Aktiengesetz: Lieferung 28 §§ 69-75 9783110972443

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Aktiengesetz: Lieferung 28 §§ 69-75
 9783110972443

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Bearbeiter der 4. Auflage Universitätsprofessor Dr. Heinz-Dieter Assmann, LL. M., T ü b i n g e n Dr. Harald Baum, Privatdozent, Wiss. Referent a m Max-Planck-Institut für ausländisches u n d internationales Privatrecht, H a m b u r g Rechtsanwalt und Notar a. D. Dr. Gerold Bezzenberger, Berlin Rechtsanwalt b e i m B G H Dr. Oliver C. Brändel, Karlsruhe Wirtschaftsprüfer u n d Steuerberater Dr. Dr. Herbert Brönner, Berlin Rechtsanwalt Dr. Christian E. Decher, Frankfurt/Main Universitätsprofessor Dr. Ulrich Ehricke, LL. M. (London), Μ. Α., Köln Universitätsprofessor Dr. Holger Fleischer, Dipl.-Kfm., LL. Μ. (Michigan), Bonn Universitätsprofessor Dr. Kaspar Frey, Frankfurt/Oder Richter a m B G H Dr. Markus Gehrlein, Lehrbeauftragter an der Universität Mannheim, Landau Universitätsprofessor Dr. Dr. Stefan G r u n d m a n n , LL. M. (Berkeley), Berlin Universitätsprofessor Dr. Mathias Habersack, Mainz Rechtsanwalt Dr. Kai Hasselbach, Köln Rechtsanwalt Dr. Peter Hemeling, M ü n c h e n Richter a m BGH a. D. Professor Dr. Hartwig Henze, Recklinghausen Universitätsprofessor Dr. Heribert Hirte, LL. M. (Berkeley), H a m b u r g Universitätsprofessor Dr. Dr. Dr. h . c . mult. Klaus J. Hopt, H a m b u r g Universitätsprofessor Dr. Peter M. Huber, M ü n c h e n Universitätsprofessor Dr. Michael Kort, A u g s b u r g Universitätsprofessor Dr. Hanno Merkt, LL. M. (Univ. of Chicago), Freiburg i. Br. Universitätsprofessor Dr. Peter O. Mülbert, Mainz Rechtsanwalt Richard L. Notz, Konstanz Universitätsprofessor Dr. Hartmut Oetker, Kiel Universitätsprofessor Dr. Dr. h. c. Harro Otto, Bayreuth Notar Professor Dr. Hans-Joachim Priester, H a m b u r g Dr. Markus Roth, Wiss. Referent a m Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, H a m b u r g Vors. Richter a m B G H i. R. Dr. h. c. Volker Röhricht, Karlsruhe Rechtsanwalt Dr. Michael Schlitt, Frankfurt/Main Universitätsprofessor Dr. Dres. h . c . Karsten Schmidt, Präsident der Bucerius Law School, Hamburg Universitätsprofessor Dr. Rolf Sethe, LL. M. (London), Halle-Wittenberg Rechtsanwalt Professor Dr. Winfried Werner ( f ) , Frankfurt/Main Universitätsprofessor Dr. Herbert W i e d e m a n n , Köln Universitätsprofessor Dr. Christine Windbichler, LL. M. (Berkeley), Berlin

Um in der Erscheinungsweise nicht festgelegt zu sein und auf diese Weise Bedürfnissen der Praxis besser gerecht werden zu können, wird darauf verzichtet, die Bände durchgehend zu paginieren. Durch Verwendung der Randnummern sind Seitenzahlen - vor allem für das Zitieren - entbehrlich. Die einzelnen Lieferungen werden in der Reihenfolge des Erscheinens durchnumeriert; die Folge wird also von derjenigen des Gesamtwerkes abweichen. Sobald ein Band vollständig ist, werden jeweils Einbanddecken geliefert. Der Verlag Erscheinungsdatum: Dezember 2007 ISBN 978-3-89949-465-5 © Copyright 2007 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. J e d e Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. — Konvertierung: WERKSATZ, Schmidt & Schulz, D-06773 Gräfenhainichen. — Druck: H. Heenemann G m b H & Co., D-12103 Berlin. — Bindearbeiten: Buchbinderei Bruno Helm, Berlin.

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§ 69

§69

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie (1) Steht eine Aktie mehreren Berechtigten zu, so können sie die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. (2) Für die Leistungen auf die Aktie haften sie als Gesamtschuldner. (3) 1 Hat die Gesellschaft eine Willenserklärung dem Aktionär gegenüber abzugeben, so genügt, wenn die Berechtigten der Gesellschaft keinen gemeinschaftlichen Vertreter benannt haben, die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Berechtigten. 2 Bei mehreren Erben eines Aktionärs gilt dies nur für Willenserklärungen, die nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft abgegeben werden.

Übersiebt Rdn

Rdn c) Dauer und Erlöschen der Vollmacht

I. Allgemeines

37

1. Regelungsgegenstand und -zweck 2. Geschichte der N o r m

1

d) Reichweite der Vertretungsmacht

.

39

4 5

4 . Systematik des § 6 9

6

e) Keine Verfügungsmacht über Aktie 4. Tätigkeit des Vertreters: Ausübung der Mitgliedschaftsrechte

41

3. Bedeutung der Vorschrift II. Eine Aktie und mehrere Berechtigte

42

1. Inhaber- und Namensaktien

7

a) Vertretungsbedürftige Mitgliedschaftsrechte

2. Fallgruppen der Mitberechtigung . . . a) Grundsatz: Dingliche Zuordnung .

8 8

b) Keine Ausübung unmittelbar durch die Berechtigten

44

11

c) Grenzen und Reichweite der Vertretungsregelung

46

b) Juristische Person und Personengesellschaft c) Keine Anwendung auf (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts . .

aa) Legitimation durch Urkundenbesitz

12

43

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d) Weitere ausgenommene Gesamthandsgemeinschaften, nicht-rechtsfähiger Verein

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e) Personenmehrheit mit gesetzlichem Vertreter

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f) Dauerglobalurkunden g) Analoge Anwendung

16 18

5. Mehrere Vertreter eines Alleinberechtigten rv. Haftung als Gesamtschuldner (§ 6 9 Abs 2)

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1. Ausgangspunkt: Leistungen auf die

22

Aktie 2 . Haftungsbeginn und -ende

58 59

23

3. Reichweite der Haftung, beschränkte Erbenhaftung

62

3. Eintragung im Aktienregister 4 . Beendigung der Mitberechtigung . . . ΠΙ. Rechtsausübung durch einen gemeinschaftlichen Vertreter 1. Person des Vertreters a) Grundsatz: Auswahlfreiheit

bb) Zulassung des Inhabers durch die AG d) Statutarische Änderung des Abs 1 e) Vertreter und M i t i n h a b e r

24 . . . .

24

b) Ausnahme: Gesetzlicher Vertreter

25

c) Vertretung durch mehrere Personen d) Keine Legitimationswirkung der Vertretereintragung

26

V. Willenserklärung der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär (§ 6 9 Abs 3) . . . .

28

1. Regelungsbereich 2 . Erklärung gegenüber dem gemeinschaftlichen Vertreter

.

48 51 52 54 56

65 67 69

2 . Gesetzlicher Vertreter

29

3. Voraussetzungen der Vertreterbestellung

3. Erklärung gegenüber einem Berechtigten

71

32 33

4. Sonderfall § 6 9 Abs 3 S 2 : Erbengemeinschaft

73

34

5. Statutarische Änderung

74

a) Bestellung als Obliegenheit

. . . .

b) Erteilung und Form der Vollmacht

Schrifttum Großfeld/Spennemann Die Teilnahmeberechtigung mehrerer gesetzlicher Vertreter von Gesellschaften in Mitgliederversammlungen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, AG 1979, 128; Klump Die obligatorische Gruppenvertretung - Gesellschaftsrechtliche Fragen bei Personen-

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Hanno Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

gesellschaften, Kapitalgesellschaften, erbrechtliche Folgeprobleme, ZEV 1999, 305; Koch Die Beteiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts an einer GmbH-Gründung, ZHR 146 (1982), 118; Schörnig Die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit einer Gruppenvertretung bei Personen- und Aktiengesellschaften durch eine sog Vertreterklausel, ZEV 2002, 343; Schrötter Der Schutzgemeinschaftsvertrag, NJW 1979, 2592; Schwichtenberg Gemeinschaftliche Berechtigung bei Geschäftsanteilen bzw Aktien, die zum Gesellschaftsvermögen einer OHG oder KG gehören, DB 1976, 375; Singhof Die Außenhaftung von Emissionskonsortien für Aktieneinlagen, 1998.

I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck 1

Die Norm regelt die für die Verwaltung einer Inhaberschaft an einer Aktie durch mehrere Berechtigte nötigen Rechte und Pflichten gegenüber der Gesellschaft. Regelungsziel ist der Schutz der Gesellschaft vor Nachteilen und Unsicherheiten, die sich aus einer solchen Rechtsgemeinschaft an einer Aktie ergeben können. 1 § 6 9 betrifft nicht das Verhältnis der mehreren Berechtigten untereinander, sondern ausschließlich ihr Verhältnis zur Aktiengesellschaft. 2 Indem § 6 9 die Möglichkeit einer Rechtsgemeinschaft an einer Aktie voraussetzt, stellt die Vorschrift klar, dass neben der Übertragung von treuhänderischen Befugnissen auch die Bildung einer Rechtsgemeinschaft iSd §§ 7 0 5 , 741, 2 0 3 2 B G B zulässig ist. 3 Die Regelung bezweckt allein den Schutz der Gesellschaft vor den Nachteilen und Erschwernissen, die sich aus der Existenz mehrerer Berechtigter ergeben können. 4

2

Die Vorschrift steht nicht im Widerspruch zu § 8 Abs 5, wonach Aktien unteilbar sind, denn bei § 6 9 geht es um die Rechtsgemeinschaft an einer ungeteilten Mitgliedschaft. 5 Die Unteilbarkeit iSd § 8 Abs 5 meint hingegen, dass eine Aktie nicht in mehrere je für sich bestehende Mitgliedsrechte aufgeteilt werden kann. Weder der Aktionär noch die Gesellschaft können daher eine solche sog. Realteilung vornehmen. Entsprechende Rechtsgeschäfte wären gem § 134 B G B nichtig. 6 Unzulässig und nichtig ist auch die Abtrennung von Verwaltungsrechten, etwa des Stimmrechts oder der Anfechtungsbefugnis, von der Mitgliedschaft, weil das subjektive Recht des Mitglieds notwendig einheitlich und so der Fremdbestimmung entzogen ist. 7 Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 717 S 1 B G B in seiner aktienrechtlichen Ausprägung. 8 Allerdings war die genaue Abgrenzung vor der Einführung der Regelung durch § 63 AktG 1937 umstritten. 9

3

Den praktischen Hauptanwendungsfall der Norm stellen Namensaktien dar. 1 0 Die Norm gilt allerdings sowohl für Inhaber- und Namensaktien als auch für unverkörperte Mitgliedschaftsrechte. 1 1 Die Art der Verbriefung ist für die Anwendung des § 6 9 unerheblich. Mit Rücksicht auf ihren Schutzzweck ist die Norm zwingend iSv § 2 3 Abs 5 und

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3 4

5 6 7

AnwKomm/Lohr 1. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 2; MünchKomm/Bayer 2. Hüffer § 8 Rdn 30, 1. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 2; Hüffer 1; MünchKomm/ßjyer 2. MünchKomm/ßijyer 1. Hüffer § 8 Rdn 30. Allgemein Ansicht vgl nur RGZ 132, 149, 159; BGH NJW 1987, 780; Hüffer § 8 Rdn 30.

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9

10 11

Überblick bei Reichert/Harbarth AG 2001, 447, 448. Zum Streitstand: Düringer/Hachenburg/ Flechtheim Ergänzungsband zur Erläuterung des Handelsgesetzbuches, § 225 Anm 1. Hüffer 1. Gek\er/Hefermehl/Bungeroth 4; KKJLutter 3; Hüffer 1.

Stand: 1.11.2007

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§ 69

damit nicht durch Satzungsbestimmungen abdingbar. 1 2 Eine inhaltlich entsprechende Regelung für das Recht der G m b H findet sich in § 18 G m b H G . 1 3 2 . Geschichte der Norm Der heutige § 6 9 AktG stimmt fast vollständig mit dem früheren § 6 3 AktG 1937 überein. Gegenüber dem früheren Recht wurde lediglich Abs 3 S 1 genauer gefasst, indem auf die Benennung des gemeinschaftlichen Vertreters gegenüber der Gesellschaft und nicht mehr (so das alte Recht) auf seine bloße Bestellung abgestellt wird. 1 4 Seit der Einführung des AktG 1965 wurde die Vorschrift nicht geändert.

4

3. Bedeutung der Vorschrift Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist gering, weil eine solche Rechtsgemeinschaff kaum vorkommt. Dieser Befund spiegelt sich darin wider, dass sich jedenfalls bislang nur eine sehr geringe Anzahl von Gerichtsentscheidungen mit dieser Norm auseinandergesetzt hat. 1 5 Seit der Anerkennung der Außenrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat sich auch die Anwendung auf den sog Schutzgemeinschaftsvertrag erledigt. 16

5

4 . Systematik des § 6 9 Die drei Absätze des § 6 9 regeln jeweils unterschiedliche Interessenlagen. Abs 1 schafft im Interesse der Gesellschaft Klarheit darüber, wie die Rechte aus der Aktie ausgeübt werden können. Indem Abs 2 eine gesamtschuldnerische Haftung der mehreren Berechtigten anordnet, wird die Sicherheit für die Erfüllung der mit der Aktie verbundenen Pflichten erhöht. Schließlich dient Abs 3 dazu, der Gesellschaft den Umgang mit einer Rechtsgemeinschaft an einer Aktie dadurch zu erleichtern, dass die Berechtigten der Gesellschaft einen Vertreter benennen und dass falls dies nicht geschieht die Abgabe einer Erklärung gegenüber einem der Berechtigten genügt. Da § 6 9 regelmäßig nur auf Namensaktien Anwendung findet, gehört die Norm systematisch in den Regelungsbereich der §§ 67, 6 8 . 1 7

6

Π. Eine Aktie und mehrere Berechtigte 1. Inhaber- und Namensaktien Wie bereits ausgeführt, findet die Vorschrift grundsätzlich auf alle Arten von Aktien Anwendung. Es ist unerheblich, ob es sich insoweit um Inhaber- oder Namensaktien, um verkörperte oder unverkörperte Aktien handelt. 1 8 Hauptanwendungsfall sind jedoch

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 2; Hüffer 1; MünchKomm/ßayer 3; KK/Lutter 10, 22 f,

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28. 13 14 15

(3)

Hüffer 1; MünchKomm/Bjyer 3. Kropff AktG, 1965, 88 f. Vgl nur RGZ 137, 305; BGHZ 78, 311 = NJW 1981, 682; BGHZ 108, 21 = NJW 1989, 2694; BayObLG AG 1968, 330; KG JW 1930, 793; KG JW 1930, 1009; KG AG 1972, 49.

17 18

Vgl dazu Schrötter NJW 1979, 2595; ders Die Grenzen der Abschließbarkeit personenbezogener Aktiengesellschaften gegenüber unerwünschten Beteiligungen nach deutschem, schweizerischen und französischem Recht, 1976, S 125. MünchKomm/ßayer 4. Allgemeine Meinung vgl Hüffer 1; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 4; KK/Lutter 3; MünchKomm/Bayer 4; AnwKomm/Lohr 2.

Hanno Merkt

7

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Namensaktien, für die mehrere Berechtigte im Aktienregister eingetragen sind. Dies folgt mittelbar schon aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Anschluss an die §§ 67, 68. Die praktische Bedeutung für Inhaberaktien ist auch im Hinblick auf den Inhalt der Vorschrift gering. Die Anwendung des § 6 9 Abs 1 auf Inhaberaktien scheitert schon daran, dass sich bei Inhaberpapieren die Legitimation allein nach dem Besitz der Aktien richtet. 1 9 Ferner wird die in § 6 9 Abs 2 angeordnete Gesamtschuldnerschaft wegen § 10 Abs 2 oder § 5 5 Abs 1 S 1 regelmäßig nicht eintreten. 2 0 Und schließlich ist auch für die Mehrzahl der unter Abs 3 fallenden Willenserklärungen das Vorliegen einer Namensaktie nötig. 2 1 2 . Fallgruppen der Mitberechtigung 8

a) Grundsatz: Dingliche Zuordnung. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Aktie mehreren Berechtigten zusteht. Damit ist allein die dingliche Zuordnung der Mitgliedschaft zu mehreren Personen gemeint. 2 2 Die Norm gilt sowohl für Bruchteilsgemeinschaften als auch für Gesamthandsgemeinschaften. 23 Die kausale Grundlage für die dingliche Zuordnung ist unerheblich. 2 4 Sie kann rechtsgeschäftlich, etwa durch Miteigentum als Folge eines gemeinschaftlichen Erwerbs, oder gesetzlich begründet sein. 2 5 Hauptfall der gesetzlichen Zuordnung ist die durch Erbeinsetzung entstandene Erbengemeinschaft. 2 6

9

Nicht ausreichend ist hingegen eine Mitberechtigung auf schuldrechtlicher Grundlage, etwa eine stille Beteiligung iSd § 2 3 0 H G B oder eine Unterbeteiligung. 2 7 Erforderlich ist außerdem eine Zuordnung auf gleicher Ebene, dh der Aktionär und der Inhaber eines beschränkt dinglichen Rechts an dem Papier, etwa eines Pfandrechts oder im Falle des Nießbrauchs, bilden keine Rechtsgemeinschaft. Allein berechtigt und verpflichtet bleibt in diesen Fällen der Aktionär. 2 8

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Es spielt für § 6 9 keine Rolle, ob die Mitberechtigung originär mit der Aktie oder erst später entstanden ist. 2 9 Zu beachten ist, dass die Regelung auf die einzelne Aktie abstellt. Wenn mehreren Berechtigten also mehrere Aktien gemeinsam zustehen, kann für jede Aktie theoretisch ein anderer gemeinschaftlicher Vertreter bestellt werden. 3 0 Auf diese Weise kann man faktisch eine Aufteilung der Mitgliedschaftsrechte, insbesondere des Stimmrechts, schon vor Auflösung der Rechtsgemeinschaft auf die einzelnen Mitberechtigten erreichen. Dabei sind allerdings die Bindungen im Innenverhältnis zu beachten.

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b) Keine Anwendung auf juristische Person und Personenhandelsgesellschaft. Nach dem klaren Wortlaut setzt § 6 9 zwei oder mehr Berechtigte voraus. Die Norm findet also

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MünchKomm/Bayer 4. MünchKomm/Bizyer 4. Im Einzelnen zur Regelung des § 6 9 Abs 3 Rdn 65 ff. Allgemeine Meinung vgl AnwKomm/Lofcr 3;

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Bayer 5.

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 5 f; Hüffer 2;

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KK/Lutter 4 ; MünchKomm/Bayer 5; in: MünchenerHdbAG/Sem/er § 3 6 Rdn 9. Unstreitig: G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 6; Hüffer 2 , 3 ; KK/Lutter 4; MünchKomm/

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Bayer 5.

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MünchKomm/Biryef· 5. Untstreitig: G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 6; KK/Lutter 4 ; MünchKomm/Bayer 5.

Näher dazu BayObLG AG 1968, 3 3 0 , 331. Allgemeine Meinung: vgl G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 5; KK/Lutter 4; MünchKomm/ Allgemeine Meinung: GeßXer/Hefermehl/ Bungeroth 6; KK/Lutter 4 ; MünchKomm/ Bayer 5; zur Unterbeteiligung bei § 18 GmbHG vgl O L G Frankfurt/Main GmbHR 1987, 57, 5 8 . Wiederum unstreitig: G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 6; KK/Lutter 4 ; MünchKomm/

Bayer 5.

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KKJLutter

Stand: 1.11.2007

5; MünchKomm/Bayer 6.

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

keine Anwendung, wenn die Aktie nur einem Rechtsträger zusteht. Dies gilt nach allgemeiner Ansicht für natürliche und juristische Personen. 31 Bei Gesellschaften mit dem Status einer juristischen Person (AG, GmbH) schließt die mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit versehene gesellschaftsrechtliche Hülle einen Durchgriff auf die einzelnen Anteilseigner aus. Nach inzwischen ganz h M erstreckt sich § 69 auch nicht auf Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG). 32 Ihre Rechtsträgereigenschaft ist durch die §§ 124, 161 Abs 2 HGB zwischenzeitlich allgemein anerkannt. Ferner besteht für sie auch eine Registerpublizität. c) Keine Anwendung auf (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Umstritten ist hingegen die Anwendbarkeit des § 69 auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. 33 Nach richtiger Ansicht ist § 69 auf die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts weder direkt noch analog anzuwenden, weil die Gesellschaft als teilrechtsfähige Einheit selbst Zurechnungsobjekt ist. 34 Lediglich im Fall der reinen Innengesellschaft bleibt es bei der Regelung des § 69. Das Problem besteht indessen nur im Hinblick auf § 69 Abs 1 und 3. Für die Haftungsvorschrift des § 69 Abs 2 ist die dogmatische Einordnung letztlich unerheblich. Selbstverständlich haftet der Aktiengesellschaft neben dem Gesamthandsvermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch das Privatvermögen ihrer Gesellschafter. 35 Da die neuere Rechtsprechung des BGH die unbeschränkte Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts bejaht, 36 kommt insoweit lediglich eine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht. Diese ist nämlich, soweit sie sich nicht in einer reinen Innengesellschaft erschöpft, nicht nur unbegrenzt gründungsfähig, sondern auch Rechtsträger der Aktien in Rahmen des § 69. 3 7 Formal fehlt es damit an dem Merkmal der mehreren Berechtigten.

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Die Tatsache, dass auch die unternehmenstragende Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerade nicht als GbR, sondern nur als oHG in das Handelsregister eingetragen werden kann, ist für die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 69 nicht erheblich. 38 Es fehlt insoweit bereits an der regelungsbedürftigen Lücke. Die Aktiengesellschaft ist bei Namensaktien nämlich nicht auf den Schutz durch die Handelsregisterpublizität angewiesen. Vielmehr speichert sie alle erforderlichen Daten in ihrem eigenen Aktienregister. Bei einer

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Hüffer 3; KKJLutter 7; MünchKomm/ Bayer 7. Vgl AnwKomm/Lohr 4; Baumbach/Hueck 2; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 7; Hüffer 3; KKJLutter 7; MünchKomm/ßijyer 7; HdbAG/Ni>£ 3 494; ebenso zum früheren Recht Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 2; aA noch Schwichtenberg DB 1976, 375 f; Ritter § 63 AktG 1937 Anm lb; wie hier auch die allgemeine Ansicht zu § 18 GmbHG. Für eine Anwendung: Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 7; KKJLutter 7; MünchKomm/ Bayer 8 (analoge Anwendung von § 69 Abs 1, 3); ausführlich Singhof Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S 201 ff; zu § 18 GmbHG auch BGHZ 78, 316; Zutt in Hachenburg GmbHG § 18 Rdn 6; LutterlHommelhoff GmbHG § 18 Rdn 2; baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG

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§ 18 Rdn 2; Scholz/Winter GmbHG § 18 Rdn 7; Roth/Altmeppen GmbHG § 18 Rdn 3; aA Hüffer 3 und zu § 18 GmbHG: Rohwedder GmbHG § 18 Rdn 1; Koch ZHR 146 (1982), 118, 127 ff. Hüffer 3. BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483; dazu Rei/f N Z G 2000, 281; Huep NZG 2000, 285; Kindl WM 2000, 697; Wolf'WM 2000, 704; Goette DStR 1999, 1707; Henze BB 1999, 2260; MünchKomm/Bayer 8. BGH NJW 2001, 1056; vorher schon zur Teilrechtsfähigkeit BGHZ 138, 82 = NJW 1998, 1220; allgemein zu dieser Problematik: Grunewald Gesellschaftsrecht 4 95 ff; K. Schmidt Gesellschaftsrecht 4 § 60 II 1. (S 1771 ff). MünchKomm/ßayer 8. Anders MünchKomm/Bayer 8.

Hanno Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Gesellschaft bürgerlichen Rechts steht es dabei der Aktiengesellschaft grundsätzlich frei, ob sie neben der GbR selbst zusätzlich die Namen aller Gesellschafter einträgt. Es ist zwar richtig, dass bei einer aus Gründen der Rechtssicherheit erfolgten Eintragung aller Gesellschafter in das Aktienregister offen bleibt, ob für die Gesamtvertretung aller Gesellschafter Einzelvertretung oder eine beschränkte Gesamtvertretung gilt. 3 9 Das betrifft aber nur das Innenverhältnis der GbR, das für die Aktiengesellschaft grundsätzlich irrelevant ist. Vielmehr wird sie im Außenverhältnis mit einem Vertreter der GbR konfrontiert werden, dessen Verhalten sich die GbR zumindest nach Rechtsscheinsgesichtspunkten wird zurechnen lassen müssen. 40 Ein besonderer Nachteil im Vergleich zur Situation bei Personenhandelsgesellschaften droht der Gesellschaft nicht. Für den Fall der Inhaberaktien besteht schon bei tatsächlichem Vorliegen einer Mehrheit von Berechtigten aufgrund der Legitimationswirkung allein durch den Besitz der Aktienurkunde kein Bedürfnis für eine Anwendung des § 69 Abs 1, so dass erst recht keine Analogie geboten ist. Auch eine Zustellung an die GbR ist der Gesellschaft stets möglich, so dass für die in § 69 Abs 3 geregelte Zugangserleichterung kein Raum ist. 14

d) Weitere ausgenommene Gesamthandsgemeinschaften, nicht-rechtsfähiger Verein. Bei anderen Gesamthandsgemeinschaften ist eine Anwendung des § 69 nicht möglich, wenn sie als teilrechtsfähige Wirkungseinheiten selbst Zuordnungssubjekt sind. 41 Dies betrifft etwa Vorformen der Kapitalgesellschaften und andere Verbände mit gesamthänderischer Vermögenszuordnung. Im Übrigen sind Gesamthandsgemeinschaften allerdings als Mehrheit von Berechtigten zu behandeln. 42 Praktisch verbleiben als Anwendungsfälle für § 69 lediglich die Erben- und die Gütergemeinschaft. 43 Die neuere Rechtsprechung des BGH zur Außenrechtsfähigkeit der GbR hat nicht zur Folge, dass eine eigene Rechtsfähigkeit der Gütergemeinschaft und der Erbengemeinschaft anzunehmen ist. 4 4 Auf den nicht-rechtsfähigen Verein ist § 69 ebenfalls nicht anzuwenden. Das gilt schon im Hinblick auf die körperschaftliche Struktur des Rechtsträgers, die die Annahme einer Mehrheit von Berechtigten ausschließt. 45 Auch im Hinblick auf eine fehlende Handelsegisterpublizität lässt sich eine analoge Anwendung nicht rechtfertigen. 46 Die Gesellschaft ist nicht schutzbedürftig. Eine Regelungslücke liegt nicht vor. 4 7

15

e) Personenmehrheit mit gesetzlichem Vertreter. Bestimmte Personenmehrheiten sind schon kraft Gesetzes dazu verpflichtet, einen Vertreter zu bestellen. Das Erfordernis der Vertreterbestellung besteht mit dieser Maßgabe zunächst bei Bruchteilsgemeinschaften iSv §§ 741 ff BGB. 4 8 Testamentsvollstrecker und vergleichbare Amtswalter sind kraft ihres gesetzlich ausgestalteten Amtes gemeinschaftliche Vertreter iSd § 69 Abs 1. Für die

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So MünchKomm/Bijyer 8. Anders MünchKomm/Bayer 8. So schon Hüffer 3; ders in Hachenburg GmbHG § 48 Rdn 17. GeßkdHefermehl/Bungeroth 7; KKJLutter 7 mit Ausnahme für den nicht eingetragenen Verein. Hüffer 3. AnwKomm/Lohr 4 unter Hinweis auf Eberl-Borges ZEV 2 0 0 2 , 125 ff, die die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft bejaht.

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Ganz hM: Hüffer 3; KKJLutter 7; ebenso zu § 18 GmbHG: Zutt in Hachenburg GmbHG § 18 Rdn 12; Lutter/Hommelhoff GmbHG § 18 Rdn 2; Roth1Altmeppen GmbHG § 18 Rdn 3; aA MünchKomm/Bayer 9; zu § 18 GmbHG: Scholz/Winter GmbHG § 18 Rdn 7. Anders MünchKomm/ßayer 9. S ο Rdn 13. Hüffer 2.

Stand: 1.11.2007

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

Bestellung eines weiteren Vertreters ist dann kein Raum. 4 9 Das gleiche gilt, wenn aufgrund eines Rechtsgeschäfts ein Ehegatte zum Verwalter des Gesamtguts im Rahmen der ehelichen Gütergemeinschaft nach § 1421 S 1 BGB berufen wird. 5 0 Im Übrigen kommt die Vorschrift des § 69 zur Anwendung. 51 f) Dauerglobalurkunden. Von dem Erfordernis einer Vertreterbestellung ist die Giro- 16 Sammelverwahrung gem §§ 5 ff DepotG auszunehmen. 52 Dies entspricht der gängigen Praxis. Dagegen sind keine durchgreifenden Bedenken zu erheben. 53 Zwar besteht bei an den nach § 6 Abs 1 DepotG im Sammelbestand des Verwahrers hinterlegten Dauerglobalurkunde Miteigentum aller Hinterleger und damit eine Bruchteilsgemeinschaft iSd §§ 741 ff BGB. Allerdings verbrieft die Dauerglobalurkunde nicht eine Aktie iSd § 69, sondern die Gesamtheit der einzelnen Mitgliedschaften. Die bloße Tatsache, dass die Verbriefung gem § 10 Abs 5 ausgeschlossen wurde, berührt deren Inhalt nicht. Da § 69 lediglich den Fall erfasst, bei dem an einem individualisierten, nicht weiter teilbarem Mitgliedschaftsanteil eine Mehrheit von Berechtigten existiert, meint das Wort „Aktie" mit Rücksicht auf die neueren Tendenzen zur Girosammeiverwahrung in einer Dauerglobalurkunde lediglich die individuelle Mitgliedschaft. Trotz der rechtlichen Konstruktion der Bruchteilsgemeinschaft ist jeder Aktionär wirtschaftlich hinsichtlich seines nominellen Miteigentumsanteils als Alleininhaber zu qualifizieren. 54 Der Tatbestand des § 69 liegt somit nicht vor. Wollte man dennoch am Gesetzeswortlaut festhalten und die Dauerglobalurkunde als Aktie iSd § 69 qualifizieren, so müsste man zumindest annehmen, dass der Verwahrer jeden Hinterleger hinsichtlich der ihm jeweils zustehenden Aktien konkludent zum gemeinsamen Vertreter aller Hinterleger bestellt hat. 5 5

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g) Analoge Anwendung. Bestimmte Aktionäre, insbesondere Personen- und Kapital- 1 8 gesellschaften, können nicht selbst, sondern nur durch Vertreter handeln. Dabei sind diese Gesellschaften frei, einen oder mehrere Vertreter als Einzelvertreter oder beschränkte Gesamtvertreter zu bestellen. Sind mehrere Vertreter bestellt, ergibt sich auch hier das Problem der Zuständigkeit gegenüber der Gesellschaft. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts. Die Lage ähnelt damit der Situation, dass mehrere Berechtigte Inhaber einer Aktie sind. Die hM sieht hier eine planwidrige Lücke im Aktiengesetz und wendet die Schutzregelung des § 69 Abs 1 analog an. 5 6 Soweit beschränkte Gesamtvertretung besteht, erscheint dies sachgerecht. Denn es wird sichergestellt, dass die Gesellschaft jederzeit Kenntnis davon hat, wer die Rechte aus der Aktie ausübt.

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52

(7)

Allgemeine Ansicht: Baumbach/H«ec& 2; G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 8; Hüffer 3; KK/Lutter 8; MünchKomm/ßayer 10. Heute wohl unstreitig. Frühere aA bezüglich der ehelichen Gütergemeinschaft: Schlegelberger/Quassou/ski § 63 AktG 1937 Anm 2. Heute allgemeine Meinung: G e ß l e r / H e f e r mehl/Bungeroth 8; KKJLutter 8; MünchKomra/Bayer 10. AnwKommJ Lohr 5; Geß\ei/Hefermehl/ Bungeroth 9 f; Hüffer 2; KKJLutter 13; Heinsius/Horn/Than § 6 DepotG Rdn 53; zum früheren Recht schon Schlegelbergerl

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Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 2; allgemein zu den Möglichkeiten der Wertpapierverwahrung: MentzJFröhling NZG 2002, 201, 2 0 4 ff. Geßler/Hefermehl/Bungerotb 9 f; Hüffer 2; KK/Lutter 13; MünchKomm/ßayer 11; speziell zum DepotG: Heinsius/Horn/Than § 6 DepotG Rdn 53. MünchKomm/Bayer 11. KK/Lutter 11. G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 33; KK/Lutter 9; MünchKomm/ßjyer 12; ausführlich Großfeld/Spennemann AG 1979, 128 ff m w N .

H a n n o Merkt

§ 69

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Anders verhält es sich bei einer unbeschränkten Gesamtvertretung. Hier ist eine analoge Anwendung von § 69 Abs 1 nicht angezeigt. 57 Zwar ist die Konstellation der Gesamtvertretung der gesetzlich geregelten Mitberechtigung durchaus vergleichbar, weil in beiden Fällen die Mitgliedschaftsrechte nur bei Einigkeit ausgeübt werden können. Dennoch wäre eine analoge Anwendung nicht interessengerecht: Der Aktionär setzt in diesem Fall bewusst auf das Mittel der Gesamtvertretung, um sich vor einem nachteiligen Vertreterhandeln zu schützen. Dieses Interesse ist schützenswert und darf nicht durch eine analoge Anwendung von § 69 Abs 1 beeinträchtigt werden. 58 Zu beachten ist dabei, dass es auch den mehreren Berechtigten freisteht, als gemeinschaftliche Vertreter iSd § 69 Abs 1 mehrere Personen in Gesamtvertretung zu bestellen. 59 3. Eintragung im Aktienregister

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Eine Mitberechtigung iSd § 69 liegt bei Namensaktien gegenüber der Gesellschaft immer nur dann vor, wenn die mehreren Berechtigten im Aktienregister als Aktionäre eingetragen sind. 60 Die tatsächliche materielle Rechtslage ist im Verhältnis zur Gesellschaft unerheblich. Zwischenzeitliche Veränderungen sind vor der Umschreibung des Aktienregisters nicht zu berücksichtigen. 61 Eine Ausnahme ist im Falle der Erbfolge durch mehrere Erben zu machen. Durch den Erbfall rücken die Erben im Wege der Universalsukzession gem § 1922 BGB in die Aktionärsstellung ein. Die Eintragung als Aktionär iSv § 67 Abs 2 geht als Vermögenswerte Rechtsposition mit dem Erbgang auf den oder die Erben über. Erst mit der Eintragung entsteht eine eigenständige und von der Erbschaft losgelöste Verpflichtung der eingetragenen Erben. Vorher gelten sie gegenüber der Gesellschaft als Mitinhaber der Aktie und unterliegen der Bestimmung des § 69. 62 4. Beendigung der Mitberechtigung

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§ 69 setzt die Mitberechtigung mehrerer an einer Aktie voraus. Wird die Inhaberaktie auf einen Mitinhaber zu alleinigem Recht übertragen oder an einen Dritten veräußert, wird § 69 unanwendbar. Bei Namensaktien kommt es dabei nicht auf den Zeitpunkt der Veräußerung, sondern den der Umtragung im Aktienregister an. 6 3 Zur Nachwirkung der gesamtschuldnerischen Haftung über die Beendigung hinaus vgl unten Rdn 60.

III. Rechtsausübung durch einen gemeinschaftlichen Vertreter 23

Die mehreren Berechtigten können gem § 69 Abs 1 ihre Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben.

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KKJLutter 9 mwN aus dem älteren Schrifttum; MünchKomm/ßayer 13. KKJLutter 9; MünchKomm/ßayer 13. MiinchKomm/ßayer 13, 17. Hiiffer 2; KKJLutter 6; MünchKommVBayer 14.

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 11, 13; Hüffer 2; KKJLutter 6, 10; MünchKomm/ Bayer 14. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 12; aA MünchKomm/Bayer 14. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 13.

Stand: 1.11.2007

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

1. Person des Vertreters a) Grundsatz: Auswahlfreiheit. In der Auswahl ihres Vertreters sind die Aktionäre grundsätzlich frei. Es besteht insoweit keine Rechtspflicht gegenüber der Gesellschaft. Da die Rechte ohne den gemeinschaftlichen Vertreter jedoch nicht ausübbar sind, besteht ein faktischer Druck zur Bestellung eines Vertreters. Gemeinschaftlicher Vertreter iSv § 69 Abs 1 kann jede natürliche oder juristische Person sein. In Betracht kommt ohne weiteres auch die Bestellung eines Vertreters aus dem Kreise der mehreren Berechtigten. Auch Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrates der Gesellschaft können zum gemeinschaftlichen Vertreter bestellt werden. In diesem Fall ist allerdings der Stimmrechtsausschluss nach § 136 Abs 1 zu beachten. 64 Eine Beschlussfassung des gemeinschaftlichen Vertreters über seine Entlastung als Vorstandsmitglied ist nicht möglich.

24

b) Ausnahme: Gesetzlicher Vertreter. Die mehreren Berechtigten können dann keinen gemeinschaftlichen Vertreter bestimmen, wenn bereits ein gesetzlicher Vertreter, etwa der Testamentsvollstrecker einer Erbengemeinschaft, bestellt wurde. 6 5 Dann übt der gesetzliche Vertreter die Funktion des gemeinschaftlichen Vertreters allein aus. 6 6

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c) Vertretung durch mehrere Personen. Eine Vertretung durch mehrere Personen ist 2 6 zulässig. 67 Dies erfordert der Schutz des Aktionärs vor nachteiligen Handlungen des Vertreters. 68 Insbesondere können auch alle Mitglieder der Rechtsgemeinschaft zu Gesamtvertretern bestellt werden. 6 9 Dabei muss aber immer eine Ermächtigung zur Gesamtvertretung ausgesprochen werden. 7 0 Nur so kann dem Interesse der Gesellschaft an einer einheitlichen Willensbildung Genüge getan werden. Unzulässig ist hingegen die mehrfache Einzelvertretung, weil sie dem Ziel der einheitliehen Ausübung der Aktionärsrechte zuwiderlaufen würde. 7 1 Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass lediglich ein berechtigter Aktionär mehrere Einzelvertreter bestellt hat. Auf diese Konstellation findet § 69 Abs 1 analoge Anwendung. 7 2

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d) Keine Legitimationswirkung der Vertretereintragung. Die Eintragung der gemeinschaftlichen Berechtigung in das Aktienregister ist möglich. 73 Als sonstige Tatsache unterliegt sie aber nicht der Legitimationswirkung des § 67 Abs 2. 7 4 Vielmehr ist sie im Hinblick auf § 67 Abs 2 als nicht geschrieben zu behandeln. Die Situation ist nicht mit

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Unstreitig, vgl AnwKomm/Lofcr 8; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 21; KKILutter 17; MünchKomm/ßa yer 15. A n w K o m m / L o h r 6; Geßler/HefermehU Bungeroth 2 4 , 26; Hüffer 4; KYJLutter 14; MünchKommIBayer 16. S ο Rdn 15. A n w K o m m / L o h r 8; Baumbach/Hueck 3; ν Godin/Wilhelmi 3; KYJLutter 18. Wiederum unstreitig: Geßler/HefermehU Bungeroth 22; Hüffer 4; YXJLutter 18; MünchKomm/ßayer 17. MünchKomm/ßayer 17. GtßletlHefermehl/Bungeroth 22; aA ν Godin/Wilhelmi 3, die eine Vertretung durch Vertreter mit unabhängig voneinander

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bestehender Einzelvertretungsmacht für zulässig halten. Anders - soweit ersichtlich - nur ν Godin/ Wilhelmi 3. S ο Rdn 18. In diesem Sinne auch Baumbach/Hueck 3; KYJLutter § 6 7 Rdn 9; M ü n c h K o m m / B a y e r 18, § 6 7 Rdn 34; ν Godin/Wilhelmi 3; aA G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 23. Sehr strittig. Gegen die Legitimationswirkung auch: G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 23, § 67 Rdn 12; Hüffer § 67 Rdn 5; KYJLutter § 6 7 Rdn 9; für eine analoge Anwendung von § 67 Abs 2: M ü n c h K o m m / ß ^ e r 18; § 6 7 Rdn 34; Großkomm/Barz Voraufl § 6 9 Anm 7; ν Godin/Wilhelmi 3.

H a n n o Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

dem Ausnahmefall eines beschränkt dinglichen Rechts, etwa eines Pfandrechts oder eines Nießbrauchs, zu vergleichen, für die eine Legitimationswirkung analog § 67 Abs 2 besteht. Es besteht wegen der allgemeinen Grundsätze über die Duldungs- und Rechtscheinsvollmacht (§§ 170, 173 analog BGB) aber auch gar kein Bedürfnis, dem gemeinschaftlichen Vertreter die unwiderlegliche Vermutung der Vertreterberechtigung für den Ausnahmefall zuzuerkennen, dass die mit der Angabe konkludent bekannt gemachte Vollmacht im Innenverhältnis nicht oder nicht mehr besteht. 75 Ferner ist zu bedenken, dass der Zweck des Aktienregisters darin besteht, die Rechtsinhaber an der Aktie gegenüber der Gesellschaft verbindlich sichtbar zu machen. Hinsichtlich der übrigen Rechtsverhältnisse besteht lediglich ein Informationsinteresse der Gesellschaft, dem jedoch kein Schutzbedürfnis gegenübersteht. Es wäre zudem unpraktisch, jede Veränderung allein durch Löschung und Neueintragung analog § 67 Abs 3 durch Mitteilung und Nachweis gegenüber der Gesellschaft vorzunehmen. 76 Vielmehr sollten solche Änderungen durch formlose Benachrichtigung erfolgen. 2. Gesetzlicher Vertreter 29

Eine im Eigentum mehrerer Berechtigter stehende Aktie kann Teil eines Sondervermögens sein, für das kraft Gesetzes oder allgemein wirkenden Rechtsgeschäfts bereits ein Vertreter vorhanden ist. Dieser erfüllt zugleich die Voraussetzungen des § 69 Abs l . 7 7 Das gilt für die Erbengemeinschaft etwa in Fällen der Testamentsvollstreckung, der Nachlassverwaltung und der Nachlassinsolvenz. 78 Allerdings können auch mehrere Testamentsvollstrecker vorhanden sein. Die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters ist in diesen Fällen dann erforderlich, wenn jeder von ihnen aufgrund besonderer Anordnung des Erblassers iSv § 2 2 2 4 Abs 1 S 3 BGB auch allein handeln kann. 7 9

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Bei der (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters schon deshalb nicht nötig, weil aufgrund ihrer Teilrechtsfähigkeit kein Fall des § 69 Abs 1 vorliegt. Aber auch bei einer reinen Innengesellschaft braucht wegen der Vertretungsregelung des § 714 BGB kein besonderer gemeinschaftlicher Vertreter bestellt zu werden. 80 § 69 Abs 1 kommt nur dann direkt (Innengesellschaft) oder analog (Außengesellschaft) zur Anwendung, wenn im Einzelfall mehreren Gesellschaftern nebeneinander Einzelvertretungsmacht erteilt wurde. 81

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Auch bei der ehelichen Gütergemeinschaft bedarf es keiner zusätzlichen Vertreterbestellung. Im Fall der alleinigen Verwaltungsberechtigung eines Ehegatten ist dieser gemeinschaftlicher Vertreter; bei gemeinschaftlicher Vertretung durch beide Ehegatten sind beide gemeinschaftliche Vertreter. 82 3. Voraussetzungen der Vertreterbestellung

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Die Voraussetzungen der Bestellung des gemeinschaftlichen Vertreters richten sich nach den Vereinbarungen bzw gesetzlichen Vorschriften der jeweiligen Rechtsgemein-

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Die Eintragung für nicht erforderlich halten auch: Baumbach/Hwecfe 3; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 23; ν Godin/Wilhelmi 3; Schlegelberger/Quassowski § 63 Anm 3; aA mit beachtlichen Argumenten MünchKomm/Bayer 18, § 67 Rdn 34. So aber MünchKomm/ßayer 18. S ο Rdn 15; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 24. Baumbach/Hwecfc 3; ν Godin/Wilhelmi 3;

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 24; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 3. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 24; aA ν Godin/Wilhelmi 3. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 25. S ο Rdn 18. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 25; ν Godin/ Wilhelmi 3.

Stand: 1.11.2007

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

schaft. So ist etwa bei der Erbengemeinschaft die Bestellung des gemeinschaftlichen Vertreters keine Verfügung über den Nachlassgegenstand iSd § 2 0 4 0 B G B , sondern eine Verwaltungsmaßnahme gemäß § 2 0 3 8 BGB. Somit reicht gem § 2 0 3 8 Abs 2 S 1 iVm § 745 Abs 1 S 1 B G B eine einfache Mehrheit bei der Beschlussfassung für eine wirksame Bestellung aus. 8 3 Wie schon gesehen wird der gemeinschaftliche Vertreter von den mehreren Berechtigten an der Aktie durch Bevollmächtigung bestellt, soweit die Wahrnehmung der Rechte nicht durch den gesetzlich bestimmten Amtswalter oder in ähnlicher Weise erfolgt. 8 4 a) Bestellung als Obliegenheit. Die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters ist als Obliegenheit zu qualifizieren. 85 Eine Pflicht der Rechtsgemeinschaft, einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestellen, besteht indes nicht. 8 6 Vielmehr besteht lediglich ein faktischer Eintragungsdruck für die mehreren Berechtigten. Unterlassen sie nämlich die Bestellung des gemeinschaftlichen Vertreters, dann können sich ihre Mitgliedschaftsrechte nicht ausüben. Zudem müssen sie Willenserklärungen der Gesellschaft sich gegenüber gem § 6 9 Abs 3 S 1 schon dann gelten lassen, wenn sie gegenüber einem Berechtigten abgegeben wurden. Wegen dieser Regelung besteht auch kein Schutzbedürfnis der Gesellschaft, welches eine Pflicht zur Vertreterbestellung rechtfertigen würde.

33

b) Erteilung und Form der Vollmacht. Für die Erteilung und die Form der Vollmacht enhält § 6 9 keine spezielle Regelung. Daher gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 167 ff B G B . 8 7 Diese sind gegebenenfalls durch das Innenrecht der jeweiligen Rechtsgemeinschaft modifiziert. 8 8 Die Vollmacht kann damit gem § 167 Abs 1 B G B sowohl dem gemeinschaftlichen Vertreter als auch der Gesellschaft gegenüber erteilt werden.

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Weiterhin bestehen grundsätzlich keine besonderen Formerfordernisse. 8 9 Eine mündliehe Bevollmächtigung ist daher zulässig. Nach § 167 Abs 2 B G B bedarf die Vollmachtserteilung insbesondere nicht der Form, die für das der Vollmacht zugrundeliegende Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist. Nur bei einseitigen Rechtsgeschäften kann wegen § 174 S 1 B G B die Erteilung einer Vollmachtsurkunde angebracht sein. 9 0 Anderenfalls wird die Gesellschaft diese Geschäfte des Vertreters zurückweisen. Die Aktiengesellschaft kann auch über den Anwendungsbereich des § 174 S 1 B G B hinaus bei bestehenden Zweifeln zum Nachweis der Bevollmächtigung die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht verlangen. 91

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Soweit jedoch andere Vorschriften eine bestimmte Form verlangen, befreit § 6 9 nicht von diesen Erfordernissen. 9 2 Dies betrifft etwa den Fall der Stimmrechtsausübung durch den gemeinschaftlichen Vertreter. Dazu muss dieser nämlich gem § 134 Abs 3 S 2 grundsätzlich eine schriftliche Vollmacht vorlegen, weshalb in der Praxis eine schriftliche Bevollmächtigung sinnvoll ist. 9 3

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BayObLG AG 1968, 330, 331; AnwKomm/ Lohr 9; MünchKomm/ßayer 20 unter Bezugnahme auf die Rechtslage zu § 18 GmbHG: BGHZ 49, 183, 191; Schoiz/Winter GmbHG § 18 Rdn 21; Roth/Altmeppen $ 18 Rdn 12. S ο Rdn 29 ff; Hüffer 4. Allgemeine Ansicht: Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 26; Großkomm/Barz Voraufl 7; KKJLutter 21; MünchKomm/ßayer 19. S ο Rdn 24; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 34; MünchKomm/Bayer 19.

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Geßler /Hefermehl/Bungeroth 27; Hüffer 4. MünchKomm/ßayer 20. Hüffer 4; MünchKomm/Bayer 20. Hüffer 4. So auch KK/Lutter 15; MünchKomm/Bayer 20. Unstreitig vgl Geßler/Hefermehl/Bungeroth 28; Hüffer 4; KKJLutter 15; MünchKomm/ Bayer 20. AnwKomm/Loir 11; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 28; Hüffer 4; KKJLutter 15.

Hanno Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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c) Dauer und Erlöschen der Vollmacht. Auch Dauer und Erlöschen der Vollmacht richten sich mangels Regelung in § 69 allein nach den allgemeinen Vorschriften. So ist insbesondere eine bestimmte Dauer für die Vollmacht des gemeinschaftlichen Vertreters nicht erforderlich. 94 Die Vollmacht kann also zeitlich begrenzt werden. 9 5 Die mehreren Berechtigten, die schon über das Ob der Bestellung des gemeinschaftlichen Vertreters bestimmen, sind auch frei, das Wie näher auszugestalten. 96

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Das Erlöschen der Vollmacht ist BGB sowie nach den spezifischen trag), das der Bevollmächtigung die Vollmacht damit jederzeit frei §§ 168 ff BGB, insbesondere die §§

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d) Reichweite der Vertretungsmacht. Nach dem Wortlaut des § 69 Abs 1 bezieht sich die Vertretungsmacht des gemeinschaftlichen Vertreters auf die Ausübung der Rechte aus der Aktie gegenüber der Gesellschaft. Die Vollmacht ist weder inhaltlich noch gegenständlich im Außenverhältnis wirksam beschränkbar. Vereinbarungen über Rückfragen bei den Inhabern, die Beschränkung auf den Empfang der Dividenden oder die Ausübung des Stimmrechts können lediglich im Innenverhältnis zu Schadensersatzansprüchen führen, 9 9 gegenüber der Gesellschaft sind sie unwirksam. 1 0 0 Etwas anderes gilt nur dann, wenn ausnahmsweise der Tatbestand der Kollusion iSv § 138 Abs 1 BGB oder des Missbrauchs der Vertretungsmacht nach § 242 BGB erfüllt ist. 101 Die Formulierung des Abs 1, wonach die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausgeübt werden können, legt nahe, dass alle Rechtsgeschäfte und nicht lediglich einzelne von ihnen gemeint sind. Auch die Möglichkeit der Bestellung von mehreren Personen zur gemeinschaftlichen Vertretung ändert daran nichts, denn rechtlich bleibt es trotz der Gesamtvertretung dabei, dass gegenüber der Gesellschaft nur gemeinschaftliche Vertretung möglich ist. Weiterhin sind auch besondere Gründe, insbesondere Schutzinteressen der mehreren Berechtigten, für eine Aufspaltung der einheitlichen Vertretungszuständigkeit nicht erkennbar. 1 0 2 Vielmehr wäre es für die Gesellschaft eine unzumutbare Erschwerung, wenn sie in jedem Einzelfall vor der Zulassung eines gemein-

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allein nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 168 ff Regeln des Rechtsverhältnisses (Dienstvertrag, Aufzu Grunde lag, zu beurteilen. 97 Grundsätzlich ist widerruflich. Zugunsten der Gesellschaft gelten die 170-173 BGB. 98

Ge&er/Hefermebl/Bungerotb 29; ν Godin/ Wilhelmi 3; KKILutter 18. AnwKomm/Lohr 10; Hüffer 4; KKJ Lutter 18. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 29. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 29; Hüffer 4. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 29; Hüffer 4; KK/Lütter 16; MünchKomm/ßayer 20. Für eine wirksame Bindung im Innenverhältnis auch Geßler/Hefermehl/Bungeroth 32; KYJLutter 19; MünchKomm/Bayer 23. Baumbach/H«ec& 3; Geß\er/Hefermehl/ Bungeroth 31; Hüffer 4; MünchKomm/ Bayer 21; HdbAG/Mrfe 494; aA KYJLutter 18; AnwKomm/Lofcr 10, der aber zumindest Zustimmungsvorbehalte im Außenverhältnis für unzulässig hält. MünchKomm/ßayer 23; näher zum Missbrauch der Vertretungsmacht und der

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umstrittenen dogmatischen Einordnung: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 46 Rdn 142 f; MünchKomm/Schramm § 164 Rdn 100 ff. Der Verfasser folgt hier der ständigen Rechtsprechung. Vgl BGHZ 50, 114; B G H Z 113, 320; BGH NJW 1990, 385; BGH NJW-RR 1992, 1135. Hüffer 4; MünchKomm/ßayer 21. Für die Parallelnorm des § 18 G m b H G wird der Streit anders entschieden. Für die Zulässigkeit einer gegenständlichen Beschränkung der Vollmacht: Scholz/Winter G m b H G § 18 Rdn 21; Zutt in Hachenburg GmbHG § 18 Rdn 24; Lutter/Hommelhoff GmbHG § 18 Rdn 7; Rowedder G m b H G § 18 Rdn 3.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

schaftlichen Vertreters zur Rechtsausübung die Reichweite seiner Vollmacht überprüfen müsste. Dies liefe dem Z w e c k der N o r m zuwider, der darin liegt, die R e c h t s a b w i c k l u n g für die Gesellschaft bei mehreren Berechtigten an einer Aktie zu e r l e i c h t e r n . 1 0 3 Auch § 6 9 Abs 3 legt eine umfassende Ermächtigung des gemeinschaftlichen Vertreters nahe. I m Fall des A b s 3 wird dieser als Adressat für alle Willenserklärungen der Gesellschaft genannt, die regelmäßig die Aktie als Ganzes bzw die mit ihr verbundenen Pflichten, nicht jedoch einzelne R e c h t e aus der Aktie b e t r e f f e n . 1 0 4 Eine inhaltlich beschränkte Vollm a c h t k a n n daher von der Aktiengesellschaft mit der Folge zurückgewiesen werden, dass eine gemeinschaftliche Vertretung ihr gegenüber nicht besteht. Faktisch k ö n n e n die mehreren Berechtigten allerdings eine inhaltlich Beschränkung erreichen, indem sie ihr R e c h t zur zeitlichen Beschränkung der V o l l m a c h t ausüben. So k a n n die Vollmacht im Wege der Befristung a u f solche M a ß n a h m e n beschränkt werden, die sich k o n k r e t a n k ü n d i g e n . 1 0 5

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e) Keine Verfügungsmacht über die Aktie. Verfügungen über die Mitgliedschaft insgesamt (Übertragung, Verpfändung, N i e ß b r a u c h etc) sind von der Vollmacht nicht gedeckt, weil es insoweit u m die Aktie selbst und nicht u m die aus ihr folgenden Einzelrechte g e h t . 1 0 6 Vielmehr k ö n n e n solche Verfügungen unmittelbar nur von den mehreren Berechtigten v o r g e n o m m e n werden. D a h e r müssen etwa M i t e r b e n für die Ausübung von Aktienoptionen (sog stock options) keinen gemeinsamen Vertreter bestellen. Die Ausübung erfolgt in diesem Fall gemeinschaftlich nach § 2 0 4 0 B G B . 1 0 7

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4 . Tätigkeit des Vertreters: Ausübung der Mitgliedschaftsrechte N a c h dem W o r t l a u t des § 6 9 Abs 1 übt allein der gemeinschaftliche Vertreter für die mehreren Berechtigten die R e c h t e aus der Aktie a u s . 1 0 8 D a m i t sind sämtliche Mitgliedschaftsrechte gemeint. N i c h t erfasst sind hingegen die Verfügungen über die Mitgliedschaft selbst. Ist ein gemeinschaftlicher Vertreter vorhanden und seine Vertretungsmacht nachgewiesen, so darf die A G ihn grundsätzlich nicht von der R e c h t s a u s ü b u n g ausschließen.109

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a) Vertretungsbedürftige Mitgliedschaftsrechte. Ein gemeinschaftlicher Vertreter ist insbesondere für die W a h r n e h m u n g von Vermögens- und Mitwirkungsrechten erforderlich. Vermögensrechte umfassen etwa die Entgegennahme von Dividenden, die Ausübung von Bezugsrechten sowie die Auszahlung der Liquidationsquote. Die M i t w i r k u n g s r e c h t e umfassen die Teilnahme an der Hauptversammlung, die Ausübung des Stimmrechts, die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen gem § 2 4 5 , sowie die Ausübung verschiedener Minderheitsrechte, etwa nach §§ 1 2 2 , 1 4 2 , 147, und des Antragsrechts nach §§ 3 0 4 , 3 0 5 . 1 1 0 Verfügungen über die Mitgliedschaft insgesamt (Übertragung, Verpfändung, Nießbrauchbestellung etc) sind von der Vollmacht nicht gedeckt, weil es insoweit um die Aktie selbst und nicht um die aus ihr folgenden Einzelrechte g e h t . 1 1 1 Soweit der

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 31. GeßlerIHefermehl/Bungeroth 31. MünchKommJBayer 22. Hüffer 5. AnwKomm/Lofcr 13; Kolmann ZEV 2 0 0 2 , 216, 218.

