese mit ihm zu beraten, wenn die Betriebsstruktur durch den Vorgang nicht verändert wird und Entlassungen von Arbeitnehmern nicht geplant sind. Vielmehr folgt aus der entsprechenden Ergänzung von § 111 BetrVG auch, dass im Rahmen der Sozialplanverhandlungen auch über die wirtschaftlichen Nachteile verhandelt werden muss, die ein Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB zur Folge haben kann. 11

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Diese erweiterte Verhandlungs- und Ausgleichspflicht aus § 112 BetrVG hat auch Konsequenzen für die Einigungsstelle, sofern diese über den Sozialplan beschließt. Insofern soll in § 112 Abs. 5 BetrVG eingefügt werden, dass die Einigungsstelle auch sämtliche rechtlichen und tatsächlichen im Zuge eines Betriebsübergangs entstehenden Nachteile berücksichtigen soll, insbesondere die Verschlechterung der Haftungsmasse. Dass die Verschlechterung der Haftungsmasse zunächst einmal gar kein Nachteil auch des Betriebsübergangs ist, sondern allenfalls die Gefahr späterer Nachteile bei weitergehenden Maßnahmen begründet, bleibt im Entwurf unberücksichtigt. gg)

Vermutung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung

Vergleichbar mit früheren Regelungen im SGB IV, die unter Mitwirkung der SPD im Jahre 2000 gestrichen wurden, soll in § 7 Abs. 1 c SGB IV (wieder) eine Regelung aufgenommen werden, nach der bei einer erwerbsmäßig tätigen Person vermutet wird, dass sie Beschäftigter ist, wenn mindestens zwei der folgenden fünf Merkmale vorliegen: 1.

Die Person beschäftigt im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer;

2.

ihre Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die sie für denselben Auftraggeber zuvor aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte;

3.

ihr Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten;

4.

ihre Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen;

5.

eine Person wird überwiegend für eine andere Person tätig und erzielt mindestens 75 % ihres Jahreseinkommens aus dieser Tätigkeit.

Konsequenz der fehlenden Widerlegung dieser Vermutung ist, dass Auftraggeber und scheinbar selbständig Beschäftigte gleichermaßen Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen. hh)

Einfügung eines gesetzlichen Mindestlohns

Ergänzend hierzu fordert die SPD-Fraktion nicht nur einen Gesetzentwurf, durch den die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtert werden soll. Vielmehr soll ein weiteres Gesetz vorgelegt werden, mit dem ein branchenunabhängiger gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von mindes12

Gesetzentwürfe zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen

tens 8,50 € eingeführt wird. Eine entsprechende Initiative haben die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein nur wenige Tage später, am 21.2.201329, mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns gestartet30.

c)

Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

aa)

Kennzeichnung von Scheinwerkverträgen

Im Rahmen eines Gesetzes zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen (Werkvertragsregulierungsgesetz) soll zunächst einmal eine gesetzliche Vermutung geschaffen werden, nach der ein Arbeitsverhältnis zwischen dem nicht nur vorübergehend bei einem anderen Arbeitgeber (Besteller) eingesetzten Arbeitnehmer und dem Besteller gegeben ist, wenn 1.

die Tätigkeit auch nach Weisungen des Bestellers verrichtet wird, es sei denn, dies geschehe nur gelegentlich und zu untergeordneten Fragen oder

2.

die Tätigkeit, mit der eines oder einer beim Besteller beschäftigten Arbeitnehmers oder Arbeitnehmerin oder eines oder einer bei ihm eingesetzten Leiharbeitnehmers oder Leiharbeitnehmerin vergleichbar ist oder

3.

im Wesentlichen Material und Werkzeug des Bestellers verwendet werden oder

4.

der Unternehmer für das Ergebnis der Tätigkeit nicht haftet oder

5.

der Unternehmer von dem Besteller eine nach Zeiteinheiten bemessene Vergütung erhält oder

6.

die Tätigkeit zuvor von einem oder einer Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin des Bestellers erbracht wurde oder

7.

der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin in die Arbeitsorganisation und das Arbeitszeitregime des Bestellers eingebunden ist.

Nach dem Gesetzentwurf wird es dem Besteller gestattet, den Nachweis zu führen, dass er den Arbeitseinsatz im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrags nicht umfassend steuert, in dem er die mit der Arbeit im Zusammenhang stehenden Fragen nicht selbst entscheidet, sondern durch Personen ent29 BR-Drucks. 136/13. 30 Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2013, 17 ff.

13

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

scheiden lässt, denen er keine Weisungen erteilen kann. Kann der Besteller diesen Nachweis indes nicht erbringen, soll ein Arbeitsverhältnis mit der eingesetzten Arbeitnehmerin oder dem eingesetzten Arbeitnehmer zustande kommen, dessen Bedingungen sich nach den beim Besteller geltenden Vorschriften richten, sofern die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer der Entstehung des Arbeitsvertrags nicht widerspricht. Ergänzend hierzu wird vorgeschlagen, für Dienst- und Werkverträge, sofern diese nicht nur eine gelegentliche Inanspruchnahme von Leistungen vorsehen, eine jährliche Meldepflicht für den Besteller gegenüber dem Statistischen Bundesamt einzuführen. Die Meldepflicht soll die Branche des auftraggebenden Betriebs, die Branche des auftragnehmenden Betriebs, die Anzahl der eingesetzten Beschäftigen, die im Betrieb auf Basis eines Werkvertrags eingesetzt werden, die Dauer des Einsatzes, das gezahlte Entgelt (in Zusammenarbeit mit dem auftragnehmenden Arbeitgeber) und die tatsächliche Arbeitszeit der Werkvertragsbeschäftigten umfassen. bb)

Kennzeichnung der Scheinselbständigkeit

Vergleichbar mit den Überlegungen der SPD-Fraktion soll auch nach den Vorstellungen der Fraktion DIE LINKE wieder eine gesetzliche Vermutung geschaffen werden, nach der bei erwerbsmäßig tätigen Personen von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit beiderseitiger Beitragspflicht gegen Arbeitsentgelt auszugehen ist. Dies soll auch durch eine Ergänzung von § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV klargestellt werden. Insofern soll nach dem Gesetzentwurf von einer Scheinselbständigkeit bei Personen auszugehen sein, die

14

1.

im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer beschäftigen,

2.

regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind,

3.

für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer typische Arbeitsleistungen erbringen, insbesondere Weisungen des Auftraggebers unterliegen und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sind,

4.

nicht aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftreten oder

Gesetzentwürfe zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen

5.

ihre Tätigkeit ihrem äußeren Erscheinungsbild nach derjenigen Tätigkeit entspricht, die vorher für denselben Auftraggeber in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wurde.

Es soll genügen, wenn mindestens eines der vorgenannten Merkmale vorliegt. Ausdrücklich ausgenommen werden lediglich Handelsvertreter, die im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können. Andere Selbständige, die gleiche Eigenschaften haben, werden jedenfalls dem Wortlaut des Vorschlags nach nicht aus dem Anwendungsbereich der Vermutung ausgegrenzt. cc)

Mindestarbeitsbedingungen bei Outsourcing

Auch die Fraktion DIE LINKE will die an sich durch § 613 a BGB vorgegebenen Rechtsfolgen für den Fall von Outsourcing-Vorhaben einschränken. So soll in dem Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen festgelegt werden: § 4 Rechtsfolgen der Ausgliederung

(1) Hat ein Unternehmer einen anderen mit der Erbringung von Werkoder Dienstleistungen beauftragt, so haben die damit betrauten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber mindestens Anspruch auf Gewährung des Entgelts und der Arbeitsbedingungen, die bisher für diese Tätigkeit geschuldet waren. Die betrauten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben gegen den Werkvertragsgeber einen Auskunftsanspruch. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn Werk- oder Dienstleistungen nur vorübergehend in Anspruch genommen werden.

Bei einer Umsetzung dieses Vorschlags wäre insbesondere auch ein Tarifwechsel durch Anwendung der für den Auftragnehmer geltenden Tarifverträge ausgeschlossen. dd)

Fehlende Kennzeichnung einer Arbeitnehmerüberlassung

Nach den Vorstellungen der Fraktion DIE LINKE soll es zwar keine ausdrücklich in das Gesetz aufzunehmende Verpflichtung des Verleihers geben, die Vereinbarung mit dem Leiharbeitnehmer eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung kenntlich zu machen. Der Gesetzentwurf sieht allerdings durch Änderung von § 9 Nr. 1 AÜG vor, dass Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern nicht nur dann unwirksam sind, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat. Vielmehr soll von einer entsprechenden Unwirksamkeit

15

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

auch dann auszugehen sein, wenn bei vorhandener Erlaubnis die Überlassung der Leiharbeitnehmerin oder des Leiharbeitnehmers nicht eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung kenntlich gemacht wurde. Rechtsfolge wäre, dass auch in diesem Fall ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgegebenen Zeitpunkt als zustande gekommen gilt (§ 10 Abs. 1 S. 1 AÜG). ee)

Mitbestimmung bei der Vergabe von Aufgaben an Fremdfirmen

Nach den Vorstellungen der Fraktion DIE LINKE soll eine umfassende Regulierung der Fremdvergabe von Werk- oder Dienstleistungen im Rahmen des Betriebsverfassungsrechts erfolgen, die weitestgehende Beteiligungsrechte des Betriebsrats schafft. Insoweit ist vorgesehen, die nachfolgende Regelung einzufügen: § 92 b Mitbestimmung bei der Vergabe von Aufgaben an Fremdfirmen (1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat rechtzeitig unter Vorlage aller notwendigen Dokumente über die Planung einer Vergabe von bisher im Betrieb erledigten oder geplanten Aufgaben an Fremdfirmen zu unterrichten. Notwendige Dokumente sind hierbei auch Nachweise über tarifvertragliche Bindungen des Auftragnehmers sowie die Zahl und das Entgelt der Beschäftigten des Auftragnehmers, die für die Erledigung der Aufgabe vorgesehen sind. (2) Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rechtzeitig zu beraten und die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen. (3) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn aufgrund der Vergabe von Aufgaben an Fremdfirmen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebes Nachteile erleiden oder Arbeitsplätze in Gefahr kommen. (4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach der Aufforderung zur Zustimmung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

16

Gesetzentwurf über die Festsetzung des Mindestlohns

(5) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen. (6) Kommt eine Vergabe von Aufgaben an Fremdfirmen zustande, ist der Betriebsrat regelmäßig über die Zahl der damit betrauten Beschäftigten des Auftragnehmers, deren Arbeitszeit sowie deren Entgelt zu unterrichten. (7) Die Absätze 3 bis 6 finden keine Anwendung, wenn die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung den Einsatz von Beschäftigten im Rahmen von Werkverträgen vereinbart haben. Auf Verlangen einer Betriebspartei sind hierzu Verhandlungen aufzunehmen. In dieser Vereinbarung können zum betrieblichen Einsatz von Werkverträgen u. a. geregelt werden: - die Einsatzzwecke, die Einsatzbereiche und das Volumen von Werkverträgen - die Höhe der Vergütung der Beschäftigten mit der Höchstdauer des Einsatzes und den Übernahmeregeln (8) Die Wahlberechtigung nach § 7 gilt auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Rahmen eines Werkvertrages im Betrieb des Auftraggebers tätig sind, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.

d)

Fazit

Im Bundestag in seiner derzeitigen Zusammensetzung wird keiner der Gesetzentwürfe eine Mehrheit finden. Allerdings wird man mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl davon ausgehen können, dass eine veränderte Zusammensetzung der Bundesregierung ähnliche Ziele verfolgen und den Einsatz von Werkverträgen einschränken, jedenfalls aber einer stärkeren Kontrolle insbesondere durch den Betriebsrat, unterwerfen wird. (Ga)

6.

Gesetzentwurf über die Festsetzung des Mindestlohns

Angesichts der veränderten Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat haben die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bereits am 21.2.201331 31 BR-Drucks. 136/13.

17

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

den Entwurf eines Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MinLohnG) vorgelegt. Damit soll den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ein ihre Existenz sicherndes Einkommen gewährleistet und eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen und soziokulturellen Leben ermöglicht werden. Nach § 4 MinLohnG wird der Mindestlohn als Bruttoarbeitsentgelt für eine Zeitstunde festgesetzt. Er soll sich mit Inkrafttreten des Gesetzes auf mindestens 8,50 € (brutto) je Zeitstunde für das gesamte Bundesgebiet belaufen. Die Festsetzung des Mindestlohnes soll grundsätzlich durch eine Kommission zur Festsetzung des Mindestlohnes (Mindestlohnkommission) erfolgen. Diese besteht nach dem Entwurf aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie drei weiteren sachverständigen Personen aus der Wissenschaft, die weder bei Arbeitgeberverbänden oder Gewerkschaften noch bei deren Spitzenorganisationen beschäftigt sind. Die Kommissionsmitglieder sind nicht an Weisungen und Vorgaben gebunden; Verhandlungen und Beratungen erfolgen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Beschlüsse sollen mit einfacher Mehrheit ihrer Mitglieder getroffen werden. Nach § 4 MinLohnG schlägt die Mindestlohnkommission unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes, danach jeweils zum 31.8. eines jeden Jahres, den Mindestlohn durch Beschluss vor. Stimmt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, was erforderlich ist, dem Mindestlohn zu, kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales diesen ohne Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung festsetzen. Stimmt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem von der Mindestlohnkommission vorgeschlagenen Mindestlohn nicht zu oder schlägt die Mindestlohnkommission bis zu dem vorgenannten Zeitpunkt keinen Mindestlohn vor, bestimmt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales selbst den Mindestlohn und setzt ihn durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats fest. Zur Wirkung des Mindestlohns sieht § 2 MinLohnG folgende Regelungen vor: (1) Jede Arbeitgeberin und jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, den bei ihr oder ihm beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens den auf der Grundlage dieses Gesetzes festgesetzten Mindestlohn zu zahlen. Ist das Arbeitsentgelt nach Zeitabschnitten bemessen, so ist der Mindestlohn nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte

18

Umsetzungsstand bei der Familienpflegezeit

zu zahlen, spätestens am dritten Werktag nach Ablauf des Kalendermonats für diesen Kalendermonat. (2) Andere arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Entgeltvereinbarungen sowie Entgeltfestsetzungen auf Grund anderer Gesetze sind nur zulässig, wenn sie ein höheres Arbeitsentgelt als den Mindestlohn vorsehen. (3) Ein Verzicht auf Mindestlohnansprüche ist unzulässig. Ihre Verwirkung ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs auf den Mindestlohn sind unwirksam. Der Anspruch auf den Mindestlohn verjährt in zehn Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs; eine Verkürzung der Verjährungsfrist ist ausgeschlossen.

Die Missachtung der gesetzlichen Vorgaben des MinLohnG soll nach dem Entwurf als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 500.000,- € verfolgt werden können. Neben weiteren gesetzlichen Regelungen, die einer Überprüfung der Einhaltung dienen, soll dies die Durchsetzung des Mindestlohns sicherstellen. Auch wenn sich die Fraktionen von CDU/CSU und FDP in Bezug auf den Mindestlohn inzwischen beweglicher zeigen, steht nicht zu erwarten, dass der Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode in der vorstehend beschriebenen Form eine Mehrheit findet. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass auch in dieser Legislaturperiode noch erleichterte Voraussetzungen für eine Durchsetzung von Mindestlohnansprüchen jedenfalls in solchen Bereichen geschaffen werden, in denen keine tarifvertraglichen Vorgaben bestehen. Eine Beschränkung der tariflichen Gestaltungsmöglichkeiten, wie sie durch den zwingenden Vorgang des Mindestlohns mit der aktuellen BundesratsInitiative verbunden ist, lehnt die Bundesregierung derzeit (noch) ab. Wir warten ab, welche Beweglichkeit hier der Bundestagswahlkampf schaffen wird. (Ga)

7.

Umsetzungsstand bei der Familienpflegezeit

Die Antwort der Bundesregierung zu einer Anfrage der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN32 vom 14.2.201333 macht deutlich, dass die Familienpflegezeit nach Maßgabe des Gesetzes über die Familienpflegezeit in der Praxis offenkundig keine Bedeutung hat. Dazu dürfte auch die Kom32 BT-Drucks. 17/12166. 33 BT-Drucks. 17/12330.

19

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

pliziertheit der gesetzlichen Regelungen beitragen, über die wir an anderer Stelle berichtet hatten34. Nach den Feststellungen der Bundesregierung gibt es zwar unter Berücksichtigung der ambulant Pflegebedürftigen ein Nachfragepotenzial für die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit von etwa 150 000 Vollzeitbeschäftigten sowie 130 000 Teilzeitbeschäftigten mit pflegebedürftigen Angehörigen. Auch wenn man in Bezug auf diese Zahlen von einer geringeren Inanspruchnahme bei Kleinunternehmen ausgehen muss, scheint auch die Bereitschaft größerer Unternehmen zur Förderung entsprechender Freistellungsphasen keine bemerkenswerte Bereitschaft zur Inanspruchnahme ausgelöst haben. So berichtet die Bundesregierung, dass bis zum 28.1.2013 lediglich für 147 Personen von den jeweiligen Arbeitgebern ein Familienpflegezeit-Darlehen oder die Aufnahme in die Gruppenversicherung des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragt wurden. Auch wenn in diesen Zahlen keine Fälle berücksichtigt sind, in denen der Arbeitgeber kein Darlehen beim BAFzA beantragt und eine eigene Gruppenversicherung bei einem zertifizierten Familienpflegezeit-Versicherer abgeschlossen hat, zeigt dies, dass das Gesetz im Grunde seine Wirkung verfehlt hat. In den wenigen Fällen, die der Bundesregierung bekannt sind, betrug die durchschnittliche Dauer einer Familienpflegezeit 14,73 Monate. Maximal wurde die Familienpflegezeit 24 Monate in Anspruch genommen, minimal einen Monat. Man wird indes davon ausgehen können, dass in der Praxis über diese Berichtsfälle hinaus individuelle Lösungen für den Fall einer Arbeitsunterbrechung zur Pflege von Angehörigen geschaffen wurden. Das Gesetz selbst dürfte diese Inanspruchnahme weder erleichtert noch tatsächlich gefördert haben. (Ga)

8.

Entschließung des Bundestags zur Altersdiskriminierung

Die Fraktion der SPD hat in einem Entschließungsantrag vom 11.12.201235 beantragt, die Bundesregierung aufzufordern, eine Vielzahl von Maßnahmen zum Abbau der Altersdiskriminierung zu ergreifen. Bei dieser Initiative im Bundestag geht es nicht nur um die Benachteiligung älterer Menschen.

34 Boewer, AktuellAR 2012, 5 ff. 35 BT-Drucks. 17/11831.

20

Gesetzgeberische Initiativen zur Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung

Vielmehr werden in der Begründung des Antrags auch Nachteile aufgeführt, die jüngere Menschen und Menschen mittleren Alters betreffen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht stehen dabei nicht nur die Einhaltung des AGG, die diskriminierungsfreie Durchführung von Bewerbungsverfahren oder die generelle Überprüfung von Altersgrenzen in Rede. Einen wesentlichen Teil der Maßnahmen, zu denen die Bundesregierung aufgefordert werden soll, betrifft auch die Fort- und Weiterbildung, die Regulierung der Leiharbeit, den Missbrauch von Praktika und einen Anspruch von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf eine qualifizierte Ausbildung. Der Umfang der Maßnahmen, welche auf der Grundlage dieser Entschließung ergriffen werden sollen, die aktuellen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und das bevorstehende Ende der Legislaturperiode werden bewirken, dass der Antrag keine konkreten Maßnahmen der Bundesregierung zur Folge hat. Allerdings steht zu erwarten, dass diese Ziele durch die SPD auch zum Gegenstand ihrer Vorstellungen für die Bundestagswahl und eine anschließende Regierungsbeteiligung gemacht werden. (Ga)

9.

Gesetzgeberische Initiativen zur Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung

Bereits im Jahre 2011 waren Initiativen der SPD-Fraktion36 und der Fraktion DIE LINKE37 zur Erweiterung des Anwendungsbereichs und der Befugnisse innerhalb der gesetzlichen Unternehmensmitbestimmung auf der Grundlage einer dahingehenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales38 gescheitert. Mit dem damaligen Vorschlag hatten beide Fraktionen gefordert, die deutsche Unternehmensmitbestimmung gesetzlich auch auf in Deutschland ansässige Unternehmen mit ausländischer Rechtsform zu erstrecken. Darüber hinaus hatte die SPD-Fraktion gefordert, einen gesetzlichen Mindestkatalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte für zentrale unternehmerische Entscheidungen einzuführen und den Schwellenwert für die Mitbestimmung zu senken39. Im Zuge der öffentlichen Diskussion über die Schlecker-Insolvenz hatte die Fraktion DIE LINKE40 im Frühjahr 2012 dann eine neue Initiative eingelei-

36 37 38 39 40

BT-Drucks. 17/2122. BT-Drucks. 17/1413. BT-Drucks. 17/7696. Vgl. hierzu auch Seyboth, AuR 2013, 66 ff. BT-Drucks. 17/8880.

21

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

tet. Durch diese wurde die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Erweiterung der Mitbestimmung vorzulegen, der sich an folgenden Maßgaben orientieren sollte: • in privaten, öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten wird zwingend eine paritätische Mitbestimmung vorgeschrieben. In diesen Unternehmen ist ein Aufsichtsrat zu schaffen, der sich zu gleichen Teilen aus Vertreterinnen und Vertretern der Anteilseigner und Anteilseignerinnen sowie aus Vertreterinnen und Vertretern der Beschäftigen sowie verantwortlichen Gewerkschaftsbeauftragten zusammensetzt; • wesentliche Entscheidungen der Unternehmensführung bedürfen zwingend der Zustimmung des Aufsichtsrats. Zu diesen zustimmungspflichtigen Geschäften gehören die Verlegung von Betrieben und Betriebsteilen, die Zusammenlegung oder Spaltung von Unternehmen und Betrieben, Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen sowie der Kauf eigener Aktien, Kreditaufnahmen, Übernahme von Unternehmen oder Anteilen anderer Unternehmen sowie der Verkauf bzw. die Schließung von Betrieben oder Betriebsteilen; • bei Fragen von erheblicher Bedeutung für die Belegschaft ist vor der Entscheidung des Aufsichtsrats eine Belegschaftsabstimmung durchzuführen. Entscheidungen gegen das Votum der Belegschaft bedürfen mindestens einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat; • das Betriebsverfassungsgesetz wird dahingehend geändert, dass der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen erhält sowie einer Betriebsschließung und Verlagerungen des Betriebs oder von Betriebsteilen zustimmen muss.

Angesichts dieser doch realitätsfernen Überlegungen überrascht es nicht, dass auch dieser Vorschlag auf der Grundlage einer dahingehenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales41 mit den Stimmen der Fraktion der CDU/CSU, SPD und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt wurde. (Ga)

41 BT-Drucks. 17/931.

22

B. 1.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Stellungnahme des Bundesrats zur Europäischen Cloud-Computing-Initiative

Wir hatten im Herbst über die Cloud-Computing-Initiative der Europäischen Kommission berichtet1. Am 23.11.2012 hat der Bundesrat gemäß der §§ 3, 5 EUZBLG zu den Schritten Stellung genommen, mit denen auf europäischer Ebene die weitere Nutzung von Cloud-Computing-Angeboten vorangetrieben und zugleich in datenschutzrechtlicher Hinsicht reguliert werden soll2. Nach Auffassung des Bundesrats, dessen Stellungnahme insoweit durch die derzeitigen Oppositionsparteien getragen wird, verlangen die als Eckpunkte der Cloud-Computing-Strategie bestimmten Vorschläge der Europäischen Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung unter mehreren Gesichtspunkten Optimierungen, um die angestrebten Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für Anbieter und Nutzer zu erreichen. Im Einzelnen führt der Bundesrat hierzu wie folgt aus: • Anforderungen wie die weitreichende Verpflichtung zur Dokumentation auch für den Auftragsdatenverarbeiter, verbindliche Zustimmungserfordernisse für Unterauftragsverhältnisse oder andere unklare Abgrenzungen der datenschutzrechtlichen Pflichten von Verantwortlichen und Auftragsdatenverarbeitern werden den Besonderheiten von CloudComputing-Diensten nicht gerecht. • Wie der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme vom 30. März 20123 festgestellt hat, fehlen im Vorschlag der DatenschutzGrundverordnung klare Anforderungen an Zertifizierungsverfahren, insbesondere an das Verfahren der Standardsetzung und die mit Zertifizierungen verbundenen Rechtsfolgen, obwohl diese Zertifizierungsverfahren in der Mitteilung zur Cloud-Computing-Strategie eine Schlüsselstellung einnehmen. • Der Bundesrat bittet, bei dem angestrebten internationalen Dialog über Cloud-Computing mit Nachdruck Lösungen für diese bestehenden Datenschutz-Konflikte voranzutreiben und in der Zwischenzeit im Ein-

1 2 3

B. Gaul, AktuellAR 2012, 297 ff. BR-Drucks. 573/12. BR-Drucksache 52/12.

23

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

vernehmen mit den Datenschutzaufsichtsbehörden tragfähige Übergangslösungen zu entwickeln. Die Gewährleistung eines angemessenen Datenschutzniveaus für Verarbeitungsprozesse in Drittstaaten ist derzeit einer der zentralen Problempunkte bei der datenschutzrechtlichen Beurteilung von Cloud-Computing-Angeboten. Der Vorschlag der Datenschutz-Grundverordnung enthält zwar Instrumente zur Flexibilisierung des außereuropäischen Datenverkehrs, aber keine tragfähigen Lösungsansätze für Konflikte zwischen europäischen Datenschutzanforderungen und öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Diensteanbieter in Drittstaaten, etwa im Bereich des Sicherheits- oder Strafverfolgungsrechts. Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge, die verbindliche Garantien für die im Rahmen von Cloud-ComputingDiensten verarbeiteten Daten schaffen, ist Aufgabe der EU. • Der Bundesrat bittet, bei der angestrebten Entwicklung technologischer Standards für Cloud-Computing-Dienste der Bereitstellung von Verschlüsselungsverfahren besonderen Stellenwert einzuräumen, welche nicht nur für den Bedarf von Unternehmen und öffentlichen Stellen, sondern auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Alltag handhabbar sind. Gerade unter den komplexen Verarbeitungsbedingungen von Cloud-Computing-Diensten haben wirksame technische Schutzmaßnahmen, insbesondere durchgängig eingesetzte Verschlüsselungsverfahren für Datenübermittlung und -speicherung, eine zentrale Bedeutung. Mit der zunehmenden Nutzung von Cloud-Diensten auch im privaten Kontext müssen Verfahren zur Datenverschlüsselung für jedermann als selbstverständliches Basiswerkzeug einsetzbar sein und von vornherein in Cloud-Computing-Dienste integriert sein. • Anknüpfend an seine oben genannte Stellungnahme vom 30. März 2012 bittet der Bundesrat außerdem, bei den in der Mitteilung angekündigten und auch im Vorschlag der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Verfahren der unionsweiten Festlegung technischer und organisatorischer Datenschutzmaßnahmen national etablierte Standards und nationale Akteure einzubeziehen.

Ergänzend hierzu hat der Bundesrat klargestellt, dass die Nutzung von Cloud-Computing-Angeboten durch den öffentlichen Sektor ergebnisoffen gestaltet werden müsse. Die Entscheidung öffentlicher Stellen über die Organisation ihrer IT-Systeme folge aufgabenbezogenen Anforderungen. Die Beauftragung Dritter, wie im Rahmen sogenannter öffentlicher Clouds, exklusiver Strukturen unter Beauftragung Externer im Rahmen „privater Clouds“ oder für den Aufbau von IT-Systemen durch die öffentliche Stelle selbst bzw. in Kooperation mit anderen öffentlichen Stellen des staatlichen 24

Vorschlag einer Richtlinie zur Geschlechterquote

oder kommunalen Bereichs, seien zunächst gleichwertige Optionen. Die Entscheidung über diese unterschiedlichen Modelle unterliege nicht Kriterien des Wettbewerbsrechts, sondern spezifischen Anforderungen der Mitgliedstaaten, z. B. im Bereich des Haushalts-, Organisations- oder Datenschutzrechts4. Völlig zu Recht verweist der Bundesrat allerdings darauf, dass die Umsetzung der Cloud-Computing-Strategie durch ein begleitendes Verfahren der Datenschutz- und Technologie-Folgen-Abschätzung zu ergänzen sei. Trotz aller vorgesehenen Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes, der Sicherheit von IT-Systemen und der Bekämpfung von Cyberkriminalität ergäben sich durch die umfassende Verlagerung von Datenverarbeitungsprozessen auf Externe wie bei jeder Bündelung großer Datenbestände strukturelle Risiken, deren Entwicklung sorgfältig evaluiert werden sollte5. Der Europäischen Kommission ist das Problem zweifelsohne bekannt. Deutlich wird dies beispielsweise durch den Vorschlag für eine Richtlinie über Maßnahmen zur Gewährleistung einer hohen gemeinsamen Netz- und Informationssicherheit in der Union, den die Europäische Kommission am 7.2.20136 vorgelegt hat7. (Ga)

2.

Stellungnahmen des Bundesrats zum Vorschlag einer Richtlinie zur Geschlechterquote

Bereits im vergangenen Herbst hatten wir darüber berichtet, dass die Europäische Kommission am 14.11.2012 den Vorschlag für eine Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern vorgelegt hatte8. Mit diesem Vorschlag soll die fehlende Vertretung insbesondere von Frauen in den Leitungsorganen großer Gesellschaften verbessert werden9. Inzwischen hat sich auch der Bundesrat im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung mit diesem Vorschlag befasst. Unter Ablehnung eines weitgehend zurückhaltenden Antrags des Freistaats Bayern10 hat der

4 5 6 7 8 9 10

BR-Drucks. 573/12, 3. BR-Drucks. 573/12, 3. COM(2013) 48 final. BR-Drucks. 92/13. COM(2012) 614 final. B. Gaul, AktuellAR 2012, 301 f. BR-Drucks. 722/2/12.

25

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Bundestag auf der Grundlage entsprechender Empfehlungen des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union (EU), des Ausschusses für Frauen und Jugend (FJ) und des Rechtsausschusses (R)11 am 14.12.2012 gemäß der §§ 3, 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen: 1.

Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, vermittels einer verbindlichen Quotenvorgabe ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei der Besetzung von nicht geschäftsführenden Direktoren beziehungsweise Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften herzustellen.

2.

Der Bundesrat stellt fest, dass die Motive und Ziele des Richtlinienvorschlags im Einklang mit den Beweggründen stehen, die der Beschlussfassung des Bundesrates über die Einführung einer nationalen Quotenregelung-Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG)12 zugrunde lagen.

3.

Der Bundesrat hebt hervor, dass die Einschätzung der Kommission zur Ungeeignetheit von Selbstverpflichtungslösungen durch die nationale Entwicklung bestätigt wird. So beträgt der Anteil an weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern in börsennotierten Unternehmen nach dem aktuellen Women-on-Board-Index der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte e. V. (FidAR) lediglich 15,32 Prozent; auf Eignerseite sind es sogar nur 10,63 Prozent. Über zehn Jahre nach Abschluss der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft haben nach Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e. V. mehr als ein Viertel der Aufsichtsräte von TOP-200-Unternehmen kein einziges weibliches Aufsichtsratsmitglied.

4.

Der Bundesrat hebt ferner hervor, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene ein staatliches Hinwirken auf die Gleichstellung von Männern und Frauen erfordern. Ebenso, wie laut dem Recht der EU insbesondere die Gleichstellung von Frauen und Männern zu den Grundwerten und Kernzielen zählt, die in Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3 Satz 4 EUV verankert sind, und Artikel 8 AEUV die EU dazu verpflichtet, bei allen ihren Tätigkeiten darauf hinzuwirken, Ungleichheiten zu beseiti-

11 BR-Drucks. 722/1/12. 12 BR-Drucks. 330/12.

26

Vorschlag einer Richtlinie zur Geschlechterquote

gen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern, hält auf nationaler Ebene Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes den Staat dazu an, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. 5.

Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Anstrengungen für eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen in den Führungspositionen der Wirtschaft und speziell für eine messbare Erhöhung der Frauenquote in den Aufsichtsräten großer Aktiengesellschaften nicht nur der Initiative der Mitgliedstaaten überlassen bleiben, sondern auf die europäische Ebene ausgedehnt werden sollten.

6.

Der Bundesrat hält es daher für unabdingbar, dass die Kommission sich des Themas nunmehr auf europäischer Ebene annimmt.

7.

Im Hinblick auf die genannten Vertragstexte sowie auf die in Artikel 23 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der EU (GRC) enthaltene Verpflichtung zur Sicherstellung der Gleichheit von Frauen und Männern und die in Artikel 23 Absatz 2 GRC ausdrücklich zugelassene Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht bietet Artikel 157 Absatz 3 AEUV die Rechtsgrundlage für die in der vorgeschlagenen Richtlinie gewählten Maßnahmen. Zutreffend weist die Kommission darauf hin, dass der Vorschlag die Kriterien erfüllt, die der EuGH für die Zulässigkeit von positiven Maßnahmen zur Herstellung einer faktischen Gleichstellung entwickelt hat.

8.

Die von der Kommission dargestellte unterschiedliche Rechts- und Rechtswirklichkeitsentwicklung in den Mitgliedstaaten ist bereits als solche unter dem Blickwinkel des europarechtlichen Gleichbehandlungsgebots zu beenden, da der Umsetzungsstand in einem zentralen Handlungsfeld der EU nicht in einem solch hohen Maße von den nationalen Grenzen abhängig sein darf.

9.

Darüber hinaus weist die Kommission zutreffend darauf hin, dass die zunehmende Rechtszersplitterung auch den Binnenmarkt beeinträchtigt. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, nach der die in dieser Frage grundlegend verschiedenen nationalen Rechtsordnungen Auslandsinvestitionen oder grenzüberschreitende Gründungen von Tochtergesellschaften erschweren.

27

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

10. Der Bundesrat teilt darüber hinaus die Auffassung der Kommission, nach der die unterschiedlichen Anforderungen in den Mitgliedstaaten an die Transparenz der Auswahlentscheidungen die erwünschte grenzüberschreitende Tätigkeit der am besten qualifizierten Frauen erschweren. 11. Der Bundesrat stimmt der Kommission auch insoweit zu, als fundamental unterschiedliche nationale Regelungen grenzüberschreitende Kapitalanlagen erschweren. 12. Ergänzend weist der Bundesrat darauf hin, dass die Quotenvorgabe speziell für Aufsichtsräte durch ihren Ansatz an der Spitze des Unternehmens eine Änderung der Unternehmenskultur und damit eine Geschlechtergerechtigkeit im gesamten Wirtschaftsleben bewirken soll. Insbesondere bei den durch den Richtlinienvorschlag erfassten großen börsennotierten Kapitalgesellschaften wird die Unternehmenskultur aber oftmals nicht rein national geprägt. Eine Einflussnahme im gesamten Binnenmarkt ist daher ungleich effektiver zur Erreichung des Handlungsziels als ein Flickenteppich disparater nationaler Regelungen. 13. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission das Rechtsinstrument der Richtlinie gewählt hat, um so den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zur näheren Ausgestaltung des unmittelbar anwendbaren Rechts zu eröffnen. 14. Die Bundesregierung wird aufgefordert, für eine Klarstellung dahingehend einzutreten, dass die zur Auffüllung des Qualifikationsbegriffs gemäß Artikel 4 verwendeten „objektiven Kriterien“ diskriminierungsfrei sein müssen. Dies bedeutet, dass sie sich auch nicht mittelbar diskriminierend gegenüber dem unterrepräsentierten Geschlecht auswirken dürfen. Die Transparenz der Kriterien und Verfahren soll nach dem Willen der Kommission vielmehr Frauen den Zugang zu Führungspositionen erleichtern, männerdominierten Führungskulturen entgegenwirken, Vielfalt ermöglichen und zu sachkundigerer und soliderer Entscheidungsfassung führen. 15. Der Bundesrat betont insoweit besonders, dass der Sanktionenkatalog in Artikel 6 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags nach der Begründung der Kommission nicht abschließend sein soll. Der Bundes-

28

Vorschlag einer Richtlinie zur Geschlechterquote

rat sieht daher die Rechtsfolgenanordnung im Entwurf des GlTeilhG als mit dem Richtlinienvorschlag vereinbar an13.

Die EU-Kommission wird diese Stellungnahme ebenso wie weitere Stellungnahmen aus den übrigen Mitgliedstaaten auswerten und im Anschluss daran entscheiden, ob und ggf. mit welchem Inhalt das weitere Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf die vorgeschlagene Richtlinie fortgesetzt wird. Wir werden berichten. (Ga)

13 BR-Drucks. 722/12.

29

C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag 1.

Altersdiskriminierung durch die Suche nach „Berufsanfängern“

Vielfach sucht die betriebliche Praxis Berufsanfänger, deren Ausbildungsabschluss noch „frisch“ ist. Dies soll bewirken, dass der neu eingestellte Mitarbeiter ein Know-How in die Tätigkeit einbringen kann, das den letzten Ausbildungsstandards einer betrieblichen oder universitären Ausbildung entspricht. Gleichzeitig wird gewährleistet, dass im Unternehmen nach Möglichkeit auf vergleichbaren Arbeitsplätzen Arbeitnehmer tätig sind, die mit den „generationsspezifisch“ unterschiedlichen technischen, operativen und branchenbezogenen Anforderungen der Arbeit vertraut sind. Losgelöst davon ist die Suche nach Berufsanfängern häufig von der Erkenntnis getragen, dass solche Mitarbeiter in Bezug auf die Charakteristika der Arbeit und ihrer Durchführung, die Ausrichtung des Unternehmens, ihre Arbeitseinstellung und das Verhalten gegenüber Kollegen, Kunden und Vorgesetzten noch deutlich stärker beeinflussbar sind, als dies nach mehreren Jahren einer beruflichen Tätigkeit der Fall ist1. Trotz solcher (sachlicher) Beweggründe ohne unmittelbare AGG-Relevanz kann eine Auswahlentscheidung, die ganz bewusst auf „Berufsanfänger“ ausgerichtet wird, als unzulässige Diskriminierung wegen des Alters zu qualifizieren sein. Darauf hat das BAG mit Urteil vom 24.1.20132 verwiesen. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Beklagte - eine öffentlich-rechtliche Krankenhausträgerin – Zeitungsinserate aufgegeben, in denen es u. a. hieß: Die C hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen abzudecken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionals: Traineeprogramm an der C. Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm „C“ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt.

Der damals 36-jährige Kläger, ein Volljurist mit mehrjähriger Berufserfahrung, erhielt auf seine Bewerbung eine Absage. Er sah darin eine Benachtei1 2

Vgl. zu solchen Überlegungen auch Wichert/Zange, DB 2007, 970, 971. 8 AZR 429/11 n. v.

31

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

ligung wegen seines Alters und verlangte gemäß § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung. Entgegen der in den Vorinstanzen vorgenommenen Bewertung hatte der 8. Senat des BAG in seinem Urteil vom 24.1.20133 in der konkreten Suche nach „Berufsanfängern“ – allerdings wohl auch durch die Verbindung mit der Umschreibung „Young Professionals“ – bereits ein Indiz für eine Benachteiligung des Bewerbers wegen seines Alters gesehen. Dieses Indiz könne zwar widerlegt werden. Der Arbeitgeber trage dann aber die Beweislast dafür, dass die Ablehnung des Bewerbers weder unmittelbar noch mittelbar wegen des Alters erfolgt sei. Insbesondere als öffentlich-rechtlicher Träger dürfe sich die Beklagte dann auch darauf berufen, dass der Bewerber aufgrund seiner im Vergleich zu den Mitbewerbern schlechteren Examensnoten nicht in die eigentliche Bewerberauswahl einbezogen worden sei. Schließlich sei sie bereits durch Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet, Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen. Ob die Beklagte ihre Entscheidung an solchen Kriterien ausgerichtet hatte, die keinen Zusammenhang zum Alter besitzen, blieb in der Revisionsinstanz offen. Das BAG hat die Sache deshalb zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen. Für die betriebliche Praxis folgt aus den generellen Feststellungen des BAG allerdings, dass man zukünftig offenbar auch die Suche nach „Berufsanfängern“ nicht mehr ohne weiteres ohne die Gefahr einer Altersdiskriminierung durchführen kann. Dies sollte auch bei entsprechenden Ausschreibungen zu Traineeprogrammen Berücksichtigung finden. Jedenfalls dürfte die abstrakt-generelle Überlegung, junge, flexible und durch einen beruflichen Alltag noch nicht vorgeprägte Arbeitnehmer einzustellen, den Kriterien des AGG nicht genügen, um eine Benachteiligung auszuschließen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber die pauschale These vertritt, der Arbeitnehmer sei ob seines jungen Alters leistungsfähiger4 Eine Konzentration auf Berufsanfänger dürfte nur dann erlaubt sein, wenn als Konsequenz eines ausbildungsnahen Einstiegs in den Beruf bestimmte Fertigkeiten dieser Ausbildung gesucht werden, die Quereinsteiger wegen des zeitlichen Abstands zur Ausbildung nicht oder nicht mehr besitzen. Denkbar erscheint auch, dass „Junior“-Fachkräfte gesucht werden, wenn damit nur eine bestimmte Dauer der Beschäftigungsjahre gemeint ist und das Anforderungsprofil auch nur Tätigkeiten umschreibt, die mit diesem Erfahrungshorizont bewältigt werden können. Dann hat der Begriff „Junior“ nichts mit dem Alter zu tun. Wenn aber durch Berufserfahrung das Profil geschärft und 3 4

32

8 AZR 429/11 n. v. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG § 8 Rz. 37.

Darlegungspflicht bei behaupteter Benachteiligung im Bewerbungsverfahren

diese Erfahrung auch unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils der Stelle zum Vorteil des Arbeitgebers bei der ausgeschriebenen Tätigkeit genutzt werden kann, ist allein der Umstand, bereits einige Jahre im Beruf gewesen zu sein, kein Grund, der zur Rechtfertigung einer Ablehnung führen kann. Darin dürfte vielmehr eine unzulässige unmittelbare, jedenfalls aber mittelbare Benachteiligung wegen des Alters zu sehen sein5. Zulässig dürfte es allerdings sein, in einer abstrakten Stellenanzeige zum Ausdruck zu bringen, dass sich „auch Berufsanfänger“ gerne bewerben können. (Ga)

2.

Schwerbehinderung: Darlegungspflicht bei behaupteter Benachteiligung im Bewerbungsverfahren

Auch ein schwerbehinderter Mensch kann im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens abgelehnt werden, ohne dass dadurch bereits die Vermutung einer Diskriminierung wegen Behinderung zu sehen ist. Dies hat der 8. Senat des BAG mit seinem Urteil vom 21.2.20136 noch einmal deutlich gemacht. Ein Beschäftigter, der eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG beanspruche, weil er sich wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals benachteiligt sieht, müsse Indizien dafür vortragen, dass seine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolge oder dies zumindest zu vermuten sei. In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin. Sie war schwerbehindert und hatte sich auf eine Stelle als Zweitsekretärin/Zweitsekretär für das Büro der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, die im Juni 2010 ausgeschrieben war, beworben. Im Rahmen ihrer Bewerbung hatte die Klägerin, die über die verlangte berufliche Ausbildung verfügte, auf ihre Schwerbehinderung hingewiesen. Am 20.8.2010 fand ein Vorstellungsgespräch mit der Klägerin statt, an dem von Seiten des Deutschen Bundestages über zehn Personen teilnahmen, u. a. die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten. Ohne Angabe von Gründen wurde der Klägerin am 1.9.2010 eine Absage erteilt. Als die Klägerin ankündigte, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, teilte der Deutsche Bundestag am 10.12.2010 mit, dass die Ablehnung der Klägerin in keinem Zusammenhang mit der Schwerbehinderung gestanden habe. Vielmehr habe sie im Rahmen des Vorstellungsgesprächs „keinen überzeugenden Eindruck“ hinterlassen.

5 6

A. A. Wichert/Zange, DB 2007, 970 ff., Däubler/Bertzbach-Däubler, AGG § 7 Rz. 37; Hey/ Hey, AGG § 7 Rz. 38. 8 AZR 180/12 n. v.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen blieb die Entschädigungsklage auch vor dem 8. Senat des BAG ohne Erfolg. Die Klägerin hatte keine Indizien vorgetragen, die nach § 22 AGG die Vermutung zuließen, ihre Bewerbung sei wegen der Schwerbehinderung erfolglos geblieben. Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer Klage darauf verwiesen hatte, dass die Beklagte die Gründe für eine Ablehnung der Klägerin im Rahmen des Bewerbungsverfahrens zunächst einmal nicht dargelegt hatte, lag darin kein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung. Denn eine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Bewerber unverzüglich unter Darlegung der Gründe über seine Entscheidung (mündlich oder schriftlich) zu unterrichten, besteht nach § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX nur dann, wenn der Arbeitgeber seine Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht hinreichend nach § 71 SGB IX nachgekommen wäre. Abweichend von der zum Teil vertretenen Auffassung, nach der eine entsprechende Begründung der Ablehnung eines schwerbehinderten Bewerbers in allen Fällen erfolgen müsse7, geht das BAG im Urteil vom 21.2.20138 also davon aus, dass nur bei einer Nichterfüllung der Schwerbehindertenquote ein entsprechendes Begründungserfordernis gegeben ist9. Die im Urteil vom 18.11.200810 noch geäußerten Zweifel, § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX auf Unternehmen zu begrenzen, die die Schwerbehindertenquote nicht erfüllen, hat der 9. Senat des BAG damit zurückgestellt. Da auch die weiteren, von der Klägerin angeführten Tatsachen keine Indizien dafür darstellten, dass sie wegen ihrer Behinderung bei der Bewerbung unterlegen war, war die auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klage zu Recht abzuweisen. Denn auch der Ablauf des Vorstellungsgesprächs ließ aus Sicht des BAG keinen Rückschluss auf eine Benachteiligung wegen der Behinderung zu. Das gilt auch für die Feststellung, dass ein Bewerber „nicht überzeugt“ habe. Diese Feststellung kann junge und alte, weibliche und männliche sowie behinderte oder nicht behinderte Bewerber gleichermaßen betreffen. (Ga)

7

So Dau/Düwell/Joussen-Düwell, SGB IX § 81 Rz. 104; Gutzeit, Beck’scher OnlineKommentar Sozialrecht (Hrsg. Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching) SGB IX § 81 Rz. 7. 8 8 AZR 180/12 n. v. 9 Ebenso BAG v. 15.2.2005 – 9 AZR 635/03, NZA 2005, 870 Rz. 39; LAG Hessen v. 28.8.2009 – 19/3 Sa 340/08, EzA TöD 100 § 3 TVöD-AT Schadensersatzpflicht Arbeitgeber Nr. 10 Rz. 70 ff.; Kothe/Kreikebohm, SGB IX § 81 Rz. 7; Müller, öAT 2012, 126, 128. 10 9 AZR 643/07, NZA 2009, 728 Rz. 56.

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Formale Anforderungen an die Befristung zur „gedanklichen Vertretung“

3.

Formale Anforderungen an die Befristung zur „gedanklichen Vertretung“

Nach § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Ein derartiger Befristungsgrund besteht nach § 21 Abs. 1 BEEG auch dann, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer eines Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit, einer auf Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes oder für diese Zeiten zusammen oder für Teile davon eingestellt wird. Die Befristungsdauer darf bei derartiger Sachlage auch notwendige Zeiten einer Einarbeitung einschließen (§ 21 Abs. 2 BEEG). Nach ständiger Rechtsprechung des BAG11 liegt in Vertretungsfällen der Anlass für die Befristung darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnet. Angesichts dessen hat der Arbeitgeber nur ein zeitlich begrenztes Interesse daran, die Vertretungskraft für den vorübergehend ausgefallenen Arbeitnehmer zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang können sich unterschiedliche Alternativen für eine Vertretung des Arbeitnehmers anbieten. Die Vertretungskraft kann unmittelbar die Aufgaben des abwesenden Arbeitnehmers übernehmen. Denkbar und zulässig ist es jedoch, dass im Sinne einer mittelbaren Vertretung ein anderer Arbeitnehmer die fehlende Arbeitskraft vertritt und der zur Vertretung eingestellte Arbeitnehmer dessen Arbeitsaufgabe übernimmt. Insofern muss allerdings sichergestellt sein, dass ein Kausalzusammenhang insofern besteht, als die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers veranlasst ist. Neben diesen Möglichkeiten der Vertretungsbefristung lässt das BAG auch die so genannte gedankliche Vertretung zu, die dann vorliegt, wenn dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer ohne eine Neuverteilung der Arbeitsaufgaben Tätigkeiten übertragen werden, die der Arbeitgeber ebenfalls dem vertretenen Mitarbeiter hätte übertragen können.

11 BAG v. 10.10.2012 – 7 AZR 462/11, ZTR 2013, 138 Rz. 14 f.; BAG v. 12.1.2011 - 7 AZR 194/09, NZA 2011, 507 Rz. 15; BAG v. 14.4.2010 - 7 AZR 121/09, NZA 2010, 942 Rz. 16 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Da im Falle der gedanklichen Vertretung der Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers ebenso wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgt, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters verursacht ist, muss dieser Kausalzusammenhang nach außen klar in Erscheinung treten. Dies geschieht am besten dadurch, dass im Arbeitsvertrag des Vertreters der Vertretene ausdrücklich namentlich benannt wird. Diese Vertretungskonstellationen stehen nicht im Widerspruch zu § 5 Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEPRahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 199912 und werden lediglich durch die Grundsätze des institutionellen Rechtsmissbrauchs begrenzt13. Der 7. Senat des BAG war in einer Entscheidung vom 10.10.201214 mit der Fallgruppe der „gedanklichen Vertretung“ befasst. Der Kläger dieses Verfahrens war nach über zweijähriger Befristung in einem dritten befristeten Arbeitsvertrag zur Vertretung einer in der Elternzeit befindlichen und namentlich bezeichneten Lehrerin vom beklagten Land zeitbefristet eingestellt worden. Er unterrichtete die Fächer „Werte und Normen“, während die vertretene Kollegin die Fächer Informatik und Wirtschaft unterrichtet hatte. Vor Ablauf der Befristung erhob der Kläger eine Entfristungsklage (§ 17 TzBfG) mit der Begründung, das beklagte Land könne der vertretenen Lehrerin nicht die von ihm unterrichteten Fächer zuweisen. Das beklagte Land verteidigte sich damit, das Unterrichtsfach „Werte und Normen“ könne von jedem ausgebildeten Lehrer unterrichtet werden. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG. In Anknüpfung an seine bisherige Rechtsprechung geht der 7. Senat des BAG zunächst davon aus, dass im Streitfall die Frage einer gedanklichen Vertretung zur Entscheidung gestellt war und sich deshalb als entscheidungserheblich erwies, ob das beklagte Land zunächst rechtlich im Stande gewesen wäre, der vertretenen Lehrerin kraft Direktionsrechts die vom Kläger vertretenen Fächer übertragen zu dürfen und diese darüber hinaus tatsächlich den Unterricht „ Werte und Normen“ hätte übernehmen können. Soweit die fiktive Personalmaßnahme in Rede steht, muss sie am Maßstab des § 106 GewO gemessen werden, wobei es auf die individuellen Vertragsinhalte des Vertretenen ankommt. Insoweit präzisiert das BAG die fiktive 12 EuGH v. 26.1.2012 - C-586/10, NZA 2012, 135 ff. - Kücük. 13 BAG v. 18.7.2012 - 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 36 f.; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 783/10, NZA 2012, 1359 Rz. 33 ff. 14 7 AZR 462/11, ZTR 2013, 138 ff.; Hoppe, ArbR 2013, 104.

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Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung

Personalmaßnahme dahingehend, dass es allein auf einen generalisierenden Maßstab, d. h. eine Inhaltskontrolle des Arbeitsvertrags ankommt, während keiner Prüfung unterliegt, ob im Sinne einer Ausübungskontrolle (§ 315 BGB) tatsächlich aufgrund der individuellen Belange der vertretenen Lehrerin eine Übertragung der Unterrichtsfächer des Vertreters zumutbar gewesen wäre15. Für die betriebliche Praxis ist diese Entscheidung des BAG zu begrüßen, weil sie eine großzügige flexible Personaleinsatzplanung für Vertretungskräfte auch dann erlaubt, wenn der Arbeitgeber den vertretenen Mitarbeiter mit den vom Vertretenen wahrgenommenen Aufgaben generell betrauen könnte, was sich relativ leicht feststellen lässt und damit keine unnötige Rechtsunsicherheit zu befürchten ist. Dass hierbei vom BAG bei einer gedanklichen Vertretung gefordert wird, deren Offenkundigkeit durch konkrete Namensnennung - am besten im Arbeitsvertrag - mit dem Vertreter nach außen in Erscheinung treten zu lassen, ist eine bare Selbstverständlichkeit, weil anderenfalls vom Arbeitgeber der Kausalitätsnachweis nicht geführt werden kann. Der außerdem vom BAG angesprochene schuljahresbezogene Gesamtvertretungsbedarf ist ein spezifisches Problem im schulischen Bereich und daher für die allgemeine Praxis weniger relevant. Man wird hier prognostizieren dürfen, dass die bisherige Verfahrensweise des Gesamtvertretungsbedarfs zukünftig wohl keinen Bestand mehr haben wird. (Boe)

4.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung wegen Erwerbsminderung

Ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag endet mit Ablauf der vereinbarten Zeit (§ 15 Abs. 1 TzBfG). Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung (§ 15 Abs. 1 TzBfG). Wird der Arbeitsvertrag unter einer auflösenden Bedingung geschlossen, gilt gemäß § 21 TzBfG die Vorschrift des § 15 Abs. 2 TzBfG entsprechend. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist (§ 17 S. 1 TzBfG). Für die Bedingungskontrollklage beginnt die dreiwöchige Klageerhebungsfrist nach den §§ 21, 17 S. 1 und 3, 15 15 So bereits BAG v. 14.4.2010 - 7 AZR 121/09, NZA 2010, 942 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Abs. 2 TzBfG im Falle, dass die Bedingung bereits vor Ablauf der Zweiwochenfrist eingetreten ist, erst mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Eintritts der Bedingung beendet16. Dies gilt nach neuerer Rechtsprechung des BAG17 unabhängig davon, ob die Wirksamkeit der Bedingung oder ihr tatsächlicher Eintritt geklärt werden soll. Diese Sichtweise hat zur Konsequenz, dass auch die Frage des Eintritts der Bedingung mit einer Bedingungskontrollklage nach § 17 TzBfG und nicht mit einer allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) gerichtlich zu klären ist. Begründungsansatz bildet dabei die Erwägung des BAG, dass die Frage des Eintritts der auflösende Bedingung häufig nahezu unlösbar mit der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Bedingung verknüpft ist und es darüber hinaus ein Auslegungsproblem darstellt, ob die Bedingung überhaupt eingetreten ist. In einer Entscheidung vom 10.10.2012 hatte der 7. Senat des BAG18 der Frage nachzugehen, ob die arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien durch eine auflösende Bedingung wegen Erwerbsminderung des Klägers beendet worden waren. Dem schwerbehinderten Kläger war auf seinen Antrag mit Bescheid vom 5.11.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Zeitpunkt der Regelaltersgrenze bewilligt worden. Für diesen Fall sah der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Die Beklagte erhielt davon am 18.1.2010 Kenntnis und teilte dem Kläger mit Schreiben vom gleichen Tage mit, dass sein Arbeitsverhältnis zum 30.11.2008 geendet habe. Mit der am 25.1.2010 erhobenen allgemeinen Feststellungsklage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses rügte der Kläger die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes. Unter dem 23.2.2010 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, den Rentenbescheid vom 5.11.2009 aufzuheben und ihm zunächst bis zum 31.8.2010 eine Rente wegen Erwerbsminderung zu bewilligen. Diesem Antrag entsprach der Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 17.3.2010 unter gleichzeitiger Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 5.11.2009 gemäß § 40 SGB X. Diesen Gesichtspunkt der Nichtigkeit machte der Kläger zusätzlich im Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht geltend. Im einschlägigen Tarifvertrag war für den Fall einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vorgesehen.

16 BAG v. 15.8.2012 – 7 AZN 956/12, NZA 2012, 1116 Rz. 3; BAG v. 6.4.2011 - 7 AZR 704/09, DB 2011, 1756 Rz. 22. 17 BAG v. 10.10.2012 – 7 AZR 602/11, ZTR 2013, 131 Rz. 12; BAG v. 6.4.2011 - 7 AZR 704/09, DB 2011, 1756 Rz. 16. 18 7 AZR 602/11, ZTR 2013, 131 ff.

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Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung

Das BAG hat ebenso wie die Vorinstanz der Klage des Klägers entsprochen. Zunächst hat das BAG die allgemeine Feststellungsklage des Klägers als Bedingungskontrollklage interpretiert, ungeachtet dessen, dass sich diese gegen den Eintritt der auflösenden Bedingung des Arbeitsverhältnisses richtete19. Da die Klage fristgerecht nach Mitteilung der Beklagten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 15 Abs. 2 TzBfG) erhoben worden war, durfte sich der Kläger noch im ersten Rechtszuge innerhalb der verlängerten Frist des entsprechend anwendbaren § 6 S. 1 KSchG (§ 17 S. 2 TzBfG) auf den die Nichtigkeit feststellenden Rentenbescheid vom 17.3.2010 berufen. Das BAG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch im Befristungs- und Bedingungskontrollrecht der Arbeitnehmer gehalten ist, sämtliche Unwirksamkeitsgründe im ersten Rechtszuge vorbringen zu müssen, um damit nicht präkludiert zu werden. Von dieser Möglichkeit hatte der Kläger im Streitfall Gebrauch gemacht und sich rechtzeitig auf die Nichtigkeit des ursprünglichen Rentenbescheids berufen. Damit stellte sich die entscheidungserhebliche Frage, ob die nachträgliche Feststellung der Nichtigkeit des zunächst ergangenen Rentenbescheids dem Arbeitgeber mit Tatbestandswirkung entgegengehalten werden konnte und sich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung als rechtsunwirksam erwies. Angesichts des Umstandes, dass ein nichtiger Verwaltungsakt keine Bindungswirkung erzeugt20 und die Gerichte an den die Nichtigkeit feststellenden Verwaltungsakt gebunden sind, wirkt sich nach Ansicht des BAG die Nichtigkeitsfolge nicht nur unmittelbar im Verhältnis der Behörde zu dem Betroffenen aus (inter partes), sondern gleichermaßen im arbeitsgerichtlichen Verfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (inter omnes). Dies soll ungeachtet dessen gelten, dass der drittbetroffene Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Feststellungsbescheid anzufechten21. Diese Bewertung entnimmt das BAG dem Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelung, wonach mit einer bestandskräftigen dauerhaften Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einhergeht, die mit einer wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers verbunden ist. Bliebe daher im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien auf der Grundlage der tariflichen Regelung die Nichtigkeit des Rentenbescheids ohne Beachtung, verlöre der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis, ohne in den Genuss der sozialrechtlichen Absicherung zu gelan19 BAG v. 10.10.2012 - 7 AZR 602/11, ZTR 2013, 131 Rz. 26. 20 BAG v. 18.7.2007 - 5 AZR 854/06, ZTR 2007, 691 Rz. 25. 21 Anders für die fehlende Bindungswirkung eines Bescheids der Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1 KSchG für davon betroffene Arbeitnehmer: BAG v. 28.6.2012 - 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

gen. Ein derartiges Ergebnis widerspräche der Zweckdetermination der tarifvertraglichen Regelung. In diesem Zusammenhang betont das BAG, dass im Verhältnis zum Arbeitgeber die Rechtssicherheit auch bei einem nichtigen Verwaltungsakt nicht auf der Strecke bleibt, wenn der Arbeitnehmer keine fristgerechte Bedingungskontrollklage erhebt oder unterlässt, zumindest im ersten Rechtszug vor dem Arbeitsgericht den Umstand der Nichtigkeit des Rentenbescheids in das Verfahren einzuführen (§ 6 S. 1 KSchG). Keine Bedeutung hat das BAG dem Umstand beigemessen, dass der Kläger aufgrund der tarifvertraglichen Regelung gehalten war, den Arbeitgeber unverzüglich von der Zustellung des Rentenbescheids unterrichten zu müssen. Möglicherweise hat sich der Arbeitgeber im Streitfall darauf nicht berufen. Diese Unterrichtungspflicht, die im Falle fehlender tarifvertraglicher Regelung in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden sollte, ist für die Praxis vor allem deswegen von Bedeutung, weil der Arbeitgeber nicht selten erst lange Zeit nach Zustellung des Rentenbescheids den Arbeitnehmer nach § 15 Abs. 2 TzBfG schriftlich von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung unterrichtet und erst mit Zugang dieser schriftlichen Information die Klageerhebungsfrist nach § 17 TzBfG anzulaufen beginnt22. Zu beachten ist des Weiteren, dass nach § 92 SGB IX die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen auch dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, wenn sie im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung oder der Erwerbsminderung auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. Dies ist dann von Bedeutung, wenn auch in diesem Fall das Arbeitsverhältnis aufgrund entsprechender tariflicher Regelung auflösend bedingt enden soll23. (Boe)

5.

Keine Pauschalbegrenzung der Arbeitnehmerhaftung

Nach den vom Großen Senat des BAG in seiner Entscheidung vom 27.9.199424 entwickelten Grundsätzen, die vom 8. Senat im Urteil vom 15.11.201225 noch einmal bestätigt werden, hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden im vollen Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässig22 Dazu auch BAG v. 9.2.2011 - 7 AZR 221/10, NZA 2011, 854 Rz. 18 zur analogen Anwendung von § 4 S. 4 KSchG. 23 Vgl. etwa LAG Baden-Württemberg v. 16.5.2012 - 13 Sa 108/11 n. v. 24 GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083. 25 8 AZR 705/11, DB 2013, 705 Rz. 25.

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Keine Pauschalbegrenzung der Arbeitnehmerhaftung

keit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen; bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen. In welchem Umfang bei einer nicht nur leichtesten Fahrlässigkeit eine Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen geboten ist, muss daher durch eine Abwägung der Gesamtumstände erfolgen, wobei nach Maßgabe des BAG insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Zu berücksichtigen ist auch eine etwaige Schadengeneigtheit der Arbeit, die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann. Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers, können danach zu berücksichtigen sein26. Hiervon ausgehend hat das BAG im Urteil vom 15.11.2012 noch einmal bestätigt, dass ein Arbeitnehmer, der grob fahrlässig einen Schaden verursache, grundsätzlich den gesamten Schaden zu ersetzen habe. Auch wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls insoweit (natürlich) Haftungserleichterungen in Betracht kommen können, lehnt das BAG – abweichend von den Feststellungen der Vorinstanz – indes eine allgemeine Haftungsbeschränkung auf drei Bruttomonatsverdienste des Arbeitnehmers ab. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Beklagte als LKW-Fahrer bei einem Speditionsunternehmen mit einem Bruttomonatslohn von zuletzt 2.726,50 € beschäftigt. Die Klägerin hatte dem Beklagten mit Schreiben vom 27.4.2007 darauf hingewiesen, dass am Arbeitsplatz ein absolutes Alkoholverbot herrsche. Gegen dieses Verbot verstieß der Beklagte, als er im Juni 2008 mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,94 Promille mit dem LKW der Klägerin samt Anhänger und Wechselbrücke gegen 3.20 Uhr auf einer geraden und trockenen Strecke der Bundesautobahn 61 unterwegs war und vom Standstreifen in den Graben fuhr. Im weiteren Fortgang des Unfalls schleuderte er unkontrolliert auf die Fahrbahn, bis der Anhänger des Sattelzugs mitsamt der sich darauf befindlichen Wechselbrücke umfiel und einen Großteil der Ladung verlor.

26 Vgl. auch BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 Rz. 18.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung machte die Klägerin nunmehr vom Beklagten den Ausgleich eines Schadensersatzanspruchs in Höhe von insgesamt 17.522,25 € geltend. Diese Forderung setzte sich aus Reparaturkosten für den LKW (3.991,14 €), den Kosten für das Sachverständigengutachten (718,20 €), den Vorhaltekosten für vier Tage für den LKW (434,52 €), den tatsächlich angefallenen Reparaturkosten für den Anhänger (2.701,48 €), den Bergungskosten (4.461,66 €), dem Selbstbehalt der Haftpflichtversicherung für die beschädigten Waren (1.340,25 €), dem Schaden an der Wechselbrücke (3.850,- €) sowie ein Ungunstenpauschale in Höhe von 25,- €. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des LAG ist auch das BAG davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer den streitgegenständlichen Schaden verursacht hat und insoweit auch von grober Fahrlässigkeit auszugehen war. Grob fahrlässig handele, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohen Maße verletzt und unbeachtet lasse, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen27. Diese Voraussetzung sei vorliegend anzunehmen. Dass sich ein unter starker Alkoholeinwirkung stehender Kraftfahrer nicht mehr ans Steuer seines Kraftfahrzeugs setzen dürfe und dass er durch ein Fahren in diesem Zustand andere Verkehrsteilnehmer, sich selbst und das von ihm benutzte Fahrzeug einer unverantwortlichen Gefährdung aussetze, sei heute so sehr Allgemeingut, dass unbedenklich davon ausgegangen werden könne, dass bei fast jedem Kraftfahrer die Hemmschwelle für ein Fahren trotz erheblichen Alkoholgenusses stark heraufgesetzt sei. Der Fahrer, bei dem dies aus mangelnder Einsicht nicht der Fall sei, müsse sich diese mangelnde Einsicht in der Regel als grobes Verschulden zurechnen lassen. Unerheblich sei, ob angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls bereits von einer absoluten Fahruntüchtigkeit auszugehen sei. Entgegen der Auffassung des LAG München lehnt es das BAG indes ab, in Bezug auf die Haftung des Beklagten von einer starren Obergrenze von drei Bruttomonatsverdiensten auszugehen. Zwar könnten – so das BAG – grundsätzlich auch bei einer groben Fahrlässigkeit Haftungserleichterungen im Einzelfall in Betracht kommen. Ob eine Entlastung des Arbeitnehmers in Betracht zu ziehen sei und wie weit diese zu gehen habe, sei indes aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, die der Tatrichter nach Feststellung aller hierfür maßgebenden Umstände (§ 286 ZPO) nach § 287 ZPO vornehmen

27 BAG v. 15.11.2012 – 8 AZR 705/11, DB 2013, 705 Rz. 22; BAG v. 18.1.2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230 Rz. 40.

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AGB-Kontrolle von Rückzahlungsklauseln

müsse. Entgegen der von einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung28 sei die Festlegung einer summenmäßigen Begrenzung der Haftung des Arbeitnehmers indes einer Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten29. Nach Auffassung des BAG ist eine solche Höchstgrenze auch nicht mit dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Existenzsicherung (Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG) zu rechtfertigen. Denn ein unzumutbares Missverhältnis zwischen der Schadenshöhe auf der einen und dem Einkommen des Arbeitnehmers auf der anderen Seite könne auch bei grober Fahrlässigkeit im Rahmen der Interessenabwägung durch die Rechtsprechung vermieden werden. Umgekehrt gelte aber, dass eine Einschränkung der Haftung bei grober Fahrlässigkeit nicht angezeigt sei, solange es dem Arbeitnehmer möglich und auch zumutbar sei, von seinem Lohn den verursachten Schaden auszugleichen. Gegenteilige Festlegungen seien deshalb dem Gesetzgeber vorbehalten30. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Denn insbesondere im Zusammenhang mit der Schuldrechtsmodernisierung hat der Gesetzgeber in § 276 Abs. 1 BGB ausdrücklich die Möglichkeit aufgenommen, in bestimmten Schuldverhältnissen eine gegenüber dem Gesetz mildere Form der Haftung für Verschulden anzunehmen. Dies entspricht den Grundsätzen zur Haftungsminderung im Arbeitsverhältnis. Da aber weder § 276 Abs. 1 BGB noch § 619 a BGB weitergehende Schranken geschaffen haben, muss dies auch als Entscheidung des Gesetzgebers verstanden werden, es jedenfalls insbesondere bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit grundsätzlich bei einer uneingeschränkten Haftung des Arbeitnehmers zu belassen. (Ga)

6.

AGB-Kontrolle von Rückzahlungsklauseln bei Fortund Weiterbildungskosten

Offenkundig bereitet es der betrieblichen Praxis nach wie vor Schwierigkeiten, wirksame Vereinbarungen über die Rückzahlung von Kosten für die Aus- und Fortbildung von Arbeitnehmern zu treffen. Wie wir bereits im letzten Frühjahr mit Blick auf die Entscheidung des BAG vom 13.12.201131

28 So Griese, NZA 1996, 803, 808; Lipperheide, BB 1993, 720, 724 f. 29 BAG v. 15.11.2012 – 8 AZR 705/11, DB 2013, 705 Rz. 25 ff., 28 ff.; BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 Rz. 25; Müko/Henssler, BGB § 619 a Rz. 36; HWK/Krause, BGB § 619 a Rz. 33. 30 BAG v. 15.11.2012 – 8 AZR 705/11, DB 2013, 705 Rz. 30 ff. 31 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738 ff.

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ausgeführt haben32, scheitern entsprechende Vereinbarungen häufig insbesondere an den Anforderungen der Transparenz aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies macht jetzt auch noch einmal das Urteil des BAG vom 21.8.201233 deutlich. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger, der ein Ingenieurbüro betrieb, mit dem Beklagten eine „Fortbildungsvereinbarung“ abgeschlossen. Nach dieser sollte er für seine spätere Tätigkeit als KFZ-Prüfingenieur einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation vorbereitet und entsprechend ausgebildet werden. Auszugsweise vereinbarten die Parteien am 15.1.2008 ergänzend wie folgt: § 3 Lehrgang Der Lehrgangsteilnehmer wird vom Ingenieurbüro T zu einem entsprechenden Lehrgang bei einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation angemeldet, um dort die geforderten theoretischen Ausbildungstage zu absolvieren. Die praktische Ausbildung erfolgt in der übrigen Zeit im Ingenieurbüro. Die Dauer der gesamten Ausbildung beträgt gem. Anlage IIIV b zur StVZO sechs Monate und findet ganztägig statt. Darüber hinaus ist eine zusätzliche Schulung gemäß Ziff. 4.1.1. der Anlage IIIV b von zwei Monaten vorgesehen. Die Kosten für den Lehrgang trägt das Ingenieurbüro. Beginn der Ausbildung ist der 21.1.2008. … § 5 Fahrzeug Für die Fahrten zu den Ausbildungsstätten wird dem Lehrgangsteilnehmer ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt, mit dem er die erforderlichen Fahrten durchführen soll. Das Fahrzeug dient ausschließlich der betrieblichen Nutzung. Es wird am Betriebsgelände zur Verfügung gestellt und ist ggf. mit anderen Lehrgangsteilnehmern des Ingenieurbüros zu teilen. Die Fahrten zu und von der Betriebsstätte hat der Lehrgangsteilnehmer auf eigene Kosten zu tragen. … … § 7 Ausbildungsvergütung Der Lehrgangsteilnehmer erhält vom Ingenieurbüro keine zusätzliche finanzielle Unterstützung für seine Lebenshaltung während der Dauer

32 B. Gaul, AktuellAR 2012, 47 ff. 33 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428 Rz. 34.

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AGB-Kontrolle von Rückzahlungsklauseln

der Ausbildung. Damit bestehen keine Ansprüche auf Ausbildungsvergütung gegenüber dem Ingenieurbüro. § 8 Arbeitszeit Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Wochenstunden. Aufgrund der häufigen Dienstreisen wird keine ausdrückliche Anwesenheitszeit in der Betriebsstätte vereinbart. Der Lehrgangsteilnehmer hat jedoch dafür Sorge zu tragen, dass die erforderliche fachpraktische Ausbildung zeitlich absolviert werden kann. … § 10 Abbruch der Ausbildung Kommt es durch Umstände zum Abbruch der Ausbildung, die der Lehrgangsteilnehmer zu vertreten hat, oder besteht der Lehrgangsteilnehmer die erforderliche Abschlussprüfung endgültig nicht, so haftet dieser gegenüber dem Ingenieurbüro mit den Kosten der Ausbildung. In diesem Fall beziffert das Ingenieurbüro die angefallenen Ausbildungskosten entsprechend der erfolgten Leistungen und ggf. nach billigem Ermessen. Hierzu gehören in jedem Fall die Lehrgangskosten bei der amtlich anerkannten Überwachungsorganisation, die Fahrzeugkosten, die Übernachtungskosten sowie die Kosten im Zusammenhang mit der praktischen Ausbildung, soweit diese nicht durch Förderungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit übernommen worden sind. Im Falle der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses hat der Lehrgangsteilnehmer unverzüglich sämtliche im Eigentum des Ingenieurbüros stehenden Gegenstände an dieses herauszugeben. § 11 Gegenseitige Ansprüche … Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass der Lehrgangsteilnehmer nach erfolgreicher Ausbildung in ein unbefristetes Dienstverhältnis mit dem Ingenieurbüro eintritt. … § 12 Salvatorische Klausel Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, oder dieser Vertrag Lücken enthalten, wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. …“

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Der Beklagte begann die Ausbildung am 21.1.2008. Am 9.6.2008 erschien er im Büro des Klägers, ließ dort alle ihm überlassenen Arbeitsmaterialien und Unterlagen zurück, verließ das Büro und meldete sich auch in der Folgezeit nicht mehr beim Kläger. Unter Anrechnung der bis dahin geleisteten Ausbildungsabschnitte setzte er die Fortbildung zum KFZ-Prüfingenieur dann allerdings fort und schloss sie erfolgreich ab. Der Kläger begehrte daraufhin von dem Beklagten die Zahlung von Fortbildungskosten, die er auf insgesamt 7.177,- € bezifferte. Bei den Übernachtungskosten setzte er einen Betrag in Höhe von 25,- € an. Bei den Verpflegungskosten wurden täglich 10,- € angesetzt. Bei den Fahrtkosten legte der Kläger die einfache Fahrstrecke mit einem Pauschalbetrag in Höhe von 0,30 € zugrunde. Für die Kosten der praktischen Ausbildung, die im Betrieb des Klägers stattgefunden hatte, verlangte er einen „angemessenen und branchenüblichen Betrag“ in Höhe von 50,00 € pro Ausbildungstag. Eine weitergehende Bezifferung dieser Kosten in der Fortbildungsvereinbarung oder einer ergänzenden Absprache war nicht erfolgt. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch das BAG den Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten abgelehnt. § 10 der Fortbildungsvereinbarung sei nach § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB unwirksam. Der Beklagte werde unangemessen benachteiligt. Die durch den Kläger gestellte Klausel sei nicht hinreichend klar und verständlich. Sie lasse nicht erkennen, welche finanziellen Belastungen – ggf. in welcher Größenordnung – auf den Beklagten zukommen konnten. Bislang hatte das BAG offen gelassen, ob in einer Vereinbarung über die Erstattung von Fortbildungskosten der etwaige Erstattungsbetrag zumindest der Größenordnung nach anzugeben ist, damit die Klausel den Anforderungen an die Transparenz entspreche34. Wie das BAG im Urteil vom 21.8.201235 ausgeführt hat, wird dem Transparenzgebot aber nur genügt, wenn die ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des möglichen angegeben sein. Dabei sei der Verwender zwar nicht verpflichtet, die Kosten der Ausbildung bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung exakt der Höhe nach zu beziffern. Mit Blick auf den durch § 307 Abs. 1 BGB gebotenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Klauselverwender und Vertragspartner müssten die Angaben jedoch so beschaffen sein, dass der Vertragspartner sein Rückzahlungsrisiko abschätzen könne. Dazu seien zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten anzugeben. Ohne die genaue und abschließende Bezeich34 Vgl. zuletzt BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342 Rz. 40. 35 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428 Rz. 19.

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nungen der einzelnen Positionen (z. B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten), aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen solle, und der Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet würden (z. B. Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten), bleibe für den Vertragspartner unklar, in welcher Größenordnung eine Rückzahlungsverpflichtung auf ihn zukommen könne, wenn er seine Ausbildung abbreche. Damit könne der Vertragspartner sein Zahlungsrisiko nicht abschätzen und bei Vertragsabschluss dadurch nicht in seine Überlegungen einbeziehen. Zudem eröffne das Fehlen solcher Angaben dem Verwender der Klausel vermeidbare Spielräume36. Diesen Anforderungen genügte der hier in Rede stehende Fortbildungsvertrag erkennbar nicht. Denn der Kläger war zwar in der Lage, seine Klage mit Hilfe der vorstehend genannten Pauschalbeträge zu begründen. Obwohl es sich dabei aber um durchaus übliche, zum Teil sogar „branchenübliche“ Beträge handelte, hatte der Kläger von einer Aufnahme in die Fortbildungsvereinbarung abgesehen. Dies aber wäre ohne weiteres möglich gewesen. Zwar wäre es dann für den Kläger bei Vertragsabschluss noch nicht möglich gewesen, exakt den Betrag auszurechnen, der für den Fall eines Abbruchs fällig würde. Mit Blick auf die in etwa erkennbare Dauer der Ausbildung wäre es aber jedenfalls zum Zeitpunkt des Abbruchs möglich gewesen, in etwa die damit verbundene Belastung durch die Pflicht zur Rückerstattung auszurechnen. Zu Recht lehnt das BAG in seinem Urteil sowohl die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung als auch einen Rückerstattungsanspruch des Klägers gemäß § 812 BGB ab. Beide Wege einer Anspruchsbegründung würden schlussendlich dem Zweck der AGB-Kontrolle zuwider laufen, wie er auch in § 306 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommt. Danach hat die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel grundsätzlich nicht die Unwirksamkeit der gesamten Fortbildungsvereinbarung zur Folge. Vielmehr bestehen die übrigen in Bezug auf die Durchführung der Fortbildung getroffenen Vereinbarungen fort. Lediglich die Pflicht, für den Fall eines Abbruchs eine Erstattung von Kosten vorzunehmen, entfällt. Gerade mit Blick auf die zum Teil nicht unerheblichen Kosten einer Fortbildung von Arbeitnehmern ist es überaus wichtig, dass die vorstehend genannten Anforderungen des BAG bei der Ausgestaltung von entsprechenden Rückzahlungsklauseln beachtet werden. Hinzu kommt, dass auch nur solche

36 BAG v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428 Rz. 19.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Beendigungstatbestände erfasst werden, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen, also nicht durch den Arbeitgeber verschuldet sind. Denn nur dann ist es auch angemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, dem Arbeitnehmer das Risiko der Vertragsbeendigung und die damit verbundene Kostenlast aufzuerlegen37. (Ga)

7.

Unbefristete Arbeitnehmerüberlassung: Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher?

Seit der Änderung des Rechts der Arbeitnehmerüberlassung zum 1.12.2011, über die wir berichteten38, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, welche Konsequenzen die Einfügung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG hat. Danach erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend. Ebenso umstritten ist, welche Rechtsfolgen mit einer Nichtbeachtung dieser gesetzlichen Regelung verknüpft sind. Wir hatten eingehend über diesen Streit und die insoweit im Hinblick auf die Rechtsfolgen vertretenen Auffassungen berichtet39. Dass weder Gesetzgeber noch Rechtsprechung hier zu klaren Handlungsvorgaben kommen, stellt eine erhebliche Belastung in Bezug auf die praktische Ausgestaltung der Arbeitnehmerüberlassung dar. Schließlich sind Verleiher, Entleiher und betroffene Leiharbeitnehmer gleichermaßen daran interessiert, den Einsatz gesetzeskonform auszugestalten. Dass diese Auseinandersetzung mit den beiden Urteilen des LAG Berlin-Brandenburg vom 16.10.201240 und vom 9.1.201341 zwei völlig gegensätzliche Lösungen in Bezug auf den Fall einer Nichtbeachtung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG geschaffen hat, veranlasst Bissels42 zu Recht festzustellen, dass derartige Rechtsprechungsdivergenzen für die betriebliche Praxis mehr als misslich sind. Dies gilt umso mehr, als es jeweils um die gleiche Sachlage ging, bei der im Rahmen einer unbefristeten Überlassung von Arbeitnehmern über die Rechtsfolgen im Verhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher gestritten wurde.

37 38 39 40 41 42

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Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2011, 312 ff. B. Gaul, AktuellAR 2011, 312. B. Gaul, AktuellAR 2012, 52 ff. 7 Sa 1182/12, BB 2013, 251 ff. 15 Sa 1635/12 n. v. Beim Teutates! Berliner Rechtssprechungsdurcheinander zur Zeitarbeit, 11.1.2013, www.cmshs-bloggt.de.

Unbefristete Arbeitnehmerüberlassung: Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher?

In dem jeweils zugrunde liegenden Fall waren die Klägerinnen bereits 2007 bzw. 2008 bei einem Personaldienstleistungsunternehmen, zuletzt unbefristet, eingestellt worden. Dieses Personaldienstleistungsunternehmen überließ seine Arbeitnehmer – Krankenhauspersonal – unbefristet an ein anderes Unternehmen, das innerhalb einer konzernrechtlichen Verbundenheit mehrere Krankenhäuser betrieb. Das andere Unternehmen – die Beklagte – setzte die beiden Klägerinnen jeweils ohne eine zeitliche Begrenzung in einer ihrer Fachkliniken ein. Nachdem das AÜG mit Wirkung zum 1.12.2011 geändert wurde, ohne dass die beteiligten Unternehmen eine zeitliche Begrenzung der Überlassung des Krankenhauspersonals vereinbart hatten, machten die beiden Klägerinnen geltend, dass als Konsequenz der Nichtbeachtung des Erfordernisses einer „vorübergehenden“ Überlassung gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen und der Beklagten als Entleiherin zustande gekommen sei. Dies folge unmittelbar oder analog aus den §§ 9, 10 AÜG. In jedem Fall sei es jedenfalls nach dem Wirksamwerden der gesetzlichen Änderungen rechtsmissbräuchlich, eine Arbeitnehmerüberlassung ohne eine zeitliche Begrenzung fortzuführen. Auch dies habe die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zur Folge. In seinem Urteil vom 16.10.201243 hatte die 7. Kammer des LAG BerlinBrandenburg noch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher als Konsequenz einer Nichtbeachtung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG abgelehnt. In der Begründung hatte die 7. Kammer im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Überlassung der Klägerin auf der Grundlage einer Erlaubnis erfolge, so dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 AÜG nicht erfüllt seien. Eine planwidrige Regelungslücke, die Voraussetzung einer analogen Anwendung von §§ 9, 10 AÜG wäre, hat die 7. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg in diesem Zusammenhang abgelehnt. Der Gesetzgeber habe § 1 AÜG und die folgenden Normen seit dem 28.6.2000 mehrmals geändert, ohne in Bezug auf die dauerhafte Überlassung an Arbeitnehmern Sanktionen oder Rechtsfolgen einzuführen. Vielmehr ist § 13 AÜG bereits mit Wirkung zum 1.4.1997 gestrichen worden. Auch auf die Feststellung des BAG im Urteil vom 28.6.200044, nach der auch bei vermuteter Arbeitsvermittlung nach § 1 Abs. 2 AÜG das Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher nicht unwirksam werde, habe der Gesetzgeber nicht reagiert. Insoweit müsse davon ausgegangen werden, dass 43 7 Sa 1182/12, BB 2013, 251 Rz. 24 ff. 44 7 AZR 100/99, NZA 2000, 1160 Rz. 19.

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der Gesetzgeber eine mit den §§ 9, 10 AÜG vergleichbare Rechtsfolge für den Fall der Nichtbeachtung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht habe schaffen wollen. Dass Art. 10 Richtlinie 2008/104/EG die Mitgliedstaaten verpflichte, dafür Sorge zu tragen, dass die Leiarbeitsunternehmen und die entleihenden Unternehmen ihre sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen erfüllen und hierfür „wirksame, angemessene und abschreckende“ Sanktionen festsetzen müssen, rechtfertige nicht, bei einer Nichtbeachtung des auch europarechtlich abgesicherten Gebots der nur vorübergehenden Überlassung von Personal die automatische Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher anzunehmen. Ausdrücklich lehnt das LAG Berlin-Brandenburg deshalb im Urteil vom 16.10.201245 gegenteilige Stimmen in der Literatur46 ab. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes, der insoweit eine weitergehende Anwendung ausschließe, sei das Fehlen einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung die Voraussetzung für die in §§ 9, 10 AÜG bestimmte Rechtsfolge. Das Fehlen einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung könne allerdings nicht mit dem Fall gleichgesetzt werden, in welchem bei der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung eine Arbeitsvermittlung vermutet werden könne (§ 1 Abs. 2 AÜG). Da auch eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie ausgeschlossen sei, müsse die auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage abgewiesen werden. Die 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg hat im Urteil vom 9.1.201347 eine hiervon völlig abweichende Auffassung vertreten. Nach seiner Ansicht könne zwar offenbleiben, ob das Gesetz seit dem 1.1.2004 eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung erlaube. In jedem Fall stelle es einen „institutionellen Rechtsmissbrauch“ dar, wenn das verleihende Konzernunternehmen nur an einen oder mehrere Konzernunternehmen Arbeitnehmer verleihe, nicht am Markt werbend tätig werde und die Einschaltung dieses verleihenden Unternehmens nur dazu diene, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen. Konsequenz sei, dass dem „Scheinentleiher“ die Arbeitgeberstellung zukomme. Für die Zeit ab dem 1.12.2011 „sattelt“ das LAG Berlin-Brandenburg eine weitere Begründung mit der gleichen Rechtsfolge auf. Denn nach Auffassung der 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg ist eine schon erteilte Erlaubnis nach § 1 AÜG für die Zeit ab dem 1.12.2011 auf die vorüberge45 7 Sa 1182/12, BB 2013, 251 Rz. 35 f. 46 So Koch/Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch 2011 Rz. 100; Ulber, AÜG § 1 Rz. 231 d; Düwell, ZESAR 2011, 449, 454. 47 15 Sa 1635/12 n. v.

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Unbefristete Arbeitnehmerüberlassung: Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher?

hende Überlassung von Arbeitnehmern beschränkt. Eine dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern sei nicht (mehr) erlaubnisfähig. Erfolge die Überlassung eines Arbeitnehmers an den Entleiher nicht nur vorübergehend, komme deshalb gemäß der §§ 9, 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande. Ein Handeln der Erlaubnisbehörde, die eine Einschränkung der bereits erteilten Erlaubnis bewirke, sei nicht erforderlich48. Zur Rechtfertigung dieses Verständnisses der Wirkungsweise einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung beruft sich die 15. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg auch auf die Leiharbeitsrichtlinie. Nach seiner Auffassung müsse ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG auch individualrechtlich sanktionierbar sein. Dass der Betriebsrat des Entleiherbetriebs der dauerhaften Einstellung von Leiharbeitnehmern gemäß § 99 BetrVG widersprechen könne, wie dies zum Teil angenommen wird49, sei nicht ausreichend, um den Regelungszweck der Richtlinie durchzusetzen. Denn dem Arbeitgeber verbleibe mit § 100 BetrVG eine Möglichkeit, die personelle Einzelmaßnahme auch gegen den Willen des Betriebsrats tatsächlich umzusetzen. Die letztgenannte Sichtweise des LAG Berlin-Brandenburg überzeugt nicht. Wie bereits an anderer Stelle eingehend ausgeführt wurde50, kommen die §§ 9, 10 AÜG auch bei dauerhafter Überlassung von Arbeitnehmern weder unmittelbar noch analog zur Anwendung. Insofern wird man auf individualarbeitsrechtlicher Ebene allein ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers annehmen können, sofern dieser selbst einen weiteren Einsatz bei dem gleichen Entleiher entgegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht fortsetzen will. Denkbar ist auch, dass die auf Verleiher- und Entleiherebene beteiligten Betriebsräte im Rahmen von § 99 BetrVG der dauerhaften Versetzung bzw. Einstellung mit der Begründung widersprechen, dass damit gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen werde (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Im Übrigen aber eröffnet eine Missachtung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG letztendlich nur der Erlaubnisbehörde die Möglichkeit, die Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung mit der Begründung zu widerrufen, dass gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen wird. Zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kommt es damit erst dann, wenn im Anschluss an das Wirksamwerden eines solchen Widerrufs der tatsächliche Einsatz fortgesetzt wird.

48 LAG Berlin-Brandenburg v. 9.1.2013 – 15 Sa 1635/12 n. v. (Rz. 51 ff., 55). 49 LAG Berlin-Brandenburg v. 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12 n. v.; LAG Niedersachsen v. 19.9.2012 – 17 TaBV 124/11, AiB 2013, 130 ff.; ArbG Cottbus v. 25.4.2012 – 2 BV 8/12, AiB 2012, 612 ff.; ArbG Cottbus v. 22.8.2012 – 4 BV 2/12 n. v. 50 B. Gaul, AktuellAR 2011, 341 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Es bleibt zu hoffen, dass das BAG kurzfristig eine Klärung dieser Rechtsfrage vornimmt. Ob es dies allerdings ohne klarstellende Hinweise des EuGH zur Bedeutung des Gebots einer nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung und dem Inhalt der europarechtlich gebotenen Sanktionen treffen kann, erscheint zweifelhaft. Mit guten Gründen wird man annehmen müssen, dass insoweit an sich zunächst einmal ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV notwendig ist. (Ga)

8.

Vorlage der AU-Bescheinigung bereits am ersten Krankheitstag

Nach § 5 Abs. 1 S. 1, 2, 4 EFZG ist der Arbeitnehmer nicht nur verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert, besteht die darüber hinausgehende Pflicht, eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Hiervon abweichend eröffnet § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG dem Arbeitgeber die Berechtigung, von dem Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen. Die Ausübung dieses Rechts steht – wie das BAG im Urteil vom 14.11.201251 deutlich gemacht hat - in einem nicht an besondere Voraussetzungen gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin bei der Beklagten Rundfunkanstalt als Redakteurin beschäftigt. Sie stellte für den 30.11.2010 einen Dienstreiseantrag, dem ihr Vorgesetzter nicht entsprach. Eine nochmalige Anfrage der Klägerin wegen der Dienstreisegenehmigung am 29.11.2010 wurde abschlägig beschieden. Die Klägerin meldete sich sodann am 30.11.2010 arbeitsunfähig krank, erschien aber am Folgetag wieder zur Arbeit. Die Beklagte nahm dies zum Anlass, die Klägerin aufzufordern, künftig schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest vorzulegen. Die Klägerin machte geltend, dass eine sol-

51 5 AZR 886/11, DB 2013, 464 Rz. 14.