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Hüffer 5; MünchKomm/Bayer 24. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 34; KK/Lütter 23. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 35; Hüffer 5. AnwKomm/Lofcr 13; Hüffer 5; MünchKomm/Bayer 24.

Hanno Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

gemeinschaftliche Vertreter hierzu ermächtigt oder bevollmächtigt ist, wird der Anwendungsbereich des § 69 Abs 1 überschritten. 112 44

b) Keine Ausübung unmittelbar durch die Berechtigten. Die Ausübung der Rechte aus der Aktie ist den mehreren Berechtigten daneben nicht möglich. § 69 folgt der Prämisse, dass die Mitgliedschaftsrechte nicht ohne die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters direkt durch alle Berechtigten gemeinsam ausgeübt werden können. 113 Insbesondere kann auch bei Untätigkeit des gemeinschaftlichen Vertreters nicht jeder Berechtigte quasi als Notgeschäftsführer Anfechtungsklage erheben. 114 Die ausschließliche Zuständigkeit des gemeinschaftlichen Vertreters wird auch dann nicht durchbrochen, wenn nach dem Innenrecht der Rechtsgemeinschaft eine Mehrheit der Mitberechtigten oder gar ein einzelner Mitberechtigter zur Rechtsausübung für alle Mitberechtigten befugt ist. Unterlassen die mehreren Berechtigten die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters, dann geht diese Obliegenheitsverletzung zu ihren Lasten. Verletzt der gemeinschaftliche Vertreter etwa mit der Nichterhebung der Anfechtungsklage seine Pflichten gegenüber den mehreren Berechtigten im Innenverhältnis, dann muss er diesen den etwaig entstandenen Schaden ersetzen. Schließlich liegt die Auswahl und Überwachung des gemeinschaftlichen Vertreters im Verantwortungsbereich der Mitinhaber.

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Zwar hat dies der BGH zur Parallelvorschrift in § 18 GmbHG anders entschieden. 115 Da § 18 GmbHG aber lediglich verhindern will, dass die Anteilsrechte von den einzelnen Mitberechtigten unterschiedlich ausgeübt werden, kann hier eine Anfechtungsklage gegen einen rechtswidrigen Gesellschafterbeschluss durch einen Miterben gem § 2 0 3 8 Abs 1 S 2 2. HS BGB (Ermächtigung jedes Miterben, die zur Erhaltung des Nachlasses notwendigen Maßregeln auch ohne Mitwirkung der anderen zu treffen) zugelassen werden. Abweichend von § 69 gestattet § 18 Abs 1 GmbHG nämlich auch die gemeinschaftliche Rechtsausübung durch die Mitinhaber. Somit vermag die BGH-Rechtsprechung eine abweichende Entscheidung für das Aktienrecht nicht zu präjudizieren. 116 Aus § 2038 Abs 1 S 2 2. HS BGB kann aber die Ermächtigung folgen, auch ohne die Zustimmung der übrigen Miterben einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestimmen. c) Grenzen und Reichweite der Vertretungsregelung

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aa) Legitimation durch Urkundenbesitz. Bei Inhaberaktien genügt zur Legitimation bei der Rechtsausübung der Besitz der Urkunde. Die Mitinhaber einer Inhaberaktie können ihre Rechte daher auch ohne ausdrückliche Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters ausüben, indem sich jeweils einer von ihnen durch die Vorlage der Urkunde gegenüber der AG ausweist. 117 Treten sie hingegen auch gegenüber der Gesellschaft gemeinsam auf, dann bedürfen sie in diesem Fall zur Rechtsausübung eines gemeinschaftlichen Vertreters. 118

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Gt&etl Hefermehl/Bungeroth 30, 35; Hüffer 5; KK/Lutter 23; MünchKomm/Bayer 24. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 34. So auch Hüffer § 2 4 5 Rdn 6; aA AnwKomm/Lohr 12 unter Hinweis auf BGHZ 108, 21, 31 = BGH NJW 1989, 2 6 9 4 (zu § 18 GmbHG); MünchKomm/Bayer 25. BGHZ 108, 21, 31 = BGH NJW 1989, 2 6 9 4 ; ebenso OLG Karlsruhe GmbHR 1995, 824, 826. Ihm folgend Baumbach/

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Hueck/Fastrich § 18 GmbHG Rdn 4; Roth/Altmeppen § 18 GmbHG Rdn 11; aA Scholz/Winter § 18 GmbHG Rdn 20; Lutter/Hommelhoff $ 18 GmbHG Rdn 3; Zutt in Hachenburg GmbHG § 18 Rdn 2 0 . So auch MünchKomm/Bayer 25; aA wohl Hüffer 6. GeßlerIHefermehl/Bungeroth 36; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 3. So schon Großkomm/Barz Voraufl 3.

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

H a t die Gesellschaft Namensaktien ausgegeben, dann hängt die Rechtsausübung gegenüber der Gesellschaft nach § 6 7 Abs 2 grundsätzlich von der Eintragung im Aktienregister ab. Die Legitimation erfolgt gerade nicht durch die Vorlage der Aktienurkunde. D a der Anspruch a u f Auszahlung der Dividende bei N a m e n s a k t i e n regelmäßig in einem besonderen Gewinnanteilsschein ( C o u p o n ) verkörpert ist, wird insoweit die Legitimation durch das Register durch die Legitimation des Couponbesitzes mit der Folge verdrängt, dass wie bei Inhaberaktien die ausdrückliche Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters entbehrlich i s t . 1 1 9 Dasselbe gilt für ein im Wege der Vorlage des Gewinnanteilsscheins ausübbares Bezugsrecht auf junge A k t i e n . 1 2 0

47

bb) Zulassung der mehreren Berechtigten durch die Gesellschaft. Die Gesellschaft k a n n gem § 6 9 A b s 1 den nicht durch einen gemeinschaftlichen Vertreter repräsentierten mehreren Berechtigten einer Aktie Leistungen auf die Aktie und die Zulassung zur Ausübung sonstiger Mitgliedschaftsrechte verweigern. 1 2 1 Sie ist dazu jedoch nicht verpflichtet. Vielmehr k a n n sie auch die unvertretenen mehreren Berechtigten unmittelbar zur Rechtsausübung z u l a s s e n . 1 2 2 Schließlich dient die N o r m lediglich dem Schutz der Gesellschaft durch einen vereinfachten A b l a u f der Verwaltung der mehreren Berechtigten, indem die Gesellschaft von der Erforschung des Innenverhältnisses befreit wird. A u f diesen Schutz k a n n die Gesellschaft aber im R a h m e n ihres jeweils neu auszuübenden pflichtgemäßen Ermessens verzichten bzw die mehreren Berechtigten unmittelbar als gemeinschaftlichen Vertreter b e h a n d e l n . 1 2 3

48

Ein entsprechendes aktienrechtliches V e r b o t existiert nicht. Auch ein berechtigtes Interesse der übrigen A k t i o n ä r e oder ein allgemeines Ordnungsinteresse an der Vertreterbestellung ist nicht ersichtlich. Vielmehr k a n n , wenn sich etwa alle Aktien der Gesellschaft in der H a n d von mehreren Berechtigten, zB M i t e r b e n eines Alleinaktionärs, o h n e gemeinschaftlichen Vertreter befinden, sogar ein Ordnungsinteresse an der Abweichung von Abs 1 bestehen, weil anderenfalls die Organisation der Gesellschaft lahm gelegt werden w ü r d e . 1 2 4 Somit k a n n die Gesellschaft etwa die Dividende wirksam an alle Berechtigten gemeinsam und bei Bruchteilsgemeinschaften anteilsmäßig an jeden M i t berechtigten l e i s t e n . 1 2 5

49

Ferner kann die Gesellschaft die M i t i n h a b e r der Aktie auch gemeinsam zur Teilnahme an der H a u p t v e r s a m m l u n g und zur S t i m m a b g a b e zulassen. Ein mit gemeinschaftlicher S t i m m a b g a b e der mehreren Berechtigten zustande g e k o m m e n e r Hauptversammlungsbeschluss ist in diesem Fall nicht fehlerhaft und kann nicht wegen eines Verstoßes gegen § 6 9 Abs 1 angefochten w e r d e n . 1 2 6

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(15)

Geßler/Hefermehl/Bungerotb 37. GeßleilHefermehl/Bungeroth 37; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 3. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 38. AnwKomm/Lohr 7; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 38; Hüffer 6; KK/Lutter 24; MünchKomm/ßayer 26; Schörnig ZEV 2002, 343, 350; aA Großkomm/Barz Voraufl 7; υ Godin/Wilhelmi 3; Schrötter NJW 1979, 2595; ders, Die Grenzen der Abschließbarkeit personenbezogener Aktiengesellschaften gegenüber unerwünschten Beteiligungen nach deutschem, schweizerischem und französischem Recht,

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1976, S 125; offengelassen von KG AG 1972, 49. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 39; KYJLutter 24. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 39; aA ν Godin/Wilhelmi 3. GeßXei/Hefermehl/Bungeroth 38; Hüffer 6; KK/Lütter 24; MünchKomm/ßayer 26; Ritter % 63 AktG 1937 Anm le. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 38; Hüffer 6; YXJLutter 24; MünchKomm/ßayer 26; aA ν Godin/Wilhelmi 3; Schrötter NJW 1979, 2595; ders, Die Grenzen der Abschließbarkeit personenbezogener Aktiengesellschaften

Hanno Merkt

§ 69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

51

d) Statutarische Änderung des Abs 1. Abweichungen von § 69 Abs 1 können mit Rücksicht auf den nach § 23 Abs 5 zwingenden Charakter der Vorschrift nicht im Vorwege durch abweichende Satzungsbestimmung oder sonstige vertragliche Vereinbarungen mit bindender Wirkung für die Zukunft festgelegt werden. Vielmehr sind in jedem Einzelfall eine Prüfung und ein Verzicht notwendig. 127

52

e) Gemeinschaftlicher Vertreter und mehrere Berechtigte. Selbst für den Fall, dass ein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt wurde, steht es der Aktiengesellschaft frei, die Mitberechtigten zur gemeinsamen Rechtsausübung zuzulassen bzw Dividenden direkt an sie auszuzahlen und mithin den gemeinschaftlichen Vertreter zu übergehen. 128 Das gilt aber nur dann, wenn die Rechtsgemeinschaft keinen gesetzlichen Vertreter hat, etwa einen Testamentsvollstrecker, der ausschließlich als gemeinschaftlicher Vertreter zuständig ist. 129 Zudem ist die Zustimmung aller Berechtigten erforderlich. Ein solches Vorgehen wird allerdings nur ausnahmsweise zu empfehlen sein.

53

Die Eintragung des gemeinschaftlichen Vertreters in das Aktienregister ist unerheblich, da sich die Legitimationswirkung des § 67 Abs 2 nicht auf diese Eintragung bezieht. 130 5. Mehrere Vertreter eines Alleinberechtigten

54

Die Aktionäre haben nicht nur die Freiheit zur Wahl eines gemeinschaftlichen Vertreters, sondern sie können auch mehrere Personen zu ihren Vertretern bestellen. Mit Rücksicht auf den Zweck des § 69 Abs 1 ist in diesen Fällen allerdings nur Gesamtvertretung möglich. 131 Nach dem Wortlaut setzt § 69 die Berechtigung mehrerer an einer Aktie voraus. Die Norm kann auf Fälle, in denen sich ein Alleininhaber durch mehrere Personen vertreten lässt, nicht direkt angewendet werden. 132

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Der Vorschrift des § 69 lässt sich der allgemeine Zweck entnehmen, dass im Interesse der Gesellschaft die einheitliche Willensausübung für jede Aktie gesichert werden soll. 133 Daher muss durch eine analoge Anwendung von § 69 gewährleistet werden, dass eine Vertretung durch mehrere einzelvertretungsberechtigte Vertreter nebeneinander nicht zulässig ist. 134 Das gilt nicht nur für die Vertretung einer natürlichen Person durch Bevollmächtigte, sondern auch für die Vertretung einer juristischen Person durch Mitglieder ihres Vertretungsorgans. 135 Die Möglichkeit, sich als Alleininhaber durch mehrere gesamtvertretungsberechtigte Personen vertreten zu lassen, wird davon nicht berührt.

gegenüber unerwünschten Beteiligungen nach deutschem, schweizerischem und französischem Recht, 1 9 7 6 , S 1 2 5 ; offengelassen von KG AG 1 9 7 2 , 4 9 f, das jedoch die Vollzähligkeit iSv § 2 4 1 N r 1 bejaht.

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G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 3 9 ; Hüffer 6; KK/Lutter 2 4 ; G r o ß k o m m / ß e r z Voraufl 6.

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Geßler /Hefermehl/Bungeroth 4 0 ; Hüffer 6; KK/Lutter 2 5 ; MünchKomm/Buye/· 2 7 ; aA G r o ß k o m m / B a r z Voraufl § 6 9 Anm 7 ; Schrötter N J W 1 9 7 9 , 2 5 9 5 . Geßler /Hefermehl/Bungeroth 4 0 ; Hüffer 6; KK/Lutter 2 5 ; M ü n c h K o m m / B a y e r 27.

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Im Ergebnis ebenso M ü n c h K o m m / B a y e r 27, der allerdings auf die Zustimmung der ebenfalls eingetragenen Berechtigten abstellt. Gt&\td Hefermehl/Bungeroth 2 2 ; Hüffer 4 ; KK/Lutter 18; aA ν Godin/Wilhelmi 3. Großfeld/Spennemann AG 1 9 7 9 , 1 2 9 ; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 33. Geßler /Hefermehl/Bungeroth 33. So für die Stimmrechtsausübung Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 33; ν Godin/Wilhelmi § 134 Anm 16; Großfeld/Spennenmann AG 1 9 7 9 , 129, 130. Großfeld/Spennemann

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

AG 1 9 7 9 , 129, 130.

(16)

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

IV. Haftung als Gesamtschuldner (§ 69 Abs 2) Die mehreren Berechtigten haften für die Leistungen aus der Aktie nach § 69 Abs 2 als Gesamtschuldner iSd §§ 421 ff BGB. Das gilt insbesondere für die Einlagepflicht, aber auch für Ansprüche der Gesellschaft aus §§ 55, 62, 63. 1 3 6 Diese H a f t u n g besteht unabhängig davon, ob die Berechtigten eine Bruchteils- oder eine Gesamthandsgemeinschaft bilden. 1 3 7 Ist die Rechtsgemeinschaft selbst verpflichtungsfähig, wie etwa im Fall der (Innen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts, so ist die Regelung in Abs 2 als zwingende Anordnung einer (zusätzlichen) unbeschränkten gesamtschuldnerischen Mithaftung aufzufassen. 1 3 8 Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken einer akzessorischen Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB. 1 3 9 Auch der nicht verwaltungsberechtigte Ehegatte bei der Gütergemeinschaft haftet ungeachtet des § 1422 S 2 BGB.

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Diese Regelung ist zwingend. Aus § 66 Abs 1 lässt sich folgern, dass eine abweichende Satzungsbestimmung unwirksam ist. 1 4 0 Die Vorschrift hat keine Bedeutung für das Innenverhältnis der Rechtsgemeinschaft. 1 4 1 Ihre gegenseitigen Ausgleichsansprüche können die Mitinhaber daher abweichend von § 426 BGB regeln.

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1. Ausgangspunkt: Leistungen auf die Aktie Die Vorschrift schafft nach allgemeiner Ansicht keinen selbständigen Schuldgrund, sondern setzt voraus, dass aufgrund einer anderen gesetzlichen Regelung eine Leistungspflicht „auf die Aktie" besteht. 1 4 2 Dies betrifft die Fälle der Verpflichtung aus § 54 (Einlagepflicht), § 55 (Nebenleistungspflicht), § 62 (Rückgewährpflicht), § 63 (Zinsen und Vertragsstrafen bei nicht rechtzeitiger Einzahlung) und § 65 (Regresshaftung). 1 4 3 § 69 Abs 2 ist keine Zurechnungsnorm für fremdes rechtswidriges Handeln. 1 4 4 Werden von der Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen § 5 7 an einzelne Mitinhaber Leistungen erbracht und damit nicht zugleich „auf die Aktie", so begründet § 69 Abs 2 keine Mithaftung der übrigen Mitglieder der Rechtsgemeinschaft. 1 4 5 Die Rückgewährpflicht nach § 62 trifft vielmehr nur den unmittelbaren Leistungsempfänger.

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2. Haftungsbeginn und -ende Die H a f t u n g beginnt mit dem Zeitpunkte der dinglichen Berechtigung mehrerer an der Aktie, bei Namensaktien aber erst mit der Eintragung in das Aktienregister gem

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(17)

AnwKomm/Lofcr 14; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 17; Hüffer 7; KK/Lutter 28. Ge&ec/Hefermehl/Bungeroth 14; MünchKomm/Bayer 28; Großkomm/ßarz Voraufl 8. Hüffer 7; MünchKomm/ßayer 29; wohl auch BGHZ 78, 311, 316 f = NJW 1981, 682 zu § 18 GmbHG; Scholz/Winter GmbHG § 18 Rdn 25 mwN. Hüffer 7; aA AnwKomm/Lohr 14, der aufgrund der grundsätzlichen Unanwendbarkeit des § 69 auf die oHG folgert, dass die Gesellschafter nicht über § 69 Abs 2 in Anspruch genommen werden können, sondern allein über § 128 HGB.

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AnwKomm/Lok 15; KK/Lutter 27; MünchKomm/Bayer 28; Großkomm/ßarz Voraufl 8. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 17; KK/Lutter 27; MünchKomm/ßjycr 28. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 15; KK/Lutter 27; MünchKomm/ßayer 30. AnwKomm/Lofcr 14; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 15; Hüffer 7; KK/Lutter 24; MünchKomm/ßayer 30; zum früheren Recht schon Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 4. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 16; MünchKomm/Bayer 30. So aber YLK/Lutter 28.

Hanno Merkt

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§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

§ 6 7 Abs 2 . 1 4 6 Die Haftung endet dementsprechend, wenn die Beteiligung an der Rechtsgemeinschaft beendet wird. Wiederum ist bei Namensaktien die Löschung aus dem Aktienregister entscheidend. 1 4 7 60

Dabei ist allerdings eine zeitliche Nachwirkung zu beachten. Die Haftung dauert für solche Verpflichtungen, die ein Aktionär auch nach der Beendigung seiner Aktionärsstellung noch zu erfüllen hat, über den Zeitpunkt der Beendigung der Beteiligung an der Rechtsgemeinschaft hinaus fort. Dies betrifft insbesondere die Verpflichtungen aus §§ 5 4 , 55, die während des Bestehens der Gemeinschaft begründet, aber nicht geltend gemacht wurden, sowie für Ansprüche aus einer Ausfallhaftung gem § § 6 5 Abs 1, 6 4 Abs 4 S 2 . 1 4 8

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Soweit einer der mehreren Berechtigten an einer Aktie auf die Gesamtschuld gezahlt hat, ist er auch nach Beendigung der Rechtsgemeinschaft gegenüber den übrigen Beteiligten nach den Regeln der gesamtschuldnerischen Haftung ausgleichsberechtigt. 149 Scheidet nur einer der Berechtigten aus der Rechtsgemeinschaft aus und kommt es dann zu einer Veräußerung und später zu einer Kaduzierung, so haftet er nach § 65 Abs 1 subsidiär gegenüber allen, die nach ihm noch an der Aktie beteiligt waren, im Rahmen dieser Haftung aber auf den vollen Betrag. 1 5 0 3. Reichweite der Haftung, beschränkte Erbenhaftung

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Im Grundsatz geht § 6 9 Abs 2 von einer unbeschränkten Haftung der mehreren Berechtigten aus. Umstritten ist hingegen, ob und inwieweit sich die Mitglieder einer Erbengemeinschaft auf die beschränkte Erbenhaftung gem §§ 1975 ff, 2 0 5 9 Abs 1 S 1 B G B berufen können. 1 5 1 Für Inhaberaktien und Namensaktien vor der Eintragung der Miterben ist die Möglichkeit einer Beschränkung allgemein anerkannt. 1 5 2 Nach richtiger Auffassung kann jedoch die bloße Eintragung der mehreren Berechtigten in das Aktienregister am erbrechtlichen Haftungsprivileg nichts ändern. 1 5 3 Im Ergebnis nicht überzeugend ist die Ansicht, dass sich mit der Eintragung die Einlageschuld von ihrer erbrechtlichen Grundlage löse und damit keine entsprechenden Beschränkungsmöglichkeiten zur Verfügung ständen. 1 5 4 Dem liegt ein unzutreffendes Verständnis von § 6 7 Abs 2 zu-

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MünchKomm/ßayer 31. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 19; KYJLutter 28; MünchKomm/ßayer 31. Allgemeine Ansicht: Geßler/Hefertnehl/ Bungeroth 19, 20; ν Godin/Wilhelmi 4; KK/Lutter 28; MünchKomm/Bayer 31. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 19. ν Godin/Wilhelmi 4; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 20. Grundsätzlich dafür: Großkomm/Barz Voraufl 8; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 18; MünchKomm/ßiJyer 32; aA im Hinblick auf Namensaktien nach der Eintragung der Miterben in das Aktienregister: AnwKomm/ Lohr 15; Baumbach/Hwec& 4; Crezelius Unternehmenserbrecht, Rdn 382; ν Godin/ Wilhelmi 4; Hüffer 7; KKILutter 29;

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Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 4. AnwKomm/Lofcr 15; Baumbach/Htted: 4; Crezelius Unternehmenserbrecht, Rdn 382; ν Godin/Wilhelmi 4; Großkomm/ßarz Voraufl 8; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 18; Hüffer 7; KKJLutter 29; MünchKomm/ Bayer 32; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 4. So auch Großkomm/Barz Voraufl 8; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 18; MünchKomm/Bayer 32. In diesem Sinne aber BaumbachIHueck 4; ν Godin/Wilhelmi 4; Hüffer 7; KKILutter 29; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 4.

Stand: 1.11.2007

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

gründe: Die Legitimationswirkung bezieht sich lediglich auf diejenige Person, die gegenüber der Gesellschaft als Aktionär gilt. Über das für Pflichten aus der Aktie haftende Vermögen trifft die Norm hingegen keine Aussagen. Auch § 6 9 Abs 2 wirkt selbst nicht haftungsbegründend. Vielmehr leitet die Vorschrift die mitgliedschaftliche Haftung aus der Aktie auf die mehreren Berechtigten über. Die jeweiligen Leistungspflichten werden nicht durch § 6 9 Abs 2 modifiziert. Dabei werden keine Aussagen über den Umfang des haftenden Schuldnervermögens gemacht. Das Haftungssubstrat wird nicht festgelegt. Im Grundsatz bestehen daher Beschränkungsmöglichkeiten. 1 5 5 Die Beschränkung der Haftung auf das Vermögen des Erblassers ist auch sachgerecht. Es besteht kein billigenswertes Interesse der Gesellschaft daran, dass sich die ihr haftende Vermögensmasse allein aufgrund eines Erbfalls zwingend vergrößern müsste. Die Gesellschaft hat lediglich ein Anrecht darauf, dass sich die Haftungsmasse infolge des Erbfalls nicht vermindert. Diesem Anliegen wird durch §§ 1975 ff, § 2 0 5 9 Abs 1 S 1 BGB Rechnung getragen.

63

Dieser Grundsatz gilt auch für weitere erbrechtliche Konstellationen. So kann der Vorerbe trotz seiner Eintragung in das Aktienregister nach Eintritt des Nacherbfalls seine Haftungsbeschränkung gem § 2145 BGB geltend machen. Der Nacherbe haftet gem § 6 7 Abs 2 jedoch erst dann, wenn er selbst in das Aktienregister eingetragen ist. Erst ab diesem Zeitpunkt greift dann auch die Privilegierung des § 2145 BGB. Sie erstreckt sich dann auch auf die Ausfallhaftung nach § 65 Abs l . 1 5 6 Eine Berufung auf einen Wegfall der Erbenstellung und damit zugleich der Stellung als Aktionär, etwa durch die Nacherbfolge, ist im Falle der Eintragung in das Aktienregister bis zur Beseitigung der Eintragung nicht möglich. Das gilt für mehrere Erben ebenso wie für Miterben. 1 5 7 Ein Nachteil ist für die Aktiengesellschaft damit nicht verbunden, denn der Vorerbe wird nur insoweit frei, als der Nacherbe haftet. Ein Ausfallrisiko besteht folglich nicht. 1 5 8

64

V. Willenserklärung der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär (§ 6 9 Abs 3) Die Regelung des § 6 9 Abs 3 erfasst drei Fallgruppen: Die Erklärung gegenüber dem gemeinschaftlichen Vertreter, die Erklärung gegenüber einem der mehreren Berechtigten, falls ein gemeinschaftlicher Vertreter nicht bestellt wurde (§ 6 9 Abs 3 S 1) sowie die Erklärung gegenüber der Erbengemeinschaft (§ 6 9 Abs 3 S 2).

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Haben die mehreren Berechtigten an der Aktie gegenüber der Gesellschaft keinen gemeinschaftlichen Vertreter benannt, so kann die Gesellschaft nach § 6 9 Abs 3 S 1 eine ihnen gegenüber abzugebende Willenserklärung gegenüber einem Beliebigen von ihnen mit Wirkung für und gegen alle abgeben. Ohne diese Vorschrift wäre die Gesellschaft gezwungen, die Erklärung jedem Mitinhaber der Aktie zugehen zu lassen. 1 5 9 Die Gesellschaft ist wiederum nicht verpflichtet, von der Vergünstigung des § 6 9 Abs 3 S 1 Ge-

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(19)

Vgl Geßler/Hefermehl/Bungeroth 18; MünchKomm/ßayer 32. Ebenso zu § 18 Abs 2 GmbHG: Scholz/Wmfer § 18 Rdn 27; L««er/Hommelhoff GmbHG § 18 Rdn 4; Haimbach/Hueck/Fastrich § 18 GmbHG Rdn 8; Roth/Altmeppen § 18 Rdn 13. In diesem Sinne auch MünchKomm/ Bayer 33. Teilweise in unterschiedliche Richtungen abweichend Hüffer 7; KKJLutter 29;

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Geßler /Hefermehl/Bungeroth 18; Großkomm/Barz Vorauf! 8. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 18. MünchKomm/ßayer 33. Ausführlich zur Haftungsbegrenzung des § 2145 BGB: MünchKomm/Grunsky § 2145 BGB Rdn 3 ff mwN. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 43.

Hanno Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

brauch zu machen. Zwar ist die Abgabe der Willenserklärung gegenüber einem der Mitberechtigten für den Zugang gegenüber allen anderen ausreichend, aber die Gesellschaft kann dennoch die Erklärung gegenüber mehreren oder allen Mitberechtigten abgeben. 1 6 0 1. Regelungsbereich 67

Der Anwendungsbereich ist eng begrenzt. Nach seinem Wortlaut gilt § 6 9 Abs 3 ausschließlich für Willenserklärungen der Gesellschaft, die gegenüber einem einzelnen Aktionär abzugeben sind. Gemeint ist damit eine Erklärung, die sich an den einzelnen Aktionär und nicht an die Gesamtheit der Aktionäre richtet. 1 6 1 Beispiele für solche Willenserklärungen sind die Zahlungsaufforderung nach § 65 Abs 1 an einen früheren Aktionär oder die Anmahnung rückständiger Nebenleistungen nach § 5 5 . 1 6 2 Weitere unter Abs 3 fallende Erklärungen können in der Satzung vorgesehen werden. 1 6 3 Auf öffentlich abzugebende Erklärungen und Bekanntmachungen, etwa nach § § 6 3 Abs 1, 6 4 Abs 2 S 1 - 3 , Abs 3, 121 Abs 3, ist § 6 9 Abs 3 hingegen grundsätzlich nicht anwendbar. 1 6 4 Die Zahlungsaufforderung nach § 63 Abs 1 kann aber dann unter § 6 9 Abs 3 fallen, wenn sie aufgrund besonderer Satzungsbestimmung individuell an die einzelnen Einlageschuldner gerichtet wird. 1 6 5 Auch auf die Nachfristsetzung mit Einziehungsandrohung nach § 6 4 Abs 1 ist § 6 9 Abs 3 dann ausnahmsweise anwendbar, wenn sie bei vinkulierten Namensaktien nach § 6 9 Abs 2 S 4 durch Einzelaufforderungen an Stelle der öffentlichen Bekanntmachung ergeht. 1 6 6 Hingegen ist § 6 9 Abs 3 ebenfalls nicht einschlägig für Erklärungen, die nur einzelne Mitberechtigte betreffen. 1 6 7

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Auf die zuvor genannten Aufforderungen und Benachrichtigungen nach §§ 55, 6 4 Abs 2 S 4 , 65, 2 3 7 kann § 6 9 Abs 3 analog angewendet werden. 1 6 8 2 . Erklärung gegenüber dem gemeinschaftlichen Vertreter

69

Die Vorschrift des § 6 9 Abs 3 S 1 stellt klar, dass die Gesellschaft eine Willenserklärung grundsätzlich gegenüber dem gemeinschaftlichen Vertreter abzugeben hat, wenn dieser nicht nur von den Berechtigten bestellt, sondern auch gegenüber der Gesellschaft benannt wurde. 1 6 9 Dazu ist die Gesellschaft aber nicht gezwungen. Statt der Zustellung an den gemeinschaftlichen Vertreter kann sie dann auch an alle Berechtigten direkt zustellen. Eine Zustellung lediglich an einen Mitinhaber ist hingegen nicht ausreichend. 1 7 0

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 43. Allgemeine Ansicht: Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 41; Hüffer 8; KKJLutter 30; MünchKomm/Bayer 34; Großkomm/Barz Voraufl 9. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 42. Geßlei/Hefermehl/Bungeroth 42. AimKommJLohr 17; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 41; Hüffer 8; Schlegelberger/ Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 5. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 42; KKJLutter 30; MünchKomm/ßayer 34. Geßlei/Hefermehl/Bungeroth 42 Baumbach/Hxedi 5; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 41; Hüffer 8; KKJLutter 30; MünchKomm/ßayer 34.

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So MünchKomm/ßayer 34; vgl auch Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 42. Hüffer 8; MünchKomm/ßayer 35. Bei der Vorgängervorschrift in § 63 Abs 3 S 1 AktG 1937 fehlte die ausdrückliche Bezugnahme auf die Benennung. Heute wohl unstreitig: Ge&\ei/Hefermehl/ Bungeroth 48; Hüffer 8; KKJLutter 32; MünchKomm/ßayer 35; aA noch Großkomm/ßarz Voraufl 9; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 5. Wie hier für § 18 GmbHG Scholz/Winter § 18 GmbHG Rdn 35; Zutt in Hachenburg GmbHG § 18 Rdn 29 mwN.

Stand: 1.11.2007

(20)

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

Die Norm bezweckt schließlich allein den Schutz der Gesellschaft, auf den sie auch verzichten kann. Die Gesellschaft trägt dann aber das Übermittlungsrisiko gegenüber allen Berechtigten. Eine solche Zustellung unmittelbar an die mehreren Berechtigten wird in der Praxis sehr selten vorkommen, da der gemeinschaftliche Vertreter grundsätzlich leichter erreichbar ist als alle Mitinhaber. 1 7 1 § 69 Abs 3 S 1 gestattet aber keine Durchbrechung der ausschließlichen Zuständigkeit eines gesetzlichen Vertreters, dh eine unmittelbare Zustellung an alle Berechtigten wäre in diesem Fall nicht wirksam. 1 7 2 Aufgrund des disponiblen Charakters des § 69 Abs 3 S 1 kann die Gesellschaft zudem an den zwar bestellten, ihr gegenüber aber nicht benannten gemeinschaftlichen Vertreter wirksam zustellen. 173 Die Benennung des gemeinschaftlichen Vertreters gegenüber der Gesellschaft ist eine empfangsbedürftige Wissenserklärung, die keiner besonderen Form bedarf. Sie muss jedoch die Angaben enthalten, die nötig sind, damit die Gesellschaft ihre Willenserklärungen dem gemeinschaftlichen Vertreter ohne zumutbare Schwierigkeiten übermitteln kann. 1 7 4 Die Mitteilung zur Eintragung des gemeinschaftlichen Vertreters in das Aktienregister genügt diesem Erfordernis.

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3. Erklärung gegenüber einem Berechtigten Existiert kein gemeinschaftlicher Vertreter oder ist zwar Vollmacht erteilt, aber der Vertreter nicht gegenüber der AG benannt worden, 1 7 5 so kann die Gesellschaft nach § 69 Abs 3 S 1 die Willenserklärung wirksam gegenüber einem der mehreren Berechtigten abgeben. In diesen Fällen wird auf das Erfordernis einer Erklärung gegenüber allen Mitberechtigten verzichtet. 176 Eine Einzelbekanntmachung scheidet dann aus, wenn für die Rechtsgemeinschaft eine ausschließliche gesetzliche Vertretung, etwa durch einen Testamentsvollstrecker, besteht. 1 7 7 Ein solcher gesetzlicher Vertreter gilt immer auch als gemeinschaftlicher Vertreter der mehreren Berechtigten.

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Ist der Gesellschaft die Person des gemeinschaftlichen Vertreters zwar sicher bekannt ist, ist diese Person ihr aber nicht als solche benannt worden, dann ist sie dennoch berechtigt, die Erklärung wirksam ihr gegenüber abzugeben. 178 In einem solchen Fall kann die Berufung auf die Privilegierung des § 69 Abs 3 unter Umständen rechtsmissbräuchlich sein. 1 7 9 Da die Benennung der Person des gemeinschaftlichen Vertreters gegenüber der Gesellschaft eine Obliegenheit der mehreren Berechtigten ist, kommt ein Rechtsmissbrauch aber nur ganz ausnahmsweise in Betracht, etwa wenn die mehreren Berechtigten eine Bekanntgabe zumindest versucht haben und ihnen der fehlende Zugang der Erklärung nicht wissentlich oder grob fahrlässig unbekannt geblieben ist. 1 8 0 Anderenfalls besteht überhaupt kein Vertrauensschutz.

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In diesem Sinne auch Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 4 8 .

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 4 4 , 4 8 ; Hüffer 8; KK/Lutter 3 2 ; MünchKomm/ßayer 3 5 .

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Kropff Begr RegE zum AktG 1 9 6 5 , S 88 f; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 4 4 . Geßler/Hefermehl/Bungeroth 4 5 . Die Benennung gegenüber der Gesellschaft ist konstitutiv. Vgl Kropff Begr RegE zum AktG 1965, S 8 8 f. S ο Rdn 6 6 ; vgl auch MünchKomm/ßayer 36.

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Unstreitig vgl nur Kropff Begr RegE zum AktG 1965, S 8 8 f; MünchKomm/Bayer 37. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 4 4 ; KK/Lutter 3 2 ; M ü n c h K o m m / B j y e r 37. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 4 4 ; KYJLutter 3 2 ; zweifelnd: MiinchKomm/Bayer 37. Anders Gtß,\evl Hefermehl/Bungeroth 4 4 , die auf jede anderweitige Kenntnisnahme durch die Gesellschaft abstellen.

Hanno Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

4. Sonderfall § 69 Abs 3 S 2: Erbengemeinschaft 73

Die Regelung des § 69 Abs 3 S 1 gilt nach Abs 3 S 2 bei mehreren Erben eines Aktionärs nur für Willenserklärungen, die nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft abgegeben werden. Bis zum Ablauf dieser Frist müssen Willenserklärungen der Gesellschaft, sofern nicht bereits ein gemeinschaftlicher Vertreter benannt worden ist, gegenüber allen Miterben abgegeben werden. 181 Die Miterben genießen somit eine Schonfrist von einem Monat. Die Frist des § 69 Abs 3 S 2 läuft unabhängig von der Kenntnis der Beteiligten vom Erbanfall. 182 Ein besonderer Schutz des Nächstberufenen im Falle einer Ausschlagung der Erbschaft ist im Hinblick auf die Rückwirkungsfiktion des § 1953 Abs 2 BGB nicht angebracht. Die Monatsfrist des Abs 3 S 2 beginnt daher mit der Erbausschlagung nicht neu zu laufen. 183 Eine damit etwaig verbundene Härte für den Fall der Ausschlagung durch den Nächtsberufenen ist nach dem Willen des Gesetzes hinzunehmen. 184 Der Schutz der Gesellschaft genießt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 69 Abs 3 S 2 Vorrang. 185 Als Anfall der Erbschaft gilt im Hinblick auf § 2106 Abs 1 BGB auch der Eintritt der Nacherbfolge. Der Nacherbfall setzt daher für die durch ihn entstehende Erbengemeinschaft eine eigene Monatsfrist nach § 69 Abs 3 S 2 in Gang. 186 Diese Frist beginnt auch dann neu zu laufen, wenn infolge des Nacherbfalls nur einer von mehreren Berechtigten durch eine andere Person ersetzt wird. 1 8 7 5. Statutarische Änderung

74

Auch § 69 Abs 3 bezweckt den Schutz der Gesellschaft. Daher kann auf diesen Schutz im Einzelfall grundsätzlich verzichtet werden. 188 Eine Ausnahme ist allerdings dann zu machen, wenn der gemeinschaftliche Vertreter der allein zuständige Amtswalter ist. 1 8 9

181

182

183 184 185

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 46; ν Godin/ Wilhelmi 5; KK/Lutter 31; MünchKoram/ Bayer 38; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 5. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 46 f; KK/ Lutter 31; MünchKomm/Bayer 38. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 47. KKJLutter 31; MünchKomm/Bayer 38. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 47; KKJLutter 31; MünchKomm/Bayer 38. Ebenso zu § 18 Abs 3 GmbHG: Hweci/Fastrich in Baumbach/Hueck GmbHG § 18 Rdn 11; Zutt in Hachenburg GmbHG § 18 Rdn 34.

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AnwKommJ Lohr 18; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 47; KK/Lütter 31; MünchKomm/ Bayer 39. Ebenso zu § 18 Abs 3 GmbHG: Roth/Altmeppen GmbHG § 18 Rdn 16; LKiier/Hommelhoff GmbHG § 18 Rdn 6. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 47; MünchKomm/Bayer 39. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 48; Hüffer 8; KKJLutter 32; aA Großkomm/ßarz Voraufl 9. Hüffer 8.

Stand: 1.11.2007

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§ 70

§70 Berechnung der Aktienbesitzzeit Ist die Ausübung von Rechten aus der Aktie davon abhängig, daß der Aktionär während eines bestimmten Zeitraums Inhaber der Aktie gewesen ist, so steht dem Eigentum ein Anspruch auf Ubereignung gegen ein Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Gesetzes über das Kreditwesen tätiges Unternehmen gleich. 2 Die Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers wird dem Aktionär zugerechnet, wenn er die Aktie unentgeltlich, von seinem Treuhänder, als Gesamtrechtsnachfolger, bei Auseinandersetzung einer Gemeinschaft oder bei einer Bestandsübertragung nach § 14 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder § 14 des Gesetzes über Bausparkassen erworben hat. 1

Übersicht Rdn I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck . . 2. Geschichte der Norm 3. Bedeutung der Vorschrift 4. Addition verschiedener Anrechnungsfälle Π. Anspruch auf Übereignung nach § 70 S 1 1. Anspruchsgegner 2. Art des Anspruchs (Spezies-, Gattungsund Verschaffungsschuld) 3. Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs 4. Fälligkeit des Anspruchs

ΙΠ. Bezugsrecht auf neue Aktien IV. Spezielle Zurechnungsfälle nach § 70 S 2 1. Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers 2. Unentgeltlicher Erwerb 3. Erwerb vom Treuhänder 4. Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge 5. Auseinandersetzung einer Gemeinschaft 6. Bestandsübertragung nach § 14 VAG und § 14 BausparkassenG V. Mögliche Addition verschiedener Anrechnungsfälle

1 4 5 8 10 13 14 18

Rdn 19 21 22 24 27 28 31 34 35

Schrifttum Boos/Fischer/Schulte-Mattler Kreditwesengesetz, 2. Auflage 2 0 0 4 ; Heinsius/Horn/Than Kommentar z u m Depotgesetz, 1975; Lehmann/Schäfer K o m m e n t a r z u m B a u s p a r k a s s e n g e s e t z , 2. A u f l a g e 1 9 7 3 ; Pinner Z u r Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, B a n k e n a u f s i c h t und Steueramnestie, J W 1931, 2 9 3 0 ; Prölss Versicherungsaufsichtsgesetz mit E u r o p ä i s c h e m Gemeinschaftsrecht und Recht der Bundesländer, 11. A u f l a g e 1997; Schtnölder Der Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t e n auf Aktien, J W 1 9 3 0 , 2 6 2 3 ; Siebert Die Treuhandfälle der Aktiennovelle im R a h m e n der Treuhandlehre, Z B H 1932, 184.

I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck Wie sich bereits aus der Überschrift ergibt, betrifft § 70 die Modalitäten der Berech- 1 nung von „Aktienbesitzzeiten" für die Fälle, in denen die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten eine Mindestdauer der Aktionärstellung voraussetzt. 1 Der Begriff ist missverständlich, denn es kommt allein auf die Dauer der Aktionärsstellung und nicht den Besitz der Aktienurkunde an. 2 Auch der Zusammenhang mit S 2 zeigt, dass es um die Zurech-

1

A n w K o m m / L o ^ r 1; GeßlerlHefermehl/Bungeroth 1; KKJLutter 2, 3.

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2

Ge&er/Hefermehl/Bungeroth K o m m / B a y e r 1.

Hanno Merkt

6; M ü n c h -

§ 70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

nung von sog Vorbesitzzeiten geht. 3 Zusätzlich ist § 7 0 auch dann anzuwenden, wenn die Satzung für die Geltendmachung von Rechten bestimmte Mindestzeiten der Aktionärsstellung verlangt. 4 2

Die von § 7 0 angesprochenen Mindesthaltefristen begrenzen die Ausübung typischer Minderheitenrechte (vgl unten Rdn 5). Ein „Ad hoc "-Aktienerwerb mit dem alleinigen Ziel, in den Genuss des Minderheitsrechts zu kommen, soll ausgeschlossen werden. 5 Da Minderheitsrechte das Risiko einer Investition in Aktien mindern sollen, scheint eine Einschränkung des Anlegerschutzes durch eine Festsetzung von Mindestbesitzzeiten nicht mehr zeitgemäß. 6 Die These, es bestehe die Gefahr, dass sich ein oder mehrere Aktionäre Aktien zukaufen, um Minderheitsrechte (missbräuchlich) auszuüben, ist nicht mehr haltbar. Denn sie setzt den Minderheitsaktionär pauschal und undifferenziert mit einem „räuberischen Kleinaktionär" gleich, der die Gesellschaft mit einer Anfechtungsklage überzieht und so die Ausführung der auf der Hauptversammlung beschlossenen M a ß nahmen zu verhindern droht, nur um sich das Anfechtungsrecht zu möglichst hohem Preis abkaufen zu lassen. Anders als in aller Regel die Anfechtungsklage entfalten die den Aktionären zustehenden Minderheitsrechte aber keine Blockadewirkung und sind also nicht geeignet, eine verlustbringende Lähmung der Gesellschaft herbeizuführen. Es handelt sich lediglich um Kontrollrechte, die neben dem notwendigen Quorum auch das Vorliegen bestimmter Tatsachen voraussetzen. So müssen im Fall des § 142 Abs 2 Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass Unredlichkeiten oder grobe Gesetzes- bzw Satzungsverletzungen vorgefallen sind. Auch § 315 S 2 stellt auf den durch Tatsachen zu erhärtenden Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung ab. § 2 6 5 Abs 3 fordert sogar das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Das befürchtete Missbrauchsrisiko ist unter Abwägung mit den berechtigten Interessen der Minderheitsaktionäre daher als gering einzuschätzen. Im Übrigen erscheint auch die Forderung einer Mindestbesitzzeit von drei Monaten schon nicht geeignet, um Missbräuche effektiv zu verhindern. Daher spricht einiges dafür, die Mindestbesitzzeiten und damit auch § 7 0 im Zuge einer Deregulierung des Aktienrechts ersatzlos aufzuheben.

3

An dieser Bewertung ändert auch nichts, dass die für den Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers bislang erforderliche Beteiligungsschwelle durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) auf ein Zehntel des bisherigen Werts gesenkt wurde, sodass nunmehr nach § 142 Abs 2 ein Anteil von 1 % am Grundkapital bzw ein anteiliger Betrag von 1 0 0 . 0 0 0 € ausreichend ist. 7 Der Gefahr der Häufung von Erpressungs- und Missbrauchsfällen wird dadurch begegnet, dass gem § 145 Abs 4 das Gericht auf Antrag des Vorstands zu gestatten hat, dass bestimmte Tatsachen nicht in den Bericht aufgenommen werden, wenn überwiegende Belange der

3 4 5 6 7

Hüffer 1. Geß\et/Hefermehl/Bungeroth 1; KK/Lutter 2. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 5; KYJLutter 3. AA KK/Lutter 3. Auch für die Minderheitsrechte der § § 2 5 8 Abs 2 S 3, 315 S 2 ist die Schwelle gesenkt worden. Andererseits bedarf es für den Antrag auf Bestellung eines anderen Abschlussprüfers gem § 318 Abs 3 HGB einer zwanzigprozentigen Beteiligung der Gesellschafter oder eines

Börsenwerts ihrer Anteile von mindestens 500.000 €. Für den Antrag nach § 265 Abs 3 ist immerhin ein Anteil von 20 % am Grundkapital bzw ein Nennwert der Aktien von 500.000 € erforderlich. Haben die Antragsteller einen solchen Anteil erworben bzw eine solche Summe in die Gesellschaft investiert, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie ihre eigene Investition nicht gefährden wollen, indem sie der Gesellschaft Schaden zufügen.

Stand: 1. 11. 2 0 0 7

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

Gesellschaft dies gebieten und diese Tatsachen zur Darlegung der Unredlichkeiten oder groben Pflichtverletzungen gern § 142 Abs 2 nicht unerlässlich sind. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass mit der Absenkung der Beteiligungsschwelle eine Harmonisierung mit den Regelungen zum Klagezulassungsverfahren nach $ 148 bezweckt war, für dessen Vorbereitung eine Sonderprüfung oftmals unverzichtbar sein wird, und das Gesetz auch im Falle des § 148 auf eine Mindestbesitzzeit verzichtet. 2. Geschichte der Norm Die Norm geht auf § 64 AktG 1937 zurück, der wiederum im Wesentlichen dem 4 damaligen § 230a HGB entsprach. 8 Auch bei der Neufassung des Aktiengesetzes 1965 blieb der Text des jetzigen § 70 fast unverändert. Lediglich die Bezeichnung Bank wurde durch den Begriff Kreditinstitut ersetzt, um die weite Auslegung des Begriffs Bank in § 64 S 1 AktG 1937 festzuschreiben. 9 Da seit dem 1.1.1973 Bestandübertragungen im BausparkassenG separat geregelt sind, 10 musste S 2 durch Art 2 Abs 13 Nr 1 des Gesetzes vom 29.3.1983 (BGBl I 377) ergänzend geändert werden. Erst kürzlich wurden in S 1 im Zuge der europarechtlichen Harmonisierung 1 1 neben den Kreditinstituten auch Finanzdienstleistungsinstitute sowie nach § § 5 3 Abs 1 S 1, 53b Abs 1 S 1, Abs 7 KWG tätige Unternehmen in den Anwendungsbereich aufgenommen. 1 2 Der Regelungszweck der Vorschrift wurde dadurch aber nicht verändert. 3. Bedeutung der Vorschrift Die Norm ergänzt Vorschriften, die eine Rechtsausübung von einer Mindesthaltezeit abhängig machen. 13 § 70 ist damit in gewisser Hinsicht unselbständig, da die inhaltliche Tragweite allein durch die Zahl und Bedeutung der in Bezug genommenen Fälle bestimmt wird. 1 4 Soweit dann die Voraussetzungen des § 70 S 1 oder 2 erfüllt sind, ist die jeweilige Vorbesitzzeit bei der Fristberechnung zu berücksichtigen. Gesetzlich sind sechs Fälle geregelt, bei denen jeweils eine Besitzzeit von mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung bzw Antragsstellung glaubhaft geltend gemacht werden muss: 15 Das Recht, eine von der Hauptversammlung abgelehnte Sonderprüfung zu erzwingen (§ 142 Abs 2 S 2), das Recht, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft zu erzwingen (§ 147 Abs 1 S 2), das Recht, bei Gericht einen Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers zu stellen (§ 258 Abs 2 S 4), das Recht, nach der Auflösung der Gesellschaft und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Abwickler gerichtlich bestellen und abberufen zu lassen (§ 265 Abs 3 S 2), das Recht, einen Antrag auf

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Vgl Schlegelberger/Quassowski $ 6 4 AktG 1937 Rdn 1, 3, in § 2 3 0 a HGB wurden Bestandsübertragungen allerdings nicht auf die Eigentumszeit des Rechtsvorgängers angerechnet. Kropf Begr zum AktG 1965, S 89; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 4, 9 f; KKILutter 1. Früher einheitlich § 14 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vom 6.6.1931, RGBl I S 315. Änderung durch Art 4 Nr 2 des Begleitge-

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setzes zum Gesetz zur Umsetzung von EGRichtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapierrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997, BGBl I S 2567. Hüffer 1; MünchKomm/ßiiyer 5. Kropff RegBegr AktG 1965, S 89; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 1; MünchKomm/ Bayer 2. K K / L u t t e r 2. Vgl auch die Aufzählungen bei G e ß l e r / H e f e r mehl/Bungeroth 1; Hüffer 5; KK/Lutter 2; MünchKomm/ßijyer 3.

Hanno Merkt

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§ 70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Bestellung eines Sonderprüfers in Bezug auf die Verhältnisse der Gesellschaft zu beherrschenden oder zu verbundenen Unternehmen zu stellen (§ 315 S 2) und das Recht, einen Antrag auf Bestellung eines anderen als des gewählten Abschlussprüfers zu stellen (§ 318 Abs 3 S 3 HGB 1 6 ). Diese Fallgestaltungen standen auch schon dem Gesetzgeber des AktG von 1937 vor Augen. 17 6

Obwohl die Norm vom Inhaber spricht, sind auch Mitgliedschaftsrechte aus Namensaktien und unverkörperten Mitgliedschaftsrechten erfasst. 18 Die Begriffe Eigentum, Anspruch auf Übereignung und Eigentumszeit sind ebenfalls untechnisch iSv Rechtsinhaberschaft, Anspruch auf Rechtsübertragung und Dauer der Rechtsinhaberschaft zu verstehen. 19 Es kann bei Namensaktien und Zwischenscheinen nämlich nicht darauf ankommen, ob der Anspruch auf Rechtsübertragung durch Übereignung der indossierten Urkunde oder durch einfache Abtretung des Mitgliedschaftsrechts erfüllt werden soll. 2 0 Auch bei unverkörperten Mitgliedschaftsrechten scheidet eine Übereignung des verbrieften Rechts aus. 21 Ferner zeigt § 70, dass für die Berechnung der Haltefrist das wirtschaftliche Risiko aus der Aktie und nicht deren rechtliche Innehabung entscheidend ist. 2 2 Zur Ausübung des Minderheitsrechts ist dagegen nur der Inhaber berechtigt. Besitz oder wirtschaftliches Eigentum genügen hier nicht. 2 3 Bei Namensaktien kommt es dabei gem § 67 Abs 2 zusätzlich darauf an, dass der Inhaber zur Zeit der Rechtsausübung im Aktienregister vermerkt ist. 24 Zudem gilt, dass die Belastung der Aktie mit einem beschränkt dinglichen Recht zwar der Aktionärsstellung nicht gleich steht, aber dennoch der Berechnung der Dauer der Aktionärsstellung nicht entgegensteht. 25 § 70 reichert also die aktuelle Aktionärsstellung durch die Hinzurechnung von Vorbesitzzeiten quasi an.

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Die Vorschrift des § 70 enthält zwingendes Recht. 2 6 Zwar kann in der Satzung für die Geltendmachung weiterer Mitgliedschaftsrechte eine Mindestbesitzzeit eingeführt werden, weil § 70 das Bestehen einer solchen Mindestbesitzzeit lediglich voraussetzt. Jedoch ist für die Berechnung der jeweiligen Zeiträume stets allein auf § 70 abzustellen. Abweichende Satzungsbestimmungen, die andere als die im Gesetz vorgesehenen Berechnungsfaktoren zulassen, sind in jedem Fall nichtig. 27

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Vor Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes vom 19.12.1985, BGBl I S 2 3 5 5 war die Karenzzeit zur Abberufung von Abschlussprüfern in § 163 Abs 2 S 4 AktG geregelt. Leider verweist nicht nur die ältere Kommentarliteratur auf diese Norm. Vgl KK/Lutter 2. Vgl Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 1. Allgemeine Ansicht: Baumbach/H«ec& § 70 AktG 1965 Rdn 2; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 2; KK/Lutter 4; MünchKomm/Bayer 2; Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 2a; Schlegelberger/Quassowski § 6 4 AktG 1937 Rdn 1. GeßXer/Hefermehl/Bungeroth 2. Geßler/Hefermebl/Bungeroth 11; MünchKomm/Bayer 7. MünchKomm/ßayer 7. Flechtheim § 2 3 0 a HGB 1934 Rdn 1; Geßler/

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Hefermehl/Bungeroth 7; KK/Lutter 3; Pinner J W 1931, 2 9 3 0 , 2 9 3 3 ; Schmölder JW 1930, 2 6 2 3 , 2631. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 5; KK/Lutter 3; Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 2. Baumbach/Hwed: 3; Flechtheim § 2 3 0 a HGB aF Rdn 3; Geßler /Hefermehl/Bungeroth 8; KK/Lutter 3; MünchKomm/ßayer 2; Schlegelberger/Quassowski AktG 1937 § 64 Rdn 2. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 6; MünchKomm/Bayer 2. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 3; ν Godin! Wilhelmi Anm 1; KK/Lutter 5; MünchKomm/Bayer 4. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 3; KKJLutter 5; MünchKomm/Bayer 4; aA noch GKJBarz (Vorauflage) Anm 2.