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Vorlage der AU-Bescheinigung bereits am ersten Krankheitstag

che Aufforderung einer sachlichen Rechtfertigung bedürfe. Diese Rechtfertigung liege in Bezug auf ihre Person nicht vor. Im Übrigen sehe der für die Beklagte geltende Tarifvertrag ein derartiges Recht nicht vor; dort waren nur abstrakt-generelle Pflichten in Bezug auf den Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit festgehalten. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat der 5. Senat des BAG deutlich gemacht, dass die Ausübung des dem Arbeitgeber durch § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG eingeräumten Rechts im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers stehe. Insbesondere sei es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht bestehe, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut von § 5 EFZG, sondern werde auch durch einen Vergleich mit § 275 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) i. V. m. Abs. 1 a SGB V erkennbar. Denn dieser erlaube dem Arbeitgeber eine Einschaltung des medizinischen Dienstes nur zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit. Diese einschränkende Voraussetzung fehle in § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG. Auch eine Billigkeitskontrolle lehnt das BAG ab52. Es genüge, wenn das Verlangen nach § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG den allgemeinen Schranken der Willkür, des Rechtsmissbrauchs und des Verbots einer Diskriminierung unterworfen werde. Diese Schranken standen angesichts des hier in Rede stehenden Sachverhalts dem Verlangen selbstredend nicht entgegen. Eine tarifliche Regelung steht dem Verlangen des Arbeitgebers nach den Feststellungen des BAG nur entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG ausdrücklich ausschließe. Dies war vorliegend nicht der Fall. Schweige der Tarifvertrag zu der gesetzlichen Befugnis, die AU-Bescheinigung früher zu verlangen, löse dies keine Sperrwirkung aus53. Der Bewertung durch das BAG ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Allerdings wird man sich in der Praxis auch vor Augen führen müssen, dass die Erforderlichkeit einer ärztlichen AU-Bescheinigung für den Arbeitnehmer nicht nur zusätzlichen Aufwand bedeutet. Vielmehr begründet sie auch aus der tatsächlichen Erfahrung heraus die Gefahr, dass die „Krankschreibung“ nicht nur für den einen Tag, sondern häufig vom Tage des Arztbesuches bis zum Ende der Woche erfolgt. Insofern kann das Verlangen nach einer frühzeitigen Vorlage einer AU-Bescheinigung gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG zur Folge haben, dass sich die krankheitsbedingten Fehltage verlängern. (Ga)

52 Ebenso ErfK/Dörner/Reinhard, EFZG § 5 Rz. 12; a. A. HWK/Schliemann, EFZG § 5 Rz. 36. 53 BAG v. 14.11.2012 – 5 AZR 886/11, NZA 2013, 322 Rz. 18 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

9.

Wahrung der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist durch Erhebung einer Bestandsschutzklage

Ausschlussfristen befinden sich in nahezu sämtlichen Tarifverträgen. Sie sind darauf angelegt, einen Anspruch oder ein Recht zum Erlöschen zu bringen, wenn die rechtzeitige Geltendmachung innerhalb einer bestimmten Frist und regelmäßig in einer bestimmten Form (schriftliche Geltendmachung) unterblieben ist. Bei sogenannten einstufigen Ausschlussfristen genügt dabei die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Vertragspartner. Häufig sind jedoch zweistufige tarifliche Ausschlussfristen anzutreffen, die vom Anspruchsteller zur Vermeidung eines Anspruchsverlustes neben der ersten Stufe der Geltendmachung die klageweise Verfolgung des Anspruchs innerhalb einer bestimmten Frist verlangen, wenn sich die Gegenpartei nicht innerhalb einer bestimmten Frist zu dem außergerichtlich erhobenen Anspruch erklärt oder diesen ablehnt54. Das BAG55 hatte bereits bei Bestandsschutzstreitigkeiten (Kündigungsschutzklage, Entfristungsklage) die erste Stufe der tariflichen Ausschlussfrist entschärft, weil es davon ausging, dass die Kündigungsschutzklage bereits die wirksame Geltendmachung von Ansprüchen aus Annahmeverzug beinhaltete, wenn eine Verfallsklausel nur die Geltendmachung der Ansprüche fordert. Dabei hat das BAG nicht zwischen formlosem und schriftlichem Verlangen unterschieden. Das Gesamtziel der Kündigungsschutzklage sei in der Regel nicht auf den Erhalt des Arbeitsplatzes beschränkt, sondern zugleich auch auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die durch den Verlust der Arbeitsstelle verloren gingen. Da der Antrag auf Klageabweisung in einem Kündigungsschutzprozess zugleich eine Ablehnung der mit der Kündigungsschutzklage geltend gemachten Zahlungsansprüche beinhaltete, musste der Arbeitnehmer bei einer zweistufigen Ausschlussfrist des Tarifvertrags nunmehr seine Entgeltansprüche rechtzeitig klageweise geltend machen, um ihr Erlöschen zu verhindern56. Lediglich bei in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten zweistufigen Ausschlussfristen hat das BAG57 auch für die Wahrung der zweiten Stufe der Ausschlussfrist die Kündigungsschutzklage ausreichen lassen. Aus Sicht eines Durchschnittsarbeitnehmers verlange das in einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist in der zweiten Stufe enthaltene Erfordernis des „Einklagens“

54 55 56 57

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Näher dazu Schaub/Treber, ArbR-Hdb. § 209 Rz. 7 ff. Nur BAG v. 23.9.2009 - 5 AZR 518/08, NZA 2010, 781 Rz. 34. BAG v. 26.4.2006 - 5 AZR 403/05, NZA 2006, 845 Rz. 15 ff. BAG v. 19.5.2010 - 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 Rz. 17.

Wahrung der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist

von Annahmeverzugsansprüchen, die von einem Kündigungsschutzprozess abhingen, neben der Erhebung der Kündigungsschutzklage selbst keine zusätzliche Klage auf Zahlung der vom weiteren Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängigen Vergütung aus Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer müsse eine entsprechende Klausel nicht so verstehen, dass sie ihm abverlange, in Unkenntnis vom Ergebnis eines Kündigungsschutzverfahrens unter Inkaufnahme eines unnötigen Kostenrisikos eine bezifferte Leistungsklage binnen einer bestimmten Frist jeweils nach Fälligkeit der Annahmeverzugsansprüche und etwaiger anderer Ansprüche erheben zu müssen. In einem Kammerbeschluss vom 1.12.2010 hat sich das BVerfG58 unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz im Zivilprozess (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) mit der Frage befasst, ob den Parteien eines Zivilprozesses durch die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist der Zugang zu den Gerichten in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird, wenn das Kostenrisiko zu dem angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht, so dass die Inanspruchnahme der Gerichte nicht mehr sinnvoll erscheint. Der Fall betraf einen Arbeitnehmer, der im Anschluss an die rechtskräftige Verurteilung der Beklagten zur Angebotserklärung auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug geltend gemacht und dabei die zweite Stufe der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren tariflichen Ausschlussfrist, die innerhalb einer bestimmten Frist eine klageweise Verfolgung der Zahlungsansprüche vorsah, nicht eingehalten hatte. Wegen der Versäumung dieser Ausschlussfrist war die Zahlungsklage vom LAG Köln59 abgewiesen worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers blieb erfolglos. Auf die Verfassungsbeschwerde ist das Urteil des LAG Köln vom BVerfG aufgehoben und der Rechtsstreit an das LAG Köln zurückverwiesen worden. Bereits zuvor hatte der 1. Senat des BAG60 entschieden, dass eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, die von den Arbeitnehmern bereits während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses die gerichtliche Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen verlangt, die vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängen, die Arbeitnehmer unverhältnismäßig belastet und deshalb unwirksam ist.

58 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354 ff. 59 LAG Köln v. 23.1.2007 - 13 Sa 954/06 n. v.; nachgehend LAG Köln v. 5.5.2011 – 13 Sa 954/06 n. v. 60 BAG v. 12.12.2006 - 1 AZR 96/06, NZA 2007, 453 Rz. 24.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Durch die zweite Stufe der Ausschlussfrist wird nach Ansicht des BVerfG als auch des BAG der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz dadurch verletzt, dass der Arbeitnehmer bei einem Bestandsschutzstreit mit ungewissem Ausgang gehalten wäre, zusätzlich zur Vermeidung eines Verlustes seine Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug klageweise verfolgen zu müssen und damit einem deutlich erhöhten Kostenrisiko ausgesetzt sei. Durch die Begrenzung des Gebührenstreitwerts in § 42 Abs. 4 S. 1 GKG auf maximal einen Vierteljahresverdienst will der Gesetzgeber dem gegenüber sicherstellen, dass derartige Prozesse vom Arbeitnehmer mit einem überschaubaren Kostenrisiko geführt werden können und nicht durch Kostenbarrieren versperrt werden. § 4 Abs. 1 KSchG und § 42 Abs. 3 S. 1 GKG stellen damit Ausprägungen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG bei der Auslegung und Anwendung von zweistufigen tariflichen Ausschlussfristen dar, die im Zusammenhang mit einer Bestandsschutzstreitigkeit relevant werden. Nunmehr hat der 5. Senat des BAG unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 1.12.201061 in seinem Urteil vom 19.9.201262 klargestellt, dass ein Arbeitnehmer mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz – oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche zugleich gerichtlich geltend macht und damit die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist wahrt. Dieses Ergebnis leitet das BAG aus einer verfassungskonformen Auslegung der tarifvertraglichen Ausschlussfristen ab. Die verfassungskonforme Auslegung von Rechtsnormen gebiete es, die Wertentscheidungen der Verfassung zu beachten und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung zu bringen. Damit wird nach Ansicht des BAG auch in angemessener Weise der Zweck einer zweistufigen Ausschlussfrist berücksichtigt, weil der Arbeitgeber durch die Bestandsschutzklage ausreichend vorgewarnt wird, dass die hiervon abhängigen Vergütungsansprüche vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden. Aus verfassungsrechtlichen Erwägungen sei es auch hinzunehmen, dass es noch an einer Konkretisierung der Zahlungsansprüche fehle. In diesem Zusammenhang klarstellend weist das BAG darauf hin, dass nicht auf eine Kostenbelastung des Arbeitnehmers im Einzelfall abzustellen ist, weil es einerseits um den Gesichtspunkt der Risikoerweiterung ginge und des Weiteren eine einzelfallbezogene Prüfung mit einer Rechtsunsicherheit belastet sei. Deshalb kommt es bei der Beurteilung der Risikoerweiterung 61 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354. 62 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101 ff. Rz. 13, 30.

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Wahrung der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist

nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer möglicherweise rechtsschutzversichert ist oder Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen kann oder aufgrund seiner Vermögensverhältnisse unschwer im Stande wäre, das Prozesskostenrisiko zu tragen. Die vom BAG entschiedene Fallkonstellation betraf einen Arbeitnehmer, der gegen seinen Arbeitgeber eine Befristungskontrollklage gewonnen und erst nahezu ein Jahr nach Rechtskraft dieser Entscheidung Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs für die Dauer der Entfristungsklage klageweise geltend gemacht hatte. Aufgrund der anwendbaren tarifvertraglichen Regelung war vorgesehen, dass beiderseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit erhoben werden mussten, um nicht zu verfallen. Im Falle der Ablehnung sollten die Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wurden. Da der Kläger von einer rechtzeitigen klageweisen Geltendmachung seiner Ansprüche innerhalb der zweiten Stufe der tariflichen Ausschlussfrist abgesehen hatte, blieb seine Zahlungsklage im ersten und zweiten Rechtszug ohne Erfolg. Das BAG hat die Entscheidung des LAG Hamm63 unter Berücksichtigung der verfassungskonformen Auslegung der tariflichen Ausschlussfrist aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, um die Höhe der Ansprüche durch das LAG Hamm klären zu lassen. Allerdings betont das BAG, dass durch die verfassungskonforme Auslegung bei Bestandsschutzstreitigkeiten das tarifliche Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die nicht vom Ausgang einer derartigen Streitigkeit abhängen, nach wie vor unangetastet bleibt. Soweit arbeitsvertragliche zweistufige Ausschlussfristen Verwendung finden, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt sind oder vom Arbeitgeber gestellt werden, empfiehlt sich aufgrund dieser Rechtsprechung des BAG, ergänzend darauf hinzuweisen, dass mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Da einzelvertragliche Ausschlussfristen eine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB) darstellen, weil Ansprüche abgesehen von einer Verwirkung (§ 242 BGB) nur im Rahmen des Verjährungsrechts geltend zu machen sind, erfasst die zweite Stufe einer Ausschlussfrist alle Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, d. h. auch solche, die von einer Bestandsschutzklage abhängen. Sie erweist sich damit als irreführend, weil sie geeignet ist, den

63 v. 11.3.2011 – 18 Sa 1170/10, LAGE TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 56.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Arbeitnehmer von der Durchsetzung der ihm zustehenden Zahlungsansprüche im Falle einer erfolgreichen Bestandsschutzklage abzuhalten. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer deshalb unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB mit der Folge der Rechtsunwirksamkeit64. Es empfiehlt sich daher, bei vertraglich geregelter zweistufiger Ausschlussfrist zu ergänzen: Mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz-, Befristungs- und Bedingungskontrollklage) werden gleichzeitig die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche schriftlich und sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich geltend gemacht.

(Boe)

10. Anspruch auf Herausgabe anderweitiger Vergütung bei Freistellung und Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot Solange das Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien rechtlich besteht, hat sich der Arbeitnehmer grundsätzlich jedweder Konkurrenztätigkeit zum Nachteil des Arbeitgebers zu enthalten65. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB, wonach der Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen darf, konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Das Wettbewerbsverbot verbietet dabei nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen, es betrifft auch das Verbot, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen66. Dabei ist für das Konkurrenzverbot gleichgültig, ob der Arbeitnehmer im Marktbereich des Arbeitgebers Kunden betreut oder abwirbt, die vom Arbeitgeber nicht hätten akquiriert werden können67. Steht mit hoher Wahrscheinlichkeit fest, dass ein Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unerlaubte Konkurrenztätigkeit wahrgenommen hat, trifft ihn gegenüber

64 Vgl. zur konstitutiven doppelten Schriftformklausel: BAG v. 20.5.2008 - 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233 Rz. 39. 65 BAG v. 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, NZA-RR 2010, 461 Rz. 22; BAG v. 26.6.2008 - 2 AZR 190/07, NZA 2008, 1415 Rz. 19 f. 66 BAG v. 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, NZA-RR 2010, 461 Rz. 22 f. 67 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 560/11 n. v.; BAG v. 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8.

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Anspruch auf Herausgabe anderweitiger Vergütung bei Freistellung und Verstoß

dem Arbeitgeber die Pflicht, über die Wettbewerbsgeschäfte Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen68. Allerdings können bloße Hilfstätigkeiten für einen Wettbewerber ohne einen Wettbewerbsbezug im Lichte der durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit im laufenden Arbeitsverhältnis noch keine Verletzungshandlung darstellen, wenn damit keine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers verbunden ist69. Da das Wettbewerbsverbot während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer zu respektieren ist, gilt es auch im Falle einer vom Arbeitnehmer gerichtlich angegriffenen außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers, wenn sich diese als rechtsunwirksam erweist. Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten70. Gemäß § 61 Abs. 1 HGB kann der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot Schadensersatz fordern; er kann stattdessen verlangen, dass der Arbeitnehmer die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Arbeitgebers eingegangen gelten lasse oder die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete. Soweit es um den Schadensersatz geht, ist der Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis eingetreten wäre (Naturalrestitution). Ist die Herstellung nicht möglich, hat der Ersatzpflichtige eine Geldentschädigung zu leisten (§ 251 BGB). Der Vermögensschaden ist dabei nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu bemessen71. Gemäß § 252 BGB gehört auch der entgangene Gewinn zum zu ersetzenden Schaden72.

68 BAG v. 21.10.1970 – 3 AZR 479/69, BB 1971, 86. 69 BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693. 70 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 560/11 n. v.; BAG v. 26.6.2008 - 2 AZR 190/07, NZA 2008, 1415. 71 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 560/11 n. v.; BAG v. 15.9.2011 – 8 AZR 846/09, AP Nr. 10 zu § 280 BGB. 72 BAG v. 26.9.2012 – 10 AZR 370/10, NZA 2013, 152 Rz. 27.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

In einer Entscheidung vom 17.10.2012 musste der 10. Senat des BAG73 darüber entscheiden, ob sich der Anspruch des Arbeitgebers auf Herausgabe einer aus Geschäften für fremde Rechnung bezogenen Vergütung gemäß § 61 Abs. 1 HGB auf das für eine wettbewerbswidrige Tätigkeit erzielte Festgehalt erstreckt. Dem Arbeitnehmer war ordentlich gekündigt worden. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage endete mit einem Prozessvergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 31.1.2010 enden sollte. Neben einer Abfindungszahlung von 18.000,- € brutto vereinbarten die Parteien folgendes: Der Kläger wird bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung und unter Anrechnung restlicher oder noch entstehender Urlaubsansprüche und eventueller Freizeitausgleichsansprüche. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine monatliche Vergütung ab dem 1. Oktober 2009 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses in Höhe von 6.200,00 Euro brutto, soweit die Ansprüche nicht auf die Krankenkasse übergegangen sind.

Der Arbeitnehmer stand bereits seit dem 1.12.2009 zu einem monatlichen Bruttogehalt von 6000,- € in einem Arbeitsverhältnis mit einer Wettbewerberin der Arbeitgeberin. Nachdem die Arbeitgeberin Mitte Januar 2010 davon Kenntnis erlangt hatte, zahlte sie die Vergütung für Januar 2010 nicht mehr und machte klageweise gegen den Arbeitnehmer mit ihrem Hauptantrag die Herausgabe der Vergütung des Arbeitnehmers bei der Wettbewerberin in den Monaten Dezember 2009 und Januar 2010 geltend. Hilfsweise forderte sie die Vergütung für Dezember 2009 zurück und bat um Feststellung, dass sie für den Monat Januar 2010 allenfalls noch 200,- € zahlen müsse. Das BAG hat sich die Klage abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen angeschlossen. Zunächst konstatiert das BAG in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung, dass der beklagte Arbeitnehmer auch während der Freistellung im noch nicht beendeten Arbeitsverhältnis an das Wettbewerbsverbot aus § 60 Abs. 1 HGB gebunden war74. Das Wettbewerbsverbot war auch nicht durch den Prozessvergleich der Parteien aufgehoben worden, den sie im Kündigungsschutzprozess geschlossen hatten. Das BAG betont zu Recht, dass allein die (unwiderrufliche) Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht während der Dauer der Kündigungsfrist keine Aufhebung des Wettbewerbsverbots beinhaltet. Allerdings 73 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207 Rz. 19, 21. 74 BAG v. 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, NZA-RR 2010, 461 Rz. 22.

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Anspruch auf Herausgabe anderweitiger Vergütung bei Freistellung und Verstoß

kann eine andere Interpretation geboten sein, wenn die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausdrücklich vereinbart worden ist75. Davon war im Streitfall nicht auszugehen. Damit war die Frage gestellt, ob das von der Wettbewerberin bezogene Festgehalt des wettbewerbswidrig handelnden Arbeitnehmers eine im Sinne von § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung ist. Dies wird vom BAG mit überzeugenden Erwägungen verneint, weil diese Vorschrift auf die Herausgabe einer Vergütung bezogen ist, die unmittelbar aus Drittgeschäften unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot am Markt vom Arbeitnehmer erzielt worden ist. Das Festgehalt des Arbeitnehmers bei dem Wettbewerber stellt keine Gegenleistung oder einen wirtschaftlichen Vorteil aus einem Geschäft für fremde Rechnung dar, weil es nicht für irgendwelche Geschäftsabschlüsse gezahlt wird, sondern auf einer arbeitsvertraglichen Abrede zwischen dem Wettbewerber und dem Arbeitnehmer beruht. Dies wäre anders zu entscheiden, wenn es um die Herausgabe von Provisionen geht, die der wettbewerbswidrig handelnde Arbeitnehmer zu seinem Vorteil aus einem Geschäft für fremde Rechnung erzielt. Als Resümee hält das BAG fest, dass § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB keineswegs all das abschöpfen will, was infolge eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erlangt wird. Das BAG unterstützt dieses Ergebnis mit der Genese des Gesetzes, das in seiner ursprünglichen Fassung im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch vom 31.5.1869 nur das Recht des Prinzipals vorsah, die von dem Handlungsgehilfen für eigene Rechnung abgeschlossenen Geschäfte an sich ziehen zu dürfen, weshalb das Reichsgericht76 eine Klage auf Herausgabe von Provisionen, die der wettbewerbswidrig handelnde Arbeitnehmer für Rechnung eines Konkurrenzunternehmens verdient hatte, abgewiesen hat. Zur Vermeidung der Ungleichbehandlung von Geschäften für eigene und für fremde Rechnung wurde die jetzige Regelung in das am 1.1.1900 in Kraft getretene HGB aufgenommen. Diese Korrektur diente dem Zweck, dem Arbeitgeber den Zugriff auf die noch vom RG verweigerte Provisionszahlung aus Drittgeschäften gegen den wettbewerbswidrig handelnden Arbeitnehmer zu ermöglichen. Damit sollte jedoch nicht zugleich ein Zugriff auf das Festgehalt aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Wettbewerber verbunden sein. Anschließend verneint das BAG zu Recht einen Anspruch der Arbeitgeberin aus § 285 Abs. 1 BGB und aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Nach § 285 75 BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36 Rz. 24. 76 v. 8.12.1882 – II 390/82, RGZ 8, 48.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Abs. 1 BGB kann der Gläubiger Herausgabe des Ersatzes (stellvertretendes commodum) verlangen, wenn der Schuldner infolge des Umstands, aufgrund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz erlangt. Selbst wenn man davon ausginge, dass auch eine Unterlassung als Gegenstand im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren ist77, erhält der wettbewerbswidrig handelnde Arbeitnehmer seine Vergütung beim Wettbewerber nicht wegen des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot, sondern als Gegenleistung für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung. Ein Anspruch der Arbeitgeberin aus ungerechtfertigter Bereicherung scheitert bereits daran, dass das von ihr klageweise geltend gemachte Gehalt bei dem Wettbewerber nicht in sonstiger Weise auf ihre Kosten erlangt worden ist. Fraglich konnte sein, ob die Arbeitgeberin zumindest berechtigt war, mit ihrem Hilfsantrag die Zahlung des Gehalts für Dezember 2009 aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) zurückfordern zu können. Dann hätte die Zahlung des Dezembergehalts ohne Rechtsgrund erfolgt sein müssen. Davon hätte ausgegangen werden können, wenn sich der wettbewerbswidrig handelnde Arbeitnehmer gemäß § 615 S. 2 BGB den Wert desjenigen hätte anrechnen lassen müssen, was er während des Annahmeverzugs durch die anderweitige Verwendung seiner Dienste bei der Wettbewerberin im gleichen Monat verdient hatte. Die Parteien hatten in der vergleichsweisen Regelung keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes vorgesehen, so dass eine derartige Anrechnung nur dann erfolgen konnte, wenn die bisherige Arbeitgeberin mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug geraten war. Ein derartiger Annahmeverzug war auf der Grundlage der vergleichsweisen Regelung zu verneinen. Da die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer auch unter Anrechnung eines zeitlich nicht festgelegten Urlaubs von der Arbeit freigestellt hatte, handelte es sich um eine unwiderrufliche Freistellung, weil nur eine solche der Erfüllung von Urlaubsansprüchen dienen kann78. Damit war zugleich von den Parteien die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers aufgehoben worden, so dass die Arbeitgeberin die Fortzahlung der Vergütung allein auf der Grundlage der vergleichsweisen Regelung schuldete und nicht mehr aus § 615 S. 1 BGB. Da sich die Arbeitgeberin keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes vertraglich vorbehalten hatte, schuldet sie die versprochene Ver-

77 Ablehnend Palandt/Grüneberg, BGB § 285 Rz. 5; bejahend Bamberger/Roth/ Unberath, BGB § 285 Rz. 6. 78 Vgl. BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, BB 2012, 2751; BAG v. 14.3.2006 - 9 AZR 11/05, AP BUrlG § 7 Nr. 32.

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Anspruch auf Herausgabe anderweitiger Vergütung bei Freistellung und Verstoß

gütung unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer während dieser Zeit zusätzliche Verdienste aus einer anderweitigen, auch wettbewerbswidrigen Tätigkeit erzielt. Wird der Urlaubsanspruch ohne zeitliche Festlegung während der Freistellung gewährt, bleibt dem Arbeitnehmer die Lage des Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums überlassen79. Handelt ein Arbeitnehmer der Pflicht nach § 8 BUrlG zuwider, während des gesetzlichen Mindesturlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit zu leisten, begründet dies weder ein Recht des Arbeitgebers, die Urlaubsvergütung zu kürzen, noch entfällt damit der Anspruch auf Urlaubsvergütung80. Eine derartige rechtliche Konsequenz sieht der Gesetzgeber im BUrlG nicht vor. Der Arbeitgeber kann allenfalls eine Unterlassung der Erwerbstätigkeit einfordern oder daran denken, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung zu beenden. Das BAG erwägt anschließend, ob nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes im Streitfall geboten sein kann. Eine derartige Anrechnung will das BAG allenfalls in besonders krass liegenden Fällen, in denen sich der Arbeitnehmer gegenüber dem anderen Teil grob verwerflich verhalten hat, bejahen, wovon im Streitfall nicht die Rede sein konnte. Diese Entscheidung des BAG verdeutlicht, welche Sorgfalt bei der Formulierung gerichtlicher Vergleiche im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen an den Tag gelegt werden muss. Will der Arbeitgeber mit der Freistellung die Urlaubserteilung verbinden, so können die Vertragsparteien die Lage des Urlaubs festlegen und im Übrigen eine widerrufliche Freistellung vereinbaren. Kommt es insoweit nicht zu einer übereinstimmenden Regelung und wird die Lage des Urlaubs während der Freistellung dem Arbeitnehmer überlassen, so ist regelmäßig eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart, die den Arbeitnehmer zugleich von seiner Arbeitspflicht befreit. Will sich der Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung freistellt, bei derartiger Sachlage die Anrechnung anderweitigen Verdienstes vorbehalten, muss dies ausdrücklich Gegenstand der Vereinbarung sein. Um auf diese Weise keinen Verzicht auf das Wettbewerbsverbot während der noch fortbestehenden Dauer des Arbeitsverhältnisses zu begründen, ist es zusätzlich erforderlich, das Fortbestehen des Wettbewerbsverbots bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses in den Vergleich aufzunehmen. Alternativ kann daran gedacht werden, im Hinblick auf die Fortzah79 BAG v. 17.10.2012 - 10 AZR 809/11, BB 2012, 2751 Rz. 36; BAG v. 14.3.2006 - 9 AZR 11/05, AP BUrlG § 7 Nr. 32 Rz. 11, 17. 80 BAG v. 25.2.1988 – 8 AZR 596/85, NZA 1988, 607.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

lung der Vergütung während der Freistellungsphase den Hinweis aufzunehmen, dass diese zur Erfüllung der Annahmeverzugsvergütung unter Anwendung von § 615 S. 1 und 2 BGB erfolgt. Die Formulierung könnte lauten: Der Arbeitnehmer wird bis zum Beendigungstermin unter Gewährung ihm noch zustehender Urlaubsansprüche (sowie unter Abgeltung vorhandener Zeitguthaben) unter Fortzahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen Vergütung (in Höhe von ... brutto) von der Arbeit freigestellt. Im Falle einer Erkrankung bis zum Beendigungstermin richtet sich die Entgeltfortzahlung nur nach dem EFZG. Der Arbeitnehmer muss sich außerdem während der Freistellung anderweitigen Verdienst nach § 615 S. 2 BGB auf die vom Arbeitgeber geschuldete Vergütung anrechnen lassen. Bis zum Beendigungstermin bleibt der Arbeitnehmer in Anwendung von § 60 HGB an das Wettbewerbsverbot gebunden. (Boe)

11.

Keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für den GmbH-Geschäftsführer

Gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ist keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und einer juristischen Person gegeben. Denn nach der gesetzlichen Vorgabe gelten Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglied des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind, nicht als Arbeitnehmer. Wie das BAG mit Beschluss vom 4.2.201381 deutlich gemacht hat, gilt die Fiktion ebenso für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, solange keine Abberufung erfolgt ist. Sie greife – so das BAG – unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet werde. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit jedenfalls nach den Überlegungen des BAG als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sein könne und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung komme, seien zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gericht berufen82.

81 10 AZB 78/12, NZA 2013, 397 Rz. 15. 82 BAG v. 4.2.2013 – 10 AZB 78/12, NZA 2013, 397 Rz. 9; BAG v. 26.10.2012 – 10 AZB 60/12, NZA 2013, 54 Rz. 16.

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Keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für den GmbH-Geschäftsführer

An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert sich nach den Feststellungen des BAG nichts, wenn zwischen den Prozessparteien streitig sei, wie das Anstellungsverhältnis qualifiziert werden müsse. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greife sogar dann ein, wenn objektiv feststehe, dass das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sei. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG solle sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person selbst dann keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führten, wenn die der Organstellung zugrundeliegende Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei83. Anders könne es jedoch dann liegen, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis betreffe, sondern eine weitere Rechtsbeziehung bestehe. Hiervon könne beispielsweise dann ausgegangen werden, wenn der Organvertreter Rechte auch mit der Begründung geltend mache, nach der Abberufung als Geschäftsführer habe sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis – wieder – in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt84. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann nach den Feststellungen des BAG im Beschluss vom 4.2.201385 auch dann gegeben sein, wenn die Klagepartei Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach Abberufung als Organmitglied geltend mache. Zwar liege der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als ein Geschäftsführerdienstvertrag zu qualifizieren sei und mit der das Arbeitsverhältnis grundsätzlich aufgehoben werde. Zwingend sei dies aber nicht. Zum einen könne die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Zum anderen bleibe der Arbeitsvertrag bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer der GmbH bestellt werde, da eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB voraussetze. Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag könnten dann nach Abberufung aus der Organschaft und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Dies gelte auch für die während der Zeit der Geschäftsfüh-

83 BAG v. 4.2.2013 – 10 AZB 78/12, NZA 2013, 397 Rz. 9; BAG v. 20.8.2003 – 5 AZB 79/02, NZA 2003, 1108 Rz. 14. 84 BAG v. 4.2.2013 – 10 AZB 78/12, NZA 2013, 397 Rz. 9 f.; BAG v. 6.5.1999 – 5 AZB 22/98, NZA 1999, 839 Rz. 15. 85 10 AZB 78/12, NZA 2013, 397 Rz. 11.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

rerbestellung aus dieser arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche86. Hiervon ausgehend war in der hier in Rede stehenden Angelegenheit der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. Den Kläger und die Schuldnerin verband ein Arbeitsvertrag vom 18.8.2009. Dieser Arbeitsvertrag war bis zur Kündigung nicht aufgelöst worden. Vielmehr war der Kläger aufgrund formloser Abrede seit Februar 2011 zum Geschäftsführer der Schuldnerin bestellt worden. Damit hatten Kläger und Schuldnerin zusätzlich die Übernahme der Geschäftsführung vereinbart, ohne aber hierüber einen zusätzlichen Geschäftsführerdienstvertrag abzuschließen. Die bestehende (schuldrechtliche) Grundlage ihrer Vertragsbeziehung wurde – so das BAG – stillschweigend (formlos) in Bezug auf die Übernahme der Geschäftsführung ergänzt. Im Übrigen sei der Arbeitsvertrag vom 18.8.2009 nach der Bestellung zum Geschäftsführer weiter Grundlage der Tätigkeit des Klägers geblieben. Der Kläger verfolge deshalb mit seiner Klage die sich aus diesem Vertrag ergebenden Vergütungsansprüche. (Ga)

86 Ebenso bereits BAG v. 23.8.2011 – 10 AZB 51/10, DB 2011, 2386 Rz. 12.

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D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.

Umkleidezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit

Das BAG ist bereits in der Beifahrerzeiten-Entscheidung vom 20.4.20111 davon ausgegangen, dass Arbeit als Leistung der versprochenen Dienste im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB nicht nur jede Tätigkeit ist, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Arbeit in diesem Sinne sei auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein müsse und nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen könne, er also weder eine Pause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes noch Freizeit habe. Damit knüpft die gesetzliche Vergütungspflicht nach § 611 BGB an die versprochenen Dienste an, worunter das BAG nicht nur die eigentliche Haupttätigkeit des Arbeitnehmers versteht, sondern jede vom Arbeitgeber angeordnete Tätigkeit, die mit der eigentlichen Arbeitsleistung in einem unmittelbaren Zusammenhang steht2. Dieser Befund liegt nach Ansicht des BAG3 vor, wenn etwa der Arbeitgeber Fahrten vom Betrieb zu einer auswärtigen Baustelle anordnet, weil es sich dabei um eine primär fremdnützige, im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegende Tätigkeit handelt. Damit ist jedoch noch keine Entscheidung darüber getroffen, wie andere Tätigkeiten als die eigentliche Haupttätigkeit des Arbeitnehmers zu vergüten sind. So kann etwa durch Tarifvertrag oder eine besondere arbeitsvertragliche Regelung eine gesonderte Vergütung für Tätigkeiten vorgesehen sein, die nicht der eigentlichen Haupttätigkeit des Arbeitnehmers entsprechen4. Ob Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu qualifizieren sind, war Gegenstand einer Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 19.9.20125. Die Klägerin war bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, als Krankenschwester im OP-Dienst beschäftigt. Sie musste zunächst im Tiefparterre des Klinikgebäudes Berufskleidung anziehen und sodann im OP-Bereich des Dachgeschosses die Berufskleidung mit der Bereichskleidung (dunkelblaue Hose und Hemd mit Ausschnitt) tauschen. Über längere Zeiträume hinweg hatte die Beklagte den 1 2 3 4 5

5 AZR 200/10, NZA 2011, 917. BAG v. 12.12.2012 – 5 AZR 355/12, DB 2013, 759 Rz. 17; zu den Wegezeiten eines Außendienstmitarbeiters: BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 292/08, DB 2009, 1602 Rz. 19. BAG v. 12.12.2012 – 5 AZR 355/12, DB 2013, 759 Rz. 17. BAG v. 20.4.2011 - 5 AZR 200/10, NZA 2011, 917 (Beifahrerzeiten) Rz. 15 ff. 5 AZR 678/11, BB 2012, 3135 Rz. 23 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Beschäftigten im OP-Bereich pro Arbeitstag insgesamt 30 Minuten für Umkleiden und innerbetrieblichen Weg als vergütungspflichtige Arbeitszeit bezahlt. In einer späteren Dienstvereinbarung wurden nur noch 15 Minuten pro Arbeitstag vergütet. Damit war die Klägerin nicht einverstanden und verlangte von der Beklagten im Klagewege die Umkleidezeiten nebst Wegezeiten als zuschlagspflichtige Überstunden zu bezahlen sowie die Feststellung, dass es sich insoweit um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelt. Das BAG hat dem Feststellungsantrag entsprochen und hat die streitgegenständlichen Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten als Arbeit qualifiziert. Arbeit sei jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, so dass darunter auch das Umkleiden für die Arbeit zu subsumieren ist, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb zu erfolgen hat. Da die Arbeit im Streitfall mit dem Umkleiden beginnt, zählen nach Ansicht des BAG auch die innerbetrieblichen Wege zur Arbeitszeit, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle eingerichtet hat. In welchem zeitlichen Umfang Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten zur Arbeitszeit gehören, wird nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt. Der Arbeitnehmer muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten, und danach richte sich, welcher Maßstab auf das Umkleiden und das Zurücklegen der Wege von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zu übertragen sei. Da nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber abverlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit unmittelbar zusammenhängt, zu den im Sinne von § 611 BGB versprochen Diensten gehörte, träfe den Arbeitgeber hierfür die gesetzliche Vergütungspflicht. In diesem Zusammenhang gibt der 5. Senat des BAG seine noch anders lautende Auffassung aus der Entscheidung vom 11.10.20006 auf, wonach Waschen und Umkleiden regelmäßig nicht zu den Hauptleistungspflichten des Arbeitnehmers gehören sollten, für die der Arbeitgeber nach § 611 BGB eine Vergütung zu gewähren hätte. Nur die Hauptleistungspflichten waren danach die versprochenen Dienste, für die der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung schuldete. Eine etwaige Vergütungspflicht für das Waschen und Umkleiden konnte sich damit allenfalls aus § 612 BGB ergeben, was voraussetzte, dass eine derartige Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sei7.

6 7

68

5 AZR 122/99, NZA 2001, 458 ff. (Müllwerker-Fall). Vgl. dazu BAG 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, BB 2012, 635 Rz. 20 ff.

Umkleidezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit

Das BAG hat es wegen der vom Arbeitgeber früher geleisteten höheren Bezahlung der Umkleide- und Wegezeiten zunächst dahinstehen lassen, ob die Dauer der für das Umkleiden und das Zurücklegen eines innerbetrieblichen Wegs erforderliche Zeit überhaupt Gegenstand einer betrieblichen Übung sein kann und der Klägerin bereits deshalb ein entsprechender vertraglicher Anspruch zustand. Jedenfalls durften die Arbeitnehmer nicht auf der Grundlage einer betrieblichen Übung von einer Vergütungspflicht der Beklagten im Umfang von 30 Minuten je Arbeitstag ausgehen, weil die Beklagte deswegen mit dem Personalrat über eine neue Dienstvereinbarung verhandelte, die allerdings nicht wirksam abgeschlossen werden konnte, weil das einschlägige Landespersonalvertretungsgesetz eine Dienstvereinbarung nur über Beginn und Ende, nicht aber über die Dauer der Arbeitszeit zuließ. Anschließend gelangt das BAG zu dem Ergebnis, dass der Klägerin ein Anspruch auf Vergütung der im Streitzeitraum angefallenen und erforderlichen Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten als Überstunden nach näherer Maßgabe des einschlägigen Tarifvertrages zustand. Da umstritten war, welche Zeiträume unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich waren, um den Umkleidevorgang abzuwickeln und die innerbetrieblichen Wegezeiten von der Umkleidestelle bis zum OP-Bereich zurückzulegen, hat das BAG den Rechtsstreit an das LAG München mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass dieses gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien zu den Variablen des Umkleidevorgangs (z. B. jahrestypische Privatkleidung) sowie der Wegezeit (z. B. Wartezeit auf den Aufzug) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben hat. Diese Entscheidung des BAG hat für die betriebliche Praxis überall dort eine besondere, vor allem wirtschaftliche Bedeutung, wo etwa auf der Grundlage von Unfallverhütungsvorschriften das Tragen von Schutzkleidung innerbetrieblich erforderlich und das Tragen der Arbeitskleidung außerhalb der Arbeitszeit nicht gestattet ist. Die Entscheidung ist auch für Unternehmen bedeutsam, die eine spezifische Arbeitskleidung der Mitarbeiter bei Ausübung ihrer Tätigkeit vorschreiben, die wegen ihrer Auffälligkeit oder aus anderen Gründen (etwa Verschmutzung bei Monteuren) nicht auf dem Weg von und zur Arbeit getragen werden kann8. Eine adäquate Lösung der Vergütungsfrage kann sich mit einer gesonderten Vergütungsregelung für derartige Zeiten anbieten, die nicht zu den geschuldeten Hauptleistungspflichten des Arbeitnehmers gehören, wie dies auch bei bestimmten Wegezeiten zum Montageort oder einer Baustelle angezeigt erscheint. Hierbei sind vor allem die Ta8

Zur Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats: BAG v. 17.1.2012 – 1 ABR 45/10, NZA 2012, 687 ff.; BAG v. 10.11.2009 - 1 ABR 54/08, NZA-RR 2010, 301 ff.

69

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

rifvertragsparteien aufgefordert, für derartige Nebenleistungen eine angemessene Bezahlung (Pauschalierung) festzulegen. (Boe)

2.

AGB-Kontrolle bei einer Vereinbarung zur unbezahlten Arbeitszeitverlängerung

Arbeitsvertragliche Regelungen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB qualifiziert werden können, unterliegen grundsätzlich der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Gleiches kann mit den Besonderheiten aus § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch für vorformulierte Vertragsbedingungen gelten, auch wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, soweit der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung durch den Arbeitgeber auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Wie das BAG mit seinem Urteil vom 17.10.20129 deutlich gemacht hat, kommt diese AGB-Kontrolle allerdings nur sehr eingeschränkt zur Anwendung, wenn durch die in Rede stehende Regelung keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Vorgaben getroffen werden. Dies bestimmt § 307 Abs. 3 BGB. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger von 1989 bis 2011 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Sein Stundenlohn betrug im März 2009 12,28 € (brutto). Am 27.3.2009 trafen eine Vielzahl von Arbeitnehmern – darunter auch der Kläger – mit der Beklagten gleichlautende Änderungsvereinbarungen. Sie lauteten wie folgt: Es wird hiermit ab dem 1.4.2009 folgendes vereinbart:

9

70

1.

Der Stundenlohn erhöht sich um 3 %.

2.

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich, von denen 35 Stunden wöchentlich vergütet werden. Für die Differenz zur bisherigen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden wird keine gesonderte Vergütung gezahlt. Überstunden, die über 40 Stunden wöchentlich hinausgehen, werden als solche weiterhin regulär vergütet. Die Verrechnung der Stunden wird monatsweise durchgeführt, die angeordneten Mehrarbeitsstunden müssen in jedem Fall in dem aktuellen Monat erbracht werden.

3.

Die Anordnung zur monatlichen Arbeitszeit erfolgt für den Folgemonat immer am Monatsende.

5 AZR 792/11, NZA 2013, 266 ff.

AGB-Kontrolle bei einer Vereinbarung zur unbezahlten Arbeitszeitverlängerung

Mit der am 28.12.2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger restliche Vergütung für die Monate April 2009 bis November 2010 in Höhe von 3.482,60 € (brutto) begehrt. Er machte geltend, dass das Verlangen nach unbezahlter Arbeit sittenwidrig sei. Außerdem habe er der Änderungsvereinbarung ohne die Gelegenheit zur Überlegung zustimmen müssen. Die Beklagte habe ihm signalisiert, sie stecke in wirtschaftlichen Schwierigkeiten; ohne drastische Kostenreduzierungen drohe die Insolvenz. Mit überzeugender Begründung ist auch der 5. Senat des BAG von einer fehlenden Begründetheit der Klage ausgegangen. Mit Ziff. 2 S. 2 der Änderungsvereinbarung hatte sich der Kläger wirksam verpflichtet, unentgeltlich fünf Stunden pro Woche zu arbeiten. Eine Unwirksamkeit der Klausel wegen Unangemessenheit gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB war ausgeschlossen. Denn mit der hier in Rede stehenden Regelung hatten die Parteien keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen getroffen. Eine Klausel, nach der eine gesonderte Vergütung für die 36. bis 40. Arbeitsstunde pro Woche ausgeschlossen wird, betrifft – so das BAG – allein die (Mit-)Vergütung dieser Arbeitsleistung und damit eine Hauptleistungsabrede. Sie regele die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung und unterliege als Bestimmung des Preis-/Leistungsverhältnisses vorbehaltlich verbindlicher Mindestentgelte bis zur Grenze der Gesetz- und Sittenwidrigkeit der Parteivereinbarung. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, über die §§ 305 ff. BGB den „gerechten“ Preis zu ermitteln10. Selbstverständlich schließt dies eine inhaltliche Kontrolle der abgeschlossenen Vereinbarung nicht aus. Allerdings setzt dies eine Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit voraus, die auch unter Berücksichtigung der zu § 138 BGB durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorliegend zu Recht abgelehnt worden ist. Sowohl der Lohnwucher (§ 138 Abs. 2 BGB) als auch das wucherähnliche Geschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) setze – so das BAG – ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Ob dies der Fall sei, bestimme sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Ausgangspunkt der Wertbestimmung seien insoweit regelmäßig die Tarifentgelte des jeweiligen Wirtschaftszweiges oder – wenn die verkehrsübliche Vergütung geringer sei – das allgemeine Entgeltniveau im Wirtschaftsgebiet. Ein Missverhältnis sei auffällig, wenn es einem Kundigen, ggf. nach Aufklä10 BAG v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, NZA 2013, 266 Rz. 15 f.; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 Rz. 25.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

rung des Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springe. Als „Richtwert“ könne hiervon jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn eine Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tarifentgelts erreiche und eine spezifische Rechtfertigung nicht bestehe11. Dass der Arbeitnehmer einzelne Stunden unentgeltlich zu leisten hatte, konnte auf der Grundlage dieser Grundsätze keine Sittenwidrigkeit herstellen. Für die Sittenwidrigkeit kommt es nach Maßgabe des BAG nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer für jede erbrachte Arbeitsstunde ein gleichbleibendes Stundenentgelt, für einzelne Arbeitsstunden ein besonders hohes, für andere aber ein niedrigeres Stundenentgelt erhalte oder – wie bei der Pauschalvergütung von Überstunden – mit der vereinbarten Vergütung weitere Arbeitsstunden „abgegolten“ seien. Entscheidend für die Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses sei vielmehr der Vergleich zwischen dem objektiven Wert der Arbeitsleistung und der „faktischen“ Höhe der Vergütung, die sich aus dem Verhältnis von geschuldeter Arbeitszeit und versprochener Vergütung für eine bestimmte Abrechnungsperiode ergebe12. Im Streitfall hätten – so das BAG – die Parteien die Abrechnungsperiode Kalendermonat gewählt. Maßgeblich sei damit das „faktische“ Stundenentgelt pro Monat. Dieses habe im Streitzeitraum unter Berücksichtigung der in der Änderungsvereinbarung vorgesehenen Erhöhung des Stundenlohns – bezogen auf die zu leistenden 40 Wochenstunden – 11,07 € (brutto) betragen. Würde man als Vergleichsmaßstab den ab 1.5.2010 geltenden Lohn- und Gehaltstarifvertrag für die Polstermöbel- und Matratzenindustrie in NRW zugrunde legen, habe der Kläger immer noch 81 Prozent des Stundenlohns der höchsten Lohngruppe für gewerbliche Arbeitnehmer bezogen. Dass er wegen der Einschlägigkeit anderer Tarifwerke weniger als zwei Drittel der (tarif-)üblichen Vergütung erhalten hätte, hatte der Kläger selbst nicht behauptet. Wenn ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht gegeben ist, kommen die Umstände des Vertragsabschlusses selbst im Zweifel nicht zum Tragen. Unerheblich ist für das BAG auch, dass entsprechende Vereinbarungen unbefristet abgeschlossen würden. Das Erfordernis dringender betrieblicher Erfordernisse bestehe nur für die einseitige Entgelt-

11 BAG v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11 NZA 2013, 266 Rz. 19; BAG v. 18.4.2012 – 5 AZR 630/10, NZA 2012, 978 Rz. 11. 12 BAG v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, NZA 2013, 266 Rz. 20.

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Zweimaliger Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit

senkung durch Änderungskündigung (§§ 1 Abs. 2 S. 1, 2 S. 1 KSchG), nicht jedoch für eine einvernehmliche Verschlechterung der Vergütungsregelung13. Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie zeigt allerdings auch, dass Vereinbarungen über die unentgeltliche Anhebung der Arbeitszeit nur dann und insoweit zulässig sind, als die Vergütung damit in ihrer Gesamtheit die Grenze der durch Tarifverträge vorgegebenen Vergütungsrahmen nicht zu stark unterschreitet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn und soweit nicht bereits als Konsequenz einer Allgemeinverbindlicherklärung oder der Anwendbarkeit des AEntG ein (gesetzlicher) Mindestlohn geschaffen wurde. Dieser wäre auch bei entsprechenden Ergänzungsvereinbarungen als Mindestarbeitsbedingung zu beachten. Hinzu kommt, dass es jedenfalls mit Blick auf die praktische Anwendbarkeit der Entgeltfortzahlungsvorschriften z. B. bei Krankheit oder Urlaub geboten ist, die unentgeltliche Arbeitszeit prozentual auf die einzelnen Arbeitsstunden zu verteilen oder das Entgelt hierfür generell abzusenken. Andernfalls besteht das Problem, die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs festzustellen, weil offen ist, wann die unentgeltliche Arbeit geleistet wird. (Ga)

3.

Zweimaliger Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit

Gemäß § 15 Abs. 5 BEEG kann der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin während der Elternzeit eine Verringerung der Arbeitszeit oder ihre Ausgestaltung beantragen. Über den Antrag sollen sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin innerhalb von vier Wochen einigen. Hiervon unberührt bleibt das Recht, sowohl die vor der Elternzeit bestehende Teilzeitarbeit unverändert während der Elternzeit fortzusetzen, soweit damit keine Erwerbstätigkeit von mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats verbunden ist, als auch nach der Elternzeit zu der Arbeitszeit zurückzukehren, die vor Beginn der Elternzeit vereinbart war. Scheitert eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ausgestaltung, kann der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nach § 15 Abs. 6, 7 BEEG während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung seiner oder ihrer Arbeitszeit beanspruchen. In seinem Urteil vom 19.2.201314 hat der 9. Senat des BAG klargestellt, dass einvernehmliche Elternteilzeitregelungen auf den zweimaligen Anspruch auf

13 BAG v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, NZA 2013, 266 Rz. 20 ff., 23.

73

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Verringerung der Arbeitszeit nicht zur Anrechnung kommen. Damit widerspricht das BAG der bislang der von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, nach der einvernehmliche Teilzeitregelungen auf den Anspruch auf Teilzeit angerechnet werden15. In dem der aktuellen Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Klägerin seit 2006 bei der Beklagten vollzeitbeschäftigt. Sie brachte am 5.6.2008 ein Kind zur Welt und nahm zunächst für die Dauer von zwei Jahren bis zum 4.6.2010 Elternzeit in Anspruch. Am 3.12.2008 vereinbarten die Parteien die Verringerung der Arbeitszeit für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.5.2009 auf wöchentlich 15 Stunden und für die Zeit vom 1.6.2009 bis zum Ende der Elternzeit am 5.6.2010 auf wöchentlich 20 Stunden. Mit Schreiben vom 7.4.2010 nahm die Klägerin ab dem 5.6.2010 bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres ihres Kindes erneut Elternzeit in Anspruch und beantragte gleichzeitig, wie bisher 20 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Die Beklagte lehnte diese Teilzeitbeschäftigung mit der Begründung ab, dass durch die vorangehenden Vereinbarungen der Anspruch auf Absenkung der Arbeitszeit „verbraucht“ sei. Das BAG ist dieser Bewertung nicht gefolgt. Nach seiner Auffassung steht dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 Abs. 6, 7 BEEG die Vereinbarung der Parteien vom 3.12.2008 nicht entgegen. Einvernehmliche Elternteilzeitregelungen gemäß § 15 Abs. 5 BEEG seien nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen. Das einvernehmliche Vorgehen des Arbeitgebers wird also nicht „belohnt“. Er bleibt also auch dann, wenn er das Teilzeitverlangen mehrfach – ggf. mit großen Mühen – umgesetzt hat, weiterhin verpflichtet, unter den in § 15 Abs. 6, 7 BEEG genannten Voraussetzung dem Verlangen nach einer erneuten Veränderung – ggf. zweimal – stattzugeben. Ein Verzicht auf den Anspruch auf Herabsetzung kann anlässlich der einvernehmlichen Anpassung des Arbeitsvertrags im Zweifel nicht vereinbart werden. Denkbar ist allenfalls, dass die Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nicht konstitutiv vereinbart wird, sondern durch die Parteien nur eine „Abwicklungsvereinbarung“ über die Umsetzung des zuvor durch den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin gestellten Antrags getroffen wird. Dies könnte rechtfertigen, dass mit einer zweimaligen Umsetzung dieses Verlangens auch die Verpflichtung aus § 15 Abs. 6, 7 BEEG erfüllt wird. (Ga)

14 9 AZR 461/11 n. v. 15 So LAG Hamburg v. 18.5.2011 – 5 Sa 93/10, NZA-RR 2011, 454; HWK/B. Gaul, BEEG § 15 Rz. 13; ErfK/Gallner, BEEG § 15 Rz. 14.

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Einbindung der im Direktionsrecht zuweisbaren Arbeitsplätze

4.

Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung: Einbindung der im Direktionsrecht zuweisbaren Arbeitsplätze

In seinem Urteil vom 13.11.201216 hat der 9. Senat des BAG zunächst einmal klargestellt, dass dem Anspruch eines Arbeitnehmers auf Verringerung seiner regelmäßigen Arbeitszeit nach § 8 TzBfG nicht entgegensteht, dass er bereits zum Zeitpunkt, zu dem er die Reduzierung verlangt, in Teilzeit arbeitet. § 8 TzBfG gelte auch für Teilzeitbeschäftigte. Unerheblich dabei ist, in welcher Weise die Arbeitszeit des Teilzeitbeschäftigten innerhalb einer Woche, eines Monats oder eines Kalenderjahres verteilt wird. § 8 TzBfG gelte deshalb auch für flexible Arbeitszeitmodelle, in denen eine kalenderjährliche Arbeitszeit vereinbart wird, die schlussendlich unregelmäßig verteilt wird. Gemäß § 8 Abs. 4 S. 1, 2 TzBfG hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt nach den Vorgaben des Gesetzes insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Entgegen der im Schrifttum vertretenen Auffassung17 lehnt es das BAG ab, bei der Prüfung, ob betriebliche Gründe einer Absenkung oder der gewünschten Verteilung der Arbeitszeit entgegenstehen, allein auf den Arbeitsplatz abzustellen, den der Arbeitnehmer innehat. Vielmehr geht das BAG mit überzeugender Begründung davon aus, dass die betrieblichen Gründe nicht arbeitsplatz- sondern betriebsbezogen zu bestimmen sind18. Für diese Bewertung spricht nicht nur der Wortlaut des Gesetzes. Auch Systematik und Zweck der gesetzlichen Regelung, die eine Teilzeitbeschäftigung fördern soll, legen dieses Verständnis nahe. Folgerichtig muss der Arbeitgeber bei einem entsprechenden Verlangen prüfen, ob und inwieweit die Absenkung der Arbeitszeit und die gewünschte Verteilung auch auf anderen Arbeitsplätzen bewirkt werden kann, die dem Arbeitnehmer im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 S. 1 GewO zugewiesen werden können. Dies kann erforderlich machen, auch in Bezug auf andere Arbeitnehmer Aufgabenveränderungen bzw. Organisationsanpassungen vorzunehmen. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, arbeitsvertragli-

16 9 AZR 259/11, NZA 2013, 373 Rz. 17. 17 So ErfK/Preis, TzBfG § 8 Rz. 4; Mengel in Annuß/Thüsing, TzBfG § 8 Rz. 3; Hanau, NZA 2001, 1168, 1169. 18 BAG v. 13.11.2012 – 9 AZR 259/11, NZA 2013, 373 Rz. 19 ff., 24 ff.

75

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

che Änderungen zur Durchsetzung des Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung vorzunehmen. (Ga)

5.

Betriebliche Übung bei übertariflichen Leistungen

In der betrieblichen Praxis wird die Entstehung einer betrieblichen Übung häufig bereits dann angenommen, wenn der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum hinweg dem Arbeitnehmer eine Begünstigung gewährt und dieser angesichts fehlender Vorbehalte darauf vertraut, diese Leistung werde auch zukünftig gewährt werden. Zu Recht hat das BAG mit Urteil vom 29.8.201219 deutlich gemacht, dass die Entstehung eines Anspruchs aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den Grundsätzen zur betrieblichen Übung an die darüber hinausgehende Voraussetzung geknüpft ist, dass der Arbeitgeber – insoweit für den Arbeitnehmer erkennbar – mit seiner Leistung nicht nur eine, bereits aufgrund einer anderen individual- oder kollektivrechtlichen Grundlage, bestehende Pflicht erfüllen wollte. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall zahlten die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerinnen an den Kläger und andere Arbeitnehmer eine jährliche Weihnachtszuwendung aufgrund Tarifvertrags sowie eine weitere Jahressonderzuwendung, zuletzt auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 21.12.2001. Grundlage für die Berechnung der tariflichen Weihnachtszuwendung waren nach den Vorgaben des Rahmentarifvertrags die „laufenden Arbeitsbezüge eines Monats“, die im Tarifvertrag zuletzt wie folgt definiert wurden: Die laufenden Arbeitsbezüge bestehen aus der nach dem Vergütungstarifvertrag für die regelmäßige Arbeitszeit zu zahlenden Tabellenvergütung sowie aus etwaigen, ständig wiederkehrenden Arbeitszulagen und -zuschlägen (z. B. Dauerzulagen, Schichtzulagen). Nur zeitweise zu zahlende Arbeitsbezüge (z. B. stundenweise anfallende Zeitzuschläge nach § 10 und Erschwerniszuschläge) rechnen nicht zu den laufenden Bezügen, es sei denn, dass sie pauschaliert sind.

Die die weitere Sonderzuwendung betreffende Regelung in der Betriebsvereinbarung 2001 lautete: Die Sonderzuwendung beträgt 100 % der laufenden Arbeitsbezüge gemäß § 9 Abs. 2 Rahmentarifvertrag ohne Sozialzulagen im Monat Dezember des Geschäftsjahres, für das die Sonderzuwendung gewährt

19 10 AZR 571/11, NZA 2013, 40 Rz. 20.

76

Betriebliche Übung bei übertariflichen Leistungen

wird. Sie wird mit der April-Vergütung des folgenden Jahres ausgezahlt.

In den Jahren 1991 bis 2005 hatte der Kläger – wie andere Arbeitnehmer auch – jeweils vorbehaltlos nicht nur eine Weihnachtszuwendung in tariflicher Höhe und eine Sonderzuwendung nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung erhalten. Vielmehr hatte die Beklagte jeweils zwei weitere Sonderzahlungen vorgenommen, die in den Lohnabrechnungen unmittelbar jeweils unterhalb der Weihnachts- bzw. Sonderzuwendung als „Weihnachtszuw. a. DZusch.“ bzw. „Sonderzuw. aus D-Zuschl“ ausgewiesen waren. Die Beklagte berechnete diese zusätzlich bezahlten Beträge auf der Grundlage der nach der tariflichen Definition nicht zu den laufenden Arbeitsbezügen zählenden Dienstzeitzuschläge. Diese zusätzlichen Leistungen sollten 2006 eingestellt werden, was der Kläger - wie andere Arbeitnehmer – zum Anlass nahm, einen entsprechenden Zahlungsanspruch auf der Grundlage der Grundsätze zur betrieblichen Übung geltend zu machen. Mit überzeugender Begründung hat das BAG im Urteil vom 29.8.201220 den geltend gemachten Zahlungsanspruch anerkannt. Dass die Beklagte geltend gemacht hatte, ihren Zahlungen habe ein Irrtum zugrunde gelegen, stand diesem Anspruch nicht entgegen. Grundsätzlich könnten – so das BAG – Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber durch die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen (insbesondere Zahlungen) des Arbeitgebers begründet werden, wenn die Arbeitnehmer aus diesen Verhaltensweisen schließen könnten, ihnen solle ein Anspruch auf eine Leistung oder eine Begünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Denn aus einem solchen als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen werde (§ 151 BGB), würden vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen erwachsen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs sei dabei nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste21. Hiervon ausgehend könne – so das BAG – eine betriebliche Übung auch bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen. Allerdings müsse dem tatsächlichen Verhalten des

20 10 AZR 571/11, NZA 2013, 40 Rz. 18 ff. 21 BAG v. 29.8.2012 - 10 AZR 571/11, NZA 2013, 40 Rz. 18 f.; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499 Rz. 18.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Arbeitgebers aus Sicht der Arbeitnehmer der Wille zugrunde liegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen. Hierzu gehört die Darlegung, dass das Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht des Empfängers ausreichende Anhaltspunkte dafür geboten hat, der Arbeitgeber wolle Zahlungen erbringen, ohne hierzu bereits aus anderen Gründen – etwa aufgrund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung – verpflichtet zu sein22. Diese Voraussetzungen konnten durch den Kläger im vorliegenden Fall ausreichend dargelegt werden. Der Kläger und die anderen Busfahrer hatten jedenfalls seit Beginn der neunziger Jahre vorbehaltlos höhere Zuwendungen erhalten, als ihnen nach dem Tarifvertrag und der Betriebsvereinbarung zustanden. Diese Zuwendungen waren durch die Beklagte jeweils neben den kollektivrechtlich begründeten Zuwendungen als „Zuwendung aus Dienstzeitzuschlägen“ gesondert ausgewiesen. Eine kollektivrechtliche Grundlage für diese Zahlungen gab es nicht. Wenn der Arbeitgeber bei dieser Lage über viele Jahre hinweg Sonderzuwendungen einerseits in der tariflich korrekt berechneten Höhe, darüber hinaus aber gesondert abgerechnete Sonderzuwendungen in der nach der unzweideutigen Anordnung des Tarifvertrags nicht geschuldeten Höhe zahle, so müsse der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass diese Leistungen gerade nicht zur Erfüllung der kollektivrechtlich begründeten Pflichten erfolgten. Ihre gesonderte Ausweisung und die ausdrückliche, auf die tarifliche Differenzierung zwischen zu berücksichtigenden und nicht zu berücksichtigenden Zuschlägen hinweisende Bezeichnung könne – so das BAG – aus Sicht des Empfängers nur dahin verstanden werden, es handele sich um nach dem Tarifvertrag nicht geschuldete Leistungen, die bewusst gewährt werden23. Der vom Arbeitgeber geltend gemachte Irrtum hinsichtlich der Berechnung der Sonderzuwendung konnte diesen Anspruch nicht verhindern. Denn entscheidend für eine Berücksichtigung dieses Umstands ist für den 10. Senat des BAG, dass diese Fehlvorstellung des Arbeitgebers auch für den Arbeitnehmer erkennbar war und die Zahlung auch aus seiner Sicht deshalb zur Erfüllung tariflicher bzw. aus der Betriebsvereinbarung folgender Ansprüche erfolgt war. Diese Zielsetzung war vorliegend aber nicht feststellbar. Dass der Arbeitgeber intern eine rechnerische Zurechnung dieser Zahlungen zum Tarifvertrag vorgenommen hatte, spielte – weil nach außen nicht erkennbar – keine Rolle.

22 BAG v. 29.8.2012 - 10 AZR 571/11, NZA 2013, 40 Rz. 20; BAG v. 23.8.2011 – 3 AZR 650/09, NZA 2012, 37 Rz. 58. 23 BAG v. 29.8.2012 - 10 AZR 571/11, NZA 2013, 40 Rz. 22; BAG v. 1.4.2009 – 10 AZR 393/08, ZTR 2009, 485 Rz. 16.

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Zulässigkeit von Jahressonderzahlungen im Ermessen des Arbeitgebers

Für die betriebliche Praxis hat dies zur Folge, dass Mehrleistungen des Arbeitgebers auf der Grundlage einer fehlerhaften Interpretation kollektivvertraglicher Vereinbarungen durchaus korrigiert werden können. Dies gilt selbst dann, wenn entsprechende Zahlungen über viele Jahre hinweg vorgenommen werden. Voraussetzung ist freilich, dass die Korrektur vorgenommen wird, sobald der Fehler entdeckt ist. Denn wenn der Arbeitgeber in Kenntnis der fehlenden Zahlungspflicht weiterhin Leistungen vornimmt, die durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag nicht abgesichert sind, kann - sofern dies für die Arbeitnehmer (jetzt) erkennbar wird – ab sofort einen Anspruch auf betrieblicher Übung gründen. (Ga)

6.

Zulässigkeit von Jahressonderzahlungen im Ermessen des Arbeitgebers

a)

Ermessenstantieme bei Zielvereinbarung

Gerade bei oberen Führungskräften ist es immer wieder üblich, kalenderjährliche Boni nicht als Festbetrag auszuweisen, der zur Auszahlung kommt, wenn bestimmte – quantitative und/oder qualitative – Ziele erreicht sind. Vielmehr wird der Bonus – ganz oder teilweise – hinsichtlich der kalenderjährlich überhaupt erreichbaren Höhe und in Bezug auf den Prozentsatz der Zielerreichung in das billige Ermessen des Arbeitgebers gestellt. Solche Vereinbarungen sind für den Arbeitnehmer mit einer nicht unerheblichen Unbestimmtheit verknüpft. Zum einen ergibt sich der kalenderjährliche Zielbonus immer erst dann, wenn der Arbeitgeber einseitig die entsprechende Festlegung getroffen hat. Zum anderen hängt auch der Grad, mit dem eine Auszahlung dieser Zielgröße nach Abschluss des Bezugszeitraums vorgenommen wird, von der einseitigen Bewertung des Arbeitgebers ab. Mit seinem Urteil vom 14.11.201224 hat das BAG deutlich gemacht, dass entsprechende Vereinbarungen auch unter Berücksichtigung der Grundsätze zur AGB-Kontrolle gleichwohl wirksam sein können. Voraussetzung ist aber, dass durch ergänzende Vereinbarungen der Parteien Berechnungsgrößen, Rahmen und Einflussfaktoren bestimmt wurden, an denen der Arbeitgeber das billige Ermessen ausrichten muss. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien im Jahre 2006 im Wege einer Vertragsänderung die bis dahin bestehenden Vergütungsabreden neu gefasst. Auszugsweise lautete die Vertragsänderung (VÄ) wie folgt:

24 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 42.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

„Präambel Mit Änderung des Konsortialvertrages wurde vom Arbeitsausschuss des Country Leadership Teams (CLT) in Abstimmung mit dem Partnerrat beschlossen, das bestehende Partnervergütungssystem zu modifizieren. Die Änderung besteht zum einen im ersatzlosen Entfall der Responsibility Kategorien (RK) für Partner. Zum anderen werden alle Partner einheitlich in einem Verhältnis zum Zieleinkommen von 60 % fix und 40 % variabel vergütet. Die daraus resultierende Änderung des Anstellungsvertrages wird mit Wirkung ab 1. Juli 2006 wie folgt vereinbart: 1.

Entfall der Responsibility Kategorien

Die Einstufung in RK-Gruppen allgemein und damit speziell ihre bisherige vertragliche Zuordnung entfällt mit Wirkung ab dem 1. Juli 2006 ersatzlos. 2.

Festbezüge und variable Vergütung

Die Festbezüge (Gehalt) betragen 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens. Ein eventuell erworbener Besitzstand bleibt erhalten. Soweit aufgrund eines Besitzstandes die Festbezüge 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens überschreiten, verringert sich entsprechend der Anteil der variablen Bezüge. Die variablen Bezüge (Tantieme) betragen 40 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens. 3.

Partnervergütungssystem

Im Übrigen gilt zum 1. Juli 2006 das beigefügte Partnervergütungssystem. Soweit nicht durch diese Vereinbarung geändert, gelten die bisher mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen unverändert fort.

In dem Partnervergütungssystem vom 1.7.2006 hieß es auszugsweise im Wortlaut wie folgt: Vorbemerkung … Im Folgenden wird dargelegt, wie sich die dienstvertragliche Vergütung der Partner/Partnerinnen bestimmt. … Dem eigentlichen Vergütungssystem vorgelagert sind die Grundsätze für eine angemessene Leistungsbeurteilung, wie sie durch Abschluss und Beurteilung von Zielvereinbarungen erfolgt. 1.

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Gesamtbezüge

Zulässigkeit von Jahressonderzahlungen im Ermessen des Arbeitgebers

Die Gesamtbezüge eines Partners/einer Partnerin der P AG bestehen aus den • Festbezügen (Gehalt) und den • variablen Bezügen (Tantieme). Die Gesamtbezüge werden bei Vertragsbeginn vereinbart und grundsätzlich jährlich für ein Geschäftsjahr neu festgelegt (Zieleinkommen). Die Gesamtbezüge orientieren sich an den von dem Partner/der Partnerin in dem jeweiligen Geschäftsjahr wahrgenommenen Aufgaben, an seiner/ihrer Verantwortung, an den in dem Geschäftsjahr erbrachten individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin sowie an dem Erfolg des Unternehmens und der Einheit, in der der Partner/die Partnerin tätig ist. Festbezüge und variable Bezüge Die Festbezüge betragen 60 % des Zieleinkommens. Die Höhe des Zieleinkommens und damit die Höhe der Festbezüge bemisst sich nach dem Inhalt der Aufgabe und dem damit verbundenen Verantwortungsbereich. Die variablen Bezüge (Tantieme) betragen 40 % des Zieleinkommens. Durch die Mitteilung der Gesamtvergütung (Zieleinkommen) wird auf Auszahlung der variablen Bezüge weder dem Grunde noch der Höhe nach ein Anspruch begründet. Vielmehr folgt sowohl aus der Leistungsbezogenheit der variablen Bezüge als auch aus der Anknüpfung an den Erfolg des Unternehmens bzw. der jeweiligen Unternehmenseinheit, dass sie den Charakter einer Tantieme haben und in jedem Jahr neu verdient werden müssen. Insbesondere begründet die Zahlung variabler Bezüge im Vorjahr keinen Anspruch auf Gewährung von variablen Bezügen für das Folgejahr; Besitzstände können nicht erdient werden. Außerdem liegt der Bemessung der Tantieme die Erwartung zu Grunde, dass der Partner/die Partnerin auch im Folgejahr weiter erfolgreich für das Unternehmen tätig ist (Betriebstreue). Dieser Aspekt bleibt im Falle planmäßigen altersbedingten Ausscheidens außer Betracht. Die Bemessung der variablen Bezüge berücksichtigt die individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin im abgelaufenen Geschäftsjahr. Außerdem ist die Höhe der variablen Bezüge von dem Erfolg des Unternehmens P AG in der abgelaufenen Periode sowie dem Erfolg der Unternehmenseinheit, zu der der Partner/die Partnerin gehört, abhängig.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

2.

Zieleinkommen und Isteinkommen

Ausgangspunkt der Vergütung ist das sog. Zieleinkommen, das sowohl die Festbezüge als auch die variablen Bezüge umfasst und bei Vertragsbeginn sowie zu Beginn des Geschäftsjahrs festgelegt wird. Bei der Bestimmung des variablen Teils (40 % der Gesamtbezüge) wird unterstellt, dass die individuelle Leistung den Erwartungen und der Erfolg des Unternehmens und der Unternehmenseinheit den budgetierten Beträgen entspricht. Das neue Zieleinkommen wird den Partnern/Partnerinnen zu Beginn jedes Geschäftsjahres mitgeteilt. Nach Ablauf des Geschäftsjahres wird das Isteinkommen festgelegt. Diese nachträgliche Festlegung betrifft den variablen Teil der Bezüge. Grundlage für die endgültige Festlegung der variablen Bezüge sind die mit Hilfe der Zielvereinbarung festgestellten individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin im abgelaufenen Geschäftsjahr (Ergebnisse des Partnerzielvereinbarungs- und -beurteilungssystems) sowie der tatsächlich erzielte Erfolg des Unternehmens und der Unternehmenseinheit und die Betriebstreue. Unter Berücksichtigung der individuellen Leistungen und des Unternehmenserfolgs sowie der Betriebstreue kann der variable Teil der Bezüge niedriger, aber auch höher festgesetzt werden als mit dem Betrag, der als Teil des Zieleinkommens vorgesehen war. Grundlage für die Bemessung der individuellen Partnerperformance sind servicelineübergreifende Beurteilungskriterien, deren Erfüllungsgrad von dem Primary Reporting Partner (von der Primary Reporting Partnerin), ggf. dem Secondary Reporting Partner (der Secondary Reporting Partnerin), dem LoS-Leadershipteam und dem Unternehmens-Leadershipteam beurteilt wird. Hieraus wird die Entscheidung über die Vergütung abgeleitet. 3. Auszahlung der Bezüge Die Festbezüge in Höhe von 60 % des Zieleinkommens werden in zwölf gleichen Beträgen monatlich nachschüssig ausgezahlt. Die variablen Bezüge werden nach Ablauf des Geschäftsjahres und Feststellung des Jahresabschlusses sowie Genehmigung durch den Aufsichtsrat der P AG gezahlt.

Ergänzend besteht bei der Beklagten ein „Zielvereinbarungs- und Beurteilungssystem für Partner/Anwenderhandbuch“ (Handbuch), in dem u. a. eine fünfstufige Beurteilungsscala festgelegt ist. Auf der Grundlage dieser Regelung wurde dem Kläger sodann jeweils zu Beginn des Geschäftsjahres das 82

Zulässigkeit von Jahressonderzahlungen im Ermessen des Arbeitgebers

Zieleinkommen und die Höhe der Festbezüge mitgeteilt. Zudem schlossen die Parteien Zielvereinbarungen und bewerteten die Zielerreichung nach Ablauf des Beurteilungszeitraums. Danach teilte die Beklagte dem Kläger jeweils sein Gesamteinkommen und dessen Zusammensetzung mit. Für die Geschäftsjahre nach der Vertragsänderung ergaben sich die nachstehenden Werte: Geschäftsjahr

Zieleinkommen

Festbezüge

Gesamteinkommen

Abschlussgratifikation

2006/2007

400.000,00

240.000,00

650.000,00

410.000,00

2007/2008

700.000,00

420.000,00

600.000,00

180.000,00

2008/2009

740.000,00

444.000,00

510.000,00

66.000,00

2009/2010

520.000,00

444.000,00

450.000,00

6.000,00

Nach Auffassung des Klägers war die Beklagte verpflichtet, das jährliche Zieleinkommen seit dem Geschäftsjahr 2008/2009 auf mindestens 740.000,- € (brutto) festzusetzen. Denn die zuletzt getroffene Bestimmung der Festvergütung in Höhe von 444.000,- € (brutto) habe zur Folge, dass er auch eine variable Vergütung in Höhe von 296.000,- € (brutto) als Zielgröße haben müsse. Schließlich ergebe sich aus den Vereinbarungen der Parteien ein festes Verhältnis in Höhe von 60 Prozent (Festvergütung) zur 40 Prozent (variable Vergütung). Im Hinblick darauf hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Vergütungsdifferenz zu der von seiner Seite aus angenommenen Gesamtvergütung zu zahlen. Hilfsweise sollte festgestellt werden, dass das Zieleinkommen bei der Beklagten je Geschäftsjahr, beginnend mit dem Geschäftsjahr 2008/2009, mindestens 740.000,- € (brutto) beträgt. Darüber hinaus sollte die Beklagte im Wege der Stufenklage zur Auskunft über die Gesamtvergütung der bei ihr im Übrigen beschäftigten Partner, deren Zusammensetzung, den Aufgaben der Partner und den Kriterien für deren Vergütung verurteilt werden. Der 10. Senat des BAG hat in seinem Urteil vom 14.11.201225 zwar einen Zahlungsanspruch für grundsätzlich denkbar gehalten, wegen fehlender

25 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Feststellungen zum Sachverhalt aber zurückverwiesen. Im Übrigen aber war die Klage nach Auffassung des BAG unbegründet. Zunächst einmal hatte das BAG klargestellt, dass die vertraglichen Bestimmungen dem Kläger – neben dem Anspruch auf Festbezüge (Gehalt) in Höhe von 60 Prozent der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens – grundsätzlich einen Anspruch auf eine variable Vergütung gewährten. Die Höhe der erreichbaren variablen Vergütung bestimme sich für das jeweilige Geschäftsjahr nach einem nach billigem Ermessen durch die Arbeitgeberin festzusetzenden Zieleinkommen, welches mindestens ein bestimmtes Verhältnis zu den Festbezügen erreichen müsse. Die Höhe der tatsächlich auszuzahlenden variablen Bezüge (Tantieme) ergebe sich aus einer Festsetzung nach billigem Ermessen unter Beachtung der individuellen Leistung, des Unternehmenserfolgs, des Erfolgs der Unternehmenseinheit und der Betriebstreue. Die Bewertung der individuellen Ziele erfolge dabei bezogen auf das Erreichen der in einer Zielvereinbarung festgelegten Ziele. Dieses Vergütungssystem, welches die Parteien 2006 vereinbart hatten sei – mit Ausnahme der in Bezug auf zukünftige Betriebszugehörigkeit vorgesehenen Stichtagsregelung – rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das BAG im Anschluss daran zunächst einmal aufgezeigt, dass die Festvergütung zwar zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Vergütungssystems in Höhe von 240.000,– € festgeschrieben war. Die in Ziff. 2 Abs. 1 S. 2 VÄ festgeschriebene Besitzstandsklausel sei aber – anders als der vergangenheitsbezogene Wortlaut („erworbener Besitzstand“) zunächst glauben lasse – nicht auf den Zeitpunkt der Einführung des PVS beschränkt. Ziff. 2 Abs. 1 S. 1 VÄ bestimme nämlich, dass die Festbezüge 60 Prozent der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens betrügen. Es sei deshalb vor und nach jedem Geschäftsjahr deren Anteil zu bestimmen. Ggf. trete eine Erhöhung der Festbezüge ein, die dann den neuen Besitzstand darstellten. Konsequenz sei insoweit auch, dass die Anpassung der Festbezüge beim Kläger zu einem entsprechend höheren Besitzstand (44.000,- €) geführt hatten. Aus dieser Anhebung der Festbezüge resultierte allerdings kein Anspruch auf die geltend gemachte Zielgröße für die variable Vergütung in Höhe von 296.000,- € (brutto). Auch wenn Festbezüge zu variabler Vergütung grundsätzlich in einem Verhältnis von 60 zu 40 stehen sollten, ergab sich bereits aus Ziff. 2 Abs. 1 S. 3 VÄ eine Verschiebung. Denn die Beklagte war berechtigt, mit Blick auf die Aufgaben des Klägers kalenderjährlich eine Neufestsetzung der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens vorzunehmen. Soweit aufgrund eines Besitzstandes, was in den letzten Jahren der Fall war,

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Zulässigkeit von Jahressonderzahlungen im Ermessen des Arbeitgebers

die Festbezüge 60 Prozent der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens überschritten, verringerte sich entsprechend der Anteil der variablen Bezüge. Diese Variabilität war nach Auffassung des BAG auch mit den Grundsätzen der AGB-Kontrolle vereinbar. Einen Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) hat das BAG abgelehnt. Hiervon sei nicht bereits dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit habe, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnehme, liege eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB26. Vorliegend sei diese Gefahr nicht erkennbar. Denn der mögliche Anspruch des Klägers sei durch die Bestimmungen in der VÄ in Verbindung mit dem PVS und der jeweiligen Zielvereinbarung ausreichend beschrieben. Für den Kläger als Wirtschaftsprüfer und leitenden Mitarbeiter der Beklagten sei erkennbar gewesen, dass die Beklagte nach billigem Ermessen über das Zieleinkommen und die tatsächliche Höhe der variablen Bezüge zu entscheiden hatte und an welche Faktoren sie hierbei gebunden war. Soweit die Beklagte sich danach noch einen Beurteilungsspielraum, insbesondere zum Verhältnis der verschiedenen Faktoren und zur Beurteilung der Leistungen des Klägers vorbehalten habe, sei dieser im Hinblick auf die auf Dauer angelegte Regelung und sich stetig ändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht unangemessen weit27. In der vertraglichen Regelung liege auch kein unzulässiger Änderungsvorbehalt im Sinne des § 308 Nr. 4 BGB. Zwar gebiete die gesetzliche Vorgabe, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die dem Verwender ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zuerkennen, schon in der Vereinbarung gewährleistet werde, dass die Änderung oder Abweichung für den anderen Vertragsteil unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders auch zumutbar sei. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit von § 308 Nr. 4 BGB sei aber, dass ein bereits bestehender Anspruch des Arbeitnehmers durch einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers verändert werde. Wenn – was hier der Fall sei – der Arbeitgeber einseitig eine erstmalige Festlegung seiner Leistung vornehme, falle dies nicht in den Anwendungsbereich von § 308 Nr. 4 BGB28. Wie diese Feststellung des BAG allerdings mit der gleichzeiti-

26 BAG v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 31. 27 BAG v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 32. 28 BAG v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 34.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

gen Feststellung korrespondiert, dass der Kläger an sich einen Anspruch auf die variable Vergütung habe, hier allerdings die einseitigen Veränderungen des Arbeitgebers hinnehmen müsse, bleibt relativ unklar. Im Ergebnis dürfte die Feststellung allerdings zutreffend sein. Denn auch unter Berücksichtigung der zu § 307 Abs. 1 BGB getroffenen Feststellungen dürften die Leitlinien und Kriterien, nach denen der Arbeitgeber gemäß VÄ und PVS die einseitige Leistungsbestimmung vornehmen konnte, auch den für § 308 Nr. 4 BGB entwickelten Grundsätzen Rechnung tragen. Auch einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB hat der 10. Senat des BAG abgelehnt. Zum einen enthalte die vertragliche Regelung keinen Freiwilligkeitsvorbehalt. Denn trotz der erkennbaren Variabilität bleibe die Beklagte durch die bestehende Zusage verpflichtet, ein Zieleinkommen nach billigem Ermessen festzusetzen. Billiges Ermessen werde nur dann gewahrt sein, wenn eine im Verhältnis zum Festgehalt angemessene Chance auf Erzielung einer variablen Vergütung erhalten bleibe29. Zum anderen ließen weder die Höhe der Festvergütung noch der Anteil der variablen Vergütung die Annahme zu, dass sich der Arbeitgeber faktisch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich seiner Gegenleistung vorbehalte und damit das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko unzulässiger Weise auf den Arbeitnehmer übertrage. Auch diese Gefahr war durch die Ermessensvorgaben und die Verpflichtung, den Grundsatz der Billigkeit wahren zu müssen, vermieden worden30. Einzig und allein die in den vertraglichen Regelungen enthaltene Klausel, nach der bei der Festsetzung der Höhe der variablen Vergütung auch der Umstand berücksichtigt werden solle, ob der Arbeitnehmer im Anschluss an den Bezugszeitraum noch zukünftige Betriebszugehörigkeit erweise, war unangemessen und deshalb unwirksam. Unter Rückgriff auf die bereits in den Urteilen vom 24.10.200731 und vom 18.1.201232 getroffenen Feststellungen sieht der 10. Senat des BAG eine solche Klausel im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB. Sie entziehe dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn. Sie verkürze außerdem in nicht zu rechtfertigender Weise die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, weil sie die Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig erschwere. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer

29 30 31 32

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BAG v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 38. BAG v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 39. 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 Rz. 25 ff. 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561 Rz. 23.

Zulässigkeit von Jahressonderzahlungen im Ermessen des Arbeitgebers

Lohn für geleistete Arbeit ggf. vorenthalten zu können, sei nicht ersichtlich33. Wir hatten auf diese Rechtsprechung hingewiesen34. Die Unwirksamkeit dieser einzigen Klausel hatte allerdings nicht die Unwirksamkeit der gesamten Vergütungsänderung zur Folge. Vielmehr war - entsprechend § 306 Abs. 1 BGB – nur dieser Teil unwirksam. Er war zu streichen, wohingegen die verbleibende Regelung weiterhin sinnvoll, verständlich und anwendbar war. Von der Wirksamkeit der Vergütungsänderung ausgehend obliegt es nunmehr dem LAG, die Höhe der dem Kläger für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 zustehende variable Vergütung festzustellen. Dass es an einem nachvollziehbaren System, wie die insoweit maßgeblichen Faktoren zueinander in eine Beziehung zu setzen sind, in der Vergütungsabsprache fehlte, stand ihrer Wirksamkeit nach Auffassung des BAG nicht entgegen. Ebenso unbeachtlich war letztendlich auch, dass es keine mathematische Genauigkeit für die Beurteilung der Leistungen des Klägers im Rahmen des qualitativen Beurteilungssystems gab35. Wichtig für die Anwendung der in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze auf andere Sachverhalte sind insoweit allerdings die ergänzenden Feststellungen, die das BAG im Urteil vom 14.11.201236 in Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast getroffen hat. Danach seien zunächst einmal die Beurteilungen in der Zielvereinbarung maßgeblich. Erst wenn der Arbeitnehmer bestimmte Bewertungen bestreite, sei der Arbeitgeber verpflichtet, diese unter Vortrag von Tatsachen substantiiert zu begründen. Bestreite der Arbeitnehmer solchen Vortrag substantiiert auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen, so habe der Arbeitgeber die Richtigkeit der Beurteilung zu beweisen. Dabei würden die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten steigen, wenn die arbeitgeberseitige Beurteilung einer vom Arbeitnehmer abgegebenen Selbsteinschätzung entspreche. Darüber hinaus komme dem Umstand Bedeutung zu, dass dem Beurteiler notwendigerweise ein Beurteilungsspielraum zustehe. Hiervon ausgehend sei bei der Beurteilung der Zielerreichung innerhalb von Zielvereinbarungen zu unterscheiden. Gehe es um die Erreichung sogenannter harter (quantitativer) Ziele wie z. B. Umsatz- oder Kundenzahlen, die Durchführung bestimmter Veranstaltungen etc., so sei konkreter Vortrag

33 34 35 36

BAG v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 41. B. Gaul, AktuellAR 2011, 532 ff.; 2012, 72 ff. BAG v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 38. 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 52 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

möglich und auch erforderlich. Gehe es hingegen um das Erreichen sogenannter weicher (qualitativer) Ziele, wie z. B. das Führungsverhalten, müsse der Arbeitgeber seine Wertungen auf entsprechendes Bestreiten (nur) soweit wie möglich konkretisieren und plausibel machen. Soweit solche Wertungen auf bestimmte Einzelvorkommnisse oder Bewertungen anderer Mitarbeiter (Upward-Feedback) gestützt würden, seien diese konkret zu benennen. Reine Werturteile bedürften zwar keines näheren Vortrags, reichten aber für sich genommen nicht aus, um eine negative Bewertung zu stützen. Dieser im Wesentlichen an der Art der zwischen den Parteien vereinbarten Ziele und ihrer Objektivierbarkeit ausgerichtete Verteilung der Darlegungsund Beweislast ist zuzustimmen. Sie trägt in angemessener Weise den Interessen beider Parteien Rechnung, zeigt aber auch, dass für beide Seiten bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Höhe einer variablen Vergütung ein nicht unerheblicher Tatsachenvortrag erforderlich ist. Dass in dem hier in Rede stehenden Fall der ergänzend geltend gemachte Auskunftsanspruch als unbegründet bewertet wurde, erscheint richtig. Denn der Kläger hatte keine Gesichtspunkte vorgetragen, aus denen sich auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB) besondere Anhaltspunkte für einen Anspruch auf die begehrten Informationen ergeben hätten. Insbesondere war ein Anspruch auf Gleichbehandlung des Klägers mit den übrigen Partnern aus seinem Vortrag heraus nicht erkennbar. Sein Interesse, Anhaltspunkte dafür zu erhalten, dass die Beklagte seine variable Vergütung in den streitgegenständlichen Zeiträumen nach billigem Ermessen festgesetzt hatte, konnte er bereits auf der Grundlage der durch das BAG entwickelten Grundsätze zur wechselseitigen Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf den streitgegenständlichen Zahlungsanspruch erhalten. Eines Rückgriffs auf die Handhabe der Beklagten gegenüber übrigen Partnern bedurfte es hierfür jedenfalls nicht.

b)

Weihnachtsgratifikation im jährlichen Ermessen

Die vorstehend dargestellten Grundsätze gelten – wie das BAG mit Urteil vom 16.1.201337 deutlich gemacht hat – auch für eine Weihnachtsgratifikation, die auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Zusage kalenderjährlich gezahlt werden soll. Auch hier sei es dem Arbeitgeber erlaubt, sich kalenderjährlich die Entscheidung über die Höhe der Zahlung vorzubehalten, sofern die einseitige Leistungsbestimmung dem Gebot billigen Ermessens (§ 315 BGB) Rechnung trage.

37 10 AZR 26/12 DB 2013, 819 ff.

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Zulässigkeit von Jahressonderzahlungen im Ermessen des Arbeitgebers

In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien im Arbeitsvertrag u. a. festgelegt: § 6 Vergütungen … + Weihnachtsgratifikation

50 % bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 6 Monaten 100 % bei einer Betriebszugehörigkeit von 12 Monaten

von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation. Sie wird zusammen mit dem Novemberlohn/-Gehalt im jeweiligen Jahr ausgezahlt. … Endet das Arbeitsverhältnis vor dem 31.3. des folgenden Jahres durch Kündigung des Arbeitnehmers, sind jegliche – auch anteilige – Ansprüche auf das Weihnachtsgeld ausgeschlossen. Eine Aufhebungsvereinbarung oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses stehen einer Kündigung gleich. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall berechtigt, das Weihnachtsgeld zurückzufordern und mit einer Rückzahlungsforderung gegen alle etwaigen fälligen bzw. noch fällig werdenden Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unter Beachtung der Pfändungsschutzbestimmungen aufzurechnen.

Der Kläger erhielt 2001 Weihnachtsgeld in Höhe von 55 Prozent des Monatsgrundlohns. In den Jahren 2002 und 2003 belief sich die Höhe auf jeweils 40 Prozent. Im Jahr 2004 auf 31,4 Prozent und im Jahr 2005 auf 25 Prozent des damaligen Grundlohns. Für das Jahr 2006 war zwischen den Parteien streitig, ob ein Weihnachtsgeld in Höhe von nur 8 Prozent oder von rund 30 Prozent des Grundlohns gezahlt wurde. 2007 erhielt der Kläger ein Weihnachtgeld in Höhe von 524,- € (brutto), im Jahr 2008 in Höhe von 393,- € (brutto). 2009 und 2010 wurde wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage kein Weihnachtsgeld gezahlt. Stattdessen erhielt der Kläger im Jahr 2010 als „kleines Dankeschön“ zwei Tankgutscheine über je 25 Liter Kraftstoff. Nach Auffassung des Klägers war die im Arbeitsvertrag enthaltene Regelung unwirksam. Sie benachteilige ihn unangemessen und sei deshalb durch die branchenübliche Regelung der Metallindustrie zu ersetzen, die ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 Prozent des Monatsverdienstes vorsehe. 89

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Mit seiner Klage machte er deshalb die Differenz zwischen den gezahlten Vergütungen und der tarifvertraglichen Jahressonderzahlung für die Jahre 2007 bis 2010 geltend. Mit überzeugender Begründung hat der 10. Senat des BAG die Klage abgewiesen. Dabei hat er zunächst einmal deutlich gemacht, dass die hier streitgegenständliche Klausel nicht als Freiwilligkeitsvorbehalt zu qualifizieren sei. Denn der Arbeitgeber habe sich mit der Regelung verpflichtet, kalenderjährlich eine Weihnachtsgratifikation auszuzahlen, wenn die entsprechende Dauer der Betriebszugehörigkeit vorlag. Lediglich in Bezug auf die Höhe der Zuwendung hatte er sich eine einseitige Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen vorbehalten. Eine solche Regelung verstoße nicht gegen die Grundsätze der AGBKontrolle aus den §§ 307 ff. BGB. In Übereinstimmung mit seinen Feststellungen im Urteil vom 14.11.201238 nimmt das BAG an, dass § 308 Nr. 4 BGB auf die hier in Rede stehende Klausel keine Anwendung fände. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Sinne von § 315 ff. BGB würden von § 308 Nr. 4 BGB nicht erfasst, wenn sie darauf beschränkt seien, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen. Dies sei vorliegend der Fall. Denn der vertragliche Anspruch des Klägers sei nicht auf eine bestimmte Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern auf Entscheidung nach billigem Ermessen über die Höhe der Gratifikation und ggf. ihrer Auszahlung im November des Bezugsjahres gerichtet. Die Beklagte entscheide insoweit jährlich jeweils neu über die Höhe der Zahlung. Auch das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sei gewahrt. Der mögliche Anspruch des Klägers sei durch den Arbeitsvertrag ausreichend beschrieben. Der Kläger habe erkennen können, dass die Beklagte über die Festsetzung der Höhe der Gratifikation zu entscheiden hatte. Erkennbar gewesen sei auch, dass die Entscheidung eine Abwägung der maßgeblichen Interessen beider Seiten erfordere. Dass der Kläger nicht habe erkennen können, wie hoch insgesamt sich letzten Endes die vertraglichen Zahlungen belaufen würden, sei hinzunehmen. Schließlich hätte der Arbeitgeber auch die Möglichkeit gehabt, die hier in Rede stehende Leistung jeweils mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt zu verbinden und dadurch einen Rechtsanspruch für die Zukunft in Gänze auszuschließen. Mit einer solchen Vertragsgestaltung verglichen sei die hier in Rede stehende Regelung nicht zu beanstanden. Immerhin habe der Arbeitnehmer einen klagbaren Anspruch erhalten, bei

38 10 AZR 783/11, DB 2013, 346 Rz. 34.

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Zeitanteilige Entstehung einer leistungsbezogenen Jahressonderleistung

der er die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber vom Gericht überprüfen lassen könne39. Dieser Bewertung ist zuzustimmen. Allerdings dürfte der 10. Senat des BAG diesen Gestaltungsspielraum ganz bewusst nur für solche Zuwendungen anerkennen, die keine unmittelbare Gegenleistung für die im Bezugszeitraum erbrachte Arbeit darstellen. Denn er betont in seinen Ausführungen, dass die mit der Regelung verbundene Ungewissheit insbesondere in den Fällen regelmäßig hinnehmbar sei, in denen eine Sonderzahlung nicht von der Erbringung der Gegenleistung abhängig ist40. Bei einer unmittelbar arbeitsleistungsbezogenen Zuwendung dürfte insbesondere das Ob der Leistung jedenfalls dann kaum noch in Frage stehen, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums die von ihm geforderte Gegenleistung erbracht hat. Da das BAG im Anschluss daran auch eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB abgelehnt hat, war von der Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Klausel auszugehen. Damit war die Klage auch abzuweisen. Denn der Kläger hatte zur Begründung seines Zahlungsanspruchs nicht geltend gemacht, dass die Beklagte ihre Leistungsbestimmung unter Missachtung des Gebots billigen Ermessens vorgenommen hatte. Vielmehr hatte er lediglich vorgetragen, dass die Klausel unwirksam sei und deshalb unter Berücksichtigung von § 612 BGB durch die üblichen Regelungen des Tarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie ersetzt werden müsse. Dies aber scheidet bereits dann aus, wenn § 612 BGB mangels Unwirksamkeit der Vertragsklausel nicht zur Anwendung kommt41. (Ga)

7.

Zeitanteilige Entstehung einer leistungsbezogenen Jahressonderleistung

In dem, dem Urteil des BAG vom 14.11.201242 zugrunde liegenden Fall ging es zwar um die insolvenzrechtliche Zuordnung eines Anspruchs auf eine Jahressonderleistung und den Anspruch auf Schadensersatz, der wegen der fehlenden Vereinbarung der für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen maßgeblichen Ziele geltend gemacht wurde. Für die betriebliche Praxis haben die entsprechenden Feststellungen allerdings weitergehende Bedeutung, als sie auch auf Fallgestaltungen übertragen werden können, in denen das Arbeitsverhältnis während des Kalenderjahres beendet oder dem Arbeit39 40 41 42

BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 Rz. 19 ff., 23. BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 Rz. 23. BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 Rz. 31 ff. 10 AZR 793/11, DB 2013, 702 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

nehmer eine andere Tätigkeit ohne Bezug zu den bisher maßgeblichen Zielen zugewiesen wird. Denn auch insoweit kann es für die Bestimmung eines etwaigen Zahlungsanspruchs maßgeblich sein, ob ein Anspruch auf die Jahressonderzahlung zeitanteilig oder erst mit Ablauf des Bezugszeitraums entsteht. Ausgangspunkt der Entscheidung war ein Kläger, der zuletzt als ATAngestellter mit einem Jahreszieleinkommen in Höhe von 116.600,- € (brutto) beschäftigt war. Das Jahreszieleinkommen setzte sich nach den Vereinbarungen der Parteien aus einem festen Jahresgehalt in Höhe von 84.000,- € (brutto), zahlbar in zwölf gleichen Monatsraten und einem jährlichen Bonus bei Erreichen festgelegter Ziele in Höhe von 32.600,- € (brutto) bei einhundertprozentiger Zielerreichung im Geschäftsjahr (1.10. bis 30.9. des Folgejahres) zusammen. Nach den Vereinbarungen sollten die Ziele jährlich auf der Grundlage der jeweils geltenden Richtlinie (Bonus & Incentive Guideline) in einer gesonderten Zielvereinbarung festgelegt werden. Die Höhe des Bonus sollte sich nach dem Grad des Erreichens der in der Zielvereinbarung festgelegen Ziele richten, wobei der Zielerreichungsgrad jeweils nach Ablauf des Geschäftsjahres ermittelt wurde. Nachdem am 1.4.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet wurde, machte der Kläger gegenüber dem Insolvenzverwalter in Bezug auf das variable Einkommen für die Zeit vom 1.10.2008 bis 31.3.2009 einen Schadensersatzanspruch geltend. Denn die Insolvenzschuldnerin sei ihrer arbeitsvertraglichen Pflicht, mit ihm eine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2008/2009 zu schließen, nicht nachgekommen. Da der Kläger aber seine Arbeitsleistung in der Zeit vom 1.10.2008 bis 31.3.2009 erbracht habe, der Anspruch auf die Jahressonderzahlung aber erst nach Ablauf des Geschäftsjahres entstehe, sei dieser Schadensersatzanspruch als eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO zu behandeln. Der 10. Senat des BAG ist dieser Bewertung nicht gefolgt. Nach seiner Auffassung handelte es sich bei dem Schadensersatzanspruch, der wie der entsprechende Anspruch auf den Bonus behandelt wurde, um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 103 Abs. 3 InsO. Der Kläger konnte ihn deshalb nur im Insolvenzverfahren verfolgen (§§ 87, 174 InsO). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO liegt eine Masseverbindlichkeit bei einer Verbindlichkeit aus gegenseitigen Verträgen vor, soweit ihre Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Diese Regelung stellt – so das BAG – sicher, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle Gegenleistung erhält und die Masse nicht auf seine Kosten bereichert wird. Soweit Arbeitsverhältnisse betroffen seien, be92

Zeitanteilige Entstehung einer leistungsbezogenen Jahressonderleistung

ruhe die Vorschrift auf dem Grundgedanken, dass der Arbeitnehmer trotz Insolvenz seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen müsse und im Gegenzug seine vertraglich vereinbarten Ansprüche behalten solle. Unter § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO fielen daher alle Lohn- und Gehaltsansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter erwüchsen, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergäben. Maßgeblich sei, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Verfahrenseröffnung entstanden seien, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abgestellt werden müsse43. Unter welchen Voraussetzungen Jahressonderzahlungen als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO angesehen werden müssen, hängt damit von dem Zweck der Sonderzuwendung ab. Zunächst einmal kann eine Jahressonderzahlung das Ziel verfolgen, die vom Arbeitnehmer im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich zu honorieren. Wenn die Parteien insoweit keine abweichende Vereinbarung treffen, entsteht der Anspruch auf eine solche Sonderzuwendung – so das BAG – regelmäßig während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer (pro rata temporis) und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig. Insolvenzrechtlich seien solche arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendungen dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet seien: Soweit mit ihnen Arbeitsleistungen vergütet würden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht würden, handele es sich um Masseforderungen. Soweit durch sie vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen honoriert würden, lägen Insolvenzforderungen vor. Ausreichend für den insoweit angenommenen ratierlichen Erwerb des Anspruchs sei, dass dieser – unabhängig von einer gleichmäßigen Zielerfüllung im Geschäftsjahr – kontinuierlich an die Arbeitsleistung geknüpft werde. Nur wenn die zusätzliche Vergütung dagegen für besondere, zu bestimmten Zeiten während des Geschäftsjahres zu erbringende Leistungen versprochen werde, könne es allein auf diese Zeiträume ankommen44. Sonderzuwendungen könnten indes auch anderen Zwecken als der Vergütung erbrachte Arbeitsleistungen dienen. Sie könnten – so das BAG – als „Treueprämie“ langfristige oder als „Halteprämie“ kurzfris43 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 793/11, DB 2013, 702 Rz. 12; BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 1087/06, DB 2008, 1329 Rz. 19. 44 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 793/11, DB 2013, 702 Rz. 14.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

tige bzw. künftige Betriebstreue honorieren. Der Arbeitgeber könne aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. In diesen Fällen hänge der Anspruch auf die Jahressonderleistung nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern in der Regel nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab. Insolvenzrechtlich seien derartige stichtags- oder anlassbezogene Sonderzuwendungen deshalb dem Zeitraum zuzurechnen, in welchen der Stichtag falle. Falle er in den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handele es sich um eine Masseverbindlichkeit. Im anderen Fall sei eine solche Zahlung in voller Höhe als Insolvenzforderung anzusehen45.

Welcher Zweck mit der jeweils in Rede stehenden Jahressonderzahlung verfolgt wird, ist – wenn die vertraglichen Regelungen keine ausdrückliche Vorgabe enthalten – im Wege der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. Maßgeblich sind insbesondere die Anspruchsvoraussetzungen und Kürzungstatbestände. Ist der Anspruch auf die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele gebunden, liegt im Zweifel eine allein arbeitsleistungsbezogene Zuwendung vor. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien eine auch an die Betriebstreue geknüpfte Voraussetzung bestimmt wird, beispielsweise das Bestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des jeweiligen Bezugszeitraums. Schadensersatzansprüche eines Arbeitnehmers, die an die Stelle von Vergütungsansprüchen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis treten, sind – so das BAG – insolvenzrechtlich wie die ihnen zugrundeliegenden Vergütungsansprüche zu behandeln. Sie sind deshalb natürlich dem Zeitraum zuzuordnen, auf den sich der ursprüngliche Vergütungsanspruch bezog46. Hiervon ausgehend musste die streitgegenständliche Forderung als Insolvenzforderung qualifiziert werden. Denn die Zahlung des Bonus setzte nach den vertraglichen Regelungen das Erreichen bestimmter, in einer Zielvereinbarung festzulegender Ziele voraus. Damit bestimmte sich auch die Höhe des Bonus nach dem Grad des Erreichens dieser Ziele. Sie war damit als erfolgsabhängige Vergütung unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung. Dass der Zielerreichungs-

45 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 793/11DB 2013, 702 Rz. 15; BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 459/00, NZA 2002, 975; LAG Schleswig-Holstein v. 12.3.2008 – 6 Sa 411/07, NZA-RR 2008, 594 Rz. 30. 46 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 793/11, DB 2013, 702 Rz. 17.

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Stichtagsregelung einer tariflichen Jahressonderzahlung

grad erst nach Ablauf des Geschäftsjahres ermittelt wurde, stand dieser Zweckrichtung nicht entgegen. Da der Kläger im Wege der Schadensersatzforderung Zahlungen geltend machte, die sich auf den Zeitraum bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezogen, mussten sich diese für die Entstehung des Anspruchs auf den Bonus entwickelten Grundsätze auch auf die Entstehung des Schadensersatzanspruchs durchsetzen. Denn Anhaltspunkte dafür, dass über das Erreichen der Ziele hinausgehend weitergehende Anspruchsvoraussetzungen hätten maßgeblich sein sollen, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätten erfüllt werden können, waren nicht erkennbar. Insoweit handelte es sich bei der Absprache, die Zuwendung erst nach Ablauf des Geschäftsjahres auszuzahlen, um eine reine Fälligkeitsabrede, die einer früheren Entstehung des Anspruchs (pro rata temporis) nicht entgegenstand. Für die betriebliche Praxis ist das Ergebnis in der Regel vertretbar. Allerdings kann es im Einzelfall zu empfehlen sein, Grundsätze über die Berechnung der Höhe einer variablen Vergütung zu vereinbaren, falls während des Kalenderjahres vorübergehend oder dauerhaft keine Arbeit mehr erbracht wird. Das gleiche gilt dann, wenn das Arbeitsverhältnis noch vor Ablauf des Bezugszeitraums endet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Berechnung des Anspruchs pro rata temporis den Besonderheiten der jeweils in Rede stehenden Tätigkeit und deren wechselnder Intensität nicht ausreichend Rechnung trägt. (Ga)

8.

Stichtagsregelung einer tariflichen Jahressonderzahlung

Mit überzeugender Begründung hat das BAG klargestellt, dass die in einem Tarifvertrag enthaltene Stichtagsregelung, nach der nur solche Beschäftigte, die am 1.12. in einem Arbeitsverhältnis stehen, Anspruch auf eine Jahressonderzahlung haben, wirksam ist. Die weitergehenden Einschränkungen in Bezug auf Stichtagsregelungen, die in unwirksamer Form das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses auch nach Ablauf des Bezugszeitraums einer Jahressonderzahlung verlangen47, sind insoweit nicht übertragbar. Nach Auffassung des BAG liegt in einer entsprechenden Stichtagsregelung keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters. Denn sie erfasst Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf den Umstand, aus welchen Gründen und in

47 Vgl. hierzu nur BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, NZA 2011, 989 Rz. 27 f.; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 Rz. 29.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

welchem Alter das Arbeitsverhältnis beendet wird. Im Übrigen käme eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters allenfalls dann in Betracht, wenn erkennbar würde, dass die Regelung ganz überwiegend stärker ältere Arbeitnehmer anlässlich der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Altersgrenze erfasst. Auch dann wäre eine unzulässige Benachteiligung indes ausgeschlossen, wenn die Stichtagsregelung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt wäre und der damit verbundene Nachteil für ältere Arbeitnehmer zur Erreichung des Ziels angemessen und auch erforderlich ist. Wenn man die nachfolgenden Feststellungen des BAG berücksichtigt, dürften auch diese Überlegungen einer Unwirksamkeit der Stichtagsregelung entgegenstehen. Denn die hier in Rede stehende Stichtagsregelung verstößt nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 12.12.201248 auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG. Auch die Tarifvertragsparteien sind zwar gehalten, den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), Diskriminierungsverbote in Art. 3 Abs. 2, 3 GG sowie das Freiheitsgrundrecht in Art. 12 GG zu beachten. Allerdings stehe ihnen – so das BAG – aufgrund der durch Art 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien nicht in gleichem Maße verfügten. Ihnen komme eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen seien. Darüber hinaus verfügten sie über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelungen. Sie seien – so das BAG – nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genüge, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorhanden sei49. Hiervon ausgehend war ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz abzulehnen. Ausgehend davon, dass die Tarifvertragsparteien bei einer Gruppenbildung generalisieren und typisieren können, war die Differenzierung zwischen Beschäftigten, die vor dem 1.12. eines Jahres ausscheiden und Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis am 1.12. eines Jahres noch besteht, sachlich gerechtfertigt. Ausgangspunkt war dabei die Feststellung, dass mit der streitgegenständlichen Jahressonderzahlung sowohl die Arbeitsleistung als auch Betriebstreue - vergangenheits- und zukunftsbezogen - honoriert werden sollte. Schon ihren Zweck, Betriebstreue zu belohnen und die Mitarbeiter auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit zu motivie48 10 AZR 718/11 n. v. (Rz. 30 ff.). 49 Ebenso BAG v. 23.3.2011 – 10 AZR 701/09, ZTR 2011, 555 Rz. 21.

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Differenzierte Tilgung von Mindest- und Mehrurlaub?

ren, konnte die Jahressonderzahlung bei bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern (nicht mehr) erfüllen. Diesem Umstand durften die Tarifvertragsparteien durch eine Stichtagsregelung Rechnung tragen. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG war ebenfalls ausgeschlossen, weil jedenfalls eine sachliche Rechtfertigung für die hier in Rede stehende Benachteiligung vorlag. Mit der Stichtagsregelung verfolgte der Arbeitgeber das legitime Ziel, Arbeitnehmer zur Betriebstreue anzuhalten. Sie war – so das BAG – zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet und erforderlich. Denn ein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer weniger einschränkendes Mittel, diesen an einer Arbeitsplatzaufgabe zu hindern, war nicht erkennbar. Da die Stichtagsregelung auch nur eine verhältnismäßig kurze Bindungswirkung besaß, zumal sie nicht an einen ungekündigten Bestand geknüpft war, ist der 10. Senat des BAG auch von einer Angemessenheit ausgegangen. Bemerkenswert an der dahingehenden Aussage ist, dass das BAG einen Wegfall der Jahressonderzahlung auch anerkennt, wenn Arbeitnehmer nicht auf eigene Veranlassung, sondern aus anderen Gründen vor der Stichtagsregelung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Entgegen den Möglichkeiten entsprechender Regelungen in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag seien die Tarifvertragsparteien berechtigt, ohne Rücksicht auf den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine typisierende und pauschale Regelung vorzunehmen, die generell einen Wegfall des Arbeitsverhältnisses auslöst50. (Ga)

9.

Differenzierte Tilgung von Mindest- und Mehrurlaub?

Erhält der Arbeitnehmer neben dem gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen oder 24 Werktagen (§ 3 Abs. 1 BUrlG) aufgrund eines Tarifvertrags oder einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelung einen zusätzlichen Urlaub von weiteren Arbeits- oder Kalendertagen, war bislang zweifelhaft, welcher Urlaub zunächst getilgt wird, wenn der Arbeitnehmer nur einen Teilurlaub erhalten hat. In Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH51 im Hinblick auf Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG wurde diese Frage vor allem dann akut, wenn ein Arbeitnehmer im Umfang des gesetzlichen Ur50 BAG v. 12.12.2012 – 10 AZR 718/11 n. v. (Rz. 41). 51 EuGH v. 3.5. 2012 - C- 337/10 , ZTR 2012, 365 ff. - Neidel; EuGH v. 22.11.2011 - C214/10, NZA 2011, 1333 ff. - KHS; EuGH v. 20.1.2009 - C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 ff. - Schultz-Hoff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

laubsanspruchs seinen Urlaub vom Arbeitgeber erhalten hatte, dann aber den darüber hinausgehenden Resturlaub aus Gründen einer Erkrankung nicht antreten konnte. Sah etwa ein Tarifvertrag für den Fall der Erkrankung eine Übertragung des Urlaubs bis zum 31. Mai oder bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres vor, und war der Arbeitnehmer über diesen Zeitraum hinaus arbeitsunfähig erkrankt, dann aber im folgenden Kalenderjahr wieder arbeitsfähig, musste entschieden werden, ob dem Arbeitnehmer noch der gesetzliche Resturlaub zu gewähren oder dieser untergegangen war. Das BAG52 hat im Anschluss an die Entscheidung des EuGH53 unter Berücksichtigung von Art. 7 EG-Richtlinie 88/2003 und § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform dahin gehend ausgelegt, dass der gesetzliche Urlaub zunächst nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb außerstande ist, den Urlaub abzuwickeln. Vielmehr tritt der aufrecht erhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu und unterfällt damit erneut dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG. Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so gebietet auch das Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs. Der zunächst fortbestehende Urlaubsanspruch erlischt somit zu diesem Zeitpunkt. Nach der Rechtsprechung des EuGH54 können die Mitgliedstaaten den Arbeitnehmern zusätzliche Urlaubsansprüche einräumen und die Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des Mehrurlaubs nach nationalem Recht festzulegen. Dies gilt gleichermaßen für die Tarifvertragsparteien. Sie dürfen Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln55. Angesichts dieser Rechtsprechungsentwicklung kann der tarifvertragliche Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, der wegen einer Erkrankung in natura nicht genommen werden kann, untergegangen sein, während der gesetzliche Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach dem Kalenderjahr seiner Entstehung erlischt. In der Vergangenheit hat man die Lösung in einer entsprechenden Anwendung des § 366 BGB gesucht. Der Arbeitgeber konnte daher eine 52 BAG v. 7.8.2012 - 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216; BAG v. 16.10.2012 – 9 AZR 234/11, BB 2013, 372. 53 EuGH v. 22.11.2011 - C-214/10, NZA 2011, 1333 ff. - KHS. 54 v. 3.5.2012 - C-337/10, ZTR 2012, 365 ff. - Neidel. 55 BAG v. 12.4.2011 - 9 AZR 80/10, NZA 2011, 1050 ff.

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Differenzierte Tilgung von Mindest- und Mehrurlaub?

Leistungsbestimmung vornehmen und etwa festlegen, dass bei einer teilweisen Urlaubsgewährung zunächst der gesetzliche Urlaub erfüllt werden soll. Sah der Arbeitgeber von einer entsprechenden Leistungsbestimmung ab, wurde teilweise angenommen, dass zunächst der tarifliche Urlaub getilgt wurde, weil er dem Arbeitnehmer eine geringere Sicherheit bot56. Demgegenüber hat das BAG57 in entsprechender Anwendung von § 366 Abs. 2 BGB angenommen, dass der Arbeitgeber zunächst auf den gesetzlichen Urlaub leistet. Nunmehr hat der 9. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 7.8.201258 entgegen seiner früheren Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des § 366 BGB verneint und für den Fall, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub auf verschiedenen Rechtsgrundlagen beruht, eine einheitliche Forderung angenommen, so dass der Arbeitgeber mit der Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung ohne ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung zugleich beide Ansprüche vollständig oder teilweise zum Erlöschen bringt. In dem zu entscheidenden Fall verlangte die Klägerin noch zehn Resturlaubstage nebst Urlaubsgeld aus dem Jahre 2007. Der Klägerin stand ein jährlicher Urlaub von 30 Arbeitstagen aufgrund des anwendbaren Tarifvertrags zu. Die Beklagte hatte der Klägerin im Jahr 2007 15 Arbeitstage Urlaub gewährt und für diese Tage auch das tariflich vorgesehene Urlaubsgeld gezahlt. Vom 29.4.2008 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 28.2.2009 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Sie berief sich darauf, ihr sei im Jahre 2007 in erster Linie der tarifliche Zusatzurlaub in Höhe von zehn Urlaubstagen und der gesetzliche Urlaubsanspruch in Höhe von fünf Urlaubstagen gewährt worden. Angesichts dessen seien ihr bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch 15 Tage gesetzlicher Urlaub in Gestalt einer Abgeltung zu bezahlen. Das ArbG Mönchengladbach59 hat der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin eine Urlaubsabgeltung für fünf Tage gesetzlichen Resturlaub aus dem Jahr 2007 nebst Urlaubsgeld zugesprochen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LAG Düsseldorf die Beklagte zur Abgeltung weiterer zehn Urlaubstage nebst Urlaubsgeld für diese Tage verurteilt60.

56 Vgl. etwa LAG Düsseldorf v. 30.9.2010 – 5 Sa 353/10, ZTR 2011, 97 ff.; ErfK/Gallner, BUrlG § 7 Rz 54. 57 v. 5.9.2002 – 9 AZR 244/01, NZA 2003, 726 Rz. 51 ff. 58 9 AZR 760/10, NZA 2013, 104 Rz. 11 ff.; bestätigt durch BAG v. 16.10.2012 – 9 AZR 234/11, BB 2013, 372 ff. 59 v. 27.1.2010 – 7 Ca 1179/09 n. v. 60 v. 30.9.2010 – 5 Sa 353/10, ZTR 2011, 97 f.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Das BAG hat die Entscheidung des LAG Düsseldorf aufgehoben und die Klage der Klägerin abgewiesen. Dabei ist das BAG davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber mit der Freistellung der Klägerin an 15 Arbeitstagen im Jahr 2007 sowohl den gesetzlichen als auch den tariflichen Urlaubsanspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB teilweise zum Erlöschen gebracht hat. Das BAG lehnt einen Rückgriff auf § 366 Abs. 2 BGB ab, weil diese Vorschrift eine Mehrheit von Schuldverhältnissen im Sinne selbständiger Forderungen voraussetze, was bei einem Zusammentreffen gesetzlicher und tarif- oder arbeitsvertraglicher Urlaubsansprüche nicht der Fall sei. Soweit sich diese Ansprüche auf Urlaub deckten, ginge es nicht um selbstständige Urlaubsansprüche, sondern um einen einheitlichen Anspruch auf Erholungsurlaub, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruhte. Diese Bewertung überzeugt, weil ungeachtet einer inhaltlichen Differenzierung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und einem tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Mehrurlaub nicht neben den gesetzlichen noch ein eigenständiger tariflicher oder vertraglicher Urlaubsanspruch treten soll. Vielmehr handelt es sich um einen einheitlichen Urlaubsanspruch, soweit sich der gesetzliche und der tarifvertragliche bzw. vertragliche Urlaub decken. Soweit dieses Deckungsverhältnis besteht, teilen der gesetzliche und der tarifliche bzw. vertragliche Urlaub stets das gleiche rechtliche Schicksal. Nur insoweit der tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Urlaub als Mehrurlaub den gesetzlichen Urlaubsanspruch übersteigt, kann er eine vom Gesetz abweichende Behandlung erfahren, was sowohl für die Entstehungsvoraussetzungen, für die Übertragung, des Verfalls oder seiner Abgeltung möglich ist61. Demgemäß musste die Klage der Klägerin abgewiesen werden, weil der übrig gebliebene tarifvertragliche Zusatzurlaub von zehn Arbeitstagen auch nach dem Vortrag der Klägerin am Ende des folgenden Kalenderjahres 2008 erloschen war. Zugleich konnte auch die Klage auf Gewährung von Urlaubsgeld keinen Erfolg haben, weil dieses auf der Grundlage des Tarifvertrages akzessorisch zur Urlaubsvergütung geschuldet wurde. Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen, weil sie nunmehr der Praxis eine sichere Ausgangsbasis verschafft, wenn dem Arbeitnehmer neben dem gesetzlichen Urlaub noch aus einer anderen Rechtsquelle darüber hinausgehende Urlaubsansprüche zustehen und der Urlaub vom Arbeitgeber zunächst nur teilweise erfüllt wird. (Boe) 61 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 760/10, NZA 2013, 104 Rz. 17 ff.; BAG v. 22.5.2012 - 9 AZR 618/10, NZA 2012, 987 Rz. 12; BAG v. 12.4.2011 - 9 AZR 80/10, NZA 2011, 1050 Rz. 23.

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Wegfall von Urlaubsansprüchen bei „Kurzarbeit Null“

10. Wegfall von Urlaubsansprüchen bei „Kurzarbeit Null“ Wie sich die wirksam eingeführte Kurzarbeit auf die Berechnung der Dauer des Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub auswirkt, kann zweifelhaft sein. Es bietet sich hier zunächst an, die Kurzarbeit ebenso zu behandeln wie den Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung, die sich auf weniger als fünf bzw. sechs Wochentage verteilt. Vom Prinzip her werden dabei die gleichen Grundsätze herangezogen, die bereits bei der Umrechnung des Urlaubs von der 6-Tage-Woche zur 5-Tage-Woche herangezogen worden sind. Der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von jährlich 24 Werktagen nach den §§ 1, 3 des BUrlG entspricht einem bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Es kommt danach darauf an, dass dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr ein vierwöchiger Erholungsurlaub zuteilwird oder anders ausgedrückt, dass er für die Dauer von vier Arbeitswochen seinen Urlaubsanspruch abwickeln kann. Arbeitet daher der Arbeitnehmer an fünf Tagen und nicht an sechs Tagen in der Woche, hat eine Umrechnung und entsprechende Anpassung der Urlaubstage von 24 Werktagen auf 20 Arbeitstage zu erfolgen62. Arbeitet der Arbeitnehmer bei normaler Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Wochentage nur an zwei Wochentagen, würde sein Jahresurlaub nur acht Arbeitstage (20:5 x 2 = 8) betragen. Diese Bewertung hat der Gesetzgeber selbst für die Berechnung des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen in § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX umgesetzt. Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr; verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Das BAG63 hat bislang diese Berechnungsweise angelegt, wenn sich im Verlauf eines Kalenderjahres die Verteilung der Arbeitszeit auf weniger oder auch auf mehr Arbeitstage einer Kalenderwoche verändert. Dann soll sich dementsprechend die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs unter Berücksichtigung der nunmehr für

62 BAG v. 8.9.1998 - 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156; BAG v. 27.1.1987 - 8 AZR 579/84, NZA 1987, 462. 63 BAG v. 28.4.1998 - 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

den Arbeitnehmer maßgeblichen Verteilung seiner Arbeitszeit verkürzen oder verlängern. Bei konsequenter Anwendung dieser Grundsätze müsste sich auch die Dauer des Urlaubs für die Phase von Kurzarbeit verändern, bei der die Arbeit auf weniger Arbeitstage als bei einer Vollzeitbeschäftigung verteilt ist64. Im Falle von „Kurzarbeit Null“, d. h. bei vollständigem Wegfall der Verpflichtung zur Arbeitsleistung an allen Tagen der Arbeitswoche, könnte kein Urlaubsanspruch zugunsten des Arbeitnehmers entstehen. Auf Vorlage des ArbG Passau vom 13.4.201165 hatte sich der EuGH in einer Entscheidung vom 8.11.201266 mit der Vorlagefrage zu beschäftigen, ob Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegenstehen, nach denen der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub pro rata temporis berechnet wird. Der Fall betraf einen Kläger, dessen Arbeitsverhältnis auf der Grundlage einer Sozialplanregelung für die Zeit vom 1.7.2009 bis zum 31.8.2010 als befristetes Arbeitsverhältnis fortgeführt wurde. In dieser gesamten Zeit befand er sich in „Kurzarbeit Null“ und bezog Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit, das die Beklagte an den Kläger auszahlte. Mit Ablauf des 31.8.2010 schied der Kläger gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die Parteien stritten nun darüber, welche Auswirkungen die Kurzarbeit auf die Entstehung eines Urlaubsanspruchs hatte und ob dem Kläger für das Jahr 2010 eine Abgeltung für 30 nicht gewährte Urlaubstage von der beklagten Arbeitgeberin zu gewähren war. Gemäß Art. 31 Abs. 2 CRC67 hat jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub. Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vom 18.11.2003 treffen die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatli-

64 So etwa ErfK/Gallner, BUrlG § 3 Rz. 23; Bonanni/Naumann, DStR 2009, 1374, 1376; a. A. Groeger, ArbRB 2010, 119 ff. m. w. N. 65 1 Ca 62/11, BB 2012, 1162. 66 C-229/11 und C-230/11, NZA 2012, 1273 – Heimann u. Toltschin; vgl. dazu auch Bayreuther, DB 2012, 2748; Powietzka/Christ, NZA 2013, 18; allgemein dazu Plüm, NZA 2013, 11 ff. 67 ABl. v. 30.3.2010, Nr. C 83/389.

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Wegfall von Urlaubsansprüchen bei „Kurzarbeit Null“

chen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. An diese Vorschriften anknüpfend konstatiert der EuGH zunächst, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung68 der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der jedem Arbeitnehmer gewährt wird, als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist. Dieser in Art. 31 Abs. 2 der Charta ausdrücklich verankerte Grundsatz hat gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV den gleichen rechtlichen Rang wie den Verträgen zuerkannt wird69. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub darf demgemäß nicht restriktiv ausgelegt werden70. In diesem Zusammenhang erinnert der EuGH daran, dass ein Mitgliedstaat den nach der Richtlinie 2003/88 allen Arbeitnehmern zustehenden Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht von der Voraussetzung abhängig machen kann, dass sie während des von diesem Staat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben71, und dass ein Arbeitnehmer, der wegen einer Erkrankung im Bezugszeitraum seiner Arbeit nicht nachkommen konnte, am Ende des Arbeitsverhältnisses eine finanzielle Abgeltung zu beanspruchen hat. Im Gegensatz dazu kann nach Auffassung des EuGH im Falle der Kurzarbeit, die für den Arbeitnehmer vorhersehbar ist, der Arbeitnehmer sich entweder ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen. Insofern unterscheidet er sich von einem Arbeitnehmer, der durch eine Erkrankung an seiner Arbeitsleistung gehindert ist. Der EuGH gelangt zu dem Ergebnis, dass die Lage eines wegen Kurzarbeit nicht beschäftigten Arbeitnehmers mit der eines Teilzeitbeschäftigten vergleichbar ist. Daraus folgt, dass Kurzarbeiter als vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer anzusehen sind. In diesem Zusammenhang verweist der EuGH auf sein Urteil vom 22.4.201072, wonach der Pro-rata-temporis-Grundsatz für die Beschäftigungsbedingungen von Teilzeitbeschäftigten gilt, wo dies angemessen ist. Der EuGH hat diesen Grundsatz auch auf die Gewährung des Jahresurlaubs für eine Zeit der Teilzeitbeschäftigung angewandt und die Minderung des Anspruchs auf Jahresurlaub für diese Zeit gegenüber dem bei Vollzeitbeschäftigung bestehenden Anspruch aus sachlichen Gründen gerechtfertigt angesehen. Unter Bezug-

68 EuGH v. 3.5.2012 - C-337/10, ZTR 2012, 365 Rz. 28 – Neidel; EuGH v. 20.1.2009 C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 ff. - Schultz-Hoff; EuGH v. 22.11.2011 - C214/10, NZA 2011, 1333 ff. – KHS. 69 EuGH v. 22.11.2011 - C-214/10, NZA 2011, 1333 ff. - KHS 70 EuGH v. 26.5.2011 - C-78/11, NZA 2012, 851 Rz. 18 - ANGED. 71 EuGH v. 20.1. 2009 - C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 ff. - Schultz-Hoff. 72 C-486/08, NZA 2010, 557 Rz. 4 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols.

103

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

nahme auf sein Urteil vom 22.4.201073 bestätigt der EuGH erneut, dass dieser Grundsatz allerdings nicht nachträglich auf einen Anspruch auf Jahresurlaub angewandt werden kann, der bereits in einer Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben wurde. Aus den vorstehenden Gründen hat der EuGH für Recht erkannt: Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten – wie etwa einem von einem Unternehmen und seinem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan –, nach denen der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub pro rata temporis berechnet wird, nicht entgegenstehen.

Die betriebliche Praxis wird sich auf diese Entscheidung des EuGH und die damit verbundene Differenzierung zwischen einem ruhenden Arbeitsverhältnis aus Gründen einer befristeten Erwerbsminderungsrente mit andauernder Arbeitsunfähigkeit und einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses, das dem Arbeitnehmer erlaubt, sich entweder auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen zu können, einzustellen haben. Dies gilt auch für die vom BAG74 angestellte Erwägung, dass auch in einem ruhenden Arbeitsverhältnis von einer Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs auszugehen sei, weil dieser nur vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhinge, wie auch aus den §§ 17 BEEG, 4 ArbPlSchG entnommen werden könne. Insofern kann diese Bewertung auch im Rahmen der blockweise abzuwickelnden Altersteilzeit von Bedeutung sein. (Boe)

11.

Urlaubsansprüche beim Wechsel in die Freistellungsphase der Altersteilzeit

Durch Altersteilzeitarbeit soll älteren Arbeitnehmern ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden. Unabhängig von der Frage der staatlichen Förderung und des Vorhandenseins der sonstigen Voraussetzungen, kann auf der Grundlage einer individualvertraglichen Vereinbarung Altersteilzeit im Blockmodell (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 ATG) vorgesehen werden, wonach im Anschluss an eine Vollzeitarbeit eine ebenso lange

73 C-486/08, NZA 2010, 557 Rz. 4 ff. - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols. 74 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 Rz. 14 ff.

104

Urlaubsansprüche beim Wechsel in die Freistellungsphase der Altersteilzeit

Ruhephase folgt, in welcher der Arbeitnehmer nicht mehr arbeitet, jedoch weiterhin das Arbeitsentgelt und den darauf entfallenden Aufstockungsbetrag erhält. Fraglich kann im Hinblick auf die Erteilung von Urlaub sein, wie verfahren werden muss, wenn zu Beginn der Freistellungsphase noch offene Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bestehen. Bereits in einer Entscheidung vom 15.3.2005 ist der 9. Senat des BAG75 davon ausgegangen, dass der Übergang von der Arbeitsphase in die Freistellungsphase keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 7 Abs. 4 BUrlG bedeutet, so dass bei deren Beginn vom Arbeitnehmer keine Urlaubsabgeltung beansprucht werden kann. Zu diesem Zeitpunkt noch offene Urlaubsansprüche können daher nur dann abzugelten sein, wenn sie zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehen. In diesem Zusammenhang hat das BAG auch eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 4 BUrlG abgelehnt. Für diese Aussage war maßgebend, dass das BUrlG die allgemein für alle Arbeitsverhältnisse geltenden Urlaubsbestimmungen enthält und hiervon abweichende Regelungen in Spezialgesetzen enthalten sind, wie dies etwa für den Urlaub im Zusammenhang mit Elternzeit in § 17 BEEG, den Urlaub der Wehrdienstleistenden in § 4 ArbPlSchG, den Urlaub für Jugendliche in § 19 JArbSchG sowie für den Urlaubsanspruch der schwerbehinderten Menschen in § 125 SGB IX der Fall ist. Dem gegenüber habe der Gesetzgeber das im Blockmodell der Altersteilzeitarbeit vergleichbare Problem der Urlaubsgewährung weder im Sinne einer Verlängerung der Übertragungsdauer noch einer Abgeltung bereits bei Ende der Arbeitsphase im ATG geregelt. Der Gesetzgeber habe es für diese Arbeitnehmer augenscheinlich bei den gesetzlichen Regelungen des BUrlG und damit auch bei § 7 Abs. 4 BUrlG belassen wollen. Soweit ein Tarifvertrag keine davon abweichenden Regelungen beinhaltet, gelten diese Erwägungen auch für den tariflichen Anspruch auf Urlaub. In einer Entscheidung vom 16.10.2012 war der 9. Senat des BAG76 erneut mit der Frage befasst, wie mit Urlaubsansprüchen bei einem Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase umzugehen ist, die in der Arbeitsphase nicht vollständig erteilt worden sind. Mit dem schwerbehinderten Kläger war Altersteilzeit im Blockmodell vom 1.5.2005 bis zum 30.4.2010 vereinbart. Die Arbeitsphase währte bis zum 31.10.2007. Ab 1.11.2007 begann die Freistellungsphase. Aus dem Jahre 2007 standen dem Kläger noch neun Urlaubstage zu. Auf der Grundlage des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags in der Eisen- und Stahlindustrie NRW standen dem Kläger 30 75 9 AZR 143/04, NZA 2005, 994 ff. 76 9 AZR 234/11 n. v.

105

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr zu. Im ebenfalls anwendbaren Tarifvertrag über Altersteilzeit war vorgesehen, dass Urlaubsansprüche in der Freistellungsphase mit der Freistellung als erfüllt gelten. Vertraglich hatten die Parteien vereinbart, dass im Jahr des Wechsels von der Arbeits- in die Freistellungsphase der Urlaubsanspruch anteilig besteht. Ab Mitte August 2007 war der Kläger bis über den 31.10.2007 hinaus arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 8.8.2009 forderte er von der Beklagten die Abgeltung von neun Urlaubstagen. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf den einschlägigen Tarifvertrag ab, der vorsah, dass ein wegen Krankheit nicht genommener Urlaub zwölf Monate nach Ablauf des dreimonatigen Übertragungszeitraums erlischt. Während die Vorinstanzen der entsprechenden Zahlungsklage des Klägers auf Urlaubsabgeltung entsprochen haben, hat das BAG die Klage abgewiesen. Zunächst bestätigt das BAG seine frühere Rechtsprechung, dass sich ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG i. V. m. § 3 BUrlG herleiten lässt. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung nur bei rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die bei einer Altersteilzeit im Blockmodell nicht schon mit dem Eintritt in die Freistellungsphase vorliegt. Im Übrigen war im Streitfall davon auszugehen, dass die Beklagte mit der Urlaubserteilung im Jahre 2007 den gesetzlich bestehenden Urlaubsanspruch erfüllt hatte. Dabei geht der das BAG von der bereits im Urteil vom 7.8.201277 vertretenen Auffassung aus, dass der Arbeitgeber mit der Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung grundsätzlich auch ohne ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung gleichzeitig den gesetzlichen und tarifvertraglichen Urlaubsanspruch vollständig oder teilweise zum Erlöschen bringt, soweit sie sich decken. Mit dieser Maßgabe hatte der Arbeitgeber nach Ansicht des BAG zugleich im Umfange der im Kalenderjahr 2007 dem Arbeitnehmer gewährten 21 Urlaubstage den gesetzlichen und tariflichen Urlaubsanspruch erfüllt. Der Kläger hatte im Kalenderjahr 2007 von der Beklagten bis zum Beginn der Freistellungsphase keinen weiteren Urlaub verlangt. Das BAG verneint auch unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung78 eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 4 BUrlG, wenn der Arbeitnehmer von der Arbeitsphase in die Freistellungsphase wechselt.

77 9 AZR 760/10, NZA 2013, 104 Rz. 11 ff., 17. 78 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 143/04, NZA 2005, 994 ff.

106

Urlaubsansprüche beim Wechsel in die Freistellungsphase der Altersteilzeit

Schließlich geht das BAG davon aus, dass dem Kläger auch mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 30.4.2010 kein Anspruch auf Abgeltung für neun Tage tariflichen Mehrurlaub zugestanden habe. Dabei unterstellt das BAG zu Gunsten des Klägers, dass seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses angedauert hat. Soweit der tarifvertragliche Mehrurlaub in Rede steht, können die Tarifvertragsparteien Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln79, so dass der vom Kläger geltend gemachte tarifliche Zusatzurlaub von neun Tagen im Streitfall mit dem 31.12.2009 erloschen war. Demgemäß konnte er bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr abgegolten werden. Selbst wenn es sich noch um einen gesetzlichen Resturlaub gehandelt hätte, wäre dieser im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 22.11.201180 mit dem 31.3.2010 ebenfalls untergegangen und damit einer Abgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.4.2010 entzogen gewesen. Diese Entscheidung des BAG bewegt sich im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung der Behandlung von nicht erfüllten Urlaubsansprüchen aus der Arbeitsphase während der Freistellungsphase im Zusammenhang mit der Altersteilzeit. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die von den Parteien des Altersteilzeitarbeitsvertrags vorgenommene Zwölftelung des Urlaubsanspruchs, soweit diese hinter der gesetzlichen Regelung zurückbleibt, nach § 13 BUrlG der Wirksamkeit entbehrt. Der gesetzliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers, der nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, kann danach nicht ausgeschlossen oder gemindert werden, so dass eine Zwölftelung des Urlaubsanspruchs unzulässig ist. Dies gilt gleichermaßen für eine entsprechende tarifliche Regelung81. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der während der Freistellungsphase entstehende Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers verbraucht wird. Aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 geht hervor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den ein79 EuGH v. 3.5.2012 - C-337/10, ZTR 2012, 365 ff. – Neidel. 80 C-214/10, NZA 2011, 1333 ff. – KHS. 81 BAG v. 24.10.2000 - 9 AZR 610/99, NZA 2001, 663 Rz. 24 ff.; BAG v. 20.1.2009 - 9 AZR 650/07 n. v. (Rz. 21).

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

zelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Zudem wird dieser Grundsatz durch Art. 31 Abs. 2 der Charta i. V. m. Art. 6 Abs. 1 EUV zum Primärrecht der EU erhoben. Mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird bezweckt, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen82. Diesen Gedanken der Entspannung und Freizeit betont der EuGH83 in der Kurzarbeiterentscheidung, um zu verdeutlichen, dass die Arbeitnehmer während der „Kurzarbeit Null“ nicht gehindert sind, sich entweder auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen. Weitere Voraussetzung ist aber stets, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs weiter zu gewähren ist, d. h. der Arbeitnehmer für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten muss. Der Arbeitnehmer soll – wie es der EuGH84 ausdrückt – während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt zu werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. Diese beiden Aspekte treffen auf die Freistellungsphase der Altersteilzeit zu, weil der Arbeitnehmer in dieser Phase Freizeittätigkeiten nachgehen oder sich ausruhen kann und zugleich das bisherige Arbeitsentgelt weiterhin bezieht. Dieser Gesichtspunkt ist auch entscheidend bei der „ Kurzarbeit Null“, weil hier an die Stelle des Arbeitsentgelts die Zahlung des Kurzarbeitergeldes tritt. Insoweit ist die Situation im Falle der Erkrankung des Arbeitnehmers eine andere. Unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer während dieser Phase Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle oder Krankengeld mit oder ohne Zuschusszahlung des Arbeitgebers erhält, ist der Krankheitsurlaub darauf angelegt, dass der Arbeitnehmer von einer Krankheit genesen kann85. (Boe)

12. Vereinbarung über Ausschluss einer Abgeltung von Mehrurlaub Nach Maßgabe von § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht der Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub abzugelten, nur bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zu diesem Zeitpunkt wird der

82 EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06, NZA 2009, 135 Rz. 25 - Schultz-Hoff. 83 v. 8.11.2012 – C-229/11 und C-230/11, NZA 2012, 1273 Rz. 28 ff. - Heimann und Toltschin. 84 EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06, NZA 2009, 135 Rz. 29 ff. - Schultz-Hoff. 85 So ausdrücklich EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06, NZA 2009, 135 Rz. 25 - SchultzHoff.

108

Vereinbarung über Ausschluss einer Abgeltung von Mehrurlaub

Anspruch auch fällig86. Dies gilt seit der Entscheidung des EuGH vom 20.1.200987 auch dann, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist88. In einer Entscheidung des BAG vom 13.11.201289 ging es darum, ob und inwieweit durch Tarifvertrag in zulässiger Weise geregelt werden darf, das nicht erfüllbar Urlaubsansprüche nicht abzugelten sind. Im einschlägigen Tarifvertrag (MTV Chemie) hieß es wie folgt: Soweit jedoch bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt ist, ist der abzugelten. Nicht erfüllbare Urlaubsansprüche sind nicht abzugelten.

Der Kläger stand bis zum 30.6.2008 als Werkfeuerwehrmann in den Diensten der Beklagten. Er war im Zeitraum vom 31.7.2007 bis mindestens 31.3.2009 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger von der Beklagten eine Abgeltung für 13 gesetzliche Urlaubstage aus den Jahren 2007 und 2008. Der Kläger war der Auffassung, die Beklagte müsse ihm auch den tariflichen Mehrurlaub aus den Jahren 2007 und 2008 im Umfang von 20 weiteren Arbeitstagen abgelten. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ging auch das BAG davon aus, dass die tarifvertragliche Regelung eine vom Gesetz (§ 7 Abs. 4 BUrlG) abweichende und eigenständige Abgeltungsregelung beinhaltet. Der tarifvertragliche Mehrurlaub, der den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigt, kann von den Tarifvertragsparteien frei geregelt werden90. Angesichts dessen war die tarifvertragliche Regelung, wonach der tarifliche Mehrurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur dann abzugelten ist, wenn er erfüllbar war, rechtlich nicht zu beanstanden. Diese tarifvertragliche Vorgabe knüpft an die bisherige Surrogatstheorie des BAG an, die davon ausging, dass dem Arbeitnehmer bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit kein Urlaubsabgeltungsanspruch zu gewähren war, wenn der Urlaub in natura wegen der Krankheit nicht erfüllbar gewesen wäre. Dabei war das BAG von der Erwägung ausgegangen, 86 BAG v. 21.2.2012 – 9 AZR 486/10, DB 2012, 1388; BAG v. 11.10.2010 - 9 AZN 418/10, AP ArbGG 1979 § 72 a Nr. 75. 87 C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 - Schultz-Hoff. 88 BAG v. 9.8.2011 - 9 AZR 352/10 n. v. (Rz. 26). 89 9 AZR 64/11 n. v. (Rz. 10 f.). 90 EuGH v. 3.5.2012 - C-337/10, ZTR 2012, 365 ff. – Neidel; BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 618/10, NZA 2012, 987.

109

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

dass Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, in urlaubsrechtlicher Hinsicht nicht besser gestellt werden dürfen als Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis fortbesteht91. Mit dieser Vorgehensweise weichen die Tarifvertragsparteien deutlich von dem durch die Rechtsprechung des EuGH veranlassten jetzigen Verständnis des § 7 Abs. 4 BUrlG ab, so dass von einer eigenständigen Regelung des Tarifvertrags auszugehen ist. Eine weitere Abweichung vom Gesetz sieht das BAG zurecht darin, dass anders als die Surrogatstheorie in zeitlicher Hinsicht nicht auf das Urlaubsjahr einschließlich des Übertragungszeitraums abgestellt wird, vielmehr allein auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. In Anbetracht dessen konnte die Klage des Arbeitnehmers auf Abgeltung seines Urlaubs keinen Erfolg haben, weil er bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.6.2008 noch für längere Zeit arbeitsunfähig krank war und deshalb der Urlaubsanspruch von der Beklagten nicht hätte erfüllt werden können. Schließlich thematisiert das BAG92, dass die hier herangezogene tarifvertragliche Regelung ohne Differenzierung zugleich den unionsrechtlich wie innerstaatlich verbürgten Mindesturlaub betrifft (§ 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG) und insoweit unwirksam ist. Gleichwohl bleibt die tarifvertragliche Regelung gemäß § 139 BGB, den übergesetzlichen Mehrurlaub betreffend, wirksam93. Auch mit dieser Entscheidung des BAG wird für die betriebliche Praxis verdeutlicht, welche Entscheidungsspielräume den Tarifvertragsparteien im Hinblick auf den übergesetzlichen Urlaub zustehen. Allerdings bedarf es stets einer eingehenden Prüfung, ob der Tarifvertrag eine vom BUrlG abweichende Regelung aufweist, die ein vom gesetzlichen Urlaub abweichendes rechtliches Schicksal haben soll. Vergleichbare Spielräume stehen auch den Arbeitsvertragsparteien zu, wenn es um den übergesetzlichen Urlaub geht. Aus Gründen der AGB-Kontrolle muss allerdings in diesem Falle das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) beachtet werden. (Boe)

13. Untergang des Urlaubsanspruchs nach Ablauf der 15-Monats-Frist Unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH in den beiden Entscheidungen vom 22.11.201194 und vom 24.1.201295 sowie des BAG vom 91 92 93 94

BAG v. 13.11.2012 – 9 AZR 64/11 n. v. (Rz. 10 f.). v. 13.11.2012 – 9 AZR 64/11, BB 2013, 308. Dazu BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 575/10, NZA-RR 2013, 48 Rz. 17. C-214/10, NZA 2011, 1333 Rz. 38 – KHS.

110

Untergang des Urlaubsanspruchs nach Ablauf der 15-Monats-Frist

7.8.201296, über die wir berichteten97, hat das BAG in seinem Urteil vom 16.10.201298 noch einmal bestätigt, dass der Urlaubsanspruch auch bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres erlischt. Eine weitergehende Einschränkung von § 7 Abs. 3 BUrlG sei auch aus unionsrechtlichen Überlegungen heraus nicht geboten. In dem hier in Rede stehenden Fall war der Kläger vom 28.10.2004 bis zum 28.2.2009 durchgehend arbeitsunfähig krank. Nachdem das Arbeitsverhältnis am 28.2.2009 geendet hatte, macht er gegenüber der Beklagten die Abgeltung offener Urlaubsansprüche aus den Jahren 2004 bis 2006 geltend. Die Beklagte zahlte ihm Urlaubsabgeltung für den Urlaub ab dem Jahr 2006. Weitergehende Zahlungen lehnte sie mit der Begründung ab, dass der vorangehende Urlaub inzwischen verfallen sei. Demzufolge sei auch eine Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ausgeschlossen. Mit überzeugender Begründung hat das BAG diese Sichtweise bestätigt. Zwar sei § 7 Abs. 3 BUrlG mit Blick auf Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht erlösche, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkranke und deshalb arbeitsunfähig sei99. Die unionsrechtskonforme Auslegung habe jedoch nur zur Folge, dass der aufrecht erhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzutrete und damit erneut dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG unterfalle. Bestehe die Arbeitsunfähigkeit auch am 31.3. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so gebiete auch das Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs. Der zunächst aufrecht erhaltene Urlaubsanspruch erlösche damit mit Ablauf des 15-Monats-Zeitraums100. Dies folgt dann unmittelbar aus § 7 Abs. 3 BUrlG. Da sich das vorstehend wiedergegebene Ergebnis bereits im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung der bestehenden gesetzlichen Regelungen ergebe, liege darin auch keine Missachtung des Prinzips der Gewaltenteilung. Vielmehr setze die Rechtsprechung unter Berücksichtigung unions-

95 C-282/10, NZA 2012, 139 ff. - Dominguez. 96 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 ff. 97 Boewer, AktuellAR 2012, 96 ff., 376 ff. 98 9 AZR 63/11 n. v. 99 So bereits BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 Rz. 47 ff. 100 BAG v. 16.10.2012 – 9 AZR 63/11 n. v. (Rz. 9); EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2011, 1333 Rz. 38 - KHS.

111

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

rechtlicher Vorgaben den gesetzgeberischen Willen, den Urlaub eng an das Urlaubsjahr zu binden, schlicht um101. Darüber hinaus liege in der Rechtsprechung auch kein Verstoß gegen Art. 31 Abs. 2 GRC. Danach hat jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie – was hier maßgeblich ist – auch bezahlten Jahresurlaub. Da die unionsrechtlichen Vorgaben zur Gewährleistung eines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub im Wege der vorstehend wiedergegebenen, unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung von § 7 Abs. 3, 4 BUrlG durchgesetzt werden, ist ein Verzicht auf die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 3, 4 BUrlG nicht geboten. Der EuGH habe – so das BAG – vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Frage, ob eine nationale Bestimmung wegen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unangewendet bleiben müsste, nur stelle, wenn keine unionsrechtskonforme Auslegung dieser Bestimmung möglich sei102. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. (Ga)

101 BAG v. 16.10.2012 – 9 AZR 63/11 n. v. (Rz. 11); BAG v. 18.10.2011 – 9 AZR 303/10, NZA 2012, 143 Rz. 23. 102 EuGH v. 24.1.2012 – C-282/10, NZA 2012, 139 Rz. 23 – Dominguez; BAG v. 16.10.2012 – 9 AZR 63/11 n. v. (Rz. 12).

112

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung

Selbstverständlich hat ein Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, wenn die darin enthaltene Sachverhaltsdarstellung inhaltlich unbestimmt, in wesentlichen Punkten unvollständig oder unrichtig ist und/oder auf einer unzutreffenden Bewertung der Rechtspflichten bzw. des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt1. In jedem Fall folgt ein solcher Anspruch bereits aus der darin liegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, 2 GG i. V. m. §§ 242, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei einer unrichtigen Abmahnung kann der Anspruch alternativ auch aus § 35 Abs. 1 S. 1 BDSG gerechtfertigt werden, ausgehend davon, dass die Personalakte als strukturierte Sammlung personenbezogener Daten zu qualifizieren ist (§ 3 Abs. 2 S. 2 BDSG). Deutlich schwieriger ist die Frage zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer die Entfernung einer zu Recht ausgesprochenen Abmahnung aus der Personalakte verlangen kann. Zum Teil wurden hier starre Fristen angesetzt2. Zur Begründung wird auf den Wegfall der Warnfunktion, der durch Zeitablauf eintrete, hingewiesen. Von einem anderen Teil der Literatur wird ohne Rücksicht auf eine starre Zeitgrenze einzelfallbezogen darauf abgestellt, wann eine bereits ausgesprochene Abmahnung keine Warnfunktion mehr entfalten kann3. Ein wiederum anderer Teil der Literatur hält den Arbeitgeber hingegen für berechtigt, eine Abmahnung unbefristet in der Personalakte aufzubewahren. Dies folge bereits aus der Notwendigkeit, für den Fall einer Kündigung im

1 2 3

BAG v. 30.5.1996 – 6 AZR 537/95, NZA 1997, 145 Rz. 24: Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn (…) der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wird. Vgl. Conze, DB 1987, 889 ff. (3 Jahre); LAG Hamm v. 14.5.1986 – 2 Sa 320/86, NZA 1987, 26 f. (2 Jahre), Herget, FS Gaul S. 256 ff. (3 Jahre). So Rechtsprechung des BAG, bestätigt durch BVerfG v. 16.10.1998 – 1 BvR 1685/92, NZA 1999, 77 ff.; ständige Rechtsprechung des BAG seit 18.11.1986 – 7 AZR 674/84, NZA 1987, 418 f; Wetzling/Habel, BB 2011, 1077 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Rahmen der Interessenabwägung frühere Beanstandungen unter Bezugnahme auf die Abmahnung aufzeigen zu können4. Hintergrund der zunehmenden Diskussion über die Berechtigung zur Aufbewahrung solcher Abmahnungen ist vor allem der Umstand, dass das BAG mit seinen Feststellungen in der Emmely-Entscheidung vom 10.6.20105 noch einmal den Blick auf die Bedeutung des Ultima-ratio-Grundsatzes und der negativen Zukunftsprognose im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung geschärft hat. Danach ist eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur dann als Ultima-ratio zulässig, wenn es auf der Grundlage einer an Tatsachen ausgerichteten Prognose des Arbeitgebers kein milderes und gleichzeitig geeignetes Mittel gibt, eine erneute Störung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft zu beseitigen. Dieser Grundsatz gilt ohne Rücksicht darauf, ob eine bereits eingetretene Pflichtverletzung den Leistungs- und/oder den Vertrauensbereich betrifft. In allen Fällen muss geprüft werden, ob der Arbeitgeber eine Wiederholung dieses Fehlverhaltens in der Zukunft nicht doch noch durch eine Abmahnung verhindern könnte. Von der Möglichkeit einer Störungsvermeidung durch eine Abmahnung geht das BAG im Grundsatz immer dann aus, wenn der Arbeitnehmer nicht bereits wegen einer gleichartigen Pflichtverletzung abgemahnt worden ist. Jedenfalls dann, wenn das Arbeitsverhältnis über einen sehr langen Zeitraum beanstandungsfrei durchgeführt werden konnte, muss eine solche Prüfung sogar dann durchgeführt werden, wenn eine schwere Pflichtverletzung mit Auswirkungen im Vertrauensbereich in Rede steht. Ausgehend davon, dass sich die Beanstandungsfreiheit eines Arbeitsverhältnisses im Wesentlichen auch aus dem Fehlen einer Abmahnung ergeben kann, legt bereits diese Akzentuierung der Rechtsprechung nahe, dass Abmahnungen auch nach Ablauf der für die Wirkungsweise der Warnfunktion maßgeblichen Zeitspanne noch der Personalakte aufbewahrt werden können. Dies hat jetzt auch das BAG in seinem Urteil vom 19.7.20126 deutlich gemacht. In dem zugrunde liegenden Fall war der Klägerin mit Schreiben vom 16.4.2008 eine Abmahnung ausgesprochen worden. Damit beanstandete der Arbeitgeber, dass der Klägerin ein Kassenbuch in einer Zeit abhandengekommen war, zu der sie als Haushaltssachbearbeiterin für die Verwaltung 4 5 6

So Schrader/Dohnke, NZA 2012, 617 ff., 620; Schrader, NZA 2011, 180 ff.; Ritter, DB 2011, 175, 176, Kleinebrink, BB 2011, 2617, 2622; ErfK/Müller-Glöge, BGB § 626 Rz. 29 a, 35; APS/Dörner/Vossen, KSchG § 1 Rz. 424. 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 ff. Rz. 36. 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91 Rz. 17 ff.

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Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung

der Zahlstelle verantwortlich gewesen war. Sie habe dadurch – so die Abmahnung – gegen ihre Pflicht zur sorgfältigen Führung der Zahlstelle verstoßen. Zudem habe sie im Rahmen eines vorangehenden Gesprächs zur Aufklärung des Verbleibs des Kassenbuches den Eindruck erweckt, dass die Verantwortung für die nicht ordnungsgemäße Führung der Zahlstelle und das Abhandenkommen des Kassenbuchs ihre Vertreterin träfen. Dieser waren einige Monate vor dem Gespräch die Leitung der Zahlstelle übertragen worden. Entgegen der Auffassungen der Vorinstanzen hat der 2. Senat des BAG einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen abgelehnt. Es hat den Rechtsstreit allerdings zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen. In den weitergehenden Feststellungen hat das BAG zunächst einmal deutlich gemacht, dass Personalakten eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen sind, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters beträfen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Sie sollen – so das BAG – ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über dieses Verhältnis vermitteln. Ein Arbeitnehmer könne deshalb nur in Ausnahmefällen die Entfernung auch solcher Aktenvorgänge verlangen, die auf einer richtigen Sachverhaltsdarstellung beruhten. Ein solcher Fall liege vor, wenn eine Interessenabwägung im Einzelfall ergebe, dass die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte, obwohl der beurkundete Vorgang für das Arbeitsverhältnis rechtlich bedeutungslos geworden sei7. Dieser Auffassung des BAG ist ohne weiteres zuzustimmen. Ohne Rückgriff auf die §§ 242, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB folgt dieser Grundsatz letztendlich auch aus § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 BDSG. Danach sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn sie für eigene Zwecke verarbeitet werden, sobald ihre Kenntnis für die Erfüllung des Zwecks der Speicherung nicht mehr erforderlich ist. Im Gegensatz zu der durch das BAG vorgenommenen Bewertung bewirkt der datenschutzrechtliche Ansatz allerdings, dass den Arbeitgeber von sich aus die Verpflichtung trifft, bei Wegfall der Voraussetzungen für eine Speicherung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten eigeninitiativ die Löschung vorzunehmen.

7

BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91 Rz. 18; BAG v. 30.5.1996 – 6 AZR 537/95, NZA 1997, 233 Rz. 24.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Hiervon ausgehend hat es der 2. Senat des BAG im Urteil vom 19.7.20128 abgelehnt, bereits den Wegfall der Warnfunktion zum Anlass zu nehmen, einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte anzuerkennen. Richtig sei zwar, dass eine Abmahnung nach längerem einwandfreiem Verhalten des Arbeitnehmers ihre Wirkung verlieren könne. So könne es nach einer längeren Zeit einwandfreier Führung einer erneuten Abmahnung bedürfen, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung wegen einer erneuten gleichartigen Pflichtverletzung gerechtfertigt wäre9. Mit einer Abmahnung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer als seinen Schuldner allerdings auch auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Voraussetzung für einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte bzw. einer datenschutzrechtliche Verpflichtung zur Löschung ist deshalb, dass der Arbeitgeber auch kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung besitzt10. Überzeugend stellt das BAG deshalb auch klar, dass der Arbeitnehmer die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen könne, wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses „unter keinem rechtlichen Aspekt“ mehr eine Rolle spielen könne. Das durch die Abmahnung gerügte Verhalten müsse für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos gewesen sein. Dies sei nicht der Fall, solange eine zu Recht erteilte Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung oder Beförderung und die entsprechende Eignung des Arbeitnehmers, für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis oder für die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung von Bedeutung sein könne. Darüber hinaus könne es im berechtigten Interesse des Arbeitgebers liegen, die Erteilung einer Rüge im Sinne einer Klarstellung der arbeitsvertraglichen Pflichten weiterhin dokumentieren zu können11. Hiervon wird man insbesondere dann ausgehen können, wenn im Vorfeld der Abmahnung Streit zwischen den Parteien bestand, welche Pflichten dem Arbeitnehmer obliegen. Diesen Überlegungen zu einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an einer Aufbewahrung der Abmahnung in der Personalakte hatte das LAG

8 9 10 11

2 AZR 782/11, NZA 2013, 91 Rz. 20. Ebenso BAG v. 18.11.1986 – 7 AZR 674/84, NZA 1987, 418 f. Vgl. v. Hoyningen-Huene, RdA 1990, 193 ff. BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91 Rz. 21.

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Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung

Thüringen in seiner vorangehenden Entscheidung nicht ausreichend Rechnung getragen. Auch wenn – so das BAG – diese Grundsätze einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung nicht generell ausschließen, muss auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden. So könne ein hinreichend lange zurückliegender, nicht schwerwiegender und durch beanstandungsfreies Verhalten faktisch überholter Pflichtenverstoß seine Bedeutung für eine später erforderlich werdende Interessenabwägung gänzlich verlieren. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Vertrauensbereich werde dem gegenüber eine erhebliche Zeit von Bedeutung sein12. Abschließend stellt der 2. Senat des BAG in seinem Urteil vom 19.7.201213 klar, dass es ebenso wenig wie für das Fortbestehen der Warnfunktion einer Abmahnung eine fest bemessene Frist für die Dauer gebe, für welche ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an ihrem Verbleib in der Personalakte des Arbeitnehmers anzuerkennen sei. Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwere des gerügten Fehlverhaltens. Je schwerer eine Pflichtverletzung wiege, desto länger könne sie für die Beurteilung der Führung, der Leistungen und der Fähigkeiten des Arbeitnehmers und ggf. für seine Vertrauenswürdigkeit von Bedeutung sein. Ein auf nur geringer Nachlässigkeit beruhender Ordnungsverstoß könne seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis deutlich eher verlieren als ein Fehlverhalten, welches geeignet sei, das Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers erheblich zu beeinträchtigen. Auch eine schwere Pflichtverletzung im Leistungsbereich werde ein Interesse des Arbeitgebers an einem Verbleib der Abmahnung in der Personalakte angesichts der Möglichkeit, die Qualität der Arbeitsleistung und die Befähigung des Arbeitnehmers für höherwertige oder andere Tätigkeiten beurteilen zu müssen, für längere Zeit begründen können. Diesen Feststellungen ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie dürften auch der datenschutzrechtlichen Vorgabe aus § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 BDSG entsprechen, tragen sie doch auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Bezug auf die Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten im Arbeitsverhältnis Rechnung. Dieser wird insbesondere in den §§ 3 a S. 1, 32 Abs. 1 S. 1 BDSG festgelegt. (Ga)

12 BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91 Rz. 32. 13 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91 Rz. 35.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

2.

Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen

Wir haben uns zuletzt im Herbst mit der praktischen Abwicklung einer Massenentlassung befasst14. Anlass hierfür waren die Urteile des BAG vom 28.6.201215 und vom 20.9.201216, die jetzt beide in vollständiger Ausfertigung vorliegen. Schon dies macht es erforderlich, noch einmal vertieft die Fragen der Zuständigkeit des Betriebsrats, Formerfordernisse der Unterrichtung sowie die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern zu behandeln. Nachdem die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung von Schwellenwerten bislang vor allem im Betriebsverfassungsrecht Bedeutung besaß17, ist mit der Einbindung der Leiharbeitnehmer in die Berechnung der Schwellenwerte nach § 23 KSchG durch das Urteil des BAG vom 30.1.201318, über das wir an anderer Stelle berichten19, die Diskussion auch in Bezug auf § 17 KSchG eröffnet.

a)

Zuständiger Betriebsrat

§ 17 Abs. 2 KSchG spricht abstrakt-generell nur von der Notwendigkeit einer Beteiligung des Betriebsrats. Gesamt- oder Konzernbetriebsrat werden im Gesetz ebenso wenig wie Arbeitnehmervertreter genannt, die auf der Grundlage von § 3 BetrVG geschaffen wurden. Ausgehend davon, dass die Beteiligung des falschen Betriebsrats einer fehlenden Beteiligung gleichgesetzt werden muss, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen dürfte, ist es für die Praxis überaus wichtig, dass der 6. Senat des BAG im Urteil vom 20.9.201220 hierzu noch einmal klarstellende Feststellungen getroffen hat. aa)

Abgrenzung zwischen Betriebsrat, Gesamt- und Konzernbetriebsrat

In der betrieblichen Praxis stellt man bei den Gesprächen mit den zuständigen Agenturen für Arbeit immer wieder fest, dass dort von einer generellen Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte ausgegangen wird. Diese Bewertung ist unzutreffend. Vielmehr bestimmt sich die Zuständigkeit der Be-

14 15 16 17 18 19 20

B. Gaul, AktuellAR 2012, 403 ff. 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 ff. 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2012, 217, 472 ff. m. w. N. 2 AZR 140/12 n. v. B. Gaul, AktuellAR 2013, 132 ff. 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 ff.

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Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen

triebsratsbeteiligung nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG nach den allgemeinen Grundsätzen, wie sie im Betriebsverfassungsrecht in Bezug auf Betriebsrat, Gesamt- und Konzernbetriebsrat entwickelt wurden21. Hiervon geht offenbar auch der Gesetzgeber aus. Dies zeigen die in § 125 Abs. 2 InsO, § 1 Abs. 5 S. 4 KSchG getroffenen Regelungen zu der Wirkungsweise einer Namensliste im Interessenausgleich. Denn in solchen Fällen, in denen die Arbeitnehmer, denen aufgrund einer Betriebsänderung gekündigt werden soll, im Interessenausgleich namentlich bezeichnet sind, ersetzt der Interessenausgleich die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG. Da der insoweit in Rede stehende Interessenausgleich mit dem nach den Regelungen des BetrVG – insbesondere den §§ 50, 58 BetrVG – zuständigen Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat verhandelt und abschlossen werden muss, ist dieser offenkundig auch derjenige, dessen Stellungnahme der Agentur für Arbeit nach Abschluss der Konsultationen zugeleitet werden muss. Da Grundlage dieser Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG die Unterrichtung und Beratung nach § 17 Abs. 2 KSchG ist, folgen für diese Beteiligung die gleichen Grundsätze. Grundsätzlich ist damit zwar der örtliche Betriebsrat für die Beteiligung nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG zuständig. Wenn ein geplanter Personalabbau allerdings auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt wird und mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen sind, ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig für den Abschluss eines betriebsübergreifenden Interessenausgleichs22. Daraus folgt die gleichzeitige Zuständigkeit für die Beteiligung nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG23. Denn es kann nur auf überbetrieblicher Ebene geklärt werden, welche Arbeitnehmer gekündigt und welche Arbeitnehmer in welchem Betrieb weiterbeschäftigt werden. Das Ergebnis dieser Konsultationen mit dem Gesamtbetriebsrat ist sodann auch der Agentur für Arbeit mitzuteilen. Eine Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte zu einem Vorgang, an deren Beratung sie nicht beteiligt waren, scheidet aus24. Entsprechendes gilt dann, wenn ein geplanter Personalabbau auf der Grundlage eines unternehmensübergreifenden Konzepts durchgeführt wird und mehrere Unternehmen mit ihren Betrieben von der Betriebsänderung betrof21 BAG v. 7.7.2011 – 6 AZR 248/10, NZA 2011, 1108 ff.; HWK/Molkenbur, KSchG § 17 Rz. 18; APS/Moll, KSchG § 17 Rz. 74 c. 22 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 37. 23 Grau/Sittard, BB 2011, 1845 ff. 24 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 37; BAG v. 7.7.2011 – 6 AZR 248/10, NZA 2011, 1108 Rz. 24 f.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

fen sind. In diesem Fall liegt eine originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats nach § 58 Abs. 1 BetrVG vor, die §§ 111, 112 BetrVG – soweit der Interessenausgleich betroffen ist – ebenso wie den § 17 Abs. 2 KSchG betrifft. Denkbar ist allerdings, dass mit Blick auf den Sozialplan eine hiervon abweichende Zuständigkeit der Gesamtbetriebsräte bzw. der örtlichen Betriebsräte gegeben ist. Denn Interessenausgleich und Sozialplan fallen nicht notwendigerweise in die Zuständigkeit des gleichen Betriebsrats25. Wenn eine originäre Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats gegeben ist, scheidet eine „Rückdelegation“ an den Gesamtbetriebsrat bzw. die örtlichen Betriebsräte aus26. Denkbar ist allein, dass bei einer originären Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte bzw. des Gesamtbetriebsrats eine Delegation an den Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat gemäß der §§ 50 Abs. 2, 58 Abs. 2 BetrVG vorgenommen wird. In diesem Fall erfolgt die Erklärung gegenüber der Agentur für Arbeit allerdings jeweils für die an sich originär zuständigen Betriebsräte bzw. den Gesamtbetriebsrat. Es empfiehlt sich, dies in den Erklärungen der Arbeitnehmervertreter auch erkennbar zu machen. Zur Begründung dieser ggf. übergreifenden Zuständigkeit verweist das BAG in seinem Urteil vom 20.9.201227 zu Recht auch auf den Zweck von § 17 KSchG. Die Agentur für Arbeit solle rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen sorgen können. Dazu sei den Arbeitnehmern durch Art. 2 Richtlinie 98/59/EG und der Umsetzung dieser Bestimmung in nationales Recht durch § 17 KSchG ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation eingeräumt28. Dieser Zweck erfordere es nicht, dass nur ein örtlicher Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung verstanden werde und daher nur ein mit diesem abgeschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG ersetze. Erforderliche Kenntnisse des Gesamtbetriebsrats über die betrieblichen und regionalen Verhältnisse seien dadurch gewährleistet, dass jeder örtliche Betriebsrat mindestens ein Mit25 Vgl. BAG v. 23.10.2002 – 7 ABR 55/01, AP BetrVG 1972, § 50 Nr. 26; BAG v. 11.12.2001 – 1 AZR 193(01, BB 2002, 1487 ff.; HWK/Hohenstatt/Willemsen, BetrVG § 112 Rz. 32 a; a. A. Schmitt-Rolfes, FS 50 Jahre BAG, 1081 ff.; Richardi/Annuß, § 50 Rz. 37 a. 26 Vgl. HWK/Hohenstatt/Willemsen, BetrVG § 112 Rz. 32 a. 27 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 40. 28 EuGH v. 16.7.2009 – C-12/08, AP Richtlinie 98/59/EG Nr. 5 Rz. 42 – Mono CarStyling; BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 40; BAG v. 7.7.2011 - 6 AZR 248/10, NZA 2011, 1108 Rz. 27.

120

Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen

glied in den Gesamtbetriebsrat entsende29. Entsprechendes gilt, wenn der Konzernbetriebsrat nach § 58 Abs. 1 BetrVG zuständig ist. bb)

Zuständigkeit bei Betriebsratsstrukturen nach § 3 BetrVG

Die Frage, auf welche Betriebe für die Bemessung der Schwellenwerte des § 17 KSchG abzustellen ist, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass auf die gesetzlichen Betriebe nach den §§ 1, 4 BetrVG abzustellen sei und § 3 BetrVG, das heißt die Bildung von Betrieben kraft Strukturtarifvertrags, unberücksichtigt bleiben soll30. Das BAG scheint nunmehr allerdings auch mit Blick auf die Feststellung der Schwellenwerte des § 17 KSchG an die gesetzliche Fiktion eines Tarifvertrags (§ 3 Abs. 1 BetrVG) anknüpfen zu wollen, wenngleich eine Entscheidung zu dieser Frage noch nicht erfolgt ist. Dies überzeugt31. So stellt das BAG auch bei § 17 KSchG zwar grundsätzlich auf den allgemeinen Betriebsbegriff ab, löst sich davon aber, wenn eine gesetzliche Fiktion greift. In diesem Fall soll der allgemeine Betriebsbegriff nicht mehr maßgeblich sein, sondern die Fiktion des BetrVG. Wörtlich heißt es: Gilt nach § 4 Abs. 1 BetrVG ein Betriebsteil als selbständig, so müssen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG in diesem Betriebsteil überschritten sein, um die Anzeigepflicht auszulösen.

Auch die Zuordnungstarifverträge begründen – wie § 4 Abs. 1 BetrVG - eine Fiktion (§ 3 Abs. 5 BetrVG). Denn die betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten, die nach § 3 Abs. 1 bis 3 BetrVG gebildet werden, gelten danach als Betrieb im Sinne des BetrVG. Da bei § 17 KSchG auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betrieb abzustellen ist32, gilt dies auch für Betriebe nach § 3 BetrVG. Das in der Literatur häufig angeführte Argument, dass die örtliche Nähe der Arbeitsagentur gewährleistet werden müsse, spielt gar keine Rolle. Denn auch bei Betrieben nach §§ 1, 4 BetrVG sind viele Fallgestaltungen denkbar, in denen mehrere Agenturen zuständig sind. Die ortsnahen Agenturen können immer eingebunden werden.

29 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 40; BAG v. 7.7.2011 – 6 AZR 248/10, NZA 2011, 1108 Rz. 28. 30 KR/Weigand, KSchG § 17 Rz. 17; APS/Moll, KSchG § 17 Rz. 7. 31 Ebenso HWK/Molkenbur, KSchG § 17 Rz. 7; KDZ/Kittner, KSchG § 17 Rz. 6; HaKo-KSchR/Pfeiffer, KSchG § 17 Rz. 18. 32 Vgl. HWK/Molkenbur, KSchG § 17 Rz. 7.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Im Ergebnis ist damit auch in § 17 KSchG auf die kraft Strukturtarifvertrag nach § 3 BetrVG gebildeten Betriebe abzustellen33. cc)

Vorgehen bei Zweifeln in Bezug auf die Zuständigkeit

Ein Streit über die Zuständigkeit des nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG zu beteiligenden Betriebsrats kann auf unterschiedliche Weise eintreten. Zunächst einmal kann auf Arbeitnehmerseite eine Konkurrenzsituation gegeben sein, aus der heraus sowohl örtliche Betriebsräte als auch Gesamt- und/oder Konzernbetriebsrat ihren Anspruch auf Beteiligung in Bezug auf die geplanten Entlassungen geltend machen. Wenn die Sach- und Rechtslage tatsächlich unklar ist, kann der Arbeitgeber nach Maßgabe der Feststellungen des BAG im Urteil vom 24.1.199634 alle Arbeitnehmervertreter auffordern, ihre Zuständigkeit zunächst einmal intern zu klären. Wenn diese Einigung zwischen den verschiedenen Arbeitnehmervertretern scheitert, ist der Arbeitgeber nach der zu den §§ 111, 112 BetrVG getroffenen Feststellung des BAG berechtigt, den aus seiner Sicht unter Berücksichtigung der geplanten Maßnahmen zuständigen Arbeitnehmervertreter festzulegen und mit diesem das Konsultationsverfahren zu starten. Wenn dann zu einem späteren Zeitpunkt erkennbar wird, dass es sich insoweit um das gesetzlich an sich nicht zuständige Organ handelte, führt dies – so das BAG – jedenfalls nicht zu der Entstehung eines Nachteilsausgleichsanspruchs gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG35. In entsprechender Weise wird man Sanktionen wegen einer Nichtbeachtung von § 17 Abs. 2, 3 KSchG ablehnen müssen. Denkbar ist allerdings auch, dass auf Arbeitnehmerseite übergreifend von der Zuständigkeit des Betriebs-, Gesamt- oder Konzernbetriebsrats ausgegangen wird, der Arbeitgeber allerdings einen anderen Arbeitnehmervertreter für zuständig hält. Wenn die Bewertung des Arbeitgebers in Bezug auf den zuständigen Arbeitnehmervertreter zutreffend ist, kann die Sichtweise der Arbeitnehmervertreter ignoriert und die Beteiligung des tatsächlich zuständigen Betriebsrats nach den § 17 Abs. 2, 3 KSchG, §§ 111, 112 BetrVG eingeleitet werden. Verweigert sich dieser, ist – jedenfalls mit Blick auf § 112 BetrVG – ggf. ein Einigungsstellenverfahren einzuleiten. Losgelöst davon empfiehlt es sich allerdings aus Gründen der Vorsorge, parallel dazu Verhandlungen auch mit den Arbeitnehmervertretern einzuleiten, deren Zuständigkeit durch übereinstimmende Beschlusslage auf Seiten der Arbeit-

33 Ebenso HWK/Molkenbur, KSchG § 17 Rz. 7. 34 1 AZR 542/95, NZA 1996, 1107 Rz. 37. 35 BAG v. 30.3.2004 – 1 AZR 7/03, NZA 2004 Rz. 46 ff.

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Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen

nehmervertreter gesehen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn gute Gründe auch für eine andere Bewertung auf der tatsächlichen Ebene gegeben sind. Diese Vorsorge erscheint nicht nur deshalb geboten, weil die fehlende Beteiligung des zuständigen Betriebsrats eine Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben kann36. Denkbar ist darüber hinaus, dass der eigentlich zuständige Betriebsrat die Umsetzung der geplanten Maßnahmen durch einen Unterlassungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzt. Solche Ansprüche werden von einer Reihe von Arbeits- und Landesarbeitsgerichten anerkannt37. Darüber hinaus wird man sich vor Augen führen müssen, dass eine Nichtbeachtung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG zur Folge hat, dass etwaige Sozialplanleistungen nicht ohne Einschränkung auf den Nachteilsausgleichsanspruch zur Anrechnung kommen können. Diese Sanktion einer Nichtbeachtung von § 17 KSchG hält das BAG aus europarechtlichen Überlegungen heraus für geboten38.

b)

Inhalt der Unterrichtung

Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine Massenentlassung gemäß § 17 Abs. 1 KSchG durchzuführen, sind dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen. Darüber hinaus ist er schriftlich insbesondere zu unterrichten über 1. die Gründe für die geplanten Entlassungen, 2. die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenen Arbeitnehmer, 3. die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, 4. den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, 5. die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen Arbeitnehmer, 6. die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.

Arbeitgeber und Betriebsrat haben sodann insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (§ 17 Abs. 2 S. 2 KSchG). 36 APS/Moll, KSchG § 17 Rz. 76 m. w. N. 37 In Rechtsprechung und Literatur in hohem Maße umstritten. Bejahend u. a. LAG München v. 22.12.2008 – 6 TaBVGa 6/08, BB 2010, 896 Rz. 30; LAG Hamm v. 30.7.2007 – 10 TaBVGa 17/07, AuR 2008, 117 Rz. 25. 38 Vgl. BAG v. 30.3.2004 – 1 AZR 7/03, NZA 2004 Rz. 50.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Eine Abschrift dieser Mitteilung an den Betriebsrat ist durch den Arbeitgeber gleichzeitig der Agentur für Arbeit zuzuleiten. Sie muss zumindest die in § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 5 KSchG vorgeschriebenen Angaben enthalten (§ 17 Abs. 3 S. 1 KSchG). Vielfach entspricht der Inhalt der den Betriebsräten bei Aufnahme von Verhandlungen überlassenen Informationen über das Ob, Was, Wann und Warum nicht diesen formalen Anforderungen aus § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG. Für die §§ 111, 112 BetrVG mag dies jedenfalls aus arbeitsrechtlicher Sicht keine Rolle spielen. Denn die betriebsverfassungsrechtliche Beteiligung des Betriebsrats ist ebenso wie die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses nach § 106 BetrVG nicht an gesetzlich vorgegebene Inhalte geknüpft. Vielmehr ist einzelfallbezogen und ohne bestimmte Formerfordernisse die Information verfügbar zu machen, die die Arbeitnehmervertreter in die Lage versetzt, die beabsichtigten Maßnahmen nach Inhalt, Zweck und Auswirkungen zu verstehen. Aus den §§ 80 Abs. 2 S. 2, 106 Abs. 2 S. 1 BetrVG folgt, dass erst auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind. Damit genügt der Arbeitgeber durch die Unterrichtung und Beratung des Betriebsrats im Rahmen von §§ 111, 112 BetrVG in der Regel nicht seiner Unterrichtungs- und Beratungspflicht aus § 17 Abs. 2 KSchG. Dies gilt - wie das BAG mit Urteil vom 20.9.201239 klargestellt hat – selbst dann, wenn durch den Betriebsrat im Rahmen des Interessenausgleichs erklärt wird, dass er rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden sei. Die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG hat eigenständigen Charakter und muss neben §§ 111, 112 BetrVG erfüllt werden. Allerdings ist eine Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Erfüllung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG zulässig40. Auf diese Möglichkeit einer Verbindung beider Verfahren weist das BAG ausdrücklich hin. Soweit die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG übereinstimmten, könne der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen41. Durch den Arbeitgeber müsse aber hinreichend klargestellt werden,

39 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 44; Ferme, DB 2012, 2162 ff. 40 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 46. 41 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 47; BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10, NZA 2012, 1058 Rz. 23; Vgl. hierzu auch Schmädicke/Evertz, AuR 2012, 398 ff.

124

Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen

dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen42. Dies kann nicht nur auf den jeweils überlassenen Unterlagen erfolgen. Hilfreich dürfte auch sein, dass der Umstand, dass im Interessenausgleichs- und Sozialplanverfahren zugleich die Unterrichtung und Beratung mit dem Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG erfolgt ist, im Interessenausgleich durch beide Parteien ausdrücklich bestätigt wird. Damit kann und sollte auch die Erklärung verbunden werden, dass der Interessenausgleich zugleich als Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen nach §17 Abs. 3 S. 2 KSchG gilt. Auch eine solche Verbindung ist zulässig43. Diese Verbindung beider Verfahren ist nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 20.9.201244 auch mit den Vorgaben der Massenentlassungsrichtlinie vereinbar. Nach Art. 6 Richtlinie 98/59/EG sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Die Ausgestaltung dieser Verfahren ist Sache der Mitgliedstaaten, sofern die Effektivität und Äquivalenz gewahrt wird45.

c)

Zeitpunkt der Unterrichtung

Die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG muss – ebenso wie die Beteiligung nach § 111 BetrVG – „rechtzeitig“ erfolgen. Diese Verpflichtung wird nach übereinstimmenden Feststellungen von EuGH und BAG nur dann gewahrt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmervertretern die betreffenden Auskünfte so frühzeitig erteilt, dass diese noch konstruktive Vorschläge zu etwaigen Veränderungen in Bezug auf das Ob, Was, Wann und Wie der geplanten Maßnahmen machen können. Es muss eine realistische Chance bestehen, dass als Folge der Beratung mit den Arbeitnehmervertretern noch eine Veränderung in Bezug auf die geplanten Entlassungen bzw. die Betriebsänderung vorgenommen wird46. Insoweit muss also die Information dem Be-

42 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 47; BAG v. 18.1.2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817 Rz. 34. 43 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 53; BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10, NZA 2012, 1053 Rz. 45. 44 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 50. 45 EuGH v. 16.7.2009 – C-12/08, AP zu Richtlinie 98/59/EG Nr. 5 Rz. 33 ff., 59 ff. - Mono Car-Styling. 46 EuGH v. 10.9.2009 – C-44/08, NZA 2009, 1083 Rz. 51 – Akavan Erityisalojen Keskusliitto.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

triebsrat vor dem Erlass einer strategischen oder betriebswirtschaftlichen Entscheidung erteilt werden. Soweit dem Arbeitgeber die nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG erforderlichen Informationen bei Einleitung des Konsultationsverfahrens noch nicht vollständig vorliegen, sind diese Auskünfte während der laufenden Beratungen zu ergänzen. Der Arbeitgeber hat – so das BAG – der Arbeitnehmervertretung nach dem Grundgedanken der Richtlinienvorgabe während der gesamten Konsultationen die relevanten Informationen zu geben. Hierbei sei schon deshalb eine flexible Handhabe notwendig, weil die Auskünfte zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Konsultationsprozesses zur Verfügung stehen könnten. Der Arbeitgeber habe deshalb die Möglichkeit und zugleich auch die Pflicht, seine Auskünfte im Laufe des Verfahrens zu vervollständigen47. Wichtig ist allerdings, dass jedenfalls mit Blick auf § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG die vollständige Unterrichtung des Betriebsrats bis zum Abschluss der Konsultation schlussendlich auch in der gebotenen Form dokumentiert wird. Sobald dies erfolgt ist, muss auch die nach § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG notwendige Abschrift dieser (vervollständigten) Information des Betriebsrats der Agentur für Arbeit zugeleitet werden.

d)

Form der Unterrichtung

Auch in seinem Urteil vom 20.9.201248 hat das BAG erneut offen gelassen, ob die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG die gesetzliche Schriftform im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB verlangt. Hiervon geht ein großer Teil der Literatur aus49. Ein anderer Teil der Literatur hält nur eine verkörperte Dokumentation der Unterrichtung für erforderlich, was – entsprechend den Überlegungen zu § 99 BetrVG50 – eine Unterrichtung auch per Telefax, E-Mail oder schriftliche Unterlagen ermöglichen würde, die nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift abgeschlossen werden. Bedauerlicherweise lässt sich Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 98/59/EG hierzu keine abschließende Bewertung entnehmen. Denn auch dort ist nur von einer schriftlichen Unterrichtung die Rede, ohne dass im Einzelnen die formalen Anforderungen an diese Schriftlichkeit aufgezeigt werden. Schlussendlich

47 EuGH v. 10.9.2009 – C-44/08, NZA 2009, 1083 Rz. 52 ff. – Akavan Erityisalojen Keskusliitto; BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 53. 48 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 55. 49 So ErfK/Kiel, KSchG Rz. 20, 28; APS/Moll, KSchG § 17 Rz. 70; v. HoyningenHuene/Link, KSchG § 17 Rz. 56; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rz. 1653. 50 HWK/Ricken, BetrVG § 99 Rz. 56 f.