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

4. Addition verschiedener Anrechnungsfälle Die Hinzurechnung von Vorbesitzzeiten betrifft zum einen die Innehabung des wirtschaftlichen Eigentums (S 1) und zum andern sonstige Vorbesitzzeiten (S 2). Die Tatbestände aus S 1 und S 2 können zusammenfallen und zu einer mehrfachen Hinzurechnung führen. 2 8 Auch innerhalb des S 2 können verschiedene Anrechnungsfälle zusammentreffen und dem Aktionär kumuliert zugute kommen. Dazu muss aber der unmittelbare Rechtsvorgänger ebenfalls auf eine der in § 7 0 abschließend beschriebenen Arten Aktionär geworden sein. 2 9 Zudem ist S 2 erweiternd dahin auszulegen, dass einem Aktionär, der nicht die Aktie selbst, sondern nur einen unter S 1 fallenden Anspruch auf Übereignung - etwa gegen die Depotbank auf Herausgabe der sammelverwahrten Aktie gem § 7 Abs 1 DepotG - auf eine unter den Tatbestand von S 2 fallende Art erworben hat, die Zeit angerechnet wird, während derer der Anspruch seinem Rechtsvorgänger zustand. 3 0

8

Die jeweils anzurechnenden Tatbestände müssen jedoch unmittelbar aufeinander folgen. Wurde die Zurechnungskette etwa durch eine Veräußerung unterbrochen, dann wird dem folgenden Inhaber nur die Besitzzeit bis zu dieser Unterbrechung zugerechnet. 31

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Π. Anspruch auf Übereignung nach § 70 S 1 1. Anspruchsgegner Nach § 7 0 S 1 AktG wird der Zeitraum zugerechnet, in dem der Aktionär vom Kreditinstitut (§§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 KWG), einem Finanzdienstleistungsinstitut (§§ 1 Abs l a , 2 Abs 6 K W G ) oder einem nach §§ 5 3 Abs 1 S 1, 5 3 b Abs 1 S 1, Abs 7 K W G tätigen Unternehmen Übereignung verlangen konnte. § 7 0 S 1 bewirkt damit lediglich, dass der Dauer der Aktionärsstellung der Zeitraum hinzugerechnet wird, in dem der jetzige Aktionär bereits einen Anspruch gegen ein Kreditinstitut auf Übereignung der Aktie hatte. 3 2 Die Gleichstellung beruht darauf, dass der Inhaber eines solchen Anspruchs im wirtschaftlichen Ergebnis ähnlich wie ein Aktionär über die Aktie verfügen kann und das wirtschaftliche Risiko trägt. 3 3 Wie schon gesehen (s ο Rdn 6) bezieht sich diese Gleichstellung nur auf die fristwahrende Wirkung. Zur Rechtsausübung ist jeweils nur der aktuelle Aktionär befugt. S 1 soll damit dem zweifelhaften Zweck der Dauerbesitzvorschriften Rechnung tragen, nur das längerfristige wirtschaftliche Engagement als Aktionär

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Flechtheim § 230a HGB aF Rdn 5; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 30; KK/Lutter 4; Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 3a; Schlegelberger/ Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 4, die sich auf Beispielsfälle einer Sammelverwahrung mit gleichzeitiger erbrechtlicher Problematik beziehen. Ein weiteres Beispiel für eine kombinierte Zurechnung von § 70 S 1 und 2 sowie einer mehrgliedrigen Anrechnungskette findet sich bei MünchKomm/Bayer 23 f. So schon GKJBarz (Vorauflage) Anm 7; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 30; ihnen folgend MünchKomm/ßijyer 23.

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Schlegelberger/Quassowski AktG 1937 § 64 Rdn 4; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 30; KK/Lutter 4. Unstreitig: Flechtheim § 230a HGB aF Rdn 3; GKJBarz (Vorauflage) Anm 7; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 30; KK/Lütter 4; MünchKomm/Bayer 25. AnwKomm/Lofcr 2; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 8. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 7; KK/Lutter 3; MünchKomm/ßayer 1.

Hanno Merkt

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§ 70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

mit der Teilhabe an den typischen Minoritätsrechten zu honorieren. 34 Mit dem heute immer stärker dominierenden Typus des Anlegeraktionärs, der in erster Linie am Kursgewinn interessiert ist, lässt sich dies kaum vereinbaren. 11

Der Anspruch auf Übereignung muss gegenüber einem Kredit- bzw Finanzdienstleistungsinstitut oder einem nach §§ 53 Abs 1 S 1, 53b Abs 1 S 1, Abs 7 KWG tätigen Unternehmen bestehen. Die Norm knüpft damit an Regeltatbestand des heutigen Aktienhandels und häufigste Form der wirtschaftlichen Vermögenszugehörigkeit von Aktien an. 35 Der Begriff Kreditinstitut verweist auf §§ 1 Abs 1, 2 Abs 4 KWG, dh Kreditinstitute sind neben Geschäftsbanken namentlich Genossenschaftsbanken und öffentlich-rechtliche Institute, wie Sparkassen und Girozentralen. 36 Nach §§ 1 Abs l a , 11, 2 Abs 6, 10 KWG sind Finanzdienstleistungsinstitute insbesondere im Wertpapiergeschäft, etwa als Anlagevermittler, Anlageberater oder Portfolioverwalter tätig. 37 §§ 53 Abs 1 S l , 53b Abs 1 S 1, Abs 7 KWG enthalten Sondervorschriften für inländische Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz im Ausland, wobei § 53b KWG zusätzlich den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr für Unternehmen aus dem europäischen Wirtschaftsraum erleichtert, weil diese grundsätzlich keine Genehmigung gem § 32 KWG beantragen müssen. Eine Gleichstellung mit den Kreditinstituten ist angebracht, weil auch gegenüber Finanzdienstleistern Übereignungsansprüche bestehen können. 38

12

Die Begriffsdefinitionen in § 1 Abs 1, l a KWG sind bewusst weit gezogen, um in einem ersten Schritt möglichst viele Fälle zu erfassen. In einem zweiten Schritt hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen als Aufsichtsbehörde gem § § 2 Abs 4, 6, 10 KWG die Möglichkeit, solche Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften des KWG herauszunehmen. 39 Die Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes bezieht sich jedoch nur auf aufsichtsrechtliche Fragen und nicht auf den Inhalt der Geschäfte der einzelnen Unternehmen. Damit kann ein fehlendes Bedürfnis nach Aufsicht nicht zu einer Änderung der Bewertung bei der Auslegung von § 70 S 1 führen. 40 Selbst wenn Bankoder Finanzgeschäfte nur als Hilfs- oder Nebengeschäft von untergeordneter Bedeutung betrieben werden, ist dies aus der Sicht des Aktionärs unerheblich. Es entsteht wirtschaftliches Eigentum mit dem Erwerb durch das Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut unabhängig davon, ob eine Überwachung nach dem KWG erfolgen muss. 2. Art des Anspruchs (Spezies-, Gattungs- und Verschaffungsschuld)

13

Der Begriff der Übereignung ist untechnisch zu verstehen. Gemeint ist vielmehr die Verschaffung der Aktionärsstellung, also der Mitgliedschaft. 41 Der Rechtsgrund für den Anspruch auf Übereignung ist unerheblich. 42 Für § 70 S 1 ist es ebenfalls unerheblich, ob

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39

G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 7 ; KKJLutter KKJLutter 6.

in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg) Kreditwesengesetz § 2 Rdn 3 7 ff, 51 ff, 81 ff.

8.

Geßlei/Hefermehl/Bungeroth 9; Hüffer 2; KKJLutter 6; M ü n c h K o m m / B a y e r 6. Näher zur Begriffsbestimmung Füllbier in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg) Kreditwesengesetz § 1 Rdn 117 ff. RegBegr zur 6. K W G Novelle BT-Drucks 1 3 / 7 1 4 3 S 3 2 ; Hüffer 2 . Z u den einzelnen Kriterien für eine Befreiung nach § 2 Abs 4 , 6 und 10 K W G vgl Füllbier

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Ebenfalls zweifelnd M ü n c h K o m m / ß a y e r 6; aA G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 10, der auf das typische Erscheinungsbild und das angeblich fehlende Interesse des Aktionärs abstellt. AnwKommJLohr 3; Geß\edHefermehl/ Bungeroth 11; Hüffer 2 ; M ü n c h K o m m / Bayer 7. GeSler/Hefermehl/Bungeroth 12; KKJLutter 7.

Stand: 1. 11. 2007

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sich der Anspruch auf eine bestimmte Aktie oder auf nur gattungsmäßig bezeichnete Stücke richtet, da ein Gattungsanspruch auch auf Verschaffung gerichtet ist. 4 3 3. Rechtsgrund des Ubereignungsanspruchs Der Übereignungsanspruch kann auf Ansprüchen aus einem Kauf- oder Tauschvertrag mit dem Kreditinstitut oder Finanzdienstleister beruhen. Falls dabei aus dem eigenen Bestand geliefert wird, sind die §§ 18 ff D e p o t G über die Einkaufkommission zu beachten. Die Effektenkommission fällt immer dann unter § 70 S 1, wenn ein Zwischenerwerb des Kommissionärs erfolgen soll. 4 4 Diese Fälle werden aber praktisch k a u m v o r k o m m e n , weil die §§ 18 ff D e p o t G einen umgehenden Rechtserwerb vorsehen. Gem § 18 Abs 3 geht das Eigentum nämlich schon mit der Absendung des Stückeverzeichnisses über. Auf die - theoretisch - verbleibenden Zwischenzeiten ist § 70 S 1 aber anwendbar. 4 5

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Hauptanwendungsfälle sind hingegen die Ansprüche des Hinterlegers bei allen Formen der Verwahrung, bei denen andere als die hinterlegten Aktien zurückzugeben sind. An erster Stelle ist der Auslieferungsanspruch aus Sammelverwahrung gem § 695 BGB iVm § 7 Abs 1 DepotG zu nennen. 4 6 Erfasst werden aber ebenso die Ansprüche aus Tauschverwahrung nach §§ 695 BGB, 10 DepotG, aus einer Verwahrung mit Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum gem §§ 695 BGB, 13 DepotG, aus einer unregelmäßigen Verwahrung und Wertpapierdarlehen gern §§ 700 BGB, 15 DepotG. Zu beachten ist, dass auf die Sammelverwahrung neben S 2 auch Satz 1 Anwendung finden kann. 4 7

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Die Gegenansicht, 4 8 die Ansprüche aus der Girosammeiverwahrung vom Anwendungsbereich des § 70 S 1 ausnehmen will, überzeugt nicht. Denn aus dem (Regel-)Fall einer sammelverwahrten Globalurkunde, bei der ein Anspruch auf Einzelverbriefung gem § 10 Abs 5 AktG iVm § 9 Abs 3 S 2 DepotG ausgeschlossen ist, können keine Rückschlüsse auf die übrigen Sammelverwahrungsfälle gezogen werden. Bei solchen Globalurkunden ergibt sich kein Zurechnungsproblem. Der Erwerber wird nämlich schon mit Umbuchung bei der Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank iSv § 1 Abs 3 DepotG Miteigentümer am Sammelbestand (§ 6 Abs 1 S 1 DepotG) und damit Aktionär. Die Begründung einer Aktionärsstellung ist keineswegs per se ausgeschlossen. 49 Kann der Miteigentümer am Sammelbestand hingegen sein Recht auf Auslieferung nach § 7 Abs 1 DepotG geltend machen, dann erhält er mit Auslieferung eine bestimmte Anzahl von Aktien zum Alleineigentum, die nach § 7 Abs 1 2. Halbs DepotG gerade nicht mit den von ihm eingelieferten Stücken identisch sein müssen und auch nicht sein werden. Diese

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Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 2c; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 11 f; Hüffer 2; KK/Lutter 7; MünchKomm/ßayer 7. Allgemeine Ansicht: AnwKomm/Lofcr 3; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 13; Hüffer 3; MünchKomm/ßayer 8. Zur rechtsgeschäftlichen Übertragung von Aktien: Mentz/Fröhling NZG 2002, 201 ff. KK/Lutter 1. AnwKomm/Lofcr 3; GeßlerIHefermehll Bungeroth 14; Hüffer 3; KKJLutter 7; aA MünchKomm/ßayer 9 f, der allerdings bei

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Namensaktien § 70 S 1 analog auf die Zeitspanne zwischen Umbuchung im Bestandsverzeichnis des Verwahrers und der insoweit maßgeblichen Eintragung in das Aktienregister anwenden will. Vgl auch Heinsius/ Horn/Than § 7 DepotG Rdn 8. Baumbach/H«ec& § 70 AktG 1965 Rdn 4; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 14; KKJLutter 8, aM Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 2. MünchKomm/ßjj'er 9. So aber MünchKomm/Bayer 9.

Hanno Merkt

§70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Aktien hat er damit erstmals erworben. Ohne § 70 S 1 würde die Besitzzeit dann erst mit der Auslieferung beginnen. Dieses Ergebnis wäre jedoch unangemessen. Auch der Verweis auf die h M zu § 69 geht fehl, da es dort lediglich um die Rechtsfrage geht, ob die Miteigentümer als mehrere Berechtigte an einer Aktie gelten sollen. 17

Nicht von § 70 S 1 erfasst ist schließlich die Sonderverwahrung nach § 2 DepotG, denn dort bleibt der Hinterleger Eigentümer der Papier, so dass gar keine Notwendigkeit einer Zurechnung von Besitzzeit besteht. 50 Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn sich der Verwahrer die Wertpapiere gem § 13 Abs 2 DepotG aneignet oder das Eigentum auf einen Dritten überträgt, weil dann ein Anspruch des Hinterlegers auf Papiere derselben Art besteht. 4. Fälligkeit des Anspruchs

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Um eine Zurechnung der Besitzzeit zu erreichen, muss dieser Anspruch fällig, dh jederzeit ausübbar sein. 51 Ansonsten wären Verschaffungsanspruch und Innehabung des Rechts wirtschaftlich nicht gleichwertig. 52 Fällig ist der Anspruch des Hinterlegers auf Verschaffung des Alleineigentums aus §§ 695, 700 BGB iVm § § 7 , 10, 13, 15 DepotG. Bei der Einkaufkommission beginnt die nach S 1 anrechenbare Zeit erst mit der Ausführung des Auftrags durch den Kommissionär, nicht bereits mit der Annahme. 5 3 Denn erst, wenn der Kommissionär die Papiere tatsächlich erwirbt oder von seinem Recht zum Selbsteintritt Gebrauch macht, können sie tatsächlich herausgegeben werden. Vorher besteht noch keine Position, die dem Volleigentum wirtschaftlich vergleichbar wäre. Das gleiche gilt, wenn der Kommissionär nach dem Erwerb der Wertpapiere die Übersendung des Stückeverzeichnisses gem § 19 Abs 1 DepotG aussetzt. Auch dann besteht noch kein fälliger Anspruch. 5 4

III. Bezugsrecht auf neue Aktien 19

Ein weiterer Anwendungsfall des § 70 S 1 besteht beim Bezug von neuen Aktien aufgrund eines Bezugsrechts. Bei einem unmittelbaren Bezugsrecht gem § 186 Abs 1 übt der Aktionär sein Bezugsrecht selbst aus, so dass sein Anspruch gegen die Gesellschaft nicht unter S 1 fällt. 5 5 Beauftragt der Bezugsberechtigte hingegen gem § 26 DepotG einen Kommissionär mit der Geltendmachung seiner Ansprüche, dann wirkt S 1 vom Zeit-

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So auch AnwKomm/Lofcr 3; Hüffer 3; KKJLutter 7; zur Sonderverwahrung näher Gößmann in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg) Bankrechtshandbuch, Bd II, 2. Auflage 2001, § 72 IV Rdn 121. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 16; ν Godin/ Wilhelmi Anm 2; KKJLutter 10. Hüffer 3. Inzwischen ganz hM: Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 16; ν Godin/Wilhelmi Anm 2; Hüffer 3; KKJLutter 9; MünchKomm/ftjyer 11; Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 2c; die ältere Gegenansicht würde wohl heute nicht mehr

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vertreten werden vgl Baumbach/Hwecfe § 70 AktG 1965 Rdn 4; Flechtheim $ 230a HGB aF Rdn 5; GKJBarz (Vorauflage) Anm 5. Heinsius/Thorn/Than § 19 DepotG Rdn 1; KKJLutter 9. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 15; KKJLutter 10; MünchKomm/ßjyer 12; aA wohl Baum bach/Hueck § 70 AktG 1965 Rdn 4; GK/ Barz (Vorauflage) Anm 5, die den Fall des § 26 DepotG allerdings nicht problematisieren.

Stand: 1. 11. 2007

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

p u n k t der Entstehung des Mitgliedschaftsrechts an, dh im Regelfall mit der Eintragung der D u r c h f ü h r u n g der Kapitalerhöhung ins Handelsregister. I m Regelfall bedient sich die Gesellschaft gem § 1 8 6 A b s 5 eines Kreditinstituts, u m den Aktionären die neuen Aktien anzubieten. D a n n geschieht eine Z u r e c h n u n g mit der Ausübung des R e c h t s durch den Berechtigten selbst oder seinen K o m m i s s i o n ä r (§ 2 6 D e p o t G ) gegenüber dem beauftragten Kreditinstitut als Verpflichtetem. 5 6 Die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Bezugsrecht mag im Ergebnis wenig befriedigend s e i n , 5 7 wird jedoch dadurch relativiert, dass sich die Besitzzeit für junge Aktien nach dem Rechtsgedanken des § 2 1 6 grundsätzlich nach der Besitzdauer der alten Aktien richtet. Das gilt jedoch nur für den Anteil an jungen Aktien, den der Aktionär durch die Ausübung der ihm aufgrund seines bisherigen Anteils zustehenden Bezugsrechte erworben h a t . 5 8 Erwirbt er noch mehr junge Aktien, und erhöht er damit seinen Anteil a m Grundkapital, muss für diese Aktien die Besitzzeit gem § 7 0 bestimmt werden.

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IV. Spezielle Zurechnungsfälle nach § 7 0 S 2 In § 7 0 findet sich eine Aufzählung spezieller Zurechnungsfälle. Die fünf aufgeführten Fälle durchbrechen die Voraussetzung einer wirtschaftlichen Identität von Inhaberschaft und E i g e n t u m . 5 9 Die Aufzählung der Anrechnungsfälle ist abschließend, dh darüber hinaus ist eine Z u r e c h n u n g von Zeiten eines Rechtsvorgängers nicht m ö g l i c h . 6 0 Ein gemeinsamer G r u n d g e d a n k e ist nicht ersichtlich. Es erscheint sehr zweifelhaft, o b allen Gestaltungen gemeinsam ist, dass bei ihnen die G e f a h r eines kurzfristigen Aktienerwerbs allein zur Ausübung von Minderheitsrechten im allgemeinen nicht besteht. 6 1 D a f ü r sind die Fallgruppen zu unterschiedlich. Die legislatorischen M o t i v e sind u n g e k l ä r t . 6 2 D a jedenfalls die wirtschaftliche Verfügungsmacht nicht durchgehend m a ß g e b e n d ist, kann sie zum Verständnis und zur Auslegung einzelner Fallgruppen nicht b e i t r a g e n . 6 3

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1. Eigentumszeit eines Rechts Vorgängers Auch der Begriff Eigentumszeit ist untechnisch zu verstehen. Gemeint ist die Z e i t , während der der unmittelbare Rechtsvorgänger die Aktionärsstellung i n n e h a t t e . 6 4 Die R e c h t s i n h a b e r s c h a f t fällt nicht immer mit dem Eigentum an der Aktie oder den Z w i schenschein zusammen. Als Beispiele lassen sich unverkörperte Mitgliedschaftsrechte oder der Untergang der Urkunde nennen. D a § 6 7 Abs 2 nur im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Aktionären in Bezug auf die Aktionärstellung gilt, k o m m t es bei N a m e n s aktien und Zwischenscheinen allein auf die tatsächliche Aktionärsstellung des Rechtsvorgängers und nicht auf dessen Eintragung im Aktienregister a n . 6 5

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Unstreitig: GKJBarz (Vorauflage) Anm 5; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 15; ν Godin/ Wilhelmi Anm 2; KK/Lutter 10; MünchKomm/Bayer 12. So ν Godin/Wilhelmi Anm 2 (unsinnige Unterscheidung). KKJLutter 11; ihm folgend MünchKomm/ Bayer 12. KKJLutter 12. Geßkr/Hefermehl/Bungeroth 20; Hüffer 4; KKJLutter 12; MünchKomm/ßayer 13.

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So aber Geßler/Hefermehl/Bungeroth 17; ihnen folgend MünchKomm/ßayer 13. Vgl etwa den Streit um die Aufnahme der Alternative „unentgeltlich" in S 2. Dazu Staub /Pinner § 230a HGB aF Rdn 9; Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 3a. KKJLutter 12. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 18; MünchKomm/Beyer 13. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 18; ν Godin/ Wilhelmi Anm 3.

Hanno Merkt

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§ 70

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Nach Sinn und Zweck des § 70 ist stets nur der unmittelbare Rechtsvorgänger gemeint, von dem der jetzige Inhaber in der angegebenen Weise erworben hat. 6 6 Insoweit ist die Formulierung „eines Rechtsvorgängers" zu weit. Unter Umständen kommt dem Aktionär aber auch die Besitzzeit seines mittelbaren Rechtsvorgängers zugute. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der unmittelbare Rechtsvorgänger auch durch eine nach S 2 begünstigte Art erworben hat. In diesem Fall ist dem Aktionär auch die Besitzzeit des mittelbaren Rechtsvorgängers mittelbar über die Besitzzeit seines unmittelbaren Rechtsvorgängers zuzurechnen (sog Verschachtelung). 67 2. Unentgeltlicher Erwerb

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Der erstgenannte Fall der Zurechnung der Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers betrifft den unentgeltlichen Erwerb. Das bedeutet, dass jede nachträgliche Vereinbarung eines Entgelts die Annahme eines unentgeltlichen Erwerbs rückwirkend beseitigt. 68 Unentgeltlich ist ein Erwerb, wenn durch Gesetz oder Rechtsgeschäft festgelegt ist, dass der Erwerber keine Gegenleistung zu erbringen braucht. 69 Darunter fallen Schenkungen unter Lebenden (§ 516 BGB) und von Todes wegen (§ 2301 BGB), sowie Vermächtnisse (§ 2147 BGB), wenn der Vermächtnisnehmer keine Gegenleistung, etwa in Form eines Ankaufsrechts, zu erbringen hat. 7 0 Ebenfalls unentgeltlich ist der Erwerb von Aktien im Rahmen eines zinslosen Wertpapierdarlehens. Auch hier ist die Vorbesitzzeit des Darlehensgebers dem jetzigen Inhaber anzurechnen. 71

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Auf die Hingabe von Aktien zur Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs kann S 2 entsprechend angewendet werden. 72 Schließlich wird der Pflichtteilsanspruch unentgeltlich erworben. 73 Zwar ist dieser nach § 2303 Abs 1 S 2 BGB nicht auf den Erwerb von Aktien, sondern auf einen bestimmten Geldwert gerichtet, 74 wird aber statt eines Geldbetrags eine bestimmte Anzahl von Aktien geleistet, dann handelt es sich um eine Leistung an Erfüllungs statt gem § 364 Abs 1 BGB. Diese Vereinbarung stellt keinen neuen Schuldgrund dar, sondern lässt den ursprünglichen Schuldgrund unberührt, 75 dh es handelt sich weiterhin um einen unentgeltlichen Erwerb. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht der Vergleich mit einem Vermächtnisnehmer: Dessen Stellung ist mit der des Pflichtteilsberechtigten wirtschaftlich vergleichbar. 76

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So schon Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 3a; Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 3; ihnen folgend GeßlerIHefermebl/ Bungeroth 19; KK/Lutter 12; MünchKomm/ Bayer 13. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 19; MünchKomm/Bayer 23 ff; Schlegelberger/ Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 3. Hefermehl/Bungeroth 21; KKILutter 13. RGZ 163, 348, 355 f; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 21. AnwKomm/Lofcr 4. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 21; KK/Lutter 13; MünchKomm/Bayer 14. GK/Barz (Vorauflage) Anm 6; KK/Lutter 13; MünchKomm/Bijyer 15, der sein Ergebnis

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allerdings mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet; aA Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 22; Hüffer 4. Es handelt sich nicht um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge, da der Pflichtteilsberechtigte nicht in die Erbenstellung einrückt. Vgl Erman/Schlüter Vor § 2 3 0 3 BGB Rdn 1; Valandt! Edenhofer Überbl ν § 2 3 0 3 BGB Rdn 1. Insoweit dogmatisch korrekt: Gtü\e.rlHefermehl/Bungeroth 2 2 . Harder, Die Leistung an Erfüllungs Statt (datio in solutum), 1976, S 129 ff; Erman/ Westermann % 364 BGB Rdn 2; MünchKomm/Wenzel § 364 BGB Rdn 1; Palandt/ Heinrichs § 364 Rdn 2. So MunchKomm/Bayer 15.

Stand: 1. 11. 2 0 0 7

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

Der Erwerb von Aktien im Wege der Erbfolge geschieht zwar ohne Gegenleistung und 2 6 damit unentgeltlich. Dennoch bildet die Gesamtrechtsnachfolge einen Spezialfall. 77 Der rechtsgrundlose Erwerb geschieht nicht zwangläufig unentgeltlich. Er kann dem unentgeltlichen Erwerb im Gegensatz zu §§ 988, 816 BGB auch nicht gleichgestellt werden, weil § 70 Fälle des endgültigen, dh des kondiktionsfesten Rechtserwerbs betrifft. 7 8 3. Erwerb vom Treuhänder Eine Zurechnung der Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers ist auch bei einem Erwerb vom Treuhänder möglich. Dieser Fall ist den Fällen des S 1 vergleichbar, weil auch hier in wirtschaftlicher Sicht eine Aktionärsstellung besteht. 79 Daher kann es auch zu Überschneidungen mit S 1 kommen, wenn der Treuhänder gleichzeitig ein Kredit- bzw Finanzdienstleistungsinstitut ist. Der Begriff der Treuhand ist hier weit auszulegen und erfasst die uneigennützige Verwaltungstreuhand und die eigennützige Sicherungstreuhand genauso wie die echte oder unechte Treuhand (sog stille Stellvertretung). 80 Die Ausgestaltung im Einzelnen ist ohne Bedeutung. Es reicht aus, dass dem Aktionär lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung zusteht. Diese weite Auslegung ist sachgerecht, da der Begriff Treuhänder keine Anhaltspunkte für eine teleologische Reduktion bietet. Einzige Bedingung ist, dass der Treuhänder selbst Inhaber der Aktien gewesen sein muss. 81 Eine Legitimationsübertragung nach § 129 Abs 3 ist kein Treuhandfall, da der Übertragende Aktionär bleibt und damit eine Zurechnung nach § 70 S 2 weder möglich noch erforderlich ist, weil die Besitzzeiten des Berechtigten hier nicht verkürzt werden. 8 2 Der Legitimationsaktionär kann die Rechte aus Namensaktien gem § 67 Abs 2 allerdings nur ausüben, wenn er in das Aktienregister eingetragen wurde.

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4. Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge Die Zurechnung der Eigentumszeiten bei einer Gesamtrechtsnachfolge ist unmittelbar einleuchtend. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt in die Rechtsposition seines Vorgängers mit allen Rechten und Pflichten ein. Daher wäre es nicht einzusehen, dass trotz des unveränderten Bestands der Rechtsposition die Rechtsausübung behindert sein sollte. 83 Im Übrigen wurden die Fälle schon vor der Aufnahme von § 230a in das HGB entsprechend behandelt. 8 4

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Heute unstreitig: BaumbachIHueck § 70 AktG 1965 Rdn 5; Geßlet/Hefermehl/ Bungeroth 22; KK/Lutter 13; MünchKomm/ Bayer 14; aA noch Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 3. RGZ 163, 348, 356 f; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 21; Hüffer 4; KKJLutter 13; MünchKomm/Bayer 14. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 23; MünchKomm! Bayer 16. Obwohl laut KKJLutter 14 der Aspekt, dass der Treugeber in jedem dieser Fälle wirtschaftlicher Eigentümer ist, für die Auslegung nicht so entscheidend sein soll. Unstreitig: Flechtheim § 230a HGB aF

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Rdn 5; Staub/Pm«er § 230a HGB aF Rdn 8; Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 3b; Schlegelberger/Quassowski AktG 1937 § 64 Rdn 3; BaumbachIHueck § 70 AktG 1965 Rdn 5; AnwKomm/LoAf 5; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 24; Hüffer 4; KKJLutter 14; MünchKomm/ßayer 16. KK/Lütter 14. Allgemeine Ansicht: Flechtheim § 230a HGB aF Rdn 5; AnwKomm/Lofcr 5; Geßler /Hefermehl/Bungeroth 24; Hüffer 4; KK/Lütter 14; MünchKomm/ßijyer 17. KK/Lütter 15; MünchKomm/ßayer 18. Vgl den Nachweis bei KKJLutter 15.

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§ 70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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Die wichtigsten Fälle sind die Gesamtrechtsnachfolge von Todes wegen (§§ 1922 ff BGB), die Verschmelzung nach § § 2 0 Abs 1 Nr 1, 73 UmwG, die Anwachsung nach § 738 Abs 1 S 1 BGB, die Nachfolge gern § 140 Abs 1 S 2 iVm S 1 H G B 8 5 und der Anfall von Vereinsvermögen an den Fiskus gem § 4 6 BGB. Weitere Fälle betreffen die Vermögensübertragung ohne Abwicklung gem §§ 174 f UmwG und die Begründung der ehelichen Gütergemeinschaft durch Ehevertrag gem § 1416 Abs S 1 BGB.

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Nicht von dem Begriff der Gesamtrechtsnachfolge erfasst sind alle Übertragungen von Vermögensmassen durch Einzelverfügungen, etwa ein Unternehmenskauf nach §§ 22 ff HGB, der Anfall des Vereinsvermögens an andere Personen als den Fiskus (§ 47 BGB) sowie die Übertragung der Aktien außenstehender Aktionäre auf die Hauptgesellschaft bei Eingliederung gem § 320a. Letztere betrifft den Fall einer Einzelrechtsnachfolge kraft Gesetzes. 86 Ferner gilt die Norm nicht für den Formwechsel nach § 2 0 2 Abs 1 Nr 1 UmwG, da dabei die Identität des Rechtsträgers unverändert bleibt und daher die Besitzzeit der Aktien nicht unterbrochen wird. 87 Ein Übergang der Aktiva und Passiva findet nicht statt, insbesondere nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. 88 Für eine Zurechnung iSv § 70 S 2 verbleibt dann kein Raum. 5. Auseinandersetzung einer Gemeinschaft

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Nähe zum Gedanken der wirtschaftlichen Verfügungsbefugnis haben schließlich die Fälle der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft. Die Anrechnung der Eigentumszeit ist hier deshalb sachgerecht, weil der Aktionär als Mitglied der Gemeinschaft schon vor der Auseinandersetzung rechtlich und wirtschaftlich an der Aktiengesellschaft beteiligt war. 89 Daraus folgt aber auch, dass eine Anrechnung dann nicht stattfindet, wenn der Aktionär die Aktien zwar bei der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft erworben hat, an dieser Gemeinschaft aber selbst nicht beteiligt war. 90

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Der Begriff der Gemeinschaft ist wiederum weit zu verstehen. Erfasst sind alle Fälle der Auseinandersetzung einer gemeinschaftlichen Berechtigung. Das betrifft alle Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaften, und zwar unabhängig davon, ob sie auf Gesetz oder Vertrag beruhen. Gemeint sind sowohl die Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften (§§ 2 0 3 2 ff BGB) oder ehelichen Gütergemeinschaften (1471 ff BGB), als auch die Abwicklung von Personenhandelsgesellschaften (§§ 145 ff HGB), soweit die Auseinandersetzung durch Übertragung von Aktien aus dem bisherigen Gesellschaftsvermögen erfolgt. 91 Auch das Ausscheiden des Aktionärs aus der Sammelverwahrung nach

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Vgl RGZ 68, 410, 414 f zu § 142 HGB aF, auf den sich auch die frühere Kommentarliteratur bezieht. Diese Norm wurde jedoch durch Art 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsre formgesetz - HRefG) vom 2 2 . 0 6 . 1 9 9 8 BGBl I S 1474 aufgehoben. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 26; Hüffer 4; KKILutter 15; MünchKomm/ßayer 19. So auch MünchKomm/ßijyer 18; aA AnwKomm/Lofcf 6; Hüffer 4.

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KMmeyer/Meister/Klöcker § 2 0 2 UmwG Rdn 13; Lutter/Decher § 2 0 2 UmwG Rdn 10 (Vermögensidentität); Semler/Stengel/K«Wer § 2 0 2 UmwG Rdn 7. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 27; MünchKomm/Bayer Rdn 20. Schlegelberger/Quassowski AktG 1937 Rdn 3; KKJLutter 16. Allgemeine Ansicht: Ritter $ 6 4 AktG 1937 Rdn 3d; AnwKommJ Lohr 7; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 28; Hüffer 4; KK/Lutter 16; MünchKomm/Bayer 21.

Stand: 1. 11. 2 0 0 7

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

SS 5 ff DepotG fällt hierunter. Bei einer Sammelverwahrung besteht aber zugleich ein Herausgabeanspruch gem § 695 BGB iVm § 7 DepotG, so dass die Voraussetzungen von S 1 und 2 kumulativ erfüllt sind. 9 2 Die Zurechnung erfolgt gleichwohl nur einmal. Der Erwerb der Aktien muss bei, nicht jedoch anlässlich der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft erfolgen. Gemeint ist immer nur Erwerb aufgrund der ehemaligen Gesamtberechtigung. 93 Das bedeutet: die Anrechnung erfolgt nur für die Zeit, in der der Aktionär Mitglied in der Gemeinschaft war, und nur für die Anzahl der Aktien, deren Übernahme durch den früheren Umfang der Beteiligung an der Gemeinschaft gedeckt ist. 94 Im Übrigen ist der Aktionär wie ein außenstehender Dritter zu behandeln, denn insoweit fehlt eine wirtschaftliche Inhaberschaft. Diese Wertung folgt bei der Sammelverwahrung schon aus S 1. Die übrigen Fälle sind identisch zu behandeln. 9 5

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6. Bestandsübertragung nach § 14 VAG und § 14 BausparkassenG Die Bestandsübertragungen nach § 14 VAG und § 14 BausparkassenG betreffen die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Sondervermögensmasse, nämlich des Kundenbestands. 96 In Bezug auf die im Vermögen des übertragenden Rechtsträgers vorhandenen Aktien handelt es sich nicht um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge, da die Aktiva, mit denen die technischen Reserven gedeckt werden, mangels genauer Zuordnung zum Kundenbestand nur im Wege der Einzelübertragung übergehen können. 9 7 Der Vorgang ähnelt aber einer Gesamtrechtsnachfolge, da eine Vermögensteileinheit übertragen wird. Dies und die Tatsache, dass eine behördliche Prüfung und Genehmigung erforderlich ist, lassen die Vergünstigung einer Zurechnung der Aktienbesitzzeit in diesen Fällen als gerechtfertigt erscheinen. 98

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V. Mögliche Addition verschiedener Anrechnungsfälle Im Rahmen des S 2 können verschiedene Anrechnungsfälle zusammentreffen und zu einer kumulierten Hinzurechnung von Vorbesitzzeiten führen, wenn der Rechtsvorgänger seinerseits die Aktie auf eine in S 2 genannte Art erworben hat. 9 9 Ferner ist es möglich, dass ein Anrechnungsfall nach S 2 zusammen mit einem solchen nach S 1 auftritt,

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Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 3; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 28; KKJLutter 16; aA MünchKomm/ Bayer 9, 21. KK/Lutter 16. Flechtheim § 230a HGB aF Rdn 4; Staub/Pinner § 230a HGB aF Rdn 8; Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 3; GeßleilHefermehl/Bungeroth 27; KK/Lutter 16; MünchKomm/ Bayer 20. So auch KKJLutter 16; aA MünchKomm/ Bayer 21, der insoweit konsequent die Giro-

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sammelverwahrung nicht als Fall des § 70 S 1 betrachtet. AnwKomm/Lofcr 8. Prölss/Schmidt § 14 VAG Rdn 31; Lehmann/Schäfer § 14 BausparkassenG Rdn 4, 9. Vgl auch Geßler/Hefermehl/Bungeroth 29; KKJLutter 17. Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 3; Gt&er/Hefermehl/Bungeroth 29; KKJLutter 17; MünchKomm/Bayer 22. MünchKomm/Bayer 23.

Hanno Merkt

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§70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

wenn dem Rechtsvorgänger ein Übereignungsanspruch nach Satz 1 zustand. 1 0 0 So ist S 2 mit Blick auf die Gleichstellung in S 1 dahingehend auszulegen, dass nicht nur die Eigentumszeit des Rechtsvorgängers, sondern auch diejenige Zeit, während welcher er einen Anspruch auf Übereignung nach S 1 hatte, von der Anrechnung erfasst wird. 1 0 1 Voraussetzung für eine Addition ist in jedem Fall aber, dass die jeweiligen anrechenbaren Besitzzeiten lückenlos aufeinanderfolgen; 1 0 2 eine Unterbrechung hat den Neubeginn der Karenzzfrist zur Folge. 103

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MünchKomm/Bayer 23. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 30. MünchKomm/Bayer 25; GK/Barz (Vorauflage) Anm 7; KK/Lutter 4.

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MünchKomm/Bayer 25; GK/Barz (Vorauflage) Anm 7; KK/Lutter 4.

Stand: 1. 11. 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

§ 71 E r w e r b eigener Aktien

1. 2. 3.

4. 5. 6. 7.

8.

(1) 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben, wenn der Erwerb notwendig ist, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, wenn die Aktien Personen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen stehen oder standen, zum Erwerb angeboten werden sollen, wenn der Erwerb geschieht, um Aktionäre nach § 305 Abs 2, § 320b oder nach § 2 9 Abs 1, § 125 S 1 in Verbindung mit § 2 9 Abs 1, § 2 0 7 Abs 1 S 1 des Umwandlungsgesetzes abzufinden, wenn der Erwerb unentgeltlich geschieht oder ein Kreditinstitut mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt, durch Gesamtrechtsnachfolge, auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals, wenn sie ein Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder Finanzunternehmen ist, aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zum Zwecke des Wertpapierhandels. 2 Der Beschluß muß bestimmen, daß der Handelsbestand der zu diesem Zweck zu erwerbenden Aktien fünf vom Hundert des Grundkapitals am Ende jeden Tages nicht übersteigen darf; er muß den niedrigsten und höchsten Gegenwert festlegen. 3 Die Ermächtigung darf höchstens 18 Monate gelten; oder aufgrund einer höchstens 18 Monate geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung, die den niedrigsten und höchsten Gegenwert sowie den Anteil am Grundkapital, der zehn vom Hundert nicht übersteigen darf, festlegt. 2A1S Zweck ist der Handel in eigenen Aktien ausgeschlossen. 3 § 53a ist auf Erwerb und Veräußerung anzuwenden. 4 Erwerb und Veräußerung über die Börse genügen dem. 5 Eine andere Veräußerung kann die Hauptversammlung beschließen; § 186 Abs 3, 4 und § 193 Abs 2 Nr 4 sind in diesem Fall entsprechend anzuwenden. 6 Die Hauptversammlung kann den Vorstand ermächtigen, die eigenen Aktien ohne weiteren Hauptversammlungsbeschluß einzuziehen.

(2) 1 Auf die zu den Zwecken nach Abs 1 Nr 1 bis 3, 7 und 8 erworbenen Aktien dürfen zusammen mit anderen Aktien der Gesellschaft, welche die Gesellschaft bereits erworben hat und noch besitzt, nicht mehr als zehn vom Hundert des Grundkapitals entfallen. 2 Dieser Erwerb ist ferner nur zulässig, wenn die Gesellschaft die nach § 272 Abs 4 des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien bilden kann, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden darf. 3 In den Fällen des Absatzes 1 Nr 1, 2, 4, 7 und 8 ist der Erwerb nur zulässig, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag voll geleistet ist. (3) 'In den Fällen des Absatzes 1 Nr 1 und 8 hat der Vorstand die nächste Hauptversammlung über die Gründe und den Zweck des Erwerbs, über die Zahl der erworbenen Aktien und den auf sie entfallenden Betrag des Grundkapitals, über deren Anteil am Grundkapital sowie über den Gegenwert der Aktien zu unterrichten. 2 Im Falle des Absatzes 1 Nr 2 sind die Aktien innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb an die Arbeitnehmer auszugeben. 'Im Falle des Absatzes 1 Nr 8 hat die Gesellschaft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich von der Ermächtigung zu unterrichten. (4) 1 Ein Verstoß gegen die Absätze 1 oder 2 macht den Erwerb eigener Aktien nicht unwirksam. 2 Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist jedoch nichtig, soweit der Erwerb gegen die Absätze 1 oder 2 verstößt.

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Hanno Merkt

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter Übersicht Rdn

I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck . . a) Gläubigerschutz b) Schutz der Kompetenzverteilung in der AG c) Schutz der Aktionäre d) Schutz der AG e) Kontrolle der Unternehmensleitung durch den Markt f) Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes 2. Ökonomische Zwecke des Erwerbs eigener Aktien a) Ausschüttung entbehrlichen Kapitals b) Steigerung der Eigenkapitalrendite c) Alternative zur Dividendenausschüttung d) Kurspflege e) Verhinderung feindlicher Übernahmen f) Gestaltung der Beteiligungsstruktur g) Aufbau wechselseitiger Beteiligungen iSd § 19 h) Erwerb eigener Aktien als Akquisitionswährung i) Kapitalherabsetzung durch Einziehung gem § 237 j) Rückzug von der Börse 3. Methoden des Erwerbs eigener Aktien Zustandekommen des Kaufvertrages . a) Erwerb über die Börse b) Öffentliche Rückkaufangebote . . aa) Festpreisangebot (Fixed Price Tender Offer) bb) Preisspannenangebot (Dutch Auction Tender Offer) . . . . cc) Emission übertragbarer Verkaufsrechte (Transferable Put Rights) c) Individuell vereinbarter Rückkauf (Negotiated Repurchase) 4. Durchführung des Erwerbs eigener Aktien a) Zuständigkeit b) Kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten aa) Ad-hoc Mitteilung ($ 15 WpHG) bb) Anforderungen der Verordnung 2273/2003/EG vom 22.12.2003 cc) Beteiligungspublizität (§§ 21, 25 WpHG) dd) Veröffentlichungspflicht gem § 10 WpÜG ee) Nachträgliche Unterrichtung der Hauptversammlung c) Höhe des Kaufpreises aa) Erwerb über die Börse . . . . bb) Öffentliches Rückkaufangebot

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Rdn cc) Kaufvertrag mit einzelnen Aktionären d) Gleichbehandlung ($$ 53a, 71 Abs 1 Nr 8 S 3) aa) Gleichbehandlung beim Erwerb (1) Erwerb über die Börse . . . (2) Öffentliche Rückkaufangebote und Andienungsrecht (3) Individuell vereinbarter Rückkauf (Negotiated Repurchase) bb) Gleichbehandlung bei der Veräußerung (1) Veräußerung unter erneutem Zustimmungsvorbehalt (2) Keine öffentliche Versteigerung (3) Entbehrlichkeit des Bezugsrechtsausschlusses cc) Keine zusätzliche Zustimmung des Aufsichtsrates dd) Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot 5. Geschichte der Norm a) Erste Aktienrechtsnovelle von 1870 b) Zweite Aktienrechtsnovelle von 1884 c) Handelsgesetzbuch von 1897 . . . d) Notverordnung von 1931 e) AktG von 1937 f) Aktienrechtsreform des Jahres 1965 g) K a p R L von 1976 und Aktienrechtsnovelle von 1978 h) Bilanzrichtliniengesetz von 1985 . . i) Zweites Finanzmarktförderungsgesetz von 1994 j) Umwandlungsbereinigungsgesetz von 1994 k) Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften von 1997 1) Stückaktiengesetz vom 25.3.1998 . m)KontraG vom 27.4.1998 n) Bericht der Regierungskommission Corporate Governance von 2001 . o) Änderungsrichtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 aa) Änderung der Bestandsgrenze für aufgrund einer Hauptversammlungsermächtigung erworbene eigene Aktien . . . bb) Änderung der Bestandsgrenze für nicht aufgrund einer Hauptversammlungsermächtigung erworbene Aktien

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Erwerb eigener Aktien Rdn cc) Auswirkungen auf die Erwerbsgrenzen der § 71 Abs 1 N r 7 und Nr 8 AktG dd) Änderungen in zeitlicher Hinsicht ee) Sonstige Änderungen 6. Systematik des § 71 und Verhältnis zu § 57 7. Verhältnis zu § 56 8. Verhältnis zu § § 6 4 f 9. Verhältnis zum WpÜG 10. Darlegungs- und Beweislast II. Grundsatz: Erwerbsverbot (§ 71 Abs 1) 1. Allgemeines 2. Erwerb eigener Aktien a) Dingliche Rechtsgeschäfte . . . . b) Erwerbstatbestände c) Einzelfälle aa) Originärer Erwerb bb) Vorübergehender Erwerb . . . cc) Erlangung der bloßen Verfügungsbefugnis dd) Legitimationsübertragung . . ee) Erwerb gem § 71d S 5 . . . . ff) Vollstreckung in eigene Aktien und Erwerb in der Zwangsversteigerung gg) Kaduzierungsverfahren ( § § 6 4 ff) 3. Aktien 4. Eigene Aktien ΠΙ. Ausnahmen vom Erwerbsverbot (§ 71 Abs 1 N r 1 - 8 ) 1. Allgemeines 2. Notwendigkeit zur Schadensabwehr (§ 71 Abs 1 Nr 1) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Schaden der Gesellschaft c) Schwere des Schadens d) Unmittelbar bevorstehender Schaden e) Notwendigkeit des Erwerbs zur Abwehr des Schadens f) Verschiedene Schadensfälle . . . . aa) Forderungssicherung bb) Auseinandersetzung von Aktionären cc) Abkauf von Anfechtungsklagen dd) Bankenhandel in eigenen Aktien ee) Kurspflege und Baisseangriff ff) Feindliche Übernahme der Aktiengesellschaft gg) Greenmailing hh) Rückabwicklung eines Übernahmevertrages im Zusammenhang mit einer Aktienneuemission

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Hanno Merkt

$ 7 1

Rdn 3. Belegschaftsaktien (§ 71 Abs 1 N r 2) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Ernstlicher Wille zur Weitergabe an die Belegschaft c) Personen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft stehen oder standen d) Arbeitnehmer eines verbundenen Unternehmens e) Durchführung der Ausgabe an die Belegschaft f) Umwidmung bereits erworbener eigener Aktien 4. Abfindung von Aktionären (§ 71 Abs 1 N r 3) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Konzernrechtliche Abfindung . . aa) § 305 Abs 2 AktG bb) § 320b AktG c) Umwandlungsrechtliche Abfindung aa) § 29 Abs 1 UmwG bb) § 125 S 1 iVm § 29 Abs 1 UmwG cc) § 2 0 7 Abs 1 S 1 UmwG . . . d) Erweiterung auf nicht ausdrücklich geregelte Fälle aa) Verschmelzung nach § 62 UmwG bb) Abfindung der Aktionäre bei einem Delisting e) Ernstliche Verwendungsabsicht . . f) Überschreiten der Grenzen des § 71 Abs 2 S 1 und 2 g) Veräußerungspflicht gem § 71c Abs 1 analog h) Vorhandene Aktien kein Erwerbshindernis 5. Unentgeltlicher Erwerb und Einkaufskommission (§ 71 Abs 1 N r 4) . . . a) Unentgeltlicher Erwerb aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Unentgeltlichkeit b) Einkaufskommission aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Begriff der Einkaufskommission cc) Kreditinstitut dd) Ernstlicher Wille ee) Veräußerungspflicht gem § 71c Abs 1 analog 6. Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs 1 Nr 5) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Erbschaft c) Verschmelzung und Spaltung . . .

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§ 7 1

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter Rdn d) Unternehmensübernahme gern § 140 Abs 1 S 2 HGB e) Analoge Anwendung bei verschmelzungsbedingtem Erwerb einer Put Option bezüglich eigener Aktien

Rdn g) Andere Veräußerung durch Hauptversammlungsbeschluss (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 5) aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Bezugsrechtsausschluss

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232

7. Einziehung (§ 71 Abs 1 Nr 6) . . . . a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Beschluss einer Einziehung gem § 2 3 7 Abs 2 S 2 c) Unterschied zu § 71 Abs 1 Nr 8 . . d) Bilanzierung 8. Wertpapierhandel (§ 71 Abs 1 Nr 7) . a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Adressaten c) Beschluss der Hauptversammlung . aa) Zum Zwecke des Wertpapierhandels bb) Fünf Prozent des Grundkapitals ($ 71 Abs 1 Nr 7 S 2 1. HS ) . cc) Niedrigste und höchste Gegenwert (S 71 Abs 1 Nr 7 S 2 2. HS ) dd) Nichtigkeit des Beschlusses gem § 241 Abs 1 Nr 3 . . . . d) Ermächtigungsdauer (§ 71 Abs 1 Nr 7 S 3 ) e) Verhältnis zu § 71 Abs 1 Nr 8 . . . 9. Ermächtigungsbeschluss ohne Zweckvorgabe (S 71 Abs 1 Nr 8) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Verhältnis zu § 71 Abs 1 Nr 7 . . . c) Beschluss der Hauptversammlung . aa) Ermächtigungsdauer bb) Angabe des niedrigsten und höchsten Gegenwertes cc) Angabe des Anteils am Grundkapital dd) Zwecksetzung und sonstige Vorgaben ee) Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit des Beschlusses ff) Ausübung der Ermächtigung durch den Vorstand d) Ausschluss des Handels in eigenen Aktien (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 2) . . . aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Abgrenzungsfunktion cc) Handel in eigenen Aktien . . . dd) Kein Verbot der Kurspflege . . e) Gleichbehandlungsgebot (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 3 ) f) Erwerb und Veräußerung über die Börse (S 71 Abs 1 Nr 8 S 4) . . . . aa) Regel ungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Börse

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(S 186 Abs 3, 4) cc) § 193 Abs 2 Nr 4 (1) Kumulative Anwendung von § 186 Abs 3, 4 und § 193 Abs 2 Nr 4 (2) Zeitpunkt der Beschlussfassung (3) Gruppenaufteilung . . . . (4) Erfolgsziele (5) Weitere inhaltliche Anforderungen (6) Analoge Anwendung von § 193 Abs 2 Nr 3 {7) Entbehrlichkeit der Angaben des § 193 Abs 2 Nr 4 (8) Ausführung des Beschlusses und weitere Bedingungen der Optionsrechte . . . (9) Bedienung des Aktienoptionsprogramms mit rechtswidrig erworbenen Aktien h) Einziehungsermächtigung (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 6) aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Anforderungen an die Einziehungsermächtigung cc) Unternehmerisches Ermessen . i) Einzelne Anwendungsfälle aa) Aktienoptionsprogramme . . . bb) Bedienung von Bezugsrechten von Wandelschuldverschreibungen ( § 2 2 1 ) cc) Einziehung dd) Feindliche Übernahmen . . . . ee) Handel in eigenen Aktien durch ein Tochterunternehmen der Gesellschaft ff) Kurspflege gg) Legalzession schuldrechtlicher Ansprüche hh) Put- und Call-Optionen . . . . ii) Rückabwicklung eines Übernahmevertrages nach Eintragung der Kapitalerhöhung . . jj) Verschmelzung gem § 62

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UmwG IV. Schranken des zulässigen Erwerbs (S 71 Abs 2) 1. Allgemeines 2. Zehn-Prozent-Schranke (§ 71 Abs 2 S 1) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte

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Erwerb eigener Aktien

b) Tatbestand aa) Besitz anderer Aktien . . . . bb) Hinzurechnung weiterer Aktien cc) Zehn vom Hundert des Grundkapitals 3. Kapitalgrenze ($ 71 Abs 2 S 2) . . . a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Nach § 272 Abs 4 H G B vorgeschriebene Rücklage c) Bildung der Rücklage ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern d) Berücksichtigung von gern § 71a Abs 1 S 2 erlaubten Geschäften . . e) Verhältnis zu § 58 4. Voll geleisteter Ausgabebetrag (§ 71 Abs 2 S 3) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Tatbestand c) Erfordernis einer vollständigen Leistung aufgrund von § 237 Abs 3 . 5. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 2 V. Pflichten nach dem Erwerb (§ 71 Abs 3) 1. Allgemeines 2. Berichtspflicht des Vorstands (§ 71 Abs 3 S 1) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Tatbestand c) Inhalt der Berichtspflicht d) Erfüllung der Berichtspflicht . . . e) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 1 f) Verhältnis zu § 131 Abs 1 . . . . g) Verhältnis zu § 160 Abs 1 N r 2 . . 3. Ausgabe der Aktien an die Belegschaft ($ 71 Abs 3 S 2) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Pflichten der Verwaltung c) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 2 d) Keine analoge Anwendung des § 71 Abs 3 S 2 auf andere Ausnahmetatbestände 4. Unterrichtung der BaFin (§ 71 Abs 3 S 3) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Tatbestand c) Inhalt der Unterrichtungspflicht d) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 3 VI. Rechtsfolgen des unzulässigen Erwerbs (S 71 Abs 4) 1. Allgemeines

(41)

§ 7 1

Rdn

Rdn

323 324 325

2. Wirksamkeit des dinglichen Erwerbs (S 71 Abs 4 S I ) 360 3. Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Geschäfts (§ 71 Abs 4 S 2) 361 a) Nichtigkeit unabhängig von der Durchführung des Erwerbsgeschäfts 362 b) Zeitpunkt für die Beurteilung des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts 363 c) Ausnahmen von der Nichtigkeit . 366 d) Keine Heilung 367 e) Teilnichtigkeit 368 f) Einzelne Schuldverhältnisse . . . . 369 aa) Unregelmäßige Verwahrung (§ 700 BGB, § 15 DepotG) . . 370 bb) Tauschverwahrung (§§ 10 f DepotG) 371 cc) Report- Deportgeschäft und aufschiebend bedingte Rückübertragungsansprüche . . . 372 dd) Treuhandverträge 373 ee) Vorverträge und Verkauf von Übereignungsansprüchen . . . 375 ff) P u t - u n d Call-Optionen . . . 377 gg) Bloße Kursverlaufswette und Kursgarantie 379 4. Ansprüche der Beteiligten 382 a) Schadensersatzansprüche der Aktionäre und außenstehender Dritter 383 b) Ansprüche der Gesellschaft gegen den Veräußerer 385 c) Ansprüche der Gesellschaft gegen die Verwaltung 388 d) Ansprüche des Veräußerers gegen die Gesellschaft 389 aa) Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung 389 bb) Schadensersatzansprüche . . . 390 5. Ordnungswidrigkeiten 391 VII. Bilanz- und steuerrechtliche Behandlung 1. Allgemeines 392 2. Bilanzrechtliche Behandlung 393 a) Veräußerbare Aktien 394 b) Eingefrorene Aktien 396 c) Anhang der Bilanz (§ 160 Abs 1 Nr 2) 397 d) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen §§ 266, 272 HGB 398 3. Steuerrechtliche Behandlung 399 a) Behandlung des Erwerbs bei der Aktiengesellschaft 399 b) Behandlung des Erwerbs beim Aktionär 400 c) Veräußerung eigener Aktien durch die Gesellschaft 401 d) Spätere Einziehung veräußerbarer Aktien 402 VIII. Internationale Anwendbarkeit der §§ 71 ff 1. Allgemeines 403 2. Personalstatut 404

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Hanno Merkt

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

§71

Rdn 3. Vertragsstatut a) § 71 Abs 4 S 2 b) § 71a Abs 1 und 2 4. § 71d 5. § 71e

405 406 409 411 412

1. Großbritannien a) Erwerb von redeemable shares . . b) Erwerb sonstiger eigener Aktien . aa) Einzuziehende Aktien . . . . bb) Fortbestehende Aktien („treasury shares") cc) Weitere Anforderungen . . .