126

Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen

dürfte damit der EuGH über die Formerfordernisse nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV entscheiden müssen. Nichtsdestotrotz sprechen auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Regelungen die besseren Gründe für die Annahme, dass das Schriftformerfordernis des § 126 BGB vorliegend nicht zur Anwendung kommt. § 126 BGB dient insbesondere dem Schutz vor Übereilung sowie den Klarheitsund Beweissicherungsinteressen der beteiligten Parteien oder auch Dritter51. Hier wird man – abweichend zu § 99 BetrVG – zwar eine Unterrichtung per E-Mail nicht als ausreichend qualifizieren können. Ausreichend erscheint aber eine Unterrichtung in Papierform, selbst wenn die eigenständige Unterschrift fehlt. Der Zweck des Schriftformerfordernisses in Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 98/59/EG ebenso wie in § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG liegt indes nicht darin, den Arbeitgeber vor der Abgabe einer rechtsgestaltenden Willenserklärung zu schützen. Vielmehr dient das Schriftformerfordernis dem Zweck, die Weitergabe der unionsrechtlich gebotenen Informationen an die zuständige Arbeitnehmervertretung in Form einer Wissenserklärung zu dokumentieren. Hierfür ist eine eigenhändige Unterschrift und/oder die feste Verbindung der hierfür verwendeten Schriftstücke nicht erforderlich. Es genügt, wenn im Streitfall durch den Arbeitgeber nachgewiesen werden kann, dass die insoweit in Papierform dokumentierten Unterlagen dem zuständigen Betriebsrat auch vor und während einer Durchführung der Konsultationen zugegangen sind52. Wenn die vorstehend skizzierte Form einer Unterrichtung gewahrt ist, hält das BAG in seinem Urteil vom 20.9.201253 jedenfalls die Heilung eines darin möglicherweise liegenden Schriftformverstoßes für möglich. Dies gilt zumindest dann, wenn die nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG verlangten Angaben gegenüber dem zuständigen Betriebsrat in einem schriftlichen, wenn auch nicht unterzeichneten Text dokumentiert wurden. Wenn der Betriebsrat sodann im Rahmen einer abschließenden Stellungnahme bei Unterzeichnung des Interessenausgleichs deutlich erkläre, dass er im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen umfassend gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet und beteiligt worden sei, dass insbesondere auch die Möglichkeiten beraten wurden, Entlassungen zu vermeiden oder zumindest einzuschränken und ihre Folgen zu mildern, und dass das Konsultationsverfahren damit zum Ab51 MüKo/Einsele, BGB § 126 Rz. 1 f. 52 Ähnlich WHSS/Schweibert, C Rz. 346. 53 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 55 ff., 60.

127

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

schluss gekommen sei, genüge dies, um die Verpflichtung aus § 17 Abs. 2 KSchG als gewahrt anzusehen54. Der 6. Senat des BAG begründet diese Bewertung mit dem Zweck des Unterrichtungserfordernisses. Die Arbeitnehmervertretung solle konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken. Bringe das Gremium, dem die Angaben nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG in einem schriftlich abgefassten Text deutlich vor Augen geführt wurde, selbst zum Ausdruck, dass es sich für ausreichend unterrichtet halte, drücke es damit zugleich aus, dass es keine weiteren Vorschläge unterbreiten könne oder wolle55.

e)

Einbeziehung von Leiharbeitnehmern

Das BAG hat am 24.1.201356 entschieden, dass Leiharbeitnehmer, deren Einsatz beim Entleiher auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht, bei der Berechnung der Betriebsgröße des Entleihers nach § 23 Abs. 1 KSchG mitzählen. Die Herausnahme von Kleinbetrieben aus dem Anwendungsbereich des KSchG beruhe auf der engen persönlichen Zusammenarbeit, der oft geringen finanziellen Ausstattung und dem bei Kündigungsschutzklagen bestehenden Verwaltungsaufwand, der Inhaber von kleineren Betrieben typischerweise stärker belaste. Dieser Schutzzweck rechtfertige keine Unterscheidung danach, ob die im Betrieb regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener Arbeitnehmer oder Leiharbeitnehmer beruhe. Dies entspricht der Argumentationslinie, die das BAG bei der Einbeziehung von Leiharbeitnehmen in die Schwellenwerte zur Anwendung von § 111 BetrVG bei einer Betriebsänderung zugrunde gelegt hat57. Die aktuell vorliegende Pressemitteilung des BAG-Urteils befasst sich nicht mit einer Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen von § 17 KSchG. Offen ist daher, ob und wie – bei der Betriebsgröße und/oder der Zahl der Entlassungen – Leiharbeitnehmer nach diesem Urteil im Zusammenhang mit Massenentlassungsanzeigen zu berücksichtigen sind. Besonderheiten im Gegensatz zu § 23 KSchG können sich insoweit ergeben, als die Vorgaben in § 17 KSchG wesentlich durch die Massenentlassungsrichtlinie bestimmt werden. Insoweit dürfte die Frage, welcher Arbeitnehmerbe54 Ebenso LAG Hamm v. 6.6.1986 – 16 Sa 2188/86, LAGE KSchG § 17 Nr. 2; KR/Weigand, KSchG § 17 Rz. 65; HaKo/Pfeiffer, KSchG § 17 Rz. 54. 55 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 60; BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10, NZA 2012, 1058 Rz. 23. 56 2 AZR 140/12 n. v. 57 BAG v. 18.10.2011 - 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 ff.

128

Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen

griff bei § 17 KSchG maßgeblich ist, schlussendlich sogar eine europarechtliche Bewertung erforderlich machen, die nur durch den EuGH getroffen werden kann. aa)

Berücksichtigung bei der Betriebsgröße

Bislang wurden Leiharbeitnehmer weder bei der Berechnung der Betriebsgröße des Entleihers noch bei der Zahl der Entlassungen im Entleiherbetrieb im Rahmen von § 17 KSchG berücksichtigt. Mit Blick auf das aktuelle Urteil des BAG zu § 23 KSchG vom 18.10.201158, das Leiharbeitnehmer, die länger als sechs Monate im Betrieb eingesetzt sind, bei der Berechnung der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer im Rahmen von § 111 BetrVG berücksichtigt hat, könnte nun eine Berücksichtigung auch bei der Berechnung der Betriebsgröße im Rahmen von § 17 KSchG geboten sein. Vor dem Hintergrund des arbeitsmarktpolitischen Schutzzwecks der Massenentlassungsanzeige erscheint dies allerdings nicht zwingend. Denn die Beendigung des Arbeitseinsatzes bei dem Entleiher hat nicht automatisch die Entlassung durch den Verleiher zur Folge. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde diese Entlassung nach dem bisherigen Verständnis des Begriffs an sich nicht als Entlassung des Inhabers des Entleiherbetriebs verstanden. Vielmehr wäre auf die Verhältnisse im Betrieb des Verleihers und die dort von Entlassungen betroffenen Arbeitnehmer abzustellen. Hinzu kommt, dass durch die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Berechnung der Schwellenwerte höhere Betriebsgrößen erreicht würden, was zur Folge haben kann, dass trotz der Entlassung eine verhältnismäßig große Zahl eigener Arbeitnehmer des Entleihers die Schwellenwerte des § 17 KSchG nicht erreicht werden und die Massenentlassungsanzeige unterbleiben kann. Dies könnte dem arbeitsmarktpolitischen Schutzzweck in Bezug auf die Arbeitnehmer des Verleihers zuwiderlaufen und zugleich auch den individuellen Schutz der zu entlassenden Arbeitnehmer aufheben. Dennoch sprechen gute Gründe auch für die Einbeziehung der Leiharbeitnehmer. Denn mit § 17 Abs. 2 BetrVG werden europarechtliche Beteiligungspflichten gegenüber dem Betriebsrat begründet, deren Zweck – die Vermeidung von Entlassungen und die Milderung etwaiger Nachteile – in Übereinstimmung mit den Überlegungen zu §§ 111, 112 BetrVG auch die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern sinnvoll erscheinen lassen kann. Denn auch diese könnten von einer Restrukturierungsmaßnahme mit dem Ergebnis einer Beendigung ihrer Beschäftigung betroffen sein. Dies gilt insbeson-

58 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 ff.; Vgl. Albicker, AuR 2011, 459 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

dere dann, wenn Beschäftigungen – was nach Wegfall des Synchronisationsverbots zulässig ist – auf die Dauer eines Einsatzes beim Entleiher begrenzt sind. Dass die EG-Richtlinie zur Massenentlassung Leiharbeitnehmer nicht ausdrücklich nennt, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Schließlich hat der EuGH im Urteil vom 21.10.201059 Leiharbeitnehmer auch in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23/EG zum Betriebsübergang einbezogen. bb)

Berücksichtigung bei der Anzahl der Entlassungen

Dass die Zahl der „zu entlassenden“ Leiharbeitnehmer zur Ermittlung der Schwellenwerte des § 17 KSchG beim Entleiher zu berücksichtigen ist, erscheint auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Überlegungen zwar wenig wahrscheinlich, ist allerdings nicht völlig auszuschließen. Diese Beschäftigtengruppe verliert durch den „Abbau“ von Arbeitsplätzen beim Entleiher ihr Anstellungsverhältnis zum Verleiher nicht unmittelbar. Erst weitergehende Maßnahmen des Verleihers können diese Folge auslösen. Gegen eine Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei der Zahl der Entlassungen im Entleiherbetrieb sprechen auch die beiden genannten BAGUrteile. Beide nehmen eine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung der Betriebsgröße bzw. der Kennzeichnung des Anwendungsbereichs an, nicht jedoch bei der Rechtsfolge von § 23 KSchG und §§ 111, 112 BetrVG. Die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern führt weder zum Schutz des Leiharbeitnehmers vor einer „Entlassung“ aus dem Entleiherbetrieb noch zu einer Berücksichtigung der Interessen von Leiharbeitnehmern im Rahmen von Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen beim Entleiher. Denn der Betriebsrat des Entleihers berücksichtigt bei seinen Beratungen nach § 17 Abs. 2 BGB nur die Interessen der Arbeitnehmer, nicht die der Leiharbeitnehmer. Im Gegenteil: Er muss schon wegen § 1 Abs. 2 KSchG das Interesse verfolgen, die Beschäftigung der eigenen Arbeitnehmer auf Arbeitsplätzen durchzusetzen, die dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzt sind60. Insofern sind auch Nachteilsausgleichsansprüche der Leiharbeitnehmer ausgeschlossen. Dies muss auf § 17 KSchG übertragen werden. Ob dies allerdings auch bei einer europarechtlichen Bewertung durch den EuGH so gesehen würde, ist offen. Die EuGH-Entscheidung zum Übergang von Leiharbeitnehmern im

59 C-227/09, NZA 2011, 215 ff. – Accardo. 60 Vgl. BAG v. 18.10.2012 – 6 AZR 289/11, NZA-RR 2013, 68 ff.; B. Gaul, AktuellAR 2013, 133 ff.

130

Unterrichtung des Betriebsrats bei Massenentlassungen

Rahmen des Betriebsübergangs auf den Erwerber vom 21.10.201061 zeigt die fehlende Berechenbarkeit. cc)

Zwischenfazit

Im Ergebnis kann eine klare Aussage zur Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in § 17 KSchG derzeit leider nicht getroffen werden. Die Rechtsprechung ist offensichtlich im Wandel; Prognosen sind schwer zu treffen. Empfehlenswert dürfte sein, alle drei Varianten 1.

Variante:

keine Berücksichtigung;

2.

Variante:

Berücksichtigung bei der Betriebsgröße, aber nicht bei der Zahl der Entlassungen;

3.

Variante:

Berücksichtigung bei der Betriebsgröße und der Zahl der Entlassungen

für den jeweiligen Betrieb durchzurechnen und in enger Abstimmung mit den zuständigen Agenturen für Arbeit vorzugehen. Unterbleibt infolge dessen eine Anzeige, befreit dies zwar nicht von dem Risiko, dass einzelne Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen von § 17 KSchG auf den Prüfstand stellen lassen und ein von der Auffassung der Arbeitsagentur abweichendes Urteil ergeht, doch sollte dieses Risiko gering sein.

f)

Fazit

Noch immer sind nicht alle Fragen zur Handhabe einer Massenentlassung nach § 17 KSchG geklärt. Insbesondere die richtige Beteiligung des Betriebsrats bereitet nach wie vor Schwierigkeiten. Da die fehlerhafte Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Massenentlassung – anders als die Berücksichtigung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus §§ 111, 112 BetrVG – die Unwirksamkeit der Entlassungen auf der individualrechtlichen Ebene zur Folge haben kann, hat es ganz erhebliche Bedeutung, dass die betriebliche Praxis die sich hier ständig verändernden Anforderungen bereits bei der Vorbereitung von Betriebsänderungen berücksichtigt. (Ga)

61 C-227/09, NZA 2011, 215 ff. – Accardo.

131

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

3.

Einbeziehung der Leiharbeitnehmer bei der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 KSchG

Gemäß § 23 Abs. 1 KSchG gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 KSchG und des § 13 Abs. 1 S. 1, 2 KSchG grundsätzlich nicht für Arbeitnehmer, die in Betrieben und Verwaltungen tätig sind, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. Der frühere Schwellenwert, bei dem insbesondere § 1 KSchG bereits bei in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmern zur Anwendung kam, gilt nur für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1.1.2004 begonnen hat. In Übereinstimmung mit entsprechenden Feststellungen zu § 9 BetrVG62 und zu § 111 BetrVG63 hat der 2. Senat des BAG im Urteil vom 24.1.201364 jetzt ebenfalls beschlossen, bei der Berechnung der Betriebsgröße auch im Rahmen von § 23 Abs. 1 KSchG die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruhe. Dies gebiete eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Arbeitnehmer. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht. Mit seiner Kündigungsschutzklage macht der Kläger indes geltend, dass bei der Feststellung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen seien. Mit deren Einbindung übersteige die Zahl der Beschäftigten den Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG, sodass die Beklagte eine wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG bewirken könne. Das BAG hält diesen Argumentationsansatz für grundsätzlich zutreffend und hat die Sache aufgehoben und zur Klärung der tatsächlichen Gegebenheiten zurückverwiesen. Es sei nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten unter Einbeziehung der Leiharbeitnehmer mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG in der Regel beschäftigt waren. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hält es der 2. Senat des BAG insoweit für möglich, Leiharbeitnehmer einzubeziehen, obwohl sie kein eigenes Arbeits62 BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11 n. v. 63 BAG v. 18.10.2011 - 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 Rz. 15. 64 2 AZR 140/12 n. v.

132

Betriebsbedingte Kündigung trotz des weiteren Einsatzes von Leiharbeitnehmern

verhältnis zum Betriebsinhaber begründet hatten. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des KSchG soll der dort häufig engen, persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringe, die Inhaber kleiner Betriebe typischerweise stärker belaste. Dies aber rechtfertige keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruhe. Vor diesem Hintergrund wird das LAG Nürnberg nunmehr zu klären haben, ab die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt waren. Entspricht der Einsatz der erstgenannten Variante, sind sie bei der Berechnung der Schwellenwerte im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG einzubeziehen. (Ga)

4.

Betriebsbedingte Kündigung trotz des weiteren Einsatzes von Leiharbeitnehmern

Häufig kommt die betriebliche Praxis auch im Anschluss an das Wirksamwerden einer Betriebsänderung nicht ohne den Einsatz von Fremdpersonal aus. Dieses dient häufig dazu, im Unternehmen nicht vorhandenes Knowhow vorübergehend „einzukaufen“. Weiterhin werden insbesondere mit Leiharbeitnehmern Ausfallzeiten überbrückt, die als Konsequenz der Unruhen und Unwägbarkeiten einer Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen gerade in solchen Zeiten nicht vermieden werden können. Da eine betriebsbedingte Kündigung von Arbeitnehmern gemäß § 1 Abs. 2 KSchG an die Voraussetzung geknüpft ist, dass keine Möglichkeit der weiteren Beschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen (freien) Arbeitsplatz im Unternehmen möglich ist, könnte der Einsatz von Leiharbeitnehmern allerdings einer betriebsbedingten Kündigung entgegen stehen. Darauf hatte das BAG bereits in seinem Urteil vom 15.12.201165 hingewiesen. In seinem Urteil vom 18.10.201266 hat der 6. Senat des BAG indes deutlich gemacht, dass die weitere Beschäftigung von Leiharbeitnehmern im Betrieb einer betriebsbedingten Kündigung von eigenen Arbeitnehmern nicht generell entgegensteht. Ob die (geplante) Beschäftigung von Leiharbeitnehmern 65 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044 Rz. 25 ff. 66 6 AZR 289/11, NZA-RR 2013, 68 Rz. 21 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

die Annahme rechtfertige, im Betrieb oder Unternehmen des Arbeitgebers seien freie Arbeitsplätze vorhanden, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat im Zusammenhang mit dem geplanten Abbau von 153 Arbeitsplätzen einen Interessenausgleich mit Namensliste vereinbart. Unter anderem war in diesem Interessenausgleich wie folgt festgelegt worden: Sollte sich zukünftig zeitweise ein Personalmehrbedarf vorübergehend ergeben, so vereinbaren die Parteien bereits jetzt, dass der Arbeitgeber diesen zunächst mit Leiharbeitskräften bis zu einer Gesamtzahl von bis zu 10 %, gemessen an der Belegschaft des Werkes A (Produktionsbetrieb) abdecken kann. Dies ist beschränkt auf einen Personalmehrbedarf, der aufgrund von Urlaubs- und Krankenfehlzeiten entsteht. Sollte sich auftragsbezogen ein vorübergehender Mehrbedarf ergeben, so werden die Betriebsparteien eine gesonderte Regelung treffen, wie diesem Mehrbedarf begegnet werden soll.

Der Kläger, der 1994 als Maschinenbediener eingestellt worden war, wurde auf der Namensliste als ein von einer betriebsbedingten Kündigung betroffener Arbeitnehmer genannt. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage machte er jetzt allerdings geltend, dass die beabsichtigte Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zur Folge habe, das die betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Hinzu komme, dass die Sozialauswahl grob fehlerhaft sei. Denn die Beklagte habe ihn mit Arbeitnehmern der Entgeltgruppe E 3 verglichen und dabei eine Tätigkeit als Mischerführer zugrunde gelegt. Die damit verbundene Aufgabe sei ihm zwar 2003 zugewiesen worden. Als Konsequenz eines Arbeitsunfalls mit der Folge einer eingeschränkten Einsetzbarkeit sei er indes faktisch als Springer tätig gewesen, so dass eine hiervon abweichende Vergleichsgruppe hätte gebildet werden müssen. Mit überzeugender Begründung hat das BAG beide Einwände gegen die Kündigung zurückgewiesen. Ob die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern freie Arbeitsplätze im Betrieb indiziere, hänge von den Umständen des Einzelfalls – konkret von dem Zweck der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern – ab. Keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG bestehe, wenn Leiharbeitnehmer lediglich eingesetzt würden, um Auftragsspitzen aufzufangen. An einem freien Arbeitsplatz fehle es in der Regel auch, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer als Personalreserve vorhalte, um den Bedarf zur Vertretung abwesender Stammarbeitnehmer zu decken. Das gelte unabhängig davon, ob der Vertretungsbedarf vorhersehbar sei und regelmä134

Betriebsbedingte Kündigung trotz des weiteren Einsatzes von Leiharbeitnehmern

ßig anfalle. Andernfalls bliebe der Arbeitgeber nicht frei in seiner Entscheidung, ob er Vertretungszeiten überhaupt und – wenn ja – für welchen Zeitraum überbrücke. Beschäftige der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer dagegen, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen zu decken, könne von einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG auszugehen sein, die vorrangig für sonst zur Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer genutzt werden müsse67. Von diesen Grundsätzen ausgehend konnte allein auf der Grundlage der Regelung im Interessenausgleich nicht von dem Vorliegen freier Arbeitsplätze für eine dauerhafte Weiterbeschäftigung des Klägers ausgegangen werden. Zum einen war die Leiharbeitnehmerklausel auf einen vorübergehenden Zeitraum bis zum 31.12.2009 begrenzt worden. Zum anderen betraf die Klausel ausdrücklich nur vorübergehenden Personalbedarf aufgrund von Urlaubs- oder Krankheiten. Mehrbedarf, der sich auftragsbezogen ergeben sollte, war ausdrücklich ausgenommen. Darüber hinaus war zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Interessenausgleichs völlig offen, ob und ggf. innerhalb welcher Zeiträume der Arbeitgeber überhaupt die bis zu 10 Prozent reichende Quote der Leiharbeitnehmer ausschöpfen würde68. Dass der Kläger selbst auch die von Leiharbeitnehmern verrichtete Tätigkeit hätte übernehmen können, spielt nach den Feststellungen des BAG keine Rolle. Denn eine Möglichkeit zur dauerhaften Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern wird mit solchen Arbeitsplätzen nicht vermittelt, wenn Leiharbeitnehmer hier nur als „externe Personalreserve“ zur Abdeckung von Vertretungsbedarf eingesetzt würden69. Soweit der Kläger darüber hinausgehend geltend gemacht hatte, dass arbeitgeberseits ein Einsatz von Leiharbeitnehmern nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs auch dann erfolgt sei, wenn es durch Störungen bei Neuanläufen oder Ineffizienzen infolge der betrieblichen Neuorganisation nach Wirksamwerden der Massenkündigung zu Reibungsverlusten gekommen sei, stand dies nach Auffassung des BAG einer Kündigung nicht entgegen. Zwar waren solche Einsatzmöglichkeiten im Interessenausgleich selbst nicht vorgesehen. Sie waren weder durch Urlaub oder Krankheit bedingt noch durch Aufträge ausgelöst. Auch hier ist das BAG allerdings von einem nur

67 BAG v. 18.10.2012 – 6 AZR 289/11, NZA-RR 2013, 68 Rz. 23; BAG v. 15.12.2011 - 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044 Rz. 25 ff. 68 BAG v. 18.10.2012 – 6 AZR 289/11, NZA-RR 2013, 68 Rz. 25. 69 BAG v. 18.10.2012 – 6 AZR 289/11, NZA-RR 2013, 68 Rz. 28; LAG Köln v. 25.1.2010 – 5 Sa 917/09 n. v.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

vorübergehend notwendigen Einsatz ausgegangen, der einer dauerhaften Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nicht gleichgesetzt werden konnte70. Ausgehend davon, dass die Sozialauswahl als Konsequenz der Namensliste gemäß § 125 Abs. 1 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden konnte, stand der diesbezügliche Einwand des Klägers auch insoweit einer Kündigung nicht entgegen. Zunächst einmal hatte der Kläger zwar vorgetragen, dass er als Folge seines Arbeitsunfalls jedenfalls zuletzt nicht mehr in der Funktion als Mischbediener eingesetzt worden war. Er hatte aber nicht deutlich gemacht, ob sein Einsatz als Springer zu einer fehlenden Vergleichbarkeit mit den Mischerführern geführt hatte. Ungeachtet dessen ist der 6. Senat des BAG indes davon ausgegangen, dass die Anknüpfung des Arbeitgebers an dem letzten regulären Arbeitsplatz selbst dann, wenn schlussendlich keine Vergleichbarkeit mehr gegeben war, nicht zu einer groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl geführt hatte. Da die Arbeitnehmer, die in dieser Vergleichsgruppe waren, im Wesentlichen auch unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung des Klägers keine deutlich geringere Schutzbedürftigkeit aufwiesen, konnte auch die Gewichtung der Sozialdaten nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen. Insoweit hat es das BAG nicht für geboten gehalten, anstelle des Klägers (82 Punkte) andere Arbeitnehmer mit geringerer Gewichtung der Sozialdaten (78 und 80 Punkte) zu kündigen. Hier könne nur von „marginalen Unterschieden“ ausgegangen werden71. Dem ist zuzustimmen. (Ga)

5.

Der wichtige Grund bei der Kündigung von Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz

a)

Außerordentliche Kündigung eines Mandatsträgers und Umdeutung

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist be-

70 BAG v. 18.10.2012 – 6 AZR 289/11, NZA-RR 2013, 68 Rz. 29 ff., 31. 71 BAG v. 18.10.2012 – 6 AZR 289/11, NZA-RR 2013, 68 Rz. 49, BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 420/09, NZA 2010, 1352 Rz. 28.

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Der wichtige Grund bei der Kündigung von Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz

rechtigen. Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG72 erfordert diese Vorschrift das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB, so dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung auch nur bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein muss. Angesichts dessen hat es das BAG73 bislang abgelehnt, eine mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksame, auf Gründe im Verhalten des Mandatsträgers gestützte außerordentliche fristlose Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit einer der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist umzudeuten. Lediglich im Falle einer auf betriebsbedingte Umstände gestützte Änderungskündigung hat das BAG74 davon eine Ausnahme gemacht und insoweit eine einschränkende Bewertung des Sonderkündigungsschutzes vorgenommen und dem Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist zu erlauben. Diese Abweichung hat das BAG damit gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber selbst den Sonderkündigungsschutz im Fall betriebsbedingter Umstände in § 15 Abs. 4 und 5 KSchG einschränkt, des Weiteren es sich um Umstände handele, von denen der Mandatsträger nicht allein betroffen werde, sondern sich ein alle Arbeitnehmer berührendes Betriebsrisiko verwirklicht. Darin sieht das BAG auch den entscheidenden Unterschied zu einer außerordentlichen Kündigung eines Mandatsträgers, die ausschließlich diesen betrifft. Demgegenüber wird zum Teil in der Literatur75 unter Hinweis auf das Begünstigungsverbot von Betriebsratsmitgliedern (§ 78 BetrVG) dafür plädiert, mit Rücksicht auf die lange Bindungsdauer - in Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG76 zu tariflich unkündbaren Arbeitnehmern - eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist zu erwägen. Nunmehr hatte der 2. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 21.6.201277 erneut Gelegenheit, seine bisherige Rechtsprechung zu überprüfen und zu bestätigen. Der Fall betraf ein als Staplerfahrer beschäftigtes Betriebsrats72 BAG v. 12.5.2010 - 2 AZR 587/08, NZA-RR 2011, 15 Rz. 17; BAG v. 17.1.2008 - 2 AZR 821/06, NZA 2008, 777 Rz. 17 f. 73 BAG v. 17.1.2008 - 2 AZR 821/06, NZA 2008, 777 Rz. 16 ff. 74 BAG v. 17.1.2008 - 2 AZR 821/06, NZA 2008, 777 Rz. 16 f.; BAG v. 21.6.1995 - 2 ABR 28/94, NZA 1995, 1157 Rz. 13 ff. 75 KR-Etzel, KSchG § 15 Rz 22, 23; Thüsing/Laux/Lembke-Thüsing, KSchG § 15 Rz 53; HWK/Quecke, KSchG § 15 Rz 43. 76 BAG v. 15.11.2001 - 2 AZR 605/00, AP Nr. 175 zu § 626 BGB; BAG v. 13.4.2000 - 2 AZR 259/99, DB 2000, 1819. 77 2 AZR 343/11, NZA 2013, 224.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

mitglied, dem vom Arbeitgeber mit Zustimmung des Betriebsrats fristlos gekündigt worden war, weil er seine Arbeit unter Alkoholeinfluss aufgenommen hatte. Während das ArbG Rostock der Kündigungsschutzklage des Klägers entsprochen hat78, hielt das LAG Mecklenburg-Vorpommern zwar die außerordentliche Kündigung ebenfalls für rechtsunwirksam, nahm jedoch gemäß § 140 BGB eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung vor und wies im Übrigen die Kündigungsschutzklage ab79. In Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung80 hat das BAG unter Aufhebung des Berufungsurteils die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt und daran festgehalten, dass eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG gegenüber dem geschützten Personenkreis ebenso unzulässig ist, wie die vom LAG Mecklenburg-Vorpommern vorgenommene Umdeutung der außerordentlichen fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung. In Übereinstimmung mit den früheren Entscheidungen bleibt das BAG dabei, dass für die Beurteilung der Frage, ob Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber im Sinne von § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigen, auf die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen ist. Dabei lässt sich das BAG von der Erwägung leiten, dass Betriebsratsmitglieder – abgesehen von den Fällen des § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG - vor einer Bedrohung durch eine ordentliche Kündigung zu schützen sind, um vor allem ihre Unabhängigkeit und die Kontinuität der Betriebsratsarbeit zu sichern. Das BAG will mit dieser Bewertung vermeiden, dass zwar dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist nicht unzumutbar ist, aber bis zum Auslaufen des Sonderkündigungsschutzes nicht zugemutet werden kann, doch darauf hinausliefe, abweichend von der Intention des Gesetzes im Ergebnis eine ordentliche Kündigung zuzulassen. In diesem Zusammenhang tritt das BAG auch der Erwägung entgegen, dass ein Vergleich mit Arbeitnehmern, die tariflich unkündbar sind, angestellt werden könne. Bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern hat das BAG81 in der Tat auch bei einer Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitneh78 ArbG Rostock v. 8.2.2010 – 5 Cs 966/09 n. v. 79 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 2.11.2010 – 5 Sa 105/10 n. v. 80 BAG v. 12.5.2010 - 2 AZR 587/08, NZA-RR 2011, 15 Rz. 19 ff.; BAG v. 17.1.2008 - 2 AZR 821/06, NZA 2008, 777 Rz. 26. 81 BAG v. 15.11.2001 - 2 AZR 605/00, AP BGB § 626 Nr. 175; BAG v. 13.4.2000 - 2 AZR 259/99, DB 2000, 1819 ff.

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Der wichtige Grund bei der Kündigung von Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz

mers angenommen, dass nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit mit einer der fiktiven Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist gekündigt werden darf, obwohl ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB nicht vorliegt. Aus den vorstehenden Gründen will das BAG eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis verneinen. Die für die tariflich unkündbaren Arbeitnehmer entwickelte Konstruktion der außerordentlichen Kündigung mit einer Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht, ist vom BAG82 zunächst beim Vorliegen eines betrieblichen Grundes angewandt worden, wenn etwa der Betrieb stillgelegt wird oder der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbaren Mittel, ggf. durch Umorganisation seines Betriebes, nicht weiterbeschäftigen kann. Eine ähnliche Interessenlage kann auch nach Ansicht des BAG83 bei einer krankheitsbedingten Kündigung bestehen. Das BAG hegt jedoch abweichend von der bisherigen Sichtweise in der Entscheidung vom 21.6.201284 Bedenken, ob für die Reaktion auf Pflichtverstöße des Arbeitnehmers ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung gerechtfertigt ist. Es bedarf nach Ansicht des BAG vielmehr der Prüfung, ob wegen der Schwere der Pflichtverletzung unter Berücksichtigung der sonstigen relevanten Einzelfallumstände eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde möglich ist oder nicht. Wird die Schwelle zum wichtigen Grund nicht erreicht, kann nur eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein, die gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer gerade nicht erfolgen darf. Das BAG gibt deshalb zu bedenken, dass es zweifelhaft erscheint, eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zu ermöglichen, die der ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung letztlich gleichkommt. Soweit die vorstehende Entscheidung des BAG die bisherigen Grundsätze bestätigt, die für die außerordentliche Kündigung von Mandatsträgern der Betriebsverfassung von Bedeutung sind, hält sie an Bewährtem fest. Klarstellend ist nochmals der Hinweis des BAG, dass jedenfalls bei verhaltensbedingten Kündigungsanlässen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit keine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist in Betracht kommt und eine Umdeutung in eine or-

82 BAG v. 5.2.1998 - 2 AZR 227/97, DB 1998, 1035 ff.; BAG v. 28.3.1985 - 2 AZR 113/84, NZA 1985, 559 ff. 83 BAG v. 18.10.2000 - 2 AZR 627/99, NZA 2001, 219 Rz. 19. 84 2 AZR 343/11, NZA 2013, 224 Rz. 20.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

dentliche Kündigung stets ausscheidet. Wichtig für die betriebliche Praxis ist jedoch der Fingerzeig des BAG, bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern möglicherweise von der bisherigen außerordentlichen Kündigung mit einer Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht, Abstand nehmen zu wollen. So lange allerdings die bisherige Rechtsprechung dazu nicht wirklich aufgegeben worden ist, muss der betrieblichen Praxis angeraten werden, neben der fristlosen Kündigung hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist auszusprechen, um damit dem möglichen Einwand der Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung zu begegnen.

b)

Kündigung einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und Zustimmung des Betriebsrats

In einer weiteren Entscheidung vom 19.7.2012 hatte sich der 2. Senat des BAG85 mit dem Sonderkündigungsschutz einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen zu beschäftigen. Gemäß § 96 Abs. 3 SGB IX besitzen Vertrauenspersonen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungsund Abordnungsschutz wie ein Mitglied des Betriebsrats oder Personalrats. Bezüglich einer Kündigung einer Vertrauensperson ist bislang von der Rechtsprechung des BAG86 angenommen worden, dass die Vertrauensperson nur aus wichtigem Grund und nur mit Zustimmung des Betriebs – oder Personalrats gekündigt werden kann. In neuerer Zeit ist demgegenüber die Auffassung vertreten worden, nach § 96 Abs. 3 S. 1 SGB IX seien §§ 15 KSchG und 103 BetrVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass nicht die vorherige Zustimmung des Betriebsrats, sondern die der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sei87. Diese Ansicht wird damit begründet, dass nicht der Betriebsrat, sondern die Schwerbehindertenvertretung als demokratisch gewähltes Gremium ein Mitglied verlöre und damit in der Kontinuität ihrer Amtsführung beeinträchtigt werde, weshalb das betroffene Gremium selbst über die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung entscheiden müsse. Genau diese Frage hatte der 2. Senat des BAG88 in der Entscheidung vom 19.7.2012 zu beantworten. Der Fall betraf einen Kläger, der selbst schwer85 2 AZR 989/11, NZA 2013, 143 Rz. 16 ff. 86 BAG v. 11.5.2000 - 2 AZR 276/99, NZA 2000, 1106 Rz. 21; BAG v. 23.6.1993 - 2 ABR 58/92, NZA 1993, 1052 Rz. 28 ff. 87 So LAG Hamm v. 21.1.2011 - 13 TaBV 72/10, LAGE SGB IX § 96 Nr. 2; mit zust. Anm. Grimme, AiB 2011, 555. 88 2 AZR 989/11, NZA 2013, 143 Rz. 39 ff.

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Der wichtige Grund bei der Kündigung von Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz

behindert und Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bei der Beklagten war. Ungeachtet eines entsprechenden Hinweises auf die Strafvorschrift des § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) schnitt er heimlich mehrere Gespräche mit einem Vertreter des Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung mit. Nachdem der Beklagte davon unterrichtet worden war, wurde dem Kläger erfolglos Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und sodann nach Zustimmung des Integrationsamts und nach Zustimmung des Personalrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses die außerordentliche fristlose Kündigung erklärt. Im Rahmen der erhobenen Kündigungsschutzklage berief sich der Kläger u. a. darauf, es fehle an der nach § 96 Abs. 3 SGB IX erforderlichen Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung. Entgegen der Ansicht des LAG Hamm89 vertritt das BAG weiterhin die Auffassung, dass zunächst bereits der Wortlaut von § 96 Abs. 3 SGB IX auf eine Rechtsfolgenverweisung hindeutet, indem der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der §§ 15 KSchG, 103 BetrVG bzw. der entsprechenden personalvertretungsrechtlichen Regelungen auf die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen erstreckt. Diese Bewertung entnimmt das BAG außerdem der Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzes für die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen, weil die in § 96 Abs. 3 SGB IX vorgesehene Regelung zunächst in das Schwerbehindertengesetz und sodann in das SGB IX übernommen worden sei, obwohl die bereits damals existente Rechtsprechung des BAG bei einer außerordentlichen Kündigung von der Zustimmungsbedürftigkeit des Betriebsrats oder Personalrats ausgegangen sei. Auch von der Teleologik des Gesetzes werde dieser Gesichtspunkt gedeckt, weil es dem Gesetzgeber darum ging, die Unabhängigkeit des Vertrauensmanns der Schwerbehinderten gegenüber dem Arbeitgeber zu fördern. Dabei hat ein möglicher Interessenkonflikt zwischen Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung keine Rolle gespielt. Eine Schutzlücke bestünde nach Ansicht des BAG auch dann nicht, wenn in einem Betrieb zwar eine Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, aber kein Betriebsrat gewählt worden sei. Bei derartiger Sachlage sei daran zu denken, dass der Arbeitgeber in Anwendung von § 103 Abs. 2 BetrVG die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung unmittelbar beim Arbeitsgericht beantragen muss. Schließlich sieht das BAG ein Hindernis für die Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung auch darin, dass es an einer Bestimmung des Rechts-

89 v. 21.1.2011 - 13 TaBV 72/10, AiB 2011, 553 Rz. 54 ff.

141

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

wegs für ein mögliches Zustimmungsersetzungsverfahren des Arbeitgebers fehlt. Angesichts dieser Entscheidung des BAG bleibt es bei der bisherigen Zustimmungsbedürftigkeit des Betriebsrats oder Personalrats bei Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Vertrauensmann der Schwerbehinderten. Die Entscheidung hat allerdings für die Praxis noch eine weiterführende Bedeutung, weil sie klarstellt, dass bei der Kündigung eines Mandatsträgers kein „strengerer Maßstab“ als bei sonstigen Kündigungen aus wichtigem Grunde anzulegen ist, jedoch im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden muss, ob ein Funktionsträger gerade in Ausübung seines Amts in Konflikt mit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten geraten ist. Im Übrigen bleibt es dabei, dass im Falle der Kündigung eines Funktionsträgers zunächst abgeklärt werden muss, ob eine Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis oder ausschließlich eine Verletzung von Amtspflichten vorliegt, die nur durch ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG geahndet werden kann. Verletzt der Funktionsträger sowohl seine Amtspflichten als auch eine für alle Arbeitnehmer gleichermaßen geltende vertragliche Verpflichtung, liegt jedenfalls auch eine Vertragsverletzung vor, bei der im Rahmen der Interessenabwägung der Konflikt mit dem Amt zu gewichten ist. In der Sache selbst hat sich das BAG der Bewertung der Vorinstanz angeschlossen, die das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 15 Abs. 1 i. V. m. § 626 Abs. 1 BGB bejaht und die Klage des Klägers abgewiesen hat. In diesem Zusammenhang hat der 2. Senat des BAG wie in der Entscheidung vom 21.6.201290 für die Beurteilung des wichtigen Grundes allein darauf abgehoben, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden konnte. (Boe)

6.

Konsequenzen bei der Verkennung des Betriebsbegriffs für die Sozialauswahl

Gemäß § 1 Abs. 3 KSchG ist eine Kündigung, die aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ausgesprochen wurde, gleichwohl sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung des Arbeitnehmers

90 2 AZR 343/11, NZA 2013, 224 Rz. 20.

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Konsequenzen bei der Verkennung des Betriebsbegriffs für die Sozialauswahl

nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Bezugspunkte für die Feststellung der insoweit maßgeblichen Vergleichsgruppe ist nicht das Unternehmen, sondern der kündigungsschutzrechtliche Betrieb91. Welche Bereiche eines Unternehmens als kündigungsschutzrechtlicher Betrieb gelten, kann durch den Arbeitgeber nicht nach Belieben bestimmt werden. Auch ist es den betrieblichen Sozialpartnern versperrt, durch Vereinbarung den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer abweichend vom kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriff festzulegen. Dies gilt, wie das BAG mit Urteil vom 20.9.201292 festgestellt hat, auch bei der Vereinbarung einer Namensliste im Interessenausgleich nach §§ 1 Abs. 5 KSchG, 125 InsO. Der kündigungsschutzrechtliche Betrieb wird losgelöst von der räumlichen Entfernung der insoweit jeweils in Rede stehenden Arbeitsplätze gekennzeichnet. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG kommt insoweit also nicht zur Anwendung. Entscheidend ist vielmehr, von welcher Stelle aus die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten übergreifend entschieden und in der Umsetzung gesteuert werden. Alle Arbeitnehmer, die von einer solchen Steuerung von einer Stelle aus betroffen sind, bilden deshalb ohne Rücksicht auf die räumliche Entfernung ihres Arbeitsplatzes einen kündigungsschutzrechtlichen Betrieb93. Sind Arbeitnehmer mehrerer Unternehmen von einer solchen Steuerung in Bezug auf die personellen und sozialen Angelegenheiten betroffen, bilden sie einen gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen im Sinne des Kündigungsschutzrechts94. Dieser (gemeinsame) Betrieb ist sodann der Auswahlentscheidung nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG zugrunde zu legen. Die vorstehend genannten Maßstäbe gelten auch im Rahmen der Insolvenz, wenn zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat ein Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO vereinbart wird. Allerdings ist eine Sozialauswahl, der eine Verkennung des Betriebsbegriffs zugrunde liegt, nicht stets als grob fehlerhaft anzusehen. Wie das BAG in der vorstehend genannten Entscheidung ausgeführt hat, ist die Verkennung des Betriebsbegriffs ein Unterfall einer Verkennung des auswahlrelevanten Personenkreises. Bei der gerichtlichen Überprüfung gilt deshalb der Maßstab der groben Fehlerhaf91 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 483/11, NZA 2013, 94 Rz. 25 ff.; HWK/Quecke, KSchG § 1 Rz. 256; ErfK/Gallner, InsO § 125 Rz. 10. 92 6 AZR 483/11, NZA 2013, 94 Rz. 22. 93 BAG v. 18.1.1990 – 2 AZR 355/89, DB 1991, 500 ff.; HWK/Quecke, KSchG § 1 Rz. 259. 94 BAG v. 3.6.2004 – 2 AZR 577/03, NZA 2005, 175; Fuhlrott/Hoppe, BB 2012, 253 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

tigkeit. Die Sozialauswahl – so das BAG – sei dabei nur dann grob fehlerhaft, wenn im Interessenausgleich der Betriebsbegriff selbst grob verkannt worden sei, seine Fehlerhaftigkeit also „ins Auge springe“. Sprächen dagegen gut nachvollziehbare und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielende Überlegungen für die – ggf. fehlerhaft – getroffene Eingrenzung des auswahlrelevanten Personenkreises, sei die Grenze der groben Fehlerhaftigkeit unterschritten95. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Insolvenzverwalter beschlossen, von 109 Technik-Centern, die bundesweit bestanden, 107 zu schließen. Die hiervon betroffenen Arbeitnehmer waren in einem Interessenausgleich namentlich bezeichnet worden. Ergänzend hierzu war im Interessenausgleich auszugsweise festgestellt worden: Die Parteien sind darüber einig, dass freie Arbeitsplätze, auf welchen die betroffenen Arbeitnehmer der bezeichneten QTC weiterbeschäftigt werden könnten, im Unternehmen der Insolvenzschuldnerin nicht bestehen. Die Parteien stimmen ferner überein, dass eine Sozialauswahl nicht durchzuführen ist.

Der Kläger hielt seine Kündigung für unwirksam. Er machte geltend, dass es bei der Beklagten im Anschluss an das Wirksamwerden der Stilllegung weiterhin vier sogenannten „Küchen-Megastores“ gäbe, deren Leitung er übernehmen könne. Er war bis dahin als Leiter eines der QTC tätig. Darüber hinaus könne er die Leitung der verbliebenen QTC übernehmen, die ebenfalls zu „Küchen-Megastores“ umgestaltet werden konnten. Der Insolvenzverwalter hatte dagegen eine übergreifende Vergleichbarkeit abgelehnt. Nach seiner Auffassung bildeten die einzelnen QTC jeweils einen kündigungsschutzrechtlichen Betrieb. Darüber hinaus macht er geltend, dass der Kläger nicht die notwendige Sachkunde hatte, um die besonderen Arbeiten in einem Küchen-Megastore zu übernehmen. Denn bislang war es in den QTC nur um den Verkauf technischer Geräte an den Endverbraucher gegangen. Eine Küchenplanung, die auch Kenntnisse des Möbelbaus voraussetzte, war damit nicht verbunden. Unter Berücksichtigung dieses Sachvortrags hat der 6. Senat des BAG die Revision zurückverwiesen. Nach seiner Auffassung sprachen bereits gute Gründe für die Annahme, dass keine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl gegeben war. Denn die Parteien hatten in einer jedenfalls nachvollziehbaren und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielenden Weise den Kreis 95 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 483/11, NZA 2013, 94 Rz. 21; BAG v. 3.4.2008 – 2 AZR 879/06, NZA 2008, 1060 Rz. 16 f.

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Konsequenzen bei der Verkennung des Betriebsbegriffs für die Sozialauswahl

der auswahlrelevanten Personen bestimmt. Ausgehend davon, dass sich bei einer Vielzahl von Filialen, wie sie vorliegend in Rede standen, die Kompetenzen der jeweiligen Leiter durchaus unterscheiden konnten, wäre hiervon ausgehend im Zweifel noch keine grobe Fehlerhaftigkeit des Auswahlfehlers gegeben. Schlussendlich konnte eine abschließende Bewertung der groben Fehlerhaftigkeit allerdings offen bleiben. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist eine Sozialauswahl nur dann unwirksam, wenn sich ihr Ergebnis als fehlerhaft erweist. Darauf nimmt das BAG in seinem Urteil vom 20.9.201296 ausdrücklich Bezug. Auch ein mangelhaftes Auswahlverfahren könne deshalb zu einem richtigen, nicht fehlerhaften Auswahlergebnis führen. Insofern ist nicht der Weg, sondern das erreichte Ziel maßgeblich für die Frage, ob eine Kündigung den Anforderungen einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG Rechnung trägt. Wenn eine Sozialauswahl gar nicht oder methodisch fehlerhaft durchgeführt worden sei, sei die Kündigung jedenfalls nicht aus diesem Grund unwirksam, wenn – so das BAG – mit der tatsächlich getroffenen Auswahl des Gekündigten eine, sei es auch zufällig, objektiv vertretbare Auswahl getroffen worden sei97. Die Würdigung des Gerichts, die soziale Auswahl sei nicht ausreichend bzw. fehlerhaft, setze deshalb die Feststellung voraus, dass der vom Arbeitnehmer konkret gerügte Auswahlfehler tatsächlich vorliege, also ein bestimmter mit dem gekündigten vergleichbarer Arbeitnehmer in dem nach dem Gesetz erforderlichen Maß weniger schutzbedürftig sei98. Hiervon war im vorliegenden Fall nach Auffassung des BAG nicht auszugehen. Denn der Kläger wäre ohnehin nur noch in einem Küchen-Megastore einsetzbar gewesen. Die übrigen QTC wurden geschlossen. Da die Stelle eines Leiters des Küchen-Megastores mit einem Anforderungsprofil verknüpft war, dass der Kläger mit den vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht erfüllen konnte, war die für eine Sozialauswahl erforderliche Vergleichbarkeit nicht gegeben. Jedenfalls war es auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Überprüfbarkeit als Folge einer Namensliste nach § 125 InsO nicht gerechtfertigt, von einer groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl auszugehen. Für die betriebliche Praxis zeigt diese Entscheidung, dass nicht jeder Fehler bei der Ausgestaltung eines Verfahrens zur Sozialauswahl unmittelbar die 96 6 AZR 483/11, NZA 2013, 94 Rz. 25. 97 BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 476/10 n. v. (Rz. 48). 98 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 483/11, NZA 2013, 94 Rz. 25; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 420/09, NZA 2010, 1352 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Unwirksamkeit einer Kündigung zur Folge hat. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob Fehler in Bezug auf den Betriebsbegriff, die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern gemacht oder – beispielsweise im Rahmen eines Punkteschematas – eine unausgewogene Gewichtung der Sozialdaten vorgenommen wird. Denn wenn schlussendlich das Ergebnis doch noch eine angemessene Würdigung von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und einer etwaigen Schwerbehinderung unter den tatsächlich vergleichbaren Arbeitnehmern darstellt, liegt keine soziale Ungerechtfertigkeit gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG vor. (Ga)

7.

Strenge Anforderungen an die Bildung einer Altersgruppe zur Sozialauswahl

a)

Ausgangssituation

Bereits mit Blick auf das Urteil des BAG vom 22.3.201299 hatten wir auf die weitergehende Konkretisierung der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Bildung einer Altersgruppe zur Durchführung der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG berichtet100. Mit Urteil vom 19.7.2012101 hat das BAG diese Grundsätze noch einmal bestätigt und damit auch in einer für die betriebliche Praxis handhabbaren Weise klargestellt, unter welchen Voraussetzungen überhaupt von einer solchen Ausgestaltung der Sozialauswahl Gebrauch gemacht werden sollte. Ergänzend hierzu hat sich der 2. Senat des BAG in dem vorstehend genannten Urteil mit den konkreten Anforderungen an eine Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG befasst. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte, ein Unternehmen der Automobilzulieferer-Industrie, im Zusammenhang mit einer Teilstilllegung die Verlagerung von insgesamt 128 der 1.820 Arbeitsplätze beschlossen. Der insoweit erforderliche Personalabbau sollte in zwei Wellen erfolgen. Während die gewerblichen Arbeitsplätze sogleich abgebaut wurden, vereinbarten die Beklagte und der Betriebsrat im Interessenausgleich, dass die Kündigung der übrigen Arbeitnehmer erst im nächsten Quartal erfolgen solle. Die Klägerin, die auf der zweiten Namensliste, die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart wurde, namentlich genannt war, machte die Unwirksamkeit ihrer Kündigung geltend. Sie vertrat nicht nur die Auffassung, 99 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040 ff. 100 B. Gaul, AktuellAR 2012, 431 ff. 101 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 ff.

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Strenge Anforderungen an die Bildung einer Altersgruppe zur Sozialauswahl

dass die Altersgruppen, im Rahmen derer die Sozialauswahl vorgenommen wurde, den Anforderungen aus § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG nicht genügten. Sie machte darüber hinaus geltend, dass eine andere Mitarbeiterin, die wegen besonderer Kenntnisse weiter beschäftigt wurde, an ihrer Stelle hätte gekündigt werden müssen.

b)

Formale Anforderungen an die Namensliste im Interessenausgleich

Wenn bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind, wird gemäß § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann in diesem Fall nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 5 S. 2 KSchG). In dem der Entscheidung des BAG vom 19.7.2012102 zugrunde liegenden Fall war die Kündigung Folge einer Betriebseinschränkung nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG. Da die Entlassungen auf eine einheitliche Entscheidung zurückgeführt werden konnten, spielte es keine Rolle, dass sie in mehreren „Wellen“ durchgeführt wurden. Auch die formalen Anforderungen an die Vereinbarung einer Namensliste im Interessenausgleich waren erfüllt. Insbesondere genügten die konkreten Absprachen dem Schriftformerfordernis der §§ 125, 126 BGB. Wie das BAG ausdrücklich ausgeführt hat, treten die Wirkungen des § 1 Abs. 5 S. 1, 2 KSchG nicht nur dann ein, wenn die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, unmittelbar im Text des Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Es genüge, wenn Interessenausgleich und Namensliste zwar zwei textlich separate Schriftstücke, aber gleichwohl eine einheitliche Urkunde bildeten, die insgesamt dem Schriftformerfordernis der §§ 125, 126 BGB genüge. Werde die Namensliste getrennt von dem Interessenausgleich erstellt, reiche es dafür aus, dass im Interessenausgleich auf die zu erstellende Namensliste verwiesen werde, die erstellte Namensliste – ebenso wie zuvor der Interessenausgleich – von den Betriebsparteien unterschrieben werde und die Liste ihrerseits eindeutig auf den Interessenausgleich Bezug nehme103. Auch eine nicht unterschriebe102 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 15 ff. 103 BAG v. 19.7.2012 - 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 20; BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 551/08, NZA 2011, 114 Rz. 23.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

ne Namensliste wahre als Anlage die gesetzlich erforderliche Schriftform, wenn die Unterschrift unter dem Interessenausgleich sie als Teil dessen noch decke. Dass sei der Fall, wenn der Interessenausgleich selbst unterschrieben sei, in ihm auf die Anlage ausdrücklich Bezug genommen werde und Interessenausgleich und Anlage schon bei dessen Unterzeichnung mit einer Heftmaschine körperlich derart miteinander verbunden gewesen seien, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung (Lösen der Heftklammer) möglich gewesen sei104. Nicht erforderlich sei, dass Interessenausgleich und Namensliste zeitgleich unterzeichnet würden. Der Interessenausgleich könne, um die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG auszulösen, noch nach seinem Abschluss zeitnah um eine Namensliste ergänzt werden105. Diesen Anforderungen hatten die betrieblichen Sozialpartner vorliegend Rechnung getragen. Denn der Interessenausgleich vom 10.7.2009 enthielt einen ausdrücklichen Hinweis auf eine noch zu vereinbarende und zu unterzeichnende Namenliste. Die sodann am 20.9.2009 unterzeichnete (zweite) Namenliste war mit „Namensliste Interessenausgleich Phase 2“ gekennzeichnet. Da die insoweit vorgenommene Ergänzung des Interessenausgleichs etwa sechs Wochen nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs selbst noch als zeitnah anzusehen sei, genügte dies, um insgesamt von einer einheitlichen Vereinbarung auszugehen. Dass insoweit mehrere Namenlisten vereinbart wurden, war unschädlich, da letztendlich auf beiden Listen sämtliche Arbeitnehmer genannt wurden, die von einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen der Betriebsänderung betroffen waren106.

c)

Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen

Bereits mit Urteil vom 15.12.2011107 hatte der 2. Senat des BAG klargestellt, dass die Durchführung der Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen grundsätzlich mit dem unionsrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung

104 BAG v. 19.7.2012 - 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 20; BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 551/08, NZA 2011, 114 Rz. 23. 105 BAG v. 19.7.2012 - 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 20; BAG v. 26.3.2009 – 2 AZR 296/07, NZA 2009, 1151 Rz. 24. 106 BAG v. 19.7.2012 - 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 21 f.; BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 111/02, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 1 zu Namensliste. 107 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044 Rz. 25 ff.

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Strenge Anforderungen an die Bildung einer Altersgruppe zur Sozialauswahl

vereinbar ist108. Daran knüpft der 2. Senat des BAG in seinem Urteil vom 19.7.2012109 an. Da der 2. Senat des BAG die Rechtfertigung zur Bildung von Altersgruppen allerdings aus § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG zieht, setzt die Wirksamkeit der Auswahlentscheidung voraus, dass der Arbeitgeber konkret zu den Auswirkungen und möglichen Nachteilen von Kündigungen gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG auch die Altersstruktur der Belegschaft und die damit verbundenen Nachteile für den Betrieb vorgetragen hat. Ein solcher Vortrag muss auch Gegenstand der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG sein. Denn nur dann, wenn ein berechtigtes betriebliches Interesse gegeben ist, kann abweichend von der durch § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG vorgegebenen Auswahlentscheidung vorgegangen werden. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass das bloße Vorliegen einer Massenentlassung im Zweifel noch nicht genügt, um ein solches berechtigtes Interesse – widerlegbar – zu vermuten. Denn nur dann, wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, will das BAG von einer solchen Vermutung ausgehen110. Da in der Gruppe der hier in Rede stehenden (vergleichbaren) Arbeitnehmer nur zwei Arbeitnehmer gekündigt wurden, während im Betrieb insgesamt 1.820 Arbeitnehmer tätig waren, konnte trotz des Umstands, dass insgesamt 128 Arbeitnehmer gekündigt werden sollten, damit auf die Vermutungswirkung nicht zurückgegriffen werden. Letztendlich konnte das BAG die weitergehende Prüfung eines berechtigten Interesses aber offenlassen. Denn nach seinen Feststellungen war die hier vorgenommene Altersgruppenbildung zur Erhaltung der Altersstruktur bereits ungeeignet. Eine Altersgruppenbildung – so das BAG – sei zur Erhaltung der Altersstruktur der Belegschaft nur geeignet, wenn sie dazu führe, dass die bestehende Struktur bewahrt bleibe. Dafür müsse die bisherige Verteilung der Beschäftigten auf die Altersgruppen ihre prozentuale Entsprechung in der Anzahl der in der jeweiligen Altersgruppe zu Kündigenden finden. Dadurch werde die Erhaltung der bisherigen Struktur der Gesamtbelegschaft – in etwa – erreicht. Seien mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den

108 Ebenso BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 682/10, NZA 2012, 1090 Rz. 28 ff. 109 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 25. 110 BAG v. 19.7.2012 - 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 28; BAG v. 22.3.2012 – 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040 Rz. 30 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Entlassungen betroffen, müsse auch eine proportionale Berücksichtigung aller Altersgruppen innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe möglich sein. Die betriebsweite Sicherung der Altersstruktur müsse die Folge der proportionalen Beteiligung sämtlicher Altersgruppen innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen sein. Insoweit ist die Vergleichsgruppe, nicht der Betrieb, Bezugspunkt für § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG. Es sei das Kennzeichen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb von Vergleichsgruppen zu erfolgen habe111. Diesen Mindestanforderungen an eine Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen genügte die von der Beklagten im vorliegenden Fall getroffene Auswahl der Klägerin nicht. Denn die Klägerin war einer Vergleichsgruppe zugeordnet worden, innerhalb derer insgesamt sieben Arbeitnehmer beschäftigt waren. Diese Arbeitnehmer hatte man in drei Altersgruppen aufgeteilt (bis 35 Jahre, 36 bis 45 Jahre, 46 bis 62 Jahre). Im Rahmen der Altersgruppen hatte man sodann auf der Grundlage eines Punkteschemas die Schutzbedürftigkeit festgelegt. Da allerdings für die hier in Rede stehende Vergleichsgruppe insgesamt nur zwei Kündigungen anstanden, war bereits eine proportionale Beteiligung aller Altersgruppen an den in Rede stehenden Kündigungen ausgeschlossen. Denn es konnten allenfalls zwei Altersgruppen beteiligt werden. Dies musste – so das BAG – notwendig zu einer Verschiebung der Altersstruktur führen. Dementsprechend hatten die ausgesprochenen Kündigungen in der Vergleichsgruppe der Klägerin auch zu einem Absinken des Altersdurchschnitts um 3,3 Jahre geführt112. d)

Sozialauswahl ohne Altersgruppe

Entsprechend den bereits an anderer Stelle aufgezeigten Grundsätzen bewirkt die Ungeeignetheit einer Altersgruppenbildung allerdings nicht automatisch die Unwirksamkeit einer Kündigung. Vielmehr ist zu überprüfen, ob trotz des fehlerhaften Verfahrens zur Begründung der Auswahlentscheidung noch ein Ergebnis eingetreten ist, bei dem gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG von einer angemessenen Berücksichtigung der vier Sozialdaten ausgegangen werden kann. Hiervon ist auch das BAG im Urteil vom 19.7.2012113 ausgegangen. Allerdings stand insoweit nicht die Gewichtung der Sozialdaten der Arbeitnehmer innerhalb der Vergleichsgruppe der Klägerin in Rede. Vielmehr stellte sich die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt war, eine deutlich

111 BAG v. 19.7.2012 - 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 31; BAG v. 22.3.2012 – 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040 Rz. 33. 112 BAG v. 19.7.2012 - 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 32. 113 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 33 ff.

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Strenge Anforderungen an die Bildung einer Altersgruppe zur Sozialauswahl

jüngere Arbeitnehmerin wegen ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG sind – so das BAG – in die Sozialauswahl vergleichbare Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Aus dem Umstand, dass das Gesetz dafür ein betriebliches Interesse nicht ausreichen lasse, sondern fordere, dieses müsse „berechtigt“ sein, folge, dass ein betriebliches Interesse auch „unberechtigt“ sein könne. Nach dem Gesetz seien danach dem betrieblichen Interesse entgegengesetzte Interessen denkbar, die einer Herausnahme von sogenannten Leistungsträgern aus der Sozialauswahl entgegenstehen könnten. Bei diesen gegenläufigen Interessen könne es sich angesichts des Umstands, dass § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG eine Ausnahme vom Gebot der Sozialauswahl statuiere, nur um die Belange des sozial schwächeren Arbeitnehmers handeln. Diese seien im Rahmen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG demnach gegen das betriebliche Interesse an einer Herausnahme von Leistungsträgern abzuwägen. Je schutzbedürftiger dabei der sozial schwächere Arbeitnehmer sei, umso gewichtiger müssten die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein114. Vorliegend hatte der Arbeitgeber geltend gemacht, dass die Arbeitnehmerin, die anstelle der Klägerin weiterbeschäftigt worden war, zur Gewährleistung einer störungsfreien Kommunikation mit der spanischen Vorgesetzten im Bereich „Entwicklung“ weiterbeschäftigt werden müsse. Denn die Kommunikation mit der spanischen Vorgesetzten bedurfte, dies hatte das Berufungsgericht LAG Baden-Württemberg festgestellt115, „verhandlungssichere Englischkenntnisse“, über welche diese Mitarbeiterin verfügte. Grundsätzlich sind die vorstehenden Gesichtspunkte ohne weiteres als ein betrieblicher Belang anzusehen. Ob dieser allerdings auch „berechtigt“ ist, hängt vom Ergebnis der Abwägung dieser Interessen mit den Interessen der Klägerin ab. Dabei war – so das BAG – zu berücksichtigen, dass in Bezug auf die soziale Schutzbedürftigkeit der weiterbeschäftigten Arbeitnehmerin einerseits und der Klägerin andererseits ein erheblicher Unterschied gegeben war. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Kündigung 52 Jahre alt und etwa 31 Jahre im Betrieb beschäftigt. Die an ihrer Stelle weiter beschäftigte Mitarbeiterin war mit 26 Jahren nur halb so alt und gehörte dem Betrieb erst rund vier Jahre an. Dementsprechend kam die Klägerin unter Anwendung 114 BAG v. 19.7.2012 - 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 36; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 420/09, NZA 2010, 1352 Rz. 29. 115 v. 25.3.2011 – 18 Sa 77/10, NZA-RR 2011, 407 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

der Regelungen des Interessenausgleichs auf 102, die Kollegin lediglich auf 29 „soziale“ Punkte. Angesichts dieses erheblichen Unterschiedes bedurfte es nach den Feststellungen des BAG „gewichtiger betrieblicher Interessen“, um eine Herausnahme der Kollegin aus der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG zu rechtfertigen. Die bloße Feststellung, dass verhandlungssichere Englischkenntnisse erforderlich waren, trug diesem Erfordernis einer Interessenabwägung nicht ausreichend Rechnung. Insbesondere hätte – so das BAG – auf der tatrichterlichen Ebene geprüft werden müssen, in welchem Umfang diese „verhandlungssicheren Englischkenntnisse“ tatsächlich gebraucht wurden. Darüber hinaus hätte überprüft werden müssen, ob es für den Arbeitgeber durch Einbeziehung anderer Mitarbeiter nicht alternative Möglichkeiten einer Aufrechterhaltung der Kommunikation mit der Vorgesetzten gegeben hätte. Hätten solche Gestaltungsmöglichkeiten bestanden, würden die betrieblichen Belange an einer Weiterbeschäftigung der Kollegin geringer zu gewichten sein. Eine abschließende Entscheidung konnte das BAG auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen nicht treffen. Die Sache ist nunmehr zurückverwiesen worden, damit eine am Einzelfall ausgerichtete Prüfung der berechtigten betrieblichen Interessen nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG erfolgen kann. (Ga)

8.

Kennzeichnung des leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG

a)

Ausgangssituation

Auch der leitende Angestellte im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG genießt den uneingeschränkten Schutz vor einer Kündigung durch §§ 1, 2 KSchG. Allerdings ist der Arbeitgeber bei diesem Personenkreis berechtigt, gemäß §§ 9, 10 KSchG einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zu stellen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedarf. Wenn die Kündigung nur als Folge einer fehlenden sozialen Rechtfertigung unwirksam ist, reduziert sich der Kündigungsschutz damit auf den Anspruch auf Zahlung einer Abfindung. In seinem Urteil vom 19.4.2012116 hat das BAG noch einmal klargestellt, welche Voraussetzungen an die Kennzeichnung eines leitenden Angestellten

116 2 AZR 186/11, NZA 2013, 27 ff.

152

Kennzeichnung des leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG

im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG geknüpft sind. Da das Gesetz insoweit nur von der Befugnis zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern spricht, ist diese weitergehende Konkretisierung überaus hilfreich für die Bewertung der Erfolgsaussichten eines Auflösungsantrags.

b)

Berechtigung zur selbständigen Einstellung oder Entlassung

Die nach § 14 Abs. 2 KSchG in Bezug auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellt erforderliche Befugnis zur selbständigen Einstellung oder Entlassung muss – so das BAG – entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer erfassen. Entscheidend für das Gewicht der Personalkompetenz sei, welchen Stellenwert die Tätigkeit der Mitarbeiter, die der betreffende einstellt oder entlässt, für das Unternehmen habe. Es könne auch dann ausreichend sein, wenn sich die personellen Entscheidungskompetenzen des Angestellten auf eine geschlossene Gruppe bezögen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Bedeutung sei117. Zur selbständigen Einstellung oder Entlassung sind nach diesen Vorgaben indes nur solche Arbeitnehmer berechtigt, deren entsprechende Befugnis nicht nur im Außen-, sondern auch im Innenverhältnis besteht. Insofern kann – so das BAG – von einer Berechtigung zur selbständigen Einstellung nicht die Rede sein, wenn sie sich auf die Befugnis beschränke, intern Vorschläge zu unterbreiten118. Die Personalkompetenz muss sodann auch einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen und darf nicht „nur auf dem Papier stehen“. Sie muss nach den Vorgaben des BAG tatsächlich ausgeübt werden. Hierfür kommt es allerdings nicht darauf an, welchen zeitlichen Anteil sie an der Tätigkeit des Angestellten besitzt. Maßgeblich sei, ob sie von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen und damit als Teil der Tätigkeit des Angestellten qualitativ nicht unwesentlich sei119. Hiervon ausgehend war der Kläger als leitender Angestellter zu qualifizieren. Er war zuletzt als Leiter der Abteilung Baufinanzierung beschäftigt. Hier besaß er die Befugnis, die ihm unterstellten Mitarbeiter selbständig

117 BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 186/11, NZA 2013, 27 Rz. 31; BAG v. 14.4.2011 – 2 AZR 167/10, DB 2011, 2496 Rz. 14. 118 BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 186/11, NZA 2013, 27 Rz. 32; BAG v. 14.4.2011 – 2 AZR 167/10, DB 2011, 2496 Rz. 13. 119 BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 186/11, NZA 2013, 27 Rz. 33, 39; BAG v. 10.10.2002 - 2 AZR 598/01, AiB 2004, 319 Rz. 46.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

einzustellen und zu entlassen. Auch wenn sich diese Kompetenz insoweit nur auf eine geschlossene Gruppe innerhalb der Belegschaft der Beklagten - die insgesamt etwa 110 Mitarbeiter beschäftigte – bezog, nämlich auf die 45 Mitarbeiter der von ihm geleiteten Abteilung, war dieser Befugnis ein besonderes Gewicht zuzuerkennen. Denn für die Beklagte als Bausparkasse war die rechtliche und technische Abwicklung der Baufinanzierung von entscheidender Bedeutung. Damit konnte der Auflösungsantrag grundsätzlich ohne eine weitergehende Begründung gestellt werden.

c)

Bedeutung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses

Das Besondere des hier in Rede stehenden Falls lag indes darin, dass der Kläger zwar seit 1992 bei der Beklagten zu 1) beschäftigt war. Mit Schreiben vom 4.12.1997 und 5.4.2006 waren indes die Beklagten zu 2) und 3) dem Arbeitsverhältnis im Einverständnis mit dem Kläger als weitere Arbeitgeberinnen beigetreten. Umstritten war daher, ob der Kläger auf der Grundlage von drei verschiedenen Arbeitsverhältnissen tätig war oder ob von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis zu den drei Beklagten auszugehen war. Der 2. Senat des BAG ist in seinem Urteil vom 19.4.2012120 von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis ausgegangen. Ebenso wie auf Arbeitnehmerseite könnten auch auf Arbeitgeberseite mehrere rechtlich selbständige Personen an demselben Arbeitsverhältnis beteiligt sein. Stünden mehrere natürliche oder juristische Personen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer, lägen insoweit nicht notwendig mehrere getrennte Arbeitsverhältnisse vor. Vielmehr könne auch ein einheitliches Arbeitsverhältnis gegeben sein. Erforderlich sei allerdings ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen des Arbeitnehmers zu den einzelnen Arbeitgebern, der es verbiete, diese Beziehungen rechtlich getrennt zu behandeln121. Hiervon war vorliegend auszugehen. Denn die Beklagten zu 2) und 3) waren gemäß der vorstehend genannten Schreiben als weitere Arbeitgeberinnen „beigetreten“. In dem Beitrittsschreiben war nur abstrakt bestimmt, dass der Kläger nunmehr Tätigkeiten auf die Beklagten zu 2) und 3) erbringe. Konkrete Tätigkeitsanteile wurden jedoch nicht festgelegt. Da keine Aufschlüsselung des Entgeltanspruchs vorgenommen wurde und ergänzend vereinbart worden war, dass eine Kündigung nur insgesamt für und gegen alle Arbeit120 2 AZR 186/11, NZA 2013, 27 Rz. 15 ff. 121 Ebenso BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 692/10, AP BGB § 613 a Nr. 424; ErfK/Preis, BGB § 611 Rz. 191.

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Wie gewonnen, so zerronnen: Restitutionsklage nach EGMR-Entscheidung

geberinnen ausgesprochen werden konnte, lagen die typischen Rechtsfolgen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses vor. Bedeutung besaß dies nicht nur für die Frage, ob die streitgegenständliche Kündigung wirksam war. Diese war wegen einer unerlaubten Privatnutzung des Internets ausgesprochen worden, allerdings – sowohl außerordentlich als auch ordentlich – an dem Fehlen einer Abmahnung wegen einer gleichartigen Pflichtverletzung gescheitert. Bedeutung hat das Vorliegen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses schlussendlich auch für den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 9, 10 KSchG. Hier hat es das BAG indes als ausreichend angesehen, dass der Arbeitnehmer jedenfalls in Bezug auf einen der Arbeitgeber als leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG qualifiziert werden kann. Angesichts der vereinbarten Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses schlage sich diese Kennzeichnung auch auf die Beziehung zu den anderen Arbeitgebern aus, so dass auch insoweit ohne eine weitergehende Begründung die gerichtliche Auflösung beantragt werden könne. Dem ist zuzustimmen. (Ga)

9.

Wie gewonnen, so zerronnen: Restitutionsklage nach EGMR-Entscheidung

Nach § 580 Nr. 8 ZPO findet die Restitutionsklage u. a. auch dann statt, wenn der EGMR eine Verletzung der europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht. Gemäß § 35 EGZPO gilt der durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung der Justiz neu eingeführte Revisionsgrund nur für Verfahren, die nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift am 31.12.2006 rechtskräftig entschieden worden sind. Mit einem derartigen Restitutionsgrund hatte sich der 2. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 22.11.2012122 zu beschäftigen. Dem Kläger des Falles war von der beklagten Kirchengemeinde im Jahre 1997 vor allem deswegen gekündigt worden, weil er Ehebruch begangen und dadurch seine besonderen Loyalitätspflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt habe. Die Kündigungsschutzklage des Klägers wurde im Jahre 1998 vom LAG Düsseldorf123 abgewiesen, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen und die eingelegte Verfassungsbeschwerde im Jahre 2002 vom 122 2 AZR 570/11 n. v. 123 v. 13.8.1998 – 7 Sa 425/98, LAGE, BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 9.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Der EGMR stellte mit Urteil vom 23.9.2010124 fest, dass die Entscheidung des LAG Düsseldorf das Recht des Klägers auf Achtung seines Privat – und Familienlebens aus Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt. Mit Urteil vom 28.6.2012 hat der EGMR125 dem Kläger nach Art. 41 EMRK eine Entschädigung in Höhe von 40.000,- € zugesprochen. Mit seiner am 18.10.2010 bei dem LAG Düsseldorf eingegangenen Restitutionsklage hat der Kläger erfolglos die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens und die Aufhebung des in diesem Verfahren ergangenen rechtskräftigen Urteils vom 13.8.1998126 begehrt, die sich auf die von der beklagten Kirchengemeinde mit Schreiben vom 15.7.1997 zum 31.3.1998 erklärten fristgerechten Kündigung bezog. Das LAG Düsseldorf hat mit Urteil vom 4.5.2011127 die Restitutionsklage als unzulässig verworfen, weil der gesetzliche Restitutionsgrund aus § 580 Nr. 8 ZPO gemäß der Überleitungsvorschrift des § 35 EGZPO das Verfahren des Klägers nicht erfasse mit der Folge, dass ein Restitutionsgrund zu verneinen sei. Die Überleitungsvorschrift sähe nämlich vor, dass der neue Restitutionsgrund aus § 580 Nr. 8 ZPO nur für Verfahren gelten könne, die nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift, mithin nach dem 31.12.2006, rechtskräftig entschieden worden seien. Die Rechtskraft der Entscheidung, gegen die sich die Restitutionsklage richte, sei jedoch bereits im Jahre 2000 am 29.5.2000 mit dem Zurückweisungsbeschluss der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BAG eingetreten. Die Stichtagsregelung des § 35 EGZPO sei nicht zu beanstanden, weil die Bundesrepublik Deutschland mit der Ergänzung des § 580 ZPO um die Ziff. 8 der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarats vom 19.1.2000 nachgekommen sei, in der die Mitgliedsstaaten ausdrücklich dazu aufgerufen werden, die Wiederaufnahme des Verfahrens in ihren nationalen Rechtsordnungen vorzusehen. Die Bundesrepublik Deutschland habe mithin eine „überobligatorische“ Leistung erbracht, die sie mit einer Stichtagsregelung verbunden habe, was unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit dem Verbot der „echten Rückwirkung“ eines Gesetzes128 entsprochen habe.

124 1620/03, NZA 2011, 297 ff. – Schüth. 125 1620/03, NZA 2011, 297 ff. – Schüth. 126 LAG Düsseldorf v. 13.8.1998 – 7 Sa 425/98, LAGE BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 9. 127 7 Sa 1427/10 n. v. 128 BVerfG v. 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01, NJW 2004, 739.

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Beginn der Klagefrist nach Kündigung durch vollmachtlosen Vertreter

Dieser Auffassung ist das BAG gefolgt und hat darauf hingewiesen, dass § 35 EGZPO mit seinem Inhalt nicht konventions- oder verfassungswidrig sei. Nach Ansicht des BAG verlangten weder die EMRK noch deutsches Verfassungsrecht zwingend danach, einem die Verletzung der Konvention feststellenden Urteil des EGMR die Wirkung beizumessen, die Rechtskraft von Zivilurteilen im Ausgangsverfahren zu beseitigen. Der Gesetzgeber habe zudem für „Altfälle“ das Vertrauen der im Ausgangsverfahren erfolgreichen Partei in den Bestand des rechtskräftigen Zivilurteils stärker gewichten dürfen als das Interesse der unterlegenen Partei, das Verfahren wegen eines festgestellten Konventionsverstoßes wieder aufzunehmen. Das in Art. 6 Abs. 2 EUV zum Ausdruck gebrachte Ziel der wirksamen Umsetzung der EMRK stünde dem nicht entgegen. Wie auch die Whistleblower-Entscheidung des EGMR vom 21.7.2011129 belegt, gewinnen Entscheidungen des EGMR ebenfalls im Arbeitsrecht an Bedeutung, so dass der nunmehr in § 580 Nr. 8 ZPO verankerte Restitutionsgrund auch im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien nicht unerhebliche Ansprüche aus Annahmeverzug (§ 615 BGB) auslösen kann. In dem vom BAG entschiedenen Verfahren hatte der Kläger immerhin vor dem EGMR eine Forderung von 644. 099,27 € aufgestellt. (Boe)

10. Beginn der Klagefrist nach Kündigung durch vollmachtlosen Vertreter Gemäß § 4 S. 1 KSchG muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim ArbG auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, will er geltend machen, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 KSchG erklärter Vorbehalt erlischt (§ 7 KSchG). Grundsätzlich kann damit die Unwirksamkeit einer Kündigung nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist nur geltend gemacht werden, wenn sie auf einem Mangel der Schriftform (§ 623 BGB) beruht130.

129 Beschwerdenummer 28274/08, NZA 2011, 1269 ff. - Heinisch. 130 BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 858/11, DB 2013, 520 Rz. 11, BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 873/06, NZA 2007, 972 Rz. 10.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

In seinem Urteil vom 6.9.2012131 macht der 2. Senat des BAG indes zu Recht deutlich, dass der Beginn der gesetzlichen Klagefrist außerdem den Zugang von einer vom Arbeitgeber stammenden, ihm jedenfalls aufgrund ordnungsgemäßer Vertretung zurechenbaren Kündigung voraussetzt. Zum einen bedürfte es eines Schutzes des Arbeitgebers durch die Klagefrist nicht, wenn weder er selbst noch ein Vertreter mit Wirkung für und gegen ihn gekündigt habe132. Zum anderen hätte es sonst ein Dritter in der Hand, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, ohne dass zumindest eine Partei des Arbeitsvertrags dies tatsächlich gewollt habe. Versäumte der Arbeitnehmer in diesem Fall die Einhaltung der Klagefrist, träte die Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG ein, ohne dass der Arbeitgeber die Möglichkeit gehabt hätte, dies zu verhindern133. Hiervon ausgehend sei – so das BAG – eine Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen, weil sie nicht von seinem Willen getragen sei. Hiervon war in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall auszugehen. Denn dieses war lediglich durch den nicht allein vertretungsberechtigten Prokuristen und eine personalverantwortliche Mitarbeiterin unterzeichnet, die lediglich Handlungsvollmacht besaß. Eine Genehmigung dieser Kündigung durch die Beklagte war erst im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens erfolgt. Da der Kläger die Kündigungsschutzklage allerdings erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist erhoben hatte, war zu entscheiden, ob die Kündigung wegen Ablaufs der DreiWochen-Frist als wirksam zu behandeln war. Nach Auffassung des 2. Senats des BAG kommt eine solche Wirksamkeitsfiktion nur dann in Betracht, wenn zuvor eine entsprechende Genehmigung der Kündigung durch den Arbeitgeber erfolgt sei. Denn erst eine (nachträglich) erteilte Genehmigung stelle die erforderliche Zurechenbarkeit der Kündigung her. Materiell-rechtlich könne die Kündigung sowohl gegenüber dem Vertreter als auch dem Erklärungsempfänger erklärt werden (§ 182 Abs. 1 BGB). Da aber § 4 S. 1 KSchG den Beginn der Frist an den Zugang der Kündigungserklärung knüpfe und damit von der Kenntnismöglichkeit des Arbeitnehmers abhängig mache, sei auch für die Genehmigung – ebenso wie im Fall des § 4 S. 4 KSchG – auf ihren Zugang beim Arbeitnehmer ab-

131 2 AZR 858/11, DB 2013, 520 Rz. 12 ff. 132 BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 858/11, DB 2013, 520 Rz. 13; BAG v. 26.3.2009 – 2 AZR 403/07, NZA 2009, 1146 Rz. 22. 133 BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 858/11, DB 2013, 520 Rz. 13.

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Beginn der Klagefrist nach Kündigung durch vollmachtlosen Vertreter

zustellen134. Dass die Genehmigung materiell-rechtliche Rückwirkung habe (§ 184 Abs. 1 BGB), sei für den Lauf der Klagefrist ohne Bedeutung135. Hiervon ausgehend konnte das BAG zwar feststellen, dass die das Kündigungsschreiben unterzeichnenden Personen jedenfalls nicht offenkundig zur Vertretung des Arbeitgebers berechtigt waren. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn sich die Vertretungsbefugnis aus dem Handelsregister oder einer Originalvollmacht bei Zugang der Kündigung ergeben hätte. Insofern hat das BAG die Sache mit dem Ziel zurückverwiesen, auf tatrichterlicher Ebene festzustellen, ob die die Kündigung aussprechenden Personen bei deren Zugang Vertretungsmacht hatten. Sollte die behauptete Vollmacht bereits bei Zugang der Kündigung bestanden haben, hätte der Kläger mit seiner Klageerhebung die Frist des § 4 S. 1 KSchG nicht gewahrt, so dass die Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG eingetreten und die Klage deshalb unbegründet wäre. Sollte die erforderliche Vertretungsmacht zum Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung indes nicht vorgelegen haben, wäre die Frist des § 4 S. 1 KSchG mit dem Zugang der Genehmigung bei dem Kläger, hier also erst nach Klageerhebung, angelaufen. Damit wäre für einen Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG kein Raum. Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie zeigt allerdings noch einmal, wie wichtig es ist, die Vertretungsbefugnis der eine Kündigung unterzeichnenden Personen unmittelbar bei Zugang der Kündigung sicherzustellen. Dabei dürfte es trotz der Möglichkeit einer Innenvollmacht oder der nachträglichen Genehmigung indes nicht zu empfehlen sein, die insoweit bestehende Vertretungsbefugnis nicht (auch) gegenüber dem Arbeitnehmer deutlich zu dokumentieren. Denn der Arbeitnehmer kann die Kündigung nach § 174 BGB zurückweisen, wenn sich die Befugnis der unterzeichnenden Personen zur Vertretung des Arbeitgebers nicht aus einer Vollmachtsurkunde oder aus anderen Erkenntnisquellen ergibt, die allgemein zugänglich (z. B. Handelsregister) oder durch den Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zugänglich gemacht worden sind. Empfehlenswert ist daher, bei Personen, deren Vertretungsbefugnis sich nicht unmittelbar aus dem Handelsregister entnehmen lässt, eine Originalvollmacht des Arbeitgebers beizufügen, die ihrerseits von nach Maßgabe des Handelsregisters zur Vertretung des Arbeitgebers berechtigten Personen unterzeichnet ist. (Ga)

134 BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 858/11, DB 2013, 520 Rz. 14; ErfK/Kiel, KSchG § 4 Rz. 6. 135 BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 858/11, DB 2013, 520 Rz. 14.

159

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Dynamische Änderungen bei der betrieblichen Altersversorgung

In zwei Entscheidungen vom 18.9.2012 war der 3. Senat des BAG1 mit der Problematik befasst, ob und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen eine Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien und der Betriebsvereinbarungsparteien besteht, die betriebliche Altersversorgung von Betriebsrentnern im Hinblick auf die Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG gestalten zu dürfen. Der Arbeitgeber hat gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Diese Regelung verfolgt den Zweck, eine inflationsbedingte Auszehrung der Betriebsrenten zu vermeiden, um so das ursprünglich vorausgesetzte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei Rentenbeginn aufrechtzuerhalten2. Von § 16 BetrAVG kann nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden (§ 17 Abs. 2 S. 3 BetrAVG). In den weiteren Absätzen des § 16 BetrAVG konkretisiert der Gesetzgeber zur besseren Handhabung der in § 16 Abs. 1 BetrAVG nur vage umschriebenen Anpassungsprüfung die näheren Einzelheiten, unter welchen Voraussetzungen eine Anpassungsprüfung als erfüllt gilt und wann eine Anpassung entfällt oder zu Recht unterbleiben darf. Nach § 16 Abs. 2 BetrAVG gilt die Verpflichtung der Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ausfällt als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Vorgabe kann der Arbeitgeber im Rahmen der Anpassungsprüfung den Anpassungsmaßstab wählen und sich anstelle der Verbraucherindex-Lösung, die den Teuerungsausgleich der Geldrente abbildet, für eine darunter liegende netto- oder reallohnbezogene Obergrenze entscheiden.

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3 AZR 415/10, NZA 2013, 210 und 3 AZR 431/10 n. v. (Rz. 19). BAG v. 19.6.2012 – 3 AZR 464/11, NZA 2012, 1291 Rz. 23; BAG v. 30.8.2005 – 3 AZR 395/04, DB 2006, 732 ff.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Die Verpflichtung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG entfällt, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG). In beiden Entscheidungen des BAG ging es im Ergebnis um einen Wechsel der bisherigen günstigeren vertraglichen Anpassungsregelung für die Betriebsrentner zu einer Anpassung nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG durch einen Tarifvertrag bzw. eine Betriebsvereinbarung. In dem Verfahren3 stritten die Parteien darüber, ob die Klägerin, die bereits seit dem 1.10.1999 von der Beklagten Versorgungsleistungen auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Versorgungsrichtlinie erhielt, die eine jährliche Anpassung an die jeweiligen Gehälter bei der Beklagten vorsah, ab 1.1.2007 eine Anpassungsneuregelung durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung mit anschließender tarifvertraglicher Absicherung hinnehmen musste, die nur noch eine einprozentige Anpassung pro Jahr beinhaltete. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Anpassung ihrer Betriebsrente nach der früheren arbeitsvertraglichen Altersversorgungsrichtlinie vorzunehmen. In diesem Zusammenhang geht das BAG zunächst der Frage nach, ob und inwieweit eine arbeitsvertragliche Anpassungsregelung durch einen kollektiven Normenvertrag (Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) überhaupt zum Nachteil der Betriebsrentner abgeändert werden kann, weil das Verhältnis zwischen einem kollektiven Normenvertrag und einer arbeitsvertraglichen Regelung grundsätzlich durch das Gültigkeitsprinzip bestimmt wird. Dieses Prinzip setzt sich gegenüber nachträglich verschlechternden Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen durch, so dass sich der Arbeitnehmer weiterhin auf die günstigere arbeitsvertragliche Regelung berufen kann4. Das BAG weist jedoch darauf hin, dass dieses Prinzip Ausnahmen erleidet, wenn in der einzelvertraglichen Rechtsgrundlage selbst eine Möglichkeit für eine kollektive Verschlechterung vorgesehen ist. Gleiches gilt, wenn sich die kollektivvertragliche Neuregelung bei kollektiver Gesamtbetrachtung nicht als ungünstiger erweist als das aus der arbeitsvertraglichen Einheitsregelung resultierende Recht. Ebenso ist zu entscheiden, wenn die vertragliche Einheitsregelung aufgrund einer wesentlichen Störung ihrer Geschäftsgrundlage

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BAG v. 18.9.2012 - 3 AZR 415/10, NZA 2013, 210 ff. Nur BAG v. 18.9.2012 - 3 AZR 415/10, NZA 2013, 210 Rz. 21; BAG v. 15.2.2011 - 3 AZR 35/09, NZA-RR 2011, 541 Rz. 51.

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Dynamische Änderungen bei der betrieblichen Altersversorgung

ihre Verbindlichkeit verloren hat und hierdurch der Bedarf für eine Neuregelung vorliegt5. Im Streitfall geht das BAG von der ersten Alternative aus, weil die Auslegung der vertraglichen Versorgungszusage in einem Formulararbeitsvertrag unter Bezugnahme auf die als arbeitsvertragliche Einheitsregelung konzipierten Versorgungsrichtlinien nach ständiger Rechtsprechung des BAG6 ergebe, dass im Regelfall keine statische, vielmehr eine dynamische Verweisung auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen anzunehmen sei. Eine derartige dynamische Verweisung gerät nach Auffassung des BAG auch nicht in einen Widerspruch zum Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB oder zu § 308 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Die dynamische Verweisung als solche führt nicht zur Intransparenz, weil die im Zeitpunkt der Anwendung in Bezug genommenen Regelungen ausreichend bestimmbar sind7. Das BAG verneint auch einen Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB ungeachtet des Umstandes, dass nach den formellen Anforderungen dieser Vorschrift zumindest die Richtung angegeben werden muss, aus der die Änderung möglich sein soll8, weil integraler Bestandteil der Jeweiligkeitsklausel der Vorbehalt des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit sei. Angesichts dessen bedarf es nach Auffassung des BAG insoweit keiner ausdrücklichen Angabe von Änderungsgründen in der Jeweiligkeitsklausel selbst. Diese Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit erlauben nur in einem sehr eingeschränkten Maße den Eingriff in eine Betriebsrente, weil der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er für die von ihm erbrachte Vorleistung der Betriebstreue auch die versprochene Gegenleistung erhält. Ohne eine nähere Konkretisierung vorzunehmen verweist das BAG darauf, dass die Gründe, die den Eingriff rechtfertigen sollen, umso gewichtiger sein müssen, je stärker der Besitzstand ist, in den eingegriffen wird. Auf den Streitfall bezogen war in Anbetracht der vorstehenden Grundsätze die rechtliche Möglichkeit eröffnet, durch Betriebsvereinbarung unter Beachtung der Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes in den Betriebsrentenanspruch der Klägerin eingreifen zu dürfen. Die Be5 6 7 8

BAG v. 15.2.2011 - 3 AZR 35/09, NZA-RR 2011, 541 ff.; BAG v. 16.9.1986 – GS 1/82, NZA 1987, 168 ff. BAG v. 17.6.2008 - 3 AZR 553/06, AP § 133 BGB Nr. 55 Rz. 24; BAG v. 27.6.2006 - 3 AZR 255/05, NZA 2006, 1285 Rz. 43. BAG v. 16.2.2010 - 3 AZR 181/08, NZA 2011, 42 Rz. 43. BAG v. 20.4.2011 - 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796 Rz. 10.

163

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

sonderheit der Fallkonstellation bestand jedoch darin, dass die Anwendung von § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG gemäß § 30 c Abs. 1 BetrAVG nur für laufende Leistungen gilt, die auf Zusagen nach dem 31.12.1998 beruhen, wobei das Datum der Versorgungszusage maßgebend ist9. Die Betriebsvereinbarungsparteien wollten im Bewusstsein dieser zeitlichen Begrenzung dem Verstoß gegen § 30 c Abs. 1 BetrAVG damit begegnen, dass sie mit der Gewerkschaft ver.di einen Haustarifvertrag abschlossen, der neben dem Geltungsbereich lediglich die Anpassung der Betriebsrenten nach den Vorgaben der Betriebsvereinbarung sowie den Zeitpunkt seines Inkrafttretens beinhaltete. Diese Lösung hat das BAG verworfen: In Tarifverträgen könne zwar gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 BetrAVG von den §§ 1 a, 2 bis 5, 16, 18 a S. 1, 27 und 28 in Tarifverträgen abgewichen werden. Außerdem sähe § 17 Abs. 3 S. 2 BetrAVG vor, dass die abweichenden Bestimmungen des Tarifvertrags auch zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vereinbart werden dürfen. Der Gesetzgeber erlaube jedoch mit dieser Vorschrift nicht, dass die Tarifvertragsparteien mit einer lediglich punktuellen Regelung einer gegen § 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG verstoßenden Bestimmung in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder einer vom Arbeitgeber einseitig geschaffenen Versorgungsordnung zur Wirksamkeit verhelfen könnten. Der den Tarifvertragsparteien vom Gesetz eröffnete größere Gestaltungsspielraum beruhe auf dem Gedanken, dass eine tarifvertragliche Regelung eine hinreichende Gewähr für eine angemessene Berücksichtigung auch der Interessen der Arbeitnehmer beinhalte. Eine derartige Gewährleistung bestünde jedoch nur dann, wenn die Tarifvertragsparteien von ihrer Regelungsbefugnis zur betrieblichen Altersversorgung auch Gebrauch machten. Eine lediglich punktuelle Regelung im Tarifvertrag, die ausschließlich auf die Abbedingung einer in § 17 Abs. 3 S. 1 BetrAVG vorgesehenen Bestimmung angelegt ist, erfüllt nach Ansicht des BAG diese Voraussetzungen nicht. Danach hatte die Anpassungsregelung des Tarifvertrags keine die Gesamtzusage ablösende Qualität, so dass die Klägerin im Hinblick auf die Anpassung ihrer Betriebsrente nach der bisherigen günstigeren vertraglichen Regelung zu behandeln war. Auch in der weiteren Entscheidung des BAG vom 18.9.201210 ging es um die Klärung der Abänderungskompetenz der Betriebsvereinbarungsparteien

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Näher dazu BAG v. 28.6.2011 - 3 AZR 859/09, NZA 2011, 1285 Rz. 14. Zu den Gründen BT-Drucks. 16/3273 S. 4. 10 3 AZR 431/10 n. v.