413 417 418 419

IX. Rechtsvergleich

420 421

Rdn c) Verbot der finanziellen Unterstützung Dritter 2. Frankreich 3. Österreich 4. USA a) Riickerwerb eigener Aktien . . . . aa) Überblick bb) Grund cc) Aktionärsschutz dd) Gläubigerschutz b) Riickerwerb und Dividenden in steuerlicher Sicht c) Bezugsrecht

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Schrifttum Achleitner/Wichels Aktienrückkaufprogramme - Beratungsaufgabe für Investmentbanken, Die Bank 1999, 703; Adams Die Usurpation von Aktionärsbefugnissen mittels Ringverflechtung in der „Deutschland-AG", AG 1994, 148; ders Stellungnahme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 9; van Aerssen Erwerb eigener Aktien und Wertpapierhandelsgesetz: Neues von der Schnittstelle Gesellschaftsrecht/Kapitalmarktrecht, WM 2000, 391; Aha Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach den §§ 71 ff AktG und eigener Genußscheine nach § 10 Abs 5 S 5 KWG, AG 1992, 218; Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung" der Schmalenbach-Gesellschaft Behandlung „eigener Aktien" nach deutschem Recht und US-GAAP unter besonderer Berücksichtigung der Änderungen des KonTraG, DB 1998, 1673; Assmann Eigene Aktien, AG 1996, 433; Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Bandte Der Erwerb eigener Aktien, Jura 1987, 465; Baum Rückerwerbsangebote für eigene Aktien: übernahmerechtlicher Handlungsbedarf?, ZHR 167 (2003), 580; Baums Stellungnahme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 26; ders Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder, FS Claussen 1997, 3; ders/Stöcker Rückerwerb eigener Aktien und WpÜG, Festschrift für Wiedemann 2002, 703; Bednarz Der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zum Erwerb eigener Aktien, 2006; Beeser Inpfandnahme von Eigenaktien, AcP 159 (1960), 56; Benckendorff Erwerb eigener Aktien im deutschen und US-amerikanischen Recht, 1998; Bernhardt Die Abfindung von Aktionären nach neuem Recht, BB 1966, 257; Berrar/Schnorbus Rückerwerb eigener Aktien und Übernahmerecht, ZGR 2003, 59; Bertheim Erwerb eigener Aktien, Frankfurt 1933; T. Bezzenberger Der Erwerb eigener Aktien durch die AG, Köln 2002; Bise Eigene Anteile bei Kapitalgesellschaften - Besonderheiten im Ertragsstreuer-, Bewertungs- und Verkehrssteuerrecht, DB 1974, 804; Böhm Der Rückkauf eigener Aktien und Übernahmetransaktionen, in: ν Rosen/Seifert (Hrsg.) Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S 327; Boesebeck Die wechselseitige Verpflichtung von Aktiengesellschaften, ZKredW 1956, 766; ders Die Regelung der wechselseitigen Beteiligung im Referenten-Entwurf eines Aktiengesetzes, BB 1959, 15; ders Wechselseitig beteiligte Unternehmen nach dem Regierungsentwurf eines Aktiengesetzes, AG 1961, 331; Bösselmann Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert, 1939; Bosse Zulässigkeit des individuell ausgehandelten Rückkaufs eigener Aktien („Negotiated repurchase") in Deutschland, NZG 2000, 16; ders Melde- und Informationspflichten nach dem Aktiengesetz und Wertpapierhandelsgesetz im Zusammenhang mit dem Rückkauf eigener Aktien, ZIP 1999, 2047; ders Handel in eigenen Aktien durch die Aktiengesellschaft, WM 2000, 806; ders Probleme des Rückkaufs eigener Aktien - Kommentar zu LG Berlin (NZG 2000, 944), NZG 2000, 923; ders Mitarbeiterbeteiligung und Erwerb eigener Aktien, NZG 2001, 594; ders Erwerb eigener Aktien, 2002; Breadley/Desai/Kim The Rational behind Interfirm Tender Offers - Information or Synergy? Journal of Financial Economics 11 (1983) 183; Brodmann Eigene Aktie, genehmigtes Kapital, Verschachtelung, BankA 1932/33, 46; ders Erwerb eigener Aktien und Einziehung von Aktien, ZBH 1932, 49; Budde Aktienrückkaufprogramme im Spannungsfeld von Aktien-, Bilanz- und Steuerrecht, Festschrift für Offerhaus 1999, 659; Büdenbender Eigene Aktien und Aktien der Muttergesellschaft, DZWir 1998, 1 (Teil I), 55 (Teil II); Bundesministerium der Finanzen Steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs eigener Aktien, DStR 1998, 2011; Bungert/Hentzen Kapitalerhöhung zur Durch-

stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

führung von Verschmelzung oder Abspaltung bei parallelem Rückkauf eigener Aktien durch die übertragende Aktiengesellschaft, DB 1999, 2501; Burhoff Die KapRL. Zweite Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, Neue Wirtschaftsbriefe 1979, 1351; Busch Eigene Aktien in der Kapitalerhöhung, AG 2005, 429; ders Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe im Rahmen von Aktienemissionen, AG 2002, 230; Butzke Gesetzliche Neuregelungen beim Erwerb eigener Aktien, W M 1995, 1389; Cahn Aktien der herrschenden AG in Fondsvermögen abhängiger Investmentgesellschaften, W M 2001, 1929; ders Kapitalerhaltung im Konzern, 1998; ders/Farrenkopf Abschied von der qualifizierten wechselseitigen Beteiligung?, AG 1984, 178; ders Die Auswirkungen der Kapitaländerungsrichtlinie auf den Erwerb eigener Aktien, Institute for Law and Finance, Working Paper Series N o 61 (04/2007); Canaris Die Rückgewähr von Gesellschaftseinlagen durch Zuwendungen an Dritte, FS Fischer 1979, 31; Casper Insiderverstöße bei Aktienoptionsprogrammen, W M 1999, 363; ders Repricing von Stock Options, DStR 2004, 1391; Chamorro Dominguez Rückerwerbbare Aktien: Ein Plädoyer für ihre Zulassung in Deutschland aus rechtsvergleichender Perspektive, AG 2004, 487; C r i s t o f f e l Die Bewertung von eigenen Anteilen an Kapitalgesellschaften, DB 1984, 863; ders Wie ändert das KonTraG das Aktiengesetz?, DB 1998, 177; Claussen Über Kapitalvorschriften in den EWG-Rechten, AG 1965, 194; ders 25 Jahre deutsches Aktiengesetz von 1965 (Teil II), AG 1991, 10; ders Aktienrechtsreform 1997, AG 1996, 481; ders Wie ändert das KonTraG das Aktiengesetz?, DB 1998, 1, 55; Cosack Eigene Aktien als Bestandteile des Vermögens einer Aktiengesellschaft, Glessen 1907; DAl (Hrsg.) Der Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft, 1995; dass (Hrsg.) Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland - Ergebnisse einer Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts zum Rückkauf eigener Aktien durch die Gesellschaft, 1999; DAVHandelsrechtsausschuss Referentenentwurf zur Änderung des Aktiengesetzes („KonTraG") - Stellungnahme des DAV, ZIP 1997, 1007; ders Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG (2. Richtlinie) in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, N Z G 2005, 426; de la Concepcion Rückerwerbbare Aktien: ein Plädoyer für ihre Zulassung in Deutschland aus rechtsvergleichender Perspektive, AG 2004, 487; Diekgräf Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktionäre im Rahmen von Anfechtungs- und Spruchstellenverfahren, 1990; Diekmann/Merkner Die praktische Anwendung des WpÜG auf öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien, ZIP 2004, 836; DSW Eingabe zum Rückkauf eigener Aktien, Das Wertpapier 1996, 78; Eberstadt Rückkauf eigener Aktien - Ein wichtiges Element zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland, W M 1986, 1809; Eschbach Eigene Aktien und Shareholder Value, DB 2003, 161; Escher-Weingart Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2001; dies/Kübler Erwerb eigener Aktien, Z H R 162 (1998), 537; Feddersen Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte aus kapitalmarktrechtlicher und steuerlicher Sicht, Z H R 161 (1997), 269; Fellner/Winkler Aktienrückerwerbsgesetz („AReG") - Neuerungen beim Erwerb eigener Aktien, GesRZ 2000, 20; Flechtheim Zur Aktienrechtsnovelle, BankA 1931/32, 10 (Teil I), 65 (Teil II); Fleischer/Körber Der Rückerwerb eigener Aktien und das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, BB 2001, 2589; Fried Insider Signaling and Insider Trading with Repurchase Tender Offers, University of Chicago Law Review 67 (2000), 421; Fuchs Aktienoptionen für Führungskräfte und bedingte Kapitalerhöhung - Anmerkung zur geplanten Neuregelung nach dem Referentenentwurf zur Änderung des AktG („KonTraG"), DB 1997, 661; Ganske Das Zweite gesellschaftsrechtliche Koordinierungsgesetz vom 13. Dezember 1978, DB 1978, 2461; Ganssmüller Erwerb von Wandelschuldverschreibungen durch die ausgebende AG und abhängige Unternehmen, DB 1955, 865; Geber/zur Megede Aktienrückkauf - Theorie und Kapitalmarktpraxis unter Beachtung der „Safe-harbor-Verordnung" (EG Nr 2273/2003), W M 2005, 1861; Geiger Der Erwerb eigener Aktien im schwedischen Recht, AG 1997, 163; Gerber Der Erwerb eigener Aktien durch die AG, 1932; Giloy Belegschaftsaktien bei Organschaft, BB 1976, 264; ders Zur Privilegierung der (Belegschafts-)Aktie, BB 1976, 1172; Goldschmidt Herabsetzung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft durch Ankauf und Amortisation eigener Aktien, Z H R 21 (1876), 1; Gottschalk Die Lehren aus den Aktienskandalen der Nachkriegszeit, 1934; Grobecker/Michel Rückkauf eigener Aktien: Die Grenzen des § 71 Abs 1 Nr 8 AktG, DStR 2001, 1757; Günther/Muche/White Bilanzrechtliche und steuerrechtliche Behandlung des Rückkaufs eigener Anteile in den USA und in Deutschland, WPg 1998, 574; dies Zulässigkeit des Rückkaufs eigener Aktien in den USA und in Deutschland - vor und nach KonTraG, RIW 1998, 337;

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§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Habersack Rückerwerbbare Aktien auch für deutsche Gesellschaften, FS Lutter 2000, 1329; ders Das Andienungs- und Erwerbsrecht bei Erwerb und Veräußerung eigener Anteile, ZIP 2005, 1121; Hachenburg Verkauf eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft und eigener Geschäftsanteile durch die Gesellschaft m.b.H., Recht 1907, 226; Hampel Erwerb eigener Aktien und Unternehmenskontrolle, 1994; Heinsius Die Ausführung einer Verkaufskommission in eigenen Aktien durch ein Kreditinstitut und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 AktG, AG 1988, 253; Hettlage Die AG als Aktionär - ein vermögenspolitischer Beitrag zur steuerlichen Konsolidierung des Aktienwesens, AG 1981, 92; Hillebrandt/Schremper Analyse des Gleichbehandlungsgrundsatzes beim Rückkauf von Vorzugsaktien, BB 2001, 533; Hirsch Der Erwerb eigener Aktien nach dem KonTraG Unter besonderer Berücksichtigung der Bilanzierung eigener Aktien, 2003; Hoff Aktienoptionen für Aufsichtsräte über § 71 Abs 1 Nr 8 AktG?, WM 2003, 910; Hoffmann-Becking Vorschläge der Regierungskommission „Corporate Governance" zum Recht der Unternehmensfinanzierung, in: Hommelhoff, ua (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S 214; Hopt Stellungnahme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 42; Huber Zum Aktienerwerb durch ausländische Tochtergesellschaften, FS Duden 1977, 137; ders Rückkauf eigener Aktien, FS Kropff 1997, 101; Hüffer Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes, NJW 1979, 1065; ders Aktienbezugsrechte als Bestandteil der Vergütung von Vorstandsmitgliedern und Mitarbeitern - gesellschaftsrechtliche Analyse, ZHR 161 (1997), 214; Ihrig Optionen auf eigene Aktien, Festschrift für Ulmer 2003, 829; Jakobs Steuerliche Auswirkungen des Aktivierungsverbots für eigene Aktien nach § 272 Abs 4 S I HGB, FR 1998, 872; Janberg Einige Betrachtungen zur Belegschaftsaktie, AG 1960, 175; JohannsenRoth Der Erwerb eigener Aktien, 2001; Joost Grundlagen und Rechtsfolgen der Kapitalerhaltungsregeln im Aktienrecht, ZHR 149 (1985), 419; Kallmeyer Aktienoptionspläne für Führungskräfte im Konzern, AG 1999, 97; Kau/Leverenz Mitarbeiterbeteiligung und leistungsgerechte Vergütung durch Aktien-Options-Pläne, BB 1998, 2269; Kellerhals/Rausch Liberalisierung von Aktienrückkäufen: Bundesdeutsche Erfahrungen, AG 2000, 222; Kessler/Suchan Erwerb eigener Aktien und dessen handelsbilanzielle Behandlung, BB 2000, 2529; Keyssner Die Aktiengesellschaften und die Kommanditgesellschaften auf Aktien unter dem Reichs-Gesetz vom 11. Juni 1870, 1873; Kiem Der Erwerb eigener Aktien bei der kleinen AG, ZIP 2000, 209; Kindt Der Erwerb eigener Aktien nach dem KonTraG, DStR 1999, 1276; ders Der Erwerb eigener Aktien nach Europäischem Gemeinschaftsrecht, ZEuP 1994, 77; Kletndiek Stock Options und Erwerb eigener Aktien, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 10, 1997, 23; Klingenberg Der Aktienrückkauf nach dem KonTraG aus bilanzieller und steuerlicher Sicht, BB 1998, 1575; Klug Erwerb eigener Aktien als Instrument zur Abwehr feindlicher Übernahmen, Hagen 2000; Knepper Die Belegschaftsaktie in Theorie und Praxis, ZGR 1985, 419; Kniehase Derivate auf eigene Aktien, 2005; Koch Der Erwerb eigener Aktien - kein Fall des WpÜG, NZG 2003, 61; Kohler Stock Options für Führungskräfte aus Sicht der Praxis, ZHR 161 (1997), 246; R Koch Die Auswirkungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes auf den Erwerb eigener Aktien, 2006; Kopp Erwerb eigener Aktien - Ökonomische Analysen vor dem Hintergrund von Unternehmensverfassung und Informationseffizienz des Kapitalmarktes, 1996; Koppensteiner Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971; Kraft/Altvater Die zivilrechtliche, bilanzielle und steuerliche Behandlung des Rückkaufs eigener Aktien, NZG 1998, 448; Krebs Ausländerbeteiligungen an deutschen Unternehmen - ein neues Kapitel zu einem alten Problem, DB 1982, 1390; Kröner/Hadzic Der Erwerb eigener Anteile nach § 71 Abs 1 Nr 8 AktG unter Berücksichtigung von § 50c EStG, DB 1998, 2133; Kropff Die wechselseitige Beteiligung nach dem Entwurf eines Aktiengesetzes, DB 1959, 15; Krüger Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft, IStR 2002, 552; Kübler Stellungnahme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 48; ders Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 1989; Küting/Busch Die Bilanzierung eigener Aktien nach HGB-, US-GAAP- und IFRS-Normen, PiR 2006, 213; Kuhn Arbitragegeschäfte der Aktienbanken in eigenen Aktien, NJW 1973, 833; Leithaus Die Regelung des Erwerbs eigener Aktien in Deutschland und den Niederlanden, 2000; Lenz/Linke Rückkauf eigener Aktien nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, AG 2002, 420; Leppert/Stürwald Aktienrückkauf und Kursstabilisierung - Die Safe-Harbour-Regelung der Verordnung (EG) Nr 2273/2003 und der KuMaKV, ZBB 2004, 302; Lewin Die Rechtsbeziehungen der Aktiengesellschaft zu ihren eigenen Aktien, 1911; Lüken Der Erwerb eigener Aktien nach §§ 71 ff AktG, 2004; Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; ders Zur Europäisierung des deutschen Aktienrechts, FS Ferid 1978, 599; ders Stellung-

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Erwerb eigener Aktien

§71

nähme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 52; ders Aktienoptionen für Führungskräfte - de lege lata und de lege ferenda, ZIP 1997, 1; Lutter/Wahlers, Der Buyout: Amerikanische Fälle und Regelungen des deutschen Rechts, AG 1989, 1; Maltschew Der Rückerwerb eigener Aktien in der Wirtschaftskrise 1929-1931, 2003; Martens Die Vergleichs- und Abfindungsbefugnis des Vorstands gegenüber opponierenden Aktionären, AG 1988, 118; ders Erwerb und Veräußerung eigener Aktien im Börsenhandel, AG 1996, 337; ders Der Erwerb eigener Aktien zum Umtausch im Verschmelzungsverfahren, FS Boujong 1996, 335; ders Eigene Aktien und Stock-Options in der Reform, AG Sonderheft August 1997, 83; ders Stimmrechtsbeschränkung und Stimmbindungsvertrag im Aktienrecht, AG 1993, 495; Maul/Eggenhofer/Lanfermann Deregulierung der EURegelungen zur Kapitalaufbringung und -erhaltung, BB 2004, 5; Merkt/Götbel US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 2006; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958; Michalski Abwehrmechanismen gegen unfreundliche Übernahmeangebote („unfriendly takeovers") nach deutschem Aktienrecht, AG 1997, 152; Mick Aktien- und bilanzsteuerrechtliche Implikationen beim Einsatz von Eigenkapitalderivaten beim Aktienrückkauf, DB 1999, 1201; ders/Wiese Erwerb eigener Anteile und § 50c EStG, DStR 1998, 1201; Mittermüller Die eigene Aktie, Köln 1954; Μ Möller Rückerwerb eigener Aktien, 2005; Mordhorst-Thießen Das Verbot des Erwerbs von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Kiel 1957; F Müller Die eigene Aktie - Eine betriebswirtschaftliche Untersuchung auf der Grundlage der rechtlichen Bestimmungen in den EWG-Staaten, Karlsruhe 1966; W Müller Zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der zweiten Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (KapRL), WPg 1978, 565; Mutter Darf's ein bisschen mehr sein? - Überlegungen zum zulässigen Gesamtvolumen von Aktienoptionsprogrammen nach dem KonTraG, ZIP 2002, 295; Neufeld Der Erwerb eigener Aktien, JW 1931, 3041; Niethammer Der Erwerb eigener Aktien zur Ausgabe an Arbeitnehmer, BB 1960, 257; Nowotny Kapitalmarkt und Aktienrückerwerb, FS Lutter 2000, 1513; Nußbaum Aktienerwerb zwecks Ausschaltung einer Minorität, JW 1929, 2109; Oechsler Der RefE zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz - Regelungsbedarf auf der Zielgeraden!, NZG 2001, 817; ders Der Rückerwerb eigener Aktien kraft Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zur Abwehr von Unternehmensübernahmen in: Lange/Wall (Hrsg) Risikomanagement nach dem KonTraG, 2001; ders Die Änderung der Kapitalrichtlinie und der Rückerwerb eigener Aktien, ZHR 170 (2006), 72; Oser Pflicht zur (Neu-)Bildung der Rücklage für eigene Aktien im Konzernabschluss, DB 1999, 1125; Paefgen Die Gleichbehandlung beim Aktienrückerwerb im Schnittfeld von Gesellschafts- und Übernahmerecht, ZIP 2002, 1509; ders Eigenkapitalderivate bei Aktienrückkäufen und Managementbeteiligungsmodellen, AG 1999, 67; Pellens/Schremper Aktienrückkäufe in Deutschland - eine theoretische und empirische Untersuchung der Erwerbsmotive, 1999; Peltzer, Μ Steuer- und Rechtsfragen bei der Mitarbeiterbeteiligung und die Einräumung von Aktienoptionen (Stock Options), AG 1996, 307; Peltzer Ο Die Neuregelung des Erwerbs eigener Aktien im Lichte der historischen Erfahrungen, WM 1998, 322; Peterssen Die Belegschaftsaktie, 1968; Piepenburg Sind die Vorschriften zum Rückkauf eigener Aktien nicht zeitgemäß?, BB 1996, 2582; Pinner Kommentar zum HGB, 2. Bd, §§ 178-342, 13. Auflage 1926; Pluskat Rückerwerb eigener Aktien nach WpÜG - auch offiziell kein Anwendungsfall mehr, NZG 2006, 731; Posner Der Erwerb eigener Aktien in der US-amerikanischen Unternehmenspraxis, AG 1994, 312; Preusche „Altbestand" eigener Aktien und Veräußerungspflichten nach §§ 71 ff AktG, BB 1982, 1638; Quassowski Die Vorschriften der Aktienrechtsnovelle über Publizität, eigene Aktien und Einziehung von Aktien, JW 1931, 2914; Rams Aktienrückkauf: Flexibilisierung der Unternehmensfinanzierung, Die Bank 1997, 216; Reichert/Harbarth Veräußerung und Einziehung eigener Aktien, ZIP 2001, 1441; Renaud Das Recht der Aktiengesellschaften, 1863; ders Das Recht der Aktiengesellschaften, 2. 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Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Saria Schranken beim Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs 1 N r 8, N Z G 2000, 458; Schäfer Zulässigkeit und Grenzen der Kurspflege, W M 1999, 1345; ders Aktuelle Probleme der Mitarbeiterbeteiligung nach In-Kraft-Treten des KonTraG, N Z G 1999, 531; Schander Abwehrstrategien gegen feindliche Übernahmen und ihre Zulässigkeit im Lichte der Aktienrechtsreform, BB 1997, 1801; ders Der Rückkauf eigener Aktien nach dem KonTraG und Einsparpotentiale bei Übernahmetransaktionen, ZIP 1998, 2087; Schanze Eigene Aktien - Recht und Ökonomie, Festschrift für Nobel 2005, 999; Schiaus Auskauf opponierender Aktionäre, AG 1988, 113; Schmid Eigene Aktien nach der Neuregelung durch das KonTraG, DB 1998, 1785; ders/Mühlhäuser Rechtsfragen des Einsatzes von Aktienderivaten beim Aktienrückkauf, AG 2001, 493; dies Die Gegenleistung beim Erwerb eigener Aktien mittels Optionen, AG 2004, 342; Schmid/Wiese Bilanzielle und steuerliche Behandlung eigener Aktien, DStR 1998, 993; Schmidbauer Die Bilanzierung eigener Aktien im internationalen Vergleich, DStR 2002, 187; Schneider Aktienoptionen als Bestandteil der Vergütung von Vorstandsmitgliedern, ZIP 1996, 1769; Schockenhoff/Wagner Ad-hoc-Publizität beim Aktienrückkauf, AG 1999, 548; Scholz Aktienoptionen und Optionspläne beim grenzüberschreitenden Unternehmenserwerb, ZIP 2001, 1341; S Schön Geschichte und Wesen der eigenen Aktie, 1937; Schönle Erwerb eigener Aktien durch Kreditinstitute nach dem neuen Aktiengesetz, ZKredW 1966, 148; Schreuer Der entgeltliche Erwerb von Aktien oder Geschäftsanteilen der herrschenden Gesellschaft durch die abhängige, Breslau 1933; Schröder Private Möglichkeiten einer Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer in der deutschen Wirtschaft - Alternativen zu einer kollektiven Zwangsbeteiligung, AG 1974, 323; Schroeder Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs - Der § 71a Abs 1 AktG und sein Vorbild im englischen Gesellschaftsrecht, Bonn 1995; Seibert Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) - Der Referenten-Entwurf zur Aktienrechtsnovelle - , W M 1997, 1; Sievers Verkauf eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft, Recht 1906, 974; Singhof Zur finanziellen Unterstützung des Erwerbs eigener Aktien durch Kreditinstitute, N Z G 2002, 745; ders/Weber Neue kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen für den Erwerb eigener Aktien, AG 2005, 549; Skog Der Erwerb eigener Aktien: Reformbestrebungen in den EU-Mitgliedsstaaten, Z G R 1997, 306; Spickhoff Der verbotswidrige Rückerwerb eigener Aktien: Internationales Privatrecht und europäische Rechtsangleichung, BB 1997, 2593; Spindler Deregulierung des Aktienrechts, AG 1998, 53; Steiner Über den Erwerb und die Amortisierung eigener Aktien, Tübingen 1876; Süßmann Anwendung des WpÜG auf öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien?, AG 2002, 424; Thiel Bilanzielle und steuerrechtliche Behandlung eigener Aktien nach der Neuregelung des Aktienerwerbs durch das KonTraG, DB 1998, 1583; ders Wirtschaftsgüter ohne Wert: Die eigenen Anteile der Kapitalgesellschaft, FS Ludwig Schmidt, 571; Thömmes Steht dem Tochterunternehmen aus dem Besitz von Aktien der Muttergesellschaft eine Dividende zu?, AG 1987, 34; Tollkühn Die Schaffung von Mitarbeiteraktien durch kombinierte Nutzung von genehmigten Kapital und Erwerb eigener Aktien unter Einschaltung eines Kreditinstituts, N Z G 2004, 594; Umnuß/Ehle Aktienoptionsprogramme für Arbeitnehmer auf der Basis des § 71 Abs 1 N r 2 AktG, BB 2002, 1042; Vetter Die Gegenleistung für den Erwerb einer Aktie bei Ausübung einer Call Option, AG 2003, 478; ders Die Gegenleistung beim Erwerb eigener Aktien mittels Call Optionen, AG 2004, 344; Wassermeyer Der Erwerb eigener Anteile durch eine Kapitalgesellschaft - Überlegungen zur Rechtsprechung des I. Senats des BFH, Festschrift für L Schmidt 1993, 621; Wastl Erwerb eigener Aktien nach dem Referentenentwurf zur Änderung des AktG und des HGB, DB 1997, 461; ders/Wagner Wechselseitige Beteiligungen im Aktienrecht, AG 1997, 241; dies/Lau Der Erwerb eigener Aktien aus juristischer Sicht - Herleitung und Entwicklung von Vorschlägen für eine gesetzgeberische Reform, 1997; Weiß Aktienoptionspläne für Führungskräfte, 1999; ders Aktienoptionsprogramme nach dem KonTraG, W M 1999, 353; Weiss Put Option auf eigene Aktien kraft Gesamtrechtsnachfolge, AG 2004, 127; Wellkamp Rechtliche Zulässigkeit einer aktienkursorientierten Vergütung von Aufsichtsräten, W M 2001, 489; Werneburg Dividendenbezugsrecht und Erwerb eigener Aktien, Z H R 90 (1927), 204; Westphal Der nicht zweckgebundene Erwerb eigener Aktien - Die Umsetzung des Artikels 19 Absatz 1 der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie in England, den Niederlanden und Deutschland, 2004; Widder/Kocher Die Behandlung eigener Aktien im Rahmen der Mitteilungspflichten nach § § 2 1 W p H G , AG 2007, 13; Wiederholt Rückkauf eigener Aktien (§ 71 AktG) unter Einsatz von Derivaten, 2006; Wieneke Der Einsatz von Aktien als Aquisitionswährung, N Z G 2004, 61; ders/Förl Die Einziehung neuer Aktien nach § 237 III Nr 3 AktG - eine Lockerung des Grundsatzes der Vermögensbindung?, AG 2005, 189; Wiese KonTraG: Erwerb eigener Aktien

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Erwerb eigener Aktien

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und Handel in eigenen Aktien, DB 1998, 609; ders Die steuerliche Behandlung des Aktienrückkaufs im Lichte des BMF-Schreibens vom 2.12.1998, DStR 1999, 187; Wilsing/Siebmann Die Wiederveräußerung eigener Aktien außerhalb der Börse gem § 71 Abs 1 Nr 8 Satz 5 AktG, DB 2 0 0 6 , 881; Zätzsch Eingefrorene Aktien in der Rechnungslegung: HGB versus AktG und Europarecht - Auswirkungen im Steuerrecht, FS Möller 2001, S 773; Ziehe Der Erwerb eigener Aktien und eigener GmbH-Geschäftsanteile in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft, Frankfurt a M 1981; ders Die Regelung des Erwerbs eigener Aktien in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft, AG 1982, 175; Zilias/Lanfermann Die Neuregelung des Erwerbs und Haltens eigener Aktien, WFg 1980, 61 (Teil I), 89 (Teil II); Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963.

I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck § 71 regelt den Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft: In § 71 Abs 1 und 1 Abs 2 werden die Voraussetzungen benannt, unter denen ein solcher Erwerb ausnahmsweise zulässig ist, so dass die Vorschrift im Grundsatz von einem Erwerbsverbot ausgeht. Ferner werden weitere Pflichten, insbesondere Mitteilungspflichten (§ 71 Abs 3), und die Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes gegen § 71 Abs 1 und 2 normiert (§ 71 Abs 4). Die Vorschrift wird ergänzt durch die §§ 71a-e, mit denen bestimmte Umgehungsgeschäfte (§ 71a) und die Inpfandnahme eigener Aktien (§ 71e) einbezogen werden. § 71b schließt die Ausübung von Rechten aus eigenen Aktien aus, § 71c regelt die Pflicht zur Veräußerung und Einziehung eigener Aktien. Schließlich erstreckt § 71d das Verbot des Erwerbs eigener Aktien und die Ausnahmeregelung auf den Erwerb eigener Aktien der AG durch von ihr abhängige oder in ihrem Mehrbesitz stehende Unternehmen sowie auf Dritte, die für die AG oder ein solches Unternehmen handeln. a) Gläubigerschutz. Erwirbt die Aktiengesellschaft Aktien zurück, obwohl auf diese 2 der Ausgabebetrag iSv § 9 noch nicht vollständig geleistet ist, so wird die Gesellschaft zugleich Gläubiger und Schuldner der Einlageforderung (Konfusion). Dies hat zur Folge, dass die Forderung erlischt und damit die Kapitalaufbringung gefährdet wird 1 . Diesem Risiko des Erwerbs eigener Aktien wirkt § 71 Abs 2 S 3 entgegen, indem er den Erwerb von nicht voll eingezahlten Aktien verbietet. Insofern ist er - gemeinsam mit den § § 54, 56, 63-66 - dem Komplex der Regeln zur Kapitalaufbringung zuzuordnen. 2 Außerdem werden den Aktionären durch die Zahlung des Kaufpreises seitens der Gesellschaft die von ihnen geleisteten Einlagen zurückgewährt. Eine solche Rückgewähr der Einlagen ist an und für sich gem § 57 Abs 1 S 1 untersagt, um zum Zwecke des Gläubigerschutzes den Abfluss von Kapital aus dem Gesellschaftsvermögen zu verhindern (Kapitalerhaltung oder Vermögensbindung). 3 Den systematischen Zusammenhang zwischen den beiden Vorschriften stellt § 57 Abs 1 S 2 her, wonach der zulässige Erwerb eigener Aktien ausnahmsweise im Wege einer Fiktion nicht als Einlagenrückgewähr anzusehen ist („gilt"). 4 Die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien ist daher ausschließlich nach Maßgabe des § 71 zu beurteilen (zum Verhältnis zu § 57 s auch Rdn 134).

1

2 3

Kropff Begr RegE, S 90; KKJLutter 11; MünchKomm/Oechsler 21; Zätsch/Maul Rdn 143. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler, 4. Kropff Begr RegE, S 90; KKJLutter 11; MünchKomm/Oecfcs/er 21; Schlegelberger/ Quassowski § 65 AktG Rdn 1; Zätsch/Maul

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4

Rdn 143; näher dazu Büdenbender DZWir 1998, 55, 56; näher zu der mit dem Erwerb eigener Aktien verbundenen Gläubigerbenachteiligung während der Weltwirtschaftskrise 1 9 2 9 - 1 9 3 1 vgl Peltzer W M 1998, 322, 326 f. Hüffer 1.

H a n n o Merkt

3

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

4

Um zu gewährleisten, dass die Grundkapitalziffer (§ 6) durch das Vermögen der Aktiengesellschaft gedeckt ist und verbindliche Rücklagen nicht angetastet werden (gebundenes Vermögen), sieht § 71 Abs 2 S 2 iVm §§ 2 6 6 Abs 3 Α III Nr 2, 2 7 2 Abs 4 S 1 HGB im Ergebnis vor, dass der Kaufpreis für die eigenen Aktien nur aus ausschüttungsfähigem Gewinn, aus Gewinnrücklagen oder aus ähnlichen frei liquidierbaren Reserven stammen darf (Ausschüttungsperre, näher dazu Rdn 328 ff). 5 Da die Vorschriften der §§ 7 1 - 7 1 e auf diese Weise der Vermögensbindung dienen, sind sie - zusammen mit den §§ 57, 58 Abs 5, 62 - dem Komplex der Regeln zur Kapitalerhaltung zuzurechnen. 6

5

b) Schutz der Kompetenzverteilung in der AG. Der Erwerb von Aktien durch die Gesellschaft birgt die Gefahr, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat der Kontrolle der Aktionäre entziehen.7 Der Kauf der Aktien ist eine Maßnahme der Geschäftsführung ( S S 7 6 f ) und bedarf damit grundsätzlich nicht der Entscheidung der Hauptversammlung (§ 119 Abs 2, s a Rdn 41). 8 Mit den Stimmrechten der erworbenen Aktien könnte sich der Vorstand in die Lage versetzen, die Bestellung des Aufsichtsrates ( § 1 1 9 Abs 1 Nr 1) und seine eigene Entlastung (§ 119 Abs 1 Nr 3) durch die Hauptversammlung zu bewirken. Dies verhindert § 71b, indem er der Gesellschaft Rechte aus eigenen Aktien versagt.

6

c) Schutz der Aktionäre. Diejenigen Aktionäre, die ihre Einlage in Form des von der Gesellschaft gezahlten Kaufpreises zurück erhalten, werden im Vergleich zu den verbleibenden Aktionären möglicherweise bevorzugt. Denn nur diesen einzelnen Aktionären fließt ein Teil des Gesellschaftsvermögens - dh des ausschüttungsfähigen Gewinns oder der Gewinnrücklagen - zu und zugleich werden nur sie von dem gesellschaftlichen Risiko entbunden. Wenn beispielsweise die Gesellschaft der Insolvenz nahe ist, können auf diese Weise diejenigen Aktionäre, die ihre Aktien verkaufen dürfen, im Unterschied zu den verbleibenden Aktionären uU ihr Kapital noch retten 9 . Der Sache nach ist ein solcher Rückkauf von Aktien als „irreguläre Teilliquidation von Gesellschaftsvermögen" 10 anzusehen, der zugleich mit einer Ungleichbehandlung der Aktionäre einhergeht. 11

7

Ein Sondervorteil für einzelne Aktionäre kann insbesondere darin bestehen, dass der vereinbarte Kaufpreis über dem inneren Wert der Aktie liegt, etwa wenn sich der Vorstand der AG entscheidet (zur Zuständigkeit Rdn 41), den Großaktionären, auf die er insbesondere im Rahmen seiner Entlastung ( § 1 1 9 Abs 1 Nr 3) angewiesen ist, die Aktien zu einem überhöhten Preis abzunehmen 1 2 . Sofern der Preis umgekehrt unter dem Wert der Aktie liegt, werden die veräußernden im Vergleich zu den übrigen Aktionären benachteiligt 13 . Neben dieser finanziellen Benachteiligung ist außerdem denkbar, dass der Vorstand versucht, gezielt auf die Beteiligungsstruktur der AG einzuwirken, indem er Aktien von widerspenstigen Aktionären kauft und auf diese Weise die Stimmmacht der anderen Aktionäre verhältnismäßig stärkt. 1 4 Diesen Gefahren wird entgegengewirkt, indem die Aktionäre gem § 53a beim Rückerwerb gleich zu behandeln sind. Für den

5

6 7

8 9 10

KK/Lutter 10; MünchKomm/Oechsler 21 u 271 f; vgl auch Baumbach/Hopt/Merkt § 272 HGB Rdn 10; MünchKomm/Beei«· § 2 6 6 HGB Rdn 65. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 3; KKJLutter 10. KKJLutter 12; MünchKomm/Oecfo/er 23; näher dazu Huber FS Duden, S 140 f. MünchKomm/Oechsler 23. Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1. Huber FS Duden, S 139; vgl auch KKJLutter

10.

11

12

13 14

Huber FS Duden, S 139 f; KKJLutter 10 und 15; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1; aus historischer Sicht Peltzer W M 1998, 322, 327; zur Gefahr der Ungleichbehandlung auch Kropff Begr RegE, S 90. MiinchKomm/Oecfos/er 22; Schlegelbergerl Quassowski § 65 AktG Rdn 1. MünchKomm/Oechsler 22. MünchKomm/Oechsler 22; Huber FS Duden, S 141; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1; vgl auch Deutsches Aktieninstitut

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

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praktisch häufigsten Fall des Erwerbs aufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung ohne positive gesetzliche Zweckvorgabe (§ 71 Abs 1 Nr 8) hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich klargestellt (vgl § 71 Abs 1 Nr 8 S 3, näher dazu Rdn 2 7 9 ) . 1 5 Darüber hinaus wäre - wenn der Gesetzgeber nicht Abhilfe geschaffen hätte - sowohl von den Gläubigern der AG als auch von denjenigen Aktionären, die ihre Anteile an der Gesellschaft behalten, ein doppeltes Risiko zu tragen. 1 6 Die Gesellschaft hat die Aktien in der Bilanz mit dem Anschaffungspreis, berichtigt um etwaige in der Zwischenzeit eingetretene Wertminderungen, zu aktivieren (vgl § 2 6 6 Abs 2 Β III Nr 2 H G B ) . 1 7 Wenn die Gesellschaft einen Verlust erleidet - beispielsweise weil sich mit einer Geschäftsidee keine Gewinne erwirtschaften lassen - und folglich ihr Börsenkurs sinkt, so würde sich der Verlust in der Bilanz einerseits unmittelbar und andererseits mittelbar im Wege der Wertberichtigung der aktivierten Aktien auswirken. 1 8

8

Dieses doppelte Risiko wird sowohl für die Gläubiger 1 9 als auch für die Aktionäre weitestgehend ausgeräumt, indem § 2 6 6 Abs 3 Α III Nr 2 H G B vorschreibt, dass auf der Passivseite der Bilanz eine Rücklage für eigene Anteile zu bilden ist, und § 2 7 2 Abs 4 S I H G B verlangt, dass diese Rücklage einen Betrag aufweisen muss, der dem auf der Aktivseite der Bilanz für die eigenen Anteile anzusetzenden Betrag entspricht. Auf diese Weise wird mit bilanziellen Mitteln erreicht, dass die eigenen Aktien den Wert des Vermögens der AG nicht erhöhen. Der Wert der eigenen Aktien wird „bilanziell neutralisiert". 2 0 Verlieren die Aktien an Wert, so wird sowohl der Posten auf der Aktivseite als auch der Posten auf der Passivseite angepasst. Ein etwaiger Wertverlust der eigenen Aktien hat daher weder zur Folge, dass die Vermögenswerte der AG die Grundkapitalziffer (§ 6) unterschreiten, denn das gebundene Vermögen wird wegen der gleichzeitigen Passivierung des Wertes der eigenen Aktien zu jedem Zeitpunkt unabhängig von ihrem Wert ermittelt, noch, dass eine Ausschüttung wegen der Rücklagepflicht der §§ 2 6 6 Abs 3 Α III Nr 2 , 2 7 2 Abs 4 S I H G B gesperrt wäre, denn bei einem Wertverlust der eigenen Aktien wird der Posten auf der Passivseite ebenfalls nach unten korrigiert.

9

d) Schutz der AG. Während dieses „doppelte Risiko" für die Gläubiger und die Aktionäre durch die Bildung einer Rücklage minimiert wird, bleibt es dabei, dass die Gesellschaft Kapital aufwendet und dafür einen höchst unsicheren Gegenwert erhält. Dieser Abfluss von Kapital kann beispielsweise dazu führen, dass aufgrund eines Kursverlustes der Aktien die finanziellen Mittel fehlen, um notwendige Investitionen vorzunehmen. Solche negativen wirtschaftlichen Folgen lassen sich mit Hilfe der oben genannten bilanziellen Mittel nicht wirksam bekämpfen. Es ist daher auch zum Schutz der AG selbst gerechtfertigt, den Erwerb eigener Aktien gem § 71 grundsätzlich zu verbieten 2 1 und ihn, sofern er ausnahmsweise zulässig ist, dem Umfang nach zu beschränken (§ 71 Abs 2 S 1).

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15 16

17

(Hrsg), Der Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft, 1999, S 13; danach herrscht in den meisten Gesellschaften Unklarheit darüber, was mit den erworbenen Aktien geschehen soll. BT-Drucks 13/9712, S 13. Kropff Begr RegE, S 90; Huber FS Duden, S 139; MünchKomm/Oc/js/er 19. Eigene Anteile müssen aus Gründen der Transparenz in einem besonderen Posten in der Bilanz ausgewiesen werden (§§ 266 Abs 2 Β III Nr 2, 265 Abs 3 S 2 HGB). Denn

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ihr Erwerb ist nicht nur rechtlich gern § § 71 ff AktG erschwert, sondern er ist auch mit Risiken verbunden, da sie im Liquidationsfall wertlos sind, vgl Baumbach/Hopt/ Merkt § 266 HGB Rdn 10; MünchKomm/ Beater § 266 HGB Rdn 55. Huber FS Duden, S 139; MünchKomm/ Oechsler 19. MünchKomm/Oecfcs/er 19. MünchKomm/Oecfcs/er 19. Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1; Beeser, AcP 159 (1960), 56, 59.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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e) Kontrolle der Unternehmensleitung durch den Markt. Ein schrankenloser Erwerb eigener Aktien liefe darauf hinaus, dass sich Aktiengesellschaften mit sehr wenigen Gesellschaftern oder sogar gänzlich ohne Aktionäre („eigentümerlose Unternehmen") 2 2 herausbilden könnten. In einer Gesellschaft, die sich quasi selbst gehörte, würden der Aufsichtsrat und der Vorstand nicht mehr wirksam durch die Eigentümerseite kontrolliert werden. Dies soll nicht nur im Interesse der Aktionäre und der Gläubiger der AG, sondern auch im allgemeinen ordnungspolitischen Interesse daran verhindert werden, die Grundlagen der Unternehmensverfassung von Aktiengesellschaften zu wahren, denn diese Grundlagen sind für eine freie Wettbewerbswirtschaft unverzichtbar. 23 Daher wird der Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 2 S 1 dem Umfang nach auf 1 0 % des Grundkapitals begrenzt.

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Selbst wenn jedoch die AG innerhalb der Grenzen des § 71 Abs 2 S 1 eigene Aktien erwirbt, kann dies im Hinblick auf die Kontrollfunktion des Kapitalmarktes bedenklich sein. Der Vorstand kann nämlich versuchen, den Börsenkurs in die Höhe zu treiben, indem er eigene Aktien der Gesellschaft kauft, um Ubernahmeversuche Dritter zu verhindern (näher auch Rdn 2 2 ) . 2 4 Ein Übernahmeinteressent muss den Aktionären einen Preis anbieten, der über dem Börsenpreis liegt, um genügend Aktionäre zum Verkauf ihrer Anteile zu bewegen. Diese „Kontrollprämie" wird er bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur investieren wollen, wenn er die Aktien angesichts des aktuellen Börsenkurses für unterbewertet und eine Kurssteigerung für möglich hält. Eine solche Unterbewertung spricht zugleich dafür, dass der amtierende Vorstand die Investitions- und Wachstumspotenziale der AG nicht voll ausgeschöpft hat. Daher wirken Übernahmeangebote ( § § 2 9 ff WpÜG) auch als Instrument zur Kontrolle des Vorstands. 25

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Der Anreiz für die Vorstandsmitglieder, den Börsenkurs durch den Kauf eigener Aktien der AG zu stützen, rührt vor allem daher, dass sie im Falle von Übernahmeversuchen regelmäßig um ihre Anstellung zu fürchten haben. 2 6 Denn in denjenigen Fällen, in denen der Bieter die Unterbewertung der Aktie auf die mangelhafte Unternehmensleitung zurückführt, wird er im Falle der Kontrollerlangung die Unternehmensleitung regelmäßig austauschen. Die daraus resultierende Gefahr, dass der Vorstand durch Erwerb eigener Aktien die Kontrollfunktion des Marktes beeinträchtigt, wird zum einen durch das Erwerbsverbot des § 71 Abs 1 begrenzt. Darüber hinaus regelt § 33 Abs 1 S 1 WpÜG, dass der Vorstand der Zielgesellschaft nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters, ein Übernahmeangebot abzugeben, keine Handlungen vornehmen darf, durch die der Erfolg des Angebotes verhindert werden könnte und verbietet ihm daher nach diesem Zeitpunkt den Kauf von eigenen Aktien, sog Neutralitätspflicht bzw Vereitelungsverbot (näher zur Bedeutung des WpÜG im Zusammenhang mit § 71, vgl Rdn 138).

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f) Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Der Rückerwerb eigener Aktien als Strategie zur Abwehr von Unternehmensübernahmen erweist sich damit zugleich als kapitalmarktrechtliches Regelungsproblem, denn er beeinträchtigt die Funkionsfähigkeit des Kapitalmarkts. 27 Indessen kann diese Funktionsfähigkeit durch den Aktienrückerwerb auch unabhängig von einem Übernahmeangebot beeinträchtigt werden. Erwirbt die AG

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 5; ausführlich dazu auch Huber FS Duden, S 141 f. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 5; Huber FS Duden, S 142. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 64; Kopp 1996, S 121; MünchKomm/Oechsler 24. MünchKomm/Oecfcs/er 24.

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MünchKomm/Oechsler 24. Zur individual- und institutionenschützenden Doppelfunktion des Kapitalmarktrechts Hopt Z H R 141 (1977), 389, 431; Kumpel Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, Köln 2 0 0 0 , Rdn 8.173.

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Erwerb eigener Aktien

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nämlich eigene Aktien anonym über die Börse zurück, so beeinflusst die damit erzeugte Nachfrage den Börsenkurs, ohne dass dies den Marktteilnehmern bekannt ist. Aktuelle wie potentielle Aktionäre werden durch solche Maßnahmen über den wahren Wert einer Beteiligung und die voraussichtliche Entwicklung des Börsenkurses getäuscht. 28 Auf diese Weise stört ein öffentlich nicht bekannt gemachter Rückerwerb eigener Aktien den Preismechanismus des Kapitalmarktes. Das Gesetz verhindert eine derartige Störung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes primär dadurch, dass der Vorstand, nachdem er den Beschluss gefasst hat, eigene Aktien zu kaufen, gem § 15 W p H G verpflichtet ist, dies unverzüglich zu veröffentlichen (Ad-hoc-Mitteilung, näher Rdn 43). Zudem haftet der Vorstand uU gem § § 1 5 Abs 6 iVm §§ 37b und 37c W p H G oder gem § 826 BGB auf Schadensersatz (näher Rdn 388). Diese Haftungsnormen schützen einerseits den einzelnen Anleger (Individualschutz) und andererseits die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Des Weiteren besteht grundsätzlich die Gefahr, dass der Vorstand beim Erwerb eigener Aktien die Kenntnis nicht allgemein bekannter Tatsachen nutzt, um zugunsten der AG einen günstigen Zeitpunkt für den Erwerb zu wählen. Entsprechende Insidergeschäfte beeinträchtigen das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt und damit wiederum seine Funktionsfähigkeit. Sie sind daher gem § 14 W p H G verboten und nach § 38 Abs 1 Nr 1 W p H G unter Strafe gestellt. 29 Insbesondere verstößt die Gesellschaft gegen § 14 WpHG, wenn sie nicht alle kursrelevanten Tatsachen veröffentlicht, bevor sie mit dem Rückkauf eigener Aktien beginnt. 30

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Durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998 (näher Rdn 125) wurde die Regelung des § 71 Abs 3 S 3 neu geschaffen, um der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die gezielte Untersuchung von auffälligen Handelsbewegungen insbesondere in der Zeit unmittelbar vor Ad-hoc-Mitteilungen zu ermöglichen. 31 Die Norm ergänzt die Vorschriften des WpHG. Etwaige Insidergeschäfte können dadurch eher entdeckt und verfolgt werden. Daneben kann auch der Kauf von Aktien durch Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte für eigene Kasse Insiderprobleme mit sich bringen. Dies gilt in gleicher Weise für die Ausübung von Aktienoptionen durch das Leitungspersonal.

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2. Ökonomische Zwecke des Erwerbs eigener Aktien Der Erwerb eigener Aktien kann verschiedenen Zwecken dienen. In § 71 Abs 1 Nr 1 bis 7 werden solche Fälle ausdrücklich aufgezählt, bei denen der Rückerwerb eigener Aktien für die Gesellschaft von Vorteil und erlaubt ist. Gem § 71 Abs 1 Nr 8 ist der Erwerb eigener Aktien aber auch unabhängig von einem gesetzlich vorgegebenen Erwerbszweck allein auf der Grundlage eines Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung möglich. Nachfolgend werden daher die wirtschaftlichen Ziele aufgezählt, die mit dem Rückerwerb eigener Aktien billigenswerter Weise verfolgt werden dürfen. Diese wirtschaftlichen Ziele können aber auch neben einem der gesetzlich geregelten Erwerbszwecke der § 71 Abs 1 Nr 1 bis 7 bestehen oder sich dahinter verbergen. Während im Zusammenhang mit der jeweiligen Ziffer des § 71 Abs 1 die hinter dem gesetzlichen Erwerbszweck stehenden wirtschaftlichen Erwägungen näher erläutert werden, ist zu-

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Huber FS Duden, S 141 f; Geibel/Süßmann/ Angerer/Hueck 3; KYJLutter 12; MiinchKomm/Oecfo/er 25; Peltzer WM 1998, 322, 327; Zätsch/Maul Rdn 143. BT-Drucks 12/6679, S 33, 47; Assmann/ Schneider Vor § 12 WpHG Rdn 43a.

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MünchKomm/Oechsler 25, 293. BT-Drucks 13/9712, S 14 re Sp; MünchKomm/Oechsler 291.

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

nächst aus ökonomischer Perspektive darzulegen, welche Gründe für einen Rückerwerb eigener Aktien sprechen können. Wie die Gesetzesbegründung zum KonTraG von 1998 betont, birgt der Rückerwerb eigener Aktien nicht nur Risiken und Gefahren, sondern er bietet auch wirtschaftliche Vorteile für die Gesellschaft. 32 Deshalb dürfen bei der Auslegung der §§ 71 ff nicht nur die Risiken des Erwerbs eigener Aktien in den Vordergrund gestellt werden, sondern es müssen auch seine Vorteile Berücksichtigung finden. 18

a) Ausschüttung entbehrlichen Kapitals. Wie bereits die Gesetzesbegründung zum KonTraG von 1998 ausführt, kann der Rückerwerb eigener Aktien zunächst insbesondere dann sinnvoll sein, „wenn mit den zum Rückkauf verwendeten Gewinnrücklagen anderweitig keine angemessene Rendite erzielt werden k a n n " . 3 3 Kann das in einer Gewinnrücklage eingestellte Kapital nicht oder nur in einer Weise eingesetzt werden, die hinter den berechtigten Renditeerwartungen der Aktionäre zurückbleibt, so sind diese eher an Ausschüttung dieses Kapitals namentlich im Wege eines Rückkaufs der Aktien seitens der Gesellschaft interessiert. Diese Entwicklung war über längere Zeit insbesondere in solchen Branchen zu beobachten, denen hinreichende Möglichkeiten zur profitablen Reinvestition des Kapitals fehlten, so etwa in der traditionellen Energiewirtschaft und der Eisenund Stahlerzeugung. 34

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b) Steigerung der Eigenkapitalrendite. Wird entbehrliches Kapital ausgeschüttet, so fallen zukünftig höhere Gewinne je Aktie an, dh die Eigenkapitalrendite wird auf diese Weise gesteigert. Denkbar ist auch, kostenintensives Eigenkapital teilweise durch günstiges Fremdkapital zu ersetzen, was sich insbesondere in Niedrigzinsphasen anbietet. 35

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c) Alternative zur Dividendenausschüttung. Schließlich lässt sich der Rückkauf eigener Aktien als eine Alternative zur Dividendenausschüttung einsetzen. 36 Er hat dabei insbesondere den Vorteil, dass nicht die Erwartung geweckt wird, eine Gewinnbeteiligung werde möglicherweise regelmäßig in entsprechender Höhe ausfallen; denn der Rückkauf eigener Aktien stellt nach außen hin offensichtlich eine einmalige Auskehr dar 3 7 . Gesellschaften können auf diese Weise ausschütten und zugleich ihre Dividende auf einem kontinuierlichen, vertrauenswürdigen Niveau halten. Das Rückerwerbsangebot ist aber auch für den Aktionär von Vorteil, denn er kann im Unterschied zur Dividendenausschüttung zwischen dem Halten (Thesaurierung) und dem Verkauf der Aktie (Ausschüttung) wählen. 38 Schließlich ist der Verkauf im Unterschied zu einer Dividendenzahlung während gewisser Zeiträume steuerfrei. Während über die Höhe der Dividende die Hauptversammlung zu entscheiden hat (vgl § 119 Abs 1 Nr 2), kann, wenn ein Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 Nr 8 bereits gefasst wurde, der Vorstand den Rückkauf eigener

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BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp; ausdrücklich zitiert unten bei Rdn 126. BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp; näher dazu auch Bezzenberger 2 0 0 2 , S 60; MünchKommlOechsler 8. Ausführlich dazu Bezzenberger 2 0 0 2 , S 63; zur Situation in den USA Chew, The New Corporate Finance, 1999, S 2 6 9 f, 2 7 2 f; Jensen Harvard Business Review 6 7 (1989), S 61, 64 ff; ders American Economic Review 76 (1986) S 323, 325 ff. In den USA standen im Jahre 1987 Dividenden in Höhe von 83 Mrd US Aktienrückkäufe in Höhe von

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54 Mrd US gegenüber, vgl Deutsches Aktieninstitut, 1995, S 7. Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 2 2 2 , 223. Benckendorff 1998, S 54 ff; Bezzenberger 2 0 0 2 , S 62; MünchKomm/Oecfcs/er 8; Deutsches Aktieninstitut, 1995, S 3. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 62; Huber in: Festschrift Kropff 1997, S 101, 106, 111; Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 222, 2 2 3 ; Kübler 1989, S 48; von Rosen/Helm AG 1996, 435, 4 3 7 ; Wastl/Wagner/Lau 1997, S 34 f. MünchKomm/Oecfcs/er 8.

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Erwerb eigener Aktien

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Aktien zu einem Zeitpunkt und in einem Umfang seiner Wahl durchführen. Die Ausschüttung kann beim Rückkauf also flexibler gestaltet werden. 39 d) Kurspflege. Ein weiterer bedeutsamer Effekt des Aktienrückkaufs ist, dass der Börsenkurs steigen kann oder sinkende Kurse stabilisiert werden können. Dies ist für den Kapitalmarkt in den USA empirisch belegt worden: Aktienrückkäufe im Wege des public offering konnten dort langfristig zweistellige Kurssteigerungen bewirken 40 oder den Kursrückgang bremsen. 41 Die Steigerung des Börsenkurses ist dabei auf zwei verschiedene Ursachen zurückzuführen: Einerseits wird das Verhältnis von Angebot und Nachfrage verändert, da die Gesellschaft als zusätzliche Nachfragerin am Markt auftritt. Nach dem Abschluss des Rückkaufs zieht sie sich zwar wieder vom Markt zurück. Da sie jedoch die zurück erworbenen Aktien dem Markt entzogen hat, bleibt das Angebot geringer als vorher. Dies hat zur Folge, dass der Kurs, solange die Nachfrage im Vergleich zur Situation vor dem Rückkauf nicht abnimmt, sich auf einem höheren Kurs als zuvor stabilisiert. 42 Außerdem signalisiert der Vorstand mit einem Rückkauf, dass er die Aktie für unterbewertet hält 4 3 und er der Gesellschaft künftig hinreichende Erträge zutraut, die den Abfluss von Kapital ausgleichen können. In den USA wurde beobachtet, dass diese so genannte „positive Signalwirkung" ebenfalls kurssteigernde Wirkung haben kann. 4 4 Ein solches Signal kann von einem Rückkauf vor allem dann ausgehen, wenn die Gesellschaft eigene Aktien über dem Börsenkurs ankauft. Denn in diesem Fall glauben die außen stehenden Dritten den Aktionären, die in der Gesellschaft verbleiben, dass sie die Aktie für unterbewertet halten (zu dieser Signalwirkung auch Rdn 34). Sofern nämlich der Börsenkurs tatsächlich dem inneren Wert der Aktie entspricht, würde die Gesellschaft die Aktien zu teuer einkaufen und die verbleibenden Aktionäre sich folglich selbst schädigen. 45 In der Praxis hängt die Glaubwürdigkeit dieses Signals häufig zudem davon ab, ob der Vorstand selbst Aktien erwirbt. 46 Im Unterschied zur Gesellschaft unterliegt er selbstverständlich nicht den Beschränkungen der §§ 71 ff. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine kontinuierliche Kurspflege grundsätzlich nicht verboten, sondern bei Beachtung gewisser Grenzen zulässig ist (näher Rdn 273 ff).

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Bezzenberger 2 0 0 2 , S 62. Benckendorff 1998, S 56 ff; Bezzenberger 2002, S 63 ff mwN in Fn 144; Hampel 1994, S 2 0 ff; Kopp 1996, S 4 6 ff; Westpbal 2 0 0 4 , S 35 f; MünchKomm/OecAis/er 1; Posner AG 1994, 312, 316 f; Rams Die Bank 1997, 216, 220; Wastl/Wagner/Lau 1997, S 35 ff; aus dem US-amerikanischen Schrifttum Copeland/ Weston 1988, 5 9 8 f; Larry Y. Dann, Journal of Financial Economics 9 (1981), 113 ff. So das Ergebnis einer Studie der Securities Exchange Commission zum Börsencrash vom 19. Oktober 1987, wonach diejenigen Gesellschaften den Kursverfall bremsen konnten, die Rückkaufprogramme von durchschnittlich 5 - 7 % ihres Aktienbestandes durchgeführt hatten, vgl SEC, The October 1987 Market Break, Α Report by the Division of Market Regulation, U.S. Securities Exchange Commission, Feburary 1998; näher dazu Benckendorff 1998, S 58.

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Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65; Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 2 2 2 , 2 2 4 ; MünchKomm/Oecfo/er 1. Benckendorff 1998, S 56; Copeland/Weston Financial Theory and Corporate Policy, 1988, 5 9 8 f; Hampel 1994, S 36 f, 48 ff; Kopp 1996, S 118 ff; Kübler 1989, S 48; so im Ergebnis auch Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65, 69 ff. Die Verursachung von Kurssteigerungen durch Signaleffekte ist im Übrigen nicht unumstritten, Immenga/Noll Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S 5 5 f; kritische Stimmen im Überblick bei Kopp 1996, S 116 ff. Böhm in: von Rosen/Seifert, 1999, S 327, 3 3 4 ff; Kopp 1996, S 118 ff; MünchKomm/ Oechsler 3. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65.

H a n n o Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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e) Verhinderung feindlicher Übernahmen. Der Erwerb eigener Aktien kann auch als präventives Instrument zur Abwehr von Übernahmeversuchen eingesetzt werden. 47 Allerdings ist diese Verwendungsmöglichkeit rechtspolitisch umstritten (näher Rdn 1 ff und 158 ff). Im Fall der Unterbewertung drohen insbesondere solche Übernahmen, bei denen ein Dritter die Kontrollmehrheit an der Gesellschaft zu einem viel zu niedrigen Preis von den bisherigen Aktionären erlangt, um sofort im Wege der Liquidation der Gesellschaft seine Übernahmekosten nebst einem Gewinn zu generieren (so genannter „Leveraged Buyout"). 4 8 Zum einen können mit einem Rückkauf eigener Aktien - wie bereits gezeigt wurde - erhebliche Liquiditätsreserven der Aktiengesellschaft an die verkaufenden Aktionäre ausgeschüttet werden. Der Verlust von flüssigen Mitteln hat zur Folge, dass die Gesellschaft für fremde Aufkäufer an Anziehungskraft verliert. 49 Es wird dadurch auch erheblich schwieriger, nach dem Erwerb der Kontrollmehrheit die Kosten der Übernahme aus der Liquidität der Zielgesellschaft zu finanzieren oder darüber hinaus sogar einen Gewinn zu erwirtschaften. 50 Außerdem muss ein Übernahmeinteressent den Aktionären einen Preis anbieten, der über dem Börsenpreis liegt, um genügend Aktionäre zum Verkauf ihrer Anteile zu bewegen. Je höher die Gesellschaft mit einem Rückkauf eigener Aktien den Börsenkurs treiben kann, desto unrentabler wird es, ein Übernahmeangebot abzugeben. 51 Zudem kann die Anzahl der umlaufenden Wertpapiertitel gesenkt werden, so dass es auch technisch schwieriger wird, die angestrebte Kontrollmehrheit zu erreichen. 5 2 Ferner kann auf die Beteiligungsstruktur nach taktischen Maßgaben eingewirkt werden: Macht die Gesellschaft ein Rückkaufsangebot, so werden in der Regel vor allem diejenigen Aktionäre ihre Anteile verkaufen, die ohnehin zur Veräußerung bereit gewesen sind und daher wohl als erste auf das Angebot eines Bieters eingegangen wären. 53 In diesem Zusammenhang ist der Gesellschaft zu raten, die verkaufswilligen Aktionäre im Rahmen eines öffentlichen Auktionsverfahrens außerhalb des Börsengeschehens zu ermitteln („Dutch Auction O f f e r " 5 4 , näher Rdn 34). Dabei werden die Aktionäre aufgefordert, innerhalb eines von der Gesellschaft vorgegebenen Preisrahmens Angebote zu machen. Es werden dann die Aktien derjenigen Bieter übernommen, welche die niedrigsten Angebote abgegeben haben und dementsprechend den Wert der Gesellschaft geringer einschätzen. Nachdem dieser Rückkauf, der nicht gegen § 53a verstößt (näher Rn 273), abgeschlossen ist, sind dann vor allem diejenigen Aktionäre in der Gesellschaft verblieben, die von möglichen Übernahmeinteressenten nicht so einfach zum Verkauf ihrer Anteile bewegt werden können.

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Der Erwerb eigener Aktien kann jedoch in Deutschland nicht ebenso effektiv zum Zwecke der Abwehr feindlicher Übernahmen angewandt werden wie in den USA 5 5 . Zum einen wird der Rückerwerb eigener Aktien dem Umfang nach gem § 71 Abs 2, insbesondere durch die Zehnprozentschranke des § 71 Abs 2 S 1, begrenzt. Außerdem ist es gem § 71b verboten, die Stimmrechte aus eigenen Aktien auszuüben, so dass die Unternehmensführung nicht mit diesen Stimmrechten gestützt werden kann. Dem kann jedoch abgeholfen werden, indem die zurück erworbenen Aktien an einen strategischen Partner

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Bezzenberger 2 0 0 2 , S 64 f; KK/Hirte § 33 WpÜG Rdn 61; Kopp 1996, S 41 ff; MünchKomm/Oechsler 24. MünchKomm/Oechsler 2. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 64 f; Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 2 2 2 , 2 2 4 ; Kopp 1996, S 41 f; MünchKommJOechsler 10. Kopp 1996, S 41 f; MünchKomm/Oecfo/er 10. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65.

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Assmann/Bozenhardt ZGR-Sonderheft 9, S 1, 132 f; KKJHirte § 33 WpÜG Rdn 61; Knoll, Übernahme von Kapitalgesellschaften, 1992, S 2 0 4 . Kopp 1996, S 4 2 f; MünchKomm/Oechsler 15. MünchKomm/Oechsler 10. Aha AG 1992, 218, 2 2 0 .

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

der Zielgesellschaft (sog white knight) verkauft werden, 56 damit dieser das Stimmrecht der zurück gekauften Aktien, das dann nicht mehr gern § 71b ruht, zur Abwehr der feindlichen Übernahmen nutzen kann. f) Gestaltung der Beteiligungsstruktur. Mit dem Rückkauf eigener Aktien kann auch noch aus anderen Erwägungen gezielt auf die Beteiligungsstruktur der AG eingewirkt werden. Der Vorstand kann beispielsweise widerspenstigen Aktionären Anteile abkaufen und auf diese Weise wegen § 71b die Stimmmacht der anderen Aktionäre verhältnismäßig stärken 5 7 : So kann er geneigt sein, solchen Aktionären, die die Unternehmensleitung behindern, indem sie bei Hauptversammlungen exzessiv von ihrem Auskunftrecht gem § 131 AktG Gebrauch machen oder Beschlüsse anfechten (§§ 243, 2 4 6 AktG), mit einem lukrativen Angebot den Ausstieg aus der Gesellschaft schmackhaft zu machen. Dies birgt jedoch das Risiko einer Ungleichbehandlung von Aktionären in sich (näher Rn 273). Sodann kann die Konzentration des Aktienbesitzes in wenigen Händen insbesondere auch deshalb angestrebt werden, weil sich auf diese Weise die Verwaltungskosten, die auf jeden einzelnen Aktionär entfallen (sog Shareholder Servicing Costs), reduzieren lassen. 58 Nach Schätzungen betragen diese Kosten in den USA zwischen zwölf und zwanzig Dollar pro Aktionär 5 9 . Dahinter verbergen sich die Ausgaben für den Druck von Geschäftsberichten, für den Versand von Einladungen zur Hauptversammlung und für die Zuteilung von Bezugsrechten. Allerdings können deutsche Gesellschaften durch entsprechendes „Herauskaufen" von Kleinaktionären aus der Gesellschaft nur begrenzt Kosten sparen 6 0 . Im Unterschied zu US-amerikanischen müssen deutsche Gesellschaften nämlich beispielsweise ihre Aktionäre nicht individuell postalisch zur Hauptversammlung einladen, sondern es ist ihnen ebenso möglich, die Einberufung der Hauptversammlung in den Geschäftsblättern bekannt zu geben (§ 121 Abs 3 S 1).

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g) Aufbau wechselseitiger Beteiligungen iSd § 19. Um der Zusammenarbeit mit einer anderen Gesellschaft (sog strategische Partnerschaft) eine Grundlage zu geben, können sich beide Partner wechselseitig aneinander beteiligen. Gehört jeder Gesellschaft mehr als der vierte Teil der Anteile der anderen, so spricht das Gesetz von „wechselseitig beteiligten Unternehmen" (§ 19 Abs l ) . 6 1 Dem steht § 71 Abs 1 iVm § 71 d S 2 AktG nur entgegen, sofern eines der Unternehmen vom anderen „abhängig" ist (§ 17 Abs 1) oder einer der Gesellschaften die Mehrheit der Anteile oder der Stimmrechte an der anderen gehört (S 16 Abs 1, näher § 71d Rdn 35 ff).

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h) Erwerb eigener Aktien als Akquisitionswährang. Eigene Aktien können auch deshalb erworben werden, weil sie später als Gegenleistung bei dem Erwerb eines Unternehmens angeboten werden sollen. 6 2 Dies hat gegenüber einer Gegenleistung in Geld den Vorteil, dass weder Fremdkapital aufgenommen noch etwaige im eigenen Unternehmen befindliche stille Reserven aufgedeckt werden müssen.

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i) Kapitalherabsetzung durch Einziehung gem § 237. Vom Gesetzgeber selbst wird in der Begründung zum KonTraG von 1998 davon gesprochen, dass der Eigenerwerb vor allem auch der Vorbereitung einer endgültigen Einziehung der Aktien dienen kann (vgl § 71 Abs 1 Nr 6 und Nr 8 S 6). 6 3 § 2 3 7 Abs 1 S 1 nennt den Erwerb eigener Aktien

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Kopp 1996, S 44; MünchKomm/Oecfo/er 10. MünchKomm/Oechsler 22; Huber FS Duden, S 141; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1. Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 2 2 2 , 223. Kopp 1996, S 40; MünchKomm/Oec/w/er 9.

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Bezzenberger 2 0 0 2 , S 6 7 f; Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 2 2 2 , 2 2 4 f. Näher dazu WastllWagner AG 1997, 241 ff. Näher Wieneke NZG 2 0 0 4 , 61 ff. BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

durch die Gesellschaft als einen möglichen Anwendungsfall der Kapitalherabsetzung durch Einziehung (näher dazu Rdn 2 3 3 ff). 28

j) Rückzug von der Börse. Außerdem kann mit dem Rückkauf eigener Aktien auch der Rückzug von der Börse (sog Going private) vorbereitet werden 6 4 . Befinden sich nicht mehr als 10 % der Aktien im Streubesitz, so kann die Gesellschaft den Versuch unternehmen, allen Streuaktionären ihre Anteile abzukaufen (vgl § 71 Abs 2 S 1). Gelingt dies, können in einem weiteren Schritt, wie soeben (vorige Rdn) dargestellt, diese Anteile eingezogen werden (§ 2 3 7 Abs 1 S 1), und es kann bei der Zulassungsstelle der Antrag gestellt werden, die Zulassung der Aktien zum Markt zu widerrufen. Dem Antrag ist dann ohne Weiteres stattzugeben, denn es kann ausgeschlossen werden, dass die Interessen weiterer Minderheitsaktionäre betroffen sind (vgl § 38 Abs 4 S 2 BörsG). Liegt der Streubesitzanteil bei mehr als 10 % , so kann der Aktienrückkauf einen späteren Rückzug von der Börse nur vorbereiten; denn die Bestimmung des § 71 Abs 2 S 1 steht einem Rückkauf sämtlicher Aktien entgegen. Wird im Anschluss an den Rückerwerb ein Delisting durchgeführt, so muss den übrigen Aktionären nach den Grundsätzen der „Macrotron"-Entscheidung des BGH ein Pflichtangebot unterbreitet werden. 65 Die Abfindung wird gem § 71 Abs 1 Nr 3 analog ermöglicht. Dabei müssen allerdings die Grenzen des § 71 Abs 2 S 1 wegen § 2 9 Abs 1 S 1 2. HS nicht beachtet werden (näher Rdn 201 ff). 3. Methoden des Erwerbs eigener Aktien - Zustandekommen des Kaufvertrages

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Rückkauf und dinglicher Rückerwerb eigener Aktien lassen sich auf unterschiedlichen Wegen durchführen. In Betracht kommen hauptsächlich ein Erwerb über die Börse, ein öffentliches Rückkaufangebot oder individuelle Verhandlungen mit dem jeweiligen Aktionär. 66 Bei der Wahl der Methode wird es jeweils auf die mit dem Rückerwerb eigener Aktien verfolgten Ziele (näher oben Rdn 17 ff) ankommen.

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a) Erwerb über die Börse. Bei einem Rückkauf über die Börse (sog open market repurchase) erwirbt die Gesellschaft die Aktien zum jeweiligen Tageskurs 6 7 . Bei diesem Verfahren ist die Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a) sichergestellt, da sie jeweils zum aktuellen Kurs veräußern können (vgl § 71 Abs 1 Nr 8 S 4, näher Rdn 6 6 ff). 6 8 Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die einzelnen Rückkaufgeschäfte den jeweiligen Marktverhältnissen flexibel angepasst werden können, dh es kann je nach Höhe des Aktienkurses gekauft werden und gegebenenfalls, sofern der Kurs erheblich ansteigt, auch gänzlich von dem geplanten Rückkauf Abstand genommen werden. 6 9 Der Erwerb über die Börse wird zudem in der Regel kostengünstiger sein als ein öffentliches Rückkaufangebot, da den verkaufsbereiten Aktionären anders als beim öffentlichen Rückkaufangebot keine Verkaufsprämie gewährt wird. 7 0

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Richard/Weinheimer BB 1999, 1613, 1614. B G H Z 153, 4 7 ff = N J W 2 0 0 3 , 1 0 3 2 ff = AG 2 0 0 3 , 2 7 3 ff = ZIP 2 0 0 3 , 3 8 7 ff.

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Berrar/Schnorbus Z G R 2 0 0 3 , 59, 6 4 ff; Hirsch S 7 3 ff; Johannsen-Roth S 13 ff; MünchKomm/Oechsler 13 ff; Wastl/ Wagner/Lau S 2 3 ff.

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Näher dazu Benckendorff S 7 3 ; Berrar/ Schnorbus Z G R 2 0 0 3 , 59, 6 4 ; Hirsch S 7 5 ; Johannsen-Roth S 14; M ü n c h K o m m / Oechsler 14; Wastl/Wagner/Lau S 24. M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 14.

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Hirsch S 7 5 ; Johannsen-Roth S 14. Hirsch S 7 4 ; Johannsen-Roth S 15; Kopp S 3 6 , 3 9 ; M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 14; eine Umfrage des Deutschen Aktieninstituts ergab im Jahre 1999, dass der Erwerb über die Börse von den Gesellschaften am häufigsten als Methode für den Rückerwerb eigener Aktien gewählt wurde, siehe DAI, Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, S 10, dazu auch Hirsch S 7 3 f.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

b) Öffentliche Riickkaufangebote. Die Gesellschaft kann aber auch ein öffentliches Angebot zum Rückkauf von Aktien abgeben. Dabei lassen sich drei Varianten unterscheiden: das Festpreisangebot (sog Fixed Price Tender Offer), das Preisspannenangebot (sog Dutch Auction Tender Offer) und die Emission übertragbarer Verkaufsrechte (sog Transferable Put Rights oder Share Repurchase Puts (Scharps). 71 Im Unterschied zum Erwerb über die Börse sind bei diesen öffentlichen Rückkaufsangeboten die Vorschriften des W p U G zu beachten (näher Rdn 138). In der Praxis werden sie üblicherweise eingesetzt, um innerhalb einer kurzen Zeitspanne eine relativ hohe Anzahl von Aktien zurückzukaufen. 7 2

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aa) Festpreisangebot (Fixed Price Tender Offer). Bei einem Festpreisangebot schließlieh erklärt sich die Gesellschaft bereit, Aktien zu einem von ihr genannten Preis zurückzukaufen und kündigt in der Regel zugleich an, in welchem Umfang sie Aktien zu erwerben bereit ist. 7 3 Das Angebot wird in der Praxis häufig auf höchstens einen M o n a t befristet (§ 148 BGB). 7 4 Um eine hinreichende Zahl von Anteilseignern zum Verkauf ihrer Anteile zu bewegen, wird den Aktionären ein finanzieller Anreiz zur Veräußerung geboten, indem die Gesellschaft den Rückkaufspreis oftmals erheblich über dem aktuellen Börsenkurs festlegt. 75

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Die Bemessung dieser Prämie bereitet in der Praxis jedoch Schwierigkeiten 7 6 : Ist sie zu niedrig, sind zu wenige Aktionäre bereit, ihre Aktien zu verkaufen. Ist sie zu hoch, so wollen zu viele Aktionäre ihre Aktien verkaufen. Zwar kann dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) bei einer solchen Überzeichnung des Angebotes dadurch genügt werden, dass alle verkaufswilligen Aktionäre jeweils nur einen Teil ihrer Aktien verkaufen dürfen (näher dazu Rdn 66ff, 138). Doch ist im Einzelfall regelmäßig problematisch, ob die gezahlte Prämie als unzulässige Einlagenrückgewähr iSv § 5 7 Abs 1 S 1 zu qualifizieren ist und deshalb später gem § 62 Abs 1 S 1 von der Gesellschaft - oder in ihrem Namen von den Gläubigern (vgl § 62 Abs 2 S 1) - zurückgefordert werden kann. Wegen dieser Rechtsunsicherheit dürfte das Festpreisangebot in Deutschland eher unpraktikabel sein. Die dargelegte Schwierigkeit lässt sich mit Hilfe des sogleich (nachfolgende Fn) dargestellten Preisspannenangebotes umgehen (zur Anwendbarkeit des W p Ü G siehe Rdn 138). 7 7

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bb) Preisspannenangebot (Dutch Auction Tender Offer). Im Unterschied zum Festpreisangebot wird beim Preispannenangebot, das sich seit etwa Anfang der 80er Jahre als Gestaltungsalternative etabliert hat, 7 8 statt eines festen Preises eine Preisspanne von der Gesellschaft bekannt gegeben, innerhalb derer die Aktionäre ihre Anteile zu einem von ihnen gewählten Preis der Gesellschaft zum Verkauf anbieten können. 7 9 Es wird wie bei einem Festangebot in der Regel mitgeteilt, in welchem Umfang die Gesellschaft Aktien zurück kaufen möchte. 8 0 Um einen Verkaufsanreiz zu bieten, wählt man als untere Grenze

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Escher-Weingart Reform durch Deregulierung, S 275 f; Hirsch S 76 ff; Johannsen-Roth S 16 ff; MünchKommJOechsler 15 f. Johannsen-Roth S 16; Wastl/Wagner/Lau S25. Näher dazu Benckendorff S 74 f; Berrar/ Schnorbus ZGR 2003, 59, 67; Hirsch S 76 f; Johannsen-Roth S 16; MünchKomm/ Oechsler 15; Wastl/Wagner/Lau S 25. Johannsen-Roth S 16. Hirsch S 76; Johannsen-Roth S 17 mwN.

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Näher dazu Hirsch S 77 f; Johannsen-Roth S 17. Hirsch S 78; Johannsen-Roth S 17. Hirsch S 78; Johannsen-Roth S 18. Näher dazu Benckendorff S 76 f; Berrar/ Schnorbus ZGR 2003, 59, 67; Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rn 8; Hirsch S 78 ff; Johannsen-Roth S 18; MünchKomm/ Oechsler 15; Wastl/Wagner/Lau S 26. Johannsen-Roth S 18.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

der Preisspanne üblicherweise einen Preis über dem aktuellen B ö r s e n k u r s . 8 1 Im Unterschied zum Festangebot wird die H ö h e der Prämie im R a h m e n eines M a r k t m e c h a n i s musses nach A n g e b o t und N a c h f r a g e ermittelt: N a c h A b l a u f der Angebotsfrist erstellt die Gesellschaft ein Angebotsprofil und e n t n i m m t diesem den höchsten Preis, den sie für die letzte Aktie zahlen müsste, um die gewünschte Anzahl von Aktien erwerben zu könn e n . 8 2 Dieser Preis wird nun nicht nur denjenigen A k t i o n ä r e n , die genau diesen Preis angeboten h a b e n , sondern mit R ü c k s i c h t auf das G e b o t der Gleichbehandlung gem § 5 3 a auch allen denjenigen Aktionären bezahlt, die bereit waren, ihre Aktien zu einem niedrigeren Preis zu v e r k a u f e n . 8 3 35

Z w a r kann einerseits mit Hilfe eines Festpreisangebotes eher eine Signalwirkung für den Kapitalmarkt erzielt werden (zur Anwendbarkeit des W p Ü G siehe R d n 138). Denn wenn die Gesellschaft lediglich einen Preisrahmen setzt, so überlässt sie die exakte Bewertung den A k t i o n ä r e n . 8 4 Indes kann andererseits mit Hilfe des Preispannenangebotes - im Unterschied zum Festpreisangebot - die niedrigste Prämie ermittelt werden, die den Erwerb der gewünschten Anzahl von Aktien ermöglicht, so dass ein kostengünstigerer R ü c k k a u f eigener Aktien möglich wird. 8 5 D a h e r eignet sich ein Preisspannenangebot insbesondere dazu, kostengünstig einer feindlichen Übernahme vorzubeugen. Denn es können gezielt diejenigen Aktionäre zum Ausstieg aus der Gesellschaft bewegt werden, die bereit sind, die Aktien am günstigsten zu verkaufen. Schließlich ist ein entscheidender Vorteil darin zu sehen, dass beim Preisspannenangebot im Unterschied zum Festpreisangebot regelmäßig nicht die Gefahr besteht, dass der gezahlte Preis als unzulässige Rückgewähr von Einlagen iSv § 5 7 Abs 1 S 1 zu qualifizieren ist (näher R d n 5 9 ) .

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S o w o h l beim Festpreisangebot als auch beim Preispannenangebot besteht die Gefahr, dass die A k t i o n ä r e ihre Verkaufsentscheidung übereilt oder aufgrund unzureichender I n f o r m a t i o n treffen m ü s s e n 8 6 . Diesem R i s i k o begegnen die § § 10 ff W p Ü G , indem die Angebotsunterlage gewisse M i n d e s t a n g a b e n enthalten (§ 11 A b s 2 W p Ü G ) und die Annahmefrist mindestens vier W o c h e n betragen muss (§ 16 Abs 1 W p Ü G ; näher zur Anwendbarkeit des W p Ü G siehe R d n 138). Keine Anwendung findet § 17 W p Ü G , w o n a c h eine öffentliche auf den E r w e r b von Wertpapieren der Zielgesellschaft gerichtete Aufforderung des Bieters zur A b g a b e von A n g e b o t e n durch die I n h a b e r der Wertpapiere unzulässig ist. 8 7 Die Regelung verbietet eine invitatio ad offerendum, weil die Gesellschaft durch ein A n g e b o t nicht über einen unangemessenen Z e i t r a u m hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden d a r f . 8 8 Die Auswirkungen eines Angebotes auf die Zielgesellschaft, ihre M a n a g e r und ihre A k t i o n ä r e sind so gravierend, dass es nicht gerechtfertigt ist, wenn der Bieter nicht an sein A n g e b o t gebunden i s t . 8 9 Wenn jedoch, wie im Falle des Preisspannenangebotes, die Gesellschaft selbst das A n g e b o t abgibt, k ö n nen diese negativen Begleiterscheinungen nicht auftreten, da die Gesellschaft selbst dieses A n g e b o t abgegeben hat. Im Übrigen wird bei einem Preisspannenangebot nicht nur mitgeteilt, innerhalb welcher Preisspanne die Gesellschaft erwerben will, sondern in der Regel auch, in welchem Umfang die Gesellschaft Aktien erwerben möchte (näher R d n 3 4 ) , so dass die Gesellschaft sich bereits in begrenztem U m f a n g bindet.

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Johannsen-Roth S 18. Hirsch S 78 f; Johannsen-Roth S 18; MünchKommlOechsler 15. Hirsch S 79; Johannsen-Roth S 18. Kopp S 120; MünchKomm/Oechsler 15. Hirsch S 79 mwN; Johannsen-Roth S 19; MünchKomml Oechsler 15.

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MünchKommlOechsler 202. AA offenbar MünchKommJOechsler 203. BR-Drucks 574/01, S 114; Haarmann/ Riemer/Schüppen/Riemer ξ 17 WpÜG Rdn 3. Haarmann/Riemer/Schüppen/Riemer § 17 WpÜG Rdn 3.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

cc) Emission übertragbarer Verkaufsrechte (Transferable Put Rights). Die Gesellschaft kann zudem auch übertragbare Verkaufsoptionen (Puts) an ihre Aktionäre ausgeben. Diese Optionen beinhalten gegenüber der Gesellschaft als Stillhalterin das R e c h t , eine Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen festgelegten Preis an die Gesellschaft zu verkauf e n . 9 0 J e d e m Aktionär werden proportional zu seinem Anteilsbesitz so viele Verkaufsoptionen zugeteilt, dass die Aktiengesellschaft die von ihr gewünschte Anzahl von Aktien kaufen kann. Will die Gesellschaft beispielsweise 5 % der Aktien zurückkaufen, so wird sie jedem Anteilseigner für 2 0 von ihm gehaltene Aktien jeweils eine Verkaufsoption einräumen. Diese Optionen sind dann selbständig am Kapitalmarkt handelbar, so dass diejenigen Aktionäre, die alle ihre Aktien behalten möchten, ihre Puts verkaufen, und diejenigen Aktionäre, die mehr Aktien verkaufen wollen, Puts hinzukaufen können. Auf diese Verkaufsoptionen findet § 71 Abs 4 S 2 Anwendung (näher R d n 3 7 7 ) .

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Diese M e t h o d e des öffentlichen R ü c k k a u f s a n g e b o t e s weist zwar einerseits Vorteile gegenüber dem Festpreis- und dem Preisspannenangebot auf: Erstens profitieren beispielsweise auch diejenigen A k t i o n ä r e von dem R ü c k k a u f , die letztlich ihre Aktien behalten, indem sie ihre Puts verkaufen. 9 1 D a h e r wirkt ein solches R ü c k k a u f s p r o g r a m m zugunsten aller Aktionäre wie eine Gewinnausschüttung. Zweitens wird eine Überzeichnung des Angebotes durch die Vergabe von solchen Verkaufsrechten und damit die Notwendigkeit einer Repartierung auf pro-rata-Basis ausgeschlossen, während bei einem zu niedrig gewählten Festangebot oder bei einer zu niedrig gewählten Preisspanne genau dies erforderlich werden k a n n . 9 2 Andererseits ist diese M e t h o d e mit dem gewichtigen Nachteil verbunden, dass die Gesellschaft wie beim Festpreisangebot einen Kaufpreis für die Aktien festlegen m u s s . 9 3 D a r a u s resultiert die Gefahr, dass die Z a h l u n g des Erwerbspreises als eine unzulässige Einlagenrückgewähr qualifiziert wird. Wegen dieses Risikos werden Gesellschaften dem Preisspannenangebot auch gegenüber dieser M e t h o d e w o h l grundsätzlich den Vorzug einräumen (näher bereits R d n 3 5 ) .

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c) Individuell vereinbarter R ü c k k a u f (Negotiated Repurchase). N e b e n dem E r w e r b über die Börse und dem öffentlichen R ü c k k a u f a n g e b o t bietet sich mit dem E r w e r b im Wege der direkten Verhandlung mit dem A k t i o n ä r eine dritte M e t h o d e zum R ü c k k a u f eigener A k t i e n . 9 4 In der Regel finden die Verhandlungen zwischen der Gesellschaft und einzelnen Aktionären oder Aktionärsgruppen statt, die im Besitz nennenswerter Anteilspakete der Gesellschaft s i n d . 9 5 Auch bei einem solchen Paketerwerb zahlt die Gesellschaft i d R einen den aktuellen Börsenkurs übersteigenden Preis (Paketzuschlag). 9 6 W i e beim Festangebot und bei übertragbaren Verkaufsoptionen ist zweifelhaft, o b dieser Paketzuschlag als unzulässige Einlagenrückgewähr iSv § 5 7 Abs 1 S 1 anzusehen ist. E b e n s o ist diese M e t h o d e unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gem § 5 3 a (iVm § 71 Abs 1 N r 8 S 3 ) bedenklich (näher R d n 6 6 ff).

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Näher Benckendorff S 77 f; Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 8; Hirsch S 80; ]ohannsen-Roth S 20; Kopp S 37; Mick DB 1999, 1201; MünchKomm/Oechsler 16; Paefgen AG 1999, 67. Hirsch S 80; Johannsen-Roth S 20. Hirsch S 80; Johannsen-Roth S 20; Kopp S 37. Hirsch S 80; Johannsen-Roth S 20.

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Näher dazu und zum folgenden Benckendorff S 78 f; Berrar/Schnorbus ZGR 2003, 59, 65; Bosse NZG 2000, 16; Hirsch Johannsen-Roth S 21; Kopp S 38; MünchKomm/ Oechsler 17; Wastl NZG 2 0 0 0 , 505 ff; Wastl/Wagner/Lau S 27. Johannsen-Roth S 21. Johannsen-Roth S 21 f.

Hanno Merkt

§71 40

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Diese Form des Aktienrückkaufs ist beispielsweise von praktischer Bedeutung, wenn ein Aktionär der Gesellschaft mit einem eigenen Übernahmeangebot oder mit dem Verkauf seines Aktienpaketes an einen Übernahmeinteressenten droht, sofern der Vorstand nicht bereit ist, das Aktienpaket zu einem weit über dem Börsenkurs liegenden Preis zurückzukaufen (sog Greenmailing, näher Rdn 185). 4. Durchführung des Erwerbs eigener Aktien

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a) Zuständigkeit. Der Erwerb eigener Aktien ist grundsätzlich eine Maßnahme der Geschäftsführung und steht daher in den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 1 - 5 gem §§ 76, 77 allein dem Vorstand zu. 97 Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung besteht in den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 6 - 8 , in denen der Erwerb eigener Aktien nur zulässig ist, wenn er auf einem Beschluss der Hauptversammlung beruht. Ein solcher Ermächtigungsbeschluss bedarf der einfachen Stimmenmehrheit, soweit nicht Gesetz oder Satzung eine größere Mehrheit oder weitere Erfordernisse bestimmen (§ 133 Abs 1 AktG). Während in diesen Fällen der Erwerb eigener Aktien nur aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses zulässig ist (§ 71 Abs 1 Nr 6 - 8 ) , verbleibt die Entscheidung, ob von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird oder nicht, beim Vorstand (näher Rdn 272).

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Ausnahmsweise kann der Vorstand außerdem in allen Fällen des § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden sein, wenn dies von der Satzung oder dem Aufsichtsrat bestimmt wird (§ 111 Abs 4 S 2). Ein solches Zustimmungserfordernis kann beispielsweise empfehlenswert sein, wenn gem § 71 Abs 1 Nr 8 Aktienoptionsprogramme aufgelegt werden, die zur Vergütung der Vorstandsmitglieder bestimmt sind (näher zu Aktienoptionsprogrammen Rdn 302). 9 8 Darüber hinaus ist die Hauptversammlung zur Entscheidung über den Erwerb eigener Aktien berufen, wenn der Vorstand dies ausdrücklich verlangt (§ 119 Abs 2). 9 9 Diese Anrufungsentscheidung trifft er grundsätzlich nach freiem Ermessen („kann") 1 0 0 . Dabei ist in den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 1 - 5 für eine zwingende Einberufung der Hauptversammlung nach den Grundsätzen der „Gelatine"-Rechtsprechung 101 im Wege einer offenen Rechtsfortbildung kein Raum, wie der Umkehrschluss aus § 71 Abs 1 Nr 6 - 8 zeigt, denn dort ist abschließend geregelt, welchem Sachverhalt eine solche Bedeutung zukommt, dass eine Mitentscheidung der Hauptversammlung über den Rückerwerb eigener Aktien geboten ist (expressio unius exclusio alterius). b) Kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten

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aa) Ad-hoc-Mitteilung (§ 15 WpHG). Der Rückkauf von Aktien wird sich nicht selten auf den Börsenkurs der Aktie auswirken (näher Rdn 21). Daher muss ein vom Vorstand gefasster Beschluss, eigene Aktien der Gesellschaft zurückkaufen zu wollen, nach zutreffender herrschender Meinung im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung gem § 15 Abs 1 WpHG veröffentlicht werden, sofern der Rückkauf im konkreten Fall geeignet ist,

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Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 3; KKILutter 16; MünchKomm/Oechsler 70; van Aerssen W M 2 0 0 0 , 3 9 1 , 3 9 4 . M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 7 0 ; Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 3. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 1 2 4 ; KK/ Lutter 16. MünchKomm/K«fow § 119 AktG Rdn 2 2 . B G H N Z G 2 0 0 4 , 5 7 1 , 5 7 4 und N Z G 2 0 0 4 ,

5 7 5 , 5 7 8 unter Aufgabe der „Holzmüller"Doktrin aus B G H Z 83, 1 2 2 , 131 = N J W 1 9 8 2 , 1 7 0 3 = AG 1 9 8 2 , 158, derzufolge ein Schrumpfen des Ermessens zur Einberufung iSv § 119 Abs 2 ( „ k a n n " ) bei „grundlegenden Entscheidungen" angenommen wurde, die „tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre" eingreifen.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

den Börsenpreis erheblich zu beeinflussen. 1 0 2 N a c h der Gegenansicht soll der Vorstand zu einer solchen Ad-hoc-Mitteilung nicht verpflichtet s e i n . 1 0 3 Z u r Begründung wird angeführt, dass bereits die Mitteilung selbst zu einem Ansteigen des Börsenkurses führe und demzufolge die Gesellschaft einen höheren Kaufpreis bezahlen m ü s s t e . 1 0 4 Ferner sei eine öffentliche Erklärung des Vorstands über seine Absicht, in Kürze eigene Aktien zu erwerben, zu unsicher, weil der Vorstand aufgrund einer kurzfristigen Veränderung des Kapitalbedarfs der Gesellschaft seine Absicht revidieren k ö n n e . 1 0 5 D a s s die Gesellschaft möglicherweise einen höheren Kaufpreis bezahlen muss, spricht indes nicht dafür, den Schutz der Anleger gem § 15 W p H G einzuschränken. Die Gesellschaft k a n n dieser Entwicklung im Übrigen entgegenwirken, indem sie den R ü c k e r w e r b eigener Aktien über einen längeren Z e i t r a u m hinweg durchführt. N a c h d e m der Vorstand den Beschluss, einen R ü c k e r w e r b durchzuführen, gefasst und veröffentlicht hat, ist er nicht verpflichtet, den Beschluss auch umzusetzen (keine Selbstbindung). D e n n das Interesse der Gesellschaft, das insoweit allein entscheidet, k a n n eine andere Entscheidung aufgrund von kurzfristigen Entwicklungen der Finanzlage der Gesellschaft oder auf dem Kapitalmarkt erforderlich m a c h e n . 1 0 6 N i m m t der Vorstand später von der Absicht, eigene Aktien zu erwerben, wieder Abstand, so muss dies erneut gem § 15 Abs 1 S 1 oder S 4 (Berichtigung unwahrer Tatsachen) veröffentlicht w e r d e n . 1 0 7 Die Ad-hoc-Mitteilung muss auf den Bezug nehmen und den wesentlichen a n g e b e n , 1 0 8 dh den Z e i t r a u m , während ben sind ferner die Stückzahl und die sich aus der Verordnung 2 2 7 3 / 2 0 0 3 / E G

Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung Inhalt des Rückkaufbeschlusses des Vorstands dessen der R ü c k e r w e r b stattfinden soll. AnzugePreisspanne. 1 0 9 Weitere Anforderungen ergeben v o m 2 2 . 1 2 . 2 0 0 3 (näher sogleich R d n 4 9 ) .

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Die von § 15 W p H G vorausgesetzte Erheblichkeit des R ü c k k a u f s mit Blick auf die Börsenpreisentwicklung wird zum einen regelmäßig dann zu bejahen sein, wenn durch den beabsichtigten K a u f oder Verkauf die Schwellenwerte des § 2 1 A b s 1 W p H G (5 oder 10 Prozent des Grundkapitals) überschritten oder unterschritten werden 1 1 0 . Dafür spricht in diesem Z u s a m m e n h a n g insbesondere, dass nach dem Erwerb - im Unterschied zur Ad-hoc-Mitteilung gem § 15 W p H G , die zwischen Vorstandsbeschluss und E r w e r b zu erfolgen hat - eine Mitteilung der Gesellschaft gem § 2 5 Abs 1 S 3 W p Ü G zu erfolgen hat (näher R d n 5 2 ) , die ihrerseits Einfluss auf den Börsenkurs haben k a n n . Werden die Schwellenwerte des § 2 1 Abs 1 W p H G weder über- n o c h unterschritten, so wird von der überwiegenden Auffassung die Kurserheblichkeit a n g e n o m m e n , wenn mit einer Kursschwankung von 5 % zu rechnen ist. 1 1 1 D a b e i ist unerheblich, o b diese K u r s s c h w a n k u n g

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102 BT-Drucks 13/9712, S 14 re Sp; Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel (heute: BaFin), Schreiben an die Vorstände der börsennotierten Aktiengesellschaften vom 28. Juni 1999, WM 2000, 438; BenckendorffS 288 ff; Kraft/Altvater NZG 1998, 448, 450 f; MünchKomm/Oecfe/er 293; von Rosen/Helm AG 1996, 434, 4 3 9 f; Schockenhoff/Wagner AG 1999, 548 ff; Schwark-Zimmer § 15 WpHG Rdn 174. 103 Martens AG 1996, 337, 340 f; Peltzer WM 1998, 322, 329 f. 104 Peltzer WM 1998, 322, 330. 105 Martens AG 1996, 337, 341. 106 Kraft/Altvater NZG 1998, 448, 451;

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Martens AG 1996, 337, 341; MünchKomm/ Oechsler 231 und 293. Näher dazu Schwark/Zimmer § 15 WpHG Rn 159 ff; Assmann/Schneider/Kümpel § 15 WpHG Rdn 129 ff. BAWe, W M 2000, 438. MünchKomm/Oechsler 293. Assmann/Schneider § 13 WpHG Rdn 61; Kraft/Altvater NZG 1998, 448, 451. Assmann/Schneider § 13 WpHG Rdn 69 mwN; Caspari ZGR 1994, 530, 541 ff; Claussen ZBB 1992, 277 ff; Hopt ZHR 159 (1995), 135, 154 f; Kraft/Altvater NZG 1998, 448, 451; Weber BB 1995, 157, 164.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

später tatsächlich eintritt. Denn die Frage der Ad-hoc-Pflichtigkeit kann und muss nur ex-ante beurteilt werden. 112 46

Für den Fall, dass dem Rückkauf auch der Aufsichtsrat zustimmen muss (mehrstufige Entscheidung; näher Rdn 41) ist umstritten, ob der Vorstand gem § 93 Abs 1 S 2 AktG den Beschluss bis zur Entscheidung des Aufsichtsrates vertraulich behandeln muss, um die Entscheidung des Aufsichtsrats nicht zu präjudizieren. 113 Dem könnte die ratio legis des § 15 Abs 1 WpHG entgegenstehen. Denn wenn es darum geht, eine Tatsache deshalb möglichst frühzeitig zu publizieren, weil sich Insiderhandel nur auf diese Weise wirksam unterbinden lässt, dann spricht dies dafür, bereits den Vorstandsbeschluss zu veröffentlichen. 114 Eine dritte, vermittelnde Auffassung differenziert dahingehend, dass die Veröffentlichungspflicht des § 15 Abs 1 WpHG nur dann die Verschwiegenheitspflicht des § 93 Abs 1 S 2 AktG im Wege der Spezialität verdrängt, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrates hinreichend wahrscheinlich ist (ausreichende Realisierungswahrscheinlichkeit). 1 1 5 Die dafür erforderliche Prognose wird indes in vielen Fällen mit erheblicher Unsicherheit belastet sein.

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Der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 Nr 8 stellt regelmäßig keine publizitätspflichtige Tatsache dar, da im Zeitpunkt der Beschlussfassung zumeist nicht absehbar ist, ob und in welchem Umfang der Vorstand von der Ermächtigung Gebrauch machen wird. 1 1 6 Gem § 71 Abs 3 S 3 muss der Ermächtigungsbeschluss jedoch der BaFin gemeldet werden (näher Rdn 355 ff). Sofern ausnahmsweise bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem Zeitpunkt des Vorstandsbeschlusses - denkbar ist auch der Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 Nr 8 - überwiegend wahrscheinlich ist, dass ein Aktienrückkauf stattfinden wird, entsteht die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität bereits zu diesem Zeitpunkt. 1 1 7 Die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrates, die Hauptversammlung um einen Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 Nr 8 zu bitten, müssen idR erst recht nicht gem § 15 Abs 1 WpHG veröffentlicht werden. 118 Da jedoch sowohl die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrates als auch der spätere Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung Insidertatsachen iSv § 13 WpHG darstellen können, kann es - ohne dass eine entsprechende Verpflichtung gem §15 WpHG bestände - ratsam sein, diese Insidertatsachen zugleich mehreren Informationssystemen zuzuleiten, damit die Nachricht umgehend an den Markt gelangt. Auf diese Weise können mögliche Verstöße gegen das Verbot des Insiderhandels (§ 14 WpHG) von der Gesellschaft verhindert werden. 119

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Assmann/Scbneider § 13 W p H G Rdn 69. So Burgard Z H R 162 (1998), 51, 95; Cohn Z H R 162 (1998), 1, 2 3 ff; Happ/Semler ZGR 1998, 116, 130 f, 141; Hopt Z H R 159 (1995), 135, 152; Wittich AG 1997, 1, 3 Ii Sp; BAWe, W M 2 0 0 0 , 438. Nach dieser Auffassung liegt eine publizitätspflichtige „Tatsache" iSv § 15 Abs 1 WpHG erst dann vor, wenn auch die Zustimmung des Aufsichtsrates erteilt ist. So Lutter FS ders S 363, 3 7 0 ff; Pananis W M 1997, 4 6 0 , 4 6 3 f; Gehrt S 125 ff, nach deren Auffassung § 15 Abs 1 WpHG insofern lex specialis ist. Assmann/Schneider/Kümpel § 15 WpHG Rdn 48 ff; ders AG 1997, 66, 68 f; zu einem

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ähnlichen Ergebnis gelangen auch Assmann W M 1996, 1337, 1341 („besonders hohe Eintrittswahrscheinlichkeit"); Kiem/Kotthoff DB 1995, 1999, 2 0 0 3 f. („wenn mit der Umsetzung des Vorstandsbeschlusses bei normalem Geschehensablauf gerechnet werden kann") und Schander/Lucas DB 1997, 2109, 2110; Wölk AG 1997, 73, 78 („überwiegende Wahrscheinlichkeit"). BAWe, W M 2 0 0 0 , 4 3 8 ; MünchKomm/ Oechsler 291. BAWe, W M 2 0 0 0 , 438. BAWe, W M 2 0 0 0 , 438; MünchKomm/ Oechsler 293. BAWe, W M 2 0 0 0 , 4 3 8 ; MünchKomm/ Oechsler 295.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

Entscheidet sich der Vorstand, von der Einziehungsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 6 Gebrauch zu machen, dann muss diese Entscheidung ebenfalls durch Ad-hoc-Mitteilung gem § 15 W p H G veröffentlicht werden 1 2 0 . Denn der Umstand, dass die Aktien auf Dauer dem Markt entzogen werden, kann den Börsenkurs erheblich beeinflussen.

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bb) Anforderungen der Verordnung 2273/2003/EG vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 3 . Weitere Anforderungen an die Durchführung des Riickerwerbs eigener Aktien ergeben sich aus der Verordnung 2273/2003/EG der Kommission vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 3 1 2 1 die im Zusammenspiel mit der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2 8 . 1 . 2 0 0 3 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) 1 2 2 zu sehen ist. Gem Art 8 der Richtlinie gelten das Insiderhandelsverbot und das Marktmissbrauchsverbot unter gewissen Voraussetzungen nicht für den Rückkauf eigener Aktien seitens der Gesellschaft (sog Safe Harbour-Regelung). 1 2 3 Die Anforderungen der „Safe Harbour"-Regelung werden näher ausgeführt in der Verordnung 2273/2003/EG. Dementsprechend stellt § 14 Abs 2 W p H G in Umsetzung des Art 8 der Richtlinie klar, dass es sich bei einem Rückkauf eigener Aktien nicht um ein Insidergeschäft handelt, und § 2 0 a Abs 3 W p H G stellt klar, dass es sich bei einem Rückkauf eigener Aktien nicht um eine Marktmanipulation handelt, soweit dieser Rückerwerb nach Maßgabe der Verordnung 2273/2003/EG erfolgt. Genügt die Durchführung des Erwerbs eigener Aktien den Anforderungen der Verordnung, so ist die Maßnahme jedenfalls rechtmäßig. Die Verbotstatbestände des W p H G sind dann unanwendbar. Greift die „Safe Harbour"-Regelung der § § 1 4 Abs 2, 2 0 a Abs 3 W p H G iVm V O 2273/2003/EG und Art 8 R L 2003/6/EG hingegen im Einzelfall nicht ein, so bedeutet dies nicht im Umkehrschluss, dass die Maßnahme als Insidergeschäft oder Marktmanipulation anzusehen ist. Vielmehr bedarf es dann noch der positiven Feststellung, ob die Maßnahme ein Insidergeschäft iSv § 14 Abs 1 W p H G oder eine Marktmanipulation iSv § 2 0 a Abs 1 W p H G darstellt. 1 2 4

49

Der Emittent kommt nur in den Genuss der Safe Harbour-Regelung, wenn der Rückkauf einem der drei von Art 3 genannten Zwecke - Kapitalherabsetzung, Bedienung von Bezugsrechten aus Schuldtiteln und Einrichtung eines Belegschaftsaktienprogramms dient, wenn der Emittent die Bekanntgabepflichten des Art 4 Abs 2 - 4 VO 2273/2003/EG erfüllt und wenn er beim Kauf der Aktien die Handelsbedingungen des Art 5 der Verordnung beachtet:

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Artikel 3 Zweck von Rückkaufprogrammen Um in den Genuss der in Artikel 8 der Richtlinie 2003/6/EG vorgesehenen Freistellung zu kommen, muss ein Rückkaufprogramm den Artikeln 4, 5 und 6 entsprechen und einzig und allein dem Zweck dienen, das Kapital eines Emittenten (in Wert oder Zahl der Aktien) herabzusetzen oder die aus einem der folgenden Titel resultierenden Verpflichtungen zu erfüllen: a) Schuldtitel, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können; b) Belegschaftsaktienprogramme und andere Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter des Emittenten oder einer Tochtergesellschaft.

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So MünchKomm/Oec/js/er 293, anders aber offenbar bei Rdn 241. Abi L 336/33. Abi L 96/16. Näher zu der „Safe Harbour"-Regelung Geber/zur Megede BB 2005, 1861 ff;

124

Leppert/Stürwald ZBB 2004, 302, 304 ff; Singhof/Weber AG 2005, 549, 554 ff. Geber/zur Megede BB 2005, 1861, 1862; Leppert/Stürwald ZBB 2004, 302, 306 Ii Sp; Singhof/Weber AG 2005, 549, 555.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Artikel 4 Bedingungen für Rückkaufprogramme und deren Bekanntgabe (1) Das Rückkaufprogramm muss die in Artikel 19 Abs 1 der Richtlinie 77/91/EWG festgelegten Bedingungen erfüllen. (2) Vor Beginn des Handels sind in den Mitgliedstaaten, in denen der Emittent einen Antrag auf Zulassung seiner Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt gestellt hat, alle Einzelheiten des nach Artikel 19 Abs 1 der Richtlinie 77/91/EWG genehmigten Programms angemessen bekannt zu geben. Hierbei sind der Zweck des Programms gem Artikel 3, der maximale Kaufpreis, die maximal zu erwerbende Aktienstückzahl und der Zeitraum, für den das Programm genehmigt wurde, zu nennen. Nachträgliche Änderungen des Programms sind in den Mitgliedstaaten angemessen bekannt zu geben. (3) Der Emittent muss über Mechanismen verfügen, die gewährleisten, dass er seinen Meldepflichten gegenüber der für den geregelten Markt, auf dem seine Aktien zum Handel zugelassen wurden, zuständigen Behörde nachkommt. Diese Mechanismen müssen die Erfassung aller mit Rückkaufprogrammen zusammenhängenden Transaktionen, einschließlich der in Artikel 20 Abs 1 der Richtlinie 93/22/EWG genannten Informationen gewährleisten. (4) Der Emittent muss für alle Transaktionen spätestens am Ende des siebten Handelstages nach deren Ausführung die in Abs 3 genannten Informationen bekannt geben. Artikel 5 Handelsbedingungen (1) Was die Kurse betrifft, so darf der Emittent, wenn er Geschäfte im Rahmen eines Rückkaufprogramms tätigt, Aktien nicht zu einem Kurs erwerben, der über dem des letzten unabhängig getätigten Abschlusses oder (sollte dieser höher sein) über dem des derzeit höchsten unabhängigen Angebots auf den Handelsplätzen, auf denen der Kauf stattfindet, liegt. Ist der Handelsplatz kein geregelter Markt, so ist der im Rahmen des letzten unabhängigen Abschlusses erzielte Kurs oder das derzeit höchste unabhängige Angebot auf dem geregelten Markt des Mitgliedstaats, in dem der Kauf stattfindet, als Referenzkurs zu berücksichtigen. Wickelt der Emittent den Kauf eigener Aktien über derivative Finanzinstrumente ab, so sollte der Basispreis dieser derivativen Finanzinstrumente nicht über dem Kurs des letzten unabhängigen Abschlusses oder (sollte dieser höher sein) über dem Kurs des derzeit höchsten unabhängigen Angebots liegen. (2) Was die Menge betrifft, so darf der Emittent an einem Tag nicht mehr als 25 % des durchschnittlichen täglichen Aktienumsatzes auf dem geregelten Markt, auf dem der Kauf erfolgt, erwerben. Dieser ist aus dem durchschnittlichen täglichen Handelsvolumen im Monat vor Veröffentlichung des Programms abzuleiten und für die genehmigte Dauer des Programms festzulegen. Wird im Programm nicht auf diesen Wert Bezug genommen, so ist der durchschnittliche Tagesumsatz vom durchschnittlichen täglichen Handelsvolumen der 20 Börsentage vor dem Kauftermin abzuleiten. (3) Bei außerordentlich niedriger Liquidität auf dem relevanten Markt kann der Emittent die in Abs 2 genannte 25 %-Schwelle überschreiten, wenn dabei die folgenden Bedingungen erfüllt sind: a) er teilt der für den relevanten Markt zuständigen Behörde vorab seine Absicht mit, den Schwellenwert von 25 % zu überschreiten; b) er gibt in angemessener Weise bekannt, dass er unter Umständen vom Schwellenwert von 25 % abweichen wird; c) ergeht nicht über 50 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes hinaus. Art 4 Abs 2 VO 2273/2003/EG fordert also wie die Ad-hoc Publizitätspflicht gern § 15 Abs 1 WpHG die vorherige Bekanntgabe des geplanten Rückkaufs, so dass es zum Teil zu Überschneidungen mit dem bereits vorhandenen kapitalmarktrechtlichen Instrumentarium kommt. Allerdings stellt die Verordnung höhere Anforderungen an den Inhalt der Bekanntgabe als § 15 Abs 1 WpHG. So sind gem Art 4 Abs 2 VO 2273/2003/EG der Zweck des Rückkaufprogramms, der maximale Kaufpreis, die maximal zu erwerbende Aktienstückzahl und der Zeitraum, für den das Programm genehmigt wurde, zu nennen.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

In Art 5 wird ferner detailliert geregelt, zu welchem Kurs und in welchem U m f a n g der R ü c k k a u f m a x i m a l stattfinden darf. U m die Anforderungen der Safe H a r b o u r - R e g e l u n g zu erfüllen, darf der Kaufpreis nicht den Kurs des letzten unabhängig getätigten Abschlusses oder - sollte dieser höher sein - des derzeit höchsten unabhängigen Angebots auf den Handelsplätzen übersteigen (Art 5 Abs 1 R L ) . Unabhängig von diesen Anforderungen unterliegt der Kaufpreis jedoch auch den Grenzen des § 5 7 ; diese N o r m sieht andere Anforderungen und für den Fall des Zuwiderhandelns andere Rechtsfolgen vor (näher R d n 5 6 f). cc) Beteiligungspublizität ( § § 21, 2 5 W p H G ) . Führt ein E r w e r b oder eine Veräußerung eigener Aktien einer börsennotierten Gesellschaft dazu, dass 5 oder 10 Prozent der Stimmrechte erreicht, überschritten oder unterschritten werden, so hat die Gesellschaft dies gem § 2 5 Abs 1 S 3 (iVm § 2 1 Abs 1) W p H G innerhalb von neun Tagen zu veröffentlichen und gem § 2 5 Abs 3 S 1 der BaFin einen Beleg über die Veröffentlichung zu ü b e r s e n d e n . 1 2 5 Die Schwellenwerte des § 2 1 Abs 1 (iVm § 2 5 Abs 1 S 3) W p H G k ö n n e n von der Gesellschaft überschritten werden, o b w o h l ihr aus eigenen Aktien gem § 7 1 b keine Stimmrechte zustehen. Denn § 2 5 Abs 1 S 3 W p H G ordnet die Anwendung der Schwellenwerte des § 2 1 Abs 1 W p H G ausdrücklich a n . 1 2 6 Eine gesonderte vorherige Mitteilung des Erwerbs eigener Aktien an die BaFin gem § 2 1 Abs 1 W p H G ist wegen der abschließenden Regelung in § 2 5 Abs 1 S 3 W p H G nicht e r f o r d e r l i c h . 1 2 7

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Z w a r hat der E r w e r b eigener Aktien wegen § 7 1 b zur Folge, dass sich der Stimmrechtsanteil der Aktionäre vergrößert. D e r Gesetzgeber hat jedoch in der Begründung des K o n T r a G ausgeführt, dass sich durch den E r w e r b eigener Aktien die Stimmrechtsanteile der übrigen A k t i o n ä r e gerade mit R ü c k s i c h t auf die Bestimmung des § 2 1 W p H G nicht verändern sollen, solang keine Einziehung der Aktien s t a t t f i n d e t . 1 2 8 Dies ist umstritten, wird jedoch von der herrschenden Auffassung damit gerechtfertigt, dass der einzelne A k t i o n ä r ansonsten in regelmäßigen Abständen nachfragen müsste, o b die Gesellschaft eigene Aktien e r w o r b e n hat oder n i c h t . 1 2 9

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dd) Veröffentlichungspflicht gem § 10 W p Ü G . Sofern der E r w e r b eigener Aktien im Wege eines öffentlichen A n g e b o t s durchgeführt wird, richtet sich diese Veröffentlichung nach § 10 A b s 1 i V m Abs 3 W p Ü G (näher R d n 138).