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Dynamische Änderungen bei der betrieblichen Altersversorgung

für Betriebsrentner im Hinblick auf eine vertragliche Gesamtzusage einer Altersversorgung. Der Kläger bezog seit 1.5.1991 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von monatlich 4.553,41 DM. Diese beruhten zunächst auf einer vertraglichen Versorgungszusage von 1972, wonach ihm eine Anwartschaft auf Pension und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der jeweils geltenden Richtlinien zustand. Im Jahre 1986 vereinbarte der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Neufassung des geänderten Versorgungswerks, die eine Anpassung der laufenden betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der jeweiligen tariflichen Tabellenvergütungen vorsah. Diese Betriebsvereinbarung wurde 1993 durch eine weitere Betriebsvereinbarung abgelöst, wonach ab 1.4.1993 die laufenden betrieblichen Versorgungsleistungen mit 85 Prozent der jeweiligen linearen Erhöhung der (tariflichen) Tabellenvergütungen angepasst werden sollten. Im Dezember 2006 folgte sodann eine Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV 2006), die ab 1.7.2006 bestimmte, dass die laufenden Versorgungsleistungen jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres um ein Prozent anzupassen waren. Die Beklagte hatte die Betriebsrente des Klägers ab dem 1.4.1993 entsprechend der Betriebsvereinbarung 1993 angepasst und ab 1.7.2007 nur noch um ein Prozent jährlich angehoben. Mit dieser Verfahrensweise war der Kläger nicht einverstanden und hat mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht, für ihn müsse bezüglich der Anpassung weiterhin die Betriebsvereinbarung von 1986, jedenfalls aber von 1993 gelten. Das LAG Hamm11 ist von der Anwendung der Betriebsvereinbarung 1993 ausgegangen und hat auf dieser Grundlage die Betriebsrente des Klägers berechnet. Dem ist das BAG gefolgt. Angesichts der Jeweiligkeitsklausel in der vertraglichen Einheitsregelung der Altersversorgungszusage war nach Ansicht des BAG die Möglichkeit der Ablösung durch eine Betriebsvereinbarung eröffnet, so dass die Betriebsvereinbarung 1986 nicht zu beanstanden war. Die Betriebsvereinbarung von 1986 ist nach Auffassung des BAG durch die weitere Betriebsvereinbarung von 1993 wirksam abgelöst worden, weil sie den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes entsprach. Dabei betont das BAG, dass sich eine dynamische Anpassungsklausel in einer Versorgungsordnung auch auf die Rentenbezugsphase erstreckt. Wird eine Betriebsvereinbarung durch eine zeitlich spätere Betriebsvereinbarung ersetzt, gilt grundsätzlich das Ablösungsprinzip, das allerdings nach

11 v. 22.6.2010 – 9 Sa 1261/09 n. v.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Auffassung des BAG nicht jede Änderung ermöglicht. Soweit es um einen Eingriff in Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung geht, hat das BAG12 in ständiger Rechtsprechung ein dreistufiges Prüfungsschema entwickelt: Der bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden, was zwingende Gründe voraussetzt. Zuwächse, die sich wie bei gehaltsbezogenen Zusagen dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Eingriffe in dienstzeitabhängige Zuwachsraten setzen sachlich-proportionale Gründe voraus. Dieses Schema ist nicht auf Eingriffe in laufende Leistungen oder auf Anpassungsregelungen der betrieblichen Altersversorgung übertragbar. Das BAG will nach Eintritt des Versorgungsfalls auf die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes mit der Maßgabe zurückgreifen, dass unter Abwägung der wechselseitigen Interessen die vom Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Änderung angeführten Gründe umso gewichtiger sein müssen je schwerwiegender für den Arbeitnehmer die Nachteile der Änderung sind. Nach diesen Grundsätzen hielt das BAG die Anpassungsregelung von 1993 für rechtswirksam, weil bei ungekürzten laufenden Leistungen die Anpassung mit 85 Prozent der Tabellenvergütungen noch einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen Interessen darstellte. Dabei berief sich das BAG auf das Rentenreformgesetz 1992, wonach der Gesetzgeber die Anpassung der gesetzlichen Altersrente vom Bruttolohnprinzip abgekoppelt und an die verfügbaren Einkommen der Aktiven (Nettolohnprinzip) angepasst hatte. Auf der Grundlage dieser Regelung war die Rente des Klägers vom 1.5.1991 bis 1.1.2009 auf 3.258,34 € gestiegen, während die Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG bei einem Anpassungsbedarf von 39,37 Prozent nur bei 3.230,76 € gelegen hätte, also geringer ausgefallen wäre. Das BAG hat außerdem berücksichtigt, dass bei den Betriebsrentnern eine günstigere abgabenrechtliche Situation als bei aktiven Arbeitnehmern vorlag. Allerdings war der Arbeitgeber nicht berechtigt, die Betriebsrente des Klägers ab 1.7.2007 auf der Grundlage der Gesamtbetriebsvereinbarung von 2006 ausschließlich jährlich um lediglich ein Prozent anzupassen. Diese Betriebsvereinbarung erwies sich als rechtsunwirksam, weil die Betriebspartner die Anpassungsregelung des § 16 BetrAVG im Sinne der EinProzent-Regelung nicht gemäß § 30 c Abs. 1 BetrAVG für Zusagen regeln 12 Vgl. nur BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 431/10 n. v.; BAG v. 9.12.2008 – 3 AZR 384/07, NZA 2009, 1341 Rz. 34.

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Bedeutung der Jahresabschlüsse nach IFRS für Anpassungspflicht nach § 16 BetrAVG

durften, die vor dem 1. Januar 1999 erteilt worden waren, was auf den Kläger zutraf. Dabei geht das BAG davon aus, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung 2006 nicht nur die Funktion hatte, die Anpassungsregelung der früheren Betriebsvereinbarung zu verändern, sondern darauf angelegt war, von der gesetzlichen Anpassungspflicht des § 16 Abs. 1 BetrAVG abzuweichen. Damit erwies sich die Gesamtbetriebsvereinbarung 2006 insgesamt als unwirksam, so dass die Anpassung nicht auf gesetzlicher Grundlage, sondern weiterhin nach der Gesamtbetriebsvereinbarung von 1993 zu erfolgen hatte. Aus den Entscheidungen des BAG ist für die betriebliche Praxis die Schlussfolgerung zu ziehen, das auch Betriebsrentner mit einer Verschlechterung der laufenden Betriebsrenten durch eine abändernde Betriebsvereinbarung rechnen müssen, wenn dies angesichts ihrer erbrachten Vorleistung - nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen - möglich ist. Dies gilt vor allem für einen Wechsel einer vertraglichen Anpassungsregelung zur gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG. Regelmäßig wird gerade bei einem derartigen Wechsel der Anpassungsregelung nicht nur eine geringfügige Verschlechterung vorgenommen, sondern der Wert der Rente deutlich relativiert, weil sie nicht mehr an die Kaufkraftentwicklung oder an die Entwicklung der Nettovergütungen angeglichen wird. Die Rechtsprechung des BAG dient damit einer Stabilisierung der Betriebsrenten, weil sie den Betriebsvereinbarungsparteien für eine Verschlechterung der Anpassung deutliche Beschränkungen auferlegt. (Boe)

2.

Bedeutung der Jahresabschlüsse nach IFRS für Anpassungspflicht nach § 16 BetrAVG

Für die in § 16 Abs. 1 BetrAVG im Dreijahresturnus vorgesehene Anpassungspflicht der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind nicht nur die Belange des Versorgungsempfängers, sondern auch nach billigem Ermessen die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Insoweit hat das BAG13 in ständiger Rechtsprechung eine Ablehnung der Betriebsrentenanpassung angenommen, wenn das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet wird. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Teuerungsausgleich weder aus den Unternehmenserträgen noch den verfügbaren Wertzuwächsen 13 BAG v. 11.10.2011 - 3 AZR 527/09, NZA 2012, 454 Rz. 33; BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08, DB 2011, 1002 Rz. 53.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

des Unternehmensvermögens aufbringen kann. Der Arbeitgeber muss die Rentenanpassung nicht aus der Unternehmenssubstanz finanzieren. Maßstab dafür ist die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens14. Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht dabei aus einem Basiszins und einem Risikozuschlag, wobei sich der Basiszins an der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen orientiert. Der Risikozuschlag beläuft sich für alle Unternehmen einheitlich auf zwei Prozent15. Zum Eigenkapital zählen nicht nur das gezeichnete Kapital (Stammkapital) und die Kapitalrücklage, sondern auch Gewinnrücklagen, Gewinn-/Verlustvorträge und der Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag16. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BAG von einem Durchschnittswert auszugehen, der dadurch ermittelt wird, dass das Eigenkapital zu Beginn und zum Ende des Geschäftsjahres zu addieren und anschließend zu halbieren ist17. In der Entscheidung vom 21.8.2012 war der 3. Senat des BAG18 mit der Frage befasst, nach welchen Rechnungslegungsregeln erstellte (Jahres-)Abschlüsse zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage für eine Anpassungspflicht des Arbeitgebers maßgeblich sind. Der Arbeitgeber hatte mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung vereinbart, dass bereits für die Anwartschaftsphase der betrieblichen Altersversorgung turnusgemäß eine Anpassung des Grund-Steigerungsbetrags an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, begrenzt durch die Lohnentwicklung und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers, erfolgen sollte. Da der Arbeitgeber ausweislich der nach den Rechnungslegungsregeln des HGB erstellten Jahresabschlüsse über mehrere Jahre hinweg Verluste erwirtschaftet hatte, verweigerte er gegenüber dem Betriebsrat entsprechende Verhandlungen über eine Steigerung des Grund-Steigerungsbetrags unter Hinweis auf seine wirtschaftliche Lage. Der Betriebsrat vertrat dagegen die Meinung, dass die Rechnungslegungsregeln der International Financial Reporting Standards (IFRS) herangezogen werden müssten, wonach durchgehend positive Ergebnisse erzielt worden seien. Deshalb sei der Grund-Steigerungsbetrag jährlich um bestimmte Prozentsätze anzuheben gewesen. Da die Arbeitgeberin in den für die Anpassung maßgebenden Jahren nach den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen durchweg erhebliche Jahresfehl-

14 15 16 17 18

BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08, DB 2011, 1002 Rz. 53. BAG v. 26.10.2010 - 3 AZR 502/08, BB 2011, 700 Rz. 36. BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08, DB 2011, 1002 Rz. 55. BAG v. 11.10.2011 - 3 AZR 527/09, NZA 2012, 454 Rz. 37. 3 ABR 20/10 BetrAV 2013, 63 ff.

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Diskriminierung wegen des Geschlechts bei abweichender Regelungen zu Beitragszeiten

beträge erwirtschaftet hatte, war sie nach Ansicht des BAG aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht verpflichtet, die vom Betriebsrat gewünschte Anpassung des Grund – Steigerungsbetrages vorzunehmen. In diesem Zusammenhang ist das BAG der Rechtsauffassung des Betriebsrats entgegengetreten, zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage die Rechnungslegungsregeln der IFRS heranziehen zu müssen. Das BAG verweist auf seine ständige Rechtsprechung19, an der festzuhalten sei, dass die nach handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln erstellten (Jahres-)Abschlüsse maßgeblich seien. Ausgangspunkt für die Berechnung der Eigenkapitalverzinsung seien stets die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse, weil ein für alle Arbeitgeber einheitlich geltender Maßstab anzulegen sei, der die wirtschaftliche Lage objektiv wiedergebe. Dies sei bei handelsrechtlichen Jahresabschlüssen der Fall. Demgegenüber hätten die nach den Rechnungslegungsregeln der IFRS erstellten Abschlüsse nicht für alle, sondern nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen Bedeutung. Sie seien zudem primär darauf angelegt, Investoren oder Anteilseignern entscheidungsrelevante Erkenntnisse darüber zu vermitteln, ob ein Investment in eine Gesellschaft gestartet, gehalten, erhöht oder vermindert werden solle. Mit dieser Aussage hat das BAG im Interesse der Rechtssicherheit eine grundsätzliche Weichenstellung für die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers bei Anpassungsentscheidungen vorgenommen. (Boe)

3.

Diskriminierung wegen des Geschlechts bei abweichender Regelungen zu Beitragszeiten bei Teilzeitbeschäftigung

Ob und inwieweit beitragsbezogene Altersrenten von Teilzeitbeschäftigten diskriminierender Natur sein können, war Gegenstand der Entscheidung des EuGH vom 22.11.201220. Es ging um die Frage, ob das für Teilzeitbeschäftigte geltende Erfordernis, proportional längere Beitragszeiten für den Erhalt einer Altersrente zurücklegen zu müssen als Vollzeitbeschäftigte, zumindest dann eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung hervorruft, wenn es sich bei den Teilzeitbeschäftigten überwiegend um Frauen handelt.

19 Nur BAG v. 11.10.2011 - 3 AZR 527/09, NZA 2012, 454 Rz. 34 ff.; BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08, DB 2011, 1002 Rz. 54. 20 C-385/11, NZA 2012, 1425 ff. - Elbal Moreno.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Der Fall betrifft das spanische beitragsbezogene Rentensystem, wonach eine beitragsbezogene Altersrente nur derjenige erhält, welcher das 65. Lebensjahr vollendet hat und eine Mindestbeitragszeit von 15 Jahren erfüllt. Bei der Berechnung der erforderlichen Beitragszeiten werden auf der Grundlage der spanischen Rechtsvorschriften ausschließlich die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden berücksichtigt, die in theoretische Beitragstage umgerechnet werden. Für den theoretischen Beitragstag müssen fünf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden täglich oder 1826 Arbeitsstunden jährlich erbracht worden sein. Außerdem wird die Anzahl der theoretischen Beitragstage mit 1,5 multipliziert und dadurch erhöht. Die Klägerin des Verfahrens (Elbal Moreno) hatte 18 Jahre lang ausschließlich als teilzeitbeschäftigte Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 4 Stunden, die zehn Prozent der gesetzlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden entsprach, für eine Eigentümergemeinschaft gearbeitet. Sie beantragte mit 66 Jahren beim spanischen Sozialversicherungsträger eine Altersrente, die ihr verweigert wurde, weil sie aufgrund ihrer geringfügigen Arbeitsleistung die Mindestbeitragszeit von 15 Jahren nicht erfüllte. Das mit der Klage auf Rentenzahlung befasste spanische Sozialgericht hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Richtlinie des Rates vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (79/7/EWG)21 den spanischen Rechtsvorschriften entgegensteht. Dabei wies das Sozialgericht darauf hin, die Klägerin hätte im Hinblick auf ihre Teilzeittätigkeit 100 Jahre lang arbeiten müssen, um die Mindestwartezeit von 15 Jahren nachweisen zu können, um so in den Genuss einer Altersrente von monatlich 112,93 € zu gelangen. Unbestritten ist, dass in Spanien 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Frauen sind. Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass unter den Begriff „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 Abs. 2 AEUV lediglich Versorgungsbezüge fallen, die von dem Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abhängen. Nicht in den Entgeltbegriff können Altersrenten einbezogen werden, die auf Sozialversicherungssystemen beruhen. Angesichts dessen konnten weder Art. 157 Abs. 2 AEUV noch Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.7.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen22 zur Anwendung gelangen. 21 ABl. L 6, 24. 22 ABl. L 204, 23.

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Diskriminierung wegen des Geschlechts bei abweichender Regelungen zu Beitragszeiten

Eine beitragsorientierte Rente des Staates kann jedoch nach Ansicht des EuGH unter die Richtlinie 79/7/ EWG fallen, weil sie im Rahmen eines gesetzlichen Systems des Schutzes wegen eines der in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie aufgeführten Risiken, nämlich des Alters, gewährt wird. Unter dieser Prämisse prüft der EuGH, ob eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 79/7/EWG vorliegt, wenn die nationale Regelung zwar neutral formuliert ist, in ihrer Anwendung jedoch wesentlich mehr Frauen als Männer benachteiligt, wovon auszugehen sei, wenn mindestens 80 Prozent der davon Betroffenen Frauen sind. Anders müsse nach Auffassung des Gerichtshofs entschieden werden, wenn die Frauen benachteiligende nationale Rentenregelung durch objektive Faktoren gerechtfertigt wäre, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Davon ist – so der EuGH – auszugehen, wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel der Sozialpolitik des Mitgliedstaats dienen und zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind. Davon konnte nach Ansicht des EuGH im Streitfall nicht die Rede sein, weil bei der Versagung jeglicher Möglichkeit für bestimmte Teilzeitbeschäftigte, eine Altersrente zu beziehen, keine erforderliche Maßnahme vorliege, um das beitragsbezogene System der sozialen Sicherheit zu schützen. Ohne nähere Konkretisierung der zu treffenden Maßnahmen geht der EuGH davon aus, dass das von der spanischen Regierung angegebene Ziel durch andere, für die betroffenen Arbeitnehmer weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden könnte. Angesichts dessen gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass Art. 4 der Richtlinie 79/7 dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der Teilzeitbeschäftigte, bei denen es sich überwiegend um Frauen handelt, gegenüber Vollzeitbeschäftigten proportional längere Beitragszeiten zurücklegen müssen, um gegebenenfalls einen Anspruch auf eine beitragsbezogene Altersrente zu haben, deren Höhe proportional zu ihrer Arbeitszeit herabgesetzt ist. Diese für das spanische Sozialrecht wichtige Entscheidung des EuGH lässt sich auf deutsche Verhältnisse nicht übertragen, weil die ab dem 1.1.2013 beginnenden Minijobs (geringfügig entlohnte Beschäftigung) in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig werden. Damit gelangen Minijobber in den Genuss des vollen Leistungspakets der Rentenversicherung mit vergleichsweise niedrigen eigenen Beiträgen. Der volle Pflichtbeitrag RV beträgt bei Minijobs im gewerblichen Bereich 18,9 Prozent, wovon

171

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

der Arbeitgeber den jeweiligen Pauschalbeitrag zur RV in Höhe von 15 Prozent trägt und der Arbeitnehmer den Rest von regelmäßig 3,9 Prozent. (Boe)

4.

Wartezeitregelung in einer Versorgungsordnung

Gemäß § 1 b BetrAVG bleibt einem Arbeitnehmer, dem Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden sind, die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 25. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre bestanden hat (unverfallbare Anwartschaft). Etwas anderes gilt nur dann, wenn er aufgrund einer Vorruhestandsregelung ausscheidet und ohne das vorherige Ausscheiden die Wartezeit und die sonstigen Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hätte erfüllen können (§ 1 b Abs. 1 S. 2 BetrAVG). Diese gesetzlichen Vorgaben zur Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft lassen das Recht des Arbeitgebers unberührt, einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung an eine bestimmte Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit zu knüpfen. Trotz solcher Vorschaltzeiten liegt damit bereits eine Versorgungszusage vor, weil das Erstarken der Anwartschaft zum Vollrecht auch unter Berücksichtigung einer Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit nur noch vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und vom Eintritt des Versorgungsfalls abhängt23. Allerdings tritt dann bereits mit Ablauf der Wartezeit unmittelbar die gesetzliche Unverfallbarkeit ein. Sie tritt nach Maßgabe der Rechtsprechung auch dann ein, wenn das Arbeitsverhältnis nach Erfüllen der in § 1 b Abs. 1 S. 1 BetrAVG genannten Voraussetzungen (vorzeitig) beendet wird, sofern der Arbeitnehmer bei einem (regulären) Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der ursprünglich vereinbarten Beendigung die Wartezeit an sich hätte erfüllen können24. An diesen Überlegungen hat das BAG im Urteil vom 12.2.201325 angeknüpft. Nach seinen Feststellungen ist eine Bestimmung in einer vom Arbeitgeber geschaffenen Versorgungsordnung, wonach ein Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung nur dann besteht, wenn der Arbeitnehmer eine mindestens fünfzehnjährige Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zurücklegen kann, wirk23 BAG v. 24.3.2004 – 3 AZR 5/03, NZA 2004, 789 Rz. 22; Kemper/KistersKölkes/Berenz/Bode/Pühler, BetrAVG § 1 b Rz. 53 f. 24 BAG v. 19.4.2005 – 3 AZR 469/04 n. v. (Rz. 28); HWK/Schipp, BetrAVG § 1 b Rz. 19. 25 3 AZR 100/11 n. v.

172

Arbeitszeugnis: Kein Anspruch auf Dank

sam. Sie verstoße auch nicht gegen das Verbot einer Diskriminierung wegen des Alters oder Geschlechts. In dem zugrunde liegenden Fall war die im Februar 1942 geborene Klägerin vom 15.7.1997 bis zum 29.2.2008 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern beschäftigt. Die Beklagte gründete 1999 eine Unterstützungskasse und gab im Dezember 1999 gegenüber den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern formlos bekannt, künftig werde eine Betriebsrente gewährt. Voraussetzung für die Erteilung von Versorgungszusagen sei aber der Bestand eines Arbeitsverhältnisses am 31.12.1999 und die Möglichkeit einer mindestens fünfzehnjährigen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Gegenüber der Klägerin und einem Kollegen äußerte der Geschäftsführer der Beklagten, sie erhielten keine Betriebsrente, weil sie zu alt seien. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG die Regelung des Arbeitgebers gebilligt und die Abweisung der auf Gewährung einer Betriebsrente gerichteten Klage bestätigt. Die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung einer mindestens fünfzehnjährigen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters unwirksam. Dabei könne offen bleiben, ob eine solche Regelung die betroffenen Arbeitnehmer unmittelbar wegen ihres Alters benachteilige, weil sie ab einem bestimmten Lebensalter von der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen würden, oder ob lediglich eine mittelbare Diskriminierung denkbar sei. Selbst eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters wäre nach § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen geht das BAG davon aus, dass eine Regelung, nach der ein Versorgungsanspruch von der Erfüllbarkeit einer fünfzehnjährigen Wartezeit vor Erreichen der Regelaltersgrenze abhänge, auch keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts bewirke26. (Ga)

5.

Arbeitszeugnis: Kein Anspruch auf Dank

Nach § 109 Abs. 1 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Es muss mindestens Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann indes verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken (qualifizier-

26 BAG v. 12.2.2013 – 3 AZR 100/11 n. v.

173

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

tes Zeugnis). Das insoweit auszustellende Zeugnis muss gemäß § 109 Abs. 2 GewO klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Bereits bei früherer Gelegenheit – zuletzt mit Blick auf die Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 3.11.201027 – hatten wir uns mit der Frage befasst, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber aus den vorstehend genannten Regelungen heraus verpflichtet sein kann, in der Schlussformel eines Arbeitszeugnisses seinen Dank für die Zusammenarbeit in Verbindung mit guten Wünschen für die Zukunft aufzunehmen28. Nachdem das BAG bereits mit Urteil vom 20.2.200129 eine dahingehend ablehnende Bewertung vorgenommen hatte, hat der 9. Senat des BAG mit Urteil vom 11.12.201230 nunmehr erneut die Auffassung vertreten, dass keine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe, ein Arbeitszeugnis mit Dank und guten Wünschen zu beenden. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte, die Baumärkte betrieb, dem Kläger, der zuletzt als Marktleiter beschäftigt war, unter dem Datum des 28.2.2009 ein Zeugnis mit einer überdurchschnittlichen Beurteilung erteilt. Es endete mit den Sätzen: Herr J scheidet zum 28.2.2009 aus betriebsbedingten Gründen aus unserem Unternehmen aus. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.

Nach Auffassung des Klägers entwertete der knappe Schlusssatz das im Übrigen gute Zeugnis. Bei einer guten Leistungs- und Führungsbeurteilung entspreche es der Üblichkeit und auch der Erwartung eines potenziellen neuen Arbeitgebers, dass dem Arbeitnehmer am Ende des Zeugnistextes für die Zusammenarbeit gedankt und ihm für die Zukunft – und zwar sowohl privat als auch beruflich – alles Gute gewünscht werde. Er beantragte deshalb, den letzten Satz des Zeugnistextes wie folgt zu formulieren: Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute.

27 28 29 30

12 Sa 974/10, NZA-RR 2011, 123 ff. B. Gaul, AktuellAR 2011, 487 ff. 9 AZR 44/00, NZA 2001, 843 Rz. 22 ff. 9 AZR 227/11, DB 2013, 466 Rz. 11.

174

Arbeitszeugnis: Kein Anspruch auf Dank

Nach Auffassung des BAG kann § 109 GewO einen solchen Anspruch des Klägers nicht begründen. Da auch keine weitergehenden vertraglichen Zusagen bestanden, hat das BAG die klageabweisende Entscheidung bestätigt. Nach § 109 Abs. 1 S. 2, 3 GewO sei der Arbeitgeber nur verpflichtet, Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit in das Zeugnis aufzunehmen und diese auf Wunsch des Arbeitnehmers um Angaben zur Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis zu ergänzen. Ein „rechtsmethodischer Ansatzpunktpunkt“, diese Feststellungen um gute Wünsche und Dankesformeln zu ergänzen, fehle. Auch wenn positive Schlusssätze geeignet sein könnten, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen, könne der Ausdruck persönlicher Empfindungen durch den Arbeitgeber nicht zum Inhalt des gesetzlichen Zeugnisanspruchs gemacht werden31. Aus § 109 Abs. 1 GewO lasse sich auch keine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, auf die Gesamtnote abgestimmte Schlusssätze zu formulieren. Eine solche Verpflichtung würde im Ergebnis auch nur bedeuten, dass der Arbeitgeber die bereits abgegebene Leistungs- und Verhaltensbeurteilung mit anderen Worten nochmals formelhaft wiederhole. Dass der Gesetzgeber eine solche Verpflichtung zur „doppelten Leistungs- und Verhaltensbeurteilung“ nicht habe schaffen wollen, folge im Übrigen aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber bei den Veränderungen von § 109 GewO durch das 3. Gesetz zur Änderung der GewO und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 24.8.200232 die Rechtsprechung des BAG zu § 630 BGB gekannt habe, aber gleichwohl in das Gesetz keine Verpflichtung des Arbeitgebers aufgenommen habe, im Arbeitszeugnis persönliche Empfindungen, wie Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers, Dank für die geleistete Arbeit oder gute Wünsche für die Zukunft, zum Ausdruck zu bringen33. Formal ist diese Sichtweise des BAG zutreffend. Sie geht allerdings von der wahrscheinlich realitätsfremden Bewertung aus, nach der der Gesetzgeber bei seinem Handeln eine vollständige Auswertung der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Rechtsprechung und Literatur zu den streitgegenständlichen Vorschriften zugrunde legt. Aktuelle Gesetzentwürfe auch und insbesondere im Arbeitsrecht machen deutlich, dass vielfach ohne jede Berücksichtigung der in Rechtsprechung und Literatur vorgenommenen Bewertungen und daraus folgenden Ergebnissen vorgegangen wird. Den 7. Senat des BAG hatte dies in seinem Urteil vom 6.4.201134 zu § 14 Abs. 2 TzBfG sogar zu der 31 32 33 34

BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, DB 2013, 466 Rz. 10 ff. BGBl. I 2002, 3412. BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, DB 2013, 466 Rz. 13. NZA 2011, 905 ff.

175

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Feststellung veranlasst, dass der Zweck einer gesetzlichen Regelung im Zusammenhang mit ihrer Auslegung keine Berücksichtigung finden könne, wenn er nicht im Wortlaut selbst erkennbar geworden sei. Ausdrücklich hatte das BAG insoweit festgestellt: Die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ist nicht entscheidend. Das Gewicht der historischen Auslegung darf nicht überschätzt werden. Es ist nicht maßgeblich, was der Gesetzgeber zu regeln meinte, sondern was er geregelt hat35.

Formaljuristisch sind daran anknüpfend auch die Feststellungen des BAG zu § 109 Abs. 2 S. 1 GewO sicher vertretbar. Danach lässt das BAG offen, ob der von der Beklagten verwendete Schlusssatz entsprechend der Rechtsauffassung des Klägers aufgrund der überdurchschnittlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Zeugnis ein Geheimzeichen im Sinne des § 109 Abs. 2 S. 2 GewO enthalte. Auch dies führe jedenfalls nicht zu einem Ergänzungsanspruch. Wenn der Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden sei, könne er nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen. Ein Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem vom Arbeitnehmer formulierten Schlusssatz bestehe nicht36. In einer solchen Kombination eines kurzen Schlusssatzes und einer zuvor überdurchschnittlichen Bewertung des Arbeitnehmers liege auch kein „beredtes Schweigen“, mit dem der Arbeitgeber Dritten eine von der überdurchschnittlichen Bewertung im Zeugnis an sich abweichende Auffassung zu Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers erkennbar machen wolle. Zwar treffe es zu, dass ein Zeugnis grundsätzlich dort keine Auslassungen enthalten dürfe, wo der verständige Leser eine positive Hervorhebung erwarte. Anspruch auf ausdrückliche Bescheinigung bestimmter Merkmale habe daher der Arbeitnehmer, in dessen Berufskreis dies üblich sei und bei dem das Fehlen einer entsprechenden Aussage im Zeugnis sein berufliches Fortkommen behindern könnte. Diese Rechtsprechung zur unzulässigen Auslassung betreffe jedoch nur den gesetzlich geschuldeten Zeugnisinhalt. Hierzu gehöre die Schlussformel nicht37.

35 NZA 2011, 905 Rz. 19. 36 BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, DB 2013, 466 Rz. 17; a. A. LAG Düsseldorf v. 3.11.2010 – 12 Sa 974/10, NZA-RR 2011, 123 Rz. 29; LAG Köln v. 29.2.2008 – 4 Sa 1315/07 n. v. 37 BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, DB 2013, 466 Rz. 20; BAG v. 20.2.2001 – 9 AZR 44/00, NZA 2001, 843 Rz. 22.

176

Arbeitszeugnis: Kein Anspruch auf Dank

Formaljuristisch ist auch diese Bewertung gut vertretbar. Der praktischen Handhabe von § 109 GewO entspricht dies allerdings nicht. Denn entgegen der Annahme des 9. Senats des BAG geht die betriebliche Praxis ganz überwiegend davon aus, dass der Verzicht eines Arbeitgebers auf Dank und gute Wünsche für die Zukunft ganz bewusst mit dem Ziel erfolgt, eine durchaus negative Bewertung von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers zum Ausdruck zu bringen. Dass – so das BAG – der „kundige Zeugnisleser“ wisse, dass sich aus dem Gesetz kein Anspruch auf den Ausdruck persönlicher Empfindungen in einer Schlussformel ergebe und dass deshalb die Rechtsprechung des BAG einen solchen Anspruch verneint habe38, dürfte ebenso wenig zutreffen wie die ergänzende Annahme des BAG, nach der das Fehlen des Dankes eher Rückschlüsse auf den Zeugnisverfasser als auf den Beurteilten zulasse39. In beiden Fällen verstehen Arbeitgeber dies als einen geschickt in einem Zeugnis untergebrachten Hinweis darauf, dass die bei guter Bewertung von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers die an sich übliche Dankbarkeit auf Arbeitgeberseite nicht besteht. Dies führt zu einer ganz erheblichen Verschlechterung der Aussichten des Arbeitnehmers auf eine Anschlussbeschäftigung, die durchaus im Widerspruch zu vorangehenden Feststellungen im Zeugnis und damit auch zu dem Gebot eines wohlwollenden und wahrheitsgemäßen Zeugnisses steht. (Ga)

38 So BAG v. BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, DB 2013, 466 Rz. 20. 39 So BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, DB 2013, 466 Rz. 19.

177

G. Tarifrecht 1.

Gleiches Arbeitsentgelt für Leiharbeitnehmer

Nachdem der 1. Senat des BAG am 14.12.20101 festgestellt hatte, dass die CGZP nicht tariffähig ist, hatten wir mehrfach über die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen dieser Entscheidung berichtet. Denn als Folge dieser Feststellungen war die Berechtigung einer Abweichung vom Equal-Treatment-Gebot für solche Entleiher entfallen, die als Konsequenz einer gesetzlichen oder vertraglichen Bindung an die mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge ein eigenständiges Niveau der Arbeitsbedingungen für ihre Leiharbeitnehmer schaffen wollten. Schließlich liegen die in § 10 Abs. 4 S. 2, 3 AÜG genannten Voraussetzungen einer Abweichung vom Equal-Treatment-Gebot nicht vor, wenn eine Vereinbarung mit einer vermeintlichen Gewerkschaft mangels Tariffähigkeit nicht als Tarifvertrag qualifiziert werden kann. Vielmehr sind dem Leiharbeitnehmer in diesen Fällen für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb dieses Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (§ 10 Abs. 4 S. 1 AÜG)2. In einer Vielzahl von Verfahren hat der 5. Senat des BAG am 13.3.20133 nun weitergehende Klarstellungen zu den Folgen der CGZP-Entscheidung getroffen, die insbesondere die Durchsetzbarkeit von Arbeitsentgeltansprüchen der hiervon betroffenen Arbeitnehmer zum Inhalt haben. Nach Maßgabe der bislang allerdings erst als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidungen geht es insoweit insbesondere um folgende Feststellungen: •

1 2 3

Die CGZP konnte keine wirksamen Tarifverträge schließen. Leiharbeitnehmer, in deren Arbeitsverträgen auf die von der CGZP abgeschlossenen „Tarifverträge“ Bezug genommen ist, haben nach § 10 Abs. 4 AÜG Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten hat. Ohne Rücksicht auf die Frage, ob die „Tarifverträge“, die mit der CGZP abgeschlossen wurden, kraft Gesetzes oder kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme

1 ABR 19/10, NZA 2011, 289 ff. Eingehend B. Gaul, AktuellAR 2011, 179 ff., 497 ff.; 2012, 163, 547. 5 AZR 954/11 n. v.; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 146/12 n. v.; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 242/12 n. v.; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 294/12 n. v.; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 424/12 n. v.

179

Tarifrecht

gelten sollten, ist also der Grundsatz des Equal-Treatments zu beachten.

4



Ein etwaiges Vertrauen der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP ist nach Auffassung des 5. Senats des BAG nicht geschützt. Ohne Rücksicht auf die eigene Bewertung einer Tariffähigkeit müssen die von der CGZP-Entscheidung betroffenen Arbeitgeber also die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen tragen. Entsprechendes wird man für die Ausfallhaftung des Entleihers in Bezug auf die Sozialversicherungsbeiträge aus § 28 e Abs. 2 SGB IV annehmen müssen.



Der gesetzliche Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG wird – so das BAG – zu dem arbeitsvertraglich für die Vergütung vereinbarten Zeitpunkt fällig. Er unterliege wirksam vereinbarten Ausschlussfristen, wobei es für die Geltendmachung genügt, wenn der Anspruch dem Grunde nach erhoben wird. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Ausschlussfrist ist aber, dass sie eine angemessene Regelung trifft. Damit können auch solche Ausschlussfristen nicht zur Anwendung gebracht werden, die mit einer Unterschreitung dieser Drei-Monats-Frist in den „Tarifverträgen“ mit der CGZP enthalten waren. Zwar kann arbeitsvertraglich auch auf Regelungswerke verwiesen werden, die nicht die Qualität eines Tarifvertrags haben. Dies folgt bereits aus §§ 305 Abs. 2, 310 Abs. 4 S. 2 BGB. Da es sich insoweit allerdings um eine arbeitsvertragliche Abweichung von gesetzlichen Vorgaben handelt, muss diese nach § 307 Abs. 3 BGB der Angemessenheitsvorgabe in § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB entsprechen. Dies ist nach den Feststellungen des BAG in seiner früheren Entscheidung vom 28.9.20054 bei einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist, die drei Monate in der ersten Stufe unterschreitet, nicht der Fall.



Der gesetzliche Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG unterliegt nach den Vorgaben des BAG der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Leiharbeitnehmer Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen habe (§ 199 Abs. 1 BGB). Dafür reiche die Kenntnis des Leiharbeitnehmers von den tatsächlichen Gegebenheiten seiner Tätigkeit aus. Auf seine rechtliche Beurteilung der Tariffähigkeit der

5 AZR 52/05, NZA 2006, 149 ff.

180

Gleiches Arbeitsentgelt für Leiharbeitnehmer

CGZP und/oder eine Kenntnis der CGZP-Entscheidung des BAG vom 14.12.20105 kommt es damit nicht an. •

Der Entgeltanspruch nach § 10 Abs. 4 AÜG besteht während der Dauer der Überlassung an ein entleihendes Unternehmen. Zu seiner Berechnung ist – so das BAG – ein Gesamtvergleich aller Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Dabei bleibt allerdings Aufwendungsersatz außer Betracht, es sei denn, es handelt sich dabei um „verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt. Die Überlegung eines Teils der von der CGZP-Entscheidung betroffenen Arbeitgeber, die in den Christlichen Tarifverträgen vielfach enthaltenen Aufwendungsersatzleistungen auf den Equal-Pay-Anspruch anzurechnen, kann damit nur in wenigen Fallgestaltungen mit Erfolg durchgesetzt werden. Etwas anders würde nur dann gelten, wenn arbeitgeberseits auch die in der Vergangenheit unterlassene Besteuerung dieser Zahlungen korrigiert würde.

Ganz erhebliche Bedeutung haben allerdings weitergehende Feststellungen, in denen sich das BAG mit der Transparenz von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln im Zusammenhang mit mehrgliedrigen Tarifverträgen befasst hat. Denn diese Klauseln finden nicht nur Anwendung in Arbeitsverträgen solcher Verleiher, die auf Tarifverträge mit den Christlichen Gewerkschaften verweisen. Die entsprechende Regelungstechnik hat bislang ganz überwiegend auch dort Anwendung gefunden, wo auf die mit den DGBGewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge verwiesen wird. Wir hatten bereits bei früherer Gelegenheit auf diese Problematik hingewiesen6. Insoweit stellt das BAG fest: Soweit in neueren Arbeitsverträgen neben oder anstelle einer Verweisung auf CGZP-Tarifverträge auf den mehrgliedrigen Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen vom 15.3.2010 Bezug genommen wird, ist eine solche Klausel intransparent und nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, wenn sich nicht ersehen lässt, welches der tariflichen Regelungswerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll.

Wenn man diese Überlegungen auf Bezugnahmeklauseln überträgt, wie sie auch außerhalb der mit den Christlichen Gewerkschaften zusammenarbeitenden Unternehmen verwendet wurden und werden, spricht viel für die An5 6

1 ABR 19/10, NZA 2011, 289. B. Gaul, AktuellAR 2011, 497 ff.; 2012, 173 ff.

181

Tarifrecht

nahme, dass auch insoweit von einer Intransparenz auszugehen ist. Dies gilt erst recht, nachdem als Folge der Branchenzuschläge in verschiedenen Branchen und zu verschiedenen Zeitpunkten Veränderungen in Bezug auf das Vergütungsniveau vereinbart wurden, die es für den Leiharbeitnehmer relevant erscheinen lassen, welcher dieser Tarifverträge von welchem Zeitpunkt an für ihn Geltung beansprucht. Die Überlegung, dass die gesetzliche Anordnung eines Equal-Treatments gemäß § 10 Abs. 1 AÜG schlussendlich eine noch viel stärkere Ungewissheit begründet, dürfte sich damit wohl beim BAG nicht durchgesetzt haben. Eine abschließende Bewertung kann indes erst dann vorgenommen werden, wenn die vollständige Ausfertigung der fünf Revisionsentscheidungen vorliegt. Bis dahin ist es zwingend erforderlich, jedenfalls dort, wo arbeitsvertraglich auf das gesamte (mehrgliedrige) Tarifwerk verwiesen wird, anlässlich des konkreten Arbeitseinsatzes beim Entleiher eine Konkretisierung durch Abschluss einer ergänzenden Vereinbarung vorzunehmen, die die dann konkret maßgeblichen Tarifverträge benennt. Auf diese Vorgehensweise sollte auch auf Seiten der Entleiher geachtet werden. (Ga)

2.

Zeitarbeit: Weiterhin Streit über die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften

Mit Urteil vom 14.12.20107 hatte das BAG die fehlende Tariffähigkeit der CGZP festgestellt und damit erhebliche Auseinandersetzungen im Bereich der Zeitarbeit über Arbeitsentgeltansprüche und Sozialversicherungsbeiträge solcher Leiharbeitnehmer ausgelöst, deren Arbeitsbedingungen nach Maßgabe der Tarifverträge mit den christlichen Gewerkschaften bestimmt wurden. Wir haben in der Vergangenheit eingehend über diese Entwicklung berichtet8. Vielfach ist über diese Auseinandersetzung in Vergessenheit geraten, dass auch die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften im Bereich der Zeitarbeit nicht unumstritten ist9. Der Streit über die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften ist auch Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. So hatte das LAG BadenWürttemberg bereits durch Beschluss vom 20.3.201210 den Rechtsstreit wegen der auf die Zahlung einer Differenzvergütung gemäß § 10 Abs. 4 AÜG 7 8

1 ABR 19/10, NZA 2011, 289 ff. B. Gaul, AktuellAR 2009, 284 ff.; 2010, 25 ff.; 2011, 179 ff., 497 ff.; 2012, 163 f., 547. 9 Vgl. hierzu Rieble, BB 2012, 2177; Löw, DB 2013, 1 ff. 10 22 Sa 71/11, DB 2013, 127 f.

182

Zeitarbeit: Weiterhin Streit über die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften

gerichteten Klage ausgesetzt, um gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG die aus seiner Sicht vorrangige Entscheidung über die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften im Bereich der Zeitarbeit treffen zu können. In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien über eine Differenzvergütung für die Zeit vom 8.8.2005 bis zum 31.8.2009, innerhalb derer der Kläger bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer angestellt war. Die Beklagte war als Mitglied des BZA an die Tarifverträge Zeitarbeit gebunden, die zwischen BZA und den DGB-Einzelgewerkschaften am 22.7.2003 abgeschlossen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten geändert worden waren. Im Arbeitsvertrag war auf diese Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung verwiesen worden. Im Rahmen des Rechtsstreits hatte der Kläger u. a. geltend gemacht, dass diese Tarifverträge unwirksam seien, weil den daran beteiligten DGBGewerkschaften in Bezug auf die Zeitarbeit die Tarifzuständigkeit fehle. In jedem Fall – so der Klägervortrag – habe die Beklagte nicht ausreichend vorgetragen, dass jede der an diesem Tarifvertrag beteiligten Gewerkschaften nach ihrer Satzung die Befugnis gehabt hätte, Arbeitsbedingungen im Bereich der Zeitarbeit zu regeln. Ausgehend davon, dass die Tarifverträge bei fehlender Tarifzuständigkeit unwirksam seien, könne sich die Beklagte nicht auf die gesetzlichen Regelungen zur Vermeidung des Equal-PayGebots berufen. Vielmehr sei sie gemäß § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, die Differenzvergütung zu zahlen. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten hat das BAG diesen Aussetzungsbeschluss des LAG Baden-Württemberg durch Beschluss vom 19.5.201211 jetzt allerdings aufgehoben. Der Beschluss des LAG Baden-Württemberg lasse nicht erkennen, für welchen Zeitpunkt die Tariffähigkeit bzw. Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften festgestellt werden solle. Hierfür sei es erforderlich, unter Bezugnahme auf die jeweils streitgegenständliche Forderung aufzuzeigen, welcher Tarifvertrag insoweit Entscheidungserheblichkeit habe. Konsequenterweise ist der 1. Senat des BAG deshalb auch davon ausgegangen, dass die fehlende Abhängigkeit des Erfolgs der Klage von der streitigen Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften im Beschluss des LAG Baden-Württemberg nicht ausreichend erkennbar werde. Mit dieser Entscheidung des BAG ist der Rechtstreit über die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften im Bereich der Zeitarbeit indes nicht beendet. Vielmehr bleibt es dem LAG Baden-Württemberg jetzt vorbehalten, seine Entscheidung sorgfältiger zu begründen. Wenn dies geschehen ist, dürfte das 11 1 AZB 72/12, DB 2013, 127 f.

183

Tarifrecht

Verfahren erneut ausgesetzt werden, um gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG über die Tariffähigkeit und -zuständigkeit der DGB-Gewerkschaften im Bereich der Zeitarbeit Klarheit zu schaffen. Dass dies den an den Tarifverträgen beteiligten DGB-Gewerkschaften für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum gelingt, erscheint mehr als zweifelhaft. Insofern bleibt abzuwarten, ob sich die Parteien tatsächlich auf eine streitige Durchführung des Verfahrens verständigen. Das Risiko ist hoch. Denn wenn das Verfahren gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG mit einer Entscheidung gegen die Tariffähigkeit und/oder Zuständigkeit einzelner DGB-Gewerkschaften im Bereich der Zeitarbeit endete, hätte dies gewaltige Konsequenzen für die gesamte Zeitarbeitsbranche in Deutschland. Denn dann wäre das Equal-Treatment-Gebot für viele Jahre - jedenfalls der Vergangenheit – maßgeblich, was nachträgliche Zahlungsverpflichtungen sowohl gegenüber den Leiharbeitnehmern als auch den Sozialversicherungsträgern auslösen würde. (Ga)

3.

Geltung einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist durch arbeitsvertragliche Bezugnahme

In Urteil des BAG vom 18.9.201212 hat das BAG klargestellt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG von einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist auch dann erfasst wird, wenn diese auf sechs Wochen begrenzt wird. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 8.7.201013 könne davon ausgegangen werden, dass die Grundsätze der Effektivität und Angemessenheit in Bezug auf die Durchsetzung der unionsrechtlich abgesicherten Urlaubsansprüche dadurch nicht gefährdet sind. Dies gilt – so das BAG – auch dann, wenn sich der Tarifvertrag im Zustand der Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) befindet und seine Geltung durch arbeitsvertragliche Bezugnahme bewirkt wird. In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin auf der Grundlage eines Formulararbeitsvertrags vom 22.3.1997 beschäftigt. Auszugsweise lauteten die vertraglichen Regelungen wie folgt: Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das Bäckerhandwerk BadenWürttemberg jeweils gültigen Bestimmungen des Manteltarifvertrags. Bei tarifvertragslosem Zustand gelten bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrags die Bestimmungen des alten als vereinbart. …

12 9 AZR 1/11, NZA 2013, 216 ff. 13 C-246/09, NZA 2010, 869 Rz. 36 ff. – Bulicke.

184

Geltung einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist durch arbeitsvertragliche Bezugnahme

Soweit vorstehend nichts anderes vereinbart wurde, gelten die jeweils gültigen Bestimmungen des Manteltarifvertrags für das Bäckerhandwerk in Baden-Württemberg (z. B. Anspruch auf Urlaub, zusätzliches Urlaubsgeld, Kündigung etc.).

In dem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Manteltarifvertrag (MTV) waren nicht nur Regelungen getroffen, die die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs zum Teil abweichend von den gesetzlichen Vorgaben zum Inhalt hatten. Ergänzend hierzu hatten die Tarifvertragsparteien vereinbart: § 21 Ausschlussfristen Alle gegenseitigen Ansprüche sind innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Entstehen schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen. Ist ein Arbeitnehmer durch außerordentliche Störung seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht in der Lage, Ansprüche gemäß Satz 1 geltend zu machen, so ist der Lauf der Ausschlussfrist bis zu dem Tage gehemmt, an dem diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen behoben sind.

Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin, die ab Herbst 2007 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt war, endete am 31.7.2009. Bereits mit Schreiben vom 19.2.2009 hatte sie die Beklagte ohne Erfolg aufgefordert, die ihr „noch zustehende Urlaubsabgeltung“ für die Kalenderjahre 2007 und 2008 bis zum 2.3.2009 abzurechnen und auszuzahlen. Außerhalb der streitgegenständlichen Klage hatte es zu einem späteren Zeitpunkt keine schriftliche Aufforderung der Klägerin mehr gegeben, eine Abgeltung ihres Urlaubsanspruchs vorzunehmen. Unter Verweis auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist weigerte sich deshalb die Beklagte, eine Zahlung vorzunehmen. In Übereinstimmung mit dem LAG Baden-Württemberg hat das BAG einen Anspruch der Klägerin abgelehnt. Denn diesem Anspruch habe die tarifvertragliche Ausschlussfrist entgegengestanden. Zwar ergab sich die Tarifbindung zwischen den Parteien nicht bereits aus dem Gesetz. Denn die Klägerin war erst während der bereits eingetretenen Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG eingestellt worden. Die Parteien hatten aber wirksam die Anwendung des MTV einschließlich der in § 21 MTV erteilten Ausschlussfrist vereinbart.

185

Tarifrecht

Zu Recht geht das BAG im Urteil vom 18.9.201214 davon aus, dass die Parteien eines Arbeitsvertrags auch eine bereits beendete Tarifbestimmung einzelvertraglich in Bezug nehmen können. Dieser Regelungswille war im ersten Teil des Arbeitsvertrags ausdrücklich erkennbar geworden. Da die Parteien insoweit auch eine Globalverweisung auf den Tarifvertrag in seiner Gesamtheit vereinbart hatten, findet auch eine Inhaltskontrolle der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nicht statt (§ 310 Abs. 4 S. 1 BGB). Gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB finden die §§ 305 bis 310 BGB auf Tarifverträge keine Anwendung. Eine Einschränkung dahin, dass diese Vorgabe nur für einen kraft unmittelbarer und zwingender Wirkung geltenden Tarifvertrag gelten soll, ist in § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nicht enthalten. Darauf weist das BAG ausdrücklich hin. Auch der gesetzliche Gesamtzusammenhang spreche gleichfalls gegen eine Inhaltskontrolle einschlägiger tarifvertraglicher Regelungen, die im Arbeitsvertrag im Wege einer Globalverweisung in Bezug genommen worden seien15. Nach Auffassung des BAG folgt dies schlussendlich auch aus §§ 310 Abs. 4 S. 3, 307 Abs. 3 BGB. Danach stehen Tarifverträge Rechtsvorschriften gleich. Mit der uneingeschränkten Verweisung auf den einschlägigen Tarifvertrag erlangten die tarifvertraglichen Bestimmungen bei nichttarifgebundenen Arbeitnehmern erst Geltung im Arbeitsverhältnis. Die Verweisung führe damit nicht zu einer Abweichung von Rechtsvorschriften, sondern erst zu deren Anwendbarkeit. Da eine Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nur bei einer Abweichung von Rechtsvorschriften stattfinde, schließe dies eine AGB-Kontrolle des Tarifvertrags aus16. Die darin erkennbare (gesetzliche) Vermutung der Angemessenheit endet - entgegen einer zum Teil vertretenen Auffassung17 - nicht mit der Beendigung des Tarifvertrags. Dies schlussfolgert der 9. Senat des BAG völlig zu Recht bereits daraus, dass das Gesetz bei tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien gemäß § 4 Abs. 5 TVG die Nachwirkung des gekündigten Tarifvertrags anordne. Ordne das Gesetz die Geltung des außer Kraft getretenen Tarifvertrags an, seien – so das BAG – keine Gründe ersichtlich, die dagegen sprächen, eine solche Geltung auch ohne Angemessenheitsprüfung durch Formulararbeitsvertrag herbeiführen zu können. Ob etwas anderes gelte, 14 9 AZR 1/11, NZA 2013, 216 Rz. 18. 15 BAG 18.9.2012 – 9 AZR 1/11, NZA 2013, 216 Rz. 24; BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049 Rz. 22. 16 BAG 18.9.2012 – 9 AZR 1/11, NZA 2013, 216 Rz. 24; BAG v. 13.7.2010 – 9 AZR 264/09 n. v. (Rz. 50); HWK/Gotthardt, BGB § 307 Rz. 14. 17 So Thüsing/Lambrich, NZA 2002, 1361, 1363.

186

Ablösung eines Verbandstarifvertrags durch Firmentarifvertrag

wenn die Tarifvertragsparteien die Nachwirkung des Tarifvertrags ausgeschlossen hätten, bedurfte im vorliegenden Fall keiner Entscheidung18. Damit war vorliegend nur festzustellen, ob – was nicht geschehen war – die Klägerin fristgerecht ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung unter Beachtung der erforderlichen Schriftform geltend gemacht hatte. Dabei stellte das BAG indes klar, dass die erforderliche Geltendmachung durch das Schreiben vom 19.2.2009 noch nicht erfolgen konnte. Denn der Anspruch auf Urlaubsabgeltung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden. Ausschlussfristen bezweckten aber, dass sich der Anspruchsgegner auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offenen Forderungen rechtzeitig einstelle, Beweise sichere oder vorsorglich Rücklagen bilden könne. Dieser Zweck könne aber nicht erfüllt werden, wenn Ansprüche vor ihrer Entstehung geltend gemacht würden und damit letztlich nur als möglich angekündigt seien19. (Ga)

4.

Ablösung eines Verbandstarifvertrags durch Firmentarifvertrag

Auf tarifrechtlicher Ebene ist die Ablösung eines Verbandstarifvertrags durch die Regelungen eines Firmentarifvertrags zum gleichen Regelungsgegenstand weitgehend unstreitig, nachdem das BAG seine frühere Rechtsprechung zur Tarifpluralität aufgegeben hat. Damit ist von einer Ablösung der Regelungen des Verbandstarifvertrags durch die Vorgaben eines Firmentarifvertrags auszugehen, wenn die Tarifverträge mit der gleichen Gewerkschaft abgeschlossen worden sind. Hier gilt weiterhin der Grundsatz der Spezialität zur Auflösung einer Tarifkonkurrenz20. Sind der Verbandstarifvertrag einerseits und der Firmentarifvertrag andererseits von unterschiedlichen Gewerkschaften abgeschlossen worden, ist eine Ablösung ausgeschlossen. Hier liegt eine Tarifpluralität vor, die zu einer parallelen Geltung beider Tarifverträge nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG führt. Entscheidend für die gesetzliche Tarifbindung ist also, in welcher Gewerkschaft der Arbeitnehmer Mitglied ist21.

18 BAG 18.9.2012 – 9 AZR 1/11, NZA 2013, 216 Rz. 24; BAG v. 16.8.1990 – 8 AZR 439/89, NZA 1991, 353 f. 19 BAG 18.9.2012 – 9 AZR 1/11, NZA 2013, 216 Rz. 35; BAG v. 16.6.2010 – 4 AZR 924/08, AP Nr. 79 zu § 1 TVG Bezugnahme und Tarifvertrag Rz. 35. 20 BAG v. 20.3.1991 – 4 AZR 455/90, NZA 1991, 736 ff.; HWK/Henssler, TVG § 4 Rz. 47. 21 Däubler/Zwanziger, TVG § 4 Rz. 923 ff.; Wiedemann/Wank, TVG § 4 Rz. 278 ff.

187

Tarifrecht

Das vorstehende Ergebnis kann allerdings dann in der betrieblichen Praxis modifiziert werden müssen, wenn sich für die Arbeitnehmer als Konsequenz einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf den bisherigen Verbandstarifvertrag eine fortgeltende Bindung an die dort getroffenen Regelungen ergibt. Für die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer folgt dies bereits aus dem Umstand der Vertragsfreiheit, die umgekehrt die wechselseitige Verpflichtung begründet, bestehende Vereinbarungen einzuhalten. Für gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer gilt das Gleiche insbesondere dann, wenn die durch arbeitsvertragliche Bezugnahme hergestellte Bindung an den Verbandstarifvertrag dem Günstigkeitsprinzip in § 4 Abs. 3 TVG Rechnung trägt. Voraussetzung einer Ablösung des Verbandstarifvertrags durch den Firmentarifvertrag ist damit auf der arbeitsvertraglichen Ebene, dass die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Bezugnahme auf den Tarifvertrag unter Berücksichtigung der Vorgaben zur AGB-Kontrolle so dynamisch ausgestaltet ist, dass sie auch einen solchen Tarifwechsel einbezieht. Häufig ist dies nicht der Fall. Denn es entspricht einer vielfach geübten Praxis, in den Arbeitsverträgen aus personalpolitischen Gründen ganz bewusst namentlich auf die konkreten Tarifverträge zu verweisen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags im Unternehmen zur Anwendung kommen. In solchen – an sich vermeidbaren – Fallkonstellationen stellt sich sodann die Frage, ob eine entsprechende Bezugnahme trotz der Benennung des Verbandstarifvertrags so dynamisch ausgelegt werden kann, dass damit auch eine Bezugnahme auf den Firmentarifvertrag erfasst wird. Diese Problematik macht jetzt noch einmal das BAG in mehreren Urteilen vom 5.9.201222 deutlich. In einem dieser Entscheidungen zugrunde liegenden Fall war die Klägerin, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, seit 1979 im Städtischen Krankenhaus in W. beschäftigt. In § 2 des Änderungsvertrags vom 22.9.1993 hieß es u. a.: Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den für die Angestellten jeweils geltenden Tarifverträgen, die von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) für den Bereich des für den Arbeitgeber zuständigen kommunalen Arbeitgeberverbands und von diesem abgeschlossen worden sind. …

Das Städtische Krankhaus W. war zu diesem Zeitpunkt ein Eigenbetrieb der Hansestadt W., die Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband Mecklenburg-Vorpommern war, einem Mitgliedsverband der VKA. 2005 wurde das 22 4 AZR 749/10 n. v.; BAG v. 5.9.2012 – 4 AZR 696/10 n. v.

188

Ablösung eines Verbandstarifvertrags durch Firmentarifvertrag

Krankenhaus gemäß § 168 UmwG aus dem Vermögen der Hansestadt W. ausgegliedert und auf die Städtische Krankenhaus W gGmbH i. G. übertragen, die ihrerseits nicht Mitglied im KAV Mecklenburg-Vorpommern war. Am 2.3.2010 schloss die Beklagte als neue Arbeitgeberin mit den Gewerkschaften ver.di einerseits und der NGG andererseits einen Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (TV-Sonderzahlung 2010), der bereits ab 2007 zur Anwendung kommen sollte. Hintergrund war, dass bereits 2007 von der Konzernobergesellschaft der Beklagten ein Tarifvertrag abgeschlossen worden war, der für alle Konzernunternehmen gelten sollte. Dieser machte den Anspruch auf die jährliche Sonderzahlung von dem Betriebsergebnis des Konzerns, der Dauer der Betriebszugehörigkeit des betroffenen Mitarbeiters und der Zugehörigkeit entweder zu der Gewerkschaft ver.di oder der NGG zu einem bestimmten Stichtag abhängig. Da dieser Tarifvertrag aus formalen Gründen unwirksam war, wurden die entsprechenden Regelungen durch einen erneuten Tarifvertrag übernommen. Nach Auffassung der Klägerin war dieser Firmentarifvertrag für ihr Arbeitsverhältnis unverbindlich. Sie machte geltend, dass für ihr Arbeitsverhältnis weiterhin der BAT-O oder der TVöD in seiner jeweiligen Fassung anzuwenden sei. Dieser einschränkenden Auslegung der Bezugnahmeklausel ist der 4. Senat des BAG in seinem Urteil vom 5.9.201223 gefolgt. Nach seiner Auffassung wird der TV-Sonderzahlung 2010 von der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in § 2 des Änderungsvertrags vom 22.9.1993 nicht erfasst. Ob anstelle dessen der BAT-O in seiner zuletzt geltenden Fassung oder der TVöD maßgeblich sind, konnte wegen fehlender Feststellungen zum Sachverhalt nicht abschließend entschieden werden. Die Sache ist deshalb zurückverwiesen worden. Nach den Feststellungen des BAG handelte es sich bei der arbeitsvertraglichen Regelung zwar um eine Gleichstellungsabrede. Weder aus Wortlaut noch den Umständen bei Abschluss des Änderungsvertrags könne allerdings eine Bezugnahme auf den TV-Sonderzahlung 2010 geschlossen werden. Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel enthalte – so das BAG – keine Verweisung auf Haustarifverträge oder gar Konzerntarifverträge des jeweiligen Arbeitgebers. In Bezug genommen worden seien allein die bei Vertragsabschluss für die Arbeitgeberin einschlägigen „von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) für den Bereich des für den Arbeitgeber zuständigen kommunalen Arbeitgeberverbandes“ geschlossenen Ver23 4 AZR 749/10 n. v. (Rz. 11 ff.).

189

Tarifrecht

bandstarifverträge sowie die vom zuständigen kommunalen Arbeitgeberverband selbst geschlossenen Tarifverträge. Eine weitergehende Bezugnahme auf andere Tarifverträge, die auf Arbeitgeberseite von einer anderen Tarifvertragspartei geschlossen worden sei, hätten die Parteien des Arbeitsvertrags erkennbar im Hinblick auf die Einbindung der damaligen öffentlichrechtlich organisierten Arbeitgeberin in die Kommune „Hansestadt W“ und deren Mitgliedschaft im KAV Mecklenburg-Vorpommern ausschließen wollen. An dieser Rechtslage habe sich durch den Betriebsübergang zur Beklagten nichts geändert. Denn die sich aus dieser Klausel des Arbeitsvertrags ergebenden Rechte und Pflichten gehörten zu denen, in die die ausgegliederte Städtische Krankenhaus W gGmbH und nunmehr unter dem neuen Namen firmierende Beklagte nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB eingetreten sei, als hätte sie diese selbst vereinbart24. Dem ist zuzustimmen, zumal es für die Arbeitsvertragsparteien angesichts der vieljährigen Erörterung der Wirkungsweise solcher Bezugnahmeklauseln inzwischen bewusst sein sollte, dass bei gewünschter Dynamik entsprechender Klauseln eine abweichende Formulierung geboten ist. Sie muss bereits im Wortlaut erkennen lassen, dass die jeweils für den Arbeitgeber kraft Gesetzes verbindlichen Firmen- oder Verbandstarifverträge maßgeblich sind, in deren Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis fällt. Falls insoweit mehrere Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften denkbar sind, ist arbeitgeberseits eine weitergehende Konkretisierung erforderlich. Mit Blick auf das NachwG könnte sodann festgehalten werden, zu welchem Ergebnis – zur Anwendung welcher Tarifverträge – die Bezugnahme zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses führt. Auf diese Tarifverträge könnte dann (deklaratorisch) verwiesen werden. Ob und inwieweit dem hier in Rede stehenden Fall im Anschluss an das Wirksamwerden der Ausgliederung der BAT-O in seiner zuletzt gültigen Fassung oder der TVöD in seiner jeweils aktuellen Fassung zur Anwendung kommt, konnte das BAG nicht abschließend feststellen. Denn die Kennzeichnung der hier in Rede stehenden Klausel als Gleichstellungsabrede hatte zur Folge, dass die Bindung der Klägerin an einen Tarifvertrag nur soweit reichte, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reichen würde. Sie endete deshalb mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte, weil diese wegen fehlender Tarifgebundenheit selbst nicht normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden war. Von diesem Zeitpunkt an konnten al24 BAG v. 5.9.2012 – 4 AZR 749/10 n. v. (Rz. 16 f.); BAG v. 24.2.2010 – 4 AZR 691/08, NZA-RR 2010, 530 Rz. 38.

190

Tarifvertragliche Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern

so die zuletzt bei der Hansestadt W geltenden Tarifverträge nur noch statisch auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen25. Hiervon ausgehend wird das LAG Mecklenburg-Vorpommern klären müssen, wann das Arbeitsverhältnis konkret auf die Beklagte übergegangen ist. Folgt man den Feststellungen des 4. Senats des BAG, kommt es dabei darauf an, wann die Beklagte als neuer Inhaber die betreffende Einheit unter Wahrung ihrer Identität weitergeführt hat. Dies sei anhand der tatsächlichen Verhältnisse festzustellen, ohne dass es auf das Datum der Eintragung in das Handelsregister oder das den Arbeitnehmern gemäß § 613 a Abs. 5 BGB mitgeteilte Datum des geplanten Übergangs ankomme. Zunächst einmal ist es richtig, dass tatrichterlich der eigentliche Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses festgestellt wird. Richtig ist auch, dass im Zusammenhang mit einer Umwandlung der Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht notwendig (erst) mit dem Wirksamwerden der Umwandlung durch Eintragung in das Handelsregister erfolgt. Soweit der 4. Senat des BAG mit seinen Feststellungen allerdings den Eindruck erweckt, der Übergang des Arbeitsverhältnisses könne auch erst im Anschluss an das Wirksamwerden der Umwandlung folgen, falls der übernehmende Rechtsträger zu diesem Zeitpunkt noch nicht die tatsächliche Inhaberschaft über den Betrieb übernommen habe, wäre dies eine völlig neue Sichtweise auf die arbeitsrechtlichen Wirkungen einer Umwandlung und abzulehnen. Darauf wird allerdings an anderer Stelle einzugehen sein26. (Ga)

5.

Tarifvertragliche Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern

Bereits in seinem Urteil vom 18.3.200927 hatte der 4. Senat des BAG im Zusammenhang mit einer „einfachen“ Differenzierungsklausel die These vertreten, dass ein Tarifvertrag unter bestimmten Voraussetzungen zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern unterscheiden dürfe. Darin liege kein Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit, wie sie durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt werde28. An dieser

25 26 27 28

BAG v. 5.9.2012 – 4 AZR 749/10 n. v. (Rz. 22 f.). B. Gaul/Krause, AktuellAR 2013, 266 ff. 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028 Rz. 46 ff. Eingehend Boewer, AktuellAR 2009, 284 ff.

191

Tarifrecht

Sichtweise hatte der 4. Senat des BAG auch in Folgeentscheidungen festgehalten29. Wir hatten darüber berichtet30. In seinem Urteil vom 5.9.201231, über das wir bereits im Zusammenhang mit einer Auslegung der dort verwendeten Bezugnahmeklausel berichteten32, hat das BAG diese Rechtsprechung zur tarifvertraglichen Differenzierung auf den Fall übertragen, dass eine Tarifregelung zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern unterscheide. Auch eine solche Differenzierung sei grundsätzlich zulässig, insbesondere wenn hierfür ein Stichtag gewählt werde, für den es einen sachlichen Grund gebe. In den Gründen seiner Entscheidung führt das BAG insoweit aus, dass die Vertragsparteien eines Firmentarifvertrags – gleiches wird man auf dieser Grundlage allerdings auch für einen Verbandstarifvertrag annehmen müssen – bei der Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen eine Sonderzahlung geleistet werden soll, weitgehend frei seien. Sie könnten zulässigerweise ohne Weiteres eine bestimmte vorherige Dauer der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft als Anspruchsvoraussetzung formulieren und als zulässiges Differenzierungskriterium vereinbaren. Dies gelte umso mehr, wenn ein solcher Stichtag nicht willkürlich gewählt werde, sondern einen sachlichen Grund aufweise, beispielsweise weil er in zeitlichem Zusammenhang mit dem Beginn einer Tarifauseinandersetzung oder dem Abschluss eines Tarifvertrags stehe. Diese Voraussetzungen waren in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall gegeben. Denn nach den Regelungen des Tarifvertrags sollte die streitgegenständliche Jahressonderzahlung nur ein Arbeitnehmer erhalten, der spätestens am 6.3.2007 in die Gewerkschaft ver.di oder NGG eingetreten war. Denn am 27.3.2007 hatten die beiden Gewerkschaften mit dem Arbeitgeber einen Firmentarifvertrag abgeschlossen, durch den ein Anspruch auf diese Sonderzuwendung begründet wurde. Weil dieser Tarifvertrag aus formalen Gründen unwirksam war, soweit Tochterunternehmen einbezogen werden sollten, beabsichtigte der Arbeitgeber durch eine entsprechende Stichtagsregelung in einem späteren („reparierenden“) Tarifvertrag diese Differenzierung aufrechtzuerhalten. Nach Auffassung des BAG war dies zulässig.

29 BAG v. 23.3.2011 – 4 AZR 366/09, NZA 2011, 920; BAG v. 24.2.2010 – 4 AZR 691/08, DB 2010, 1593. 30 Boewer, AktuellAR 2010, 506 ff.; 2011, 204 f., 510 ff. 31 4 AZR 696/10 n. v. 32 B. Gaul, AktuellAR 2013, 187 ff.

192

Tarifvertragliche Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern

Damit führte – so das BAG – ein erst nach dem Stichtag erfolgter Beitritt zur Gewerkschaft nicht zu einer unzulässigen Vorenthaltung oder Entziehung einer tariflichen Leistung für das betreffende Jahr. Arbeitnehmer, die erst zu einem späteren Zeitpunkt Mitglied der Gewerkschaften ver.di bzw. NGG wurden, konnten damit aber erst für spätere Sonderzahlungen die anspruchsbegründende Voraussetzung schaffen. (Ga)

193

H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.

Ablösung allgemeiner Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung

a)

Ausgangssituation

Nicht nur in Unternehmen, die (zunächst) keinen Betriebsrat haben, werden Arbeitsbedingungen vielfach durch vom Arbeitgeber vorgegebene Einheitsregelungen (Richtlinien, Arbeitsordnungen) festgelegt. Auch in solchen Unternehmen, in denen mangels Tarifbindung keine durch Tarifvertrag vorgegebene Regelungsstruktur vorhanden ist, werden Ansprüche von Arbeitnehmern häufig durch vom Arbeitgeber einseitig festgelegte Regelungen bestimmt. In der Regel geht es dabei um Sozialleistungen (einschließlich betriebliche Altersversorgung), zum Teil sind auch sonstige Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Urlaub und Vorgaben zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen betroffen. Gerade nach dem Inkrafttreten der AGB-Kontrolle stellt sich immer wieder die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen solche individualrechtlichen Einheitsregelungen durch Betriebsvereinbarung geändert werden können. Hintergrund der insoweit bestehenden Bedenken war vor allem die Entscheidung des BAG vom 5.8.20091. In dieser Entscheidung, über die wir berichteten2, hatte der 10. Senat deutlich gemacht, dass eine Änderung oder Ablösung individualrechtlicher Einheitsregelungen mit Blick auf das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nur in Betracht kämen, wenn die betriebliche Einheitsregelung selbst erkennen lasse, dass sie auch durch Vereinbarung zwischen den betrieblichen Sozialpartnern geändert oder beendet werden könne. Mit seinem Urteil vom 17.7.20123 hat der 1. Senat des BAG deutlich gemacht, dass an diesen Überlegungen zwar grundsätzlich festgehalten werden muss. Dies gilt selbst dann, wenn im Arbeitsvertrag auf die jeweils gültigen Einheitsregelungen verwiesen wird. Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit ist aber weiterhin, dass die Arbeitnehmer erkennen könnten, dass solche Einheitsregelungen auch durch Vereinbarungen mit den betrieblichen Sozialpartnern verändert werden können. Dies könne sich – so das BAG – nicht nur aus der Vereinbarung selbst, sondern – darin liegt eine Erleichte1 2 3

10 AZR 483/08, NZA 2009, 1105 Rz. 14 ff. B. Gaul, AktuellAR 2012, 193 ff. 1 AZR 476/11, DB 2012, 2873 ff.

195

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

rung - auch aus dem Umstand ergeben, dass der Betriebs- oder Gesamtbetriebsrat bei der erstmaligen Festlegung und späteren Veränderungen beteiligt gewesen waren. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um einen Mitarbeiter der Gewerkschaft ver.di. Er war 1990 bereits durch die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) eingestellt und als Folge der Entstehung von ver.di durch Verschmelzung im Jahre 2001 auf die neue Dienstleistungsgewerkschaft übergegangen. Nr. 4 seines Arbeitsvertrags vom 17.12.1990 lautete: Auf das Beschäftigungsverhältnis finden die Bestimmungen der Tarifregelung für die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Bei dieser Tarifregelung handelte es sich um allgemeine Arbeitsbedingungen der DPG. Diese wurden von einer Personalkommission erarbeitet und - soweit sie nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung waren – vom Hauptvorstand der DPG beschlossen. In die Beratungen der Personalkommission war der Gesamtbetriebsrat eingebunden.

b)

Allgemeine Wirksamkeit der Bezugnahme auf betriebliche Einheitsregelungen

Anlass für die gerichtliche Auseinandersetzung war nun der Umstand, dass ver.di mit dem Gesamtbetriebsrat 2007/2008 mehrere Gesamtbetriebsvereinbarungen abgeschlossen hatte, durch die jedenfalls die hier streitgegenständlichen Ansprüche auf Krankengeld auf der Grundlage der früheren Tarifregelung beseitigt wurden. Die Änderung war mit einer Übergangsregelung verbunden. Etwaige Nachteile, die für die einzelnen Arbeitnehmer im Rahmen der individuellen Krankenversorgung eintraten, wurden durch ver.di erstattet, falls sie einen Betrag in Höhe von 300,- €/Monat überschritten. Darüber hinaus gab es Härtefallregelungen sowie Zuschussleistungen zu zahnärztlichen Behandlungen. Mit dieser Änderung entsprachen die betrieblichen Sozialpartner einer Grundsatzvereinbarung, die im Zusammenhang mit der Verschmelzung bereits 2000 zwischen den fünf Einzelgewerkschaften und ihren Gesamtbetriebsräten abgeschlossen worden war. Nach dieser Grundsatzvereinbarung sollten die allgemeinen Anstellungsbedingungen und -regelungen der fünf Gewerkschaften zunächst einmal fortgelten, bis sie durch neue Vereinbarungen ersetzt würden. Die langfristig angestrebte Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen sollte nach dieser Vereinbarung indes nicht vor dem 30.6.2003 ohne die Zustimmung der jeweils anderen Betriebspartei (Gesamtbetriebsrat und Bundesvorstand von ver.di) vereinbart werden. Anstel196

Ablösung allgemeiner Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung

lungsbedingungen, die nicht einvernehmlich zustande kommen würden, sollten frühestens am 1.7.2004 in Kraft treten. Darüber hinaus sollte jeder Beschäftigte die Möglichkeit haben, bis zum 31.12.2007 die bisherigen Vergütungsregelungen beizubehalten. Die Klägerin machte geltend, dass die durch Gesamtbetriebsvereinbarung bewirkte Beendigung ihrer früheren Ansprüche auf Unterstützungsleistungen im Krankheitsfall unwirksam gewesen sei. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der arbeitsvertraglich geschaffene Anspruch auf Anwendung der Tarifregelungen durch Betriebsvereinbarung nicht beseitigt werden könne. Das BAG ist dem im Urteil vom 17.7.20124 nicht gefolgt. Nach Auffassung des BAG handelte es sich bei der hier in Rede stehenden Klausel um die Bezugnahme auf die jeweils bestehenden Arbeitsbedingungen eines anderen Regelungswerks, die in dieser Regelungstechnik grundsätzlich auch mit den Vorgaben der AGB-Kontrolle vereinbar sei. Zwar verlange das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, dass der Arbeitnehmer ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen könne und nicht durch vermeidbare Unklarheiten und Spielräume von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werde. Eine Verweisung auf die Vorschriften eines anderen Regelungswerks sei indes grundsätzlich zulässig und führe für sich genommen nicht zur Intransparenz. Dies dürfte im Übrigen bereits aus der fehlenden Anwendbarkeit von § 305 Abs. 2 BGB folgen (§ 310 Abs. 4 S. 1 BGB). Es sei – so das BAG – ausreichend, wenn die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar seien5. Diese Voraussetzung war vorliegend erfüllt. Denn für den Arbeitnehmer war klar, welche Tarifregelungen der DPG zur Anwendung kommen sollten. Darüber hinaus war erkennbar, dass diese Regelungen einer künftigen Änderbarkeit unterworfen waren. Eines Hinweises darauf, in welcher Rechtsform solche Änderungen erfolgen dürfen, bedurfte es nach Auffassung des BAG nicht6. Grundsätzlich muss eine entsprechende Klausel allerdings auch den Anforderungen an einen einseitigen Änderungsvorbehalt in § 308 Nr. 4 BGB Rechnung tragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – der Arbeitgeber berechtigt sein soll, durch eine einseitige Änderung des in Bezug ge4 5 6

1 AZR 476/11, NZA 2012, 861 Rz. 15 ff. BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 476/11, NZA 2012, 861 Rz. 23; BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861 Rz. 15. BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 476/11, NZA 2012, 861 Rz. 24.

197

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

nommenen Regelungswerkes eigene Leistungspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer zu ändern. Da die hier in Rede stehende Tarifregelung als Konsequenz der Gesamtbetriebsvereinbarungen im Zusammenhang mit der Verschmelzung einseitig gegen den Willen der beiden betrieblichen Sozialpartner aber nicht mehr geändert werden konnten, fand – so das BAG – § 308 Nr. 4 BGB keine Anwendung (mehr)7.

c)

Betriebsvereinbarungsoffenheit der betrieblichen Einheitsregelung

Ganz erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis hat die erneute Bestätigung des BAG, nach der Arbeitsvertragsparteien ihre vertraglichen Ansprüche dahingehend gestalten könnten, dass sie einer späteren betrieblichen Regelung den Vorrang einräumten. Dieser Vorbehalt könne – so der 1. Senat des BAG – ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen. Er sei sowohl bei einzelvertraglichen Abreden als auch bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich. Ein entsprechender Vorbehalt könne anzunehmen sein, wenn für die Arbeitnehmer erkennbar sei, dass die Leistung einer kollektiven, möglicherweise auch verschlechternden Veränderung zugänglich sein solle. Hiervon sei auszugehen, wenn die vertragliche Einheitsregelung in Abstimmung mit der jeweils zuständigen Arbeitnehmervertretung zustande gekommen sei oder wenn Änderungen in der Vergangenheit unter Beteiligung des Betriebsrats vorgenommen worden seien8. Diese Voraussetzungen waren in dem hier in Rede stehenden Fall gegeben. Denn nach den tatrichterlichen Feststellungen war der Gesamtbetriebsrat der DPG an der Erarbeitung der jeweiligen Tarifregelungen vor der Beschlussfassung durch den Hauptvorstand beteiligt gewesen. Dennoch können Veränderungen einer betrieblichen Einheitsregelung durch Betriebsvereinbarung natürlich nicht schrankenlos vorgenommen werden. Ausgangspunkt solcher Veränderungen ist zwar der Umstand, dass hierfür die Zeitkollisionsregel zur Anwendung kommt. Damit tritt – so das BAG – die Betriebsvereinbarung an sich an die Stelle der bisherigen individualrechtlichen Regelung. Dies sei grundsätzlich auch dann der Fall, wenn die Betriebsvereinbarung für die Arbeitnehmer ungünstiger sei. Allerdings müsse bei solchen Regelungen natürlich höherrangiges Recht beachtet werden. 7 8

BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 476/11, NZA 2012, 861 Rz. 26 f. BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 476/11, NZA 2012, 861 Rz. 29; BAG v. 10.12.2002 – 3 AZR 671/01, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 252; BAG v. 23.10.2001 – 3 AZR 74/01, NZA 2003, 986 ff.

198

Ablösung allgemeiner Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung

Dies gelte auch hier, weil die im Krankheitsfall durch ver.di an die Klägerin zu erbringenden Leistungen als Konsequenz der Gesamtbetriebsvereinbarung verschlechtert worden waren. Da die betrieblichen Sozialpartner insoweit vor allem § 75 BetrVG beachten müssen, hat der 1. Senat des BAG zunächst einmal prüfen müssen, ob in der Neuregelung eine Missachtung der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsgarantie gegeben war. Dies aber hat das BAG abgelehnt. Denn Art. 14 Abs. 1 GG schütze nur bereits entstandene vermögenswerte Rechte oder dem Eigentumsrecht wesensgleiche Anwartschaften. Ein Anspruch der Klägerin, bestimmte Leistungen im Krankheitsfall bis zur Beendigung und ggf. auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus zu erhalten, habe der Arbeitsvertrag indes nicht begründet. Vielmehr habe schon im Arbeitsvertrag ein Änderungsvorbehalt bestanden. Darüber hinaus habe es sich vorliegend um Sozialleistungen gehandelt, auf die Ansprüche regelmäßig erst in dem jeweils festgelegten Zeitabschnitt entstünden, so dass sie grundsätzlich auch mit Wirkung für die Zukunft eingestellt werden könnten. Losgelöst davon kann die Aufhebung einer betriebsvereinbarungsoffen ausgestalteten Sonderleistung durch die Betriebsparteien auch am Maßstab von Art. 2 Abs. 1 GG zu messen sein, wenn – so das BAG – diese Maßnahme typischerweise geeignet ist, bei den Arbeitnehmern einen Handlungsdruck zu erzeugen, durch den der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit berührt werde. Ob dies vorliegend der Fall war, hat der 1. Senat des BAG im Urteil vom 17.7.20129 zwar nicht abschließend festgestellt. Dagegen sprach zunächst einmal, dass mit den Änderungen letztendlich nur eine Rechtslage hergestellt wurde, die der Situation der nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V pflichtversicherten Arbeitnehmer entsprach. Dagegen sprach freilich, dass jedenfalls die von der Deutschen Bundespost gewechselten Beamten eine Veränderung ihrer ursprünglichen Rechtssituation hinnehmen mussten, die im Grunde nur durch einen Tarifwechsel bei der jeweiligen Krankenkasse angepasst werden konnte. Schlussendlich war die Änderung für das BAG indes verhältnismäßig. Hierzu gehörte nicht nur, dass sie geeignet und erforderlich war. Entscheidend war vielmehr, dass durch die Begrenzung der Mehrbelastung auf 300,-/Monat und die Zusage von Ausgleichsleistungen eine insgesamt noch angemessene Regelung getroffen wurde, mit der zugleich auch dem berechtigten Interesse der Gewerkschaft nach einer Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen im Anschluss an die Verschmelzung Rechnung getragen wur-

9

1 AZR 476/11, NZA 2012, 861 Rz. 42 ff.

199

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

de. Wenn ein Arbeitnehmer – so das BAG – die darin liegende Enttäuschung vermeiden wolle, sei er gehalten, die entsprechende Leistung entweder im Arbeitsvertrag gesondert zu vereinbaren oder sie darin betriebsvereinbarungsfest auszugestalten10. Auch wenn der letztgenannte Hinweis kaum der Realität von Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag außerhalb des Kreises der Führungskräfte entsprechen dürfte, ist der Entscheidung insgesamt zuzustimmen. (Ga)

2.

Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen

Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 5.3.201311 sind Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, wirksam. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall führte die entsprechende Betriebsvereinbarung zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der im Jahr 1942 geborene Kläger war seit 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Nach der von beiden Parteien unterzeichneten „Einstellungsmitteilung“ war das Arbeitsverhältnis zwar auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine bei der Beklagten schon seit 1976 bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung sah indes die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des 65. Lebensjahres vor. Dieses vollendete der Kläger im August 2007. Als die Beklagte daraufhin von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausging, machte er geltend, dass die in der Gesamtbetriebsvereinbarung enthaltene Altersgrenzenregelung unwirksam sei. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch das BAG angenommen, dass Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung eine Altersgrenze für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen festlegen können. Dabei hätten sie – so das BAG – indes die Grundsätze von Recht und Billigkeit (§ 75 Abs. 1 BetrVG) zu beachten. Diese seien gewahrt, wenn die Altersgrenze an den Zeitpunkt anknüpfe, zu dem der Arbeitnehmer die Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen könne. Dieser Bewertung ist zuzustimmen. Bemerkenswert ist allerdings, dass der 1. Senat des BAG eine solche Regelungsmöglichkeit offenbar auch dann anerkennt, wenn die im Arbeitsvertrag getroffenen Regelungen nicht ausdrück10 BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 476/11, NZA 2012, 861 Rz. 53; Lindenmaier, FS Kreutz S. 285, 296. 11 1 AZR 417/12 n. v.

200

Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen

lich betriebsvereinbarungsoffen gestaltet wurden. Denn der 1. Senat des BAG geht im Urteil vom 5.3.201312 davon aus, dass die Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses keine die Altersgrenzenregelung der Gesamtbetriebsvereinbarung verdrängende einzelvertragliche Abmachung ist. Offenkundig hat er wegen der zeitlichen Abfolge zwischen Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung (1976) und Einstellung (1980) insoweit auch keinen Verstoß gegen das aus § 77 Abs. 4 BetrVG folgende Prinzip angenommen, nach dem günstigere Regelungen eines Arbeitsvertrags durch eine Betriebsvereinbarung nicht verkürzt werden können. Eine abschließende Bewertung kann indes erst beim Vorliegen der vollständigen Ausfertigung dieser Entscheidung erfolgen; derzeit ist nur die Pressemitteilung verfügbar. Grundsätzlich dürfte diese Bewertung auch auf der Linie der Feststellungen des Großen Senats des BAG in seinem Beschluss vom 7.11.198913 liegen. Auch der Große Senat hatte angenommen, dass die Festlegung einer Altersgrenze durch Betriebsvereinbarung grundsätzlich mit § 75 BetrVG vereinbar ist. Allerdings hatte der Große Senat bereits deutlich gemacht, dass eine günstigere Regelung im Arbeitsvertrag durch die Betriebsvereinbarung nicht verdrängt werden dürfe14. Insofern dürfte es nicht möglich sein, erst nach Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags durch Betriebsvereinbarung eine Altersgrenze zu vereinbaren. Denn darin läge eine Verschlechterung der zuvor einzelvertraglich getroffenen Abrede; der Arbeitnehmer könnte nicht mehr frei über eine Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit und dem Ruhestand entscheiden. Entscheidend ist damit, dass die Betriebsvereinbarung bereits besteht, wenn der Arbeitnehmer eingestellt wird. Dann kann man darin schon wegen § 77 Abs. 4 BetrVG eine unmittelbar und zwingend wirkende Ergänzung des Arbeitsvertrags sehen, selbst wenn eine Bezugnahme auf die im Betrieb geltenden Betriebs-, Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen fehlt. Allerdings dürfte es hilfreich sein, wenn im Arbeitsvertrag auf die Geltung der Betriebsvereinbarungen und darin liegende Abweichungen von den arbeitsvertraglichen Regelungen verwiesen wird. (Ga)

12 1 AZR 417/12 n. v. 13 GS 3/85, NZA 1990, 816 ff. 14 BAG v. 7.11.1989 – GS 3/85, NZA 1990, 816 Rz. 34 ff.

201

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

3.

Neues zur Wahlberechtigung (früherer) Leiharbeitnehmer

Nach wie vor ist die Einbindung von Leiharbeitnehmern im Betrieb des Entleihers durch die Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Zwar hat der Gesetzgeber durch § 5 Abs. 1 S. 3, 7 S. 2 BetrVG, § 14 AÜG einen Teil der Rechte und Pflichten klargestellt. Insbesondere nach der Einbindung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung der Schwellenwerte in § 111 BetrVG durch den 1. Senat des BAG im Urteil vom 18.10.201115, über das wir berichtet haben16, stellt sich allerdings nicht nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen die einem anderen Arbeitgeber überlassenen Arbeitnehmer auch in anderen Vorschriften bei der Berechnung von Schwellenwerten Berücksichtigung finden. Die Besonderheiten eines Leiharbeitnehmereinsatzes kommen auch dann zum Tragen, wenn der Leiharbeitnehmer im Anschluss an die Überlassung durch den Entleiher eingestellt wird und dann die Frage seiner Wahlberechtigung nach §§ 7, 8 BetrVG zu klären ist.

a)

Wahlberechtigung nach Einstellung eines früheren Leiharbeitnehmers

In dem Beschluss vom 10.10.201217 musste der 7. Senat des BAG über eine Wahlanfechtung entscheiden. Sie war durch den Arbeitgeber und sechs Arbeitnehmer eines Betriebs mit der Begründung eingeleitet worden, dass der Wahlvorstand bei der Vorbereitung der Betriebsratswahl eine aus sechs Wahlbewerbern bestehende Vorschlagsliste mit der Begründung abgelehnt hatte, dass der Beteiligte zu 1) als Listenvertreter keine passive Wahlberechtigung habe. Er war erst zum 1.1.2010 von der Arbeitgeberin in ein Arbeitsverhältnis übernommen worden. Vom 1.10.2009 bis zum 31.12.2009 war er als Leiharbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin tätig. Aus Sicht des Wahlvorstandes lag deshalb die nach § 8 BetrVG erforderliche Dauer der Betriebszugehörigkeit (sechs Monate) noch nicht vor. Die Betriebsratswahl, deren Ergebnis am 28.4.2010 bekannt gegeben wurde, fand deshalb ohne die Vorschlagsliste des Beteiligten zu 1) nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl statt. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch das BAG dem Antrag auf Anfechtung der Betriebsratswahl stattgegeben. Die Vorschlagsliste des Beteiligten zu 1) hätte zur Wahl zugelassen werden müssen, weil seine 15 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 ff. 16 B. Gaul, AktuellAR 2012, 472 ff. 17 7 ABR 53/11 n. v.

202

Neues zur Wahlberechtigung (früherer) Leiharbeitnehmer

Beschäftigung als Leiharbeitnehmer in der Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.12.2009 als Betriebszugehörigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG anzuerkennen gewesen wäre. Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind alle Wahlberechtigten, die dem Betrieb sechs Monate angehören, zum Betriebsrat wählbar. Auf die sechsmonatige Betriebszugehörigkeit werden Zeiten angerechnet, in denen der Arbeitnehmer unmittelbar zuvor in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder Konzerns tätig war (§ 8 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Lässt man die Besonderheiten aus § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG an dieser Stelle einmal unberücksichtigt18, sind zur Arbeitsleistung überlassene Arbeitnehmer dagegen nach § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG im Entleiherbetrieb nicht wählbar19. In Übereinstimmung mit der ganz überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung20 geht das BAG im Urteil vom 10.10.201221 indes davon aus, dass über die im Gesetz ausdrücklich geregelten Fälle hinausgehend auch Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer im entleihenden Betrieb auf die in § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG vorausgesetzte Dauer der Betriebszugehörigkeit anzurechnen sind, wenn der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an die Überlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet22. In seiner ausführlichen und überzeugenden Begründung verweist der 7. Senat des BAG insoweit auf den Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, den Sinn und Zweck sowie die Systematik des Gesetzes. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Denn auch die als Leiharbeitnehmer im Betrieb des späteren Arbeitgebers tätigen Arbeitnehmer lernen die betriebsbezogenen Gegebenheiten kennen und können diese sodann für den Fall einer Tätigkeit als Betriebsrat berücksichtigen. Im Gegenteil: Bei einer solchen Fallkonstellation dürfte eine weitaus größere Kenntnis um die betrieblichen Verhältnisse gegeben sein, als dies bei einer anderweitigen Tätigkeit im Konzern der Fall ist. Die aber wird schon nach dem Gesetz angerechnet. Ausreichend ist damit, dass unter Einbeziehung der Beschäftigungszeit als Leiharbeitnehmer die sechsmonatige Betriebszugehörigkeit im Zeitpunkt der Wahl, also bei Stimmabgabe, gegeben war. Unerheblich ist nach Auf18 B. Gaul, AktuellAR 2013, 204 ff. 19 BAG v. 10.10.2012 – 7 ABR 53/11 n. v. (Rz. 13); BAG v. 17.2.2010 – 7 ABR 51/08, NZA 2010, 1298 Rz. 14 ff. 20 Vgl. nur HWK/Reichold, BetrVG § 8 Rz. 8; ErfK/Koch, BetrVG § 8 Rz. 3; Richardi/Thüsing, BetrVG § 8 Rz. 21. 21 7 ABR 53/11 n. v. (Rz. 13). 22 A. A. Kreutz, GK-BetrVG § 8 Rz. 30.