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ee) Nachträgliche Unterrichtung der Hauptversammlung. N a c h der Durchführung des E r w e r b s eigener Aktien ist dies in den Fällen des § 71 Abs 1 N r 1 und N r 8 der nächsten H a u p t v e r s a m m l u n g gem § 71 A b s 3 S 1 zu berichten (näher R d n 3 4 7 ) . Ferner muss der E r w e r b eigener Aktien in allen Fällen des § 71 Abs 1 N r 1 - 8 im Anhang der Bilanz und gem § § 4 0 B ö r s G , 5 5 S 5 B ö r s Z u l V i V m § 1 6 0 Abs 1 N r 2 im Zwischenbericht aufgeführt werden (näher R d n 3 5 0 ) .

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c) H ö h e des Kaufpreises. I m R a h m e n eines gem § 71 Abs 1 N r 1 - 8 erlaubten R ü c k kaufs eigener Aktien durch die Gesellschaft darf nur ein marktüblicher Kaufpreis gezahlt w e r d e n . 1 3 0 G e m § 5 7 A b s 1 S 2 liegt zwar ausnahmsweise kein Fall der Einlagenrück-

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126 127 128

(65)

Näher dazu BAWe, WM 2000, 438; Benckendorff S 292; Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 28; Assmann/ Schneider § 21 WpHG Rdn 5 ff. Assmann/Schneider § 25 WpHG Rdn 7. BT-Drucks 13/9712, S 30. BT-Drucks 13/9712, S 30; BAWe, WM

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2000, 438; MünchKomm/Oecfo/er 296; Assmann/Schneider § 21 WpHG Rdn 34. Assmann/Schneider § 21 WpHG Rdn 34 mwN. MünchKomm/Bayer § 57 AktG Rdn 117; vgl dazu auch Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 9; Hüffer § 5 7 AktG Rdn 12, 20;

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

gewähr vor, wenn der Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 erlaubt ist. Allerdings sind in § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 nur verschiedene Erwerbszwecke geregelt, eine Regelung hinsichtlich der Preisgestaltung enthält § 71 nicht 1 3 1 . § 5 7 Abs 1 S 1 könnte umgangen werden, wenn in den Fällen, in denen einer der Erlaubnistatbestände erfüllt ist, in beliebiger Höhe ausgeschüttet werden dürfte. Daher ist § 71 Abs 1 nur in Bezug auf den Erwerbszweck als abschließende Regelung aufzufassen. Im Übrigen verbleibt es für die Höhe des Erwerbspreises bei der Anwendung der Regelung des § 5 7 Abs 1 S 1. 57

Umstritten ist, ob bei Zahlung eines überhöhten Kaufpreises der Kaufvertrag gem § 134 BGB iVm § 5 7 Abs 1 S 1 nichtig ist und damit der gesamte Kaufpreis gem § 6 2 Abs 1 S 1 (näher dazu Rdn 385 zurückgefordert werden kann 1 3 2 oder ob es sich nur in Höhe der über dem Marktpreis ausgezahlten Differenz um eine unzulässige, verdeckte Vermögenszuwendung an den veräußernden Aktionär handelt, die er zurückzugewähren hat. 1 3 3 Zwar handelt es sich bei § 5 7 Abs 1 S 1 grundsätzlich um ein Verbotsgesetz iSv § 134 BGB, mit dem die Vermögenszuwendung als solche verboten wird. 1 3 4 Im Falle des § 5 7 Abs 1 S 2 iVm § 71 Abs 1 ist die Zuwendung jedoch ausnahmsweise erlaubt. Nur hinsichtlich der Höhe der Zuwendung bleibt § 5 7 Abs 1 S 1 von Bedeutung. Daher wird nur in Höhe des Differenzbetrages gegen § 5 7 Abs 1 S 1 verstoßen und nur dieser Betrag ist zurückzugewähren. In steuerrechtlicher Hinsicht liegt in diesem Umfang eine verdeckte Gewinnausschüttung vor (näher Rdn 399).

58

aa) Erwerb über die Börse. Besteht ein Marktpreis, so ist grundsätzlich dieser als Kriterium für die Beurteilung der Angemessenheit des Preises maßgeblich. 1 3 5 Der Erwerb über die Börse zum Börsenpreis verstößt mithin eindeutig nicht gegen § 5 7 Abs 1 S 1.

59

bb) Öffentliches Rückkaufangebot. Fraglich ist, inwieweit ein den Börsenkurs übersteigender Kaufpreis als üblicher Marktpreis angesehen werden kann. Aus § 71 Abs 1 Nr 7 S 2 und § 71 Abs 1 Nr 8 S 1, wonach in einem Ermächtigungsbeschluss der niedrigste und höchste Gegenwert festzulegen ist, ergibt sich, dass der Gesetzgeber für den zulässigen Preis offenbar von einer gewissen Spanne ausgeht. Bei allen drei Formen des öffentlichen Rückkaufsangebotes - dem Festpreis - dem Preisspannenangebot und bei der Emission übertragbarer Verkaufsoptionen - wird regelmäßig ein Kaufpreis erzielt, der eine Prämie für den Verkauf der Aktie enthält und daher über dem Börsenpreis liegt (näher Rdn 32 ff). Wäre der Börsenkurs auch in diesem Zusammenhang das maßgebliche Kriterium, so wäre immer ein Verstoß gegen § 5 7 Abs 1 S 1 anzunehmen. Dagegen spricht jedoch, dass der Börsenpreis das Produkt des Preisbildungsmechanismusses auf einem anonymen Markt ist. 1 3 6 Demgegenüber tritt die Gesellschaft bei einem öffentlichen Rückkaufangebot nicht anonym auf. Hinzu kommt, dass sie offen legt, Aktien in einem bestimmten, nicht unerheblichen Umfang kaufen zu wollen. Um diese Anzahl von Aktien erwerben zu können, muss die Gesellschaft den Aktionären eine Prämie zahlen, denn sonst könnten verkaufsbereite Aktionäre genausogut an der Börse verkaufen. Auch sonst ist es üblich, beim Erwerb eines Aktienpaketes einen Paketzuschlag zu zahlen.

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KYJLutter § 57 AktG Rdn 33, 47; MünchKomm/Oechsler 64; Schiaus AG 1988, 113, 116. Hüffer § 57 AktG Rdn 20; Martens AG 1988, 118, 121; MünchKomm/Oecfe/er 64. Hüffer § 62 AktG Rdn 9; KK/Lutter § 57 Rdn 63; Raiser Kapitalgesellschaften, S 219. MiinchKomm/ßayer § 57 AktG Rdn 117; Benckendorff S 240 f; Joost ZHR 149

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(1985), 419, 443; MünchKomm/Oecfcsfer 64; Κ Schmidt Gesellschaftsrecht, § 29 II 2b. MünchKomm/Bayer § 57 AktG Rdn 137; Hüffer § 57 AktG Rdn 23; KKJLutter § 57 AktG Rdn 62. Hüffer § 57 AktG Rdn 9; KK/Lutter § 57 AktG Rdn 17. Dazu und zum Folgenden Benckendorff S 237 f.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Der Preis für eine Aktie bildet sich im Rahmen eines solchen öffentlichen Rückkaufangebotes wie folgt: Der Börsenkurs stellt die Untergrenze dar. Die Höhe der Prämie hängt von einer Reihe von Faktoren ab, so zB von der Anzahl der Aktien, die zurückerworben werden sollen, vom Zeitraum für den Rückerwerb und von den Erwartungen der Aktionäre hinsichtlich der zukünftigen Kursentwicklung, die in Form der Prämie entschädigt werden. Dieser besondere Preisbildungsmechanismus rechtfertigt die Annahme, dass der Erwerbspreis sich bei einem öffentlichen Rückkaufangebot auf einem von der Börse zu unterscheidenden eigenständigen M a r k t bildet. 1 3 7 Der maßgebliche Marktpreis bildet die Summe von Börsenpreis und Prämie. 1 3 8 Für dieses Ergebnis spricht ferner, dass der Gesellschaft neben dem Erwerb über die Börse weitere Rückkaufsmöglichkeiten eröffnet werden sollten, damit sie von der in § 71 Abs 1 eingeräumten Möglichkeit, eigene Aktien zu erwerben, effektiv Gebrauch machen kann. Folgerichtig vertritt das Bundesfinanzministerium die Ansicht, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung gem § 8 Abs 3 S 2 KStG nicht vorliegt, wenn entweder die Aktien über die Börse oder im Tenderverfahren erworben werden und dabei ein über dem Börsenpreis liegender Kaufpreis gezahlt wird (näher Rdn 3 9 9 ) . 1 3 9 Wie bereits dargelegt, kann sich bei der Zahlung einer Prämie die Frage stellen, ob die Grenze zur unzulässigen Einlagenrückgewähr iSv § 5 7 Abs 1 S 1 überschritten wird. Beim Preisspannenangebot (Dutch Auction Tender Offer) ist dies am einfachsten festzustellen, weil die Höhe der Prämie durch den Marktmechanismus auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage ermittelt wird (näher Rdn 34). Ist die Gesellschaft in der Lage, mit einer Prämie, die innerhalb der Preisspanne liegt, die von ihr gewünschte Anzahl an Aktien zu erwerben, so ist dies zugleich der zulässige Marktpreis. 1 4 0 Entscheiden sich nicht genügend Aktionäre, ihre Aktien für eine Prämie innerhalb der Preisspanne zu veräußern, und führt die Gesellschaft den Rückkauf dennoch durch, indem sie von der ursprünglich geplanten Gesamtmenge abrückt und indem sie die Prämie bezahlt, die an der Obergrenze der Preisspanne liegt, so ist diese Prämie ebenfalls zulässig. Denn um die eigentlich gewünschte Anzahl von Aktien zu erwerben, hätte der Markt eine noch höhere Prämie verlangt. Wenn demgegenüber die Preisspanne zu hoch gewählt wurde und mehr Aktionäre bereits für eine Prämie, die der Untergrenze der Preisspanne entspricht, verkaufen wollen, so würde ein Rückkauf der Aktien zu diesem Preis gegen § 5 7 Abs 1 S 1 verstoßen und muss daher unterbleiben. Denn der Markt hätte der Gesellschaft die von ihr gewünschte Anzahl an Aktien bereits bei einer geringeren Prämie angeboten. Es muss dann ein erneutes öffentliches Rückkaufangebot von der Gesellschaft mit einer niedrigeren Preisspanne unterbreitet werden.

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Im Unterschied dazu wird bei einem Festangebot (Fixed Price Tender Offer) die tatsächlich für den Erwerb einer gewissen Anzahl von Aktien erforderliche Prämie nicht durch den Marktmechanismus bestimmt, sondern von der Gesellschaft selbst festgelegt. Kommt es zu einer Uberzeichnung des Angebotes, so liegt die Vermutung nahe, dass eine niedrigere Prämie auch ausreichend gewesen wäre, um die gewünschte Anzahl an Aktien zurückkaufen zu können. O b diese Vermutung indes tatsächlich zutrifft, lässt sich nicht ohne weiteres feststellen. Bei einer geringfügigen Überzeichnung etwa in der Größenordnung von nicht mehr als 5 % wird man den Erwerbspreis noch als Marktpreis ansehen können. Liegt der Wert darüber, darf das Rückkaufangebot nicht durchgeführt werden.

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Benckendorff Aktien").

S 2 3 8 ( „ M a r k t für eigene

Benckendorff ler 65.

S 2 3 8 ; MünchKomm/Oecfcs-

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B M F DStR 1 9 9 8 , 2 0 1 1 , 2 0 1 2 Tz 17. So im Ergebnis Benckendorff S 2 3 8 ; in diese Richtung auch Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 9.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Da es im Unterschied zum Preisspannenangebot aufgrund des fixen Preises häufiger zu einer Überzeichnung kommen wird, ist das Festangebot eher mit dem Risiko verbunden, dass es gegen § 5 7 Abs 1 S 1 verstößt. Daher ist das Preisspannenangebot in der Praxis vorzugswürdig. 62

Im Rahmen der Emission übertragbarer Verkaufsoptionen (Transferable Put Rights) wird - wie beim Festpreisangebot - ebenfalls ein Kaufpreis für die Aktien vorher festgelegt. Da bei der Emission übertragbarer Verkaufsoptionen eine Überzeichnung ausgeschlossen ist (näher Rdn 38), fehlt ein wichtiger Indikator, um die Zulässigkeit der Höhe des Erwerbspreises zu ermitteln. Es bliebe dann für die Prüfung nach § 5 7 Abs 1 S 1 nur der Weg über ein Bewertungsgutachten. Die damit verbundene Unsicherheit ließe sich vermeiden, wenn ein fester Grenzwert angenommen werden könnte. Während das LG Berlin eine Abweichung von 10 % gegenüber dem Börsenpreis für zulässig gehalten hat, 1 4 1 wird im Schrifttum teilweise eine Prämie von bis zu 3 0 % des Börsenpreises grundsätzlich als zulässig angesehen. 1 4 2 Die Prämie hängt jedoch von vielen individuellen Faktoren ab, insbesondere vom Umfang, in dem die Gesellschaft Aktien zurück erwerben möchte, ferner von der jeweils zu erwartenden Kursentwicklung. Die jeweils angemessenen Prämien werden daher so stark divergieren, dass ein pauschaler Grenzwert nicht oder zumindest nicht ausschließlich maßgeblich sein kann. 1 4 3 Vielmehr kann ein Grenzwert allenfalls - wie beim Festangebot - in Zusammenhang mit einer etwaigen Überzeichnung als Indikator sinnvoll sein. Es ergeben sich also vergleichbare Schwierigkeiten wie beim Festangebot.

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cc) Kaufvertrag mit einzelnen Aktionären. Schließt die Gesellschaft im Wege direkter Verhandlungen mit einzelnen Aktionären einen Kaufvertrag über deren Aktienpaket ab (Negotiated Repurchase), so hat sie regelmäßig einen Paketzuschlag zu entrichten. Diese Erwerbsmethode erspart Zeit und Kosten gegenüber dem Erwerb über die Börse und den öffentlichen Rückkaufangeboten, so dass der vom Markt verlangte Aufpreis nicht per se als unzulässige Rückgewähr von Einlagen iSv § 5 7 Abs 1 S 1 anzusehen ist 1 4 4 . Es muss vielmehr im Einzelfall festgestellt werden, ob dieser Aufpreis eine angemessene Gegenleistung für die genannten wirtschaftlichen Vorteile darstellt. Dies ist mit den gleichen Schwierigkeiten behaftet wie die Beurteilung des Kaufpreises bei der Emission übertragbarer Verkaufsoptionen (näher Rdn 39). Eine Prämie von bis zu 5 % des Börsenkurses wird man regelmäßig als angemessen, eine Prämie von mehr als 10 % des Börsenkurses regelmäßig als unangemessen einstufen können. 1 4 5 In der Praxis wählt man als maximalen Kaufpreis je Aktie üblicherweise einen Wert von zehn Prozent über dem Durchschnittskurs der letzten fünf Handelstage.

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Ein weiteres Problem des Rückkaufs durch Paketerwerb resultiert daraus, dass nur ein Aktionär oder einige wenige Aktionäre diesen Aufschlag auf den Börsenpreis erhalten, während bei den anderen Rückkaufsmethoden alle Aktionäre die Möglichkeit haben, ihre Aktien zu den von der Gesellschaft angebotenen Konditionen zu verkaufen. Auch hier stellt sich die Frage, ob und inwieweit der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 5 3 a , § 71 Abs 1 Nr 8 S. 3) die Gewährung eines Paketzuschlags an einzelne Aktionäre zulässt (näher Rdn 6 6 ff).

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LG Berlin DB 2 0 0 0 , 7 6 5 zu einem aufgrund von § 71 Abs 1 N r 8 durchgeführten Aktienoptionsprogramm.

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Benckendorff S 2 3 8 ; DAI (Hrsg.), Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, 1999, S 12; M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 177.

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M ü n c h K o m m / O e c W e r 178. Benckendorff S 2 3 8 f; Bosse N Z G 2 0 0 0 , 16, 18; Martens AG 1 9 9 6 , 337, 3 4 4 ; MünchKomm/Oechsler 66. Bosse N Z G 2 0 0 0 , 16, 18.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Eine unzulässige R ü c k g e w ä h r von Einlagen iSv § 5 7 Abs 1 S 1 ist ferner d e n k b a r , wenn die Anteile eines opponierenden A k t i o n ä r s zum Schutz der Gesellschaft abgekauft werden. Es kann in Ausnahmefällen gem § 7 1 Abs 1 N r 1 erlaubt sein, die Aktien eines Aktionärs, der eine Anfechtungsklage nur erhebt, um eine Geldzahlung zu erpressen, abzukaufen ( A b k a u f von Anfechtungsklagen; näher R d n 1 7 3 ) . D e r A k t i o n ä r lässt sich dabei regelmäßig von der Gesellschaft durch einen Aufschlag auf den Börsenpreis vergüten, dass er die der Gesellschaft lästige Anfechtungsklage zurücknimmt. Z w a r hat diese Klage einen Lästigkeitswert, der möglicherweise mit einem Geldbetrag bewertet werden k a n n . Ein solches Verhalten k a n n jedoch als Erpressung (§ 2 5 3 S t G B ) oder zumindest als Verletzung der aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnis bestehenden Treuepflicht anzusehen sein (näher R d n 175). Denn der Aktionär „verkauft" einen rechtswidrigen Vorteil, der im R a h m e n der Bemessung des M a r k t p r e i s e s seiner Anteile keine Berücksichtigung finden kann. Somit ist in diesen Fällen jeder Kaufpreis, der den Börsenpreis übersteigt, als eine verbotene Einlagenrückgewähr iSv § 5 7 A b s 1 S 1 a n z u s e h e n . 1 4 6

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d) Gleichbehandlung (§§ 5 3 a , 71 Abs 1 N r 8 S 3 ) . Bei der Durchführung des Erwerbs und der Veräußerung eigener Aktien müssen sich die Organe der Gesellschaft ferner gem § 5 3 a grundsätzlich strikt neutral verhalten und allen Aktionären die gleichen Chancen einräumen, Anteile zu veräußern oder zu erwerben. Ein Verstoß gegen das G e b o t der Gleichbehandlung setzt neben der eigentlichen Ungleichbehandlung Zweierlei voraus: Für die Ungleichbehandlung darf kein sachlicher Grund bestehen und die Ungleichbehandlung darf weder in der Satzung in zulässiger Weise gestattet sein noch dürfen die Betroffenen ihr zugestimmt h a b e n . 1 4 7 In § 71 Abs 1 N r 8 S 3 wird für den durch das K o n T r a G im J a h r e 1 9 9 8 neu ins Gesetz aufgenommenen Ausnahmetatbestand geregelt, dass § 5 3 a auf Erwerb und Veräußerung anzuwenden ist. Die Regelung hat nur klarstellenden C h a r a k t e r . 1 4 8 Aus der Regelung kann weder der Umkehrschluss gezogen werden, dass das Gleichbehandlungsgebot für die anderen Erwerbsgründe des § 71 Abs 1 keine Anwendung f i n d e t , 1 4 9 noch kann aus ihr gefolgert werden, dass andere nicht in § 71 Abs 1 N r 8 S 3 erwähnte Grundsätze - wie zB die Beschränkung der Aktionäre bei der Ausübung ihrer Stimmrechte durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (näher R d n 2 5 5 ff) - mangels ausdrücklicher Erwähnung im Gesetz keine Geltung beanspruchen. 1 5 0 D a die Vorschrift des § 71 Abs 1 N r 8 S 3 mithin nur Selbstverständliches regelt, ist sie entbehrlich (siehe auch R d n 2 7 9 ) . 1 5 1

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Z u n ä c h s t dient § 5 3 a dem Schutz der A k t i o n ä r e vor Ungleichbehandlungen. Eine Ungleichbehandlung kann einerseits darin bestehen, dass in einer kritischen Unternehmenssituation nur einzelne A k t i o n ä r e aus dem mitgliedschaftlichen R i s i k o des Einlageverlusts entlassen w e r d e n . 1 5 2 Andererseits besteht die Gefahr, dass einzelnen Aktionären zu erwartende Gewinne entgehen, wenn sie durch einen R ü c k e r w e r b ihrer Aktien seitens der Gesellschaft von der weiteren Gewinnentwicklung ausgeschlossen w e r d e n . 1 5 3 Darüber

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MünchKomm/Oecbsler 67, 119; Schiaus AG 1988, 113, 116. Bosse NZG 2000, 16, 17; KK/Lutter § 53a Rdn 8. BT-Drucks 13/9712, S 13 re Sp; BenckendorffS 245; Hüffer 19j. BT-Drucks 13/9712, S 13; MünchKomm/ Bungeroth § 53a AktG Rdn 8; KK/Lutter § 53a Rdn 65; KKJLutter 15. Martens AG August-Sonderheft 1997, 83, 85; MünchKomm/Oecfcs/er 198.

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Hüffer 19j; Martens AG August-Sonderheft 1997, 83, 85. Kropff Begr RegE, S 90; Bosse NZG 2000, 16, 17; Escher-Weingart/Kübler ZHR 162 (1998), 537, 539; Huber FS Duden, S 139 f; KKJLutter 10 u 15; MiinchKomm/Ocfcs/er 198; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1. MünchKomm/Oecfcs/er 198.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

hinaus wird auch die Gesellschaft davor geschützt, dass der Vorstand willkürlich und zu seinen Gunsten Einfluss auf die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft nimmt. 154 So könnte der Vorstand etwa versuchen, die Anteile derjenigen Aktionäre zu kaufen, die gegen seine Entlastung (§ 120) auf der Hauptversammlung stimmen werden. aa) Gleichbehandlung beim Erwerb 68

(1) Erwerb über die Börse. Sofern die Aktien an der Börse zurück erworben oder veräußert werden, ist die Gleichbehandlung der Aktionäre sichergestellt.155 Dies wird wiederum für den Erwerbsgrund des § 71 Abs 1 Nr 8 ausdrücklich in § 71 Abs 1 Nr 8 S 4 festgelegt. Die Gleichbehandlung der Aktionäre kann auch auf anderem Wege sichergestellt werden, da § 71 Abs 1 Nr 8 S 4 nicht von abschließender Natur ist (näher zum Erwerb über die Börse Rdn 29 ff und Rdn 2 8 0 ff). Ein Andienungsrecht wie im Falle eines öffentlichen Rückkaufangebotes besteht in diesem Zusammenhang nicht, denn § 71 Abs 1 Nr 8 S 4 ist die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass ein (anonymer) Erwerb über die Börse den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt (dazu auch Rdn 2 8 0 ff).

69

(2) Öffentliche Rückkaufangebote und Andienungsrecht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz muss auch dann gewahrt werden, wenn ein öffentliches Rückkaufangebot - in der Form eines Festangebotes, eines Preisspannenangebotes oder von Verkaufsoptionen (näher Rdn 29 ff) - abgegeben wird. Der Regierungsentwurf zum KonTraG begründet dies wie folgt: „In Betracht kommt auch eine öffentliche Offerte (Tender-Verfahren). Dabei sind Festpreisangebote, aber auch Preisspannen-Angebote denkbar. Der Rückkauf ist nicht auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt [...]. Bei geschlossenen Aktiengesellschaften (kleine AG) bietet die Verwaltung den Rückerwerb allen Aktionären an und teilt bei Überangebot bzw -nachfrage nach Quoten z u . " 1 5 6 Erwirbt oder veräußert eine börsennotierte Gesellschaft ihre Aktien nicht über die Börse, so hat sie diesen Anforderungen ebenfalls zu genügen. 157 Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz steht jedem Aktionär - in Umkehrung des bei einer Kapitalerhöhung bestehenden Bezugsrechts (§§ 186, 221 Abs 4) - ein Recht zu, an den öffentlichen Aktienrückkäufen pro rata seiner Beteiligungsquote teilzunehmen (sog „Andienungsrecht"). 158 Dies gilt nicht in den Fällen des Erwerbs über die Börse (näher Rdn 30). Indem jedem Aktionär ein solches Andienungsrecht zugestanden wird, ist - wie im Falle des Bezugsrechts - ausgeschlossen, dass Wertetransfers an einzelne Aktionäre erfolgen, die den Wert der Aktien der verbleibenden Aktionäre aushöhlen. 159 Ebenso wird ausgeschlossen, dass der Vorstand Einfluss auf die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft nehmen kann. Dieses Andienungsrecht entsteht mit dem Beschluss des Vorstands, Aktien aufgrund eines der Ausnahmetatbestände zurückzukaufen. 160 Nach seiner Wahl kann der Aktionär entweder selbst von dem Andienungsrecht Gebrauch machen oder es - wie ein Bezugsrecht auch 1 6 1 - am Markt verkaufen und gem §§ 413, 398 BGB an den Käufer übertragen. 162 Auf diese Weise kann

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MünchKomm/Oktaler 198. Berrar/Schnorbus ZGR 2 0 0 3 , 59, 64; KKJLutter 15; KKJLutter § 53a AktG Rdn 65; Martens AG 1996, 337, 339; MünchKomm/Oecta/er 14 und 213. BT-Drucks 13/9712, S 13 f. Hüffer 19k; MünchKomm/Oecfcs/er 200; Paefgen AG 1999, 67, 68. Näher dazu Habersack ZIP 2 0 0 4 , 1121 ff; vgl auch Hüffer 19k; MiinchKomm/Oecfcs-

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ler 200; Paefgen AG 1999, 67, 68; ders ZIP 2 0 0 2 , 1509, 1510 f. Paefgen AG 1999, 67, 68; ders ZIP 2 0 0 2 , 1509, 1511. MünchKomm/Oechsler 2 0 0 . Hüffer $ 186 Rdn 7; MünchKomm/Pea/er § 186 Rdn 23. Hüffer 19k; MünchKomm/Oecfcs/er 200; Paefgen AG 1999, 67, 69 Ii Sp.

Stand: 1.11.2007

(70)

Erwerb eigener Aktien

§71

er den Wert des Andienungsrechtes realisieren und damit von der R ü c k k a u f a k t i o n profitieren, o h n e aus der Gesellschaft auszuscheiden. In der Praxis ist es ratsam, für die Ausübung des Andienungsrechtes - wie bei einem Bezugsrecht - zu verlangen, dass der Gesellschaft ein Dividendenschein vorgelegt wird (Legitimationsfunktion). 1 6 3 D a in einem solchen Falle der Dividendenschein von der überwiegenden Auffassung nicht nur als Legitimationspapier, sondern als Wertpapier angesehen wird, folgt das R e c h t , die Aktie zu verkaufen, dem R e c h t a m Papier. D a h e r ist der Dividendenschein selbst gem § § 9 2 9 ff B G B zu ü b e r t r a g e n . 1 6 4 Indem die Gesellschaft ihren Aktionären übertragbare Verkaufsrechte (Transferable Put Rights, näher R d n 3 7 ) , einräumt, genügt sie jedenfalls den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots und des aus ihm abgeleiteten Andienungsrechts. In diesem Falle wird von der Gesellschaft bewusst ein M a r k t für den Verkauf des Andienungsrechts geschaffen. Eine von der Gesellschaft begebene Verkaufsoption unterfällt nicht § 7 1 A b s 1 ( „ E r w e r b " ) , sondern § 71 A b s 4 S 2 (näher R d n 3 6 1 ff).

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R ä u m t die Gesellschaft einem N i c h t a k t i o n ä r - zB einem Finanzdienstleister - eine Verkaufsoption ein, w o n a c h er Aktien, welche er noch erwerben wird, später an die Gesellschaft verkaufen darf, so liegt nach einer teilweise vertretenen Ansicht keine Ungleichbehandlung v o r . 1 6 5 D a der Begünstigte im Z e i t p u n k t des Optionsvertrages noch kein A k t i o n ä r sei, seien alle A k t i o n ä r e der Gesellschaft in gleicher Weise von dieser Regelung b e t r o f f e n . 1 6 6 D e m ist zu widersprechen, denn für die Beurteilung der Zulässigkeit des E r w e r b s eigener Aktien gem § 7 1 Abs 1 k o m m t es nicht auf den Z e i t p u n k t des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts, sondern auf den Z e i t p u n k t der D u r c h f ü h r u n g des dinglichen Rechtsgeschäfts an. Für das schuldrechtliche Rechtsgeschäfts im R a h m e n von § 71 Abs 4 S 2 k o m m t es hingegen auf den Z e i t p u n k t an, zu dem die Durchführung des E r w e r b s nach der Vorstellung der Parteien vorgesehen ist (näher R d n 3 6 3 ) . Von der Verkaufsoption k a n n der Begünstigte erst G e b r a u c h m a c h e n , nachdem er Aktien der Gesellschaft erworben hat, so dass sowohl der E r w e r b als auch das zugrunde liegende schuldrechtliche Rechtsgeschäft gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz v e r s t o ß e n . 1 6 7

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Bei dem Festpreisangebot (Fixed Price Tender Offer, näher R d n 3 2 ) hat jeder Aktionär die M ö g l i c h k e i t zur A n n a h m e . Sofern es zu einer Überzeichnung des Angebotes k o m m t , ist die Gesellschaft aufgrund des gem § 5 3 a bestehenden Andienungsrechts der Aktionäre verpflichtet, von jedem der verkaufswilligen Aktionäre Aktien abzunehmen (sog R e p a r tierung). J e d e r A k t i o n ä r darf dabei denjenigen Anteil des von der Gesellschaft geplanten R ü c k e r w e r b s v o l u m e n s ausschöpfen, welcher seiner Beteiligungsquote e n t s p r i c h t . 1 6 8 Ist beispielsweise ein A k t i o n ä r Α a m Grundkapital einer Gesellschaft von 1 0 0 . 0 0 0 E u r o mit 7 5 . 0 0 0 und der A k t i o n ä r Β mit 2 5 . 0 0 0 Aktien (Nennwert: 1 E u r o ) beteiligt und m ö c h t e die Gesellschaft 1 0 . 0 0 0 Aktien erwerben, so darf aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes des § 5 3 a der A k t i o n ä r A 7 . 5 0 0 und der A k t i o n ä r Β 2 . 5 0 0 Aktien an die Gesellschaft veräußern. Im Unterschied zur Emission übertragbarer Verkaufsrechte wird in diesem Fall zwar kein M a r k t für den Handel mit Andienungsrecht geschaffen. Die Aktionäre k ö n n e n aber d e n n o c h ihr Andienungsrecht verkaufen und gem § § 4 1 3 , 3 9 8 B G B übertragen (näher R d n 6 9 ) . D a n n hat der erwerbende A k t i o n ä r ein Andienungsrecht, das die H ö h e seiner Beteiligungsquote übersteigt, und er darf bei der Repartierung einen entsprechend höheren Anteil seiner Aktien an die Gesellschaft verkaufen.

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MünchKomm/Oechsler 200. Näher MünchKomm/Pei/er § 186 Rdn 23. Mick DB 1999, 1201, 1205. Mick DB 1999, 1201,1205.

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168

So im Ergebnis auch MünchKomm/Oecbsler 208. MünchKomm/Oecfcs/er 200.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

73

Z w a r k ö n n e n die § § 10 ff W p Ü G auf ein öffentliches R i i c k k a u f a n g e b o t grundsätzlich Anwendung finden (näher R d n 138). Die Vorschrift des § 19 W p Ü G , w o n a c h die Annahmeerklärungen verhältnismäßig zu berücksichtigen sind, wenn die Anzahl der Aktien der verkaufsbereiten A k t i o n ä r e die in einem Teilangebot genannte Anzahl übersteigt, wird hingegen nach zutreffender Ansicht v o m spezielleren aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 5 3 a ) v e r d r ä n g t . 1 6 9 D e r Unterschied der beiden Regelungen besteht darin, dass es bei § 5 3 a auf das Verhältnis der Annahmeerklärungen und bei § 19 W p Ü G auf das Verhältnis der Beteiligungsquoten a n k o m m t . Beide M e t h o d e n k o m m e n zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn einer der verkaufsbereiten A k t i o n ä r e nur einen Teil seiner Beteiligung verkaufen m ö c h t e . 1 7 0 Sofern sich in dem soeben ( R n 7 2 ) gebildeten Beispiel sowohl A k t i o n ä r Α als auch A k t i o n ä r Β entschließen, der Gesellschaft auf ihr E r w e r b s a n g e b o t hin 1 0 . 0 0 0 Aktien zum K a u f anzubieten, müsste die Gesellschaft gem § 19 W p Ü G von jedem der Aktionäre 5 . 0 0 0 Aktien erwerben. D e r aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und § 19 W p Ü G k ö n n e n nicht widerspruchsfrei kumulativ angewendet werden, so dass einer der beiden Regelungen der Vorrang eingeräumt werden muss. W ä h r e n d § § 10 ff W p Ü G das öffentliche A n g e b o t sowohl seitens eines außenstehenden Bieters als auch seitens der Gesellschaft erfasst, behandelt § 5 3 a i V m § 7 1 Abs 1 N r 8 S 3 den Sonderfall des Erwerbs durch die Gesellschaft. Für den Vorrang des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes spricht ferner, dass das Andienungsrecht auch wegen der Parallele zum Bezugsrecht gem § 1 8 6 anteilig entsprechend der jeweiligen Beteiligungsquote des Aktionärs zu berechnen ist. 1 7 1 Wegen der Vergleichbarkeit mit dem Bezugsrecht k a n n jedoch durch einen Beschluss der Hauptversammlung auf das Andienungsrecht verzichtet werden (näher R d n 6 9 ) und es k a n n folglich auch eine andere Verteilung - zB iSv § 19 W p Ü G - beschlossen w e r d e n . 1 7 2

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Beim Preisspannenangebot (Dutch Auction Tender Offer, näher R d n 3 4 ) hat jeder A k t i o n ä r gleichermaßen die M ö g l i c h k e i t , m i t der A b g a b e eines Angebotes, das an der Untergrenze der Preisspanne angesiedelt ist, seine Aktie zu verkaufen. D e m aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes bestehenden Andienungsrecht wird dadurch genüge getan, dass allen Aktionären diese Bietmöglichkeit eingeräumt wird. Ferner gebietet die Gleichbehandlung, dass a n h a n d des Angebotsprofils ein einheitlicher Preis für alle verkaufswilligen A k t i o n ä r e ermittelt wird (näher zur Ermittlung dieses Preises R d n 5 6 ff). D a s Andienungsrecht besteht also nur insofern, als der A k t i o n ä r einen Preis anbietet, der den später aufgrund des Angebotsprofils ermittelten Preis nicht überschreitet. Bieten mehrere A k t i o n ä r e einen gleich hohen Preis, so sind sie anteilsmäßig entsprechend ihrer Beteiligungsquoten zu berücksichtigen. Gegen dieses Verfahren wurde eingewand, es zwinge den gewöhnlichen Privatanleger zu einer Entscheidung, die ihn überf o r d e r e . 1 7 3 Inzwischen sorgt indes die Anwendung des W p Ü G für einen ausreichenden Schutz der A k t i o n ä r e (zur Bedeutung des W p Ü G in diesem Z u s a m m e n h a n g siehe R d n 2 9 ff).

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Diekmann/Merkner ZIP 2004, 836, 840; Fleischer/Körber BB 2001, 2589, 2593; Hüffer 19k; Ebrick/Ekkenga/Oechsler § 2 WpÜG Rdn 6; ders NZG 2001, 817, 819; MünchKommJOecbsler 202a; anders Paefgen ZIP 2 0 0 2 , 1509, 1517 ff, der § 19 WpÜG Vorrang einräumt.

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Dazu auch das Beispiel bei Diekmann/ Merkner ZIP 2004, 836, 840 Ii Sp. Diekmann/Merkner ZIP 2004, 836, 841. Diekmann/Merkner ZIP 2004, 836, 841. Huber FS Kropff 1997, S 102, 116; Kindl DStR 1999, 1276,1279.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Das Andienungsrecht k a n n - wie das Bezugsrecht auch - analog S 1 8 6 Abs 3 S 1 durch Hauptversammlungsbeschluss ausgeschlossen werden. 1 7 4 Dies ist beispielsweise von Bedeutung, wenn die Gesellschaft bei einem Festpreisangebot auf eine spätere Repartierung a n h a n d der Beteiligungsquoten verzichten und statt dessen denjenigen A k t i o n ä r e n , die sich a m schnellsten für einen V e r k a u f ihrer Anteile entscheiden, alle Aktien a b k a u f e n will („first c o m e , first s e r v e " ) . Denn in einem solchen Fall k ö n n e n diejenigen Aktionäre, die sich später zu einem Verkauf ihrer Aktien entscheiden, von ihrem Andienungsrecht keinen G e b r a u c h m a c h e n . Außerdem ist denkbar, dass die Gesellschaft nicht die S t a m m - , sondern nur die Vorzugsaktien zurückgekaufen will und damit nur das Andienungsrecht der S t a m m a k t i o n ä r e ausgeschlossen w i r d . 1 7 5

75

Umstritten ist, welche Stimmenmehrheit für einen solcher Ausschluss des Andienungsrechts erforderlich ist. W ä h r e n d nach einer Ansicht ein solcher Ausschluss bereits mit einfacher M e h r h e i t (§ 1 3 3 Abs 1) beschlossen werden k a n n 1 7 6 , wird von der Gegenansicht zu R e c h t gem § 1 8 6 Abs 3 S 2 analog eine qualifizierte M e h r h e i t von 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals g e f o r d e r t . 1 7 7 Z u r Begründung beruft sich die erste Ansicht a u f einen Umkehrschluss aus § 7 1 Abs 1 N r 8 S 5 1 7 8 : D a n a c h kann die Hauptversammlung eine andere Veräußerung beschließen; in diesem Fall ist nach dem 2 . H a l b s a t z die Vorschrift des § 1 8 6 A b s 3, 4 entsprechend anzuwenden. D a die Anwendung von § 1 8 6 A b s 3 S 2 von § 71 A b s 1 N r 8 S 5 für die Veräußerung ausdrücklich angeordnet wird, sei im Umkehrschluss dessen Anwendung auf den Erwerbsvorgang ausgeschlossen. Dieser Umkehrschluss überzeugt nicht. Vielmehr hat § 71 Abs 1 N r 8 S 5 1. H S nur klarstellende Bedeutung. Es ist kein sachlicher G r u n d ersichtlich, w a r u m der Grundsatz der Gleichstellung von Andienungs- und Bezugsrecht (näher zum Bezugsrecht R d n 7 6 ) hier d u r c h b r o c h e n werden sollte.

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N e b e n dieser qualifizierten M e h r h e i t muss der Ausschluss des Andienungsrechts auch die weiteren formellen und materiellen Voraussetzungen in analoger Anwendung der Vorschriften über den Ausschluss des Bezugsrechts (§ 1 8 6 A b s 3 und 4 ) e r f ü l l e n : 1 7 9 Im Falle des § 7 1 Abs 1 N r 7 und N r 8 muss der Ausschluss in dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung enthalten sein (§ 1 8 6 Abs 3 S 1 analog), der Ausschluss des Andienungsrechts muss als Tagesordnungspunkt gem § 1 2 4 ordnungsgemäß b e k a n n t gemacht w o r d e n sein (§ 1 8 6 A b s 4 S I analog), der Vorstand hat einen schriftlichen Bericht vorzulegen (§ 1 8 6 A b s 4 S 2 analog), und im Übrigen muss der Beschluss auch sachlich gerechtfertigt s e i n . 1 8 0 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausschluss des Bezugsrechts die Gefahr begründet, dass sich die Beteiligungsquoten der einzelnen Aktionäre und damit ihr Einfluss in der Gesellschaft verringern, wohingegen die Ungleichbehandlung bei einem Ausschluss des Andienungsrechts darin bestehen kann, dass nur einzelne A k t i o n ä r e durch den Verkauf ihrer Anteile aus dem mitgliedschaftlichen R i s i k o entlassen werden (näher R d n 6 7 ) . 1 8 1 D e r Ausschluss des Andienungsrechts muss im Interesse der Gesellschaft liegen, zur Erreichung des Z w e c k s geeignet und erforderlich sein, und es müssen die für die Gesellschaft bestehenden Vorteile in einem angemessenen Verhältnis zu den Nachteilen der betroffenen Aktionäre s t e h e n . 1 8 2 Ein Festpreisangebot kann bei-

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MünchKomm/Oec^s/er 201; Paefgen AG 1999, 67, 69. Hillebrandt/Schremper BB 2001, 533, 535; Hüffer 19k. MünchKomm/Oecbsler 201; so im Ergebnis offenbar auch Kiem ZIP 2000, 209, 214. Paefgen AG 1999, 67, 70.

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MünchKomm/Oechsler 201. MünchKomm/Oecfa/er 201; Paefgen AG 1999, 67, 70. Näher dazu Hüffer § 186 Rdn 20 ff; MünchKomm/Pei/er § 186 Rdn 59 ff. MünchKomm/Oechsler 201. MünchKomm/Pei/er § 186 Rdn 72.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

spielsweise ohne die sonst erforderliche Repartierung durchgeführt werden (näher zu diesem Beispiel Rdn 76), wenn der Rückkauf möglichst zügig durchgeführt werden muss. Je eher dabei der von der Gesellschaft angebotene Kaufpreis dem Börsenwert der Aktie entspricht, desto geringere Anforderungen sind an die sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses des Andienungsrechts zu stellen. 183 Denn die anderen Aktionäre, die nicht mehr berücksichtigt werden, können ihre Anteile dann zu einem nahezu identischen Preis an der Börse verkaufen. Diese Wertung kann bereits der Vorschrift des § 71 Abs 1 N r 8 S 3 entnommen werden. Einer analogen Anwendung des § 186 Abs 3 S 4 bedarf es daher nicht. 78

(3) Individuell vereinbarter Rückkauf (Negotiated Repurchase). Wie bereits dargelegt, stellt sich auch für den individuell vereinbarten Rückkauf die Frage, inwieweit der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a, § 71 Abs 1 N r 8 S 3) verbietet, eigene Aktien aufgrund eines individuell vereinbarten Kaufvertrages zu erwerben (Negotiated Repurchase). Ein solcher Erwerb begegnet deswegen Bedenken, weil nur wenige Aktionäre die Möglichkeit zum Verkauf ihrer Aktien erhalten und der Kaufpreis üblicherweise einen Aufschlag auf den Börsenpreis enthält (Paketzuschlag). Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesbegründung zum KonTraG bewusst auf eine gesetzliche Regelung verzichtet. Dort heißt es: „Die strikte Geltung des Gleichbehandlungsgebots macht ausdrückliche gesetzliche Verfahrensvorschriften zum An- und Verkauf entbehrlich. Ein Rückkaufsoder Wiederverkaufsangebot hat sich daher an alle Aktionäre zu richten." 1 8 4 Vereinzelt wird der Erwerb durch einzelne Aktionäre in jedem Fall als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot angesehen. 185 Hierfür ließe sich die soeben zitierte Gesetzesbegründung anführen, wonach sich ein Rückkauf an alle Aktionäre zu richten hat. Nach der ganz herrschenden Meinung muss hingegen ein Rückkaufsangebot nur im Grundsatz gegenüber allen Aktionären abgegeben werden. Es sind sachliche Gründe denkbar, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können. 1 8 6 Für diese Auffassung spricht zunächst, dass ganz allgemein eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt sein kann (siehe etwa Art 3 GG, § 611a BGB). Außerdem nennt der Regierungsentwurf selbst das Beispiel eines zulässigen Erwerbs durch den einzelnen Aktionär: „Bei geschlossenen Gesellschaften kann der Aktienrückkauf im Rahmen des Generationswechsels eine wertvolle Hilfe sein, um einvernehmlich die Anteile ausscheidenswilliger Aktionäre zu übernehmen oder Patt-Situationen im Anteilseignerkreis der verschiedenen Stämme aufzulösen." 1 8 7 Im Übrigen werden die Aktionäre ausreichend geschützt, weil ein solcher Erwerb grundsätzlich nur zulässig ist, wenn das Andienungsrecht durch Beschluss der Hauptversammlung ausgeschlossen wird. Dabei sind desto höhere Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung zu stellen, je weniger Aktionäre von einem Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft profitieren. Unabhängig von der Frage, ob eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, sind bei der Bestimmung des Kaufpreises wegen § 57 Abs 1 gewisse Grenzen zu beachten, bei deren Überschreitung eine teilweise Rückgewähr in Betracht kommt (näher Rdn 56 ff).

183 MünchKomm/Oecfcs/er 201; Paefgen AG 1999, 67. 184 185

186

BT-Drucks 13/9712, S 13. Hüffer 19k; Peltzer W M 1998, 322, 329; von Rosen/Helm AG 1996, 434, 439. Benckendorff S 245 f; Berrar/Schnorbus ZGR 2003, 59, 65; Bezzenberger S 120 f; Bosse N Z G 2000, 16, 18 ff; Kindl DStR

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1999, 1276, 1279; Kopp S 38; Martens AG 1996, 337, 344; HünchKommlOechsler 205; Paefgen AG 1999, 67, 70; ders ZIP 2002, 1509, 1511 f; Wastl DB 1997, 461, 463; ders N Z G 2000, 505, 508f; eine Ausnahme lässt in engen Grenzen zu Huber FS Kropf 1997, S 101, 116. BT-Drucks 13/9712, S 14.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Es sind verschiedene Sachgründe denkbar, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen: So dürfen zB - wie auch der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist - bei nicht börsennotierten Gesellschaften die Aktien einzelner Aktionäre im Rahmen eines Generationswechsels erworben werden, um Anteile ausscheidungswilliger Aktionäre zu übernehmen oder Patt-Situationen im Aktionärskreis der verschiedenen Stämme aufzulösen (siehe soeben Rdn 7 8 ) ; 1 8 8 Voraussetzung ist ein Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 Nr 8, indem zugleich das Andienungsrecht mit qualifizierter Mehrheit ausgeschlossen wird (näher Rdn 6 9 ff). Ein sachlicher Grund ist ferner regelmäßig gegeben, wenn der Ausnahmetatbestand des § 71 Abs 1 Nr 1 erfüllt ist. In diesen Fällen ergibt sich aus der Natur der gesetzlichen Erwerbserlaubnis gem § 71 Abs 1 Nr 1, dass es ausnahmsweise darauf ankommt, gerade diejenigen Aktien zu erwerben, welche in der Hand ihres gegenwärtigen Inhabers oder eines etwaigen Erwerbers zu einem Schaden der Gesellschaft führen können. 1 8 9 So ist der Erwerb von Aktien einer bestimmten Person gem § 71 Abs 1 Nr 1 denkbar im Falle der Forderungssicherung (näher Rdn 171), der Auseinandersetzung zwischen Aktionären (Rdn 172) und ganz ausnahmsweise beim Abkauf einer Anfechtungsklage (Rn 176). Außerdem kann ein ansonsten unverkäufliches Aktienpaket, dessen Präsenz auf dem Markt dem Ansehen der Gesellschaft schadet, gem § 71 Abs 1 Nr 1 erworben werden. 1 9 0 In den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 1 besteht die Besonderheit, dass die Hauptversammlung ausnahmsweise nicht durch Beschluss das Andienungsrecht ausschließen muss, weil ansonsten der Vorstand an einer effektiven Gefahrenabwehr gehindert wäre. Der Kaufpreis unterliegt jedoch ebenfalls den Grenzen des § 5 7 Abs 1 (näher Rdn 173).

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Während das Andienungsrecht durch Beschluss einer qualifizierten Mehrheit ausgeschlossen werden kann, kann durch Zustimmung aller Aktionäre auch der Verzicht auf das Vorliegen eines die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Sachgrundes erklärt werden. 1 9 1 Dies wird allerdings nicht bei börsennotierten Gesellschaften, bei denen typischerweise nur ein Teil der Aktionäre an der Hauptversammlung teilnimmt, sondern bei geschlossenen Gesellschaften praktische Bedeutung erlangen.

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bb) Gleichbehandlung bei der Veräußerung. Im Rahmen der Veräußerung gilt ebenfalls der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a. Dies wird von § 71 Abs 1 Nr 8 S 3, wonach § 53a auf Erwerb und Veräußerung anzuwenden ist, ausdrücklich klargestellt (Rn 255). Nach zutreffender Ansicht besteht im Rahmen der Veräußerung ein Bezugsrecht analog § 186 Abs 1, demzufolge jedem Aktionär auf sein Verlangen ein seiner bisherigen Beteiligungsquote entsprechender Teil der von der Gesellschaft veräußerten Aktien zugeteilt wird. 1 9 2 Die Aktionäre sind gleichermaßen schutzwürdig, ob nun neue Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung (§§ 182 ff) oder von der Gesellschaft gehaltene eigene (alte) Aktien ausgegeben werden. 193 Dieses Bezugsrecht bildet quasi die Kehrseite des im Rahmen des Erwerbs eigener Aktien bestehenden Andienungsrechts (näher Rdn 6 9 ff). Die Gegenmeinung lehnt das Bezugsrecht der Aktionäre bei der Veräußerung

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BT-Drucks 13/9712, S 14; Benckendorff S 2 4 6 ; Bosse NZG 2 0 0 0 , 16, 18; MünchKomm/Oechsler 2 0 6 . Geßler/Hefermehl/Bungeroth 125; KK/ Lutter 15. MünchKomm/Oechsler 2 0 6 . Bezzenberger S 121; Huber FS Kropf, 1997, S 101, 116; MünchKomm/Oechsler 206. Huber FS Kropff 1997, S 101, 118; Hüffer

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19m; KKILutter § 71c Rdn 2 7 ; Martens AG 1996, 337, 3 4 2 f; M ü n c h K o m m / O c M e r 2 0 9 ; vgl dazu auch OLG Hamm, ZIP 1983, 1332, 1334, wonach eine bergrechtliche Gewerkschaft eigene Anteile an außenstehende Dritte nicht ohne qualifizierte Zustimmung der Gewerkenversammlung veräußern darf. Martens AG 1996, 337, 3 4 2 f.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

eigener Aktien durch die Gesellschaft a b . 1 9 4 N a c h ihrer Ansicht stellt die Veräußerung eigener Aktien eine Veräußerung von Gegenständen des Umlaufvermögens dar, weshalb sie als reguläres Umsatzgeschäft zu qualifizieren sei. 1 9 5 Außerdem sei die Situation bei der Veräußerung eigener Aktien nicht mit dem in § 1 8 6 geregelten Sachverhalt zu verg l e i c h e n . 1 9 6 D e m k a n n nicht gefolgt werden, denn der Vorstand k a n n s o w o h l bei einer Kapitalerhöhung (§§ 1 8 2 ff) als auch bei dem E r w e r b eigener Aktien oder bei der Veräußerung eigener Aktien versucht sein, Einfluss auf die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft zu nehmen, indem er die Aktien von bestimmten A k t i o n ä r e n kauft oder an bestimmte A k t i o n ä r e v e r ä u ß e r t . 1 9 7 Die Interessenlage ist also in diesen drei Fällen durchaus vergleichbar. Auch der Gesetzgeber hält die A k t i o n ä r e bei der Ausgabe neuer Aktien und bei der Veräußerung eigener Aktien für gleichermaßen schutzwürdig. So heißt es in der Gesetzesbgründung: „Die Hauptversammlung k a n n auch Abweichungen vom Grundsatz gleichmäßiger Zuteilung bei Wiederveräußerung der eigenen Aktien vorsehen. Die Situation entspricht wirtschaftlich dem Bezugsrechtsausschluss bei neuen A k t i e n . " 1 9 8 Außerdem wäre es widersprüchlich, wenn eine Einflussnahme auf die Beteiligungsstruktur durch den Vorstand beim E r w e r b eigener Aktien verhindert würde (indem den A k t i o n ä r e n ein Andienungsrecht zugestanden wird), w ä h r e n d m a n sie bei der Veräußerung eigener Aktien zuließe. 1 9 9 Eine Beeinträchtigung der S t i m m r e c h t s m a c h t der Aktionäre droht beispielsweise, wenn die erworbenen Aktien zunächst breit gestreut waren und n u n m e h r als Paket auf einen schon maßgeblich beteiligten A k t i o n ä r übertragen werd e n . 2 0 0 D a das Gleichbehandlungsgebot des § 5 3 a - als Grundlage des Andienungsrechts auf E r w e r b und Veräußerung gleichermaßen a n w e n d b a r ist (vgl die Klarstellung in § 71 A b s 1 N r 8 S 3 ) , ist es k o n s e q u e n t , den A k t i o n ä r e n das R e c h t zuzugestehen, an der Veräußerung entsprechend ihrer Beteiligungsquote teilzunehmen. 82

Die A n n a h m e eines Bezugsrechts analog § 1 8 6 A b s 1 lässt sich auch mit § 71 A b s 1 N r 8 S 5 vereinbaren, der für eine Veräußerung o h n e Bezugsrecht der A k t i o n ä r e einen Beschluss der Hauptversammlung gem § 1 8 6 Abs 3 S 1 voraussetzt, w o b e i die formellen und materiellen Anforderungen an den Ausschluss des Andienungsrechts zu beachten sind (näher R d n 6 9 ff und R d n 2 8 3 ff). Die Regelung des § 71 A b s 1 N r 8 S 5 1. H S ist entsprechend auszulegen, dh die Hauptversammlung hat die M ö g l i c h k e i t , eine „andere V e r ä u ß e r u n g " unter Ausschluss des Bezugsrechts zu beschließen. Sofern ein solcher Beschluss nicht gefasst wird, besteht ein Bezugsrecht (näher R d n 2 8 3 ff). Die Anforderungen des § 1 8 6 A b s 3 und 4 analog gelten grundsätzlich auch für den Ausschluss des Bezugsrechts in den anderen Ausnahmefällen des § 7 1 A b s 1, so etwa wenn die gem § 7 1 A b s 1 N r 1 erworbenen Aktien wieder veräußert werden sollen. D a h e r hat § 71 A b s 1 N r 8 S 5 insoweit nur klarstellende Funktion.