203

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

fassung des BAG, dass der Beteiligte zu 1) im Zeitpunkt der Aufstellung bzw. der Einreichung der Vorschlagsliste auch unter Berücksichtigung der Vorbeschäftigungszeit als Leiharbeitnehmer dem Betrieb noch keine sechs Monate angehört hatte23. Der hier in Rede stehende Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Wahlberechtigung war auch geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Damit lag die für eine wirksame Anfechtung erforderliche Relevanz des Gesetzesverstoßes vor. Denn bei einer Zulassung der Vorschlagsliste des Beteiligten zu 1) hätte das Wahlergebnis, insbesondere bei der dann durchzuführenden Verhältniswahl nach § 14 Abs. 2 S. 1 BetrVG, anders ausfallen können. Dass die Vorschlagsliste entgegen § 6 Abs. 2 WahlO lediglich sechs Wahlbewerber benannte, war unschädlich, weil darin eine reine Ordnungsvorschrift zu sehen ist, deren Nichtbeachtung nicht zur Ungültigkeit der Vorschlagsliste führt24.

b)

Besonderheiten bei Arbeitnehmern im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG

Eine hiervon abweichende Bewertung ist – wie bereits im Herbst ausgeführt25 – in Bezug auf die Arbeitnehmer geboten, die aus dem öffentlichen Dienst heraus in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind. Denn hier bestimmt § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG, dass sie als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG gelten. Damit werden sie insgesamt – einschließlich der Berechnung etwaiger Schwellenwerte im BetrVG – wie Arbeitnehmer behandelt, die durch den Betriebsinhaber eingestellt und im Betrieb auch tatsächlich eingesetzt werden. Dies macht das BAG in seinem Beschluss vom 12.12.201226 noch einmal deutlich27. In dem zugrunde liegenden Fall war im Rahmen eines Verfahrens zur Anfechtung einer Betriebsratswahl streitig, ob ein Betriebsrat mit drei oder fünf Mitgliedern zu wählen gewesen wäre. Nach Auffassung des Arbeitgebers hätte der Betriebsrat nur aus drei Mitgliedern bestehen sollen, da er selbst in der Regel nur fünfzig Arbeitnehmer beschäftigte. Der Wahlvorstand berücksichtigte bei seiner Entscheidung, im Betrieb einen fünfköpfigen Betriebsrat wählen zu lassen, indes nicht nur neun Arbeitnehmer, die dem Arbeitgeber von einer anderen Konzerngesellschaft 23 24 25 26 27

BAG v. 10.10.2012 – 7 ABR 53/11 n. v. (Rz. 19 ff.). BAG v. 10.10.2012 – 7 ABR 53/11 n. v. (Rz. 28). B. Gaul, AktuellAR 2012, 474 ff. 7 ABR 37/11, NZA-RR 2013, 197 ff. Ebenso BAG v. 5.12.2012 – 7 ABR 17/11 n. v.

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Neues zur Wahlberechtigung (früherer) Leiharbeitnehmer

überlassen wurden. Er berücksichtigte darüber hinaus vier weitere beim Kreis angestellte Arbeitnehmer (Kreisbedienstete), die seit mehreren Jahren auf der Grundlage eines Personalüberlassungsvertrags im Betrieb des Arbeitgebers eingesetzt wurden. Völlig zu Recht hat der 7. Senat des BAG die Vorgehensweise des Wahlvorstands gebilligt. Denn bereits durch die Einbeziehung der vier Kreisbediensteten war von mindestens 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern im Betrieb auszugehen. Bei den Kreisbediensteten handelte es sich um in Privatbetrieben tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG. Sie sind bei den organisatorischen Schwellenwerten des BetrVG - so auch bei § 9 BetrVG – zu berücksichtigen. Dass Leiharbeitnehmer im Übrigen bei der für die Betriebsratsgröße maßgeblichen Belegschaftsstärke grundsätzlich nicht mitzählen28, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG geböten, hier eine vollständige Einbeziehung vorzunehmen. Dass dies für die insoweit betroffenen Arbeitnehmer zu einem „doppelten Wahlrecht“ führe, habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen29. Unter der Voraussetzung, dass der Einsatz der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in dem Betrieb des privatrechtlich organisierten Unternehmens zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl bereits sechs Monate andauert, liegt damit eine aktive und passive Wahlberechtigung vor. Die Festlegungen des Wahlvorstandes in Bezug die Größe des Betriebsrats waren damit zutreffend. Voraussetzung ist, dass – so das BAG im Urteil vom 5.12.201230 - der Beschäftigte so in die betriebliche Arbeitsorganisation eingegliedert ist, dass der privatrechtlich organisierte Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz nach Zeit und Ort trifft. Das an der Betriebsratswahl fälschlicherweise auch als passiv wahlberechtigte Leiharbeitnehmer berücksichtigt wurden, die von einem anderen Konzernunternehmen überlassen wurden, führte nicht zu einer Begründetheit des Anfechtungsverfahrens. Selbst wenn darin ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG gelegen haben sollte, konnte dieser – so das BAG – das Wahlergebnis nicht beeinflussen. Denn eine Verkennung der 28 So BAG v. 10.3.2004 – 7 ABR 49/03, NZA 2004, 1340 ff.; BAG v. 22.10.2003 – 7 ABR 3/03, NZA 2004, 1052 ff. 29 BT-Drucks. 16/11608, 21; 16/1336, 17; BAG v. 12.9.2012 – 7 ABR 37/11, NZA-RR 2013, 197 Rz. 16. 30 7 ABR 17/11 n. v. (Rz. 23.)

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

passiven Wahlberechtigung kann nach den Feststellungen des BAG nur dann zur Unwirksamkeit der Wahl führen, wenn die nicht passiv Wahlberechtigten als Betriebsratsmitglieder gewählt wurden oder der Arbeitnehmer, dessen passive Wahlberechtigung im Streit steht, als Wahlbewerber angetreten ist. Beide Fallgestaltungen waren vorliegend indes nicht gegeben31. (Ga)

4.

Einbeziehung der Leiharbeitnehmer in die Schwellenwerte zur Betriebsratsgröße

Nach § 9 S. 1 BetrVG richtet sich die Zahl der Mitglieder des Betriebsrats nach der Anzahl der im Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer. Bei 5 bis 100 Arbeitnehmern kommt es darüber hinaus auch auf deren Wahlberechtigung an. Ab 101 Arbeitnehmern nennt das Gesetz diese Voraussetzung nicht mehr, allerdings ist unklar, ob nach dem Willen des Gesetzgebers wirklich unterschiedliche Voraussetzungen an die zu berücksichtigenden Arbeitnehmer gestellt werden sollen. Ob Leiharbeitnehmern im Rahmen von § 9 S. 1 BetrVG ein Zählwert zukommt, ist von hoher praktischer Bedeutung: Auf Seiten des Arbeitgebers, weil dieser eine höhere finanzielle Belastung zu erwarten hat, je größer der Betriebsrat ist; für den Betriebsrat, weil von der Anzahl der mitgezählten Arbeitnehmer seine Mitgliederzahl abhängt. Darüber hinaus sind damit auch Freistellungsansprüche gemäß § 38 BetrVG verbunden. Nachdem bereits der 1. Senat des BAG32 hinsichtlich der Berechnung des Schwellenwertes in § 111 S. 1 BetrVG von der Kumulationstheorie oder auch „Zwei-Komponenten-Lehre“ abgerückt war und wahlberechtigte Leiharbeitnehmer mitgezählt hat, folgte ihm nun der 7. Senat in seinem Urteil vom 13.3.201333 auch in Bezug auf die Schwellenwerte in § 9 BetrVG. Damit hob der 7. Senat ein Urteil des LAG Nürnberg auf, über das wir berichteten34, und stellte unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung35 klar, dass Leiharbeitnehmer bei der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer eines Betriebs grundsätzlich zu berücksichtigen seien.

31 32 33 34 35

BAG v. 12.12.2012 – 7 ABR 37/11, NZA-RR 2013, 197 Rz. 30 ff. 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 ff. 7 ABR 69/11 n. v. B. Gaul, AktuellAR 2012, 472 ff. BAG v. 10.3.2004 – 7 ABR 49/03, NZA 2004, 1340 Rz. 17; BAG v. 19.6.2001 - 1 ABR 43/00, NZA 2001, 1263 ff.

206

Einbeziehung der Leiharbeitnehmer in die Schwellenwerte zur Betriebsratsgröße

Die 14 Arbeitnehmer in dem zugrunde liegenden Fall hatten daher mit ihrer Anfechtung der Betriebsratswahl Erfolg. In ihrem (Gemeinschafts-)Betrieb waren bei Erlass des Wahlausschreibens für die bevorstehende Betriebsratswahl neben 879 Stammarbeitern auch 292 Leiharbeitnehmer regelmäßig beschäftigt. Diese wurden aber durch den Wahlvorstand bei der Wahl nicht berücksichtigt, so dass statt eines 15-köpfigen Betriebsrats ein Betriebsrat von nur 13 Mitgliedern gewählt wurde. Bisher hatten das BAG36 und große Teile der Literatur37 Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Größe des Betriebsratsgremiums unberücksichtigt gelassen. Ausgangspunkt dieser Annahme war die Ansicht, § 9 BetrVG enthalte keinen von § 5 BetrVG abweichenden Arbeitnehmerbegriff. Nach diesem Arbeitnehmerbegriff bedarf es jedenfalls nach dem bisherigen Verständnis neben der tatsächlichen Eingliederung in den Betrieb auch ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Betriebsinhaber. Dieses Arbeitsverhältnis besteht aber auch während eines Einsatzes im Betrieb des Entleihers lediglich zum Verleiher. Von dieser Voraussetzung einer arbeitsvertraglichen Bindung zwischen Entleiher und überlassenem Arbeitnehmer hat das BAG in seinem Urteil vom 13.3.201338 Abstand genommen. Berücksichtigt werden nun auch Leiharbeitnehmer, so sie denn wahlberechtigt sind. Die Wahlberechtigung besteht gemäß § 7 S. 2 BetrVG, wenn die Leiharbeitnehmer länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Begründet hat der 7. Senat die Rechtsprechungsänderung in seinem bisher lediglich als Pressemitteilung vorliegenden Urteil mit einer an Sinn und Zweck der Schwellenwerte orientierten (Neu-)Auslegung des Gesetzestextes. Dies entspricht der Überlegung des 7. Senats im Beschluss vom 5.12.201239, wonach beim „drittbezogenen Personaleinsatz“, der mit einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung einhergehe, eine differenzierte Zuordnung von Arbeitnehmern schon in Bezug auf § 5 Abs. 1 BetrVG erfolgen sollte. Dem müsse – so der 7. Senat - auch bei anderen Vorgaben des BetrVG mit einem Verständnis Rechnung getragen werden, das den jeweiligen Zweck einer Verwendung des Arbeitnehmerbegriffs berücksichtige. 36 BAG v. 10.3.2004 – 7 ABR 49/03, NZA 2004, 1340 Rz. 17. 37 B. Gaul, AktuellAR 2012, 472 f.; Richardi/Richardi, § 5 Rz. 73; Richardi/Thüsing, § 9 Rz. 7; HWK/Reichold, BetrVG § 9 Rz. 4; ErfK/Koch, BetrVG § 9 Rz. 2; Rieble/Gutzeit, BB 1998, 638 ff.; Rost, NZA 1999, 113 ff.; GK-BetrVG/Kreutz, § 7 Rz. 19 m. w. N.; kritisch Dörner, FS Wißmann S. 286 ff.; a. A. Fitting, § 9 Rz. 25; Brors, NZA 2003, 1380 ff.; Däubler, AiB 2001, 685 ff. 38 7 ABR 69/11 n. v. 39 7 ABR 48/11 n. v. (Rz. 17 ff.).

207

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Grundsätzlich kann man eine Beachtung der (längerfristig eingesetzten) Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Schwellenwerte zwar durchaus für berechtigt halten, doch bleibt diese Entscheidung im Wesentlichen doch von politischen Überlegungen getragen, die dem Gesetzgeber vorbehalten sein sollten. Insofern kommt es in der Entscheidung des BAG erneut40 zu einer Erhebung des Gerichts vom Normanwender hin zu einer normsetzenden Instanz. Richterliche Rechtsfortbildung darf aber nicht dazu führen, dass seitens des Richters eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers gesetzt werden. Zwar wurde seitens der Befürworter41 eine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern immer wieder auf eine Bemerkung eines Vertreters der Bundesregierung innerhalb einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung42 gestützt, doch verkennt dieser Rechtfertigungsansatz, dass eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den insoweit klaren Gesetzeswortlaut und die Systematik des Gesetzes hintenanstellt, in unzulässiger Weise in die Kompetenz des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingreift43. Hätte der Gesetzgeber die Leiharbeitnehmer einbeziehen wollen, hätte er die Chance einer klaren Regelung ergreifen müssen. Trotzdem wird man aus Sicht der Betriebspraxis nun von einer Übertragung dieser Grundsätze des BAG44 auf sämtliche Schwellenwerte im BetrVG und des MitbestG bzw. des DrittelbG ausgehen müssen. Insbesondere für die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG wird die bisherige Rechtsprechung45 nicht aufrecht zu halten sein. Ebenso Berücksichtigung finden werden die Grundsätze bei §§ 99, 106 BetrVG sowie den Schwellenwerten für die Bildung von Aufsichtsräten mit Arbeitnehmerbeteiligung in §§ 1 MitbestG, 1 DrittelbG. Insofern konsequent ist dann auch die Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 24.1.201346, wonach Leiharbeitneh-

40 Vgl. die Entscheidung zur „Zuvor-Beschäftigung“: BAG v. 6.4.2001 - 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905. 41 Däubler, AuR 2004, 81 ff. 42 BT-Drucks. 15/6352: Auf Befragung führte der Vertreter der Bundesregierung aus, dass Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, das aktive Wahlrecht zum dortigen Betriebsrat erhalten und folglich bei den Arbeitnehmergrenzzahlen z. B. im Rahmen der §§ 9 und 38 des Betriebsverfassungsgesetzes bei der Bestimmung der Betriebsratsgröße und der Zahl der Freistellungen zu berücksichtigen seien. 43 BVerfG v. 25.1.2011 - 1 BvR 918/10, NJW 2011, 836 ff. 44 7 ABR 69/11 n. v. 45 BAG v. 22.10.2003 - 7 ABR 3/03, NZA 2004, 1052 ff. m. w. N. 46 2 AZR 140/12 n. v.

208

Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl bei unwirksamem Tarifvertrag

mer auch hinsichtlich des Schwellenwertes in § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG zu berücksichtigen sind. Wir berichten darüber an anderer Stelle47. (Ga/Sch)

5.

Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl bei unwirksamem Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG

Grundsätzlich werden Betriebsräte in den Betrieben gebildet, wie sie sich aus § 1, 4 Abs. 1 BetrVG ergeben. Diese Vorgehensweise ist allerdings nicht zwingend. Vielmehr können durch Tarifvertrag gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 BetrVG hiervon abweichende Betriebsstrukturen bestimmt werden, die dann auch Grundlage für die Bildung vom Gesetz abweichender Betriebsräte, Gesamt- oder Konzernbetriebsräte sind. Voraussetzung hierfür ist allerdings neben den formalen Erfordernissen eines Tarifvertrags mit einer hierfür zuständigen Gewerkschaft, dass dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), dies der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dient (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) oder dies einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG).

Wenn die letztgenannten Voraussetzungen für den Abschluss eines Tarifvertrags nicht vorliegen, ist eine dennoch auf der Grundlage eines solchen Tarifvertrags durchgeführte Betriebsratswahl zwar in der Regel nicht nichtig, aber anfechtbar48. Darauf hat das BAG jetzt im Beschluss vom 13.3.201349 zu Recht hingewiesen. In dem zugrunde liegenden Fall hatten mehrere Unternehmen, die konzernrechtlich verbunden waren, mit ver.di am 11.4.2002 einen Tarifvertrag zur Bildung einheitlicher Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstrukturen (TV EBS 2002) abgeschlossen. Nach diesem waren näher bezeichnete Betriebe der mehreren Unternehmen an verschiedenen Standorten der Bundesrepublik Deutschland zu neuen Wahlregionen zusammengefasst, in denen jeweils ein Regionalbetriebsrat gewählt wurde. Dieser Zuordnung lag zugrunde, dass die Betriebe unternehmensübergreifend durch Regionalleitungen geführt wurden. 47 B.Gaul, AktuellArbR, 2013, 128 f. 48 Vgl. HWK/B. Gaul, BetrVG § 3 Rz. 15 m. w. N. 49 7 ABR 70/11 n. v.

209

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Mit Wirkung zum 1.4.2004 wurde indes die regionale Leitungsstruktur aufgegeben. Dennoch wurde auf der Grundlage des am 25.10.2004 abgeschlossenen TV EBS 2004 die Errichtung von Regionalbetriebsräten fortgeschrieben. Auch eine im März 2010 für die „Region Mitte“ durchgeführte Wahl eines Regionalbetriebsrats fand – entgegen dem Verlangen der Arbeitgeberinnen nach einer Rückkehr zu den gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen – auf der Grundlage des TV EBS 2004 statt. Zu Recht hat das BAG der hiergegen gerichteten Wahlanfechtung des Arbeitgebers stattgegeben. Die Wahl hätte – so das BAG – nicht auf der Grundlage des TV EBS 2004 stattfinden dürfen. Denn dieser war unwirksam, weil er nicht den Anforderungen in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entsprach. Nachdem bereits am 1.4.2004 die Regionalleitungen abgeschafft waren, dienten die in dem Tarifvertrag bestimmten Arbeitnehmervertretungsstrukturen nicht mehr der wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Warum der Arbeitgeber aber gleichwohl diesen Tarifvertrag unterzeichnet hatte, lässt sich nicht erkennen. (Ga)

6.

Kein Erfordernis von Vollmachtsurkunden bei der Betriebsratsanhörung

Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Der Gesetzgeber hat die Anhörungsprozedur nicht formalisiert. Die Anhörung bedarf keiner schriftlichen Information des Betriebsrats, was auch dann gilt, wenn es sich um einen umfangreichen und komplexen Sachverhalt handelt50. Der für die Entgegennahme von Informationen gemäß § 26 Abs. 3 S. 2 BetrVG grundsätzlich zuständige Betriebsratsvorsitzende kann vom Arbeitgeber mündlich, per E-Mail, aber auch telefonisch über die Personalien des Arbeitnehmers, die Art der Kündigung, die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die ausgeübte Tätigkeit, die Sozialdaten, eventuell die Sozialauswahl und die Gründe der Kündigung unterrichtet werden, wobei hinsichtlich der Kündigungsgründe der Grundsatz der subjektiven Determination51 gilt. Vor Ausspruch der Kündigung kann der Arbeitgeber seine Informationen gegenüber dem Betriebsrat jederzeit ergänzen. Nachträgliche Informationen können allerdings dazu

50 BAG v. 6.2.1997 - 2 AZR 265/96, NZA 1997, 656 Rz. 21. 51 BAG v. 22.9.1994 - 2 AZR 31/94, NZA 1995, 363 Rz. 25.

210

Kein Erfordernis von Vollmachtsurkunden bei der Betriebsratsanhörung

führen, dass insoweit die Frist für die Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG erneut zu laufen beginnt. Unentschieden ist bislang geblieben, ob eine Mitteilung im Sinne des § 102 Abs. 1 BetrVG wegen ihres fristauslösenden Charakters (§ 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG) als Willenserklärung oder nur als rechtsgeschäftsähnliche Handlung anzusehen ist52. Die Willenserklärung als Bestandteil eines jeden Rechtsgeschäfts ist auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung (Rechtsfolgewillen) gerichtet53. Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen sind auf einen tatsächlichen Erfolg abzielende Erklärungen, deren Rechtsfolgen kraft Gesetzes eintreten, wie etwa bei Mahnung oder Fristsetzung54. Der 6. Senat des BAG musste nunmehr in einer Entscheidung vom 13.12.201255 klären, ob der Betriebsrat die Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung durch einen Boten oder Vertreter des Arbeitgebers in entsprechender Anwendung von § 174 S. 1 BGB zurückweisen darf, wenn der Anhörung keine Originalvollmacht beigefügt ist. Der Fall betraf eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Griechenland, die ein Luftfahrtunternehmen betrieb und in der Bundesrepublik Deutschland an fünf Standorten 69 Arbeitnehmer im Bodenbetrieb beschäftigte. An allen Standorten waren Betriebsräte gebildet. Die Klägerin des Verfahrens arbeitete am Standort Stuttgart, wo insgesamt neun Arbeitnehmer tätig waren. Im Oktober 2009 wurde das Luftfahrtunternehmen der Sonderliquidation nach griechischem Recht unterstellt und als Sonderliquidatorin eine andere Aktiengesellschaft griechischen Rechts eingesetzt, die das Luftfahrtunternehmen vertrat. Die Sonderliquidatorin ihrerseits wurde durch einen Geschäftsführer vertreten, der Rechtsanwalt G in Deutschland beauftragte und bevollmächtigte, die deutschen Standorte zu schließen und alle Arbeitsverhältnisse betriebsbedingt zu kündigen. Dieser hörte den Betriebsrat des Standorts Stuttgart mit Schreiben vom 15.12.2009 zu der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin an, ohne dieser Anhörung eine Vollmachtsurkunde beizufügen. Der Betriebsrat wies die Anhörung mit Schreiben vom 21.12.2009 analog § 174 BGB mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurück. Rechtsanwalt G kündigte mit Schreiben vom 29.12.2009 unter Beifügung einer Originalvollmacht der Sonderliquidatorin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.3.2010. Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin die Wirksamkeit der 52 53 54 55

Vgl. BAG v. 27.8.1982 – 7 AZR 30/80, DB 1983, 181 Rz. 16. BAG v. 1.6.2011 – 7 ABR 138/09, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 139. Vgl. Palandt/Ellenberger, vor § 104 BGB Rz. 6 m. w. N. 6 AZR 348/11 n. v.

211

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Kündigung unter anderem damit angegriffen, dass der Anhörung des Betriebsrats kein Vollmachtsnachweis des handelnden Rechtsanwalts beigefügt gewesen sei. Neben der Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits nach der Verordnung Nr. 44/2001/EG des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) sowie der Frage der Passivlegitimation der in Anspruch genommenen Beklagten, galt es zu klären, ob die von Rechtsanwalt G ausgesprochene Kündigung gegen § 102 BetrVG verstieß und damit aus diesem Grunde rechtsunwirksam war. Davon war die Vorinstanz56 ausgegangen. Das BAG ordnet zunächst die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG als rechtsgeschäftsähnliche Handlung ein, bei der eine zumindest analoge Anwendung von § 174 BGB in Betracht käme. Dies überzeugt, weil die Anhörung nach § 102 Abs. 1 BGB nicht auf die Vornahme eines Rechtsgeschäfts gerichtet ist, sondern auf einen bloß tatsächlichen Erfolg abzielt. Der Arbeitgeber soll nämlich veranlasst werden, von der Maßnahme der geplanten Kündigung abzusehen. Dabei wird zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kein vertragliches Rechtsverhältnis begründet, inhaltlich verändert oder beendet. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung erweist sich kraft gesetzlicher Anordnung als rechtsunwirksam (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Ungeachtet dieser Bewertung der Anhörung als rechtsgeschäftsähnliche Handlung fehlt dem Verfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG eine besondere Formalisierung, so dass auch eine mündliche oder fernmündliche Anhörung den Voraussetzungen dieser Vorschrift genügt57, was ausgeschlossen wäre, wenn eine Vollmachtsurkunde vorgelegt werden müsste. Demgegenüber will § 174 BGB – so das BAG – dem Gewissheitsinteresse des Adressaten eines einseitigen empfangsbedürftigen Rechtsgeschäfts oder einer rechtsgeschäftsähnlichen Handlung dienen. Der Erklärungsempfänger soll danach vor der Ungewissheit bewahrt werden, ob eine bestimmte Person überhaupt bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft für und gegen den Vertretenen vornehmen zu dürfen. Nach Ansicht des BAG hat der Gedanke des Gewissheitsinteresses im Zusammenhang mit § 102 BetrVG keine rechtsrelevante Bedeutung, wie die mögliche telefonische Anhörung des Betriebsrats verdeutlicht, bei der von vornherein keine Vollmachtsvorlage möglich ist. Wenn 56 LAG Baden-Württemberg v. 28.3.2012 – 20 Sa 47/11, LAGE, BetrVG 2001 § 102 Nr. 16; ebenso LAG Baden-Württemberg v. 25.3.2011 – 7 Sa 8/11 n. v. 57 BAG v. 23.6.2009 – 2 AZR 474/07, NZA 2009, 1136 Rz. 34.

212

Personalverwaltungssoftware: Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats

auch mit der Anhörung des Betriebsrats die Frist seiner Stellungnahme gemäß § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG in Lauf gesetzt wird, kann der Betriebsrat, so das BAG, bei Zweifeln über die Berechtigung des Anhörungsvertreters nach den Grundsätzen der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) beim Arbeitgeber nachfragen, ob dieser seitens des Arbeitgebers zur Durchführung des Anhörungsverfahrens ausreichend legitimiert ist58. Für die betriebliche Praxis ist die Entscheidung des BAG zu begrüßen, weil sie die Anwendung des § 102 Abs. 1 BetrVG von unnötigen Formalien freihält, ohne dass für den Betriebsrat die Gefahr bestünde, in seinen durch § 102 Abs. 2 und 3 BetrVG eingeräumten Reaktionsmöglichkeiten zu Gunsten des Arbeitnehmers eingeschränkt zu sein. Das BAG59 hatte bereits bei früherer Gelegenheit eine ähnliche Problematik im Zusammenhang einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 103 BetrVG zu klären. Es ging um die Frage, ob das Betriebsratsmitglied die Kündigung nach § 182 Abs. 3 BGB i. V. m. § 111 S. 2, 3 BGB zurückweisen kann, weil ihm der Arbeitgeber die vom Betriebsrat erteilte Zustimmung nicht in schriftlicher Form vorgelegt hat. Das BAG hat sich gegen die Anwendung der §§ 182, 111 BGB auf die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochen, weil dies zu einem im Gesetz nicht vorgesehenen indirekten Formzwang für die Zustimmungserklärung führen würde und § 103 BetrVG eine eigenständige kollektivrechtliche Sonderregelung darstellt, auf die vom Zweckgehalt her § 182 BGB mangels einer relevanten Schutzfunktion keine Anwendung findet. § 103 BetrVG dient nicht dem Schutz des Arbeitgebers, um ihn vor der Tragweite seiner Entscheidung zu bewahren. Der Schutz des Betriebsratsmitglieds wird ausreichend durch die §§ 15 KSchG, 103 BetrVG sichergestellt. (Boe)

7.

Personalverwaltungssoftware: Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats

Die effektive Erhebung, Verarbeitung und Nutzung aktueller Personaldaten setzt nicht nur voraus, dass eine hierfür geeignete Software zur Personaldatenverwaltung genutzt wird. Damit einheitliche Standards in Bezug auf alle Schritte der Datenverarbeitung gesetzt und die damit verbundenen Arbeitserleichterungen genutzt werden können, ist auch die übergreifende Verwen-

58 A. A. LAG Baden-Württemberg v. 28.3.2012 – 20 Sa 47/11, LAGE, BetrVG 2001 § 102 Nr. 16, das eine Anwendung von § 174 BGB bei § 102 Abs. 1 BetrVG befürwortet. 59 v. 4.3.2004 – 2 AZR 147/03, NZA 2004, 717 Rz. 17 ff.

213

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

dung einer einheitlichen und jeweils aktuellen Software erforderlich. Wenn es nur um mehrere Betriebe eines Unternehmens geht, die hiervon betroffen sind, steht aus arbeitsrechtlicher Sicht die Frage einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Wahrnehmung diesbezüglicher Beteiligungsrechte in Rede. Soll die Personaldatenverwaltung unternehmensübergreifend in konzernrechtlich verbundenen Unternehmen erfolgen, stellt sich die Frage, ob der Konzernbetriebsrat anstelle der örtlichen Betriebsräte bzw. der unternehmensbezogen gebildeten Gesamtbetriebsräte für die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte zuständig ist. Mit eben dieser Frage hat sich jetzt das BAG im Urteil vom 25.9.201260 auseinandergesetzt. In dem zugrunde liegenden Fall sollte die Erhebung, Speicherung und Nutzung der Personaldaten einer Verlagsgruppe auf einem einheitlichen Datenverarbeitungssystem (SAP ERP) erfolgen. Dabei sollte das sogenannte „Ein-Mandanten-Modell“ zur Anwendung kommen. Danach haben zwar grundsätzlich nur Mitarbeiter der jeweils personalverwaltenden Gesellschaft eine Zugriffsmöglichkeit auf die erhobenen Personaldaten. Das System verfügt indes über technische Schnittstellen, die zentral bestimmte Aufgaben übernehmen können. Zu diesen gehören etwa das Einlesen von Stundenkonten, der elektronische Versand von Entgelt- und Zeitnachweisen, Meldungen an Sozialversicherungsträger und die Finanzverwaltung sowie die Verwaltung der bei der Entgeltabrechnung anfallenden Papierdokumente. Dabei kann das System verschiedene Berichtsaufgaben wie etwa die Dokumentation über Langzeiterkrankungen und besondere Urlaubsansprüche durchführen. Zugriffe auf die verarbeiteten Daten werden durch eine Protokollierungsfunktion einheitlich aufgezeichnet. Nach Auffassung des BAG bedurfte die Einführung und Anwendung der hier in Rede stehenden Software zwar einer Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Konzernobergesellschaft vertrat allerdings die Ansicht, dass dabei nur die Zustimmung des örtlichen Betriebsrats der Gesellschaft erforderlich war, in der für den Konzern in Form einer Dienstleistung die entsprechende Verarbeitung der Personaldaten erfolgen sollte. Diese Auffassung bestätigte auch eine Einigungsstelle durch Spruch, in dem sie sich im Hinblick auf ein durch den Konzernbetriebsrat geltend gemachte Mitbestimmungsrecht für unzuständig erklärte. Mit seiner Klage machte der Konzernbetriebsrat nunmehr geltend, dass dieser Spruch unwirksam sei. In den Gründen seines Beschlusses hat der 1. Senat des BAG zunächst einmal klargestellt, dass es mit Blick auf den Zweck des durch den Konzernbe-

60 1 ABR 45/11, NZA 2013, 275 ff.

214

Personalverwaltungssoftware: Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats

triebsrat angestrengten Verfahrens im Zweifel nicht um eine Feststellung der Unwirksamkeit eines Spruchs der Einigungsstelle gehen könne. Vielmehr sei eine Anfechtung eines Spruchs der Einigungsstelle regelmäßig dahingehend auszulegen, dass durch gerichtliche Entscheidung das Bestehen eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts festgestellt werde. Schließlich enthalte ein Einigungsstellenspruch über die Zuständigkeit oder Unzuständigkeit keine materielle Entscheidung in einer Regelungsfrage im Sinne des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG. Der unterliegende Beteiligte könne daher allein mit einer auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts gerichteten Feststellung sein Verfahrensziel erreichen61. In der Sache selbst hat das BAG sodann dem Begehren des Konzernbetriebsrats stattgegeben und seine Zuständigkeit für die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Nutzung des ITSystems SAP ERP festgestellt. Grundsätzlich sei zwar der durch die Arbeitnehmer unmittelbar durch Wahl legitimierte Betriebsrat für die Wahrnehmung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte zuständig. §§ 50 Abs. 1 S. 1, 58 Abs. 1 S. 1 BetrVG begründeten eine Zuständigkeit des Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrats nur dann, wenn die zu regelnde Angelegenheit nicht auf den einzelnen Betrieb oder das konzernangehörige Unternehmen beschränkt sei und deshalb die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr auf der betrieblichen Ebene bzw. der des Unternehmens gewahrt werden könnten. Erforderlich für eine originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats sei deshalb, dass es sich zum einen um eine mehrere Unternehmen betreffende Angelegenheit handele und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmensübergreifende Regelung bestehe. Ob ein solches zwingendes Erfordernis gegeben sei, bestimme sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liege62. Unerheblich für die Frage einer Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats sind der Wunsch des Arbeitgebers nach einer übergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte63.

61 BAG v. 25.9.2012 – 1 ABR 45/11, NZA 2013, 275 Rz. 12. 62 BAG v. 25.9.2012 – 1 ABR 45/11, NZA 2013, 275 Rz. 24; BAG v. 19.6.2012 – 1 ABR 19/11, NZA 2012, 1237 Rz. 21; BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, NZA 2008, 1248 Rz. 66. 63 BAG v. 25.9.2012 – 1 ABR 45/11 NZA 2013, 275 Rz. 24; BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 454/06, NZA 2007, 1148 Rz. 20.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Hiervon ausgehend musste im vorliegenden Fall von einer originären Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats ausgegangen werden. Zum einen betraf die Nutzung des Systems SAP ERP mehrere Unternehmen des Konzerns; die Personalverwaltung erfolgte von der dafür zuständigen Konzerngesellschaft für die Mehrzahl der konzernangehörigen Unternehmen. Zum anderen lag ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmensübergreifende Regelung vor64. Das zwingende Erfordernis für eine Einbindung des Konzernbetriebsrats war bereits aus technischen Gründen gegeben. Denn der Einsatz des Personalverwaltungssystems konnte wegen der zentralen Nutzungs- und Überwachungsmöglichkeit, die damit verknüpft werden sollte, weder durch die in den Konzernunternehmen errichteten Betriebsräte – so das BAG – noch durch den Betriebsrat des personalverwaltenden Betriebs geregelt werden. Das System SAP ERP werde – so das BAG – im Konzern der Arbeitgeberin von der jeweils personalverwaltenden Konzerngesellschaft im EinMandanten-Modell genutzt. Die verarbeiteten Daten könnten aufgrund einheitlicher Formate miteinander verknüpft, exportiert, importiert und für die Konzernunternehmen ohne zusätzlichen technischen Aufwand genutzt werden. Die vorhandenen technischen Schnittstellen seien geeignet, die von einer zentralen Stelle bestimmten Aufgaben zu übernehmen. Hierzu zählten das Einlesen von Stundenkonten, der datenmäßige Versand von Entgelt- und Zeitnachweisen, die Erstellung der DEÜV-Meldungen sowie der Lohnsteuerbescheinigungen. SAP ERP verfüge über vielfältige Möglichkeiten, Daten unternehmensübergreifend zu verknüpfen. Dies betreffe z. B. die Erstellung von Übersichten zu Langzeiterkrankungen. Das System biete insoweit die Möglichkeit zur einheitlichen Festlegung und Anwendung benutzerdefiniert festgelegter Datenbankfelder. Hierdurch könnten die von den Arbeitnehmern erhobenen Leistungs- und Verhaltensdaten konzernweit eingegeben, gefiltert und sortiert werden. Schließlich verfüge SAP ERP über eine eigenständige und einheitliche Protokollierungsfunktion (SAL), mit der sämtliche Vorgänge eines Mandanten in einem datentechnischen Protokoll festgehalten werden könnten. Auch hieraus ergäbe sich die zentrale Nutzungs- und Überwachungsmöglichkeit des eingesetzten Personalverwaltungssystems65. Hiervon ausgehend war keine Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte bzw. des Gesamtbetriebsrats gegeben. Auch eine Rückdelegation auf diese Stufen der Arbeitnehmervertreter war ausgeschlossen. Da diese Entscheidung letztendlich auch klarstellte, dass auf den örtlichen bzw. unternehmensbezoge64 BAG v. 25.9.2012 – 1 ABR 45/11, NZA 2013, 275 Rz. 25 f. 65 BAG v. 25.9.2012 – 1 ABR 45/11, NZA 2013, 275 Rz. 27.

216

Mitbestimmung bei der Verwendung von Laufzetteln

nen Ebenen kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestand, mussten allerdings auch die insoweit betroffenen Arbeitnehmervertreter vor der Entscheidung des BAG angehört werden. (Ga)

8.

Mitbestimmung bei der Verwendung von Laufzetteln

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG66 ist Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren67. Der Zweck des Mitbestimmungsrechts zielt darauf ab, den Betriebsrat an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens bezüglich des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer gleichberechtigt teilnehmen zu lassen68. Nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen Maßnahmen, die das sog. Arbeitsverhalten regeln sollen. Darunter fallen alle Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht der Arbeitnehmer unmittelbar durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers konkretisiert und abgefordert wird69. Demgemäß sind Anordnungen des Arbeitgebers, welche Arbeiten in welcher Weise auszuführen sind, nicht mitbestimmt. Dem Betriebsrat steht bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu. Dieser Anspruch setzt keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus70. Ob die Verwendung von Laufzetteln, auf denen der Erhalt von Arbeitsmitteln und Zutrittsberechtigungen einschließlich erforderlicher Belehrungen vermerkt ist, der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 66 BAG v. 22.7.2008 - 1 ABR 40/07, NZA 2008, 1248 Rz. 57 f.; BAG v. 27.1.2004 - 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 Rz. 19; BAG v. 11.6.2002 - 1 ABR 46/01, NZA 2002, 1299 Rz. 10. 67 BAG v. 11.6.2002 - 1 ABR 46/01, NZA 2002, 1299 Rz. 11. 68 BAG v. 28.5.2002 - 1 ABR 32/01, NZA 2003, 166 Rz. 12. 69 BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, NZA 2008, 1248 Rz. 58 f.; BAG v. 27.1.2004 - 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 Rz. 21; BAG v. 11.6.2002 - 1 ABR 46/01, NZA 2002, 1299 Rz. 13. 70 BAG v. 27.1.2004 - 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 Rz. 16; BAG v. 23.7.1996 - 1 ABR 13/96, DB 1997, 378 Rz. 33; BAG v. 3.5.1994 - 1 ABR 24/93, NZA 1995, 40 Rz. 29.

217

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

BetrVG unterliegt, war Gegenstand einer Beschlussentscheidung des 1. Senats des BAG vom 25.9.201271. Bei der Arbeitgeberin gab es die Richtlinie „Ausgabe, Verwaltung und Rücknahme von Arbeitsmitteln und Berechtigungen“, wonach für jeden Beschäftigten ein „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“ angelegt wurde. Darauf werden u. a. die ausgegebenen Arbeitsmittel, wie Mobiltelefon und Laptop, die Zugänge und Berechtigungen zu IT-Systemen, -Diensten und -Anwendungen einschließlich erforderlicher Belehrungen sowie Zutrittsberechtigungen zu Gebäuden, Räumen und Gegenständen (z. B. Schlüssel, Zugangs-/Codekarten usw.) vermerkt und auf dem Laufzettel durch Unterschriften des Kostenstellenverantwortlichen und des Beschäftigten dokumentiert. Der Laufzettel verbleibt im Original beim zuständigen Kostenstellenverantwortlichen, der Arbeitnehmer erhält eine Kopie. Bei einem Wechsel der Tätigkeit wird der Laufzettel aktualisiert. Zum Beschäftigungsende werden dem Mitarbeiter alle Arbeitsmittel und Berechtigungen vom Kostenstellenverantwortlichen auf der Grundlage des Laufzettels entzogen. Arbeitgeber und Betriebsrat stritten nun darüber, ob die Einführung derartiger Laufzettel das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betrifft und damit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Im Gegensatz zum LAG Schleswig Holstein, das von einer entsprechenden Mitbestimmung des Betriebsrats ausging72, kam das BAG zum genau gegenteiligen Ergebnis und hat den abweisenden Beschluss des ArbG Elmshorn73 wiederhergestellt. Das BAG geht davon aus, dass die in die Laufzettel aufgenommenen Angaben über den Erhalt von Arbeitsmitteln und Zutrittsberechtigungen einschließlich erforderlicher Belehrungen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung gesehen werden müssen, weil sie für deren ordnungsgemäße Erbringung notwendig sind. Das verwendete Formular diene damit der Regelung des Arbeitsverhaltens und nicht der Koordinierung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer. Für das BAG war dabei auch nicht entscheidend, dass der Arbeitgeber eine Standardisierung des Arbeitsverhaltens vorgenommen hatte, weil damit noch keine Zuordnung zum Ordnungsverhalten bewirkt werde. In diesem Punkt knüpft das BAG an eine frühere Entscheidung vom 10.3.200974 an, in der es um die Abgabe inhaltlich standardisierter Erklärungen gegenüber dem Arbeitgeber zum Stillschweigen über bestimmte betriebliche oder geschäftliche Vorgänge ging. Das BAG verneinte unter Hinweis 71 72 73 74

1 ABR 50/11, ZTR 2013, 219 ff. v. 18.5.2011 – 6 TaBV 11/11 n. v. v. 4.11.2010 – 51 BV 27c/10 n. v. 1 ABR 87/07, NZA 2010, 180 ff. Rz. 23.

218

Mitbestimmungsfreie Vereinbarung des Einstiegsgehalts

auf das geschuldete Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer eine Mitbestimmung des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Mit der Entscheidung vom 25.9.2012 bestätigt das BAG75 nicht nur die bisher schon vorgenommene Differenzierung zwischen dem Arbeitsverhalten und dem Ordnungsverhalten, sondern stellt nochmals klar, dass allein die Standardisierung keinen Einfluss auf die Mitbestimmung des Betriebsrats hat, soweit das Arbeitsverhalten betroffen ist. Die Standardisierung ist insoweit lediglich auf die Abgabe inhaltlich gleicher Erklärungen gerichtet, ohne dass damit ein Ordnungsverhalten verbunden wird. (Boe)

9.

Mitbestimmungsfreie Vereinbarung des Einstiegsgehalts

Soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung mitzubestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Nach ständiger Rechtsprechung des BAG76 soll das Beteiligungsrecht die Angemessenheit des innerbetrieblichen Lohngefüges und seine Transparenz gewährleisten. Entlohnungsgrundsätze sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen – so das BAG – das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt und bemessen werden soll. Das Mitbestimmungsrecht erfasst insoweit alle geldwerten Leistungen, bei denen die Bemessung nach bestimmten Grundsätzen oder nach einem System erfolgt. Auch bei diesen soll das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit sicherstellen77. In seinem Beschluss vom 30.10.201278 hat der 1. Senat des BAG erneut deutlich gemacht, dass das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG indes eine Vereinbarung der Vergütungshöhe durch die Arbeitsvertragsparteien nicht erfasst.

75 1 ABR 50/11, NJW-Spezial 2013, 83. 76 BAG v. 23.3.2010 – 1 ABR 82/08, NZA 2011, 642 ff.; BAG v. 11.6.2002 – 1 AZR 390/01, NZA 2003, 570 ff. 77 So BAG v. 30.10.2012 – 1 ABR 61/11 n. v. (Rz. 23); BAG v. 17.5.2011 – 1 AZR 797/09, NZA-RR 2011, 644 Rz. 16; BAG v. 10.6.1986 - 1 ABR 65/84, NZA 1987, 30 f. 78 1 ABR 61/11 n. v. (Rz. 26 ff.).

219

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

In dem zugrunde liegenden Fall beschäftigte die Arbeitgeberin, ein Schulbuchverlag, etwas mehr als 100 Arbeitnehmer. 2006 beschloss eine Einigungsstelle für die am Standort B beschäftigten Arbeitnehmer eine Vergütungsordnung (DVO 2006). Deren §§ 2, 3 und 5 lauteten: § 2 Vergütungsgrundsätze Die Angestellten werden nach § 99 BetrVG in Vergütungsgruppen eingruppiert. Die Bezugsvergütung, auf die sich alle Gehälter beziehen, sowie deren Änderung wird vom Arbeitgeber festgesetzt und mitgeteilt. Entsprechend der jeweiligen Vergütungsgruppe erhalten die Beschäftigten einen prozentualen Anteil der Bezugsvergütung. … § 3 Vergütungsbestandteile Die Bezugsvergütung umfasst alle Arten von Zahlungen, die an alle Mitarbeiter oder Gruppen von Mitarbeitern geleistet werden. Hierzu gehören auch Tantiemen. Entgelte für Mehrarbeit bleiben bei der Festsetzung der Bezugsvergütung unberücksichtigt. § 5 Vergütungstabelle Für die einzelnen Vergütungsgruppen wird folgender Faktor von der Bezugsvergütung vereinbart: Gruppe

von

bis

A

1,4

2,0

B

1,2

1,5

C

0,95

1,2

... Bei der individuellen Vergütungsvereinbarung innerhalb der Spannbreiten der einzelnen Vergütungsgruppen sind insbesondere die Leistung, die Marktsituation, Beschäftigungszeiten und Qualifikationen zu berücksichtigen.

Durch Schreiben vom 23.11.2006 setzte die Arbeitgeberin die Bezugsvergütung auf 2.900,- € fest. In der Folgezeit vereinbarte sie allerdings mit mehreren Arbeitnehmern eine Vergütung oberhalb der in der BVO 2006 festgelegten Spannbreiten. Der Betriebsrat war nun der Auffassung, dass die BVO 2006 eine abschließende und zwingende Regelung der Vergütungshöhe enthalte. Ein Überschreiten der dort festgelegten Gehaltsbänder sei unzulässig. Dies habe zur Folge, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Bezugsvergütung entsprechend der höchsten Überschreitung – hier um 12 Prozent auf 3.248,75 € festzusetzen.

220

Mitbestimmungsfreie Vereinbarung des Einstiegsgehalts

Im Rahmen eines Beschlussverfahrens begehrte der Betriebsrat nicht nur eine Verurteilung des Arbeitgebers zu einer entsprechenden Anhebung der Bezugsvergütung. Er beantragte auch die Feststellung, dass die Arbeitgeberin nach Maßgabe der BVO 2006 nicht berechtigt sei, eine Vergütung oberhalb der dort festgelegten Gehaltsbänder zu zahlen. Zunächst einmal hat das BAG klargestellt, dass ein Streit zwischen den betrieblichen Sozialpartnern über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung durchaus auch im Feststellungsverfahren geklärt werden könne, selbst wenn ein vollstreckbarer Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung mitbestimmungswidriger Maßnahmen in Betracht käme. Dies gelte jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass sich der Arbeitgeber nicht an eine entsprechende gerichtliche Feststellung halten werde79. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats konnte die Einigungsstelle den Arbeitgeber allerdings nicht durch Spruch verpflichten, Einstiegsgehälter mit Arbeitnehmern nur innerhalb der jeweiligen Spannbreite der einzelnen Vergütungsgruppen zu vereinbaren. Da diese Frage nicht in die erzwingbare Mitbestimmung des Betriebsrats fiel, konnte auch die Einigungsstelle darüber keinen Spruch fällen80. Nach Auffassung des BAG eröffnet § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung abstrakter Grundsätze über die Art und Weise, nach denen sich die Bemessung des Arbeitsentgelts richte. Zu ihnen zählten neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach Zeit oder Leistung auch die daraus folgenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Systems. Zu den mitbestimmungspflichtigen Entgeltfindungsregeln gehörten deshalb auch der Aufbau von Vergütungsgruppen und die Festlegung der Vergütungsgruppenmerkmale. Eine betriebliche Vergütungsordnung sei Ausdruck einer Entscheidung über die Wertigkeit der jeweiligen Arbeitnehmertätigkeiten im Verhältnis zueinander, die sich im relativen Abstand der mit den jeweiligen Vergütungsgruppen verbundenen Entgeltsätze niederschlage. Das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG umfasse daher die inhaltliche Ausgestaltung der Entgelt-

79 BAG v. 30.10.2012 – 1 ABR 61/11 n. v. (Rz. 18 f.); BAG v. 20.1.2009 - 1 ABR 78/07, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarungen Nr. 44 Rz. 29. 80 BAG v. 30.10.2012 - 1 ABR 61/11 n. v. (Rz. 21); BAG v. 31.5.2005 - 1 AZR 254/04, NZA 2005, 997 Rz. 18 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

gruppen nach abstrakten Kriterien einschließlich der abstrakten Festsetzung der Wertunterschiede nach Prozentsätzen oder anderen Bezugsgrößen81. Mit überzeugender Begründung stellt der 1. Senat des BAG im Urteil vom 30.10.201282 klar, dass sich das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht auf die arbeitsvertraglich vereinbarten Entgelte der Arbeitnehmer erstreckt. Solche Abreden beträfen die Entgelthöhe und seien daher nicht der Regelungsmacht der Betriebsparteien unterworfen. Eine betriebliche Regelung, nach der die Vereinbarung oder die Auszahlung eines einzelvertraglich vereinbarten Gehaltsbestandteils von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig sei, könne deshalb im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht getroffen werden. Der mit dem Beteiligungsrecht bezweckte Schutz werde dadurch gewährleistet, dass der Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags verpflichtet sei, die Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen zu vergüten. Hieraus folge ein Anspruch auf das sich aus der betrieblichen Vergütungsordnung ergebende Entgelt83. Hiervon ausgehend spielt es keine Rolle, welcher Art der Entgeltbestandteile durch den Arbeitgeber außerhalb der durch Betriebsvereinbarung vorgegebenen Gehaltsbänder erbracht wird. Da diese Vergütungsbestandteile dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entzogen seien, werde das insoweit auf der Grundlage des Arbeitsvertrags geschuldete Entgelt durch die Betriebsvereinbarung nicht erfasst. Die Arbeitgeberin könne deshalb ohne Verstoß gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten an die Arbeitnehmer auszahlen84. Wichtig ist allerdings der ergänzende Hinweis des 1. Senats. Danach hat er in seinem Beschluss vom 30.10.201285 ganz bewusst offen gelassen, ob die Arbeitgeberin für die von ihr individualrechtlich versprochene Vergütung bei einzelnen Arbeitnehmern einen besonderen Dotierungsrahmen zur Verfügung gestellt hatte, dessen Verteilung sich nicht nach in der BVO 2006 enthaltenen Entlohnungsgrundsätzen richtete und daher bei Vorliegen eines kollektiven Tatbestands dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen würde. Der Betriebsrat hatte ein solches Regelungsverlangen nicht zum Gegenstand des hier in Rede stehenden Rechtsstreits ge-

81 BAG v. 30.10.2012 - 1 ABR 61/11 n. v. (Rz. 24); BAG v. 18.10.2011 – 1 ABR 25/10, NZA 2012, 392 Rz. 14; BAG v. 14.8.2001 – 1 AZR 619/00, NZA 2002, 276 Rz. 63; Vgl. auch Wiese, RdA 2012, 332 ff. 82 1 ABR 61/11 n. v. (Rz. 26). 83 So auch BAG v. 18.10.2011 – 1 ABR 25/10, NZA 2012, 392 Rz. 29. 84 BAG v. 30.10.2012 – 1 ABR 61/11 n. v. (Rz. 27). 85 1 ABR 61/11 n. v. (Rz. 27).

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Zugriffs auf elektronisches Personalinformationssystem

macht. Wenn die Vergütungsabreden außerhalb der durch Betriebsvereinbarung vorgegebenen Gehaltsbänder allerdings auf einer Entscheidungsgrundlage des Arbeitgebers mit kollektivem Charakter getroffen worden wären, wäre der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch für diese erneute Vergütung außerhalb des Dotierungsrahmens der ursprünglichen Betriebsvereinbarung zuständig. Der Arbeitgeber wäre also verpflichtet, ihn gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Bezug auf die Verteilung des zweiten „Topfes“ einzubinden. Aus den vorstehenden Grundsätzen folgt, dass auch keine Verurteilung des Arbeitgebers zu einer Anhebung der Bezugsvergütung erfolgen konnte. Denn auch darin hätte ein Eingriff in die mitbestimmungsfrei durch den Arbeitgeber festzulegende Entgelthöhe gelegen. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG konnte deshalb keinen entsprechenden Anspruch des Betriebsrats begründen. (Ga)

10. Ausschluss aus Betriebsrat wegen unerlaubten Zugriffs auf elektronisches Personalinformationssystem a)

Ausgangssituation

Bei einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch ein Mitglied des Betriebsrats besteht für den Arbeitgeber nicht nur die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung, die allerdings die Voraussetzungen der § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 BGB, § 103 BetrVG erfüllen muss. Soweit eine grobe Missachtung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten in Rede steht, kommt darüber hinaus ein Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG in Betracht. Mit dieser Gemengelage hat sich jetzt das LAG BerlinBrandenburg im Urteil vom 12.11.201286 befasst. In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien über die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden nach § 103 BetrVG sowie den hilfsweise hierzu beantragten Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG. Der Beteiligte zu 3) war seit dem 1.4.1998 bei dem Arbeitgeber, der ein Unfallkrankenhaus betrieb, tätig und wurde zunächst als Krankenpfleger beschäftigt. Er hatte sich bereits am 30.3.1998 schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, personenbezogene Daten nicht unbefugt zu verarbeiten oder zu nutzen. Dem Betriebsrat gehörte er seit dem 1.10.2001 an. Seit

86 17 TaBV 1318/12 n. v.

223

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

dem 1.11.2011 war er Vorsitzender des Betriebsrats; ferner nahm er die Funktion des EDV-Beauftragten des Betriebsrats wahr. Der Arbeitgeber verwendete in seinem Betrieb das elektronische Personalinformationssystem „Stoff Manager“, mit dem personenbezogene Arbeitnehmerdaten verwaltet wurden. Im Wesentlichen ging es dabei um Mitarbeiterstammdaten (Adresse, Foto, Kontoverbindung, Gehalt, Ausbildung, Qualifikation), persönliche Daten der Angehörigen des Mitarbeiters, eine Schwerbehinderung, die Beschäftigungsdaten (Arbeitsvertrag, Qualifikation, Leistungszulagen, Dienstunterbrechungen, Urlaubs- und Krankheitsdaten) sowie Angaben zur Entgeltumwandlung und betrieblichen Altersversorgung. Der Zugang zu den Personalinformationssystem war durch ein Passwort geschützt. Am 4.1.2012 suchte ein Mitarbeiter der Personalabteilung das Betriebsratsbüro auf, um von dem Beteiligten zu 3) Unterlagen abzuholen. Dabei fiel ihm auf, dass auf dem Bildschirm des Beteiligten zu 3) eine Anwendung des Personalinformationssystems zu sehen war und Mitarbeiterstammdaten geöffnet waren. Der Beteiligten zu 3) beeilte sich, die Bildschirmoberfläche zu schließen und bemerkte, bei dem Bild handele es sich um einen „Screenshot“. Die abschließend durchgeführten Ermittlungen des Arbeitgebers ergaben indes, dass der Beteiligten zu 3) in der Zeit vom 30.7.2003 bis zum 12.1.2012 in insgesamt 253 Fällen von einem Personalcomputer des Betriebsrats aus unberechtigt auf das Personalinformationssystem zugegriffen hatte. Nachdem der Betriebsrat dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nach § 103 BetrVG nicht zugestimmt hatte, beantragte dieser die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Hilfsweise verlangte er, dass der Betriebsratsvorsitzende aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG ausgeschlossen würde. Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende beantragten, diese Anträge zurückzuweisen. Sie machten insbesondere geltend, dass sich der Betriebsratsvorsitzende den Zugang zu dem Personalinformationssystem nicht auf rechtswidrige Weise verschafft habe. Vielmehr seien ihm das Passwort 2003 durch den Arbeitgeber im Zusammenhang mit den Verhandlungen über eine EDV-Betriebsvereinbarung mit den Worten überlassen worden: „Dann gucken Sie doch einfach mal darein, dann sehen Sie, dass wir nichts Böses machen“. Die Zugriffe seien ausschließlich im Zusammenhang mit der Betriebsratsarbeit des Beteiligten zu 3) und jeweils aus Anlass einer konkreten Beschluss- und Beratungssituation erfolgt. Im Grunde habe der Beteiligte zu 3) die Betriebsratsarbeit lediglich effizienter gestaltet, in dem er ein In224

Zugriffs auf elektronisches Personalinformationssystem

formationsdefizit des Arbeitgebers ausgeglichen habe. Der Arbeitgeber hätte die durch Zugriffe erhaltenen Informationen ohnehin erteilen müssen. Bei dieser Sachlage sei es ausreichend, dem Beteiligten zu 3) eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung zu erteilen. Mit überzeugender Begründung hat das LAG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 12.11.201287 zwar die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses abgelehnt, aber dem Hilfsantrag auf Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG stattgegeben.

b)

Kein wichtiger Grund nach § 626 BGB

Mit der Nutzung des Personalinformationssystems hat der Beteiligte zu 3) zwar in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung verstoßen, unbefugt personenbezogene Daten nicht zu nutzen. Denn er war nicht berechtigt, auf das Personalinformationssystem zuzugreifen. Dass sich schlussendlich nicht abschließend feststellen ließ, ob – was der Arbeitgeber angenommen hatte – der Betriebsratsvorsitzende sich das Passwort „erschlichen“ hatte, spielte dabei keine Rolle. Denn allein die Überlassung des Passwortes im Rahmen von Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung eröffnete keine Berechtigung, ohne weitere Voraussetzungen die personenbezogenen Daten zu nutzen. Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg rechtfertigte dieses Fehlverhalten bei Abwägung der Umstände des Einzelfalls jedoch nicht die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Von entscheidender Bedeutung für die 17. Kammer war dabei, dass die Verhaltenspflichtverletzung zugleich einen Amtspflichtverstoß beinhaltete und es dem Arbeitgeber deshalb bei Anwendung eines besonders strengen Maßstabs zugemutet werden könne, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Nach den insoweit zutreffenden Feststellungen des LAG BerlinBrandenburg hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze im Betrieb durchgeführt werden; hierzu gehöre auch das BDSG (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Es obliege ihm, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern (§ 75 Abs. 2 BetrVG). Darüber hinaus habe der Betriebsrat ohne Zustimmung des jeweiligen Arbeitnehmers nicht das Recht, Einblick in eine Personalakte zu nehmen (§ 83 BetrVG). Auch und gerade wenn die Nutzung der personenbezogenen Daten durch Einsicht87 17 TaBV 1318/12 n. v.

225

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

nahme in das Personalinformationssystem, was das LAG BerlinBrandenburg entsprechend dem Vortrag des Beteiligten zu 3) unterstellt hat, ausschließlich im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit erfolgt ist, hat der Beteiligte zu 3) damit gegen sämtliche vorstehend genannten Pflichten verstoßen. Wenn man die arbeitsvertragliche und die betriebsverfassungsrechtliche Pflicht gegeneinander abwöge, so überwiege am Ende aber der Amtspflichtverstoß. Denn der Betriebsratsvorsitzende hätte nach Überzeugung des LAG Berlin-Brandenburg keinen unerlaubten Einblick in die elektronisch geführten Personalakten genommen, wenn er nicht Mitglied des Betriebsrats gewesen wäre. Ausgehend von einem Ausscheiden des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat müsse der Arbeitgeber daher nicht damit rechnen, dass dieser bei einer Beschäftigung als Krankenpfleger weiterhin zu Unrecht personenbezogene Daten nutzen werde. Ungeachtet dessen sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber die unerlaubte Nutzung des Personalinformationssystems möglicherweise erleichtert habe, in dem er das Passwort seit der Einführung des Systems nicht änderte und auch sonst offenbar keine Vorsorge gegen unberechtigte Zugriffe getroffen habe. Dem ist zuzustimmen, zumal auch die künftige Nutzung durch neue Passworte eingeschränkt und damit auch die Wiederholungsgefahr ausgeschlossen werden konnte.

c)

Ausschluss aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG

Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann auf Antrag des Arbeitgebers ein Mitglied des Betriebsrats aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn es seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten in grober Weise verletzt hat. Wie das LAG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 12.11.201288 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG zutreffend ausgeführt hat, muss die grobe Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein. Dies setze voraus, dass die weitere Amtsausübung des Betriebsrats unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls untragbar erscheine89. Unabhängig von der Frage, ob die Pflichtverletzung auch schuldhaft begangen sein müsse90, müsse sich das Verhalten jedoch in erheblicher Weise nachteilig auf die weitere Arbeit des Betriebsrats auswirken.

88 17 TaBV 1318/12 n. v. 89 BAG v. 22.6.1993 – 1 ABR 62/92, NZA 1994, 184 Rz. 53; HWK/Reichold, BetrVG § 23 Rz. 7; Wiese, GK-BetrVG § 23 Rz. 29. 90 So Richardi/Thüsing, BetrVG § 23 Rz. 28; a. A. BAG v. 5.9.1967 – 1 ABR 1/67, AP BetrVG § 23 Nr. 8; HWK/Reichold, BetrVG § 23 Rz. 8.

226

Zugriffs auf elektronisches Personalinformationssystem

Hiervon ist das LAG Berlin-Brandenburg zu Recht ausgegangen. Denn der Beteiligte zu 3) hatte seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten in grober Weise verletzt, indem er – so die tatrichterlichen Feststellungen – allein in der gegenwärtigen Amtszeit in 61 Fällen unberechtigt auf das elektronische Personalinformationssystem zugegriffen hatte. Damit hat er nicht nur gegen das BDSG verstoßen, sondern insbesondere Persönlichkeitsrechte von Arbeitnehmern verletzt, die zu schützen er ebenfalls berufen war. Sein Verhalten war auch auf Dauer ausgerichtet; dies machte die Zahl der Verstöße erkennbar. Darüber hinaus war ihm bewusst, dass er keinen Einblick in das Personalinformationssystem nehmen durfte, wie sein Verhalten deutlich machte, als der Mitarbeiter aus dem Personalbereich das geöffnete Personalinformationssystem auf dem Bildschirm des Beteiligten zu 3) entdeckte. Umstände, die die Missachtung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten durch den Beteiligten zu 3) hätten abmildern können, hat das LAG BerlinBrandenburg nicht gesehen. Dies galt zu Recht auch mit Blick auf den Einwand des Betriebsrats, der Arbeitgeber habe ohnehin die Informationen verfügbar machen müssen, die sich der Beteiligte zu 3) durch Einsichtnahme in das Personalinformationssystem verschafft habe. Zu Recht weist das LAG Berlin-Brandenburg insoweit daraufhin, dass der Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats nicht auf den gesamten Inhalt einer Personalakte gerichtet sei. Vielmehr kann der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 BetrVG nur die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Angaben verlangen. Welche personenbezogenen Daten dies sind, entscheidet der Arbeitgeber und – im Streitfall – das Arbeitsgericht. Eine Berechtigung des Betriebsrats, eigenverantwortlich den Umfang der Informationsbeschaffung durch Einsichtnahme in ein Personalinformationssystem festzulegen, besteht nicht. Hinzu kommt die Missachtung des Gebots einer vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG), die für die Arbeit des Betriebsrats erforderliche Vertrauen in einen sorgfältigen Umgang mit personenbezogenen Daten durch den Betriebsrat in erheblicher Weise beeinträchtigt hat91. Abschließend hat das LAG Berlin-Brandenburg auch das vorrangige Erfordernis einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung abgelehnt. Nach § 23 Abs. 1 BetrVG sei ein Ausschluss aus dem Betriebsrat ohnehin nur bei groben Verstößen gegen die Amtspflichten möglich, während weniger gewichtige Amtspflichtverletzungen ohne rechtliche Folgen blieben. Es bestehe deshalb kein Bedürfnis, schwerwiegende Pflichtverletzungen, zu denen sich regelmäßig niemand berechtigt fühlen dürfe und bei denen mit einem Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG gerechnet werden müsse, 91 LAG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2012 – 17 TaBV 1318/12 n. v.

227

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

zum Gegenstand einer Abmahnung zu machen92. Dem ist zuzustimmen. Bei geringeren Pflichtverletzungen, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls wohl noch keinen Ausschluss nach § 23 Abs. 1 BetrVG rechtfertigen, bleibt eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung in der betrieblichen Praxis aber gleichwohl empfohlen. Sie schärft auf Seiten des Betriebsrats noch einmal das Bewusstsein um die betriebsverfassungsrechtliche Pflichtenstellung. Darüber hinaus ist sie ein Umstand, der bei der gebotenen Interessenabwägung über einen Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG wegen weiterer Pflichtverletzungen zu berücksichtigen ist. (Ga)

11.

Außerordentliche Kündigung des Ersatzmitglieds eines Betriebsrats

Bereits mit Blick auf das Urteil des BAG vom 8.9.201193 hatten wir uns intensiv mit dem Sonderkündigungsschutz eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats befasst94. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob das Ersatzmitglied zum Zeitpunkt der Kündigung den vollen Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG in Anspruch nehmen kann oder ob nur der nachwirkende Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG in Rede steht. Der „besondere“ Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG hat zum Inhalt, dass die Kündigung nicht nur an das Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) geknüpft ist. Sie setzt auch die vorherige Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG voraus. Dieses Zustimmungserfordernis entfällt, wenn nur noch der nachwirkende Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG zum Tragen kommt. In diesen Fällen genügt es, den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 102 BetrVG anzuhören. Der besondere Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 S. 1, KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG gilt für Ersatzmitglieder, soweit und solange sie ein verhindertes ordentliches Betriebsratsmitglied vertreten. Wie das BAG mit Urteil vom 27.9.201295 klargestellt hat, ist hierbei auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB abzustellen. Nicht entscheidend ist also, ob das Ersatzmitglied zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG (noch) besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG hatte, weil es in dieser Zeit an die Stelle eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds getreten war.

92 93 94 95

LAG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2012 – 17 TaBV 1318/12 n. v. 2 AZR 388/10, NZA 2012, 400 ff. B. Gaul/Schneider, AktuellAR 2011, 185 ff. 2 AZR 955/11 n. v. (Rz. 20).

228

Außerordentliche Kündigung des Ersatzmitglieds eines Betriebsrats

Wann dies der Fall ist, bestimmt § 25 Abs. 1 BetrVG. Danach rückt ein Ersatzmitglied nach, wenn ein Mitglied des Betriebsrats ausscheidet. Entsprechendes gilt für die Stellvertretung eines zeitweilig verhinderten Mitglieds des Betriebsrats. Entscheidend für die betriebspraktische Bewertung des jeweils maßgeblichen Kündigungsschutzes ist damit, wann ein Vertretungsfall im Sinne des § 25 Abs. 1 BetrVG gegeben ist. Unproblematisch dürfte dies zwar dann sein, wenn das Mandat eines der bisherigen Mitglieder des Betriebsrats in Gänze beendet wird. Schwieriger ist die Abgrenzung allerdings dann, wenn ein Betriebsratsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen (vorübergehend) nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Denn auch in diesen Fällen hat dies nach § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG einen Eintritt des Ersatzmitglieds in den Betriebsrat zur Folge96. In seinem Urteil vom 27.9.201297 machte das BAG noch einmal deutlich, dass eine zeitweilige Verhinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG während des Erholungsurlaubs eines Betriebsratsmitglieds jedenfalls dann erfüllt sei, wenn dieses nicht zuvor seine Bereitschaft angezeigt habe, trotz des Urlaubs für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stehen. Darauf hatte das BAG im Urteil vom 8.9.201198 hingewiesen. Hiervon ausgehend kann man grundsätzlich von einem Verhinderungsfall jedenfalls dann ausgehen, wenn für den betreffenden Tag dem ordentlichen Betriebsratsmitglied Urlaub gewährt wurde. Spätestens von dem Zeitpunkt an, an dem dieser an sich hätte seine Arbeit aufnehmen müssen, tritt das Ersatzmitglied an die Stelle dieses ordentlichen Betriebsratsmitglieds. Auf seine Kenntnis von dem Verhinderungsfall kommt es nach Maßgabe des BAG dabei nicht an. Wie das BAG im Urteil vom 27.9.201299 deutlich macht, ist eine Verhinderung des Betriebsratsmitglieds allerdings auch vor seinem ersten Urlaubstag denkbar. Voraussetzung ist aber, dass er – beispielsweise als Folge freier Tage – seinen Urlaub schon zu diesem Zeitpunkt antritt und deshalb betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben, die an diesem Tag anfallen, nicht wahrnehmen kann. Diese Voraussetzung für das Vorliegen des besonderen Kündigungsschutzes aus § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG muss allerdings das betreffende Ersatzmitglied darlegen und im Bestreitensfall auch beweisen. Die bloße These, das ordentliche Betriebsratsmitglied habe sich an diesem Tage „schon im Urlaub“ befunden und als Betriebsratsmitglied nicht mehr zur

96 Vgl. BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11 n. v. (Rz. 19); BAG v. 8.9.2011 – 2 AZR 388/10, NZA 2012, 400 Rz. 24. 97 2 AZR 955/11 n. v. 98 2 AZR 388/10, NZA 2012, 400 Rz. 29. 99 2 AZR 955/11 n. v. (Rz. 30).

229

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Verfügung gestanden, hat das BAG insoweit zu Recht als nicht ausreichend angesehen. Der bloße Umstand, an einem bestimmten Tag – beispielsweise als Folge einer Freischicht – arbeitsfrei zu sein, bewirkt keine Verhinderung des ordentlichen Betriebsratsmitglieds nach § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Anders als bei einem bewilligten Erholungsurlaub ist – so das BAG – einem Betriebsratsmitglied die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben außerhalb der persönlichen Arbeitszeit nicht grundsätzlich unzumutbar. Dies folgt bereits aus § 37 Abs. 3 BetrVG. Vielmehr müsse, um von einem Nachrücken des Ersatzmitglieds auszugehen, ein tatsächlicher Verhinderungsgrund vorliegen und vom Ersatzmitglied, das sich auf den besonderen Kündigungsschutz berufen will, auch dargelegt werden100. Hiervon ausgehend konnte der Kläger in dem der Entscheidung vom 27.9.2012101 zugrunde liegenden Fall ohne Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG gekündigt werden. Allerdings bedurfte es hierfür eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB), den das BAG mit überzeugender Begründung bei einem wiederholten Verstoß gegen ein Rauchverbot in einer Druckerei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls anerkannt hat. Schließlich war der Kläger wegen gleicher Verstöße bereits viermalig abgemahnt worden. Bei diesen Gegebenheiten musste die Beklagte davon ausgehen, dass eine erneute Abmahnung nicht (mehr) geeignet war, eine künftige Störung des Vertragsverhältnisses durch eine erneute Missachtung des Rauchverbots auszuschließen. Da ein solcher Verstoß allerdings nicht nur Leben und Gesundheit des Klägers, sondern auch der übrigen Belegschaft gefährdete, war ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten. (Ga)

100 BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11 n. v. (Rz. 31). 101 2 AZR 955/11 n. v.

230

I.

Betriebsänderung und Betriebsübergang

1.

Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung bei Berechnungsregeln für Sozialplanabfindung

a)

Ausgangssituation

Fast alle Sozialpläne in Deutschland enthalten Regelungen, nach denen Arbeitnehmer, die nach der betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Altersrente – gleich welcher Art – haben, von einem Anspruch auf Zahlung einer Abfindung ausgenommen werden. Dies gilt dann auch für eine Rente wegen Schwerbehinderung. In vielen Fällen wird dabei auch die Möglichkeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente berücksichtigt, was zur Folge hat, dass auch Arbeitnehmer keine Leistungen erhalten, die vor Erreichen der Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Dies gilt erst recht, wenn auch solche Fälle einbezogen werden, in denen die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Altersrente unmittelbar nach einem Anspruch auf Kurzarbeitergeld und/oder Arbeitslosengeld haben, das unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogen werden kann. Berücksichtigung finden Altersgrenzen in einem Sozialplan auch insoweit, als daran in der Regel Kappungsgrenzen geknüpft sind. So ist es nicht nur möglich, den Anspruch auf eine Sozialplanabfindung summenmäßig zu begrenzen. Vielmehr wird in fast allen Sozialplänen für die „rentennahen“ Jahrgänge festgelegt, dass die Sozialplanabfindung jedenfalls den Betrag nicht übersteigt, den der Arbeitnehmer bei einer Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen der – ggf. vorzeitigen - Altersrente (gleich welcher Art) als Bruttogehalt oder einen bestimmten Prozentsatz des Bruttogehalts erhalten hätte. Häufig finden für diesen Personenkreis deshalb auch abweichende Abfindungsformeln Anwendung. Dabei kann für die hier in Rede stehende Frage offen bleiben, ob dabei auf 100 Prozent oder auf einen geringeren Prozentsatz dieses Gehalts abgestellt wird. Offen bleiben kann auch, ob sich der Arbeitnehmer auf diesen Anspruch anderweitige Leistungen (z. B. Arbeitslosengeld, Zwischenverdienst) anrechnen lassen muss. Auf der Grundlage der Feststellungen des EuGH in seinem Urteil vom 6.12.20121 steht zu besorgen, dass die vorstehend genannten Regelungen als 1

C-152/11, NZA 2012, 1435 ff. – Odar.

231

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Diskriminierung wegen des Alters und/oder der Behinderung qualifiziert werden. Wegen des Vorrangs der unionsrechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 2000/78/EG gilt dies ohne Rücksicht auf den Umstand, dass § 10 S. 3 Nr. 3 AGG an sich vergleichbare Regelungen erlaubt.

b)

Vorliegen einer Ungleichbehandlung

Ein Anspruch auf Altersrente ist nur älteren Arbeitnehmern vorbehalten. Folgerichtig benachteiligt eine Klausel, die wegen des Anspruchs auf den Bezug der gesetzlichen Altersrente den Wegfall einer Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat, Arbeitnehmer wegen ihres Alters. Auf diesen Umstand hatte schon der EuGH in seinem Urteil vom 12.10.20102 hingewiesen. Wir hatten darüber berichtet3. Entsprechendes wird man für Klauseln annehmen müssen, die eine Kürzung der Sozialplanabfindung zur Folge haben, weil im Rahmen einer Kappungsgrenze nur die Zeit bis zum Erreichen der Altersgrenze für den Bezug der Altersrente als Grundlage für eine Ausgleichspflicht genommen wird. Wenn und soweit bei den vorstehenden Regelungen auch die Altersrente wegen Schwerbehinderung berücksichtigt wird, wird man darin wohl auch eine Benachteiligung wegen einer Behinderung sehen müssen. Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind nach §§ 37, 236 a SGB VI zur Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente mit Vollendung des 60. bzw. 62. Lebensjahres berechtigt. Damit werden sie in jüngeren Jahren von einem Anspruch auf die Abfindung ausgeschlossen bzw. müssen schon deutlich früher als Arbeitnehmer, die keine Altersrente wegen Schwerbehinderung beanspruchen können, eine Kappung ihrer Sozialplanabfindung hinnehmen. Hiervon ausgehend erhalten schwerbehinderte Arbeitnehmer bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses im gleichen Lebensalter geringere Leistungen als Arbeitnehmer ohne eine Schwerbehinderung. Diese Benachteiligung knüpft zwar nicht ausdrücklich an der Schwerbehinderung an. Allerdings benachteiligt die Regelung mittelbar schwerbehinderte Arbeitnehmer wegen der Schwerbehinderung stärker als andere Arbeitnehmer, weil die dem Anschein nach neutrale Vorschrift („Ausschluss der Abfindung bei Anspruch auf Altersrente“ oder „Begrenzung der Höhe der Abfindung auf die Zeit bis zum Anspruch auf Altersrente“) nur bei dieser Personengruppe einen Ausschluss von bzw. eine frühere Kürzung der Sozialplanansprüche zur Folge hat. Dies gilt umso mehr, wenn der Sozialplan durch die Einbezie2 3

C-499/08, NZA 2010, 1341 ff. – Andersen. B. Gaul, AktuellAR 2011, 241 ff.

232

Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung

hung der Möglichkeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente diesen zeitlichen Abstand erhöht. Ob dabei ein Ausgleich für das dauerhafte Absenken des Zugangsfaktors (§ 77 Abs. 2 SGB VI) gezahlt wird, spielt dabei keine Rolle.

c)

Rechtfertigung der Ungleichbehandlung

Unter welchen Voraussetzungen entsprechende Differenzierungen zulässig sind, hängt zunächst einmal davon ab, ob eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen des Alters oder der Behinderung erfolgt. Unabhängig davon wird man unter Berücksichtigung der Feststellungen des EuGH im Urteil vom 6.12.20124 zu berücksichtigen haben, ob und ggf. in welchem Umfang tatsächlich eine Benachteiligung der betroffenen Arbeitnehmer erfolgt. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auch die sonstigen Leistungen berücksichtigt. Insbesondere kann der Umstand, dass kein vollständiger Ausschluss der älteren und/oder behinderten Arbeitnehmer von Sozialplanansprüchen vorgesehen ist, unter Einbeziehung der allgemeinen Schranken der Verhältnismäßigkeit eine Zulässigkeit der Differenzierung zur Folge haben. Dies gilt für individual- und kollektivrechtliche Regelungen gleichermaßen. aa)

Bisherige Rechtsprechung

Auch unter Berücksichtigung dieser Überlegungen hatten sich das LAG Düsseldorf und das LAG Rheinland-Pfalz zuletzt mit Sozialplanregelungen befasst, die bei rentennahen Jahrgängen eine ganz erhebliche Kürzung der Sozialplanabfindung zur Folge hatten5. Wir hatten darüber berichtet6. Obwohl die in Rede stehende Kürzung bei rentennahen Arbeitnehmern mehr als 95 Prozent der Abfindung betragen konnte, die außerhalb des Personenkreises der rentennahen Arbeitnehmer gezahlt wurde, hielten die Landesarbeitsgerichte diese Differenzierung für zulässig. Zur Begründung hatten sie vor allem auf den Umstand verwiesen, dass die betrieblichen Sozialpartner bei der Ausfüllung ihres Gestaltungsspielraums berücksichtigen dürften, dass die rentennahen Jahrgänge jedenfalls die Möglichkeit hätten, zeitnah nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Bezug der gesetzlichen Altersrente eine wirtschaftliche Ausgleichsleistung zu erhalten. Dies unterscheide sie von den übrigen Arbeitnehmern, die als Folge einer be4 5 6

C-152/11, NZA 2012, 1435 ff. – Odar. Vgl. LAG Düsseldorf v. 10.11.2011 – 11 Sa 764/11 n. v.; LAG Düsseldorf v. 14.6.2011 – 16 Sa 1712/10 n. v.; LAG Rheinland-Pfalz v. 10.3.2011 – 10 Sa 547/10 n. v. B. Gaul, AktuellAR 2012, 502 ff.

233

Betriebsänderung und Betriebsübergang

triebsbedingten Kündigung ebenfalls einen Wegfall der bisherigen wirtschaftlichen Absicherung durch das bestehende Arbeitsverhältnis hinzunehmen hätten. Insofern könnten auch die Grundsätze der EuGH-Entscheidung vom 12.10.20107 nicht übertragen werden. Denn bei einem Sozialplan ginge es, anders als bei den gesetzlichen Leistungen dort, um die Verteilung eines begrenzten Sozialplanvolumens, das insgesamt die Nachteile aller von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen oder mildern solle. Dies entsprach § 10 S. 3 Nr. 6 (letzte Fallgruppe) AGG. Damit übereinstimmend hatte auch das BAG in seinem Urteil vom 11.11.20088 die Kürzung einer Sozialplanabfindung für den Fall gebilligt, dass Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und einem zwischenzeitlichen Bezug von Arbeitslosengeld Anspruch auf vorzeitige Altersrente hatten. In dem dort in Rede stehenden Sozialplan war die Kürzung aber auf 50 Prozent der Abfindung begrenzt. Sie entfiel nur dann, wenn unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Altersrente – ggf. auch Altersrente wegen Schwerbehinderung – bezogen werden konnte. In allen Fällen erhielten die Arbeitnehmer indes pauschale Ausgleichsleistungen für die Rentenminderung, die als Folge der vorzeitigen Inanspruchnahme zu besorgen war. Nach Auffassung des BAG wurde damit in zulässiger Weise dem Umstand Rechnung getragen, dass in diesen Fällen die wirtschaftlichen Nachteile der Vertragsbeendigung deutlich kleiner seien, als dies bei Arbeitnehmern ohne diese Rentennähe der Fall sei. Hiervon könne auch dann ausgegangen werden, wenn sich ein Arbeitnehmer entschließe, anstelle der Altersrente zunächst einmal Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen. Nach Ansicht des BAG spielte es keine Rolle, dass insoweit auf Leistungen der Sozialversicherung abgestellt wurde. Zwar hänge die Höhe einer gesetzlichen Altersrente und damit das Maß der mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Absicherung von den individuell unterschiedlichen Versicherungsverläufen der einzelnen Arbeitnehmer ab. Gleichwohl seien insoweit aber Typisierungen und Pauschalierungen zulässig und häufig unvermeidlich. Jedenfalls typisierend handele es sich bei der Annahme, rentenberechtigte Arbeitnehmer seien im Regelfall wirtschaftlich stärker abgesichert als rentenferne Arbeitnehmer, nicht um eine realitätsferne Betrachtung, sondern um eine den Betriebsparteien im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums zustehende Einschätzung. In jedem Fall liege damit aber auch ein sachlicher Grund vor,

7 8

C-499/08, NZA 2010, 1341 ff. – Andersen. 1 AZR 475/07, NZA 2009, 210 Rz. 20 ff.

234

Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung

der der Annahme einer Diskriminierung wegen des Alters oder der Behinderung entgegenstehe. Darauf hatte das BAG ausdrücklich hingewiesen9. Hiervon ausgehend wären Kürzungs- und Ausschlusstatbestände eines Sozialplans auch unter Berücksichtigung des Umstands statthaft, dass sie bei schwerbehinderten Arbeitnehmern deutlich früher zu einer Kürzung bzw. einem Wegfall des Abfindungsanspruchs führen. bb)

Rechtsprechungsänderung auf der Grundlage der EuGHEntscheidung

Ob das BAG an dieser Bewertung festhalten wird, ist derzeit noch offen. Die vorstehend genannten LAG-Entscheidungen befinden sich in Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde. Bedenken bestehen insoweit vor allem, weil der EuGH in seinem Urteil vom 6.12.201210 unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2000/78/EG jetzt eine hiervon offenbar abweichende Sichtweise vertritt. Allerdings wird man insoweit zwischen einer (denkbaren) Diskriminierung wegen des Alters und einer Diskriminierung wegen einer Behinderung zu unterscheiden haben. In Bezug auf die Benachteiligung älterer Arbeitnehmer stellt der EuGH zunächst einmal klar, dass eine Sozialplanabfindung (zulässigerweise) eine „Überbrückungsfunktion“ verfolge. Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer gerechten Verteilung der begrenzten Mittel solle sie einen Ausgleich für die Zukunft gewähren, jüngere Arbeitnehmer schützen und eine Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung schaffen. Solche Ziele seien mit Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG vereinbar11. Hinzu komme, dass die betrieblichen Sozialpartner bei der Festlegung der für die Erreichung dieser Ziele geeigneten Maßnahmen einen weiten Ermessensspielraum besäßen12. Ausdrücklich weist er in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Sozialplan die „Frucht“ einer von den Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern ausgehandelten Vereinbarung ist, die damit ihr Grundrecht auf Kollektivverhandlungen ausgeübt hätten. Dass es damit den Sozialpartnern überlassen sei, einen Ausgleich zwischen ihren Interessen festzulegen, biete eine nicht unerhebliche Flexibilität, zumal jede der Parteien ggf. die Vereinbarung hätte kündigen können13.

9 10 11 12 13

Vgl. BAG v. 11.11.2008 – 1 AZR 475/07, NZA 2009, 210 ff.; BAG v. 30.9.2008 – 1 AZR 684/07 NZA 2009, 386 ff. C-152/11, NZA 2012, 1435 ff. – Odar. EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 42 f. – Odar. EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 47 – Odar. EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 53 – Odar.

235

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Vor diesem Hintergrund hält es der EuGH zwar (weiterhin) für zulässig, an Arbeitnehmer, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Altersrente beziehen, eine geringere Sozialplanabfindung zu zahlen. Dies gelte sogar dann, wenn auf den Zeitpunkt der vorzeitigen Altersrente mit Abschlägen abgestellt werde. Zulässig war für den EuGH auch, dass der Faktor für die Berechnung der Sozialplanabfindung nicht nur von 0,35 mit zunehmenden Alter auf bis zu 1,70 angehoben, sondern nach Überschreiten des 59. Lebensjahres auch wieder abgesenkt wurde und beim Alter 64 sein Minimum in Höhe von 0,30 erreicht hatte. Ganz entscheidend für die Anerkennung der streitgegenständlichen Regelung des Sozialplans durch den EuGH war, dass der Kläger nicht vollständig ausgeschlossen wurde. Denn der Sozialplan sah ausdrücklich vor, dass auch diese Arbeitnehmergruppe mindestens die Hälfte des sich nach der Standardformel ergebenden Betrags der Sozialplanabfindung erhalten sollte. Dies sollte sogar dann gelten, wenn nach der Sonderformel an sich gar keine Abfindung hätte gezahlt werden müssen. Daraus folgt, dass ein vollständiger Ausschluss unwirksam ist. Angesichts des Ermessensspielraums der betrieblichen Sozialpartner dürfte es zwar nicht erforderlich sein, immer mindestens 50 Prozent der Standardabfindung auszuzahlen. Ob die Grenze einer (noch) angemessenen Benachteiligung älterer Arbeitnehmer aber bei 20, 30 oder 40 Prozent liegt, lässt sich den Gründen der Entscheidung des EuGH leider nicht entnehmen. Deutlicher wird der EuGH in seinem Urteil vom 6.12.201214 allerdings in Bezug auf die Frage, ob die hier in Rede stehenden Regelungen als eine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung zu qualifizieren sind. Nach Auffassung des EuGH soll der Umstand, dass Schwerbehinderte bis zu drei Jahre vor den anderen Arbeitnehmern Altersrente in Anspruch nehmen können, nicht geeignet sein, ihre Benachteiligung in einem Sozialplan zu rechtfertigen. Denn mit den Regelungen des Sozialplans werde die praktische Wirksamkeit nationaler Vorschriften beeinträchtigt, die schwerbehinderten Arbeitnehmern durch Sonderregelungen im Rahmen der Sozialversicherung an sich Vorteile verschaffen sollten, um Schwierigkeiten und besondere Risiken schwerbehinderter Arbeitnehmer auszugleichen bzw. zu mildern. Dass das besondere Risiko einer fehlenden Anschlussbeschäftigung und die spezifischen Bedürfnisse schwerbehinderter Arbeitnehmer mit dem Alter zunähmen, bliebe bei einer Kürzung von Sozialplanabfindungen, die an die Altersrente geknüpft sei, unberücksichtigt. Der Umstand, dass eine

14 C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 55 ff. – Odar.

236

Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung

Abfindung bei gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit und gleichem Lebensalter bei dem Schwerbehinderten zu einer Kürzung führe, stelle deshalb eine übermäßige Beeinträchtigung der legitimen Interessen schwerbehinderter Arbeitnehmer dar und gehe über das hinaus, was zur Erreichung der vom deutschen Gesetzgeber verfolgten sozialpolitischen Ziele erforderlich sei. Bedauerlich an dieser Entscheidung ist, dass der EuGH im Grunde nicht berücksichtigt, dass mit der Möglichkeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wegen Schwerbehinderung durchaus wirtschaftliche Ausgleichsleistungen in Rede stehen, die auch durch den Arbeitgeber finanziert wurden. Dieser Vorteil bleibt dem Arbeitnehmer insbesondere dann ganz oder teilweise, wenn die Nachteile der vorzeitigen Inanspruchnahme durch die dem Arbeitnehmer verbleibende Abfindung ganz oder teilweise ausgeglichen werden. So hatte der Arbeitnehmer in dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Fall nämlich trotz der Möglichkeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wegen Schwerbehinderung noch eine Abfindung in Höhe von 308.253,31 € erhalten. Die Abfindung ohne die entsprechende Minderung wegen der Rentennähe hätte bei 616,506,63 € gelegen. Auch ohne diese ergänzenden Feststellungen des EuGH wird man mit Blick auf den Leitsatz und die übrigen Gründe seiner Entscheidung indes davon ausgehen können, dass jedenfalls die Kürzung eines Anspruchs auf eine Sozialplanabfindung jedenfalls dann als eine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung zu qualifizieren ist, wenn sie Arbeitnehmer gleichen Lebensalters wegen der unterschiedlichen Zeitpunkte der gesetzlichen Altersrente verschieden behandeln und die benachteiligte Gruppe allein schwerbehinderte Arbeitnehmer betrifft. Der Zweck eines Sozialplans rechtfertigt die Ungleichbehandlung entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG nicht (mehr). Entsprechendes dürfte im Zweifel auch für die Regelung gelten, nach der keine Abfindung gezahlt wird, wenn im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits ein Anspruch auf Altersrente besteht, falls diese Regelung auch dann zur Anwendung kommt, wenn die Altersrente nicht tatsächlich in Anspruch genommen wird. Die letztgenannte Gestaltungsmöglichkeit hatte der EuGH jedenfalls im Urteil vom 12.10.201015 zugelassen. Für die Zulässigkeit einer solchen Regelung spricht zwar, dass in diesen Fällen unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine wirtschaftliche Absicherung gegeben ist, die auch durch den Arbeitge-

15 C-499/08, NZA 2010, 1341 ff. – Andersen.

237

Betriebsänderung und Betriebsübergang

ber finanziert wurde. Dagegen spricht aber, dass auch insoweit eine nicht unerhebliche Benachteiligung wegen der Behinderung gegeben ist. Denn die Zahlung einer Abfindung dürfte deutlich höher sein als die gesetzliche Altersrente, die im gleichen Zeitraum bezogen wird. Hinzu kommt, dass bei einer Altersrente wegen vorzeitiger Minderung ein lebenslanger Abschlag erfolgt: Häufig wird hierfür im Sozialplan auch dann kein Ausgleich vereinbart, wenn bei Ausschluss- und Kürzungstatbeständen an die Berechtigung zur vorzeitigen Inanspruchnahme angeknüpft wird. Schwerbehinderte Arbeitnehmer, die wegen der Behinderung besondere Schwierigkeiten und (Lebens-)Risiken haben, erfahren insofern keinen erhöhten, sondern einen geringeren Ausgleich, als er Arbeitnehmern ohne diese Behinderung gezahlt wird.

d)

Rechtsfolgen bei unzulässiger Differenzierung

Vor diesem Hintergrund wird man nach der EuGH-Entscheidung vom 6.12.201216 in vielen Fällen von einem Anpassungsbedarf ausgehen müssen. Rechtsfolge einer unzulässigen Benachteiligung ist, dass die älteren und/oder schwerbehinderten Arbeitnehmer im Zweifel Leistungen verlangen können, die jedenfalls den Anspruch auf die Altersrente wegen Schwerbehinderung nicht berücksichtigen. Dies entspricht einer Gleichbehandlung mit den anderen Arbeitnehmern. Ob ein Anspruch auf Gleichbehandlung auch wegen der Benachteiligung als älterer Arbeitnehmer verlangt werden kann, hängt vom Umfang der Benachteiligung ab. Hier sind angemessene Schlechterstellungen möglich, die höheren Zahlungsansprüchen auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 2000/78/EG entgegenstehen.

e)

Anpassungsmöglichkeiten

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die hier in Rede stehende Benachteiligung zu beseitigen. So könnte klargestellt werden, dass bei den entsprechenden Leistungen eine etwaige Altersrente wegen Schwerbehinderung nicht (mehr) berücksichtigt wird. Darüber hinaus könnten Mindestleistungen festgelegt werden, die auch dann gezahlt werden, wenn eine Altersrente wegen Alters in Anspruch genommen werden kann. Dass eine solche Benachteiligung nur dann erfolgt, wenn die Altersrente tatsächlich in Anspruch genommen wird, dürfte weiterhin nicht erforderlich sein.

16 C-152, NZA 2012, 1435 ff. – Odar.

238

Haftung der Betriebsratsmitglieder für Honorarforderungen

Denkbar – und auch sinnvoller – erscheint aber, die üblichen Formeln für die Berechnung von Sozialplanabfindungen generell abzuändern und zu einer Berechnungsweise zu kommen, die altersunabhängig einen bestimmten Mindeststandard für eine begrenzte Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährleistet. Dieser Standard könnte als Brutto- oder Nettobetrag in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des bisherigen Bruttomonatsentgelts zugesagt werden. Die Dauer dieser Zahlung könnte von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig gemacht werden; längere Betriebszugehörigkeit hätte also eine längere Absicherung zur Folge. Auf diesen Anspruch würden dann ein etwaiger Arbeitslosengeldanspruch, ein etwaiger Anspruch auf Kurzarbeitergeld und ein Anspruch auf vorzeitige Altersrente zur Anrechnung kommen, ausgehend davon, dass allerdings die pauschale Absenkung der Altersrente als Folge der vorzeitigen Altersrente gesondert ausgeglichen würde. Grundlage einer Berechnung dieser anrechnungsfähigen Beträge könnten die konkreten Bescheide oder – besser – Berechnungen sein, die mit Hilfe der im Internet verfügbaren Rechner für solche Leistungen auf der Grundlage des im Sozialplan definierten Monatsentgelts schon frühzeitig erfolgen können. Eine solche Vorgehensweise würde den Vorwurf einer Diskriminierung wegen des Alters oder der Behinderung vollständig vermeiden. (Ga)

2.

Haftung der Betriebsratsmitglieder für Honorarforderungen ihrer Berater bei Betriebsänderungen

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die dem Betriebsrat durch dessen Tätigkeit entstehenden Kosten gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen. Unproblematisch geschieht dies nach wie vor bei der Hinzuziehung von Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG. Hier ist eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich. Schwieriger verhält es sich hingegen bei der Hinzuziehung von Beratern im Rahmen von Betriebsänderungen. Denn in Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitern kann der Betriebsrat nach § 111 S. 2 BetrVG einen Berater einschalten, ohne dies zunächst mit dem Arbeitgeber abzusprechen. Überschreitet der Betriebsrat in einem solchen Fall die ihm durch das BetrVG zugewiesenen Grenzen, so stellt sich die Frage nach der Haftung des Gremiums und der seiner handelnden Mitglieder. In dem der Entscheidung des BGH vom 25.10.201217 zugrunde liegenden Fall sollten in einem Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern Um17 III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 ff.

239

Betriebsänderung und Betriebsübergang

strukturierungsmaßnahmen stattfinden, welche u. a. auch Maßnahmen zum Stellenabbau beinhalteten. Daraufhin beschloss der Betriebsrat, sich von einem Beratungsunternehmen gemäß § 111 S. 2 BetrVG beraten zu lassen. Das Beratungsunternehmen, das sich auf die Beratung von Betriebsräten spezialisiert hatte, vereinbarte mit dem Betriebsrat als Honorar pauschale Tagessätze. Für die gesamte Beratung wurde sodann ein Betrag in Höhe von 86.762,90 Euro in Rechnung gestellt, welchen der Betriebsratsvorsitzende auch als korrekt quittierte. Der Bitte um Ausgleich an den Arbeitgeber kam dieser jedoch nicht nach. Er begründete dies mit fehlender Erforderlichkeit der Beratungsleistungen und einer zu undetaillierten Zeitabrechnung. Daraufhin beschloss der Betriebsrat, seine Ansprüche aus § 40 BetrVG gegen den Arbeitgeber an das Beratungsunternehmen abzutreten, was dieses allerdings ablehnte. Dieser wiederum entschloss sich daraufhin, den Betriebsratsvorsitzenden und seinen Stellvertretern, die den Beratungsauftrag erteilt hatten, auf Ausgleich des Rechnungsbetrags zu verklagen. Bereits in seiner Entscheidung vom 24.4.198618 – hier zum Betrieb einer Betriebskantine – hatte das BAG festgestellt, dass der Betriebsrat, sofern ihm Rechte und Pflichten nach dem BetrVG zugewiesen werden, teilrechtsfähig ist. Dennoch wurde aber zugleich die Absicht vertreten, der Betriebsrat könne Dritten gegenüber nicht haften, da er als Gremium vermögenslos sei. Nach dieser Auffassung hat er lediglich im Rahmen des § 40 Abs. 1 einen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Nach einer Abtretung dieses Anspruchs gegenüber dem Beratungsunternehmen wandelte sich dieser Anspruch in einen Zahlungsanspruch des Dritten gegen den Arbeitgeber um19. Mit Urteil vom 25.10.201220 hat nun jedoch der BGH festgestellt, dass der Betriebsrat nicht nur teilrechtsfähig hinsichtlich des Vertragsabschlusses ist. Vielmehr ist er bezüglich der finanziellen Ansprüche Dritter auch passivlegitimiert. Nach den Feststellungen des BGH setze ein Anspruch des Betriebsrats auf Befreiung von einer Verbindlichkeit notwendigerweise eine Verpflichtung des Betriebsrats gegenüber Dritten voraus21. Dies ergebe sich schon aus Sinn und Zweck des § 111 S. 2 BetrVG, der gerade anders fungiert als § 80 Abs. 3 BetrVG. Demnach kann sich der Betriebsrat Dritten gegenüber in der Höhe verpflichten, in der er einen Freistellungsanspruch gegen den Arbeitnehmer besitzt22. 18 19 20 21 22

6 AZR 607/83, NZA 1987, 100 ff. Vgl. Schulze, AiB 2013, 7 ff. III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 ff. BGH v. 25.10.2012 - III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 Rz. 16. Vgl. Bergmann, NZA 2013, 57 ff.

240

Haftung der Betriebsratsmitglieder für Honorarforderungen

Dies ist gleichzeitig der Kern der Problematik. Zwar kann sich der Betriebsrat Dritten gegenüber verpflichten. Diese Verpflichtungsmöglichkeit für den Betriebsrat als Gremium endet jedoch auch an den Grenzen, welche das BetrVG für sein Handeln vorsieht. Für einen Anspruch aus § 111 S. 2 i. V. m. § 40 BetrVG liegt diese Grenze in der Erforderlichkeit der Beratungsleistung. Wenn man von der grundsätzlichen Erforderlichkeit einer Beratung durch einen externen Dienstleister zunächst einmal ausgehen will, was bereits zweifelhaft ist, wird man von der Angemessenheit eines Honorars für diese Beratung jedenfalls dann ausgehen können, wenn deren Berechnung aufgrund gesetzlicher Gebührenvorschriften, beispielsweise des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) erfolgt. Bedenken ergeben sich im Gegenschluss immer dann, wenn auf stunden- oder tagesbasierte Abrechnungssysteme zurückgegriffen wird. Jedoch stellt nicht jede zeitabhängige Bezahlung sogleich eine Überschreitung der Erforderlichkeitsgrenze dar. Eine Bewertung wird dann vielmehr immer im Einzelfall vorzunehmen sein. Wird die Erforderlichkeitsgrenze allerdings im Einzelfall überschritten, so kommt nach den Ausführungen des BGH eine persönliche Haftung der handelnden Betriebsratsmitglieder – zumeist des Vorsitzenden – gemäß § 179 Abs. 1 BGB analog in Betracht23. Einer grundsätzlichen Haftungsprivilegierung der Betriebsratsmitglieder ob ihrem unentgeltlichen Ehrenamt bedürfe es nicht. Hierfür bestehe auch kein Anlass, da das Haftungsrisiko bereits durch eine ex-ante-Sicht der Beurteilung der Erforderlichkeit von Beratungsleistungen reduziert sei. Bei dieser Betrachtung sollen die Grenzen des Betrachtungsspielraums im Interesse der Funktions- und Handlungsfähigkeit des Betriebsrats nicht zu eng gezogen werden. Daraus ergebe sich, dass die Haftung des entsprechenden Betriebsratsmitglieds nicht schon allein dadurch begründet werde, dass die Grenzen der Erforderlichkeit aus einem objektiven Blickwinkel heraus fehlerhaft gezogen worden sind. Darüber hinaus könne der Betriebsrat in Zweifelsfällen Rechtsrat einholen oder die persönliche Haftung gegenüber dem Dritten einschränken oder gar ausschließen24. Ob die Erforderlichkeitsgrenzen in dem betreffenden Fall überschritten wurden und ob, bzw. inwieweit die handelnden Betriebsratsmitglieder nach § 179 BGB analog im Einzelfall haften, konnte der BGH25 nicht abschließend feststellen und musste die Entscheidung folglich an das Berufungsgericht zurückverweisen. 23 Vgl. BGH v. 25.10.2012 – III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 Rz. 33 ff. 24 BGH v. 25.10.2012 – III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 Rz. 45. 25 BGH v. 25.10.2012 – III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 Rz. 52.

241

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Spannend ist die Frage, wie sich die die Entscheidung des BGH auf die Praxis auswirken wird. Auf der einen Seite wird das Urteil Befürchtungen der Betriebsratsvorsitzenden zur Folge haben, für die Beschlüsse des Betriebsrats persönlich zu haften. Bezüglich der Erforderlichkeit und der Marktüblichkeit von Beraterverträgen empfiehlt die IG BCE deshalb schon jetzt, vor Abschluss von Verträgen Vergleichsangebote einzuholen26. Ein Folgeproblem ergibt sich des Weiteren aus der Frage der Beweislast. § 179 Abs. 1 BGB erhält eine Beweislastregel, nach der der als Vertreter ohne Vertretungsmacht in Anspruch Genommene das Bestehen der Vertretungsmacht beweisen muss27. Dies dürfte jedenfalls in Grenzfällen schwierig sein, bewirkt aber, dass das Risiko durch den Betriebsrat zu tragen ist, der mit dem Auftrag risikobegründend gewesen ist. Dass dies die Aktivitäten der Betriebsräte im Rahmen von § 111 S. 2 BetrVG hemmen wird, ist hinzunehmen. Denn einer schwerwiegenden Beschränkung der Betriebsratsfunktionen steht die Überlegung gegenüber, dass auch § 179 Abs. 3 BGB entsprechend anwendbar ist. Dieser schließt eine persönliche Haftung des Betriebsratsmitglieds aus, sofern der Dritte – hier das Beratungsunternehmen – den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Zu bedenken gilt jedoch auch an dieser Stelle, dass die Beweislast ebenfalls im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 179 Abs. 3 BGB, die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Dritten betreffend, bei dem handelnden Betriebsratsmitglied liegt. Schließt der Betriebsrat einen Beratungsvertrag mit einem Unternehmen, welches sich explizit auf die Beratung von Betriebsräten spezialisiert hat, so wird man jedenfalls prüfen müssen, ob das entsprechende Unternehmen einzuschätzen vermag, inwiefern sich der Betriebsrat in den Grenzen seiner Handlungsbefugnisse bewegt28. Dabei kommt es sicher auch auf die Information über die Betriebsänderung, ihre Folgen und alternative Beratungsmöglichkeiten an, die durch den Betriebsrat gegenüber dem Berater erfolgt. Dabei erscheint es richtig, gerade in Spezialistenfällen in Bezug auf Tatsachen, die für das Kennenmüssen – oder gar die Kenntnis – des Dritten sprechen, keine über die Maßen hohen Anforderungen zu stellen. Kommt es zum Vertragsschluss mit eben solchen Spezialisten, so könnte aus Sicht des Betriebsrats versucht werden, die persönliche Haftung der einzelnen Mitglieder dem Beratungsunternehmen gegenüber auszuschließen. Aus Sicht des jeweiligen Beratungsunternehmens dürften zwar grundsätzlich 26 Vgl. www.igbce.de/22804/handlungshilfe-br-haftung-berater. 27 BGH v. 25.10.2012 – III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 Rz. 39. 28 Vgl. BGH v. 25.10.2012 – III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 Rz. 42.

242

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bei standortübergreifendem Personalabbau

keine Einwände gegen einen solchen Ausschluss bestehen. Schließlich sollte gerade der erfahrene Berater einschätzen, wenn nicht sogar wissen können, inwieweit sich der Betriebsrat als Gremium im Rahmen seines Aufgabenkreises rechtlich verpflichten kann. Soweit von Bergmann29 zur Bewältigung dieser Problematik eine Lösung aus der Versicherungswirtschaft, angelehnt an die sogenannte Directors-andOfficers-Versicherung verlangt wird, überzeugt dies nicht. Denn nach diesen Überlegungen soll es zukünftig eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung geben, deren Ziel es ist, die persönliche Haftung der Betriebsratsmitglieder aufzufangen. Der Beitrag zu dieser Art von Versicherung solle eine erforderliche Sachmittelausstattung nach § 40 BetrVG darstellen. Ob eine solche Versicherungsvariante in der Praxis Fuß fassen wird, bleibt allerdings zu bezweifeln. Nimmt man nämlich eine Deckung des Beitrags über § 40 BetrVG an, so wäre dem Betriebsrat bei Vertragsabschlüssen am Ende wieder freie Hand gelassen, da der Arbeitgeber etwaige Erforderlichkeitsüberschreitungen über den Umweg des Versicherungsbeitrags bezahlen müsste. Schlussendlich gibt es eine Lösung, die Arbeitgeber und Betriebsrat gleichermaßen hilft: die Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 BetrVG. Obwohl es nach dem Wortlaut von § 111 S. 2 BetrVG, der im Gegensatz zu § 80 Abs. 3 BetrVG gerade keine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber voraussetzt, statthaft ist, Berater ohne Zustimmung des Arbeitgebers zu beauftragen, bleibt es dem Betriebsrat unbenommen, Beraterverträge erst nach Übereinkunft mit dem Arbeitgeber abzuschließen. Notfalls müsste auf Abgabe einer Zustimmung des Arbeitgebers zu einer solchen Vereinbarung geklagt werden. Alternativ müsste sehr zurückhaltend von § 111 S. 2 BetrVG Gebrauch gemacht werden (Ga/Do)

3.

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bei standortübergreifendem Personalabbau

In seinem Urteil vom 19.7.201230 musste sich der 2. Senat des BAG an sich mit der Frage befassen, welche Auswirkungen sich aus der in einem Interessenausgleich abgeschlossenen Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG in Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast der streitgegenständlichen Kündigung ergaben. Ganz erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis hat allerdings der Umstand, dass das BAG in dieser Entscheidung grundlegende

29 NZA 2013, 57 ff. 30 2 AZR 386/11, DB 2013, 523 f. Rz. 26.

243

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Feststellungen zur Kennzeichnung einer Betriebsänderung bei standortübergreifenden Maßnahmen des Personalabbaus trifft und diese mit Klarstellungen zur Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats verknüpft. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger als „angehender Filialleiter“ in der Hauptniederlassung der deutschen Tochtergesellschaft einer in Athen ansässigen Bank beschäftigt. Neben dieser Hauptniederlassung unterhielt die Gesellschaft Filialen in Berlin, Stuttgart, Düsseldorf, Nürnberg und München. In diesen Filialen und am Hauptsitz waren jeweils Betriebsräte und ein Betriebsobmann gewählt, die einen Gesamtbetriebsrat gebildet hatten. Die Beklagte beschäftigte insgesamt 90 Arbeitnehmer, davon nach ihrer Behauptung 38, nach der Behauptung des Klägers 49 Arbeitnehmer in der Hauptniederlassung. Im Juni 2004 beschloss die Beklagte eine Änderung ihrer Organisation. Die Filialen in Berlin und Stuttgart sollten geschlossen, in den anderen Filialen sollte Personal abgebaut werden. Im Hinblick darauf schloss sie mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich ab, dem eine Namensliste der von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer beigefügt war. Auf dieser Grundlage wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers am 20.10.2004 betriebsbedingt gekündigt. Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage, die auch beim BAG keinen Erfolg hatte. Zunächst einmal hat der 2. Senat des BAG deutlich gemacht, dass die für eine Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG erforderliche Betriebsänderung durch Personalabbau im Sinne der § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG, § 17 Abs. 1 KSchG vorlag. Zwar komme es nach § 111 S. 1 BetrVG bei der Feststellung, ob der Betriebsrat überhaupt ein Beteiligungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten habe, auf die Anzahl der Arbeitnehmer in dem Unternehmen insgesamt an. Die Unternehmensgröße von mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern sei aber nur Voraussetzung für das Entstehen der in §§ 111, 112 BetrVG geregelten Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Für das Vorliegen einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG sei hingegen erforderlich, dass die Skalenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG im jeweiligen Betrieb erzielt würden. Dies gelte auch dann, wenn für den Abschluss des Interessenausgleichs gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig sei31. Konsequenz ist, dass bei standortübergreifenden Personalabbaumaßnahmen der Fall eintreten kann, dass nur in einzelnen Betrieben von dem Vorliegen einer Betriebsänderung mit entsprechenden Beteiligungsrechten des Betriebs- oder Gesamtbetriebsrats auszugehen ist. 31 BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 386/11, DB 2013, 523 Rz. 19; BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 551/08, NZA 2011, 114 Rz. 33.

244

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bei standortübergreifendem Personalabbau

Für den Kläger bedeutete dies, dass eine Betriebsänderung vorlag. Denn bei neun Entlassungen in der Hauptniederlassung war der Schwellenwert des § 17 KSchG überschritten, ohne Rücksicht darauf, ob in der Hauptniederlassung 38 oder 49 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Der Gesamtbetriebsrat war – so das BAG – auch für die Verhandlungen über den Interessenausgleich zuständig. Nach §§ 50 Abs. 1, 111 S. 1 BetrVG sei eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung mit dem Gesamtbetriebsrat zu vereinbaren, wenn sich die geplante Maßnahme auf alle oder doch mehrere Betriebe auswirke und einer einheitlichen Regelung bedürfte. Eine betriebsübergreifende Regelung müsse zwingend erforderlich sein. Deren bloße Zweckmäßigkeit könne in den Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung keine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründen. Werde hingegen ein geplanter Personalabbau auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt und seien mehrere Betriebe betroffen, so dass das Verteilungsproblem betriebsübergreifend gelöst werden müsse, sei gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig. Diese Voraussetzungen lagen im streitgegenständlichen Fall vor. Denn neben der Hauptniederlassung waren auch die Betriebe Berlin und Stuttgart von einer Betriebsänderung betroffen. Sie sollten stillgelegt werden. Damit bestand ein betriebsübergreifendes Regelungsbedürfnis. Schließlich lag – so das BAG – dem Interessenausgleich ein einheitliches, alle Betriebe in den Blick nehmendes Umstrukturierungskonzept zugrunde, das einer Regelung durch die einzelnen Betriebsräte nicht zugänglich war. Mit Recht geht das BAG davon aus, dass aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss des Interessenausgleichs auch die Zuständigkeit für die Vereinbarung einer Namenliste nach § 1 Abs. 5 KSchG folgt. Sie ist Teil des Interessenausgleichs und fällt deshalb in die Zuständigkeit des Gremiums, das für den Abschluss des Interessenausgleichs zuständig ist32. Eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit könne – so das BAG – nicht aufgespalten werden in Regelungsbereiche, die in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fielen, und solche, für die die örtlichen Betriebsräte zuständig seien. Dies wäre mit den Geboten der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit nicht zu vereinbaren und gelte auch mit Blick auf ei-

32 BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 386/11 DB 2013, 523 Rz. 24.

245

Betriebsänderung und Betriebsübergang

ne Namenliste in einem Interessenausgleich im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG33. Hiervon ausgehend konnte sich der Arbeitgeber im Rahmen der kündigungsschutzrechtlichen Auseinandersetzung auf die Beweislastumkehr in Bezug auf die fehlende Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus berufen. Darüber hinaus war die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar. (Ga)

4.

Betriebsübergang durch Übernahme wesentlicher Betriebsmittel

Regelmäßig kommt es in der arbeitsrechtlichen Praxis zu Rechtstreitigkeiten im Rahmen von Betriebsübergängen. Dabei geht es zum einen um die Frage, ob der gegebene Sachverhalt überhaupt als Betriebs- oder Betriebsteilübergang zu qualifizieren ist. Insbesondere auf Erwerberseite wird häufig versucht, die Anwendbarkeit von § 613 a BGB zu vermeiden. Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung sollen an dieser Stelle deshalb noch einmal die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs aufgezeigt werden. Dass die damit verbundene Gestaltung von Übertragungsvorgängen nicht nur zur Vermeidung, sondern auch zu einer (unzulässigen) Umgehung von § 613 a BGB führen kann, wird nachfolgend gesondert behandelt34.

a)

Abstrakte Kennzeichnung eines Betriebsübergangs

Ausgangspunkt der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs ist die Feststellung des BAG, dass § 613 a BGB dann zur Anwendung kommt, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt35. Der Begriff wirtschaftliche Einheit beziehe sich insoweit auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisatorischen Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen sei, richte sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. 33 BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 386/11 DB 2013, 523 Rz. 24; HWK/Quecke, KSchG § 1 Rz. 423; Fitting, BetrVG § 112 a Rz. 57; a. A. Fischer, BB 2004, 1001, 1003. 34 B. Gaul, AktuellAR 2013, 259 ff. 35 BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 51.

246

Betriebsübergang durch Übernahme wesentlicher Betriebsmittel

Als Teilaspekte dieser Gesamtwürdigung nennt das BAG unter Berücksichtigung entsprechender Feststellungen des EuGH insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, den Übergang materieller Betriebsmittel wie beweglicher Güter und Gebäude, den Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, den Übergang von Kundschaft- und Lieferantenbeziehungen, den Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien komme je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden ein unterschiedliches Gewicht zu36. Fasst man diese in der Praxis wenig griffige Kennzeichnung der Anwendungsfälle von § 613 a BGB in einer hiervon abweichenden Form zusammen, liegt ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten nur dann vor, wenn im Wesentlichen folgenden Voraussetzungen – grundsätzlich kumulativ – erfüllt sind: • Vorliegen einer organisatorischen Einheit auf Seiten des potenziellen Veräußerers; • Rechtsgeschäftliche Übernahme der für diese Einheit wesentlichen Betriebsmittel und/oder wesentlichen Arbeitnehmer durch den potenziellen Erwerber; • keine wesentliche Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit; • tatsächliche Fortsetzung der gleichen oder gleichartigen Tätigkeit durch den potenziellen Erwerber im Wesentlichen unter Wahrung der organisatorischen Einheit bzw. des funktionalen Zusammenhangs der wesentlichen Ressourcen (Arbeitnehmer und/oder Betriebsmittel), wie sie/er bis zum Übertragungsvorgang bestanden hat.

Wichtig ist, dass diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen. Ist eines der vier Merkmale nicht gegeben, liegt kein Betriebsübergang vor. Dies ist insbesondere bei Strategien zur Vermeidung einer Anwendbarkeit von § 613 a BGB wichtig.

36 BAG v. 21.6.2012 - 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6 Rz. 30.; BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 39; BAG v. 25.6.2009 - 8 AZR 258/08, NZA 2009, 1412 Rz. 26.

247

Betriebsänderung und Betriebsübergang

b)

Bestehen einer organisatorischen Einheit

Hiervon ausgehend bedarf es für die Annahme eines Betriebs(teil)übergangs nach § 613 a BGB zunächst einmal einer organisatorischen Einheit. Der Begriff der organisatorischen Einheit bezieht sich dabei auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Das BAG hat zur Bestimmung einer organisatorischen Einheit einen Kriterienkatalog aufgenommen, der sich an den Formulierungen des EuGH orientiert. Danach ist zwar eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, insbesondere kommt es aber auf das weitere Personal, die Führungskräfte, die Arbeitsorganisation, die Betriebsmethoden und ggf. die zur Verfügung stehenden Betriebsmittel an37. Für den Betriebsteilübergang ist zudem zu beachten, dass die übernommenen Betriebsteile schon als solche beim Veräußerer vorhanden sein müssen. Nur eine existente, selbständig abtrennbare organisatorische Einheit könne im Wege eines Betriebsteilübergangs übergehen38. Allein ein funktionaler Zusammenhang der wesentlichen Produktionsfaktoren beim übertragenden Rechtsträger soll dabei nach Maßgabe des BAG nicht genügen, um eine Anwendbarkeit von § 613 a BGB auf die in diesem Zusammenhang tätigen Arbeitnehmer auszulösen39. Ob dies aber mit Blick auf Überlegungen des EuGH zur Kennzeichnung der Identität der von einem Übergang betroffenen Einheit beim übernehmenden Rechtsträger den Vorgaben des Unionsrecht ausreichend Rechnung trägt, dürfte nach wie vor kritisch zu sehen sein. Denn es erscheint zweifelhaft, die Identität einer wirtschaftlichen Einheit beim Erwerber nach anderen Kriterien als beim Veräußerer zu bestehen. Führt man sich den entsprechenden Vorlagebeschluss des Tribunale di Trento (Italien) vom 11.10.201240 vor Augen, besteht jedenfalls ein Risiko, dass auch in solchen Fällen ein Betriebsteilübergang möglich ist.

37 St. Rspr. BAG v. 26.5.2011 - 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143 Rz. 17. 38 BAG v. 13.10.2011 - 8 AZR 455/10, NZA 2012, 504 Rz. 37; BAG v. 27.1.2011 - 8 AZR 326/09, NZA 2011, 1162 Rz. 25. 39 BAG v. 13.10.2011 - 8 AZR 455/10, NZA 2012, 504, Rz. 34 f. 40 C-458/12 n. v. – Lorenzo Amatori.; vgl. die Besprechung des Vorlagebeschlusses von Thüsing/Siebert, ZESAR 2013, 123 f.

248

Betriebsübergang durch Übernahme wesentlicher Betriebsmittel

c)

Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel und/oder wesentlichen Arbeitnehmer

Bei der Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel und/oder wesentlichen Arbeitnehmer ist zwischen betriebsmittelgeprägten Tätigkeiten und betriebsmittelarmen Tätigkeiten zu differenzieren. aa)

Übergang bei betriebsmittelgeprägter Tätigkeit

In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen41. Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern durch einen Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden, schließt dabei einen Betriebsübergang nicht aus. Insoweit ist auch eine Verschaffung von Eigentum nicht erforderlich. Die Berechtigung zur Nutzung der Betriebsmittel im Rahmen einer eigengesteuerten Betriebsorganisation genügt. Folgerichtig ist bei einer Auftragsneuvergabe die Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Betriebsübergangs vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer42. Darauf weist das BAG noch einmal in den beiden Urteilen vom 15.12.201143 und 21.6.201244 ausdrücklich hin. Sächliche Betriebsmittel sind nach den entsprechenden Feststellungen des BAG im Rahmen einer Auftragsneuvergabe dann wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmache. Entsprechendes gilt für die Überlassung im Rahmen sonstiger Übertragungswege (z. B. Verpachtung, Verkauf, Dienst- oder Werkvertrag). Kriterien hierfür könnten sein, dass die Betriebsmittel unverzichtbar zur ordnungsgemäßen Verrichtung der Tätigkeit seien, auf dem freien Markt nicht erhältlich seien oder ihr Gebrauch vom Auftraggeber zwingend vorgeschrieben werde45.

41 EuGH v. 20.11.2003 – C-340/01, NZA 2003, 1385 ff. Rz. 34 ff. - Abler; BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 39 ff.; BAG v. 23.9.2010 - 8 AZR 567/09, NZA 2011, 197 Rz. 42 ff. 42 Vgl. EuGH v. 15.12.2005 – C-232/04 und C- 233/04, NZA 2006, 29 ff. – Güney Görres. 43 8 AZR 197/11 AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 39 ff. 44 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6 Rz. 30 ff. 45 BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 39 ff.; BAG v. 15.2.2007 - 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793 Rz. 17; BAG v. 13.6.2006 - 8 AZR 271/05, NZA 2006, 1101 Rz. 20.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

Diese Voraussetzungen einer betriebsmittelgeprägten Tätigkeit waren im Falle der Neuvergabe eines Bewachungsauftrags nicht gegeben46. Denn hierfür genügt nicht, dass sie zur Erbringung einer Dienstleistung erforderlich sind. Insofern mag auch die Nutzung eines Wachlokals im Hinblick auf die Bewachung eines Objekts im Schichtbetrieb notwendig sein. Das Wachlokal selbst dient aber nicht unmittelbar der Sicherung und Bewachung des zu überwachenden Projekts. Vielmehr hat es als Hilfsmittel allein dienende Funktion. Dies gilt – so das BAG – auch für die im Wachlokal vorgehaltene Ausrüstung, jedenfalls dann, wenn die ein- bzw. ausfahrenden Fahrzeuge schlussendlich durch die Wachleute selbst kontrolliert werden und diese im Objekt Streife laufen. Denn prägend für diese Tätigkeit sei schlussendlich die Achtsamkeit der Wachleute an der Pforte, im Objekt bzw. auf Streifengängen und deren Bereitschaft, bzw. Fähigkeit, im Bedarfsfall einzugreifen. Dass die Erkenntnisse solcher Streifengänge durch Ausnutzung technischer Hilfsmittel (Computer, Drucker) dokumentiert werden, macht bei wertender Betrachtungsweise nicht den eigentlichen Kern dieser Tätigkeit aus. bb)

Übergang bei betriebsmittelarmer Tätigkeit

Unter Bezugnahme auf die dahingehenden Feststellungen des EuGH geht auch der 8. Senat des BAG in seinem Urteil vom 15.12.201147 davon aus, dass in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen könne. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit sei in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführe, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personal übernehme, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden müsse, um die Rechtsfolgen des § 613 a BGB auszulösen, hänge von der Struktur des Betriebs oder Betriebsteils und der ausgeübten Tätigkeit ab. Würden Arbeitnehmer mit einer geringeren Qualifikation beschäftigt, müsse eine größere Anzahl von ihnen weiterbeschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom Konkurrenten geschaffenen Arbeitsorganisation schließen zu können, als wenn der Betrieb stärker durch Spezialwissen und Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt sei. Denn hier könne neben anderen Kriterien ausreichen, dass wegen ihrer Sachkunde wesentli46 BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 45 ff. 47 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 53.

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Betriebsübergang durch Übernahme wesentlicher Betriebsmittel

che Teile der Belegschaft übernommen würden. So sei schlussendlich entscheidend, ob der weiter beschäftigte Belegschaftsteil insbesondere aufgrund seiner Sachkunde, seiner Organisationsstruktur und nicht zuletzt seiner relativen Größe im Grundsatz funktionsfähig geblieben sei48. Diese Voraussetzungen lagen für das BAG in dem seiner Entscheidung vom 15.12.201149 zugrunde liegenden Fall nicht vor. In Bezug auf ein Objekt hatte die Beklagte nur vier von sieben Wachleuten übernommen. Hierzu gehörte kein Objektverantwortlicher, dessen Einstellung und Weiterbeschäftigung besonderes Gewicht hat. Auch in Bezug auf die fünf Objekte in ihrer Gesamtheit lag aus Sicht des 8. Senats des BAG keine Übernahme des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Belegschaft vor. Denn auch insoweit hatte die Beklagte nur 50 Prozent der Mitarbeiter übernommen (14 von 28 Arbeitnehmern). Hierzu gehörten lediglich ein Objektverantwortlicher insofern – so das BAG – habe die Beklagte nicht das identitätsprägende „Gerüst“ der Belegschaft übernommen. Umgekehrt hat das BAG im Urteil vom 21.6.201250 einen solchen Betriebsteilübergang für möglich gehalten. Hier beschäftigte die Beklagte 50 der 87 bzw. der zuletzt noch 80 der zuvor beim bisherigen Betriebsinhaber beschäftigten Arbeitnehmer (IT-Servicetechniker, EDV-Service-Mitarbeiter und Führungskräfte). Damit habe die Beklagte einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der beim bisherigen Betriebsinhaber beschäftigten Arbeitnehmer übernommen, unabhängig davon, ob man von 62,5 oder 57,5 Prozent ausginge. Die Beklagte nutze die Fachkenntnisse von weit mehr als der Hälfte der bislang in der Einheit eingesetzten Arbeitnehmer. Dies genüge, weil der IT-Servicebetrieb in besonderer Weise durch die Spezialkenntnisse und Qualifikationen seiner Mitarbeiter geprägt sei, zumal die Tätigkeiten nur nach einem Studium oder einer Ausbildung im IT-Bereich und nach Schulungen in Bezug auf einzelne EDV-Produkte ausgeführt werden könnten. Dabei müssten die Kenntnisse im Hinblick auf die sich ständig verändernde Technik auf dem Laufenden gehalten werden. Hinzu kam, dass die Beklagte neben dem Geschäftsführer acht Mitarbeiter, die leitende Funktionen innehatten, in vergleichbarer Funktion weiterbeschäftigte. Sie habe nicht nur das Know-how, sondern das spezifische Fachwissen, die Kontakte und die Marktkenntnisse der Führungskräfte genutzt, welche notwendig

48 BAG v. 21.6.2011 - 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6 Rz. 42.; BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 53; BAG v. 25.9.2008 - 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469. 49 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423. 50 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6 Rz. 42.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

sind, um ein IT-Serviceunternehmen zu führen. Diesem Umstand komme bei § 613 a BGB ganz erhebliche Bedeutung zu. Folgerichtig hatte die Beklagte im Internet auch von einem „eingespielten Team“ gesprochen, was den Funktionszusammenhang auch nach dem Übertragungsvorgang bestätigte. Wegen dieser Umstände konnte dann auch die Übernahme der Kundendatei als ein weiteres Indiz berücksichtigt werden. cc)

Abgrenzung zur Auftrags- und Funktionsnachfolge

In überzeugender Weise hat das BAG zuletzt noch einmal deutlich gemacht, dass die bloße Fortführung der bisherigen betrieblichen Tätigkeit durch einen anderen Rechtsträger (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang darstelle, wie die reine Auftragsnachfolge51. Der bloße Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber stelle daher für sich genommen noch keinen Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG dar52. Hiervon ausgehend konnte auch der Abschluss eines (neuen) Bewachungsvertrags zwischen Firma und der Beklagten selbst auch dann nicht zur Anwendbarkeit von § 613 a BGB führen, wenn der der Beklagten erteilte Auftrag inhaltlich identisch zu dem zuvor erteilten Auftrag sein sollte. Zwar könne auch die Übernahme von Kunden- und Lieferantenbeziehungen einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang begründen. Die bloße Auftragsnachfolge selbst stelle aber weder einen Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB noch den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG dar53. Hiervon ausgehend setze der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit neben einer etwaigen Auftragsnachfolge die Feststellung zusätzlicher Umstände voraus, die in der Gesamtwürdigung die Annahme des Fortbestands der wirtschaftlichen Einheit rechtfertigten. Im Kern geht es dabei um die Übernahme wesentlicher Ressourcen (Arbeitnehmer und/oder Betriebsmittel). Eine Tätigkeit sei noch keine wirtschaftliche Einheit. Dies gelte selbst dann, wenn ein Dienstleistungsauftrag, der für die Existenz des Betriebs unentbehrlich einzige Auftrag des Betriebs sei. Insofern setze der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit neben einer etwaigen Auftragsnachfolge die Fest-

51 BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 31. 52 EuGH v. 11.3.1997 - C-13/95, NZA 1997, 433 f. – Ayse Süzen; BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 53; BAG v. 25.6.2009 - 8 AZR 258/08, NZA 2009, 1412 Rz. 27. 53 BAG v. 21.6.2012 - 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6 Rz. 31; BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 53 ff.; BAG v. 25.9.2008 - 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469 Rz. 35 ff.

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Betriebsübergang durch Übernahme wesentlicher Betriebsmittel

stellung zusätzlicher Umstände voraus, die in der Gesamtwürdigung die Annahme des Fortbestands der wirtschaftlichen Einheit rechtfertigten54. Auch im Urteil vom 15.11.201255 hatte das BAG noch einmal eine Abgrenzung zwischen einem Betriebsübergang und einer bloßen Auftragsnachfolge vorzunehmen. Dabei stellte es klar, dass das Arbeitsverhältnis eines mit der Grundstücksverwaltung betrauten Arbeitnehmers einer Hausverwaltungsgesellschaft nicht auf den Erwerber der verwalteten Immobilie übergeht. Diese Entscheidung verdient Zustimmung, denn das von einer Hausverwaltung betreute Grundstück stellt kein Betriebsmittel dar, sondern ist das Objekt der Verwaltungstätigkeit. Der Betriebszweck war allein die Verwaltung der im Eigentum der Hausverwaltung stehenden Immobilie ausgerichtet und demnach ein (betriebsmittelarmer) Dienstleistungsbetrieb. Dieser Betrieb wird nicht dadurch übernommen, dass das einzige verwaltete Grundstück von der Gesellschaft erworben wird. Hier kommt es auf die Arbeitnehmer an. Hiervon ausgehend stellt auch das klassische Outsourcing von Tätigkeiten und Aufgaben als solches noch keinen Betriebs(teil)übergang dar56. Dies gilt auch dann, wenn die Tätigkeiten in einem Betriebsteil erbracht worden sind. Erforderlich ist, dass der neue Auftragnehmer für die jeweils in Rede stehende Tätigkeit wesentliche Arbeitsmittel und/oder Personal übernimmt.

d)

Keine wesentliche Unterbrechung

Eine zumeist eher untergeordnete Rolle beim Betriebsübergang spielt das Merkmal der fehlenden Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit. Es dient aber regelmäßig der Abgrenzung zu einer Betriebsstilllegung, denn ein Betriebsübergang und eine Betriebsstilllegung schließen sich aus57. aa)

Vorliegen einer Unterbrechung

Eine bloß vorübergehende Schließung des Betriebs und das daraus folgende Fehlen von Beschäftigten zum Zeitpunkt des Übergangs schließt allein noch nicht den Betriebsübergang aus. Entscheidend ist, ob die Unterbrechung der Geschäftstätigkeit mit dazu beiträgt, eine bestehende, funktionsfähige wirtschaftliche Einheit zu zerschlagen. Dazu müssen alle Einzelfallumstände be54 EuGH v. 20.1.2011 – C-463/09, NZA 2011, 148 ff. - CLECE; BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 46 f.; BAG v. 28.5.2009 - 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1267 Rz. 49. 55 8 AZR 683/11 n. v. 56 ErfK/Preis, BGB § 613 a Rz. 37. 57 St. Rspr. BAG v. 25.6.2009 - 8 AZR 258/08, NZA 2009, 1412 Rz. 31 ff.; BAG v. 13.6.2006 - 8 AZR 271/05, NZA 2006, 1101 Rz. 20.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

rücksichtigt werden. Es kann deshalb auch nicht allein auf die Dauer der Unterbrechung ankommen58. Vielmehr ist auch auf die Art des jeweiligen Geschäftsbetriebs abzustellen. So hat das BAG bereits in der ersten Entscheidung eine neunmonatige Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit bei einem Modefachgeschäft als übergangsschädlich angesehen59. Bei einer Kindertagesstätte kann bereits eine dreimonatige Unterbrechung gegen einen Betriebsübergang sprechen60. In der Regel muss die Tätigkeit deshalb um mehr als drei bis sechs Monate eingestellt werden, wie schon das Fehlen einer Betriebsstilllegung bei Kurzarbeit deutlich macht. bb)

Abgrenzung zur Stilllegung

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG, dass die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG gehört, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können61. Wie das BAG im Urteil vom 16.2.201262 insoweit noch einmal deutlich macht, ist unter einer Stilllegung insoweit die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin finde, dass das Unternehmen die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstelle, die Fortführung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Allerdings sei der Arbeitgeber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung, komme auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich dafür sei aber, dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst habe, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen. Diese Absicht könne insbesondere darin erkennbar werden, dass allen Arbeitnehmern gekündigt, etwaige Miet- oder Pachtverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgelöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen dürfe, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt werde. An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehle es aber, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über 58 59 60 61 62

ErfK/Preis, BGB § 613 a Rz. 35; APS/Steffan, BGB § 613 a Rz. 43. BAG v. 22.5.1997 - 8 AZR 101/96, NZA 1997, 1050 Rz. 30. LAG Köln v. 2.10.1997 - 10 Sa 643/97, NZA-RR 1998, 290 ff. Vgl. nur BAG v. 28.5.2009 - 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1968 Rz. 49. 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 31 ff.

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Betriebsübergang durch Übernahme wesentlicher Betriebsmittel

eine Veräußerung des Betriebs stehe63. Gleiches gelte, wenn der Arbeitgeber sich im Zeitpunkt der Kündigung noch um neue Aufträge bemühe64. Wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebsstilllegung andererseits endgültig geplant und bereits eingeleitet worden sei, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung, wenn sich der Arbeitgeber eine Betriebsveräußerung vorbehält, falls sich hierfür – unerwartet – noch eine Chance in der Zukunft bieten sollte. Die betriebsbedingte Kündigung wird in ihrer Wirksamkeit bei einer solchen Sachlage durch die spätere Betriebsoder Betriebsteilveräußerung nicht berührt65. Problematisch im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses sind natürlich die Fallgestaltungen, in denen ein Betrieb im Anschluss an eine betriebsbedingte Kündigung noch vor Ablauf der Kündigungsfrist als Konsequenz eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird. Ähnliches gilt in solchen Fällen, in denen die Veräußerung kurze Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bewirkt wird. Da ein rechtsgeschäftlicher Betriebs- oder Betriebsteilübergang auch dann vorliegen kann, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil eine nur unerhebliche Zeitspanne tatsächlich stillgelegt wird, hängt die Wirksamkeit der Kündigung maßgeblich davon ab, welche Absicht auf Seiten des Arbeitgebers zum Zeitpunkt dieser Kündigung in Bezug auf die Fortsetzung des Betriebs oder Betriebsteils verfolgt wurde. Mit eben dieser Frage hat sich das BAG im Urteil vom 16.2.201266 noch einmal eingehend befasst. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung sei – so das BAG – der des Kündigungszugangs. Dies schließe es nicht aus, dass – insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohne – der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulasse. Verlaufe die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung planmäßig, sei es gerechtfertigt, von einem tragfähigen Konzept im Zeitpunkt der Kündigung auszugehen. Umgekehrt spreche bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebs bzw. bei alsbaldiger

63 BAG v. 16.2.2012 - 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37 ff.; BAG v. 29.9.2005 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720 Rz. 24. 64 BAG v. 16.2.2012 - 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37 ff.; BAG v. 13.2.2008 2 AZR 75/06 n. v. (Rz. 30 ff.). 65 BAG v. 16.2.2012 - 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37 ff.; BAG v. 4.5.2006 - 8 AZR 299/05, NZA 2006, 1096 Rz. 18 ff.; BAG v. 29.9.2005 – 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720 Rz. 24. 66 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen67. Der Arbeitgeber – so das BAG – trage im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingten (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG). Berufe sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so sei, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten werde, der Arbeitgeber verpflichtet, substantiiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellten, geplant und beschlossen habe. Über diese Entschlussfassung hinaus müsse der Arbeitgeber substantiiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hätten68. Der Umfang der Darlegungslast hänge dabei auch davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung der Kündigung einlasse. Trage der gekündigte Arbeitnehmer beispielsweise Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine Stilllegungsentscheidung nicht ernsthaft getroffen gewesen sei, weil es Veräußerungsverhandlungen gegeben habe, und komme es zu einer alsbaldigen Wiedereröffnung bzw. nahtlosen Fortsetzung durch einen Betriebserwerber, so trage der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Wiedereröffnung bzw. Veräußerung nicht bereits voraussehbar oder gar geplant gewesen sei69.

e)

Tatsächliche Fortsetzung der gleichen oder gleichartigen Tätigkeit

Eine weitere Voraussetzung ist die tatsächliche Fortsetzung der gleichen oder gleichartigen Tätigkeit durch den Erwerber im Wesentlichen unter Wahrung der organisatorischen Einheit bzw. des funktionalen Zusammenhangs der wesentlichen Ressourcen, wie sie/er bis zum Übertragungsvorgang bestanden hat. Dies bedeutet im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH70, der sich auch das BAG71 angeschlossen hat, dass es keiner Fortfüh67 BAG v. 16.2.2012 - 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37 ff.; BAG v. 21.6.2001 2 AZR 137/00, NZA 2002, 212. 68 BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37 ff.; BAG v. 23.3.1984 – 7 AZR 409/82, ZIP 1984, 1524 ff. 69 BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465 Rz. 37 ff.; BAG v. 17.10.1980 – 7 AZR 675/78, DB 1981, 747; ErfK/Oetker, KSchG § 1 Rz. 279. 70 EuGH v. 12.2.2009 - C-466/07, NZA 2009, 251 ff. - Klarenberg.

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Betriebsübergang durch Übernahme wesentlicher Betriebsmittel

rung der Betriebsorganisation mehr bedarf. Vielmehr ist es ausreichend, dass die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren erhalten bleibt72. aa)

Änderung des Betriebszwecks oder der Betriebsorganisation

Wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur oder im Konzept der betrieblichen Tätigkeit können einer Identitätswahrung entgegenstehen. Das stellt das BAG im Urteil vom 21.6.201273 ausdrücklich klar. So spreche eine Änderung des Betriebszwecks gegen eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung des Betriebs und damit gegen die für einen Betriebsübergang erforderliche Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit. Ein Betriebsübergang scheide auch aus, wenn die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den Produktionsfaktoren beim anderen Unternehmen verloren gehe. Bei einer Eingliederung der übertragenen Einheit in die Struktur des Erwerbers falle – so das BAG - der Zusammenhang dieser funktionellen Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den für einen Betriebsübergang maßgeblichen Faktoren aber nicht zwangsläufig weg. Die Beibehaltung der „organisatorischen Selbständigkeit“ sei nicht erforderlich, wohl aber die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren, die es dem Erwerber erlaube, diese Faktoren, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert würden, zur Verfolgung einer bestimmten – der gleichen oder gleichartigen - wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen. bb)

Keine Betriebsidentität bei Ablehnung von Angeboten des potenziellen Erwerbers

Voraussetzung für die Übernahme eines Betriebs- oder Betriebsteils mit einer betriebsmittelarmen Tätigkeit ist die tatsächliche Übernahme des wesentlichen Personals durch den potenziellen Erwerber. Wie das BAG in seinem Urteil vom 15.12.201174 deutlich gemacht hat, reicht es insoweit nicht aus, dass die Arbeitnehmer des bisherigen Betriebsinhabers durch den potenziellen Erwerber ein Angebot erhalten, ihre Tätigkeit bei der Beklagten in den streitgegenständlichen Objekten fortzusetzen. Vielmehr kommt es bei

71 BAG v. 22.1.2009 - 8 AZR 158/07, NZA 2009, 905 Rz. 19. 72 BAG v. 26.5.2011 - 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143 Rz. 29 ff.; BAG v. 7.4.2011 - 8 AZR 730/09, NZA 2011, 1231 Rz. 16 ff. 73 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6 Rz. 30 ff. 74 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 56 f.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

der Kennzeichnung eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs darauf an, dass das wesentliche Personal auch wirklich eingestellt und unter Wahrung des bisherigen Funktionszusammenhangs mit der im wesentlichen gleichen Tätigkeit beschäftigt wird. Die bloße Möglichkeit einer solchen Fortführung genügt nicht. Komme es nicht zur Weiterbeschäftigung des für die Identitätswahrung relevanten Anteils der Arbeitnehmer, nutze – so das BAG - der Auftragsnachfolger nicht die vom alten Auftragnehmer in der personellen Verbundenheit geschaffene Organisationsstruktur. Hier sei die Identitätswahrung zwar beabsichtigt, in der Praxis aber misslungen. Werde das Angebot, mit derselben Tätigkeit wie zuvor zum Nachfolger zu wechseln, von den Beschäftigten des Vorgängers - oder einer identitätswahrenden Anzahl von ihnen – abgelehnt, liege deshalb kein Betriebsübergang vor75. Bemerkenswert an dieser zutreffenden Bewertung ist, dass die fehlende Bereitschaft des relevanten Anteils der Beschäftigten, die Arbeitsbedingungen beim Nachfolger zu akzeptieren, auch die verbliebenen, ggf. selbst wechselbereiten Arbeitnehmer um die Chance bringt, sich auf die Anwendbarkeit von § 613 a BGB zu berufen. Diese Folge ist nach den Feststellungen des BAG aber eine Konsequenz des auch unionsrechtlich gebotenen Erfordernisses der Identitätswahrung. Eine richterliche Kontrolle, die die Entscheidung der wechselunwilligen Belegschaftsmitglieder im Interesse ihrer Kollegen an das Vorliegen „sachlicher Gründe“ binde, finde ebenso wenig statt, wie eine richterliche Kontrolle der vom Nachfolger angebotenen Arbeitsbedingungen. Dies dürfte nach den Feststellungen des BAG sogar dann gelten, wenn die Arbeitsbedingungen, falls ein Betriebsübergang vorläge, nicht dem Inhalts- und Bestandsschutz des § 613 a Abs. 1 BGB entsprächen, also insbesondere eine Verschlechterung enthalten. Der Nachfolger bzw. der relevante Anteil der Beschäftigten hätte es insoweit „in der Hand“, einen Betriebsübergang herbeizuführen oder nicht. Auch mit einem solchen (abschreckenden) Angebot werde – so das BAG – § 613 a BGB nicht umgangen. Vielmehr träten seine Voraussetzungen auf der Tatbestandsseite nicht ein. Ebenso wie es dem Übernehmer frei stehe, ob er materielle und/oder immaterielle Betriebsmittel des Veräußerers übernehme und damit einen Betriebsübergang auslöse, stehe es dem Auftragsnachfolger frei, ob er die nach Zahl und Sachkunde für eine Identitätswahrung „kritische Masse“ der Belegschaft des früheren Auftragnehmers durch Abschluss von Arbeitsverträgen willentlich weiter beschäftige oder nicht. Es sei dann Sache der einzel75 BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 57; Müller-Glöge, NZA 1999, 449 ff.

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Wechsel zu einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft

nen Arbeitnehmer, ob sie mit dem Auftrags- oder Funktionsnachfolger Arbeitsverträge schlössen. Eine Verpflichtung des potenziellen Erwerbers zur Weiterbeschäftigung des bisherigen Personals bestehe nicht. Vielmehr könne sich der neue Auftragnehmer gerade entscheiden, ob er unter Inkaufnahme der Rechtsfolgen des § 613 a BGB eine mit dem Person verknüpfte Betriebsorganisation weiternutze und hieraus Vorteile ziehe oder hierauf verzichte76. Auch diesen Feststellungen ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie zeigen, dass gerade in betriebsmittelarmen Betrieben oder Betriebsteilen die Anwendbarkeit von § 613 a BGB durch den Erwerber durch die Zahl und den Inhalt etwaiger Beschäftigungsangebote an die Arbeitnehmer des bisherigen Betriebsinhabers gesteuert werden kann. Darin liegt keine Umgehung, sondern eine Strategie zur Vermeidung der aus § 613 a BGB resultierenden Folgen.

f)

Fazit

Die Ausführungen des BAG in den letzten Jahren zeigen in klarer Weise, inwieweit auch die praktische Ausgestaltung potenzieller Übertragungsvorgänge die Anwendbarkeit von § 613 a BGB vermeiden oder herbeiführen kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine betriebsmittelintensive oder eine betriebsmittelarme Tätigkeit in Rede steht. Die Systematik ist gleich. Dies zeigen sowohl die Entscheidung im Zusammenhang mit der Neuvergabe eines Bewachungsauftrags als auch mit der Fremdvergabe im ITDienstleistungsbereich. Wichtig ist allerdings, die Gestaltungsmöglichkeiten frühzeitig zu analysieren, damit der Übertragungsvorgang entsprechend angepasst werden kann. (Ga/Str)

5.

Wechsel zu einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft „zur Vermeidung von § 613 a BGB“?

Bereits in der Vergangenheit haben wir uns mehrfach mit der Frage befasst, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, die Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Zusammenhang mit der sanierenden Übertragung eines Betriebs- oder Betriebsteils zu vermeiden. Im Wesentlichen ging es dabei um die Frage, ob durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen und 76 BAG v. 15.12.2011 - 8 AZR 197/11, AP BGB § 613 a Nr. 423 Rz. 56 f.; BAG v. 13.11.1997 - 8 AZR 295/95, NZA 1998, 251 Rz. 17 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

den anschließenden Wechsel in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft ein Anspruch der hiervon betroffenen Arbeitnehmer verhindert werden könne, im Rahmen von § 613 a BGB zu einem anderen Rechtsträger zu wechseln, durch den der Betrieb oder Betriebsteil fortgeführt wird77. Mit eben dieser Frage hat sich der 8. Senat des BAG erneut in mehreren Urteilen vom 25.10.201278 befasst. In beiden Entscheidungen stand die Wirksamkeit einer Vereinbarung in Rede, durch die der Arbeitnehmer vom Betriebsveräußerer zu einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln sollte, es allerdings schon zu diesem Zeitpunkt für den Arbeitnehmer klar erschien, dass alsbald seine Neueinstellung durch einen Betriebserwerber erfolgen würde. In dem zugrunde liegenden Fall war am 1.4.2007 über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter führte den Betrieb mit insgesamt etwas mehr als 1.600 Arbeitnehmern zunächst einmal fort. Am 12.3.2008 schloss die Beklagte mit dem Arbeitgeberverband der Metallund Elektroindustrie NRW sowie der IG Metall NRW einen Betriebs- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BTV). In diesem hieß es auszugsweise wie folgt: Vorbemerkung: Die Gesellschaft beabsichtigt, Vermögensgegenstände (Assets) der sich in der Insolvenz befindlichen I Innomotive GmbH (nachfolgend „I Innomotiv“) sowie der A I Industries GmbH (nachfolgend „I Industries“) zu erwerben. (…) Der Zeitpunkt des Erwerbs der Vermögensgegenstände (Vollzugszeitpunkt) wird im Rahmen dieses Tarifvertrags als „Zeitpunkt des Erwerbs“ bezeichnet; dieser steht zum Zeitpunkt des Abschluss dieses Tarifvertrags noch nicht definitiv fest. Die Gesellschaft wird die IG Metall über den Zeitpunkt des Erwerbs unverzüglich schriftlich (Telefax genügt) informieren.

§ 3 BTV regelte, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Erwerbs der beiden Betriebe des Insolvenzschuldners insgesamt 1.132 Arbeitnehmer unbefristet und 400 Arbeitnehmer befristet (einschließlich der Auszubildenden) beschäftigen sollte. Am 21.3.2008 schloss der Insolvenzverwalter mit der Beklagten einen Kaufvertrag über die Betriebsmittel der Insolvenzschuldnerin. Dieser stand 77 B. Gaul, AktuellAR 2005, 570 ff.; 2011, 576 ff. 78 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203 ff. und 8 AZR 572/11 n. v.

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Wechsel zu einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft

unter dem Vorbehalt, dass nahezu 100 Prozent der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin dem Insolvenzverwalter ein unwiderrufliches Angebot auf Abschluss eines dreiseitigen Vertrags zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit der Insolvenzschuldnerin und zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft unterbreiteten. Am 28.4.2008 schloss der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat und der IG Metall eine zugleich als Interessenausgleich im Tarifvertrag abgeschlossene Betriebsvereinbarung (BV Auffangstrukturen), die auszugsweise wie folgt lautete: § 3 Interessenausgleich und Sozialplan (1) [Gegenstand und Durchführung der Betriebsänderung] Aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Betriebes ist eine Fortführung im Rahmen des Insolvenzverfahrens auf Grund der weiterhin entstehenden Verluste, die zu einer Masseschmälerung führen würde, nicht möglich. Eine Übertragung des Betriebs auf einen Betriebserwerber ist deshalb zwingend notwendig, ansonsten muss der Betrieb vom Insolvenzverwalter abgewickelt und zum nächst möglichen Zeitpunkt stillgelegt werden. … Zur Vermeidung der Betriebsstilllegung ohne übertragende Sanierung ist daher geplant, die Betriebsmittel der I Innomotive zum 01.6.2008 an einen Dritten zu übertragen. Der Dritte (die N Beteiligungsgesellschaft mbH …) hat jedoch die vorherige Beendigung der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten verbunden mit dem Übertritt in eine Transfergesellschaft zur Bedingung der Übernahme der Betriebsmittel gemacht, weil eine Fortführung des Betriebes mit der gesamten Belegschaft und auch der Eintritt in alle Arbeitsverhältnisse nach § 613 a BGB aus seiner Sicht nicht möglich ist. ... Die Arbeitsverhältnisse aller vom Geltungsbereich dieser Vereinbarung erfassten Beschäftigten sollen daher zum Ablauf des 31.5.2008 durch Aufhebungsverträge im Rahmen von so genannten 3-seitigen Verträgen beendet werden, um eine übertragende Sanierung nach dem Sanierungsmodell wie es letztlich den Entscheidungen des BAG79 zu Grunde liegt, zu ermöglichen. (...) (3) [Zustandekommen des 3-seitigen Vertrags] Zu diesem Zweck verpflichtet sich der Arbeitgeber, allen in der Anlage 2 genannten Beschäftigten den individuell angepassten - in der Musterfassung - als Anlage 3 beigefügten 3seitigen Vertrag auszuhändigen, sofern und soweit diese in der Transfergesellschaft eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzen. Der be-

79 BAG v. 23.11.2006 - 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866 ff.; BAG v. 10.12.1998 - 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang troffene Beschäftigte hat nach Übergabe des hinsichtlich der offenen Punkte auf ihn angepassten 3-seitigen Vertrags (3 Ausfertigungen) bis zum 14.5.2008, 16 Uhr (Überlegungsfrist) die Möglichkeit, diesen Vertrag zu unterzeichnen und dem Arbeitgeber zu übergeben. Nachfolgend wird der Arbeitgeber die von den Beschäftigten durch Unterzeichnung der 3-seitigen Verträge abgegebenen Angebote annehmen. Die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber und das befristete Arbeitsverhältnis zwischen dem Beschäftigten und der M kommt zu den genannten Terminen zustande, wenn die M durch Unterzeichnung der jeweiligen 3-seitigen Verträge die Angebote ebenfalls annimmt. Die Beschäftigten verzichten auf den Zugang der Annahme des Angebots durch m. Die Annahme der Angebote der Beschäftigten kann auf Grund des Verfahrens bis zum Ablauf des 31.5.2008 dauern; bis dahin sind die Beschäftigten an ihre Angebote gebunden. … (4) [Arbeitsverhältnis mit der M] Das Arbeitsverhältnis zwischen den Beschäftigten und der M ist befristet. Die Beschäftigten gemäß Anlage 2 haben einen Anspruch auf eine Verweildauer von 12 Monaten in der Transfergesellschaft ab dem Eintrittsdatum 1.6.2008.“

Im Rahmen einer Betriebsversammlung am 3.5.2008 erklärte der Insolvenzverwalter in einer Präsentation u. a.: f. Risikogeschäft Der Abschluss des 3-seitigen Vertrages stellt für Sie ein Risikogeschäft dar: Sie heben Ihr Arbeitsverhältnis mit I Innomotive auf, ungewiss ist aber, ob der Erwerber mit Ihnen einen neuen Arbeitsvertrag abschließen wird. Schließt der Erwerber mit Ihnen keinen neuen Arbeitsvertrag ab, wird ab dem 1.6.2008 das auf 12 Monate befristete Arbeitsverhältnis mit der M durchgeführt.“

Alle Arbeitnehmer erhielten sodann einen vorformulierten dreiseitigen Vertrag vorgelegt. Wesentlicher Inhalt dieses Vertrags war die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Insolvenzschuldnerin zum 31.5.2008, 24:00 Uhr, und die Begründung eines neuen sachgrundlos auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Beschäftigungs-und Qualifizierungsgesellschaft (nachfolgend: BQG) zum 1.6.2008, 0:00 Uhr. Bei vier weiteren von der Beklagten vorformulierten und den Arbeitnehmern ausgehändigten Vertragsdokumenten, welche diese unterzeichnen sollten, handelte es sich um einen unbefristeten und drei befristete Arbeitsverträge mit unterschiedlicher Länge (12, 20, 32 Monate) mit der Beklagten, die jeweils am 1.6.2008 um 0:30 Uhr beginnen sollten. Die Vertragsentwürfe waren von der Beklagten noch

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Wechsel zu einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft

nicht unterzeichnet. Der Kläger unterschrieb in der Folgezeit den dreiseitigen Vertrag. Die Gegenzeichnung durch die Insolvenzschuldnerin und die BQG erfolgte am 20.5.2008. Die übrigen vier vorbereiteten schriftlichen Vertragsentwürfe unterzeichnete der Kläger erst am 9.5.2008. Am 30.5.2008 unterzeichnete die Beklagte den von ihr vorformulierten Vertrag, der auf 20 Monate bis zum 31.1.2010 befristet war. In diesem Vertrag hieß es u. a.: Vorbemerkung Der Mitarbeiter bietet der Gesellschaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags zu den nachfolgend aufgeführten Arbeitsvertragsbedingungen an. Er ist an dieses Angebot bis einschließlich 1. Juni 2008 unwiderruflich gebunden. §1 Vertragsdauer, Befristung 1.1 Der Mitarbeiter wird mit Wirkung zum 1. Juni 2008, 0:30 Uhr, eingestellt. 1.2 Der Arbeitsvertrag ist gemäß § 14 Abs. 2 a TzBfG befristet und endet am 31. Januar 2010, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten ergänzend die Regelungen des § 13 dieses Arbeitsvertrages.

Die Beklagte übernahm entsprechend den Vorgaben des BTV etwa 1.500 Arbeitnehmer, von denen 400 Arbeitnehmer auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge beschäftigt wurden. Nach Übernahme der Betriebsmittel führte die Beklagte die Produktion mit den übernommenen Arbeitnehmern in den bisherigen Betriebsstätten unverändert ab dem 1.6.2008 fort. Mit seiner Klage machte der Kläger nunmehr geltend, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses unwirksam sei. Denn als Konsequenz der Unwirksamkeit des mit der Insolvenzschuldnerin vereinbarten Aufhebungsvertrags sei sein Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen. Mit Blick auf die darin liegende Vorbeschäftigung sei eine sachgrundlose Befristung ausgeschlossen. Anhaltspunkte für eine Befristung aus sachlichen Gründen hatte die Beklagte ohnehin nicht geltend gemacht. Mit überzeugender Begründung hat der 8. Senat des BAG das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten bestätigt. Grundsätzlich gewähre § 613 a BGB keinen Schutz vor der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein sachlicher Grund ist hierfür

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

nicht erforderlich. Aufgrund der Vertragsfreiheit könnten die Vertragsparteien auch im Rahmen des § 613 a BGB die Kontinuität des Arbeitsvertrags beenden. Schließlich habe der Arbeitnehmer auch das Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Voraussetzung für die Wirksamkeit eines solchen Aufhebungsvertrags und des damit zusammenhängenden Abschlusses eines Arbeitsvertrags mit einer BQG sei allerdings, dass die Vereinbarung auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet sei. Hiervon abweichend werde § 613 a BGB jedoch umgangen, wenn der Aufhebungsvertrag die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezwecke, weil zugleich ein neues Arbeitsverhältnis vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt werde80. Von einer solchen Umgehung geht das BAG auch dann aus, wenn der Arbeitnehmer die Umgehung von § 613 a BGB damit begründe, es sei zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen worden, jedoch nach den gesamten Umständen klar gewesen, dass er vom Betriebserwerber eingestellt würde. Diese Umstände habe der Arbeitnehmer allerdings darzulegen und ggf. zu beweisen. Gelinge dies, muss nach den Feststellungen des BAG davon ausgegangen werden, dass die objektive Zwecksetzung des Aufhebungsvertrags in der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes liege. Dies trage dann auch der Drucksituation Rechnung, in der sich der Arbeitnehmer bei entsprechenden Vertragsgestaltungen befinde81. Fehle es hingegen an dem gleichzeitigen Abschluss oder dem in Aussichtstellen eines neuen Arbeitsvertrags, so stelle sich der Aufhebungsvertrag für den Arbeitnehmer als ein - im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässiges – Risikogeschäft dar, weil nicht klar sei, ob der Betriebserwerber den Arbeitnehmer übernehmen werde82. Hiervon ausgehend musste vorliegend von einem Umgehungsgeschäft ausgegangen werden. Denn der Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt war, ist zum 1.6.2008 im Wege des Betriebsübergangs von der Beklagten übernommen worden. Da die Befristung des Arbeitsverhältnisses erst im Anschluss daran – nämlich 30 Minuten später – vereinbart wurde, konnte § 14 Abs. 2

80 BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203 Rz. 35; BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152 Rz. 32. 81 BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203 Rz. 35; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145 Rz. 37 ff. 82 BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203 Rz. 35; BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422 Rz. 73.

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Wechsel zu einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft

S. 2 TzBfG ebenso wie § 14 Abs. 2 a TzBfG die Befristung nicht mehr rechtfertigen. Als der Kläger die dreiseitige Vereinbarung abschloss, durfte er aufgrund der gesamten Umstände auch annehmen, dass er von der Beklagten als Betriebserwerberin eingestellt werde. Entscheidend ist für das BAG insoweit, dass ihm auf der Betriebsversammlung vom 3.5.2008 der vorformulierte dreiseitige Vertrag vorgelegt wurde. Gleichzeitig wurden ihm mit der Bitte um Unterzeichnung vier von der Beklagten vorformulierte Verträge ausgehändigt, die eine unbefristete bzw. – mit unterschiedlicher Dauer – befristete Beschäftigung vorsahen. In der Vorbemerkung zu diesen Arbeitsverträgen hieß es: Der Mitarbeiter bietet der Gesellschaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags zu den nachfolgend aufgeführten Arbeitsvertragsbedingungen an. Er ist an dieses Angebot bis einschließlich 1.6.2008 unwiderruflich gebunden.

Hinzu kam, dass sich der Betriebserwerber zu diesem Zeitpunkt bereits tarifvertraglich verpflichtet hatte, die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer des Betriebsveräußerers zu übernehmen. Dies sollte jedenfalls dann gelten, wenn er durch Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter auch die für eine Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit maßgeblichen Betriebsmittel erwerben sollte. Damit durfte der Kläger – so das BAG – annehmen, dass er zu denjenigen Arbeitnehmern gehörte, die vom Betriebserwerber übernommen werden sollen, und dass es nur noch in dessen Ermessen stehe, zu welchen Bedingungen hinsichtlich der Dauer des neu zu begründenden Arbeitsverhältnisses diese Übernahme erfolgen sollte83. Dass die Betriebsübernahme nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgt war, stand der Anwendung von § 613 a BGB nicht entgegen. Denn der deutsche Gesetzgeber hat von der ihm durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 Richtlinie 2001/23/EG eingeräumten Möglichkeit, für die Insolvenz von der Richtlinie abweichende Regelungen zu treffen, keinen Gebrauch gemacht84. Dass die hier in Rede stehende Vorgehensweise einer zum Teil nur befristeten Übernahme von Arbeitnehmern bereits im BTV vorgesehen war, konnte ebenfalls eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen. Denn ein sachlicher Grund, wie er beispielsweise in einem nur vorübergehenden Beschäftigungsbedarf im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG liegen kann, hatte die Beklagte nicht dargetan. Der allgemeine Hinweis, die Befristungsregelung sei Teil der Übernahme des Betriebs der Insolvenzschuldnerin 83 BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203 Rz. 37 ff. 84 BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203 Rz. 43 f.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

aus der Insolvenz, war für den 8. Senat des BAG nicht ausreichend. Daran ändere sich – so das BAG – auch nichts durch den Umstand, dass auch die Gewerkschaft dies mit dem BTV zulassen wollte. Denn von den gesetzlichen Vorgaben zur Befristung eines Arbeitsverhältnisses aus sachlichem Grund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) dürfe nämlich zu Ungunsten des Arbeitnehmers auch nicht durch einen Tarifvertrag abgewichen werden (§ 22 TzBfG). Der Entscheidung des BAG ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie zeigt noch einmal, dass eine Anwendbarkeit von § 613 a BGB nur dann vermieden werden kann, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags eine tatsächliche (echte) Ungewissheit hinsichtlich einer etwaigen Fortführung des Betriebs und der damit verbundenen Übernahme von Arbeitnehmern durch einen etwaigen Betriebserwerber besteht. Wenn schon zu diesem Zeitpunkt Gewissheit über die Übernahme von Betriebsmitteln und die damit verbundene Fortführung des Betriebs gegeben ist, insbesondere auch Vereinbarungen zur Übernahme von Arbeitnehmern getroffen werden, offenbart sich der eigentliche Zweck des vorübergehenden Wechsels in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Denn in diesen Fällen dient der Wechsel in die Transfergesellschaft keiner Vermittlung solcher Arbeitnehmer in ein Anschlussarbeitsverhältnis, was durch strukturelle Kurzarbeit gefördert würde. Vielmehr soll dieser Wechsel nur die durch § 613 a BGB vorgegebene Kontinuität des Arbeitsverhältnisses unterbrechen, damit der Betriebserwerber zu veränderten Arbeitsbedingungen starten kann. (Ga)

6.

Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bei Einzelrechtsnachfolge und Umwandlung?

a)

Ausgangssituation

Gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB tritt der übernehmende Rechtsträger in die beim übertragenden Rechtsträger bestehenden Arbeitsverhältnisse ein, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil übergeht. Eine Regelung, wann genau von dem Übergang auszugehen ist, enthält § 613 a BGB nicht. Nur für den Übergang von Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gibt es gesetzliche Regelungen, die den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Übertragung bestimmen. Beispielhaft sei hier nur auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG hingewiesen. Auch Art. 2 Richtlinie 2001/23/EG enthält keine weitergehenden Feststellungen. Vielmehr folgt daraus nur, dass die zum Zeitpunkt des Übergangs eines Unternehmens, Betriebs oder Betriebsteils beim übertragenden Rechtsträger bestehenden Arbeitsverhältnisse ipso iure allein aufgrund des

266

Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bei Einzelrechtsnachfolge

Übergangs auf den anderen Rechtsträger übergehen. Dies gilt selbst dann, wenn die Beteiligten Rechtsträger eine andere Ansicht vertreten und/oder sich der übernehmende Rechtsträger weigert, seine diesbezüglichen Verpflichtungen zu erfüllen85. Folgerichtig geht der EuGH schon im Urteil vom 14.11.199686 davon aus, dass der Übergang der Arbeitsverhältnisse notwendigerweise zum Zeitpunkt des Übergangs des Unternehmens, Betriebs oder Betriebsteils erfolgt und nicht nach Gutdünken des Veräußerers oder des Erwerbers auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden kann. Damit wird zwar der Gestaltungsspielraum eingeengt. Da allerdings der Eintritt der in §§ 613 a Abs. 1 BGB, 324 UmwG genannten Rechtsfolgen, die Haftung aus § 613 a Abs. 2 BGB oder die Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechts an den Übergang anknüpfen, muss sein Zeitpunkt in der Betriebspraxis genau festgelegt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn bei Übertragungsvorgängen im Rahmen der Insolvenz besondere Vorgaben zur Haftung für bereits entstandene Ansprüche zum Tragen kommen.

b)

Übergang durch Übernahme von Betriebsmitteln

aa)

Einheitliche Übernahme von Betriebsmitteln

Für die Übertragung eines Betriebs oder Betriebsteils, der durch die Übernahme wesentlicher Betriebsmittel im Wege der Einzelrechtsnachfolge bewirkt wird, ist der Zeitpunkt maßgeblich, an dem der potentielle Erwerber tatsächlich die Leitungsmacht über den Betrieb oder Betriebsteil übernimmt. Dies ist dann der Fall, wenn er die wesentlichen Fragen, die personelle und soziale Angelegenheiten i. S. d. §§ 87, 92, 99, 102 BetrVG betreffen, eigenständig regeln kann und von dieser Berechtigung auch tatsächlich Gebrauch macht oder die Möglichkeit zur tatsächlichen Übernahme der Leitungsmacht hat, sofern er die Betriebsmittel auch in der Absicht erworben hat, die betriebliche Tätigkeit jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt auch tatsächlich aufzunehmen. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des BAG im Urteil vom 18.3.199987 liegt ein Betriebsübergang damit nicht schon dann vor, wenn der potentielle Erwerber in der Lage ist, mit Hilfe der übertragenen Betriebsmittel den bisherigen Betriebszweck fortzusetzen. Abweichend von der früher 85 C-305/94, DB 1996, 2546 f. - Claude Rotsart de Hertaing. 86 C-305/94, DB 1996, 2546 f. - Claude Rotsart de Hertaing. 87 8 AZR 196/98, NZA 1999, 869 Rz. 17 ff.; BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 803/06, NZA 2007, 1428 Rz. 21 ff.

267

Betriebsänderung und Betriebsübergang

in Rechtsprechung88 und Literatur89 ganz überwiegend vertretenen Ansicht ist es damit für den Betriebsinhaberwechsel in der Regel erforderlich, dass der andere Rechtsträger aufgrund eigener Verantwortung die tatsächliche Betriebstätigkeit im eigenen Namen wieder aufgenommen bzw. fortgeführt hat, er also den Betrieb oder Betriebsteil tatsächlich führt90. Selbstverständlich ist deshalb auch ein Entschluss des potentiellen Erwerbers erforderlich, selbst die Leitungsmacht über den Betrieb oder Betriebsteil eines anderen Rechtsträgers zu übernehmen91. Eine tatsächliche Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit ist nach Übernahme der Organisations- und Leitungsmacht nur dann nicht erforderlich, wenn die Unterbrechung nach dem Willen des übernehmenden Rechtsträgers nur vorübergehenden Charakter hat, er im Anschluss daran aber die gleiche oder gleichartige Tätigkeit fortsetzen will. In diesem Fall wird das Ruhen der betrieblichen Tätigkeit auf seine Veranlassung hin aufrechterhalten. Wie das Beispiel Kurzarbeit zeigt, kann auch darin die tatsächliche Ausübung von Leitungsmacht liegen. In allen Fallgestaltungen ist es unerheblich, ob überhaupt und wenn, zu welchem Zeitpunkt der übernehmende Rechtsträger über die Übernahme der Nutzungsmöglichkeit hinaus auch Eigentum an den Betriebsmitteln erwirbt92. Unerheblich ist auch, zu welchem Zeitpunkt die dem Übergang der Leitungsmacht zugrunde liegenden Vereinbarungen abgeschlossen wurden93. bb)

Schrittweise Übernahme von Betriebsmitteln

Für die Anwendbarkeit von § 613 a BGB im Bereich der Einzelrechtsnachfolge kommt es zunächst nicht darauf an, ob dem übernehmenden Rechtsträger anstelle des Eigentums an Betriebsmitteln zunächst einmal nur Nutzungsrechte überlassen werden. Schon die Berechtigung, Betriebsmittel zur Fortsetzung der Betriebstätigkeit nutzen zu können, stellt eine Übertragung von Betriebsmitteln dar, die bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen ist. Denkbar ist nun, dass die Nutzungsbefugnis hinsichtlich der einen Be-

88 So noch BAG v. 16.2.1993 – 3 AZR 347/92, NZA 199, 643 f. 89 Vgl. v. Hoyningen-Huene/Windbichler, RdA 1977, 329 ff., Schmalenberg, NZA 1989, 14 ff.; Bachner, AiB 1996, 291 ff. 90 BAG v. 14.8.2007, NZA 2007, 1428 Rz. 18. 91 Abw. noch BAG v. 23.7.1991 – 3 AZR 366/90, NZA 1992, 217 f. 92 Vgl. EuGH v. 10.2.1988 – 324/86 n. v. – Daddy’s Dance Hall; Joost, Betrieb und Unternehmen S. 393. 93 Vgl. BAG v.3.7.1986, AP BGB § 613 a Nr. 53 Bl. 7 f.; LAG Köln v. 2.2.1995 – 10 Sa 1071/94 n. v.

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Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bei Einzelrechtsnachfolge

trieb oder Betriebsteil kennzeichnenden Betriebsmittel nur schrittweise übertragen wird. Um in solchen Fallgestaltungen über die Frage einer Anwendbarkeit von § 613 a BGB entscheiden zu können, muss eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden. Danach liegt ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang vor, wenn der übernehmende Rechtsträger durch die schrittweise Übertragung materieller und/oder immaterieller Betriebsmittel in die Lage versetzt wird, die bisherige Tätigkeit des Betriebs oder Betriebsteils fortzusetzen und eine solche Fortsetzung auch tatsächlich erfolgt94. Abweichend von den Feststellungen des BAG im Urteil vom 16.2.199395, ist es noch nicht ausreichend, dass die wesentlichen, zur Fortführung des Betriebs erforderlichen Betriebsmittel übergegangen sind und die Entscheidung über den Betriebsübergang nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Entsprechend den Überlegungen zur Notwendigkeit einer tatsächlichen Fortsetzung der gleichen oder gleichartigen Betriebstätigkeit, ist die Berechtigung zur Fortsetzung nicht ausreichend. Es muss von dieser Berechtigung auch Gebrauch gemacht werden bzw. die Absicht bestehen, von der bereits bestehenden Befugnis zu einem späteren Zeitpunkt Gebrauch zu machen. Wenn erst mehrere Betriebsmittel auf diese Weise zur Nutzung überlassen werden müssen, um die Fortsetzung der gleichen oder gleichartigen Tätigkeit zu ermöglichen, kommt auch erst dann § 613 a BGB zur Anwendung. Unerheblich ist dann aber, dass auch im Anschluss daran noch weitere – insoweit unwesentliche Betriebsmittel – übertragen werden.

c)

Übergang durch Einstellung von Personal und Fortsetzung der Betriebstätigkeit

Die Grundsätze zur Übernahme von Betriebsmitteln sind, soweit es um die Kennzeichnung des Zeitpunkts der Übertragung geht, auch auf solche Fallgestaltungen zu übertragen, in denen die Anwendbarkeit von § 613 a BGB durch die Einstellung des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals des bisherigen Betriebsinhabers ausgelöst wird. Auch hier kommt es nicht darauf an, wann die entsprechenden Arbeitsverträge, im Ausnahmefall auch

94 BAG v. 10.6.1988 – 2 AZR 801/87, AP BGB § 613 a Nr. 82 Bl. 4, bei dem die tatsächlichen Voraussetzungen für einen solchen Übergang indes nicht ausreichend vorgetragen waren; Kreitner, Kündigungsrechtliche Probleme S. 188 f. 95 3 AZR 347/92, NJW 1993, 2259 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

Dienstverträge oder Freie-Mitarbeiter-Verträge, abgeschlossen werden96. Entscheidend ist, wann die betroffenen Mitarbeiter tatsächlich ihre Arbeit für den übernehmenden Rechtsträger aufnehmen und insoweit die gleiche oder gleichartige Tätigkeit fortsetzen97. Bei einer Einstellung als Arbeitnehmer wird man insoweit an die Kriterien anknüpfen können, die für die Kennzeichnung einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung nach § 99 BetrVG entwickelt wurden. Schließlich kann auch erst dann von der tatsächlichen Übernahme der Leitungsmacht durch den neuen Rechtsträger ausgegangen werden, wenn dieser die Beschäftigung der bislang beim übertragenden Rechtsträger eingesetzten Mitarbeiter steuern kann. Ein tatsächlicher Einsatz der übernommenen Mitarbeiter ist nur dann nicht erforderlich, wenn der neue Arbeitgeber in Kenntnis der Möglichkeit zur Fortsetzung der Betriebstätigkeit aufgrund eigener Leitungsmacht vorübergehend eine Arbeitsunterbrechung bewirkt. Für die Annahme eines Betriebsübergangs durch die schrittweise Übernahme von Personal kommt es - noch viel stärker als bei der Übernahme von Betriebsmitteln - darauf an, dass die organisatorische Einheit, die Gegenstand eines Übertragungsvorgangs nach § 613 a BGB sein soll, in abgrenzbarer Weise bis zum Übergang fortbestanden hat. Wenn die schrittweise Übernahme von Personal dazu führt, dass die beteiligten Unternehmen vorübergehend zwei eigenständige Organisationseinheiten betreiben, kann dies einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang entgegenstehen. Denn wenn der Betrieb oder Betriebsteil trotz des Weggangs eines Teils des Personals beim bisherigen Inhaber fortbesteht, ist es ausgeschlossen, dass diese Einheit unter Wahrung ihrer (wirtschaftlichen) Identität zugleich beim potentiellen Erwerber besteht. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der potentielle Erwerber eine neue eigenständige Organisationseinheit aufbaut. Selbst wenn ihm dabei besondere Kenntnisse und Fähigkeiten der übernommenen Arbeitnehmer zu Gute kommen, schließt dies eine Anwendbarkeit von § 613 a BGB aus.

d)

Übergang bei Umwandlungen

Erfolgt die Übertragung z. B. im Wege der Spaltung nach § 123 UmwG, kommt es grundsätzlich darauf an, wann die Spaltung in das Register des 96 Missverständlich insoweit, als das BAG v. 28.4.1987 – 3 AZR 75/85, NZA 1988, 198, 199 noch auf die tatsächliche Übernahme der Betriebsmittel und den Abschluss neuer Arbeitsverträge mit den betroffenen Arbeitnehmern abgestellt hat. 97 Ebenso Peters/Thüsing, Anm. zu BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, EzA § 613 a BGB Nr. 154, 9.

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Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bei Einzelrechtsnachfolge

übertragenden Rechtsträgers eingetragen und damit wirksam geworden ist (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Der Spaltungsstichtag, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des/der übernehmenden Rechtsträger(s) vorgenommen gelten, ist für die arbeitsrechtlichen Folgen ohne Bedeutung98. Entsprechendes gilt für den Fall einer Verschmelzung nach § 2 UmwG. Schon mit seinem Urteil vom 25.5.200099 hat der 8. Senat des BAG insoweit zutreffend festgestellt, dass die Umwandlung nicht der gegenüber dem Betriebsübergang speziellere Tatbestand ist. Vielmehr müssen die Voraussetzungen des § 613 a BGB auch im Zusammenhang mit einer Umwandlung selbständig geprüft werden. So kann ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang gemäß § 613 a BGB auch schon vor dem Eintritt der Wirkung einer Umwandlung in Betracht kommen. Voraussetzung hierfür ist, dass der übernehmende Rechtsträger auf der Grundlage einer Vereinbarung, gegebenenfalls auch im Spaltungs- und Verschmelzungsvertrag, schon vor dem Wirksamwerden der Umwandlung die tatsächliche Leitungsmacht über den Betrieb oder Betriebsteil übernimmt, der anschließend im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen werden soll. Wie die vorstehend genannte Entscheidung des BAG noch einmal bestätigt, ist es nicht nur denkbar, dass eine solche Übertragung durch die vorherige Nutzungsüberlassung hinsichtlich der Betriebsmittel erfolgt. So war in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall zwischen den beteiligten Rechtsträgern vereinbart worden, dass der übertragende Rechtsträger dem übernehmenden Rechtsträger (dort: Vor-GmbH) zu einem vor dem Wirksamwerden einer Ausgliederung nach § 168 UmwG liegenden Stichtag das gesamte bewegliche und unbewegliche Aktiv- und Passivvermögen zum Betrieb im eigenen Namen überlassen hatte. Insoweit war ergänzend vereinbart worden: Der Landkreis überlässt den Betrieb, wie er steht und liegt mit allen dazugehörigen Verträgen, Konzessionen, Erfahrungen, Verbindlichkeiten usw. Zum Stichtag gehen die tatsächliche Sachherrschaft und die Verkehrssicherungspflicht über. Die GmbH tritt mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1.1.1998 - wenn es möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, auch mit rechtlicher Wirkung zum genannten Zeitpunkt - in alle laufenden Verträge einschließlich Vertragsangebote des Landkreises H bzw. des Kreiskrankenhauses C ein. Ein Nutzungsentgelt wird nicht vereinbart. 98 So bereits Ising/Thiell, DB 1991, 2082, 2085. 99 8 AZR 416/99, NZA 2000, 1115 Rz. 63 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

Parallel dazu war im Rahmen eines sogenannten Personalüberleitungsvertrags bestimmt worden, dass der übernehmende Rechtsträger zum 1.1.1998 in die Arbeitsverhältnisse der in der übertragenden Einheit beschäftigten Arbeitnehmer eintreten sollte. Im Hinblick darauf war detailliert festgelegt worden, welche individual- und kollektivrechtlichen Bedingungen mit diesem Eintritt in die Arbeitsverhältnisse verbunden werden sollten. Berücksichtigt man die letztgenannte Regelung zur Personalüberleitung, ist es ebenso denkbar, dass im Zusammenhang mit einer Umwandlung der Übergang der Arbeitsverhältnisse bereits dadurch gemäß § 613 a BGB bewirkt wird, dass die nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Mitarbeiter, die der übertragende Rechtsträger bislang in dem vom Übergang betroffenen Betrieb oder Betriebsteil beschäftigt hat, schon vor der Eintragung der Umwandlung durch das Registergericht von dem übernehmenden Rechtsträger eingestellt werden und mit dem gleichen oder gleichartigen Betriebszweck weiter beschäftigt werden. Fehlt es allerdings an einer parallel dazu vorgenommenen Übertragung wesentlicher Betriebsmittel, kann der Übergang der Arbeitsverhältnisse auf der Grundlage eines solchen „Personalüberleitungsvertrags“ nicht rückwirkend vorgenommen werden. Denn in diesem Fall bewirkt erst die Einstellung selbst, dass für die übernommenen Arbeitnehmer der Inhaltsschutz des § 613 a BGB zum Tragen kommt. Darüber hinaus bewirkt erst die Einstellung selbst, dass auch die Arbeitnehmer, die zunächst einmal nicht übernommen werden sollten, als dem Betrieb oder Betriebsteil zugehörige Arbeitnehmer ebenfalls den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a BGB beanspruchen können. Folgerichtig geht der 8. Senat des BAG daher davon aus, dass auch im Zusammenhang mit einer Umwandlung, die häufig erst mit einer zeitlichen Verzögerung den Übergang des Vermögens bewirkt, die Voraussetzungen des § 613 a BGB selbständig geprüft werden müssen. Diese Überprüfung hatte in dem der Entscheidung vom 25.5.2000100 zugrunde liegenden Fall dazu geführt, dass die Arbeitsverhältnisse bereits zum 1.1.1998 übergingen, obwohl die Umwandlung selbst erst im September 1998 in das Handelsregister eingetragen wurde und damit wirksam geworden ist. Der Vorteil solcher Vereinbarungen für die betriebliche Praxis liegt vor allem darin, dass sie den übernehmenden Rechtsträger in die Lage versetzen, ohne Rücksicht auf den im Zweifel nicht vorhersehbaren Tag der Eintragung der Umwandlung durch das Registergericht, die Tätigkeit in den Einheiten, deren Übergang geplant ist, auf der Grundlage einer zeitlich genau gesteuer-

100 8 AZR 416/99, NZA 2000, 1115 Rz. 66.

272

Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bei Einzelrechtsnachfolge

ten Entscheidung der beteiligten Rechtsträger aufzunehmen. Dies ist mehr, als mit der bloßen Festlegung eines Spaltungs- oder Verschmelzungsstichtags verbunden ist. Denn in dieser Regelung liegt nur die Vereinbarung, dass die Fortführung des Betriebs oder Betriebsteils durch den übertragenden Rechtsträger, zu dem dann auch die Arbeitsverhältnisse zunächst einmal fortbestehen, vom Spaltungs- oder Verschmelzungsstichtag an bis zum Wirksamwerden der Umwandlung für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen wird. Nur wenn dem übernehmenden Rechtsträger zum Spaltungs- oder Verschmelzungsstichtag, der in diesem Fall - entgegen weitergehender gesellschafts- und steuerrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten - nur zukunftsgerichtet festgelegt werden kann, auch die tatsächliche Leitungsmacht über den Betrieb oder Betriebsteil eingeräumt wird, kann - entsprechend den Überlegungen zu einer Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge - schon zu diesem Zeitpunkt von einem Übergang der Arbeitsverhältnisse ausgegangen werden. Nur dann treten auch zu diesem Zeitpunkt bereits die arbeitsrechtlichen Folgen des § 613 a BGB ein. An dieser Bewertung wird man trotz der Feststellungen des BAG in seinem Urteil vom 5.9.2012101 festhalten müssen. In dieser Entscheidung hatte der 4. Senat darüber zu befinden, ob einer nicht gewerkschaftlich organisierten Klägerin ein Anspruch auf eine Sonderzahlung aus einem von mehreren in Betracht kommenden Tarifwerken für den öffentlichen Dienst in Verbindung mit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel zukam. Die Klägerin war seit 1993 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, einem städtischen, als Eigenbetrieb geführten, Krankenhaus angestellt, welches im Oktober 2005 nach § 168 UmwG aus dem Vermögen der Stadt ausgegliedert und zunächst auf eine „Städtische Krankenhaus W gGmbH i.G.“ übertragen wurde. Mitte November 2005 informierte diese ihre Beschäftigten über den Übergang ihres Arbeitsverhältnisse zum 28.10.2005. In einer von der Stadt als ehemaligem Träger des Krankenhauses und der Städtische Krankenhaus W gGmbH i. G. geschlossenen Personalüberleitungsvereinbarung wurde u. a. ausgeführt, dass der Übergang der Arbeitsverhältnisse der beim Eigenbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer erst mit Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister eintreten solle. Die Frage, ob eine und wenn ja, welche Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Forderung der Klägerin bestehe, hänge nun entscheidend davon ab, wann genau dieser Betriebsübergang (§ 613a BGB) nun stattgefunden habe und inwieweit die kraft der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bestehenden Rechte und Pflichten so Inhalt des Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten geworden seien.