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(1) Veräußerung unter erneutem Zustimmungsvorbehalt. Die Hauptversammlung kann in dem Beschluss über den Ausschluss des Bezugsrechts verlangen, dass vor der D u r c h führung der Veräußerung erneut die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen i s t . 2 0 1 Dies ergibt sich aus § 2 7 2 Abs 1 S 5 H G B , w o es heißt: „Ist der E r w e r b der Aktien

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Benckendorff S 2 8 0 ff; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth § 71c Rdn 18; Piepenburg BB 1 9 9 6 , 2 5 8 2 , 2584. Benckendorff S 2 8 0 ff; Geßler /Hefermehl/ Bungeroth § 71c Rdn 18. Benckendorff S 281. Vgl zu dieser Gefahr bei der Kapitalerhöhung MünchKomm/Pei/er $ 186 Rdn 7.

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BT-Drucks 13/9712, S 14. MünchKomm/Oechsler 209. Martens AG 1996, 337, 343. Kiem ZIP 2 0 0 0 , 209, 212; MünchKomm/ Oechsler 210.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

nicht zur Einziehung erfolgt, ist S 4 auch anzuwenden, soweit in dem Beschluss über den Rückkauf die spätere Veräußerung von einem Beschluss der Hauptversammlung in entsprechender Anwendung des § 182 Abs 1 S 1 des Aktiengesetzes abhängig gemacht worden ist." Diese gesetzliche Regelung spricht dafür, dass auch dieser Zustimmungsbeschluss gem § 182 Abs 1 S 1 mit einer Dreiviertel-Mehrheit gefasst werden muss. Die Hauptversammlung kann jedoch in dem vorangehenden Beschluss auch ein anderes Mehrheitserfordernis (zB einfache Stimmenmehrheit, ξ 133 Abs 1) - vorsehen. Ein solcher Zustimmungsvorbehalt stellt eine die Veräußerung betreffende Vorgabe dar, die insbesondere im Rahmen des § 71 Abs 1 N r 8 denkbar ist (näher zu diesen Vorgaben Rdn 2 5 5 ff). Wird ein solcher Zustimmungsvorbehalt in den Ermächtigungsbeschluss aufgenommen, so ist im Unterschied zu den sonstigen Fällen des Erwerbs eigener Aktien, bei denen eine Rücklage innerhalb der Gewinnrücklage zu bilden ist - das Eigenkapital gem § 2 7 2 Abs 1 S 5 iVm S 4 H G B in Höhe des Erwerbspreises zu m i n d e r n . 2 0 2 Es können also bilanzrechtliche Gründe für die Wahl dieses Gestaltungsmittels sprechen (näher zur bilanzrechtlichen Bedeutung des Erwerbs eigener Aktien Rdn 3 9 3 ff). Rechtswidrig ist ein Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 N r 8, wenn er vorsieht, dass die Hauptversammlung erst vor der Veräußerung über den Ausschluss des Bezugsrechts abstimmen wird. Gem § 186 Abs 3 S 1 (iVm § 71 Abs 1 N r 8 S 5) muss - unabhängig von einem möglichen Zustimmungsvorbehalt - der Ausschluss des Bezugsrechts bereits im Ermächtigungsbeschluss enthalten sein. Wird im Zustimmungsbeschluss erstmals das Bezugsrecht ausgeschlossen, so verstößt der Beschluss gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 5 3 a (iVm § 71 Abs 1 N r 8 S 3) und ist rechtswidrig. Im Übrigen kann ein Zustimmungsvorbehalt nicht nur im Falle des § 71 Abs 1 N r 8, sondern auch in einem Beschluss über den Ausschluss des Bezugsrechts im Falle der anderen Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 vorgesehen werden.

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(2) Keine öffentliche Versteigerung. Nach früher vertretener Ansicht war eine öffentliehe Versteigerung ( § § 6 5 Abs 3, 2 2 6 Abs 3 analog) der erworbenen Aktien mit dem Gleichbehandlungsgebot des § 5 3 a v e r e i n b a r 2 0 3 . Eine öffentliche Versteigerung wird jedoch dem auf dem Gleichbehandlungsgebot beruhenden Bezugsrecht nicht gerecht und setzt daher dessen Ausschluss durch Beschluss v o r a u s 2 0 4 (näher Rdn 2 8 4 ) .

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(3) Entbehrlichkeit des Bezugsrechtsausschlusses. Ausnahmsweise bedarf es eines Ausschlusses des Bezugsrechts nicht, wenn sich aus der Natur des gesetzlichen Ausnahmetatbestandes des § 71 Abs 1 ergibt, dass keine gleichmäßige Zuteilung der erworbenen Aktien an die Aktionäre erfolgen soll (zur Parallele beim Andienungsrecht siehe Rdn 6 9 ff). Dies gilt für die Ausgabe von Belegschaftsaktien an die Arbeitnehmer (§ 71 Abs 1 N r 2), ferner dann, wenn Aktionäre in den Fällen des § 3 0 5 Abs 2 und des § 3 2 0 b im Wege der Ausgabe eigener Aktien abgefunden werden (§ 71 Abs 1 N r 3) oder wenn Aktien erworben werden, um sie im Rahmen des Wertpapierhandels einer bestimmten Person zu verkaufen (§ 71 Abs 1 N r 7). Außerdem besteht das Bezugsrecht nicht, wenn eine Veräußerung über die Börse erfolgt. Denn gem § 71 Abs 1 N r 8 S 3 ist diese Methode mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar (näher Rdn 2 7 9 ) .

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Ferner muss das Bezugsrecht der Aktionäre nicht (erneut) ausgeschlossen werden, wenn die Satzung den Vorstand gem § 2 0 2 Abs 1 ermächtigt, das Grundkapital bis zu

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202 BT-Drucks 13/9712, S 26 . 2 0 3 OLG Oldenburg, AG 1994, 417, 418; KKJLutter § 71c Rdn 27; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth § 71c Rdn 17.

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MünchKomm/Oechsler 211.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

einem bestimmten Nennbetrag durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlage zu erhöhen (genehmigtes Kapital) und das Bezugsrecht der Aktionäre für den Fall einer solchen Kapitalerhöhung ausgeschlossen wurde (§ 2 0 3 Abs 1 S 1 iVm § 186 Abs 3 S l ) . 2 0 i Es bedeutet für die Aktionäre keinen Nachteil, wenn der Vorstand, anstatt neue Aktien zu schaffen, bereits bestehende „alte" Aktien erwirbt. Voraussetzung ist, dass die Ermächtigung in der Satzung den Voraussetzungen des § 2 0 2 genügt - zB eine Laufzeit von höchstens 5 Jahren vorsieht (§ 2 0 2 Abs 2 S 1) - und dass sich der Nennbetrag der ausgegebenen „alten" Aktien innerhalb des Rahmens hält, den die Satzung gem § 202 Abs 1 vorgibt. Die Ermächtigung, das Grundkapital zu erhöhen, ist dann im Umfang der ausgegebenen „alten" Aktien erschöpft. 206 88

Ein Ausschluss des Bezugsrechts ist nicht erforderlich, wenn die gem § 71 Abs 1 Nr 8 erworbenen Aktien für die Erfüllung der Ziele eines vorher von der Hauptversammlung gefassten bedingten Kapitalerhöhungsbeschlusses (§§ 192ff) verwendet werden, zum Beispiel zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen (§ 192 Abs 2 Nr 1), zur Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen (§ 192 Abs 2 Nr 2) oder zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung (§ 192 Abs 2 Nr 3 ) . 2 0 7 Denn es liegt in der Natur einer bedingten Kapitalerhöhung, dass ein allgemeines Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen ist, 2 0 8 so dass mit dem Beschluss einer bedingten Kapitalerhöhung zugleich auch der Ausschluss des Bezugsrechts im Hinblick auf den genannten Zweck beschlossen wird (näher zur Entbehrlichkeit der Anforderungen des § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 2. HS in diesen Fällen siehe Rdn 2 8 3 ff).

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cc) Keine zusätzliche Zustimmung des Aufsichtsrates. Eine Veräußerung unter Ausschluss des Bezugsrechts bedarf nicht der Zustimmung des Aufsichtsrats. Insbesondere bedarf es nicht einer Zustimmung des Aufsichtsrates zum späteren Veräußerungsbeschluss des Vorstands im Wege einer analogen Anwendung des § 2 0 3 Abs 2 S 1 iVm § 2 0 4 Abs 1 S 2 2. HS. 2 0 9 Denn es fehlt an einer vergleichbaren Interessenlage: Im Falle der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals ist der Aktionär schutzwürdiger als bei der Veräußerung erworbener Aktien. 210

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dd) Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot. Es ist danach zu differenzieren, ob beim Erwerb oder bei der Veräußerung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen wird. Besonderes gilt, wenn dem Erwerb ein Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 Nr 7 und 8 vorausgeht. Verstößt der aufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses gem § 71 Abs 1 Nr 8 durchgeführte Erwerb eigener Aktien gegen §§ 53a, 71 Abs 1 Nr 8 S 3, dann handelt es sich um einen unzulässigen Erwerb gem § 71 Abs 1, dh das schuldrechtliche Rechtsgeschäft ist nichtig (§ 71 Abs 4 S 2) und die Gesellschaft ist gem § 71c Abs 1 zur Veräußerung verpflichtet (näher zu den Rechtsfolgen des unzulässigen Erwerbs Rdn 359 ff). 211 Wird das Gleichbehandlungsgebot des § 53a beim Erwerb aufgrund eines anderen Ausnahmetatbestandes des § 71 Abs 1 nicht beachtet, so treten die gleichen Rechtsfolgen ein: Zwar fehlt eine dem § 71 Abs 1 Nr 8 S 3 entsprechende Regelung. Die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts folgt in diesem Fall aber

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KKJLutter § 71c Rdn 28; ders BB 1981, 861, 862; MünchKomm! Oechsler 211. MünchKomm/Oechsler 211. Anders MünchKomm/Oechsler 2 3 0 . Vgl BT-Drucks 13/9712, S 2 4 re Sp. Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 3;

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Reichert/Harbarth ZIP 2001, 1441, 1445 f; aA Huber FS Kropff 1997, S 101, 119. Reichert/Harbarth ZIP 2001, 1 4 4 1 , 1 4 4 6 . BT-Drucks 13/9712, S 14; MünchKomm/ Oechsler 212.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

aus § 134 BGB iVm § 53a. 2 1 2 Außerdem besteht kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung des Tatbestands des § 71 Abs 1 Nr 8 und der anderen Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1. Daher ist § 71 Abs 1 Nr 8 S 3 analog anzuwenden und der Erwerb ebenfalls als unzulässig anzusehen. Die aufgrund des unzulässigen Erwerbs bestehenden Rückgewähransprüche der Gesellschaft (näher Rdn 385) können jedoch von den übergangenen Aktionären grundsätzlich nicht geltend gemacht werden, da § 147 AktG diesen Fall nicht erfasst. 213 Umstritten ist, ob den übergangenen Aktionären ein Schadensersatzanspruch gegen 91 die Vorstandsmitglieder und die Gesellschaft zusteht. Nach verbreiteter Auffassung stellen § 57 und § 71 keine Schutzgesetze iSv § 823 Abs 2 BGB dar. Ein Schadensersatzanspruch der übrigen Aktionäre gegen den Veräußerer kommt nur in den engen Grenzen des § 117 Abs 1 S 2 und gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates (§ 117 Abs 2 S 1) in Betracht (näher Rdn 382 ff). Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem § 53a besteht ferner grundsätzlich ein Anspruch der übergangenen Aktionäre gegen die Vorstandsmitglieder (§ 826 BGB) und gegen die Gesellschaft (§§ 826, 31 BGB). Umstritten ist insbesondere, ob § 53a ein Schutzgesetz darstellt und demzufolge eine Schadensersatzpflicht gem § 823 Abs 2 (iVm § 31) BGB der Vorstandsmitglieder und der Gesellschaft begründen kann. 2 1 4 Auch die Begründung des Regierungsentwurfs des KonTraG hilft hier nicht weiter. Festgestellt wird dort nur, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots zu einer Schadensersatzpflicht des Vorstands gegenüber den benachteiligten Aktionären führen kann. 2 1 5 Dabei bleibt offen, ob diese Haftung nur bei vorsätzlicher oder auch bei fahrlässiger Benachteiligung eingreift. Soweit ein Schadensersatzanspruch besteht, muss nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249) der Zustand hergestellt werden, der bestehen würde, wenn die zum Ersatz verpflichtende Ungleichbehandlung unterblieben wäre. Zur Erfüllung dieser Schadensersatzpflicht eröffnen sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Erstens, kann der Rückgewähransprüche gegen die Veräußerer geltend gemacht und damit der rechtswidrige Erwerb eigener Aktien rückgängig gemacht werden. Zweitens können von den übergangenen Aktionären entsprechend ihrer Beteiligungsquote Aktien erworben werden. 2 1 6 Die zweite Möglichkeit steht indessen unter dem Vorbehalt, dass der Erwerb weiterer Aktien gem § 71 zulässig ist. Bestand die Ungleichbehandlung darin, dass ein zu hoher Preis an einzelne Aktionäre gezahlt wurde, so steht den anderen Aktionäre - auch mit Blick auf § 57 Abs 1 - kein Anspruch auf Zahlung der Differenz zu dem höheren Preis zu, denn es besteht zum einen kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht 2 1 7 und zum anderen haben insoweit die aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften Vorrang. Der Schadensersatzanspruch des übergangenen Aktionärs kann in diesen Fällen nur in der Weise erfüllt werden, dass die Gesellschaft den Rückerwerb eigener Aktien rückgängig macht. Wird die Veräußerung unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem 9 2 § 53a durchgeführt - zB weil die erworbenen Aktien nur an einzelne Aktionäre verkauft werden, obwohl das Bezugsrecht nicht ausgeschlossen wurde - so bleibt der Erwerb als

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So im Ergebnis auch MünchKomm/Oecta/er 212. Benckendorff S 251; MünchKomm/Oecfo/er 212; aA Raiser Z H R 153 (1989), 1, 19; ders ZGR 1988, 3 9 2 , 4 0 5 f, nach deren Ansicht in den Fällen der Ungleichbehandlung eine Aktionärsklage zulässig ist.

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Dafür MünchKomm/ß««geroiA> § 53a Rdn 35; Henn, AG 1985, 2 4 0 , 248; anders Hüffer § 53a Rdn 12; KYJLutter/ders § 53a Rdn 42. BT-Drucks 13/9712, S 14. Benckendorff S 250. Benckendorff S 251.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

solcher zulässig. Die Rechtsfolge des § 71c würde im Übrigen auch keinen Sinn mehr machen, nachdem die Gesellschaft nicht mehr Eigentümerin der Aktien ist. Dem Aktionär stehen jedoch Schadensersatzansprüche in vergleichbarer Weise wie bei einer Ungleichbehandlung beim Erwerb eigener Aktien zu (näher soeben Rdn 91). 93

Verstößt ein Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 Nr 7 und 8 (lediglich) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) - etwa weil mit einfacher Stimmenmehrheit der Ausschluss des Andienungsrechtes beschlossen wurde (näher Rdn 6 9 ff) - so ist der Beschluss nicht nichtig (§ 241), sondern lediglich rechtswidrig und anfechtbar. 2 1 8 Wird der Beschluss nicht angefochten und der Erwerb daraufhin beschlussgemäß durchgeführt, so können die Aktionäre sich nicht mehr auf den Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot berufen, dh der Erwerb ist rechtmäßig und es bestehen keine Schadensersatzansprüche. Denn der Beschluss wird durch Ablauf der Anfechtungsfrist des § 2 4 6 Abs 1 gesetzmäßig und ist nun von den Organen der Gesellschaft grundsätzlich auch umzusetzen. 2 1 9 Verstößt der Beschluss demgegenüber gegen andere gesetzliche Vorgaben, zB gegen die Zehn-Prozent-Schranke (§ 71 Abs 2 S 1), so ist er nicht lediglich rechtswidrig, sondern nichtig (näher Rdn 2 5 5 ff). 5. Geschichte der Norm

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Die Regelung des Erwerbs eigener Aktien geht auf die erste Aktienrechtsnovelle von 1870 zurück. Seitdem hat dieser Regelungskomplex einige wesentliche Veränderungen erfahren, so dass sich die § § 71 ff in ihrer heute gültigen Fassung deutlich vom früheren Recht unterscheiden.

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a) Erste Aktienrechtsnovelle von 1870. M i t der zunehmenden Verbreitung der Aktiengesellschaft als Unternehmensträgerform zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden alsbald auch die Vorteile des Rückerwerbs eigener Aktien von den Gesellschaften erkannt und genutzt: Der Erwerb eigener Aktien fand damals vornehmlich im Rahmen der Amortisation von Aktien statt. 2 2 0 Indessen sah man schon damals auch die Gefahren, die vom Rückerwerb eigener Aktien ausgehen können. Insbesondere befürchtete man eine Vollamortisation des Anlagekapitals mit der Folge, dass die Existenz der Gesellschaft beseitigt würde. 2 2 1 Schon früh wurde daher gefordert, die Möglichkeit des Rückerwerbs zu beschränken. So sollte für den Erwerb eigener Aktien nach einer verbreiteten Forderung aus der Wissenschaft nur solches Kapital verwandt werden dürfen, das aus Gewinnen stammt. 2 2 2 Zunächst jedoch blieb der Rückerwerb eigener Aktien ungeregelt. Das galt insbesondere für das A D H G B von 1861. Lediglich im Wege der Einzelfallkontrolle achteten die Konzessionsbehörden darauf, dass der Rückerwerb nur aus laufenden oder thesaurierten Gewinnen und nicht zu Lasten des Einlagekapitals finanziert wurde. 2 2 3

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M i t der ersten Aktienrechtsnovelle vom 11. Juni 1870 vollzog der Gesetzgeber einen radikalen Wandel. Der Rückerwerb eigener Aktien wurde gesetzlich geregelt und grund-

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BT-Drucks 13/9712, S 14; RGZ 118, 67 f; LG Köln, AG 1981, 81 f; Benckendorff S 250; MünchKomm/Bungeroth § 53a Rdn 26; Bosse NZG 2000, 16, 17; Henn, AG 1985, 240, 248; Hüffer § 53a Rdn 12; KKILutterlders § 53a Rdn 32; MünchKomm/Oechsler 212. Hüffer § 243 Rdn 50; MünchKomm/Hä/fcr § 243 Rdn 123.

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Brinckmann/Endemann 1860, S 254; Feltzer WM 1998, 322, 324; Pohls 1842, S 250 f; Renaud 1863, S 680. Feltzer WM 1998, 322, 324; Pohls 1842, S 251. So etwa Brinckmann/Endemann 1860, S 254. Bezzenberger 2002, S 15; vgl auch die Beispiele bei Bösselmann 1939, S 156 ff.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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sätzlich verboten. Damit ging das Gesetz weit über die Forderung der Wissenschaft hinaus. Der maßgebliche Art 215 Abs 3 A D H G B in seiner damaligen Fassung lautete: „Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien nicht erwerben. Sie darf eigene Aktien nicht amortisieren, sofern dies nicht durch den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder durch einen, den letzteren abändernden, vor der Ausgabe der Aktien gefaßten Beschluß zugelassen ist."224 Auslöser dieser Regelung waren wohl nicht zuletzt mehrere Fälle, die sich in Wien in den Jahren vor 1 8 6 9 ereignet hatten und in denen Aktienvereine mit eigenen Aktien spekuliert hatten. 2 2 5 Indessen fand sich in den Gesetzesmaterialien kein Hinweis auf diese Ereignisse. In der Begründung des Gesetzesentwurfes hieß es lediglich:

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„Ein derartiger Ankauf [eigener Aktien] steht mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht im Einklang, und die Wahrnehmung der Rechte solcher zurückgekauften Aktien durch den Gesellschaftervorstand kann leicht zu Unzuträglichkeiten führen. Der Reservefonds kann nicht durch eigene Aktien gebildet werden. Der Ankauf von nur teilweise eingezahlten Aktien fillt hinsichtlich des Erlasses des noch schuldigen Betrages unter den Begriff einer Rückzahlung an die Aktionäre".226 Obwohl während des Gesetzgebungsverfahrens bereits darauf hingewiesen wurde, dass etwa in Frankreich und England ein solches vollständiges Verbot des Erwerbs eigener Aktien abgelehnt worden war, konnten sich weniger radikale Gesetzesvorschläge, wonach beispielsweise ein ausschließlich aus dem Gewinn der Gesellschaft finanzierter Rückkauf zulässig sein sollte, nicht durchsetzen. 2 2 7

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b) Zweite Aktienrechtsnovelle von 1884. Das gänzliche Verbot des Rückerwerbs eigener Aktien in Art 215 Abs 3 A D H G B wurde von Praxis und Wissenschaft als überzogen kritisiert 2 2 8 und vom Reichsoberhandelsgericht teilweise durchbrochen. 2 2 9 Die Kritik verwies insbesondere auf solche Erwerbsfällen, in denen die genannten Risiken nicht auftraten, so namentlich bei der Schenkung von Aktien durch den Aktionär an die Gesellschaft und beim Aktienerwerb zum Zwecke der Einziehung und der Kapitalherabsetzung. Denn für diese Fälle bestand schon damals hinreichender Schutz zugunsten der Gläubiger. 2 · 30 Zudem erschien die Zulassung des Rückerwerbs eigener Aktien zum Zwecke der Kapitalherabsetzung auch deshalb geboten, weil in der Gründerzeit viele Gesellschaften mit einer unnötig hohen Grundkapitalziffer gestartet waren. Der Rückerwerb eigener Aktien schien das probateste Mittel zur Lösung dieses Problems zu sein. 2 3 1 Ferner wurde gefordert, den Gesellschaften auch zur Abwendung drohender Schäden eine Reakquisition zu erlauben. 2 3 2 Dass das Verbot auch solche Geschäfte erfasste, die gerechtfertigt erschie-

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BGBl (1870), S 375, 381. Peltzer WM 1998, 322, 324; Renaud 1875, S 413; Schön 1937, S 2 ff. Motive für den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Aktiengesellschaften im Gebiete des Norddeutschen Bundes, Drucks Nr 86/1869 des Bundesraths des Norddeutschen Bundes, S 28; vgl auch Peltzer WM 1998, 322, 324; Renaud 1875, S 413; Wastl/ Wagner/Lau 1997, S 72 f. Zusammenstellung der Bemerkungen der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes betreffend die Aktiengesellschaften

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im Gebiete des Norddeutschen Bundes, Drucks Nr 56/1870 des Bundesraths des Norddeutschen Bundes, S 15, 30 f; Peltzer WM 1998, 322, 324. Löwenfeld 1879, S 490; Renaud 1875, S 413 ff; Schön 1937, S 5 ff; ausführlich dazu Benckendorff 1998, S 36; Bezzenberger 2002, S 16; Wastl/Wagner/Lau 1997, S 73. ROHG 18, 423, 429; 22, 117, 119 ff. ROHG 18, 423, 429. Goldschmidt, ZHR 21 (1876), 1, 4; vgl auch Wastl/Wagner/Lau 1997, S 73. Renaud 1863, S 414 ff.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

nen, wurde als großer Nachteil für die Aktiengesellschaften empfunden. 2 3 3 Im Jahre 1875 entschied das Reichsoberhandelsgericht, dass ein Verstoß gegen das Verbot nicht nur Schadensersatzpflichten des Vorstands und des Aufsichtsrates nach sich ziehe, 2 3 4 sondern dass die betreffenden Geschäfte in toto unwirksam seien. 2 3 5 100

Angesichts der Kritik wurde im Rahmen der zweiten Aktienrechtsnovelle vom 8.7.1884 das generelle Verbot des Riickerwerbs eigener Aktien iSd Art 215 Abs 3 A D H G B in eine bloße Sollvorschrift abgemildert, die wie folgt lautete: „Die Aktiengesellschaft soll eigene Aktien im geschäftlichen Betriebe, sofern nicht eine Kommission zum Einkauf ausgeführt wird, weder erwerben noch zum Pfände nehmen. Sie darf eigene Interimssebeine im geschäftlichen Betriebe auch in Ausführung einer Einkaufskommission weder erwerben noch zum Pfände nehmen,"236

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Der Erwerb eigener Aktien im Rahmen einer Einkaufskommission wurde mithin ausdrücklich zugelassen. Außerdem sollte die Beschränkung der Vorschrift auf den „geschäftlichen Betriebe" der Gesellschaft nach dem Willen des Gesetzgebers ermöglichen, eigene Aktien in außergewöhnlichen Fällen - etwa aufgrund von Schenkung, Erbschaft oder im Wege der Zwangsvollstreckung - zu erwerben 2 3 7 . Indem der Gesetzgeber die Begriffe „soll" und „darf" einander gegenüber stellte, brachte er zum Ausdruck, dass der Verstoß gegen die Sollvorschrift nicht die Nichtigkeit des Erwerbs nach sich zieht. 2 3 8 Ein solcher Verstoß begründete lediglich Schadensesatzpflichten der Mitglieder des Vorstandes (Art 241 Abs 3 und 4 A D H G B ) und des Aufsichtsrates (Art 2 2 6 Abs 2 Nr 3 ADHGB).239

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c) Handelsgesetzbuch von 1897. Die Sollvorschrift des Art 215d Abs 3 A D H G B wurde mit einigen Modifikationen im Jahre 1897 als § 2 2 6 in das neu geschaffene Handelsgesetzbuch 2 4 0 übernommen: „(1) Die Aktiengesellschaft soll eigene Aktien im regelmäßigen Geschäftsbetriebe, sofern nicht eine Kommission zum Einkauf ausgeführt wird, weder erwerben noch zum Pfände nehmen. (2) 1Eigene Interimssebeine kann sie im regelmäßigen Geschäftsbetriebe auch in Ausführung einer Einkaufskommission weder erwerben noch zum Pfände nehmen. 2Das gleiche gilt von eigenen Aktien, auf welche der Nennbetrag, falls der Ausgabepreis höher ist, dieser noch nicht voll geleistet ist."

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Nachdem in Art 215d Abs 3 A D H G B idF der zweiten Aktienrechtsnovelle die Unwirksamkeit des Erwerbs nur für den Kauf von „Interimsscheinen" vorgesehen war, entschied sich der Gesetzgeber nun dafür, die Nichtigkeitsfolge auch auf den Kauf von Aktien zu erstrecken. Dabei differenzierte er in Abs 2 S 2 danach, ob die Aktien voll eingezahlt waren: Während bei voll eingezahlten der Erwerb gültig war und mithin der Verstoß gegen die Sollvorschrift des Abs 1 nur eine Schadenersatzpflicht auslöste, war der Erwerb von nicht voll eingezahlten Aktien unwirksam. 2 4 1 Darüber hinaus wurde der

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Löwenfeld 1879, S 490. Dafür hatte sich im Vorfeld der Entscheidung insbesondere Renaud 1875, S 415, ausgesprochen. ROHG 17, 381, 384 f; vgl dazu auch Peltzer WM 1998, 322, 324. RGBl (1884), S 123, 155. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften nebst Begründung und

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240 241

Anlagen (1883), S 340; Benckendorff 1998, S 37; Kayser 1884, Art 215d Abs 1 sub 3; Peltzer WM 1998, 322, 325; Quassowski JW 1931, 2914, 2919. Benckendorff 1998, S 37; Schön 1937, S 8. Vgl Peltzer WM 1998, 322, 325; von Völderndorff 1885, S 510. RGBl No 23, S 219. Peltzer WM 1998, 322, 325 in Fn 54; Pinner 1926, § 226 HGB Anm 9.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Begriff „im geschäftlichen Betriebe" ersetzt durch „im regelmäßigen Geschäftsbetriebe", ohne dass damit eine sachliche Änderung beabsichtigt gewesen wäre. 2 4 2 Von Anfang an war jedoch umstritten, was unter dem Begriff des „regelmäßigen Geschäftsbetriebe" zu verstehen sei. Begünstigt durch die Unschärfe der Formulierung entwickelte sich im Schrifttum ein heftiger Meinungsstreit. 2 4 3 Während der Gesetzgeber ursprünglich den Rückerwerb eigener Aktien nur in außergewöhnlichen Fällen erlauben wollte, was eine weite Auslegung des Begriffes nahegelegt hätte, wurde der Begriff von der Literatur unter dem Eindruck des Wandels der wirtschaftlichen Verhältnisse zunehmend eng interpretiert mit der Folge, dass der Erwerb eigener Aktien weitestgehend als zulässig angesehen wurde. Exemplarisch genannt sei der Erwerb eigener Aktien zum Zwecke der Kurspflege: Während er im 19. Jahrhundert durchgängig als Verstoß gegen § 2 2 6 H G B gewertet wurde, erachtete man ihn spätestens Anfang der 30er Jahre des 2 0 . Jahrhunderts für zulässig. 2 4 4 Besonders prägnant wurde dies mit der Formulierung zum Ausdruck gebracht, es gebe keinen Paragraphen des Aktienrechts, der „so allgemein bekannt ist und so allgemein ignoriert wird, wie § 2 2 6 H G B . " 2 4 5

104

Erhebliche praktische Bedeutung kam der Frage nach der Zulässigkeit und den Grenzen des Rückerwerbs eigener Aktien während der Weltwirtschaftskrise in den Jahren 1929 bis 1931 zu. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland verschlechterte sich, als nach dem Beginn der Wirtschaftskrise in Amerika die dortigen Kapitalgeber ihre Kredite an deutsche Aktiengesellschaften kündigten 2 4 6 . Dem nachfolgenden Kursverfall versuchten viele Gesellschaften entgegenzuwirken, indem sie eigene Aktien in großem Umfang erwarben. 2 4 7 Die Gesellschaften verwandten dabei zunächst flüssige Mittel, die infolge der Schrumpfung der Wirtschaft nicht mehr benötigt wurden und daher an die Aktionäre ausgeschüttet werden konnten. Auf diese Weise konnte zugleich auch das Grundkapital herabgesetzt werden, um damit die Voraussetzungen für höhere Dividendenzahlungen zu schaffen. 2 4 8 Diese Mittel fehlten jedoch, als die Weltwirtschaftskrise anhielt. Als die Börsenkurse im Verlauf der Krise weiter fielen, fühlten sich die Vorstände vieler Gesellschaften verpflichtet, trotz fehlender flüssiger Mitteln mit Hilfe von Fremdkapital den Kurs zu stützen. Die Verschuldungsquote der Gesellschaften wurde dadurch kontinuierlich gesteigert. 2 4 9 In der Folge brachen viele Unternehmen zusammen, 2 5 0 darunter bekannte Gesellschaften wie die Brauerei Schultheiß-Patzenhofer und die Darmstädter Nationalbank (Danat) ,1S1

105

d) Die Notverordnung von 1931. Der Reichspräsident reagierte auf diese Vorkommnisse mit dem Erlass der Notverordnung vom 19. September 1931. Dabei wurde aus der Soll-Vorschrift wieder ein striktes Verbot, und der unscharfe Begriff des „regelmäßigen Geschäftsbetriebes" wurde aus dem Tatbestand ersatzlos gestrichen. Der Wortlaut des § 2 2 6 Abs 1 H G B nF in der Fassung der Notverordnung lautete: 2 5 2

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Mugdan Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, 1897, S 304, Wastl/ Wagner/Lau 1997, S 74. Zum Streitstand Benckendorff 1998, S 37 f; Bertheim 1933, S 70; Schön 1937, S 10. Vgl auch Benckendorff 1998, S 38; Peltzer WM 1998, 322, 325. Berliner Tageblatt vom 17.5.1931, zitiert nach Schön 1937, S 13. Wastl/Wagner/Lau 1997, S 75. Zu den Ursachen vgl Bertheim S 5 ff; Schön 1937, S 15 ff.

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Benckendorff 1998, S 39 f; Bezzenberger 2002, S 17 f; Peltzer WM 1998, 322, 325; Wastl/Wagner/Lau 1997, S 75 f. Benckendorff 1998, S 39 f; Schön 1937, S 16. Peltzer WM 1998, 322, 325; MünchKomm/ Oechsler 29; Schön 1937, S 16. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 9. Bertheim S 8; Schön 1937, S 17. RGBl I, S 493; Text auch abgedruckt bei Schön 1937, S 19 f.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

„(1) Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien oder Interimsscheine erwerben, wenn es zur Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft notwendig ist; der Gesamtnennbetrag der zu erwerbenden Aktien darf zehn vom Hundert oder einen etwa von der Reichsregierung festgesetzten niedrigeren Hundertsatz des Grundkapitals nicht übersteigen. Im Übrigen darf die Aktiengesellschaft eigene Interimsscheine nicht, eigene Aktien nur erwerben, wenn auf sie der Nennbetrag oder, falls der Ausgabebetrag höher ist, dieser voll geleistet ist und wenn 1. die Gesellschaft damit eine Einkaufskommission ausführt oder 2. der Gesamtnennbetrag der zu erwerbenden Aktien zusammen mit anderen eigenen Aktien, die der Gesellschaft bereits gehören, zehn vom Hundert oder einen etwa von der Reichsregierung festgesetzten niedrigeren Hundertsatz des Grundkapitals nicht übersteigt und die Aktien zur Einziehung erworben werden; als hierzu erworben gelten die Aktien nur, wenn sie binnen sechs Monaten nach Erwerb eingezogen werden. (2) Die Wirksamkeit des Erwerbs eigener Aktien wird durch einen Verstoß gegen die Vorschriften des Absatz 1 nicht berührt, es sei denn, daß auf sie der Nennbetrag oder, falls der Ausgabebetrag höher ist, dieser noch nicht voll geleistet ist. (3) Dem Erwerb eigener Aktien und eigener Interimsscheine steht es gleich, wenn eigene Aktien oder eigene Interimsscheine zum Pfand genommen werden oder wenn Aktien der Gesellschaft von einem anderen für Rechnung der Gesellschaft oder unter Übernahme einer Kursgarantie durch die Gesellschaft übernommen werden. (4) 1Steht eine Handelsgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft auf Grund von Beteiligungen oder in sonstiger Weise unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluß einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien (abhängige Gesellschaft), so darf sie Aktien oder Interimsscheine der herrschende Gesellschaft nur nach Maßgabe der für den Erwerb eigener Aktien vorgesehenen Bestimmungen der Absätze 1-3 erwerben oder als Pfand nehmen. 2Sie darf ferner Aktien der herrschenden Gesellschaft nicht zeichnen; die Wirksamkeit einer solchen Zeichnung wird durch einen Verstoß gegen diese Vorschrift nicht berührt. (5) Das Stimmrecht und der Anspruch auf den Reingewinn aus eigenen Aktien, die der Gesellschaft oder einem anderen für ihre Rechnung gehören, ruhen." 107

Der Reichspräsident hatte sich damit für eine vermittelnde Lösung entschieden, 253 denn der Erwerb eigener Aktien wurde weder vollständig verboten, wie dies der Rechtslage nach der ersten Aktienrechtsnovelle von 1870 (§ 215 Abs 3 ADHGB) entsprach, noch wurde er uneingeschränkt für zulässig erklärt, wie dies sowohl gern § 215d Abs 3 ADHGB idF der zweiten Aktienrechtsnovelle von 1884 als auch gern § 226 HGB aF faktisch der Fall gewesen war. Grund für diese vermittelnde Lösung war die Einsicht, dass diese Normen ungeeignet erschienen, den Erwerb eigener Aktien in Krisensituationen hinreichend zu begrenzen. Nunmehr verbot § 226 HGB nF grundsätzlich den Erwerb eigener Aktien und ließ drei Ausnahmen von diesem Grundsatz zu: den Erwerb zur Abwehr eines schweren Schadens (Abs 1 S 1), im Falle einer Einkaufskommission (Abs 1 S 2 N r 1) und zum Zwecke der Einziehung von Aktien (Abs 1 S 2 Nr 2). Dieses RegelAusnahme-Verhältnis entspricht der Regelungstechnik, die auch der heutigen Fassung des § 71 zugrunde liegt. Letztlich lassen sich die § 71 Abs 1 N r 1, 4 und 6 - wenn auch inzwischen gewisse Modifizierungen vorgenommen wurden - auf diese drei Ausnahmefälle des § 226 Abs 1 HGB von 1931 zurückführen. Nach § 266 Abs 2 HGB hatte ein Verstoß gegen das Erwerbsverbot nur dann die Unwirksamkeit des Erwerbs zur Folge, wenn die Aktien nicht voll eingezahlt waren. Ansonsten gab es lediglich eine bloße auch bereits dem alten Recht bekannte - Schadensersatzhaftung von Aufsichtsrat und Vorstand (§ 227a HGB). 2 5 4

253

Peltzer WM 1998, 322, 325; Wastl/Wagner/ Lau 1997, S 77.

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Benckendorff 1998, S 43; Peltzer WM 1998, 322, 326.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

D e r R i i c k e r w e r b wurde zusätzlich dadurch begrenzt, dass sich die beiden letztgenannten Fälle - dem heutigen § 7 1 A b s 2 S 3 A k t G entsprechend - auf voll eingezahlte Aktien beschränken und beim ersten und dritten Ausnahmefall der G e s a m t b e t r a g der zu erwerbenden Aktien - dem heutigen § 7 1 A b s 2 S 1 A k t G entsprechend - 10 % des Grundkapitals nicht übersteigen darf. D a § 2 2 6 H G B im Wege des Notverordnungsrechts erlassen wurde, fehlt es an Gesetzgebungsmaterialien, so dass die Gründe für die Einführung der 10 % - G r e n z e nicht o h n e weiteres ermittelt werden k ö n n e n . 2 5 5 Den Stellungnahmen der mit der N o t v e r o r d n u n g befassten Ministerialen lässt sich immerhin entnehmen, dass diese Höchstgrenze dem Ziel dienen sollte, den Gefahren des Rückerwerbs zu begegn e n . 2 5 6 Dies w a r aus damaliger Sicht vor allem deshalb konsequent, weil § 2 2 6 H G B keine - dem heutigen § 71 A b s 2 S 2 A k t G vergleichbare - finanzielle Beschränkungen für einen E r w e r b vorsah, sondern den E r w e r b auch zu Lasten des gebundenen Vermögens g e s t a t t e t e . 2 5 7

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Ferner wurde mit § 2 2 6 Abs 3 H G B die Grundlage gelegt für die heutigen Regelungen der § 71 d S 1 und § 7 1 e, ferner mit § 2 2 6 Abs 4 H G B für den heutigen ξ 7 1 d S 2 und schließlich mit § 2 2 6 Abs 5 H G B für den heutigen § 7 1 b . Dass der Gesellschaft aus eigenen Aktien weder ein Stimmrecht n o c h ein Anspruch auf den Reingewinn zusteht (§ 2 2 6 A b s 5 H G B ) war zuvor v o m Reichsgericht e n t s c h i e d e n 2 5 8 und nun v o m Gesetzgeber nachvollzogen w o r d e n . 2 5 9 Z u d e m wurde erstmalig im Gesetz ergänzend vorgesehen, dass die Gesellschaft den Bestand an eigenen Aktien im Geschäftsbericht offenzulegen (§ 2 6 0 a A b s 3 N r 2 H G B ) und in ihrer Bilanz unter den Aktiven im Umlaufvermögen als eigenständigen Posten aufzuführen hat (§ 2 6 1 a A b s 1 A I V N r 5, Abs 3 S 5 HGB)260.

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Eine geringfügige Änderung brachte die Novelle vom 1 4 . M a i 1 9 3 6 . D a d u r c h wurde der Reichswirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz ermächtigt, der Gesellschaft nach § 2 2 6 Abs 1 H G B nF die Genehmigung zu erteilen, eigene Aktien in einem U m f a n g von m e h r als 10 % des Grundkapitals zu e r w e r b e n . 2 6 1

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e) A k t G von 1937. W ä h r e n d die Aktiengesellschaft zunächst in den § § 1 7 8 bis 3 3 4 H G B geregelt war, gab es bereits in den zwanziger J a h r e n Bestrebungen, das Aktienrecht zu reformieren. So beschäftigte sich insbesondere der 3 4 . Deutsche Juristentag im J a h r e 1 9 2 6 mit möglichen Reformschritten, w o b e i vor allem eine Annäherung an das angloamerikanische R e c h t zur D e b a t t e stand. D a s Reichsjustizministerium n a h m diese Diskussion zur Kenntnis und entschied sich insbesondere aus gesetzestechnischen Gründen dafür, das Aktienrecht aus dem H G B herauszunehmen und in einem eigenständigen Gesetz zu regeln. So wurde im J a h r e 1 9 3 0 der E n t w u r f eines Aktiengesetzes veröffentl i c h t . 2 6 2 D a b e i wurde die Bestimmung des § 2 2 6 H G B in das neue A k t G 2 6 3 in Gestalt des § 6 5 mit nur einigen geringfügigen Änderungen ü b e r n o m m e n . N a c h d e m die Regelung während der ersten sechs Jahrzehnte ihrer Existenz viele grundlegende inhaltliche Änderungen erfahren hatte, k a m sie mit der R e f o r m des J a h r e s 1 9 3 7 in gewisser Weise „zur R u h e " . D e r Gesetzgeber b e h o b lediglich einige sprachliche und redaktionelle

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Benckendorff 1998, S 41; Koenige 3. Auflage 1932, Vorbera zu § 178 HGB. Quassowski JW 1931, 2914, 2920. Benckendorff 1998, S 42. RGZ 103, 64. Benckendorff 1998, S 43.

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Benckendorff 1998, S 43; Peltzer WM 1998, 322, 326. Wastl/Wagner/Lau 1997, S 78. Ausführlich dazu MünchKomm/Semler, Einl ζ AktG Rdn 26. Aktiengesetz, RGBl I, 107.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Schwächen 2 6 4 und nahm ferner eine weitere Ausnahme auf, wonach der Erwerb eigener Aktien in den Fällen des unentgeltlichen Erwerbs (§ 65 Abs 1 S 3 Nr 1) zulässig ist. § 65 AktG 1937 enthielt damit nunmehr insgesamt vier Ausnahmefälle und lautete wie folgt: „(1) 1Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien oder Interimsscheine erwerben, wenn es zur Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft notwendig ist. 2Der Gesamtnennbetrag dieser Aktien darf zusammen mit dem Betrag anderer eigener Aktien, die die Gesellschaft bereits zur Abwendung eins schweren Schadens erworben hat und noch besitzt, zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen; der Reichswirtschaftsminister kann im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz Ausnahmen zulassen. 3Sonst darf die Aktiengesellschaft Aktien nur erwerben, wenn auf sie der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet ist und wenn 1. der Erwerb unentgeltlich geschieht oder 2. die Gesellschaft mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt. (2) Der Erwerb eigener Aktien unterliegt den Beschränkungen des Abs 1 nicht, wenn er auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals geschieht. (3) 1Die Wirksamkeit des Erwerbs eigener Aktien wird durch einen Verstoß gegen Abs 1 und 2 nicht berührt, es sei denn, daß auf sie der Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet ist. 2Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist nichtig, soweit der Erwerb gegen Abs 1 und 2 verstößt. (4) Dem Erwerb eigener Aktien steht es gleich, wenn eigene Aktien als Pfand genommen werden. (5) Ein abhängiges Unternehmen darf Aktien der herrschenden Gesellschaft nur nach den Vorschriften über den Erwerb und die Inpfandnahme eigener Aktien erwerben oder als Pfand nehmen. (6) Ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft oder einem abhängigen Unternehmen und einem anderen, wonach dieser berechtigt ist oder verpflichtet sein soll, eigene Aktien der Gesellschaft für Rechnung der Gesellschaft oder des abhängigen Unternehmens zu erwerben oder als Pfand zu nehmen, ist nichtig, soweit der Erwerb und die Inpfandnahme der Aktien durch die Gesellschaft oder das abhängige Unternehmen gegen Abs 1, 2, 4 und S verstößt. (7) 1Aus eigenen Aktien stehen der Gesellschaft keine Rechte zu. 2Gleiches gilt für Aktien, die ein anderer für Rechnung der Gesellschaft erworben hat." 112

f) Aktienrechtsreform des Jahres 1965. Im Vorfeld der Reform erhielt § 65 Abs 1 AktG durch das Gesetz über die Kapitalerhöhung aus gesetzlichen Mitteln 2 6 5 im Jahre 1959 eine neue Fassung. Es wurde eine fünfte Ausnahme vom Erwerbsverbot geschaffen, wonach eigene Aktien von der Gesellschaft zum Zwecke der Ausgabe an die Arbeitnehmer zurück erworben werden dürfen. Außerdem wurde die Ermächtigung des Reichswirtschaftsministers, ausnahmsweise eine Überschreitung der Zehnprozentschranke zu genehmigen, abgeschafft. Die Absätze 2 bis 7 blieben unverändert.

113

Im Zuge der Reform des Jahres 1965 wurde sodann das Verbot des Erwerbs eigener Aktien anstatt in § 65 aF nun in § 71 geregelt. Der Gesetzgeber normierte zwei weitere Ausnahmen vom Erwerbsverbot: Der Erwerb eigener Aktien war danach auch zulässig, wenn er der Abfindung von Aktionären diente (§ 71 Abs 1 S 1 Nr 3) und wenn er im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge vonstatten ging (§ 71 Abs 1 S 1 Nr 5). Die neue Fassung 2 6 6 enthielt daher nun in § 71 Abs 1 insgesamt sieben Ausnahmefälle, wobei unter der Ziffer 4 der unentgeltliche Erwerb und die Einkaufskommission zusammengefasst wurden. Die weiteren Absätze wurden im Wesentlichen nur sprachlich und redaktionell modifiziert:

264 265

Schön 1937, S 21. BGBl I (1959), S 789, 7 9 2 .

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BGBl I (1965), S 1089.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

„(1) 1Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben, 1. wenn der Erwerb notwendig ist, um einen schweren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, 2. wenn die Aktien den Arbeitnehmern der Gesellschaft zum Erwerb angeboten werden sollen, 3. wenn der Erwerb geschieht, um Aktionäre nach § 30S Abs 2 oder § 320 Abs 5 abzufinden, 4. wenn auf Aktien der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet ist und der Erwerb unentgeltlich geschieht oder die Gesellschaft mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt, 5. durch Gesamtrechtsnachfolge oder 6. auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals. 2Der Gesamtnennbetrag der zu den Zwecken nach Nr 1 bis 3 erworbenen Aktien darf jedoch zusammen mit dem Betrag anderer Aktien der Gesellschaft, die die Gesellschaft oder ein abhängiges oder ein in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein anderer für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens bereits zu diesen Zwecken erworben hat und noch besitzt, zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen. (2) 1Ein Verstoß gegen Absatz 1 macht den Erwerb eigener Aktien nur unwirksam, wenn auf sie der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet ist. 2Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist nichtig, soweit der Erwerb gegen Absatz 1 verstößt. (3) 1Dem Erwerb eigener Aktien steht es gleich, wenn eigene Aktien als Pfand genommen werden. 2Jedoch darf ein Kreditinstitut eigene Aktien bis zu dem in Absatz 1 S 2 bestimmten Gesamtnennbetrag als Pfand nehmen; sie rechnen zu den Aktien, die zu den Zwecken nach Absatz 1 Nr 1 bis 3 als Pfand genommen sind. (4) 1Etn abhängiges Unternehmen darf Aktien der herrschenden Gesellschaft, ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nur erwerben oder als Pfand nehmen, soweit dies der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nach Absatz 1 Nr 1 bis 5, Absatz 3 S 2 gestattet wäre. 2Ein Verstoß gegen S 1 macht den Erwerb oder die Inpfandnahme eigener Aktien nicht unwirksam; jedoch ist das schuldrechtliche Geschäft über einen verbotswidrigen Erwerb oder eine verbotswidrige Inpfandnahme nichtig. (5) Ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft oder einem abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen und einem anderen, nach dem dieser berechtigt oder verpflichtet sein soll, eigene Aktien der Gesellschaft für Rechnung der Gesellschaft oder des abhängigen oder des in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens zu erwerben oder ab Pfand zu nehmen, ist nichtig, soweit der Erwerb oder die Inpfandnahme der Aktien durch die Gesellschaft oder das abhängige oder das in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen gegen die Absätze 1, 3 und 4 verstößt. (6) 1Aus eigenen Aktien stehen der Gesellschaft keine Rechte zu. 2Gleiches gilt für Aktien, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören." g) KapRL von 1976 und Aktienrechtsnovelle von 1978. Nachdem in den vorausgegangenen vierzig Jahren die Regelung keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen erfahren hatte, kam es im Jahre 1978 wieder zu einer bedeutsamen Reform. Die Europäische KapRL vom 1 3 . 1 2 . 1 9 7 6 2 6 7 hatte zuvor ausführlich in ihren Art 1 9 - 2 4 und 3 9 den

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Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art 58 Abs 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für Erhal-

tung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl EG Nr L 026 vom 30.01.1977, S 1 ff; der Text ist auch abgedruckt bei Lutter Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 1984, S 95 ff.

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§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft harmonisiert. Während der deutsche Gesetzgeber bislang vor allem die Nachteile und Risiken des Erwerbs eigener Aktien im Blick hatte, 2 6 8 hob die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag für eine KapRL auch die Vorteile des Erwerbs eigener Aktien hervor. Ursprünglich sollte daher der Erwerb bis zu einer Grenze von 2 5 % des Grundkapitals ermöglicht werden (Art 18 Abs 1 lit d des Entw u r f s ) 2 6 9 . Dieser Vorschlag setzte sich jedoch nicht durch, sondern es blieb bei der - im deutschen Recht bereits verankerten - Zehnprozentschranke. Die grundlegende Bestimmung des Art 19 Abs 1 der Richtlinie lautet wie folgt: „Gestatten die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats einer Gesellschaft den Erwerb eigener Aktien, sei es selbst, sei es durch eine im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschaft handelnde Person, so unterwerfen sie den Erwerb mindestens folgenden Bedingungen: a) Die Genehmigung für den Erwerb wird von der Hauptversammlung erteilt, welche die Einzelheiten des vorgesehenen Erwerbs und insbesondere die Höchstzahl der zu erwerbenden Aktien, die Geltungsdauer der Genehmigung, die achtzehn Monate nicht überschreiten darf, und bei entgeltlichem Erwerb den niedrigsten und höchsten Gegenwert festlegt. Die Mitglieder des Verwaltungs- oder Leitungsorgans sind verpflichtet, darauf zu achten, daß im Zeitpunkt jedes genehmigten Erwerbs die unter Buchstaben b), c) und d) genannten Bedingungen beachtet werden; b) der Nennbetrag oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, der rechnerische Wert der erworbenen Aktien einschließlich der Aktien, welche die Gesellschaft früher erworben hat und noch hält, sowie der Aktien, die eine Person im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Gesellschaft erworben hat, darf nicht höher als 10 v. H. des gezeichneten Kapitals sein; c) der Erwerb darf nicht dazu führen, daß das Nettoaktiwermögen den in Artikel IS Abs 1 Buchstabe a) genannten Betrag unterschreitet; d) der Vorgang darf nur voll eingezahlte Aktien betreffen." 115

Die Richtlinie will zwar - wie die deutsche Regelung - Aktienrückkäufe der Gesellschaften begrenzen. Im Unterschied zur deutschen Rechtslage orientieren sich die Einschränkungen jedoch nicht in erster Linie an besonderen Erwerbszwecken, sondern es soll vor allem zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger sichergestellt werden, dass ein gewisses Kapital nicht angetastet w i r d : 2 7 0 So eröffnet die Richtlinie dem Vorstand die Möglichkeit, eigene Aktien - unabhängig vom Erwerbszweck - zurück zu erwerben, wenn eine Ermächtigung der Hauptversammlung vorliegt (Art 19 Abs 1 lit a). Damit geht die Richtlinie weit über die bisherige deutsche Rechtslage hinaus. 2 7 1 Darüber hinaus beinhaltet sie auch eine inhaltliche Verschärfung des Erwerbsverbotes: 2 7 2 Erstens darf der Aktienerwerb nicht aus gebundenem, sondern nur aus ausschüttungsfähigem Kapital finanziert werden (vgl Art 19 Abs 1 lit c). Zweitens muss gem Art 22 Abs 1 lit b) dann, wenn die erworbenen Aktien auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen werden, ein identischer Betrag auf der Passivseite in eine nicht verfügbare Rücklage eingestellt

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Wastl/Wagner/Lau 1997, S 79. Vorschlag einer zweiten Richtlinie des Rates vom 9. März 1970 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art 58 Abs 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, ABl EG Nr C 48 vom 24.4.1970, S 12, 19; vgl auch MünchKomm/ Oechsler 33.

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Bezzenberger 2002, S 19 f: Der deutsche Gesetzgeber habe in der Vergangenheit „einfach nicht sehen" wollen, „daß es entscheidend darauf ankommt, ob die Gesellschaft das Entgelt aus freiem, verteilbarem Vermögen aufbringen kann." Benckendorff 1998, S 44; Bezzenberger 2002, S 19; MünchKomm/Oechsler 33. BT-Drucks 8/1678, S 14 Ii Sp; Benckendorff 1998, S 44 f; Bezzenberger 2002, S 20; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 9; KK/Lutter 8.