101 4 AZR 749/10 n. v. (Rz. 22 f.).

273

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Bei der Beantwortung der Frage nach dem genauen Zeitpunkt des Überganges formuliert das BAG nicht ganz unmissverständlich wie folgt: Es kommt deshalb entscheidend darauf an, wann der Betriebsübergang i. S. d. § 613 a BGB […] tatsächlich erfolgte. Das ist derjenige Zeitpunkt, ab dem der neue Inhaber die betreffende Einheit unter Wahrung ihrer Identität weitergeführt hat […]. Dies ist anhand der tatsächlichen Verhältnisse festzustellen. So kommt es weder auf das Datum der Eintragung in das Handelsregister (hier: 17. Juli 2006) noch auf ein vereinbartes Datum – beispielsweise im PÜV – an. Auch der Zeitpunkt der Information nach § 613 a Abs. 5 BGB ist genauso wenig entscheidend wie das dem Arbeitnehmer mitgeteilte Datum102.

Unbefangen gelesen, kann hier der Eindruck entstehen, das BAG messe dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Umwandlung – in diesem Fall der Ausgliederung nach § 168 UmwG kommt der Eintragung beim Zielrechtsträger in das Handelsregister gemäß § 171 UmwG konstitutive Wirkung zu103 – keinerlei Bedeutung bei. Demzufolge stünden die Umwandlung und der Betriebsübergang in keinerlei kausalem oder zeitlichem Zusammenhang zueinander, sondern schlicht nebeneinander. Auch bei einer Umwandlung würde ein Übergang der Arbeitsverhältnisse also nur dann eintreten, wenn der übernehmende Rechtsträger im Anschluss an die Eintragung auch tatsächlich die Leitungsmacht über die wesentlichen Ressourcen (Arbeitnehmer und/oder Betriebsmittel) übernimmt. Ein solches Verständnis wäre indes falsch. Dagegen spricht zunächst schon die Formulierung des BAG selbst. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass auch der 4. Senat des BAG bei seinen Feststellungen im Auge hat, dass der Zeitpunkt des Betriebsüberganges derjenige Zeitpunkt sei, an dem der neue Inhaber die übertragene Einheit identitätswahrend weitergeführt hat. Um diesen Zeitpunkt zu ermitteln, sei auf die tatsächlichen Verhältnisse, d. h. die tatsächliche identitätswahrende Fortführung, abzustellen104. Schließlich stand vorliegend in Rede, ob der übernehmende Rechtsträger möglicherweise bereits vor der Eintragung die Steuerung über die wesentlichen Ressourcen übernommen und dadurch einen Betriebsübergang ausgelöst hatte. Vor diesem Hintergrund war die Ausführung zum Handelsregistereintrag zu verstehen. 102 4 AZR 749/10 n. v. (Rz. 23). 103 Vgl. Widmann/Mayer, UmwG § 171 Rz. 5. 104 Diese Aussage und nichts weiter wird durch die Rechtsprechungsbelege gestützt, die das BAG selbst anführt: BAG v. 10.5.2012 – 8 AZR 436/11 n. v. (Rz. 28 f.); EuGH v. 26.5.2005 – C-478/03, NZA 2005, 681 f. – Celtec.

274

Haftung von Betriebserwerber und Veräußerer trotz Ausschlussfrist

Damit bleibt es bei der bisherigen Bewertung: Der Zeitpunkt, an dem die Umwandlung ihre Wirksamkeit erlangt, bildet den spätest möglichen Zeitpunkt für den Übergang der Arbeitsverhältnisse auf den neuen Rechtsträger Für die Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG) und Aufspaltung (§§ 123 ff. UmwG) erscheint dies bereits deshalb zwingend, weil hier der übertragende Rechtsträger ohne weitere Rechtsakte erlischt (vgl. §§ 20 Abs. 1 Nr. 2, 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Ein erloschener Rechtsträger kann nicht mehr Partei eines wirksamen und damit übergangsfähigen Arbeitsverhältnisses sein. Für die übrigen Formen der Umwandlung folgt dies aus den Grundprinzipien der partiellen Gesamtrechtsnachfolge. Wenn ein früherer Übergang der Arbeitsverhältnisse nach § 613 a BGB bewirkt werden soll, müssen außerhalb der umwandlungsrechtlichen Übertragung eine (frühere) rechtsgeschäftliche Übernahme der wesentlichen Ressourcen und ihre Fortführung durch den übernehmenden Rechtsträger vereinbart werden. (Ga/Kr)

7.

Haftung von Betriebserwerber und Veräußerer trotz Ausschlussfrist

Gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB tritt der Erwerber in die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Betriebsveräußerer ein. Die daraus folgende Haftung ist nicht begrenzt. Dies gilt – wie das BAG im Urteil vom 22.8.2012105 deutlich gemacht hat – jedenfalls dann, wenn die Übernahme vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgt ist106. Parallel dazu haftet der bisherige Inhaber gemäß § 613 a Abs. 2 BGB für Verpflichtungen nach § 613 a Abs. 1 BGB, soweit diese vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht (§ 613 Abs. 2 BGB). Ob und inwieweit Betriebsveräußerer oder -erwerber im Rahmen ihrer gesamtschuldnerischen Haftung Einwendungen gegen etwaige Ansprüche eines vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmers geltend machen können, ist für jeden der beiden Schuldner gesondert zu beurteilen. Dies hat der 5. Senat des BAG in dem vorstehend genannten Urteil noch einmal aufgezeigt. 105 5 AZR 526/11, NZA 2013, 86 Rz. 12. 106 Ebenso BAG v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, NZA 2003. 318 ff.

275

Betriebsänderung und Betriebsübergang

In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Inhaber eines Pizza-Bringdienstes elf Arbeitnehmern für die Zeit vom 1.3.2009 bis zum 14.4.2009 die Vergütung schuldig geblieben. Nachdem am 18.6.2009 über das Vermögen des Pizza-Bringdienstes das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, erteilte der Insolvenzverwalter der Klägerin Insolvenzgeldbescheinigungen, aus denen sich das in dieser Zeit nicht ausgezahlte Nettoentgelt ergab. Die Bundesagentur für Arbeit zahlte der Klägerin daraufhin für die Zeit vom 1.3.2009 bis 14.4.2009 Insolvenzgeld, dessen Erstattung nunmehr von der Beklagten verlangt wurde. Denn die Beklagte hatte den Betrieb vom 15.4.2009 bis zum 1.9.2009 weitergeführt. Die Beklagte verweigerte die Zahlung zunächst mit der Begründung, dass § 613 a BGB keine Anwendung fände. Nachdem das Vorliegen eines Betriebsübergangs im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung allerdings unstreitig geworden war, machte sie geltend, dass die Bundesagentur für Arbeit bei der Geltendmachung ihrer Forderung die im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussfrist von drei Monaten versäumt habe. Da die Bundesagentur für Arbeit sich erstmals durch Schreiben vom 9.9.2009 mit der Beklagten wegen der streitgegenständlichen Zahlung in Verbindung gesetzt hatte und die Vergütungsansprüche jeweils bereits am 15. des Folgemonats fällig gewesen waren, war dieses Versäumnis zwar unstreitig. Umstritten war allerdings, ob sich die Beklagte gegenüber der Agentur für Arbeit tatsächlich auf diese Ausschlussfrist berufen konnte. Das BAG hat ein solches Vorgehen für rechtsmissbräuchlich gehalten und daran anknüpfend der Zahlungsklage stattgegeben. In der Begründung seiner Entscheidung hat das BAG zunächst einmal darauf verwiesen, dass Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, mit Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen (§ 169 SGB III). Da die Beklagte als Betriebsübernehmerin auch für die vor Betriebsübergang entstandenen Ansprüche haftete, war die Bundesagentur für Arbeit auch berechtigt, von ihr eine entsprechende Zahlung in Höhe des Bruttogehaltsanspruchs für die entsprechende Zeitspanne geltend zu machen. Auch die Bundesagentur für Arbeit muss sich allerdings von dem Erwerber eines Betriebs etwaige Einwendungen entgegenhalten lassen. Denn der Übergang des Zahlungsanspruchs auf die Bundesagentur für Arbeit steht insbesondere der Geltendmachung einer Ausschlussfrist nicht entgegen. Insofern gehört das Erlöschen von Forderungen infolge des Ablaufs von Ausschlussfristen zu den Einwendungen, die der Schuldner nach § 404 BGB

276

Haftung von Betriebserwerber und Veräußerer trotz Ausschlussfrist

auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten kann107. Dabei muss sich der Erwerber Tatsachen, die für die rechtzeitige Geltendmachung von Relevanz sind, gemäß § 425 BGB nur dann und insoweit anrechnen lassen, als sie vor dem Betriebsübergang eingetreten sind. So kann es bei einer zweistufigen Ausschlussfrist ausreichen, wenn die erste Stufe gegenüber dem Veräußerer und die zweite Stufe gegenüber dem Erwerber gewahrt werden108. Mit überzeugender Begründung hat der 5. Senat des BAG in seinem Urteil vom 22.8.2012109 indes darauf verwiesen, das sich der Betriebserwerber nicht auf den Ablauf einer Ausschlussfrist berufen könne, wenn weder der Betriebsveräußerer noch der -erwerber der Unterrichtungspflicht nach § 613 a Abs. 5 BGB nachgekommen und ein innerer Zusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und der Fristversäumnis gegeben sei. In diesem Fall liege eine unzulässige Rechtsausübung vor, die nach § 242 BGB dem neuen Arbeitgeber die Berufung auf die Einwendung des Verfalls verwehre. Vorliegend war die Unterrichtungspflicht aus § 613 a Abs. 5 BGB unstreitig nicht erfüllt. Insbesondere hatten damit weder der Betriebsveräußerer noch der -erwerber die betroffenen Arbeitnehmer auf den Eintritt der Beklagten in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und die Haftungssystematik des § 613 a Abs. 2 BGB hingewiesen. Damit hatten beide auf Arbeitgeberseite am Betriebsübergang beteiligten Rechtsträger ihre aus § 613 a Abs. 5 BGB folgende Verpflichtung missachtet. Dabei konnte zu Recht davon ausgegangen werden, dass der besondere, rechtlich relevante Zusammenhang zwischen der Verletzung der Unterrichtungspflicht und der Versäumung der Ausschlussfrist gegeben war. Hätte die Beklagte – so das BAG – noch vor dem Betriebsübergang oder zumindest im zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsübergang die hiervon betroffenen Arbeitnehmer des Pizza-Bringdienstes über den Eintritt ihrer Gesamtschuld unterrichtet, wäre sogar die Beantragung von Insolvenzgeld und die Leistung durch die Bundesagentur für Arbeit in Frage gestellt worden. In jedem Fall hätte eine solche Unterrichtung den Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet, gegenüber der Beklagten die laufende Ausschlussfrist zu wahren. Dementsprechend hatte die Beklagte auch nicht behauptet, die Klägerin hätte die Aus-

107 So BAG v. 22.8.2012 – 5 AZR 526/11, NZA 2013, 376 Rz. 15; BAG v. 23.9.2009 – 5 AZR 518/08, NZA 2010, 781 Rz. 32. 108 BAG v. 22.8.2012 – 5 AZR 526/11, NZA 2013, 376 Rz. 16; BAG v. 23.9.2009 – 5 AZR 518/08, NZA 2010, 781 Rz. 36. 109 5 AZR 526/11, NZA 2013, 376 Rz. 17 ff.

277

Betriebsänderung und Betriebsübergang

schlussfrist auch dann versäumt, wenn sie ihrer Unterrichtungspflicht nachgekommen wäre110. Die Nichtbeachtung der aus § 613 a Abs. 5 BGB folgenden Unterrichtungspflicht hat damit nicht nur Konsequenzen für den Zeitraum, innerhalb dessen ein Widerspruch nach § 613 a Abs. 6 BGB erklärt werden kann. Neben etwaigen Schadensersatzansprüchen, einer Anfechtung des Widerspruchs oder der fristungebundenen Geltendmachung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Erwerber hat die Nichtbeachtung von § 613 a Abs. 5 BGB auch Konsequenzen für die Geltendmachung von Ausschlussfristen durch die am Übergang beteiligten Rechtsträger. (Ga)

8.

Kündigung eines Schwerbehinderten nach Betriebsübergang

Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen bedarf einer Zustimmung des Integrationsamtes (§ 85 SGB IX). Dies gilt auch für Kündigungen vor oder nach einem Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB. In seinem Urteil vom 15.11.2012111 hat der 8. Senat des BAG deutlich gemacht, dass die insoweit erforderliche Erklärung des Integrationsamts dem Arbeitgeber gegenüber erfolgen muss, der als Arbeitgeber die Kündigung aussprechen will. Wird die Zustimmung durch das Integrationsamt gegenüber dem Betriebsveräußerer, der den entsprechenden Antrag gestellt hat, zu einem Zeitpunkt erteilt, zu dem das Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB bereits auf den Erwerber übergegangen ist, kann sich dieser nicht auf diese Zustimmung berufen. Nur die Entscheidung, die nach § 88 Abs. 2 S. 1 SGB IX „dem Arbeitgeber“ zugestellt werde, könne – so das BAG – die Berechtigung zur Kündigung auslösen. Hiervon ausgehend kann sich der übernehmende Rechtsträger zwar an sich einen Antrag des übertragenden Rechtsträgers auf Zustimmung zur Kündigung eines Arbeitnehmers zurechnen lassen. Wenn die Kündigung mit Blick auf den kurzfristig bevorstehenden Übertragungsvorgang schlussendlich aber durch den Erwerber ausgesprochen werden soll, muss dies bereits im Antrag gegenüber dem Integrationsamt erkennbar gemacht werden. Dieses kann dann den übernehmenden Rechtsträger am Zustimmungsverfahren nach §§ 1, 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X beteiligen und dem Erwerber nach dem Wirksamwerden des Betriebsübergangs den Zustimmungsbescheid nach 110 BAG v. 22.8.2012 – 5 AZR 526/11, NZA 2013, 376 Rz. 21. 111 8 AZR 827/11, DB 2013, 763 ff.

278

Kündigung nach Widerspruchs gemäß § 613 a Abs. 6 BGB

§ 88 Abs. 2 S. 1 SGB IX zustellen. Darauf weist der 8. Senat des BAG im Urteil vom 15.11.2012112 zutreffend hin. Ob sich der Erwerber auf eine Zustimmung berufen darf, die auf der Grundlage eines Antrags des bisherigen Betriebsinhabers auch diesem gegenüber noch vor dem Übergang des Arbeitsverhältnisses erteilt wird113, hat das BAG indes offen gelassen114. Unterstellt man, dass zwar keiner der Vertragsparteien zusätzliche Rechte durch den Betriebsübergang erwachsen sollen, arbeitgeberseits in Bezug auf die Rechtstellung zur Kündigung aber auch keine Verschlechterung eintreten soll115, liegt es jedenfalls bei einem Rückgriff auf die Gründe, die vom bisherigen Betriebsinhaber gegenüber dem Integrationsamt zur Rechtfertigung der Kündigung genannt werden, nahe, dass sich auch der Erwerber bei seiner Kündigung auf die bereits gegenüber dem bisherigen Betriebsinhaber erteilte Zustimmung berufen kann. Allerdings sind insoweit die in §§ 88 Abs. 3, 91 Abs. 5 SGB IX genannten Fristen für den Ausspruch der Kündigung nach Zugang des Zustimmungsbescheids einzuhalten. (Ga)

9.

Kein Restmandat des Betriebsrats bei Kündigung nach Widerspruchs gemäß § 613 a Abs. 6 BGB

In seinem Urteil vom 24.5.2012116 hat sich das BAG eingehend nicht nur mit der Frage befasst, welche Arbeitsplätze im Unternehmen oder Konzern in die Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen einbezogen werden müssen. Ergänzend hierzu hat es klargestellt, wann von einem Übergangs- oder Restmandat des Betriebsrats gemäß §§ 21 a, 21 b BetrVG im Zusammenhang mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang auszugehen ist. Abschließend hat es sich mit dem Gestaltungsspielraum in Bezug auf Abfindungen bei betriebsbedingter Kündigung nach Widerspruch gemäß § 613 a Abs. 6 BGB befasst.

a)

Ausgangssituation

In dem der vorstehend genannten Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall, mit dem sich das BAG bereits in einer Reihe von vorangehenden

112 113 114 115 116

8 AZR 827/11, DB 2013, 763 Rz. 27. So Pfeiffer, GK-KR, BGB § 613 a Rz. 101. BAG v. 15.11.2012 – 5 AZR 827/11, DB 2013, 763 Rz. 26. So auch BAG v. 11.12.2008 – 2 AZR 395/07, NZA 2009, 556 Rz. 21. 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 ff.

279

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Entscheidungen befassen musste, war der Kläger ursprünglich im Werk L im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) beschäftigt. Im Februar 1995 hatte die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung „zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen durch personelle Maßnahmen infolge von Effektivitäts- und Effizienzuntersuchungen bzw. Betriebsänderungen“ geschlossen (GBV 1995). Danach erhielten Arbeitnehmer, die in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und von betriebsbedingten personellen Maßnahmen betroffen waren, im Einzelnen geregelte Abfindungszahlungen. Ausgenommen wurden nur solche Arbeitnehmer, die einen ihnen angebotenen und in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatz ohne stichhaltige Begründung abgelehnt hatten. Im Zusammenhang mit einer Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH zum 1.11.2004 vereinbarte die Beklagte mit der A GmbH, ihrem Gesamtbetriebsrat und mehreren örtlichen Betriebsräten eine sogenannte Überleitungsvereinbarung (ÜV 2004). Gemäß Nr. 7.3. ÜV 2004 „gilt“ die GBV 1995 nebst sie ändernden und ergänzenden Vereinbarungen für den gesamten Vorgang mit der Maßgabe, dass der bisherige Arbeitsplatz am selben Ort bei der A GmbH, einer Schwester- oder Tochter-Gesellschaft als „in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertig und zumutbar gemäß I Ziff. 5 des Sozialplans gilt und ein Widerspruch gegen den Abfindungsanspruch bei anschließender Kündigung ausschließt. Der Kläger widersprach im Dezember 2005 wirksam dem Übergang des Arbeitsverhältnisses. Da die hierzu vorgenommene Unterrichtung fehlerhaft war, kam es auf die Monats-Frist des § 613 a Abs. 6 BGB nicht an. Mit Schreiben vom 19.4.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich. Im Rahmen seiner Kündigungsschutzklage machte der Kläger nicht nur geltend, das andere Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bzw. Konzern bestanden hätten. Diese habe die Beklagte trotz bestehender Konzernversetzungsklausel nicht geprüft. Darüber hinaus sei der in dem auf die A GmbH übertragenen Betrieb bestehende Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört worden, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung geführt habe. Selbst wenn diese Kündigung aber wirksam sei, müsse ihm eine Abfindung gezahlt werden. Der im Rahmen der ÜV 2004 vereinbarte Ausschluss sei unwirksam.

280

Kündigung nach Widerspruchs gemäß § 613 a Abs. 6 BGB

b)

Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen oder Konzern

Nach den Feststellungen des BAG hatte der hier vorgenommene Übergang des Bereichs Consumer Images zunächst einmal zur Folge, dass die dort bestehende Beschäftigungsmöglichkeit für die Beklagte entfallen war. Da der Kläger keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs vorgetragen hat, konnte die Beklagte auch nicht verpflichtet werden, zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung nach freien Arbeitsplätzen in diesem (gemeinsamen) Betrieb zu suchen. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass – so das BAG – von dem Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs in kündigungsschutzrechtlicher Hinsicht nicht bereits dann ausgegangen werden könne, wenn Unternehmen – etwa auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen – unternehmerisch zusammen arbeiteten117. Auch konzernrechtliche Weisungsmacht erzeuge, selbst wenn sie bis zur Betriebsebene durchschlage, für sich genommen keinen betriebsbezogenen gemeinsamen Leitungsapparat118. Eine konzernbezogene Pflicht zur Weiterbeschäftigung auf freien Arbeitsplätzen, die über die unternehmensbezogene Verpflichtung aus § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG hinausgeht, lehnt das BAG im Urteil vom 24.5.2012119 ausdrücklich ab. Der Arbeitgeber sei vor einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet zu versuchen, den Arbeitnehmer in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen120. Eine solche Verpflichtung bestehe allenfalls dann, wenn sich ein Konzernunternehmen zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt habe oder sie sich unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, einer sonstigen vertraglichen Absprache oder der in der Vergangenheit geübten Praxis ergebe. Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen setze die Annahme einer konzernbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht allerdings weiter voraus, dass der Vertragsarbeitgeber auf die in Rede stehende „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss habe. Die Entscheidung über eine Weiterbeschäftigung dürfe also grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten sein. Vielmehr muss der

117 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 20; BAG v. 5.11.2009 – 2 AZR 383/08, NZA-RR 2010, 325 Rz. 14. 118 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 20; BAG v. 13.6.2002 – 2 AZR 327/01, NZA 2002, 1147 Rz. 15. 119 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 27. 120 Ebenso BAG v. 23.3.2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30 Rz. 20.

281

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Vertragsarbeitgeber jedenfalls faktisch die Möglichkeit zur Einflussnahme besitzen121. Ungeachtet dessen gelte – so das BAG – im Hinblick auf die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber genüge seiner Darlegungslast in einem ersten Schritt, wenn er allgemein – zumindest konkludent – vortrage, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei ausgeschlossen. Habe der Arbeitnehmer daraufhin näher ausgeführt, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstelle, müsse der Arbeitgeber substantiiert erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung auf dem anderen Arbeitsplatz nicht möglich sein solle. Nicht erforderlich dafür sei, dass der Arbeitnehmer zuvor einen bestimmten Arbeitsplatz bezeichnet habe. Er genüge seiner Darlegungslast in der Regel bereits dann, wenn er angebe, an welchen Betrieb er denke und welche Art der Beschäftigung er meine. Berufe sich der Arbeitnehmer dabei auf eine konzernweite Beschäftigungsmöglichkeit, habe er allerdings auch insoweit anzugeben, wie – d. h. bei welchem Unternehmen auf welchem (freien) Arbeitsplatz – er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstelle122. In dem hier in Rede stehenden Fall hatte der Arbeitgeber den hierfür erforderlichen Sachvortrag nicht geleistet. Vielmehr hatte er lediglich abstraktgenerell anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bzw. Konzern geltend gemacht. Soweit er dabei u. a. auch geltend gemacht hatte, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen – später ausgegliederten – Betriebsteil möglich gewesen sei, genügte dies ebenfalls nicht. Denn er war diesem Betriebsteil anlässlich der Ausgliederung nicht zugeordnet worden. Dies war auch zutreffend. Denn die Parteien eines Spaltungsvertrags sind, soweit sie über die Zuordnung von Arbeitsverhältnissen befinden, in dieser Entscheidung nicht frei. Vielmehr müssen sie sich – so das BAG – an der objektiven Zugehörigkeit der Arbeitnehmer zu den jeweils zu übertragenden Betrieben oder Betriebsteilen ausrichten123. Eine solche Zuordnung war in Bezug auf den Kläger nicht gegeben, da er in den von der Ausgliederung betroffenen Bereichen nicht tätig war.

121 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 27; BAG v. 26.6.2008 – 2 AZR 1109/06, NZA-RR 2009, 205 Rz. 34; BAG v. 23.4.2008 – 2 AZR 1110/06, NZA 2008, 939 Rz. 22. 122 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 28; BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 626/05, NZA 2007, 1278 Rz. 46; BAG v. 6.11.1997 – 2 AZR 253/97, NZA 1998, 833 Rz. 41. 123 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 35.

282

Kündigung nach Widerspruchs gemäß § 613 a Abs. 6 BGB

c)

Vorliegen eines Übergang- oder Restmandats beim Betriebsoder Betriebsteilübergang

Die Anhörung des bei der A GmbH im übertragenen Betrieb fortbestehenden Betriebsrats nach § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte hat der 2. Senat des BAG im Urteil vom 24.5.2012124 zu Recht als nicht erforderlich angesehen. Der Betriebsrat war im Zusammenhang mit dem Betriebsteilübergang auf die A GmbH übergegangen. Denn der übernommene Betriebsteil, der den ganz wesentlichen Teil des bis dahin bei der Beklagten bestehenden Betriebs ausgemacht hatte, war betriebsverfassungsrechtlich als der bisherige Betrieb anzusehen. Damit bestand der Betriebsrat dort fort und hatte ein Übergangsmandat für die Arbeitnehmer des Betriebsteils, der bei der Beklagten verblieben war. Dieses Übergangsmandat nach § 21 a Abs. 1 BetrVG kam aber zum Zeitpunkt der Kündigung wegen Ablaufs der Sechs-Monats-Frist nicht (mehr) in Betracht. Auch die Voraussetzungen für ein Restmandat nach § 21 b BetrVG lagen nicht vor. Gemäß § 21 b BetrVG bleibt der Betriebsrat in Fällen, in denen der Betrieb durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung untergeht, so lange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der mit diesen Vorgängen im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitwirkungsrechte erforderlich ist. Eine Betriebsspaltung im Sinne des § 21 b BetrVG ist – so das BAG – die Teilung des Betriebs in tatsächlicher Hinsicht. Sie könne sowohl in Form der Betriebsaufspaltung als auch in Form der Abspaltung eines Betriebsteils erfolgen. In Fällen der Aufspaltung werde der Ursprungsbetrieb aufgelöst. Der Betriebsrat behalte, falls erforderlich - neben einem ggf. nach § 21 a Abs. 1 S. 1 BetrVG bestehenden Übergangsmandat – nach § 21 b BetrVG ein Restmandat für den Ursprungsbetrieb. Etwas anderes gilt allerdings für den Fall der Abspaltung bei der der Ursprungsbetrieb fortbestehe. Behalte er dabei – wie im Regelfall – seine Identität, bleibe der Betriebsrat im Amt und habe unter den Voraussetzungen des § 21 a BetrVG für die abgespaltenen Betriebsteile ein Übergangsmandat. Entsprechendes gelte für beide Formen der Spaltung auch dann, wenn die Veräußerung eines Betriebs- oder Betriebsteils gegeben sei125. Von dem Fortbestand eines Betriebs unter Wahrung seiner Identität sei in diesem Zusammenhang dann auszugehen, wenn das betriebliche Substrat, 124 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 45 ff. 125 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 48; BAG v. 18.3.2008 – 1 ABR 77/06, NZA 2008, 957 Rz. 13.

283

Betriebsänderung und Betriebsübergang

auf das sich das Betriebsratsamt beziehe, weitgehend unverändert geblieben sei, also insbesondere ein räumlicher und funktionaler Zusammenhang mit dem Ursprungsbetrieb noch bestehe. Bleibe bei einer Einzelrechtsnachfolge im Sinne des § 613 a BGB die Identität des Betriebs in diesem Sinne erhalten, behalte der Betriebsrat deshalb das ihm durch Wahl vermittelte Mandat. Für ein Restmandat im Sinne des § 21 b BetrVG sei in diesen Fällen grundsätzlich kein Raum126. Hiervon ausgehend konnte vorliegend kein Restmandat nach § 21 b BetrVG angenommen werden. Denn der Betrieb war unter Wahrung seiner Identität auf die A GmbH übergegangen. Dass der Kläger durch Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zurückgekehrt war, konnte nicht als Spaltung eines Betriebs angesehen werden. Dies gilt nach Auffassung des 2. Senats des BAG selbst dann, wenn eine größere Zahl von Arbeitnehmern dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen hat und im Anschluss daran durch den bisherigen Betriebsinhaber gekündigt wird. Denn auch hier fehle es an dem nach § 21 b BetrVG erforderlichen (funktionalen) Bezug zu den durch eine Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung ausgelösten Aufgaben des Betriebsrats. Auch wenn der Widerspruch durch eine Vielzahl von Arbeitnehmern ausgesprochen würde, sei die darauf folgende Kündigung des Erwerbers, bei dem der Betrieb zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden hat, auch keine Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung eines Betriebs dar. Vielmehr handelt es sich um eine Entscheidung der Arbeitnehmer. Arbeitnehmer könnten aber keine Betriebe stilllegen, spalten oder zusammenlegen127.

d)

Wegfall der Abfindung bei Kündigung nach Widerspruch gemäß § 613 a Abs. 6 BGB

Vorliegend durften die betrieblichen Sozialpartner die Regelungen der GBV 1995 durch die ÜV 2004 auch zu Ungunsten des Klägers abändern. Dies gilt selbst dann, wenn die entsprechenden Vereinbarungen jeweils als Sozialplan im Sinne des § 112 BetrVG qualifiziert werden können. Denn die Änderungen betrafen nur solche Nachteile, die durch Maßnahmen des Arbeitgebers im Anschluss an das Wirksamwerden der Neuregelung ausgelöst wurden128.

126 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 49; BAG v. 11.10.1995 – 7 ABR 17/95, NZA 1996, 495. 127 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 56. 128 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 61.

284

Kündigung nach Widerspruchs gemäß § 613 a Abs. 6 BGB

Die Vereinbarung, Arbeitnehmer, die nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses durch den übertragenden Rechtsträger betriebsbedingt gekündigt werden, von Abfindungsansprüchen auszuschließen, überschreitet nach den Feststellungen des BAG auch nicht die Regelungskompetenz der Betriebspartner. Die Betriebsparteien seien – so das BAG – ersichtlich davon ausgegangen, dass den Arbeitnehmern durch den Betriebsübergang keine Nachteile entstünden. Diese Annahme halte sich im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums. Soweit der Kläger einwende, die Beklagte habe die Belegschaft über die wirtschaftliche Ausstattung der A GmbH getäuscht, sei dies nicht geeignet, einen Abfindungsanspruch aus der GBV 1995 zu begründen. Denn selbst wenn dieser Vorwurf zuträfe, bestünde allenfalls ein Anspruch der beteiligten Betriebsräte auf eine Neuverhandlung der ÜV 2004129. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz oder unionsrechtliche Überlegungen konnten einen Abfindungsanspruch nicht begründen. Insbesondere sieht Art. 4 Unterabs. 2 Richtlinie 2001/23/EG nach zutreffender Bewertung des 2. Senats des BAG nicht vor, dass die Betriebsparteien im Falle betriebsbedingter Kündigungen Abfindungszahlungen regeln müssen. Vielmehr verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten lediglich sicher zu stellen, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis beendet werde, weil der Betriebsübergang eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zu ihrem Nachteil zur Folge hatte, so behandelt werden, als sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber erfolgt. Hiervon sind auch die betrieblichen Sozialpartner ausgegangen. Allerdings haben sie für diesen besonderen Fall der arbeitgeberseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Anschluss an den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung ausgeschlossen. Da dies nach dem Willen der betrieblichen Sozialpartner auch in anderen Fällen geschehen sollte, in denen eine anderweitige zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit abgelehnt wurde, lag darin keine Schlechterstellung der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern, die beim übertragenden Rechtsträger beschäftigt wurden. Da das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nur verpflichtet, den von einem Betriebsübergang und anschließender Beendigung seines Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer in seinen Rechtsbeziehungen zum Erwerber lediglich in gleicher Wiese zu schützen, wie diese bislang in den Beziehungen zum übertragenden Rechtsträger der Fall, entsprach die hier in Rede stehende Kollektivvereinbarung

129 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 70; BAG v. 17.4.2012 – 1 AZR 119/11, NZA 2012, 1240 Rz. 28.

285

Betriebsänderung und Betriebsübergang

auch den unionsrechtlichen Vorgaben. Da – so das BAG – es nach deutschem Arbeitsrecht bei betriebsbedingter Kündigung keinen gesetzlich geregelten individualrechtlichen Abfindungsanspruch gebe, derartige Ansprüche vielmehr nur dann bestünden, wenn sie in einer Kollektivvereinbarung oder vertraglich zwischen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer vereinbart seien, gewähre auch das Unionsrecht keinen Abfindungsanspruch130. (Ga)

130 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 76; BAG v. 17.4.2012 – 1 AZR 119/11, NZA 2012, 1240 Rz. 32.

286

J.

1.

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht Anhebung der Vergütungsgrenze für geringfügig Beschäftigte

Auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP1 hat der Bundestag am 25.10.2012 nach zunächst kontroverser Diskussion2 Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung beschlossen. Der entgegen gerichtete Antrag der Fraktion DIE LINKE, mit dem geringfügig Beschäftigte uneingeschränkt der Sozialversicherungspflicht unterworfen werden sollten3, wurden abgelehnt. Trotz während des Gesetzgebungsverfahrens vorhandener Widerstände im Bundesrat4, hat dieser am 23.11.2011 schließlich keinen Einspruch erhoben5. Einer ausdrücklichen Zustimmung bedurfte der Entwurf nicht, so dass diese Änderungen am 1.1.2013 in Kraft getreten sind.6 Kernpunkte sind die Erhöhung der Entgeltgrenze für die sogenannten „Mini-Jobs“ von 400,– € auf 450,– € bzw. für die sogenannten „Midi-Jobs“ von 800,– € auf 850,– € sowie der Wechsel von der bisher geltenden „Opt-in“-Lösung zur Teilnahme an der sozialen Rentenversicherung hin zu einer „Opt-out“-Lösung. Die Anhebung der Entgeltgrenzen ist mit der stabilen und im gesamteuropäischen Vergleich positiven Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes begründet worden. Auf diesem Wege soll der Bereich der geringfügig Beschäftigten, dessen Verdienstgrenzen zuletzt im Zusammenhang mit der sogenannten „Hartz II – Gesetzgebung“7 im Jahre 2003 erhöht wurden, an der allgemeinen Lohnentwicklung teilhaben. Darüber hinaus wird durch die Rentenversicherungspflicht gewährleistet, dass die Beschäftigungszeit in der Rentenversicherung in vollem Umfang auf die Mindestversicherungszeit angerechnet wird. Daraus ergeben sich nicht nur höhere Leistungen; vielmehr kann dies auch einen Anspruch auf vorzeitige Altersrente begründen. 1 2 3 4 5 6 7

BT-Drucks. 17/10773; 17/11174; 17/11178. Vgl. die Zusammenstellung der schriftlichen Stellungnahmen in der Ausschussdrucksache 17(11)984 des Ausschusses für Arbeit und Soziales. BT-Drucks. 17/7386. Vgl. BR-Drucks. 625/1/12. Vgl. BR-Drucks. 215/12(B). Vgl. BGBl. I 2012, 2474 ff. BGBl. I 2002, 4621 ff.

287

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

Im Gegensatz zur vorherigen Rechtslage bestimmt § 276 a SGB VI nun für die Rentenversicherung, dass geringfügig Beschäftigte nun zunächst einmal die Differenz zwischen dem Pauschalbetrag des Arbeitgebers in Höhe von 15 Prozent des Entgelts und dem jeweiligen Rentenversicherungsbeitrag8 zahlen müssen. Allerdings muss dabei die Mindestbemessungsgrenze in der Rentenversicherung in Höhe von derzeit 175,– € beachtet werden. Bei einem Arbeitsentgelt von 150,– € folgt daraus eine Beitragspflicht des Arbeitgebers in Höhe von 22,50 € (150,– € x 15 Prozent) und eine Beitragspflicht des Arbeitnehmers in Höhe der Differenz zum Mindestbeitrag (175,– € x 18,9 = 33,08 €) in Höhe von 10,58 €. Bis zum 1.3.2013 bestand eine solche Beitragspflicht nur dann, wenn sich die Beschäftigten für diese Möglichkeit entschieden hatten („Opt-in“). Bei Arbeitsverhältnissen, die seit dem 1.1.2013 begründet wurden, muss sich der Arbeitnehmer nach § 6 Abs. 1 b SGB VI konkret gegen diese zusätzliche Versicherungspflicht entscheiden („Opt-out“). Um eine flächendeckende Information von Beschäftigten und Arbeitgebern sicherzustellen, sollen beide bei erstmaliger Aufnahme bzw. Beitragszahlung durch ein Informationsschreiben der Minijob-Zentrale über diesen Mechanismus und die Auswirkungen der jeweiligen Optionen unterrichtet werden. Arbeitnehmer, die zum 1.1.2013 eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, bleiben in dieser Beschäftigung auch dann längstens bis zum 31.12.2014 versicherungspflichtig, wenn das Entgelt zwischen 400,– und 450,– € monatlich beträgt. Sie werden aber mit Wirkung zum 1.1.2013 auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, sofern der Antrag bis zum 31.3.2013 gestellt wird, im Übrigen von dem Beginn des Kalendermonats an, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag gestellt wird (§§ 444 SGB III, 7 Abs. 3 SGB V). Personen, die am Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes als Beschäftigte wegen Verzichts auf die Versicherungsfreiheit in einer geringfügigen Beschäftigung oder mehreren geringfügigen Beschäftigungen versicherungspflichtig waren, bleiben gem. § 229 Abs. 5 SGB VI insoweit versicherungspflichtig. Hier ist kein Verzicht mehr möglich. Weiterhin gilt nun gem. § 230 Abs. 8 SGB VI, dass ein Antrag zur Befreiung von der Versicherungspflicht bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden kann und für die Dauer der Beschäftigung bindend ist. Der Arbeitgeber muss den Eingang des Antrags ebenso dokumentieren wie die schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers, dass die Gleit8

Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2012, 553 f.

288

Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge

zonenregelung in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 276 b Abs. 2 SGB VI) Anwendung finden soll. Die Befreiung gilt als erteilt, wenn die zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht (vgl. § 6 Abs. 3 SGB VI). Die Befreiung wirkt grundsätzlich rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist (vgl. § 6 Abs. 4 S. 1 SGB VI). Zu beachten ist, dass die Anhebung der Grenze für geringfügig Beschäftigte auch Auswirkungen auf die Rentenversicherungspflicht Selbständiger hat. Denn diese hängt davon ab, ob ein nicht nur geringfügig Beschäftigter Arbeitnehmer beschäftigt wird. (Ga/Kr)

2.

Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge

Am 31.1.2013 hat der Bundestag auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses9 in geänderter Form den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge (Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz)10 angenommen11. Es befindet sich nunmehr in der Abstimmung mit dem Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss angerufen hat. Dieser wird voraussichtlich Anfang Juni zusammenkommen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht hat das Gesetz nicht nur zum Inhalt, dass ein Produktinformationsblatt zur steuerlich begünstigten privaten Altersvorsorge eingeführt wird. Im Mittelpunkt der Diskussion zwischen Bundestag und Bundesrat steht die Anhebung der Förderhöchstgrenze von 20.000 auf 24.000 €, die mit einer Verbesserung der steuerlich begünstigten Absicherung der Berufsunfähigkeit bzw. der verminderten Erwerbsfähigkeit im Rahmen der Basis-Rente einhergeht. Der Bundesrat kritisiert, dass diese Anhebung der Förderhöchstgrenze unangemessen sei und weit über die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bei der gesetzlichen Rentenversicherung hinausgehe. Ebenso wie die beschlossenen Erleichterungen für das in Wohneigentum investierte Altersvorsorgekapital könne dies langfristig zu erheblichen Steuerausfällen (jährlich etwa 50 Mio. €) führen. Darüber hinaus wird auf Veranlassung des Landes Baden-Württemberg verlangt, dass

9 BT-Drucks. 17/12219. 10 BT-Drucks. 17/10818. 11 BR-Drucks. 72/13.

289

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

eine Möglichkeit geschaffen wird, durch Rechtsverordnung eine Kostenbegrenzung für geförderte Altersvorsorgeprodukte einzuführen12. (Ga)

3.

Übernahme der Riester-Förderung in die gesetzliche Rentenversicherung

Die Fraktion DIE LINKE hat im Frühjahr dieses Jahres vorgeschlagen, die Riester-Förderung einzustellen und diese Form der privaten Altersvorsorge in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen13. Ein konkreter Gesetzentwurf ist mit dem Vorschlag nicht verbunden. Vielmehr wird die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem 1. das Ziel der Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung in der gesetzlichen Rentenversicherung verankert wird, in dem das Sicherungsniveau vor Steuern auf mindestens 53 % festgelegt, der Solidarausgleich ausgebaut und eine solidarische Mindestrente eingeführt wird, 2. die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge eingestellt wird, und die freiwerdenden Steuermittel, mit denen bisher Riester-Produkte gefördert worden sind, für Leistungsverbesserungen in die gesetzliche Rentenversicherung geleitet werden, 3. die Sparerinnen und Sparer mit steuerlich geförderten privaten Altersvorsorgeverträgen das gesetzliche Recht erhalten, freiwillig das bisher im Verfahren der Kapitaldeckung angesparte Kapital (Beiträge, staatliche Zuschüsse und Zinsen) in die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung in Anwartschaften auf dem persönlichen Rentenkonto umzuwandeln, wobei die Stornokosten des Riester-Vertrags auf 50,- € begrenzt und von der gesetzlichen Rentenversicherung keine Überführungsgebühren erhoben werden.

Es ist nicht zu erwarten, dass dieser Vorschlag im Bundestag in dieser Legislaturperiode eine Mehrheit findet. (Ga)

12 BR-Drucks. 72/2/13. 13 BT-Drucks. 17/12436.

290

Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen Abfindung - Altersdiskriminierung 231 ff. - Schwerbehinderte 231 ff. - Sozialplan 231 ff. - Widerspruch Betriebsübergang 279 f., 281 f. Abgeltungsregelung, tariflicher Mehrurlaub 109 f. Ablösende Betriebsvereinbarung 195 ff. Ablösung, Gesamtzusage 164 f. Abmahnung - Aufbewahrungsfristen 113 - außerordentliche Kündigung 113 - Beförderung 113 - berechtigte 113 - Betriebsratsmitglied 226 ff. - betriebsverfassungsrechtliche 226 f. - Dokumentationsfunktion 113 - Entfernungsanspruch 113 - Personalakte 113 - Rügefunktion 113 - verhaltensbedingte Kündigung 113 - Versetzung 113 - Vertrauensbereich 113 - Warnfunktion 113 - Zeugnis 113 AGB-Kontrolle - Anwendungsbereich 70 - Arbeitszeitverlängerung 70 - Ausschlussfrist 54 f., 57, 179 ff. - Bezugnahmeklausel 180, 184 ff. - Einheitsregeln 195 ff. - Ermessenstantieme 79 - Gratifikation 83, 88 ff.

AGB-Kontrolle - Hauptleistungspflicht 70 - Preiskontrolle 70 - Rechtsvorschrift 70, 186 f. - Rückzahlungsklausel 43 - Tarifvertrag 186 f. - ungerechtfertigte Bereicherung 43 - Zieleinkommen 79 AktG, Frauenquote 5 f. Akzessorietät, Urlaubsgeld 99 f. Alkohol, Arbeitnehmerhaftung 41 f. Allgemeine Arbeitsbedingungen, ablösende Betriebsvereinbarung 195 ff. Ältere Arbeitnehmer, Sozialplan 235 f., 238 Altersdiskriminierung - Betriebsrente 172 ff. - Bewerber 31 ff. - Sonderleistung 95 - Sozialplan 231 ff., 261, 280, 284 - Wartezeit 172 ff. Altersgrenze, Betriebsvereinbarung 200 f. Altersgruppe - betriebliche Interessen 148 f. - Proportionalität 148 f. - Sozialauswahl 146 ff., 148 f. Altersrente - Bruttolohnprinzip 166 - Dienstzeitabhängigkeit 166 - gehaltsbezogene Zusage 166 - Nettolohnprinzip 166 Altersstruktur, Sozialauswahl 146 ff. 291

Stichwortverzeichnis

Altersteilzeit, Urlaubsanspruch 104 ff. Altersversorgung - Berechnungsfaktoren 166 - Gesamtbetriebsvereinbarung 165 f. Altersvorsorge - Besteuerung 289 f. - private 289 f. Amtskonflikt, Interessenabwägung 142 Amtspflichtverletzung, Vertrauensperson 142 Änderung, betriebliche Altersversorgung 161 ff. Anfechtbarkeit, Betriebsratswahl 209 f. Angemessenheit, Ausschlussfrist 180 Annahmeverzug, tarifliche Ausschlussfrist 55 f. Anpassung, Betriebsrenten 161 f. Anpassungsprüfung, Betriebsrenten 161 ff. Anti-Stress-Verordnung 5 Arbeitnehmerbegriff, Personalgestellung 204 ff. Arbeitnehmerhaftung 40 - Alkohol 41 f. - Billigkeitsgesichtspunkte 40 f. - grobe Fahrlässigkeit 40 - Grundlagen 40 ff. - Höchstgrenze 40 - Pauschalbegrenzung 40 ff. - Quotierung 40 - Risikoprämie 41 - Schadensersatz 40 - Trunkenheit 40 - Vorsatz 40 f. 292

Arbeitnehmerüberlassung - Arbeitgeberwechsel 10, 48 - Arbeitnehmerbegriff 204 ff. - Arbeitsentgelt 179 ff. - Arbeitsvermittlung 10 - Aufwendungsersatz 181 - Ausschlussfrist 179 ff. - Beratung Betriebsrat 10 - Betriebsänderung 133 ff. - betriebsbedingte Kündigung 133 ff. - Betriebsbegriff 132 f. - Betriebsübergang 128, 130 f. - Bezugnahmeklausel 7, 181 - CGZP 179 ff. - dauerhafte 48 - DGB-Gewerkschaften 182 ff. - Differenz 179 ff. - Einstellung 48 - Equal-Pay 6 f., 179 ff. - Equal-Treatment 6 f., 179 ff. - Gewerkschaften 7 - Interessenausgleich 133 ff. - Kennzeichnung 9 f., 15 - Kleinbetrieb 132 f. - Konzern 48 - Leiharbeit 179 ff. - Massenentlassung 128 ff. - öffentlicher Dienst 204 ff. - Ordnungswidrigkeit 10 - Personalplanung 10 - Personalreserve 134 f. - Rechtsmissbrauch 48 - Sozialversicherungspflicht 179 ff. - Tariffähigkeit 182 ff. - Tarifvertrag 6 f., 179 ff. - unbefristete 48 - unerlaubte 48 - Unterrichtung Betriebsrat 10 - Verjährungsfrist 179 ff.

Stichwortverzeichnis

Arbeitnehmerüberlassung - Vermittlungsquote 7 - Vermutung 9 f. - vorübergehende 48 Arbeitsentgelt - betriebliche Übung 76 - Sittenwidrigkeit 70 Arbeitsgerichtsbarkeit, GmbHGeschäftsführer 64 ff. Arbeitsmittelnachweis - Betriebsrat 218 - Mitbestimmung 218 Arbeitsschutz - Anti-Stress-Verordnung 5 - Arbeitsministerkonferenz 4 f. - Gesundheitsbegriff 3 - IG-Metall 5 - psychische Belastung 2 ff. Arbeitsunfähigkeit, Urlaubsabgeltungsanspruch 109 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 52 - Vorlage 52 Arbeitsverhalten - Laufzettel 218 - Mitbestimmung 217 f. - Standardisierung 219 Arbeitsvermittlung 10 Arbeitsvertrag - Ausschlussfrist 57 - Betriebsvereinbarungsoffenheit 195 ff. - GmbH-Geschäftsführer 64 ff. - zweistufige Ausschlussfrist 57 Arbeitszeit - innerbetriebliche Wegezeiten 68 ff. - Umkleidezeit 67 ff. Arbeitszeitverlängerung - AGB-Kontrolle 70 - Sittenwidrigkeit 70

Arbeitszeitverringerung, Elternzeit 73 Arbeitszeugnis → Zeugnis Aufbewahrungsfrist, Abmahnung 113 Auffanggesellschaft, Betriebsübergang 261 Auflösende Bedingung - Bedingungskontrollklage 38 - Beendigungsmitteilung 39 - Erwerbsminderung 37 ff. Auflösungsantrag, leitender Angestellter 152 ff. Aufsichtsrat, Geschlechterquote 5 f., 25 f. Auftragsnachfolge, Betriebsübergang 252 f., 258 Aufwendungsersatz, Leiharbeitnehmer 181 Ausgliederung → Outsourcing Auskunftserteilung, Wettbewerbsverbot 58 f. Auslauffrist - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 138 f. - außerordentliche betriebsbedingte Kündigung 139 - außerordentliche personenbedingte Kündigung 139 - verhaltensbedingte Kündigung 138 f. Ausschlussfrist - AGB-Kontrolle 180 - Allgemeine Geschäftsbedingungen 54 f., 57 - Angemessenheit 180 - Arbeitsvertrag 57 - Beginn 180 - Bestandsschutzklage 54 ff. - Betriebsübergang 275 ff. - Bezugnahmeklausel 184 ff. 293

Stichwortverzeichnis

Ausschlussfrist - Entfristungsklage 54 ff. - Kündigungsschutzklage 54 ff. - Leiharbeit 179 ff. - Tarifvertrag 184 ff. Ausschlussverfahren, Betriebsratsmitglied 228 Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung, Auslauffrist 139 Außerordentliche Kündigung - Abmahnung 113 - Betriebsratsmitglied 136 ff., 213, 228 - Ersatzmitglied 228 ff. - Rauchverbot 230 - Umdeutung 137 f. Außerordentliche personenbedingte Kündigung, Auslauffrist 139 Ausübungskontrolle, gedankliche Vertretung 37

BDSG, Neufassung 1 f. Bedingungskontrollklage, auflösende Bedingung 38 Beendigungsmitteilung, auflösende Bedingung 39 Beförderung, Abmahnung 113 Befristung - gedankliche Vertretung 35 ff. - Gesamtvertretungsbedarf 37 - mittelbare Vertretung 35 f. - sachlicher Grund 35 ff. Begünstigungsverbot, Betriebsratsmitglied 137 Behinderung - Bewerber 33 f. - Diskriminierung 33 f. Beitragszeiten - Geschlechtsdiskriminierung 170 ff. 294

Beitragszeiten - Gleichbehandlungsgrundsatz 170 ff. - mittelbare Diskriminierung 171 - Rentenversicherung 169 ff. - Teilzeitbeschäftigung 169 ff. Belastung, psychische 2 ff. Berater - Betriebsänderung 234, 239, 242 - Betriebsrat 239 ff. Berechnungsfaktoren, Altersversorgung 166 Berufsanfänger, Diskriminierung 31 ff. Beschäftigtendatenschutz → Datenschutz Beschäftigung - abhängige 12 - sozialversicherungspflichtige 12, 14 - Vermutung 12 Beschäftigungsgesellschaft, Betriebsübergang 261 ff. Bescheid, Rentenversicherungsträger 38 Besitzstand, Versorgungszusage 163 Bestandsschutzklage - Ausschlussfrist 54 ff. - tarifliche Ausschlussfrist 54 ff. - zweistufige Ausschlussfrist 54 ff. Betrieb, Kündigungsschutz 142 ff. Betriebliche Altersversorgung - Altersdiskriminierung 172 ff. - Änderung 161 ff. - Betriebszugehörigkeitsdauer 172 ff. - Unverfallbarkeit 172 ff. - Vorschaltzeit 172 ff. - Wartezeit 172 ff.

Stichwortverzeichnis

Betriebliche Interessen, Altersgruppe 148 f. Betriebliche Übung - Arbeitsentgelt 76 - Begriff 76 - Betriebsvereinbarungsoffenheit 195 ff. - Entstehung 76 - Kennzeichnung 76 - übertarifliche Leistung 76 - Wegezeitvergütung 69 Betrieblicher Grund, Teilzeitanspruch 75 Betriebsänderung - Berater 234, 239, 242 - Betriebsübergang 11 f. - Diskriminierung 232 f., 235 - Fremdvergabe 11, 15 - Gesamtbetriebsrat 244 ff. - Leiharbeitnehmer 133 ff. - Namenliste 142 ff., 147 f. - Outsourcing 11 - Schwellenwerte 245 Betriebsbedingte Kündigung - freie Arbeitsplatzentscheidung 133 ff. - Konzerndirektionsklausel 281 f. - Leiharbeitnehmer 133 ff. - Personalreserve 134 f. - Vertretungskraft 134 f. Betriebsbegriff, Sozialauswahl 142 ff. Betriebsgröße, Massenentlassung 128 ff. Betriebsmittel, Betriebsübergang 247 f. Betriebsorganisation, Betriebsübergang 249 ff. Betriebsrat - Arbeitsmittelnachweis 218 - Berater 234, 239, 242

Betriebsrat - D&O Versicherung 243 - Datenschutz 223 ff. - Formularnachweis 218 f. - Freistellung 206 ff. - Freistellungsanspruch 240 - Restmandat 279 ff. - Sachverständige 239 - Teilrechtsfähigkeit 240 - Unterlassungsanspruch 217 f. - Wahlberechtigung 202 ff. - Zutrittsberechtigungen 218 Betriebsratsanhörung - E-Mail 210 - rechtsgeschäftsähnliche Handlung 211 f. - schriftliche Information 210 - subjektive Determination 211 - vertrauensvolle Zusammenarbeit 213 - Vollmachtsnachweis 212 - Vollmachtsurkunde 210 ff. - Vollmachtsvorlage 210 ff. - Willenserklärung 211 Betriebsratsarbeit, Kontinuität 138 Betriebsratsgröße, Leiharbeitnehmer 206 ff. Betriebsratsmitglied - Abmahnung 266 f., 228 ff. - Ausschlussverfahren 228 - außerordentliche Kündigung 136 ff., 213, 228 ff. - Begünstigungsverbot 137 - Erholungsurlaub 228 ff. - fristlose Kündigung 136 ff. - Haftung 239, 241 ff. - Kündigung mit Auslauffrist 137 f. - Sonderkündigungsschutz 136 ff. - Verhinderungsfall 229 - Vertretungsbefugnis 240 ff. 295

Stichwortverzeichnis

Betriebsratsstruktur, Tarifvertrag 118, 121 f. Betriebsratswahl, Anfechtbarkeit 209 f. Betriebsrenten - Anpassung 161 f. - Anpassungsprüfung 161ff. - Eigenkapitalausstattung 168 - handelsrechtlicher Jahresabschluss 168 f. - IFRS 167 ff. - Jahresabschlüsse 167 ff. - Kaufkraftentwicklung 167 - Risikozuschlag 168 - Teuerungsausgleich 162 f. - Umlaufrendite 168 - Versorgungsrichtlinien 162 f. - vertragliche Einheitsregelung 162 f. Betriebsrentenzusage, Verschlechterung 167 Betriebsübergang - Arbeitnehmer 231, 240, 247 ff. - Auffanggesellschaft 261 - Auftragsnachfolge 252 f. - Ausschlussfrist 276 ff. - Beschäftigungsgesellschaft 260 ff. - Betriebsänderung 11, 231 ff. - Betriebsidentität 246, 248, 250 f., 254 f. - Betriebsmittel 247 ff., 265 ff. - betriebsmittelarm 249, 259 - Betriebsorganisation 246 ff. - Betriebszweck 254 - Bewachungsgewerbe 250 - Dienstleistungen 252 - Dienstvertrag 270 - Einigungsstelle 12 - Fortsetzung 247, 255 ff., 268 - Funktionsnachfolge 252, 259 296

Betriebsübergang - Gesamtschuld 275 f. - Gesamtwürdigung 247, 252 - Haftung Betriebserwerber 239 ff., 267 - Haftung Veräußerer 275 ff. - Insolvenz 260 ff., 275 ff. - Insolvenzgeld 275 f. - Integrationsamt 278 f. - IT-Service-Techniker 521 - Kennzeichnung 244, 246 - Kündigung 278 ff. - Leiharbeitnehmer 128, 130 f. - organisatorische Einheit 248, 270 - Outsourcing 11, 15, 235 - Qualifizierungsgesellschaft 260 ff., 266 - Rechtsgeschäft 247, 255 - Restmandat 279, 283 - schrittweiser 269 f. - Schwerbehinderte 231 ff. - Sozialplan 9, 231 ff., 280, 284 f. - Stilllegung 253 ff., 283 f. - Transfergesellschaft 261 f., 266 - Übergangsmandat 283 - Umgehung 246, 259, 264 - Umwandlung 271 ff. - Unterbrechung 247, 253 - Verkauf 249 - Vermeidung 279 ff. - Verpachtung 249 - Voraussetzungen 249 - Werkvertrag 249 - Widerspruch 279 f., 284 f. - Zeitpunkt 247, 253 ff., 260 f., 265 ff., 273 ff. Betriebsvereinbarung - ablösende 195 ff. - Altersgrenze 200 f.

Stichwortverzeichnis

Betriebsvereinbarung - Datenschutz 1 f. - Günstigkeitsprinzip 195 ff., 200 f. - Sonderleistung 195 ff. - Versorgungszusage 163 ff. Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung 226 f. Betriebszugehörigkeit, Wahlberechtigung 202 ff. Betriebszweck, Betriebsübergang 253 f., 257, 267, 272 BetrVG, Schwellenwerte 204 ff. Bewerber - Absage 34 - Altersdiskriminierung 31 ff. - Behinderung 33 f. - Diskriminierung 33 f. - Schwerbehindertenquote 34 Bezugnahme auf Tarifvertrag → Bezugnahmeklausel Bezugnahmeklausel - AGB-Kontrolle 180, 184 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 7 - Ausschlussfrist 184 ff. - Leiharbeitnehmer 181 - nachwirkender Tarifvertrag 184 ff. - Tarifvertrag 181 - Tarifwechsel 187 ff. - Transparenz 181 Billiges Ermessen, Sonderleistung 79, 88 Billigkeitsgesichtspunkte, Arbeitnehmerhaftung 40 f. Blockmodell, Urlaubsanspruch 104 ff. Bonus → Sonderleistung Bruttolohnprinzip, Altersrente 166

CGZP - Ausschlussfrist 180, 184 ff. - Equal-Treatment 179 ff. - Leiharbeit 179 ff. - Tariffähigkeit 179 ff. Charta der Grundrechte, Urlaubsanspruch 102 f. Cloud-Computing 23 ff. - Cyberkriminalität 25 - Datenschutz-Grundverordnung 24 - Drittstaaten 24 - Verschlüsselung 24 - Zertifizierungsverfahren 23 Cyberkriminalität 25

Daten, personenbezogene 1 f. Datenschutz - BDSG-Änderung 1 f. - Betriebsrat 223 ff. - Betriebsvereinbarung 1 f. - Cloud-Computing 23 ff. - Löschungspflicht 113 - Personalakte 113 Datenschutz-Grundverordnung, Cloud-Computing 24 Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung 48 DGB-Gewerkschaften, Tariffähigkeit 182 ff. Dienstleistungsvertrag, Betriebsübergang 11 Dienstvertrag - GmbH-Geschäftsführer 64 ff. - Missbrauch 8 ff. Dienstzeitabhängigkeit, Altersrente 166 Differenzierungsklausel, Tarifvertrag 191 ff. Direktionsrecht, Mitbestimmung 217 f. 297

Stichwortverzeichnis

Diskriminierung - Behinderung 33 f. - Berufsanfänger 31 ff. - Betriebsänderung 234, 239, 244 ff. - Betriebsrente 172 ff. - Bewerber 33 f. - Indizien 34 - Koalitionsfreiheit 191 - Schwerbehindertenquote 34 - Vorstellungsgespräch 33 f. - Wartezeit 172 ff. Dokumentationsfunktion, Abmahnung 113 Dynamische Verweisung, vertragliche Einheitsregelung 163 f. D&OVersicherung, Betriebsrat 239

Effektiver Rechtsschutz, tarifliche Ausschlussfrist 55 f. EG-Richtlinie → EU-Richtlinie Eigenkapitalausstattung, Betriebsrentenanpassung 168 Einheitlicher Anspruch, Urlaubsanspruch 99 f. Einheitliches Arbeitsverhältnis, Kündigung 154 f. Einheitsregeln - ablösende Betriebsvereinbarung 195 ff. - AGB-Kontrolle 195 ff. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 195 ff. Einigungsstelle, Zuständigkeit 12, 219 f. Einstellung - Fremdpersonal 16 - Leiharbeit 48 - Mitbestimmung Betriebsrat 11, 16 - Personal 11 298

Einstellungsbefugnis 153 f. Einstiegsgehalt, Mitbestimmung Betriebsrat 219 ff. Elternzeit - Arbeitszeitverringerung 73 - Teilzeit 73 E-Mail, Betriebsratsanhörung 210 Entfernungsanspruch, Abmahnung 113 Entfristungsklage, Ausschlussfrist 54 ff. Entlassungsbefugnis 153 f. Entscheidung 133 f. Equal-Pay - Arbeitnehmerüberlassung 6 f. - Aufwendungsersatz 179 ff. - DGB-Gewerkschaften 182 ff. - Leiharbeit 179 ff. - Tarifvertrag 184 Equal-Treatment - Arbeitnehmerüberlassung 6 f. - Aufwendungsersatz 179 ff. - CGZP 179 ff. - DGB-Gewerkschaften 182 ff. - Leiharbeit 179 ff. - Tarifvertrag 184 Erholungsurlaub - 15-Monats-Frist 110 - Arbeitsunfähigkeit 110 - Betriebsratsmitglied 228 ff. - EU-Arbeitszeitrichtlinie 110 - Übertragung 110 Erkrankung, Urlaubsanspruch 98 f., 108 Ersatzmitglied - außerordentliche Kündigung 228 ff. - Nachrücken 229 Erwerbsminderung, auflösende Bedingung 37 ff.

Stichwortverzeichnis

Erwerbsminderungsrente, Rentenversicherungsträger 38 Erwerbstätigkeit, Urlaub 62 EU-Kommission, CloudComputing 23 f. EU-Richtlinie - Altersdiskriminierung 232 f. - Arbeitszeit 110 - Betriebsübergang 246 f., 249, 252 ff., 268 ff. - Erholungsurlaub 110 - Frauenquote 25 ff. - Massenentlassung 130 - Schwerbehinderte 231 ff.

Fälligkeit, Urlaubsabgeltung 108 f. Firmentarifvertrag, Tarifkonkurrenz 187 ff. Formulararbeitsvertrag, Versorgungszusage 163 f. Formularnachweis - Betriebsrat 218 f. - Mitbestimmung 218 f. Formzwang, Zustimmungserklärung 213 Fort- und Weiterbildungsvereinbarung, Rückzahlungsklausel 43 Fortbildungskosten, Rückzahlung 43 Frauenquote → Quotenregelung Freier Arbeitsplatz, Leiharbeitnehmer 133 ff. Freistellung - Leiharbeitnehmer 206 ff. - Vergütungsfortzahlung 62 f. - Wettbewerbsverbot 58 ff. Freistellungsphase - Urlaubsabgeltung 105 ff. - Urlaubsanspruch 105 ff. - Urlaubsverbrauch 107 f.

Freiwilligkeitsvorbehalt, Sonderleistung 88 Fremdpersonal - Einstellung 11 - Mitbestimmung Betriebsrat 10 f. Fremdvergabe - Betriebsänderung 9, 16 - Betriebsübergang 9, 16, 259 Fristlose Kündigung → außerordentliche Kündigung Funktionsnachfolge, Betriebsübergang 249, 252 f.

Gedankliche Vertretung - Ausübungskontrolle 37 - Befristung 35 ff. - Inhaltskontrolle 37 Gefährdungsanalyse 3 - Dokumentation 3 f. - Kleinunternehmen 3 f. - psychische Belastung 3 f. Gehaltsband, Mitbestimmung Betriebsrat 222 Gehaltsbezogene Zusage, Altersrente 166 Gemeinsamer Betrieb - KSchG 142 ff. - Sozialauswahl 142 ff. Genehmigung, Kündigung 157 ff. Geringfügig Beschäftigte - Arbeitsentgelt 288 - Beitragspflicht 288 - Gesetzesänderung 288 - Mindestversicherungszeit 287 - Opt-in-Lösung 288 - Opt-out-Lösung 288 - Sozialversicherungspflicht 287 - Vergütungsgrenze 287 Gesamtbetriebsrat - Betriebsänderung 243 f. - Interessenausgleich 243 f. 299

Stichwortverzeichnis

Gesamtbetriebsrat - Massenentlassung 118 ff. - Namensliste 243 f. - Zuständigkeit 244 f. Gesamtbetriebsvereinbarung, Altersversorgung 165 f. Gesamtschuld, Betriebsübergang 275 f. Gesamtvertretungsbedarf, Befristung 37 Gesamtzusage - Ablösung 164 f. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 195 ff. Geschäftsführung, Geschlechterquote 6, 25 f. Geschlechterquote → Quotenregelung Geschlechtsdiskriminierung, Beitragszeiten 170 ff. Gesetz, Auslegung 173 ff. Gesetzlicher Urlaub - Tilgung 97 ff. - Urlaubszwölftelung 107 Gesundheitsmanagement 2 Gewerkschaften, Arbeitnehmerüberlassung 7 Gleichbehandlungsgrundsatz, Beitragszeiten 170 ff. GmbH, Frauenquote 5 f. GmbH-Geschäftsführer - Arbeitsgerichtsbarkeit 64 ff. - Arbeitsvertrag 64 ff. - Dienstvertrag 64 ff. Grobe Fahrlässigkeit, Arbeitnehmerhaftung 40 ff. Grobe Fehlerhaftigkeit, Sozialauswahl 142, 145 Günstigkeitsprinzip - Betriebsvereinbarung 195 ff., 200 f. 300

Günstigkeitsprinzip - Tarifvertrag 187 ff.

Haftung - Betriebsratsmitglied 241 f. - Betriebsveräußerer 247 f. Handelsrechtlicher Jahresabschluss, Betriebsrentenanpassung 168 f. Handelsregister, Kündigung 159 Hilfstätigkeit, Wettbewerbsverbot 58 Historische Auslegung 173 ff. IFRS, Betriebsrentenanpassung 167ff. Inhaltskontrolle, Tarifvertrag 186 f. Innerbetriebliche Wegezeiten - Arbeitszeit 68 ff. - Vergütungspflicht 67 ff. Insolvenz - Betriebsübergang 260 ff., 265 f. - Masseverbindlichkeit 91 f. - Sonderleistung 91, 94 Insolvenzgeld, Betriebsübergang 276 f. Integrationsamt - Betriebsübergang 278 - Zustimmung 40 Interessenabwägung - Amtskonflikt 142 - Sozialauswahl 150 f. Interessenausgleich - Gesamtbetriebsrat 243 f. - Leiharbeitnehmer 128, 130 f., 134 - Massenentlassung 123 - Namensliste 142 ff., 147 f. - Schriftform 147 f. - Sozialauswahl 142 ff. Intransparenz, Jeweiligkeitsklausel 163

Stichwortverzeichnis

Jahresabschlüsse, Betriebsrentenanpassung 167 ff. Jahressonderzahlung → Sonderleitung Jahresurlaub, Teilzeitarbeit 103 f. Jeweiligkeitsklausel - Intransparenz 163 - vertragliche Einheitsregelung 165 f.

Kaufkraftentwicklung, Betriebsrentenanpassung 167 Klagefrist - mündliche Kündigung 157 ff. - vollmachtloser Vertreter 157 ff. - Wirksamkeitsfiktion 157 ff. Kleinbetrieb, Leiharbeitnehmer 132 f. Kleinunternehmen, Gefährdungsanalyse 3 f. Koalitionsfreiheit - Diskriminierung 191 - Tarifvertrag 191 ff. Kollektive Verschlechterung, Versorgungsrichtlinien 162 f. Kontinuität der Amtsführung, Schwerbehindertenvertretung 140 Kontinuität, Betriebsratsarbeit 138 Konventionsverletzung, Menschenrecht 156 ff. Konzernbetriebsrat - Massenentlassung 118 ff. - technische Einrichtung 214 ff. - Zuständigkeit 214 ff. Konzerndirektionsklausel - betriebsbedingte Kündigung 279 ff. - Kündigung 279 ff. Kostenerstattung, Betriebsrat 239

Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - AU-Bescheinigung 52 Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - Erholungsurlaub 110 - medizinischer Dienst 52 - Missbrauch 52 KSchG - gemeinsamer Betrieb 142 ff. - leitender Angestellter 152 ff. Kündigung mit Auslauffrist - Betriebsratsmitglied 137 f. - unkündbarer Arbeitnehmer 137 f. Kündigung - Betriebsübergang 278 ff. - einheitliches Arbeitsverhältnis 154 f. - Genehmigung 157 ff. - Handelsregister 159 - Klagefrist 157 ff. - Konzerndirektionsklausel 279 ff. - mündliche 157 ff. - Originalvollmacht 159 - Schwerbehinderte 278 - Sonderleistung 79, 95 - Vertretungsbefugnis 159 - vollmachtloser Vertreter 157 ff. - Zurückweisung 157 ff. Kündigungsfrist, Wettbewerbsverbot 59 Kündigungsschutzklage, Ausschlussfrist 54 ff. Kündigungsschutzrechtlicher Betrieb 142 ff. Kündigungszustimmung, Schwerbehindertenvertretung 140 ff. Kurzarbeit, Urlaubsanspruch 100 ff.

301

Stichwortverzeichnis

Laufzettel - Arbeitsverhalten 218 - Mitbestimmung 217 ff. - Ordnungsverhalten 218 Leichteste Fahrlässigkeit, Arbeitnehmerhaftung 40 Leiharbeit → Arbeitnehmerüberlassung Leiharbeitnehmer - Betriebsratsgröße 206 ff. - Freistellungen 206 ff. - Schwellenwerte 206 ff. - Wahlberechtigung 202 ff. Leistungsträger, Sozialauswahl 150 f. Leitender Angestellter - Auflösungsantrag 152 ff. - Einstellungsbefugnis 154 f. - Entlassungsbefugnis 154 f. - Kennzeichnung 153 f. - KSchG 152 ff. - Selbständigkeit 153 f. Lohngestaltung, Mitbestimmung Betriebsrat 219 f.

Mandatsträger, Sonderkündigungsschutz 136 ff. Massenentlassung - Betriebsgröße 129 f. - Betriebsrat 118 ff. - Betriebsratszuständigkeit 118 - EG-Einigung 130 - Entlassungsbegriff 128, 130 f. - Formerfordernisse 126 f. - Gesamtbetriebsrat 118, 244 f. - Heilung Formfehler 127 - Informationspflicht 123 ff. - Interessenausgleich 123 ff. - Konsultationsprozess 125 - Konzernbetriebsrat 118 - Leiharbeitnehmer 128 ff. 302

Massenentlassung - Papierform 126 f. - Schriftform 126 f. - Schwellenwert 128 ff. - Sozialplan 123 f. - Strukturtarifvertrag 118, 121 f. - Unterrichtung Betriebsrat 118 - Zeitplan 125 - Zuständigkeitsstreit 118, 122 f. Massenentlassungsanzeige 123 - Leiharbeitnehmer 128 ff. Medizinischer Dienst, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit 52 Mehrurlaub - Tilgung 97 ff. - Urlaubsabgeltung 108 ff. Menschenrechte, Konventionsverletzung 156 ff. Menschenrechtskonvention, Restitutionsklage 155 ff. Mindestjahresurlaub, Tilgung 98 ff. Mindestlohn - gesetzlicher 12, 17 ff. - Kommission 18 - Rechtsverordnung 18 f. Mindesturlaubsanspruch, Tilgung 97 ff. Mitbestimmung → Unternehmensmitbestimmung Mitbestimmung Betriebsrat - Arbeitsentgelt 219 ff. - Arbeitsmittelnachweis 218 - Arbeitsverhalten 217 f. - Betriebsänderung 22, 118 - Dienstleister 10 f., 16 f. - Direktionsrecht 217 f. - Dotierungsrahmen 219 ff. - Einigungsstelle 16, 219 f. - Einstellungen 11 - Einstiegsgehalt 219 ff. - Entlohnungsmethode 219 ff.

Stichwortverzeichnis

Mitbestimmung Betriebsrat - Formerfordernisse 126 f. - Formularnachweis 218 f. - Fremdpersonal 10 f., 16 f. - Gehaltsbänder 222 - Gehaltstabelle 219 ff. - Laufzettel 217 ff. - Leiharbeitnehmer 10 - Lohngestaltung 219 f. - Massenentlassung 118 - Ordnung des Betriebs 217 f. - Personalplanung 10 - Personalverwaltungssoftware 214 ff. - technische Einrichtung 214 ff. - Unterlassungsanspruch 217 f. - Vergütungsgrundsatz 219 ff. - Vergütungshöhe 219 ff. - Vergütungstabelle 219 ff. - Werkvertrag 10 f., 16 f. - Zuständigkeitsstreit 118, 122 f. - Zutrittsberechtigungen 218 MitbestG, Änderung 21 f. Mittelbare Diskriminierung - Beitragszeiten 171 - Teilzeitbeschäftigte 171 Mittelbare Vertretung, Befristung 35 f. Mündliche Kündigung, Klagefrist 157 ff.

Nachwirkender Tarifvertrag 184 ff. Nachwuchsführungskraft, Altersdiskriminierung 31 ff. Namenliste - Betriebsänderung 142 ff., 147 f. - Gesamtbetriebsrat 244 ff. - Interessenausgleich 142 ff., 147 f. - Schriftform 147 f. - Sozialauswahl 142 ff.

Nettolohnprinzip, Altersrente 166 Nichtigkeit, Rentenbescheid 39 f. Normale Fahrlässigkeit, Arbeitnehmerhaftung 40

Öffentlicher Dienst, CloudComputing 24 f. Ordnung des Betriebs, Mitbestimmung 217 f. Ordnungsverhalten, Laufzettel 218 Organisatorische Einheit, Betriebsübergang 246 ff. Originalvollmacht, Kündigung 159 Outsourcing - Betriebsänderung 11, 22 - Betriebsübergang 11, 15 - Sozialplan 11, 15

Pauschalbegrenzung, Arbeitnehmerhaftung 40 ff. Pauschalierung, Wegezeitvergütung 70 Personalakte - Abmahnung 113 - Datenschutz 113 - Entfernungsanspruch 113 Personalgestellung, Arbeitnehmerbegriff 204 f. Personalplanung - Fremdpersonal 10 - Leiharbeitnehmer 10 Personalverwaltungssoftware - Konzernbetriebsrat 214 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 214 ff. Personenbezogene Daten 1 f. Praktikantenprogramm, Altersdiskriminierung 31 ff. Private Altersvorsorge 289 f. - Riester-Förderung 290 303

Stichwortverzeichnis

Provisionsherausgabe, Wettbewerbsverbot 61 Psychische Belastung 2 ff. - Gefährdungsanalyse 3

Qualifizierungsgesellschaft, Betriebsübergang 259 ff. Qualitative Ziele, Sonderleistung 79 Quotenregelung - Aufsichtsrat 5 f., 25 f. - EU-Richtlinie 25 ff. - Geschäftsführung 6, 25 f. - Selbstverpflichtung 26 - Vorstand 6, 25 f.

Rauchverbot, außerordentliche Kündigung 230 Rechtsgeschäftsähnliche Handlung, Betriebsratsanhörung 211 f. Rechtsmissbrauch, Arbeitnehmerüberlassung 48 Rechtsschutzversicherung, tarifliche Ausschlussfrist 57 Rechtsverordnung, Mindestlohn 18 f. Rechtsvorschrift, AGBKontrolle 70, 186 f. Rentenbescheid, Nichtigkeit 39 f. Rentenversicherung, Beitragszeiten 169 ff. Rentenversicherungsträger - Bescheid 38 - Erwerbsminderungsrente 38 Restitutionsgrund, Überleitungsvorschrift 156 f. Restitutionsklage - Menschenrechtskonvention 155 ff. - Stichtagsregelung 156 f. 304

Restmandat - Betriebsrat 279 - Betriebsübergang 279 - Widerspruch Betriebsübergang 279 Riester-Förderung, Beendigung 290 Risikoprämie, Arbeitnehmerhaftung 41 Risikozuschlag, Betriebsrentenanpassung 168 Rückzahlungsklausel - AGB-Kontrolle 43 - Kostenerstattung 43 - Transparenz 43 Rügefunktion, Abmahnung 113 Ruhendes Arbeitsverhältnis, Urlaubsanspruch 104 f.

Sachlicher Grund, Befristung 35 ff. Sachverständige, Betriebsrat 239 ff. Schadensgeneigtheit, Arbeitnehmerhaftung 40 ff. Schadensersatz, Arbeitnehmerhaftung 40 Schadensersatzpflicht, Wettbewerbsverbot 59 Scheinselbständigkeit 14 Scheinwerkvertrag 13 f. Schlusszeugnis → Zeugnis Schriftform - Interessenausgleich 147 f. - Massenentlassung 126 f. - Namenliste 147 f. Schriftliche Informationen, Betriebsratsanhörung 210 Schrittweiser Betriebsübergang 268 ff. Schwellenwert - Arbeitnehmerbegriff 204 ff.

Stichwortverzeichnis

Schwellenwert - Betriebsänderung 245 - Betriebsratsgröße 206 ff. - BetrVG 204 ff. - DrittelbG 21, 209 - Einstellungen 206 ff. - Freistellung 206 ff. - Kleinbetrieb 132 f. - Kündigungsschutz 132 f. - Leiharbeitnehmer 206 ff. - Massenentlassung 128 ff. - MitbestG 21, 209 Schwerbehinderte - Abfindung 231 ff. - Betriebsübergang 278 - Kündigung 278 - Sozialplan 231 ff. Schwerbehindertenquote, Diskriminierung 34 Schwerbehindertenvertretung - Kontinuität der Amtsführung 140 - Kündigungszustimmung 140 ff. Sittenwidrigkeit - Arbeitszeitverlängerung 70 - Geldhöhe 70 Sonderkündigungsschutz - Betriebsratsmitglied 136 ff. - Mandatsträger 136 ff. - Vertrauensperson 140 ff. Sonderleistung - ablösende Betriebsvereinbarung 195 ff. - AGB-Kontrolle 79 ff. - Altersdiskriminierung 95 - arbeitsleistungsbezogene 91 - Berufsfreiheit 79 - Beweislast 79 - Bezugszeitraum 91 - Darlegungslast 79 - einseitiges Bestimmungsrecht 79

Sonderleistung - Entstehung 91 - Ermessensgratifikation 79 - Ermessenstantieme 79 - Freiwilligkeitsvorbehalt 88 - Insolvenz 91 - Insolvenzforderung 91 - Kündigung 79, 95 - Masseverbindlichkeit 91 - pro-rata-temporis 103 - qualitative Ziele 79 - quantitaive Ziele 79 - Stichtagsregelung 79, 91, 95 - Transparenz 88, 79 - ungekündigtes Arbeitsverhältnis 79, 95 - Vertragsbeendigung 79, 95 - Weihnachtsgratifikation 88 - zeitanteilige Entstehung 91 - Zielvereinbarung 79 - Zweck 91 Sonderzahlung → Sonderleistung Sozialauswahl - Altersgruppe 146 ff., 148 f. - Altersstruktur 146 ff. - Betriebsbegriff 142 ff. - Geltungsbereich 142 ff. - gemeinsamer Betrieb 142 ff. - Gewichtung 150 f. - grobe Fehlerhaftigkeit 142 ff. - Interessenabwägung 150 f. - Interessenausgleich 142 ff. - Leistungsträger 150 f. - Namensliste 142 ff. Sozialplan - ältere Arbeitnehmer 231 - Altersdiskriminierung 231 - Betriebsübergang 11 f. - Diskriminierung Behinderter 231 ff. - Leiharbeitnehmer 128, 130 f. 305

Stichwortverzeichnis

Sozialplan - Massenentlassung 123 - Outsourcing 15 f. - rentennahe Jahrgänge 231, 233 - Schwerbehinderung 231 ff. - Widerspruch Betriebsübergang 231 ff. - wirtschaftliche Nachteile 11 f. Sozialversicherungspflicht 12, 14 - geringfügig Beschäftigte 287 f. - Leiharbeit 179 ff. Standardisierung, Arbeitsverhalten 219 Stichtagsregelung - Restitutionsklage 156 f. - Sonderleistung 79 Stilllegung, Betriebsübergang 256 Strukturtarifvertrag - Betriebsbegriff 209 f. - Massenentlassung, 121, 123 Subjektive Determination, Betriebsratsanhörung 211 Surrogatstheorie, Urlaubsabgeltungsanspruch 109

Tantieme → Sonderleistung

Tariffähigkeit - Aussetzungsbeschluss 183 - DGB-Gewerkschaften 182 ff. - Tarifvertrag 179 ff. - CGZP 179 ff. Tarifkonkurrenz 187 ff. - Firmentarifvertrag 187 ff. - Verbandstarifvertrag 187 ff. Tarifliche Ausschlussfrist - Annahmeverzug 55 f. - Bestandsschutzklage 54 ff. - effektiver Rechtsschutz 55 f. - Rechtsschutzversicherung 57 - verfassungskonforme Auslegung 57 306

Tarifliche Regelungskompetenz, übergesetzlicher Urlaub 106 Tariflicher Mehrurlaub, Abgeltungsregelung 109 f. Tarifpluralität 187 ff. Tarifurlaub, Tilgung 98 ff. Tarifvertrag - AGB-Kontrolle 186 f. - Arbeitnehmerüberlassung 6 f. - Ausschlussfrist 184 ff. - Betriebsbegriff 209 f. - Betriebsratsstruktur 118, 121 f., 209 f. - Bezugnahmeklausel 181 - DGB-Gewerkschaften 182 ff. - Differenzierungsklausel 191 ff. - Equal-Pay 184 - Equal-Treatment 184 - Günstigkeitsprinzip 187 ff. - Inhaltskontrolle 186 f. - Koalitionsfreiheit 191 ff. - Leiharbeit 179 ff. - nachwirkender 184 ff. - Tariffähigkeit 179 ff. - Versorgungsanpassung 164 f. - Versorgungszusage 164 f. Tarifwechsel, Bezugnahmeklausel 187 ff. Technische Einrichtung, Mitbestimmung Betriebsrat 214 ff. Teilbetriebsübergang → Betriebsübergang Teilzeit, Elternzeit 73 Teilzeitanspruch 73 - betrieblicher Grund 75 - TzBfG 75 Teilzeitarbeit - Jahresurlaub 103 f. - Urlaubsanspruch 101 ff. - Urlaubsberechnung 101 ff.

Stichwortverzeichnis

Teilzeitbeschäftigte, mittelbare Diskriminierung 171 Teilzeitbeschäftigung, Beitragszeiten 169 ff. Teuerungsausgleich, Betriebsrenten 162 f. Tilgung, Zusatzurlaub 99 f. Traineeprogramm, Altersdiskriminierung 31 ff. Transfergesellschaft, Betriebsübergang 261 f. Transparenzgebot, übergesetzlicher Urlaub 110 Trunkenheit, Arbeitnehmerhaftung 40 ff. TzBfG, Anspruch Teilzeitbeschäftigung 75

Überbetriebliche Leistung, betriebliche Übung 76 Übergangsmandat, Betriebsübergang 283 f. Übergesetzlicher Urlaub - tarifliche Regelungskompetenz 106 - Transparenzgebot 110 - Vertragsregelung 110 Übertragungszeitraum, Urlaubsanspruch 109 Umdeutung, fristlose Kündigung 137 f. Umkleidezeit - Arbeitszeit 67 ff. - Vergütungspflicht 67 ff. Umlaufrendite, Betriebsrentenanpassung 168 Umwandlung → Betriebsübergang Unbefristete Arbeitnehmerüberlassung 48 Unkündbare Arbeitnehmer, Kündigung mit Auslauffrist 137 f.

Unterlassungsanspruch - Betriebsrat 217 f. Unterlassungsanspruch - Mitbestimmung 217 f. Unternehmensmitbestimmung - Änderung 21 f. - Schwellenwerte 21 f. Unverfallbarkeit, Betriebsrente 172 ff. Unwiderrufliche Freistellung - Urlaubsanspruch 62 f. - Wettbewerbsverbot 59 ff. Urlaub, Erwerbstätigkeit 62 Urlaubsabgeltung - Fälligkeit 108 f. - Freistellungsphase 105 ff. - Mehrurlaub 108 ff. - Urlaubsgeld 99 f. Urlaubsabgeltungsanspruch - Arbeitsunfähigkeit 109 - Surrogatstheorie 109 Urlaubsanspruch - Altersteilzeit 104 ff. - Blockmodell 104 ff. - Charta der Grundrechte 102 f. - einheitlicher Anspruch 99 f. - Erkrankung 98 f., 108 - Freistellungsphase 105 ff. - Kurzarbeit 100 ff. - ruhendes Arbeitsverhältnis 104 f. - Teilzeitarbeit 101 ff. - Tilgung 97 ff. - Übertragungszeitraum 109 - unwiderrufliche Freistellung 62 f. Urlaubsberechnung, Teilzeitarbeit 101 ff. Urlaubsgeld - Akzessorietät 99 f. - Urlaubsabgeltung 99 f. 307

Stichwortverzeichnis

Urlaubsverbrauch, Freistellungsphase 107 f. Urlaubszwölftelung, gesetzlicher Urlaub 107

Variable Vergütung → Sonder-

leistung Verbandstarifvertrag - Ablösung 187 ff. - Tarifkonkurrenz 187 ff. - Tarifpluralität 187 ff. Verfassungskonforme Auslegung, tarifliche Ausschlussfrist 57 Vergütung Herausgabepflicht, Wettbewerbsverbot 59 f. Vergütungsfortzahlung, Freistellung 62 f. Vergütungsgrenze, geringfügig Beschäftigte 287 f. Vergütungsgrundsatz, Mitbestimmung Betriebsrat 219 f. Vergütungspflicht - innerbetriebliche Wegezeiten 67 ff. - Umkleidezeit 67 ff. Vergütungstabelle, Mitbestimmung Betriebsrat 219 f. Verhaltensbedingte Kündigung - Abmahnung 113 - Auslauffrist 138 f. - Rauchverbot 230 Verhältnismäßigkeit, Versorgungszusage 163 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Auslauffrist 138 f. Verjährungsfrist - Beginn 180 - Kenntnis 180 - Leiharbeit 179 ff. Verschlechterung, Betriebsrentenzusage 167 308

Versetzung, Abmahnung 113 Versorgungsanpassung, Tarifvertrag 164 f. Versorgungsordnung, Wartezeit 172 ff. Versorgungsrichtlinien - Betriebsrenten 162 f. - kollektive Verschlechterung 162 f. Versorgungszusage - Besitzstand 163 - Betriebsvereinbarung 163 ff. - Formulararbeitsvertrag 163 f. - Tarifvertrag 164 f. - Verhältnismäßigkeit 163 f. - Vertrauensschutz 163 f. Vertragliche Einheitsregelung - Betriebsrenten 162 f. - dynamische Verweisung 163 f. - Jeweiligkeitsklausel 165 f. Vertragspflichtverletzung, Vertrauensperson 142 Vertragsregelung, übergesetzlicher Urlaub 110 Vertrauensbereich, Abmahnung 113 Vertrauensperson - Amtspflichtverletzung 142 - Sonderkündigungsschutz 140 ff. - Vertragspflichtverletzung 142 Vertrauensschutz, Versorgungszusage 163 f. Vertrauensvolle Zusammenarbeit, Betriebsratsanhörung 213 Vertreter, vollmachtloser 157 ff. Vertretungsbefugnis, Kündigung 159 Vollmachtloser Vertreter, Kündigung 157 ff. Vollmachtsnachweis, Betriebsratsanhörung 210 ff.

Stichwortverzeichnis

Vollmachtsurkunde, Betriebsratsanhörung 210 ff. Vollmachtsvorlage, Betriebsratsanhörung 210 ff. Vorsatz, Arbeitnehmerhaftung 40 f. Vorstand, Geschlechterquote 6, 25 f. Vorstellungsgespräch, Diskriminierung 33 f. Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung 48

Wahlberechtigung - Betriebsrat 202 ff. - Betriebszugehörigkeit 202 ff. - Leiharbeitnehmer 202 ff. Warnfunktion, Abmahnung 113 Wartezeit, Betriebsrente 172 ff. Wegezeitvergütung - betriebliche Übung 69 - Pauschalierung 70 Weiterbildungskosten, Rückzahlung 43 Werkvertrag - Arbeitsbedingungen 15 - Betriebsübergang 11 - Lohndumping 8 ff. - Missbrauch 8 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 10 f. - Vermutungsregel 13 f. Wettbewerbsverbot - Auskunftserteilung 58 - Freistellung 58 ff. - Hilfstätigkeit 58 - Kündigungsfrist 59 - Provisionsherausgabe 61 - Schadensersatzpflicht 59 - unwiderrufliche Freistellung 59 ff. - Vergütungsherausgabepflicht 59 f.

Widerspruch Betriebsübergang - Abfindung 279 ff. - Kündigung 280 - Sozialplan 279 ff. Willenserklärung, Betriebsratsanhörung 211 Wirksamkeit, Betriebsübergang 283

Zeitarbeit → Arbeitnehmerüber-

lassung Zeitpunkt, Betriebsübergang 266 ff. Zeugnis - Abmahnung 113 - Dankesformel 173 ff. - einfaches 173 ff. - Geheimsprache 173 ff. - Grußformel 173 ff. - qualifiziertes 173 ff. - Wahrheit 173 ff. - Widersprüchlichkeit 173 ff. - Wohlwollen 173 ff. Zeugnisauslegung Gesetz 173 ff. Zielvereinbarung - qualitative Ziele 79 - quantitative Ziele 79 Zusatzurlaub, Tilgung 99 f. Zuständigkeit Betriebsrat - Gesamtbetriebsrat 233 - Konzernbetriebsrat 214 ff. - Massenentlassung 123 f., 126 ff. Zustimmung, Integrationsamt 40 Zustimmungserklärung, Formzwang 213 Zutrittsberechtigungen - Betriebsrat 218 - Mitbestimmung 218 Zweistufige Ausschlussfrist - Arbeitsvertrag 57 - Bestandsschutzklage 54 ff.

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