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§71

Erwerb eigener Aktien

werden. So sieht die Richtlinie in Höhe des Wertansatzes der eigenen Aktien eine besondere Ausschüttungssperre vor. Drittens wird die Gesellschaft verpflichtet, unzulässig erworbene eigene Aktien zu veräußern oder einzuziehen (vgl Art 21 S 1 und Art 2 0 Abs 3 K a p R L ) . 2 7 3 Viertens werden erstmals bestimmte Umgehungsmöglichkeiten, so namentlich der Erwerb von Aktien durch verbundene Unternehmen, von der Regelung erfasst (Art 2 3 , 2 4 a K a p R L , umgesetzt in § 7 1 a ) . 2 7 4 Neben diesem Grundtatbestand der Ermächtigung durch die Hauptversammlung (Art 19 Abs 1) werden in Art 19 Abs 2 und Art 2 0 K a p R L bestimmte Erwerbszwecke aufgelistet, die ebenfalls den Erwerb eigener Aktien rechtfertigen. In diesem Katalog sind auch die bereits in § 71 Abs 1 A k t G enthaltenen Ausnahmetatbestände enthalten, 2 7 5 weshalb sich für den deutschen Gesetzgeber insoweit kein Anpassungsbedarf ergab.

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Als der deutsche Gesetzgeber die Kapitalrichtlinie im Zuge der Aktienrechtsnovelle vom 13. Dezember 1 9 7 8 2 7 6 umsetzte, hielt er im Wesentlichen an der Regelung des Jahres 1 9 6 5 fest. Dies war möglich, weil die Richtlinie in Art 19 Abs 1 lediglich gewisse Mindeststandards festlegt und folglich strengere einzelstaatliche Regelungen zulässt. 2 7 7 Insbesondere blieb es bei dem bisherigen abschließenden Katalog verschiedener Erwerbszwecke (§ 71 Abs 1 Nr 1 - 6 A k t G 1965). Dies begründete der deutsche Gesetzgeber damit, dass „wegen des zweifelhaften Wertes, den die Möglichkeit des Erwerbs eigener Aktien ganz allgemein hat [...] von dieser Möglichkeit der Richtlinie im deutschen Recht nicht Gebrauch gemacht werden" sollte. 2 7 8 Von dieser Position rückte der deutsche Gesetzgeber erst Ende der 90er Jahre ab, als er die heutige Regelung des § 71 Abs 1 Nr 8 durch das K o n T r a G vom 2 7 . 4 . 1 9 9 8 einführte 2 7 9 (näher Rdn 125 f).

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Während also der deutsche Gesetzgeber einerseits von den Möglichkeiten der K a p R L zur Liberalisierung des Erwerbs eigener Aktien keinen Gebrauch machte, war er andererseits gezwungen, die Beschränkung, die die Richtlinie für den Rückerwerb vorschrieb, in das nationale Recht umzusetzen: 2 8 0 Neu aufgenommen wurde daher wegen Art 19 Abs 1 lit c) die Bestimmung des § 71 Abs 2 S 2 (Kapitalgrenze) und die Vorschrift des § 150a AktG, dem die heutige Fassung des § 2 7 2 Abs 4 H G B weitestgehend entspricht. Neu aufgenommen in das Gesetz wurde ferner wegen Art 2 2 Abs 1 lit b) die Bestimmung des § 151 Abs 1 II Nr 2 AktG, dem die heutige Fassung des § 2 6 6 Abs 3 Α III 2 . H G B entspricht. § 71 Abs 2 S 2 unterschied sich von seiner heutigen Fassung - die er im Rahmen des Bilanzrichtliniengesetz von 198 5 2 8 1 erhielt (näher R 120) - nur insofern, als er zunächst noch auf § 150a A k t G verwies:

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279

(89)

G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 9; K K / L u t t e r 8. Hüffer 2; KKJ Lutter 8. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 19 f. BGBl I ( 1 9 7 8 ) , S 1 9 5 9 ff; Begr.RegE, BT-Drucks 8 / 1 6 7 8 ; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks 8 / 2 2 5 1 ; Empfehlungen der Ausschüsse BR-Drucks 2 / 7 8 . Bezzenberger 2 0 0 2 , S 2 0 f. BT-Drucks 8 / 1 6 7 8 , S 14 re Sp; vgl dazu Ganske DB 1 9 7 8 , 2 4 6 1 , 2 4 6 3 ; Peltzer W M 1998, 322, 326. Z w a r machte der deutsche Gesetzgeber später von der Ausnahmevorschrift des Art 19 Abs 1 lit a) K a p R L Gebrauch, als er die heutige Regelung des § 71 Abs 1 N r 7

durch das zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 2 6 . 7 . 1 9 9 4 , BGBl I S 1 7 4 9 schuf (vgl BT-Drucks 1 2 / 6 6 7 9 , S 8 4 Ii Sp; näher Rn 2 3 8 ff). Da diese Regelung jedoch neben dem Beschluss der Hauptversammlung den Erwerbszweck des Wertpapierhandels zur Voraussetzung des Rückerwerbs macht, kann nicht davon gesprochen werden, dass der Gesetzgeber den Erwerb eigener Aktien unabhängig vom Erwerbszweck erlaubt hätte. Diesen Schritt vollzog der deutsche Gesetzgeber erst im Jahre 1 9 9 8 (näher Rdn 1 2 5 f). 280 281

Dazu Benckendorff BGBl I, S 2 3 5 5 .

Hanno Merkt

1998, S 45.

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

„Dieser Erwerb ist femer nur zulässig, wenn die Gesellschaft die nach § ISOa vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien bilden kann, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden darf." Mit dieser Regelung sollte verhindert werden, dass durch die Aktivierung rückerworbener eigener Aktien als Aktivposten im Umlaufvermögen ein ausschüttungsfähiger Gewinn entsteht (Ausschüttungssperre). 2 8 2 N a c h dem Vorbild der romanischen Rechtsordnungen traten als weitere Verschärfungen neben diese Neutralisierung der eigenen Aktien in der Bilanz zwei weitere Sanktionen, 2 8 3 so dass von einem dreistufigen Sanktionssystem gesprochen w i r d : 2 8 4 Bei Verstoß gegen das Erwerbsverbot besteht die Pflicht zur Veräußerung der Aktien nach Art 21 S 1 KapRL (umgesetzt in § 71c Abs 1 und 2) und, wenn dies innerhalb gewisser Fristen nicht erfolgte, nach Art 20 Abs 3 KapRL die Pflicht, die Aktien gem § 237 einzuziehen (umgesetzt in § 71c Abs 3). Im Unterschied zu § 71 Abs 2 S 1 in der Fassung von 1965, wonach der dingliche Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien nichtig war, ist daher das dingliche Rechtsgeschäft nunmehr wirksam (vgl § 71 Abs 4 S I , näher Rdn 360). Denn das Pflichtenprogramm des § 71c, wonach die Gesellschaft das Eigentum an den Aktien entweder im Wege der Veräußerung oder im Wege der Einziehung wieder aufgeben muss, setzt denknotwendig voraus, dass die Gesellschaft das Eigentum zunächst erlangt. 2 8 5 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden schließlich jene Bestimmungen, die den Rückerwerb eigener Aktien betreffen, auf mehrere Paragraphen verteilt (vgl § 71, 71a-e). 2 8 6 119

Z u beachten ist, dass sich als Folge der Rechtsharmonisierung durch die KapRL die Auslegung der §§ 71 ff an der Richtlinie zu orientieren hat (Gebot der richtlinienkonformen Auslegung): 2 8 7 Das bedeutet in den Worten des E u G H , „dass das nationale Gericht bei der Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere auch der Vorschrift eines speziell zur Durchführung der Richtlinie [...] erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen hat, um das in Art 189 Abs 3 E G V 2 8 8 genannte Ziel zu erreichen." 2 8 9 Dabei k o m m t es maßgeblich auf den Zweck der KapRL an, der in der Begründung der Richtlinie 2 9 0 wie folgt umschrieben wird: „Die Satzung oder der Errichtungsakt einer Aktiengesellschaft muß im Gebiet der Gemeinschaft jedem Interessierten die Möglichkeit bieten, die wesentlichen Merkmale der Gesellschaft und insbesondere die genaue Zusammensetzung des Gesellschaftskapitals zu kennen. Die Gemeinschaft muss deshalb Vorschriften erlassen, um das Kapital als Sicherheit für die Gläubiger zu erhalten, indem [...] die Möglichkeit einer Gesellschaft, eigene Aktien zu erwerben, begrenzt wird."

120

h) Bilanzrichtliniengesetz von 1985. Das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG) 2 9 1 brachte nur eine geringfügige Veränderung mit sich. Da § 150a AktG betreffend die Bildung von

282

283 284 285

286 287

BT-Drucks 8/1678, S 17 re Sp; vgl Benckendorff 1998, S 45. BT-Drucks 8/1678, S 14 Ii Sp. MünchKomm/Oechsler 34. BT-Drucks 8/1678, S 16; KKJLutter 76; MünchKomm/Oechsler 298. BT-Drucks 8/1678, S 14 re Sp. Näher dazu di Fabio NJW 1990, 947, 948 ff; Everling ZGR 1992, 376; HommelhoffkcV 192 (1992), 71, 95 ff; KKJLutter 7;

288

289

290 291

Lutter Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 1984, S 19 f; ders Festschrift Ferid, S 599, 611 ff; ders JZ 1992, 593. Inzwischen findet sich diese Regelung in Art 249 Abs 3 EGV. EuGH Slg 1984, 1891, 1909 = NJW 1984, 2021, 2022 („Colson-Kamann/NRW"). ABl EG Nr L 026 vom 30.01.1977, S 1. BGBl I, S 2355.

Stand: 1.11.2007

(90)

Erwerb eigener Aktien

§71

Rücklagen für eigene Aktien aufgehoben wurde und § 2 7 2 Abs 4 H G B (Kapitalrücklage) an seine Stelle trat, musste der Verweis in § 71 Abs 2 S 2 nF entsprechend angepasst werden. 2 9 2 i) Zweites Finanzmarktförderungsgesetz von 1994. Im Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 2 6 . 7 . 1 9 9 4 2 9 3 wurde zum einen der Arbeitnehmerbegriff des § 71 Abs 1 Nr 2 auch auf ehemalige Arbeitnehmer erstreckt. 2 9 4 Zum anderen wurde mit § 71 Abs 1 Nr 7 eine weitere Ausnahme zugelassen: Danach dürfen Kredit- und Finanzinstitute eigene Aktien erwerben, wenn ein Beschluss der Hauptversammlung gefasst wird und der Erwerb dem Wertpapierhandel dient. Diese Regelung war erforderlich geworden, weil die großen deutschen Kreditinstitute, die von Aktiengesellschaften getragen werden, für ihre Kunden sämtliche auf dem Markt erhältlichen Wertpapiere, folglich auch eigene Aktien, kaufen und verkaufen. Während über lange Zeit hinweg § 71 Abs 1 Nr 4 , wonach für die Kunden eine Einkaufskommission durchgeführet werden darf, ausreichend erschien, entwickelte sich in der Praxis das Bedürfnis, einen gewissen Handelsbestand auch ohne konkreten Auftrag eines Kunden zu halten und die Kauf- und Verkaufsaufträge der Kunden im Wege des Selbsteintritts abzuwickeln. 2 9 5 Denn nur auf diese Weise lassen sich Kundenaufträge hinreichend zügig ausführen. Nachdem sich daher der Ausnahmefall des § 71 Abs 1 Nr 4 „in der Praxis als zu eng erwiesen" hatte, 2 9 6 wurden diese Erwerbsfälle entsprechend der verbreiteten Ansicht „mehr schlecht als recht" unter den Erlaubnistatbestand der Schadensabwehr (§ 71 Abs 1 Nr 1) subsumiert 2 9 7 . Mit dem neu geschaffenen Ausnahmefall des § 71 Abs 1 Nr 7 sollten diese Erwerbsfälle auf eine gesicherte rechtliche Grundlage gestellt werden. 2 9 8

121

j) Umwandlungsbereinigungsgesetz von 1 9 9 4 . Im Umwandlungsbereinigungsgesetz (UmwBerG) von 199 4 2 9 9 wurde der Ausnahmetatbestand des § 71 Abs 1 Nr 3 erweitert. Bis dahin war der Erwerb eigener Aktien nur in zwei Fällen, nämlich zur Abfindung von Minderheitsaktionären beim Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 3 0 5 Abs 2 AktG) und bei der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss (§ 3 2 0 b A k t G ) 3 0 0 , also im Konzernrecht, möglich gewesen. Nunmehr wollte der Gesetzgeber „die erforderliche Parallele in den Abfindungsregelungen des Konzernrechts einerseits und des Umwandlungsrechts andererseits" schaffen. 3 0 1 Gestattet wurde der Erwerb eigener Aktien auch in den Fällen, in denen eine Abfindung nach den §§ 2 9 Abs 1, 125 S 1 und § 2 0 7 Abs 1 S 1 des ebenfalls im Jahre 1994 neu geschaffenen Umwandlungsgesetzes zu leisten ist.

122

k) Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften von 1997. Im Rahmen dieses Gesetzes 3 0 2 wurde § 71 Abs 1 Nr 7, der bisher nur für Kreditinstitute gegolten hatte, auf

123

292 293

294 295

KKJLutter 9.

BGBl I, S 1749.

Benckendorff

1998, S 45.

berger 2002, S 21 f; Butzke WM 1995, 1389, 1390; KK/Lutter 27. 296

297

(91)

298

BT-Drucks 12/6679, S 83 re Sp; näher dazu auch Aha, AG 1992, 218, 220 ff; Bezzen-

BT-Drucks 12/6679, S 83 re Sp. Bezzenberger 2002, S 22; dazu auch

299

300

301 302

KKJLutter 11, 61; dies wurde vom BGH nicht beanstandet, vgl BGHZ 101, 1, 15 ff. BT-Drucks 12/6679, S 83 re Sp. BGBl I, S 3210. Diese Regelung war damals noch in § 3 2 0 Abs 5 AktG enthalten. BT-Drucks 12/6699, S 177 Ii Sp. BGBl I, S 2567.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Finanzdienstleistungsinstituten iSv § 1 Abs l a KWG und Finanzunternehmen iSv § 1 Abs 3 KWG erweitert. Da diesen Einrichtungen der Handel mit Wertpapieren ebenfalls erlaubt ist, sollte ihnen - ebenso wie bislang schon den Kreditinstituten - auch der Handel mit eigenen Aktien erlaubt werden. 3 0 3 124

1) Stückaktiengesetz vom 25.3.1998. Mit der Zulassung von Stückaktien (§ 8 Abs 1 nF) 3 0 4 wollte der Gesetzgeber den Gesellschaften eine Alternative zu den Nennbetragsaktien anbieten, da letztere - im Unterschied zu den Stückaktien - später auf Beträge in € umzustellen waren. 3 0 5 Daher mussten die § 71 Abs 2 S 1 und § 71 Abs 2 S 3 terminologisch in der Weise angepasst werden, dass sie nicht mehr nur auf Nennbetragsaktien, sondern auch auf Stückaktien Anwendung finden.

125

m) KonTraG vom 27.4.1998. In den achtziger und neunziger Jahren erkannten Wirtschaftspraxis und Rechtswissenschaft zunehmend die Vorteile des Rückerwerbs eigener Aktien (näher dazu Rdn 17 ff), weshalb der Ruf nach weitgehender Liberalisierung des Regelungsregimes immer deutlicher wurde. 3 0 6 Dabei wurde vor allem darauf verwiesen, dass Deutschland mit seinem restriktiven Ansatz in der EU isoliert war, 3 0 7 dass in den USA der Erwerb eigener Aktien schon seit Jahrzehnten grundsätzlich erlaubt war und seit den 80er Jahren der Rückerwerb vermehrt auch als Mittel zur Kursbeeinflussung angewendet wurde. 3 0 8 Die deutsche Isolation wurde von vielen deutschen Aktiengesellschaften als Wettbewerbsnachteil wahrgenommen.

126

Der Gesetzgeber reagierte und führte durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) 3 0 9 im Jahre 1998 mit § 71 Abs 1 Nr 8 nF einen neuen Ausnahmefall ein. Danach ist nun erstmals der Erwerb eigener Aktien allein aufgrund einer Ermächtigung seitens der Hauptversammlung erlaubt, ohne dass es eines besonderen Erwerbsgrundes bedarf. Der Gesetzgeber hat damit den Spielraum, den Art 19 Abs 1 der Europäischen KapRL von 1976 bietet, voll ausgeschöpft 3 1 0 . Diese Entwicklung ist mit einem Paradigmenwechsel verbunden: Der Gesetzgeber überlässt es nämlich erstmals der Entscheidung der Aktiengesellschaft - dh der Hauptversammlung und dem Vorstand - aus welchen Gründen die Gesellschaft eigene Aktien zurück erwirbt. Es soll gem § 71 Abs 1 N r 8 S 2 nF lediglich verhindert werden, dass die Aktiengesellschaft fortlaufend eigene Aktien kauft, um „Trading-Gewinne zu machen" (näher Rn 273 ff). 311 In der Gesetzesbegründung heißt es, dass „das Finanzierungsinstrumentarium der deutschen Gesellschaften [...] damit an die international übliche Praxis [...] angeglichen" werden soll. 312 Die Gesetzesbegründung nennt drei mögliche Anwendungsfälle für den neu geschaffenen Ausnahmetatbestand: zu hohes Eigenkapital, mangelnde Rentabilität der Gewinnrücklagen und Vorbereitung der Einziehung:

303 304 305 306

307

BT-Drucks 13/7143, S 32 re Sp. BGBl I, S 590. BT-Drucks 13/9573, S 10. Claussen AG 1991, 10, 13; ders AG 1996, 481, 4 9 0 f; Eberstadt W M 1996, 1809 f; Kubier 1989, S 6 2 ff; Martens AG 1996, 3 3 7 ff; Piepenburg BB 1996, 2 5 8 2 ; von Rosen/Helm AG 1996, 4 3 4 ff; Wastl/ Wagner/Lau 1997, S 16 ff, 22, 2 9 ff, 125 ff; 147 ff; anders Kopp 1996, S 5 3 ff, 153 ff. Skog ZGR 1997, 3 0 6 , 314 ff; Wastl/

308

309 310 311 312

Wagner/Lau 1997, S 95 ff, 126; bereits zuvor Ziehe AG 1982, 175. Benckendorff 1998, S 73 ff, 9 9 ff; EscberWeingart/Kübler Z H R 162 (1998), 537, 546 ff; Kubier 1989, S 41 ff; Posner AG 1994, 312 ff; Wastl/Wagner/Lau 1997, S 23 ff; Bezzenberger 2 0 0 2 , S 2 2 f. BGBl I, S 786. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 2 3 f. BT-Drucks 13/9712, S 13 re Sp. BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(92)

Erwerb eigener Aktien

§71

„Der Eigenerwerb kann es aber Unternehmen ermöglichen, Aktienmaterial aus dem Markt zu nehmen und das umlaufende Material zu verknappen. Dies kann sinnvoll sein, wenn das Eigenkapital des Unternehmens dauerhaft oder mittelfristig zu hoch ist. Die Eigenkapitalrendite auf die verbleibenden Aktien kann erhöht werden, wenn mit den zum Rückkauf verwendeten Gewinnrücklagen anderweitig keine angemessene Rendite erzielt werden kann. Der Eigenerwerb kann vor allem auch der Vorbereitung einer endgültigen Einziehung der Aktien dienen."313 Während der Gesetzgeber noch im Jahre 1978 vor allem den „zweifelhaften Wert" (näher Rdn 114 ff) des Erwerbs eigener Aktien betont hatte, rückte er nun mit dieser Begründung erstmals auch dessen wirtschaftliche Vorteile in den Vordergrund. Dieses Umdenken ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass der Rückerwerb eigener Aktien seine Bedenklichkeit nach der Aktienrechtsnovelle von 1978 aus zwei Gründen weitgehend verloren hatte: 3 1 4 Erstens sind die Aktien heute bilanziell zu neutralisieren (§ 272 Abs 4 HGB; näher dazu Rdn 328 ff). 3 1 5 Zweitens verhindert die Kapitalgrenze des § 71 Abs 2 S 2, dass der Erwerb eigener Aktien fremdfinanziert oder zu Lasten des Grundkapitals durchgeführt werden kann. Während der Gesetzgeber durch die Europäische KapRL zu dieser inhaltlichen Verschärfung gezwungen war, erkannte er zunächst nicht an, dass auf diese Weise die Gefahren des Rückerwerbs eigener Aktien ausreichend bekämpft werden können: er verabschiedete sich daher zunächst nicht von seinem System, den Erwerb eigener Aktien nur bei gewissen Erwerbszwecken zu erlauben. Diese Konsequenz aus der Europäischen KapRL von 1976 zog er erst im Jahre 1998. Diese Ausweitung des Rückerwerbs eigener Aktien hat in der Literatur bereits während des Gesetzgebungsverfahrens und nach Inkrafttreten der N o r m ganz überwiegend Zustimmung gefunden. 3 1 6 n) Bericht der Regierungskommission Corporate Governance von 2001. In der Folgezeit wurde aber auch darüber nachgedacht, die Möglichkeiten des Rückerwerbs eigener Aktien noch weiter auszudehnen. So hat sich insbesondere die Regierungskommission Corporate Governance, die von der Bundesregierung zur Vorbereitung möglicher weiterer Reformen des Aktienrechts eingesetzt worden war, im Jahre 2001 dafür ausgesprochen, von Art 39 der KapRL Gebrauch zu machen und „rückerwerbbare Aktien" („redeemable shares"), die im europäischen Ausland und in den USA ein verbreitetes Finanzinstrument darstellen, auch im deutschen Aktienrecht vorzusehen (näher zu „redeemable shares" im englischen Recht Rdn 417). 3 1 7 Art 39 KapRL lautet wie folgt:

313 314 315

316

(93)

BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp. Vgl dazu MünchKomm/Oecfcs/er 39. Zunächst war diese Regelung in § 150a AktG aF enthalten. Geibel/Süßmann/Angerers AG-Sonderheft August 1997, 26, 35; Benckendorff 1998, S 93 ff; Claussen DB 1998, 177, 179 f; Habersack, Festschrift Lutter 2000, S 1329 ff; Hüffer 19c aE; Kühler AG-Sonderheft August 1997, 48, 51; Kraft/Altvater NZG 1998, 448 ff; MünchKomm/Oec/?s/er 39; Lutter AG-Sonderheft August 1997, 52, 56; Martens AG-Sonderheft August 1997, 83, 84 ff; Peltzer WM 1998, 322, 327 ff;

317

Seibert WM 1997, 1, 9, Wastl DB 1997, 461 ff; Zimmer NJW 1998, 3521, 3528; zustimmend auch der Gemeinsame Arbeitsausschuss des BDI ua, WM 1997,490, 492; der Deutsche Anwaltsverein, ZIP 1997, 163, 170 ff. Anders Adams AG-Sonderheft August 1997, 9, 20; Wenger AG-Sonderheft 1997, 57, 63. Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S 248 f; vgl dazu auch Habersack, FS Lutter 2000, S 1329 ff; Hoffmann-Becking 2002, S 215, 231.

Hanno Merkt

127

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

„Gestatten die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, daß Gesellschaften rückerwerbbare Aktien ausgeben, so verlangen sie für den Rückerwerb dieser Aktien mindestens die Beachtung folgender Voraussetzungen: a) Der Riickerwerb muß vor der Zeichnung der rückerwerbbaren Aktien in der Satzung oder dem Errichtungsakt zugelassen sein; b) diese Aktien müssen vollständig eingezahlt worden sein; c) die Bedingungen und die Durchführung des Rückerwerbs sind in der Satzung oder dem Errichtungsakt festgelegt; d) der Rückertverb darf nur mit Hilfe von Mitteln erfolgen, die nach Artikel 15 Absatz 1 ausgeschüttet werden dürfen, oder mit Erträgen aus einer Ausgabe neuer Aktien, die zum Zwecke dieses Rückerwerbs ausgegeben werden; e) ein Betrag in Höhe des Nennbetrags oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, des rechnerischen Wertes aller zurückerworbenen Aktien ist in eine Rücklage einzustellen, die, außer im Falle der Herabsetzung des gezeichneten Kapitals, nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden darf; sie darf nur dazu verwendet werden, durch Umwandlung von Rücklagen das gezeichnete Kapital zu erhöhen; f) Buchstabe e) ist nicht anzuwenden, sofern die Aktien mit Hilfe von Erträgen aus einer Ausgabe neuer Aktien zurückerworben werden, die zum Zweck dieses Rückerwerbs ausgegeben werden; g) sofern als Folge des Rückerwerbs die Zahlung eines Mehrbetrags zugunsten der Aktionäre vorgesehen ist, darf dieser nur aus Mitteln entnommen werden, die entweder nach Artikel 15 Absatz 1 ausgeschüttet werden dürfen oder einer anderen als der unter Buchstabe e) genannten Rücklage entnommen werden, die, außer im Falle der Herabsetzung des gezeichneten Kapitals, nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden darf; diese Rücklage darf nur zum Zwecke einer Erhöhung des gezeichneten Kapitals durch Umwandlung von Rücklagen oder zur Deckung der in Artikel 3 Buchstabe j) genannten Kosten oder der Kosten für die Ausgabe von Aktien oder von Schuldverschreibungen oder für die Zahlung eines Mehrbetrags zugunsten der Inhaber von zurückzuerwerbenden Aktien oder Schuldverschreibungen verwendet werden; h) der Rückerwerb ist nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gem Artikel 3 der Richtlinie 68/151/EWG vorgesehenen Verfahren offenzulegen." Im Unterschied zu Art 19 Abs 1 lit b) KapRL (näher Rdn 114 ff) enthält diese Bestimmung keine Zehnprozentschranke, so dass dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet wird, den Rückerwerb von Aktien im nationalen Recht in sehr viel weiter reichendem Umfang zuzulassen als bei herkömmlichen Aktien, indem er das Rechtsinstitut der rückerwerbbaren Aktien einführt. 3 1 8 Die Regierungskommission schlägt vor, diesen Spielraum zu nutzen und dieses Finanzierungsinstrument nach dem Vorbild des § 139 Abs 2 AktG bis zu einer Höchstgrenze von 5 0 % des Grundkapitals zuzulassen. 3 1 9 Indessen wird gerade diese Höchstgrenze v o n Teilen der Literatur als „lebensgefährlich" für die Aktiengesellschaften eingeschätzt und daher als zu hoch abgelehnt. 3 2 0 Die Diskussion um die Einführung rückerwerbbarer Aktien ist derzeit noch im Gange. 3 2 1 Außerdem schlug die Kommission unter anderem vor, § 71 Abs 1 N r 2 auf Handelsvertreter zu erstrecken, die ausschließlich für die Gesellschaft tätig sind. 3 2 2

318

3,9

320

So bereits Escher-Weingart/Kübler ZHR 162 (1998), 537, 542; Wastl/Wagner/Lau 1997, S 90. Vgl Bericht der Regierungskommission Corporate Governance 2001, S 249. Hoffmann-Becking 2002, S 215, 231; für eine niedrigere Höchstgrenze bereits vor dem Bericht der Regierungskommission: Habersack 2000, S 1329, 1345.

321

322

Grundsätzlich für eine Einführung, Hoffmann-Becking 2002, S 215, 231; so auch aus rechtsvergleichender Sicht Chamorro Dominguez AG 2004, 487, 491 f. Zu diesem und zu weiteren Vorschlägen vgl Bericht der Regierungskommission Corporate Governance 2001, S 220 ff.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(94)

Erwerb eigener Aktien

§71

o) Änderungsrichtlinie 2006/68/EG vom 6 . 9 . 2 0 0 6 . Am 6 . 9 . 2 0 0 6 ist schließlich die Richtlinie 2006/68/EG zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals verabschiedet worden. 3 2 3 Sie ist bis zum 15.4.2008 in nationales Recht umzusetzen ist. Wie von der Kommission vorgeschlagen, 3 2 4 in der Literatur aber nur teilweise unterstützt, 325 ist nun die in Art 19 Abs 1 lit b) KapRL aF enthaltene Beschränkung auf 10 % des Grundkapitals entfallen. Die Mitgliedstaaten sind damit in der Lage, den Erwerb eigener Aktien bis zur Grenze der ausschüttungsfähigen Mittel zuzulassen, dürfen dabei aber den von ihnen bestimmbaren Höchstwert nicht unter 10 % des gezeichneten Kapitals ansetzen, vgl Art 19 Abs 1 Unterabs 2 i) KapRL nF, so dass die bisherige Höchstgrenze die jetzige Untergrenze darstellt. M i t dieser Regelung wird die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen in den Mitgliedsstaaten verfolgt, was aber aufgrund der Tatsache, dass der Erwerb eigener Aktien auch vollständig ausgeschlossen werden kann, nur bedingt zutrifft. 3 2 6 Die Neufassung des Art 19 Abs 1 KapRL wirft zugleich eine Reihe von Fragen auf.

128

aa) Änderung der Bestandsgrenze für aufgrund einer Hauptversammlungsermächtigung erworbene eigene Aktien. Zur Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen des Art 19 Abs 1 KapRL nF auf den Rückerwerb eigener Aktien bedarf es zunächst einer Begriffsklärung. Mit „erworbene Aktien" in Art 19 Abs 1 Unterabs 2 i) KapRL nF sind nur die aufgrund einer Hauptversammlungsermächtigung erworbenen Aktien, nicht jedoch die Aktien iSv Art 19 Abs 2, Abs 3 oder Art 2 0 K a p R L erfasst. Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut. Unter „früher erworbenen Aktien" iSd 19 Abs 1 Unterabs 2 i) KapRL nF sind unverändert alle Aktien zu verstehen, die die Gesellschaft zum Zeitpunkt eines auf eine Hauptversammlungsermächtigung gestützten Erwerbs noch hält, und zwar unabhängig davon, auf welchen Tatbestand der Erwerb gestützt worden war. Dem Wortlaut des Art 19 Abs 1 Unterabs 2 i) KapRL nF lässt sich aber nicht entnehmen, ob es den Mitgliedsstaaten bei der Ausgestaltung der Bestandsgrenze freigestellt ist, bestimmte Erwerbstatbestände in Bezug auf „früher erworbene Aktien" bei der Berechnung auszunehmen, so dass künftig etwa § 71 Abs 1 Nr 4 unberücksichtigt bleiben könnte. 3 2 7 Dagegen könnte zunächst der Wortlaut des Art 19 Abs 1 Unterabs 2 KapRL nF sprechen, der auf eine abschließende Regelung hindeuten könnte. Andererseits zielt die Vorschrift gerade auf eine Erweiterung des Erwerbs eigener Aktien. Diesem Zweck läuft aber eine Erleichterung des Rückerwerbs durch den nationalen Gesetzgeber so lange nicht zuwider, als die mit der Richtlinie beabsichtigte Harmonisierung nicht beeinträchtigt wird. Damit stehen bei der nationalen Umsetzung in diesem Rahmen eine Vielzahl von Ausnahme- und Kombinationsmöglichkeiten offen. 3 2 8

129

bb) Änderung der Bestandsgrenze für nicht aufgrund einer Hauptversammlungsermächtigung erworbene Aktien. Problematisch ist, dass Art 19 Abs 1 Unterabs 2 i) KapRL nF weder nach seinem Wortlaut (vgl Unterabs 2: „Aktien im Sinne von Unterabsatz 1 " ) noch nach seiner systematischen Stellung die Erwerbstatbestände des Art 19 Abs 2 und Abs 3 KapRL (= § 71 Abs 1 Nr 1 und Nr 2) erfasst. De lege lata gilt aber die Höchstgrenze des § 71 Abs 2 S 1 von 10 % gerade auch für diese Tatbestände. Damit könnte die Einführung oder Beibehaltung einer Bestandsgrenze für die nach Art 19 Abs 2

130

323 324

325

(95)

ABl EG Nr L 264/32 ν 25.09.2006. KOM (2004), 730 - ABl EG Nr C 24 vom 29.1.2005. Oechsler ZHR 170 (2006), 72, 73 ff mwN.

326 Vgl Cahn Auswirkungen, S 5. 327 vgl Cahn Auswirkungen, S 6. 328

Zu diesen näher Cahn Auswirkungen, S 7.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

und Abs 3 KapRL (= § 71 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 AktG) erworbenen Aktien gegen die Vorgabe des Art 19 Abs 1 KapRL nF verstoßen. Dem widersprechen jedoch nicht nur Erwägungsgrund 4 zur Kapitaländerungsrichtlinie, der die flexible Reaktionsmöglichkeit bei Marktentwicklungen hervorhebt, sondern auch die Motive für die Änderung des Art 19 Abs 1 KapRL selbst, 3 2 9 so dass im Ergebnis auch die Erwerbsgründe der Art 19 Abs 2 und Abs 3 KapRL (= § 71 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 AktG) mit einer vom nationalen Gesetzgeber bestimmbaren Bestandsgrenze verknüpft werden können 3 3 0 . 131

cc) Auswirkungen auf die Erwerbsgrenzen der § 71 Abs 1 Nr 7 und Nr 8 AktG. Die Bestimmung des Art 19 Abs 1 Unterabs 2 ii) KapRL nF sieht im Unterschied zu Art 19 Abs 1 Unterabs 2 i) KapRL nF keine Gestaltungsmöglichkeit vor, so dass der nationale Gesetzgeber die mengenmäßigen Beschränkungen der § 71 Abs 1 Nr 7 und Nr 8 AktG künftig nicht mehr aufrechterhalten kann, da insofern der Regelungskompetenz eine Grenze gesetzt ist. 3 3 1 Die genannten Erwerbsgrenzen in § 71 Abs 1 Nr 7 und Nr 8 AktG sind folglich zu streichen.

132

dd) Änderungen in zeitlicher Hinsicht. Die Vorschrift des Art 19 Abs 1 Unterabs 2 i) KapRL nF ermöglicht die Verlängerung der Geltungsdauer der Genehmigung für den Rückerwerb eigener Aktien durch die Hauptversammlung von achtzehn Monaten (vgl de lege lata § 71 Abs 1 Nr 7 S 3 und § 71 Abs 1 Nr 8 AktG am Anfang) auf bis zu fünf Jahre. Diese Neuregelung ist zu begrüßen, da praktisch ohnehin durch aufeinanderfolgende Genehmigungen eine Umgehung der achtzehnmonatigen Frist möglich w a r 3 3 2 und jetzt im Zusammenspiel mit § 2 0 2 AktG ein einheitliches modernes Finanzierungsmanagement des Vorstands ermöglicht wird. 3 3 3 Bedenken, dass der nationale Gesetzgeber über eine sehr kurz bemessene zeitliche Höchstgrenze den - wie gezeigt zwingenden - Wegfall der Erwerbsgrenze des § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 AktG aus Gläubigerschutzgesichtspunkten kompensieren könnte, 3 3 4 sind mit dem Hinweis auf das Ruhen der Rechte aus eigenen Aktien gem § 71b AktG auszuräumen, so dass letztlich kein Bedürfnis für eine enge zeitliche Beschränkung besteht. Die Dauer der Befugnis zum Rückerwerb ist neben der Befugnis selbst, der Höchstzahl der zu erwebenden Aktien und dem höchsten bzw. niedrigsten Gegenwert in der Satzung der Gesellschaft festzulegen, vgl Art 19 Abs 1 Unterabs 2 ii) KapRL nF.

133

ee) Sonstige Änderungen. Eine wegen Art 4 2 KapRL lediglich deklaratorische Neuerung stellt der in Art 19 Abs 1 KapRL nF kodifizierte Grundsatz „der Gleichbehandlung aller Aktionäre, die sich in denselben Verhältnissen befinden", dar. 335 Gleiches gilt für den Vorbehalt zugunsten der Martkmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG. Nach Art 23 KapRL nF ist der Rückerwerb eigener Aktien durch einen Dritten mittels Darlehen und Vorschüssen der Gesellschaft entgegen der bisherigen Rechtslage nunmehr zulässig, wenn der Vorstand die dort genannten Bedingungen - im Vordergrund stehen faire und marktübliche Konditionen - befolgt, wobei das Geschäftsvorhaben der Hauptversammlung zur Genehmigung vorzulegen ist, vgl Art 23 Abs 1 Unterabs 3 KapRL nF. In seinen Auswirkungen eher als unbedeutend einzuschätzen ist schließlich Art 19 Abs 1 Unterabs 2v)

329

330

Vorschlag der Kommission ν 29.10.2004, KOM (2004) 730, sub 2.3. (S 6). Ebenso Cahn Auswirkungen, S 10 ff mit weiteren Überlegungen zu einer Abweichung von der Bestandsgrenze der durch die Hauptversammlungsermächtigung erworbenen Aktien.

331 332

333 334 335

Cahn Auswirkungen, S 16. Krit hierzu Oechsler Z H R 170 (2006), 72, 79. Oechsler Z H R 170 (2006), 72, 81. Cahn Auswirkungen, S 19. Cahn Auswirkungen, S 3.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(96)

Erwerb eigener Aktien

§71

KapRL nF, der die Mitgliedsstaaten dazu befugt, den Erwerb eigener Aktien von der Bedingung abhängig zu machen, dass die Befriedigung von Gläubigerforderungen nicht beeinträchtigt wird. Die geringe praktische Bedeutung erklärt sich aus dem Umstand, dass bereits Art 19 Abs 1 Unterabs 1 lit b) KapRL nF die Unterschreitung des Nettoaktivvermögens unter den in Art 15 Abs 1 lit a) und b) KapRL genannten Betrag verbietet, so dass eine zusätzliche Sicherheit der Gläubiger mit der Regelung in Art 19 Abs 1 Unterabs 2 v) KapRL nF nicht verbunden ist. 336 6. Systematik des § 71 und Verhältnis zu § 57 Im Grundsatz ist der Erwerb eigener Aktien verboten und nur in den Fällen der Nr 1 - 8 ist ausnahmsweise erlaubt ist (§ 71 Abs 1 „darf [...] nur erwerben"). 3 3 7 Der Grundsatz des Erwerbsverbotes lässt sich auch § 57 Abs 1 S 1 entnehmen, denn § 57 Abs 1 S 2 verweist mittelbar auf § 71 als Verbotsausnahme, und die Zahlung des Kaufpreises an den Aktionär stellt grundsätzlich eine verbotene Ausschüttung außerhalb der Verteilung des Bilanzgewinnes dar. 338 Aus systematischen Gründen kann es jedoch nicht überzeugen, den Grundsatz des Erwerbsverbotes lediglich in § 57 Abs 1 S 1 verankert zu sehen. 3 3 9 Vielmehr hat § 57 Abs 1 S 2 nur die Funktion, die beiden Vorschriften aufeinander abzustimmen. Der Gesetzeszweck der § 71 Abs 1 Nr 1-8, wonach der Rückerwerb eigener Aktien in bestimmten Fällen zuzulassen ist, könnte nicht erreicht werden, wenn darin zugleich eine verbotene Rückgewähr von Einlagen iSv § 57 Abs 1 S 1 gesehen und der verkaufende Aktionär verpflichtet würde, den Kaufpreis zurückzugewähren (§ 62 Abs 1 S 1).

134

Ist einer der Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 N r 1 - 8 erfüllt, so sind zudem die Schranken des § 71 Abs 2 als Zulässigkeitsvoraussetzungen zu beachten (näher Rn 321 ff). Demgegenüber hat ein Verstoß gegen § 71 Abs 3 nicht die Unzulässigkeit des Erwerbs und damit die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Geschäfts gem § 71 Abs 4 S 2 zur Folge. Verlangt wird vom Gesetz lediglich, über den Erwerb eigener Aktien zu unterrichten (§ 71 Abs 3 S 1 und 3) und im Falle des Abs 1 Nr 2 die Aktien innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb an die Arbeitnehmer auszugeben (§ 71 Abs 3 S 2). In § 71 Abs 4 ist - wie bereits angesprochen wurde - die Rechtsfolge eines unzulässigen Erwerbs eigener Aktien geregelt, wobei zwischen dem dinglichen (S 1) und dem schuldrechtlichen Rechtsgeschäft (S 2) unterschieden wird.

135

7. Verhältnis zu § 56 Die Vorschrift des § 56 Abs 1 ist eine Sonderregelung, die im Hinblick auf den originären Erwerb eigener Aktien die Bestimmung des § 71 verdrängt (näher Rdn 144 ff).

136

8. Verhältnis zu §§ 64 f Das Kaduzierungsverfahren gem §§ 64f führt grundsätzlich nicht zu einem „Erwerb" eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft und ist als Spezialregelung gegenüber ξ 71 anzusehen. Ausnahmsweise ist die Bestimmung des § 71 jedoch anzuwenden, sofern die Aktiengesellschaft gem § 65 Abs 3 eine kaduzierte Aktie selbst erwirbt (näher Rdn 151).

336 337

(97)

Vgl auch Cahn Auswirkungen, S 22. So im Ergebnis auch Geibel/Süßmann/ Angerer/Hueck 3; GeSler/Hefermebl/ Bungeroth 12; Hiiffer 3.

338 339

MünchKomm/Oecfcs/er 61. So jedoch MünchKomm/Oecfcs/er 61.

Hanno Merkt

137

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

9. Verhältnis zum WpÜG 138

Nach In-Kraft-Treten des WpÜG zum 1.1.2002 war dessen Anwendbarkeit beim Rückerwerb eigener Aktien im Wege eines öffentlichen Angebotes stark umstritten. Die überwiegende Ansicht sprach sich für eine direkte oder analoge Anwendung eines Teils der Normen des WpÜG aus; 3 4 0 die Gegenansicht verneinte generell die Anwendung des WpÜG. 3 4 1 Die BaFin bejahte in ständiger Verwaltungspraxis seit Mai 2 0 0 2 die Anwendbarkeit des WpÜG. 3 4 2 Das erscheint deshalb bemerkenswert, weil das Verwaltungsverfahren ohne konkrete gesetzliche Grundlage entwickelt wurde. 343 Diese Verwaltungspraxis wurde jedoch im Zuge der Umsetzung des zum 14.7.2006 in Kraft getretenen Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes aufgegeben 344 . Damit ändert sich zwar nichts am hohen Aufwand des Rückerwerbs mittels eines öffentlichen Angebots, jedoch wird die Attraktivität des Rückerwerbs eigener Aktien als Instrument zur Steuerung der Kapitalstruktur (S 7 1 1 Nr 8 AktG) erhöht. 3 4 5 10. Darlegungs- und Beweislast

139

Gem § 71 Abs 1 ist der Erwerb eigener Aktien grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise aufgrund eines der Ausnahmetatbestände der Nr 1 - 8 erlaubt (näher Rdn 157 ff). Derjenige, der sich auf die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien und damit auf einen der Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 als ihm günstige Norm beruft, hat dessen Voraussetzungen im Streitfall darzulegen und zu beweisen. 346 Klagt etwa ein Gläubiger der Gesellschaft gegen einen Aktionär, der seine Aktien an die Gesellschaft verkauft hat, auf Rückzahlung des Kaufpreises an die Gesellschaft mit der Begründung, es handele sich wegen Verstoßes gegen § 71 Abs 1 um eine unzulässige Rückgewähr von Einlagen (vgl § 57 Abs 1 S 2, 62 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1), so muss der Aktionär darlegen und beweisen, dass der Erwerb gem § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 erlaubt war.

140

Wer im Rahmen von § 71 Abs 2 die Darlegungs- und Beweislast zu tragen hat, ist umstritten: Die Regelungen des § 71 Abs 2 S 1 - 3 könnten entweder als „Rückausnahme" der Erlaubnistatbestände des § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 gesehen werden. Dies hätte zur Folge,

340

341

Stöcker FS Wiedemann 2 0 0 2 , S 703, 716 ff, insb 753; Hopt Z H R 166 (2002), 383, 393; Fleischer/Körber BB 2001, 2589, 2 5 9 2 f; Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 11; Lenz/Linke AG 2 0 0 2 , 4 2 0 , 421 f; MünchKomm/Oechsler 2 0 2 a ff; Ehricke/Ekkenga/ Oechsler § 2 WpÜG Rdn 5; ders N Z G 2001, 817, 818 f; Paefgen ZIP 2 0 0 2 , 1509, 1513 f; Steinmeyer/Häger § 1 WpÜG Rdn 6 und § 2 WpÜG Rdn 11; dafür sprach sich auch die BaFin aus, AG 2 0 0 2 , R 199, FAZ Nr 102 vom 3.5.2002, S 17 und Handelsblatt Nr 86 vom 6.5.2002, S 29. Geibel/Süßmann/Angerer § 1 WpÜG Rn 99 ff; Geibel/Süßmann/Angerer ZHR 167 (2003), 580, 5 8 6 ff, insb 6 0 8 ff; Berrar/Schnorbus ZGR 2 0 0 3 , 59, 63 ff, insb 85; Hüffer 191; Koch NZG 2 0 0 3 , 61, 64 ff; Süßmann AG 2 0 0 2 , 4 2 4 , 4 3 3 ; KK/Versteegen § 1 WpÜG Rdn 22.

342

343

344

345 346

Die Angebotsunterlagen zu entsprechenden Verfahren finden sich unter http://www. bafin.de/datenbanken/wpueg_141iste.htm, zB von der Axel Springer AG vom 10.10.2003 und der Deutsche Balaton AG vom 08.09.2005 (zuletzt abgerufen am 16.04.2007). Zu den einzelnen Verfahrensschritten veröffentlichte die BaFin unter dem Datum des 5.7.2005 ein Merkblatt. Bekanntmachung vom 09.08.2006, abrufbar unter http://www.bafin.de/ bekanntmachungen/060809.htm (zuletzt abgerufen am 13.11.2006). Pluskat N Z G 2 0 0 6 , 731, 732. Hüffer 3; KK/Lutter 71; MünchKomm/ Oechsler 90; Schlegelberger/Quassowski $ 65 AktG Rdn 4.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(98)

Erwerb eigener Aktien

§71

dass im Streitfalle (im Unterschied zu der soeben Rdn 139 geschilderten Beweissituation bei § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 ) derjenige ihre Voraussetzungen zu beweisen hätte, der sich auf die Unzulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien beruft. 3 4 7 Indessen lassen sich die § 71 Abs 2 S 1 - 3 auch als zusätzliche positive Tatbestandsmerkmale der in § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 geregelten Erlaubnistatbestände verstehen. Dann wären auch insofern die tatsächlichen Voraussetzungen von demjenigen zu beweisen, der sich auf die Zulässigkeit des Erwerbs beruft, dh die Beweislast wäre in derselben Weise verteilt wie bei § 71 Abs 1. Die wohl überwiegende Auffassung befürwortet eine differenzierende Lösung: Die Vorschrift des § 71 Abs 2 S 1 stellt eine „Rückausnahme" dar, wogegen die Regelungen des § 71 Abs 2 S 2 und S 3 als zusätzliche Voraussetzungen der Erlaubnistatbestände anzusehen sind. 3 4 8 Bei der Beantwortung der Frage ist zunächst zu berücksichtigen, dass sowohl der Wortlaut von § 71 Abs 2 S 2 („Dieser Erwerb ist ferner nur zulässig") als auch der von S 3 („ist der Erwerb nur zulässig") dafür spreche, dass der Gesetzgeber den Erwerb eigener Aktien nur dann für zulässig erachtet, wenn diese Voraussetzungen zusätzlich erfüllt sind. Es handelt sich mithin um positiv formulierte Tatbestandsmerkmale, die neben dem jeweiligen Erlaubnistatbestand des § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 von demjenigen zu beweisen sind, der sich auf die Zulässigkeit des Erwerbs beruft. 3 4 9 Demgegenüber lässt § 71 Abs 2 S 1 eine vergleichbar eindeutige Formulierung vermissen: der Gesetzgeber hätte beispielsweise formulieren können „Der Erwerb ist nicht zulässig, wenn . . . " , falls er hätte verdeutlichen wollen, dass diese Regelung - im Unterschied zu § 71 Abs 2 S 2 und S 3 eine Rückausnahme beinhaltet. Während also dem Wortlaut keine eindeutige Beweislastregel entnommen werden kann, spricht der systematische Zusammenhang dafür, dass § 71 Abs 2 S 1 - wie die beiden darauf folgenden Sätze - als zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung anzusehen ist. Außerdem werden die Gesellschaft, ihr Vorstand und ihre Aktionäre besser als außen stehenden Personen (etwa Gläubiger) in der Lage sein, nachzuweisen, dass auf die von der Gesellschaft insgesamt erworbenen Aktien nicht mehr als zehn vom Hundert des Grundkapitals iSv § 71 Abs 2 S 1 entfallen. 3 5 0 Daher ist es auch sachlich gerechtfertigt, dass die Beweislast faktisch grundsätzlich die Erstgenannten trifft. Aus diesen Gründen trägt im Rahmen von § 71 Abs 1 und Abs 2 immer derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich auf die Zulässigkeit des Erwerbs beruft.

Π. Grundsatz: Erwerbsverbot (§ 71 Abs 1) 1. Allgemeines Gem § 71 Abs 1 ist der Erwerb eigener Aktien grundsätzlich verboten (zur Systematik näher Rdn 134 f). Das Verbot besteht unabhängig davon, ob im Einzelfall tatsächlich eine Gefährdung der Interessen der Aktiengesellschaft, ihrer Aktionäre oder ihrer Gläubiger droht (konkrete Gefährdung). Vielmehr genügt es, dass keiner der Erlaubnistatbestände erfüllt ist und damit eine vom Gesetzgeber in § 71 Abs 1 sanktionierte abstrakte Gefährdung vorliegt. 3 5 1 Selbst wenn bei einem Sachverhalt eine konkrete Gefährdung ausge-

347

348

349

(99)

So MünchKomm/Oec/js/er 90, der sich jedoch in Fn 2 0 0 zu Unrecht auf KK/Lutter 71 beruft.

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 126; KK/ Lutter 71. Vgl Geßler/Hefermehl/Bungeroth 126; KKJLutter 71.

350

351

In ähnlicher Weise argumentiert auch KKJLutter 71, ohne jedoch die hier vertretene Schlussfolgerung zu ziehen.

RGZ 167, 40, 48; Geibel/Süßmann/ Angerer 5; Hüffer 3; KKJLutter 17; MiinchKomm/Oecfc/er 62.

Hanno Merkt

141

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

schlossen wäre, ist eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des Erwerbsverbotes des § 71 Abs 1 nicht zulässig. Dafür spricht aus systematischen Gründen auch § 57 Abs 3, der im Unterschied zu §§ 30, 31 G m b H G nicht auf das Entstehen einer Unterbilanz - als konkrete Gefährdung - abstellt, sondern jede Auszahlung, die nicht aus dem Bilanzgewinn erfolgt, als abstrakte Gefährdung untersagt. 3 5 2 2. „Erwerb" eigener Aktien 142

a) Dingliche Rechtsgeschäfte. Als Erwerb iSv § 71 Abs 1 sieht die überwiegende Ansicht nicht nur jedes dingliche Rechtsgeschäft an, das die Aktiengesellschaft - wenn auch nur vorübergehend - zum Inhaber oder Mitinhaber der Aktie werden lässt, sondern auch das schuldrechtliche Rechtsgeschäft, das Rechte und Pflichten im Hinblick auf ein solches dingliches Geschäft begründet. 353 Zur Begründung wird unter anderem darauf verwiesen, dass die für die Auslegung der Norm maßgebliche KapRL von 1976 (näher Rdn 114 ff) den Begriff des Erwerbs in den Art 19 ff nicht im Sinne des deutschen Abstraktionsprinzip gebraucht, sondern damit entsprechend dem Verständnis der anderen Mitgliedstaaten auch das obligatorische Rechtsgeschäft meint. 354 Zwar ist die deutsche Regelung richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist jedoch das Umsetzungsermessen des nationalen Gesetzgebers zu berücksichtigen. In § 71 Abs 4 S 2 spricht der deutsche Gesetzgeber nämlich - im Unterschied zu den Regelungen der KapRL - ausdrücklich das schuldrechtliche Rechtsgeschäft an. Demgegenüber wird im BGB der Begriff des Erwerbs nur für dingliche Rechtsgeschäfte verwendet (vgl die Überschrift von Titel 3 vor §§ 929 ff BGB) und dem Begriff des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts gegenübergestellt. Dass der Gesetzgeber dieses Begriffsverständnis auch dem § 71 Abs 1 zugrunde legt, ergibt sich systematisch aus § 71 Abs 4 S 2, der zwischen schuldrechtlichem Geschäft und Erwerb differenziert. 355 Zu Recht fasst daher eine im Vordringen befindliche Ansicht nur dingliche Rechtsgeschäfte unter den Begriff des Erwerbs iSv § 71 Abs l. 3 5 6 Da gem § 71 Abs 4 S 2 das schuldrechtliche Rechtsgeschäft bereits nichtig ist, obwohl der Erwerb der Aktien (noch) nicht stattgefunden hat (näher Rdn 361 ff), 3 5 7 kommen die beiden Auffassungen zum selben Ergebnis. Für die Anwendung von § 71 Abs 1 ist nicht von Bedeutung, welche Art von Kausalgeschäft dem dinglichen Erwerbsgeschäft zugrunde liegt 3 5 8 und auf welche Weise dieses zustande kommt (näher Rdn 29 ff). Es stellt sich jedoch bei einer Vielzahl von Schuldverhältnissen die Frage, ob sie auf einen dinglichen Erwerb von Aktien gerichtet und daher gem § 71 Abs 4 S 2 als nichtig anzusehen sind. Entscheidend ist dabei, ob die Aktiengesellschaft die Rechtsinhaberschaft hinsichtlich der Aktien erhalten wird. 3 5 9 Es genügt allerdings, wenn sie bloße Mitinhaberin wird (näher dazu Rdn 361 ff). 3 6 0

143

b) Erwerbstatbestände. Es ist ferner unbeachtlich, auf welche Weise der Erwerb des Eigentums an den Aktien erfolgt, ob etwa im Wege des rechtsgeschäftlichen Erwerbs, der Erbfolge gem § 1922 BGB, der Umwandlung oder im Rahmen einer Zwangsversteige352 353

354 355

356

MunchKomm/Oecfcs/er 62. Hüffer 4; KKJLutter 18; MünchKomm/ Oechsler 68. MünchKomm/Oechsler 68. Grobecker/Michel DStR 2001, 1757, 1763; Mick DB 1999, 1201, 1203; Schmid/Mühlhäuser AG 2001, 493, 494. Grobecker/Michel DStR 2001, 1757, 1763; Mick DB 1999, 1201, 1202 f; Schmid/Mühlhäuser AG 2001, 493, 494.

357

358

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360

Anders Mick DB 1999, 1201, 1203; Schmid/Mühlhäuser AG 2001, 493, 494. Hüffer 4; KKJLutter 18; MünchKomm/ Oechsler 69. Hüffer 4; KKJLutter 18; MünchKomm/ Oechsler 69. Hüffer 4.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

rung. Im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Aktien ist zwischen Inhaberund Namensaktien zu unterscheiden (vgl § 10 Abs 1 AktG): Bei Inhaberaktien, die dem Wortsinn entsprechend zu den Inhaberpapieren gehören, folgt das Recht aus dem Papier immer dem Recht am Papier, weshalb sie gem §§ 929 ff BGB zu übereignen sind. Demgegenüber können Namensaktien, die entgegen ihrer Bezeichnung nicht zu den Namens-, sondern den Orderpapieren gehören, auf drei unterschiedlichen Wegen übereignet werden: Gem § 68 Abs 1 AktG durch Indossament, durch Abtretung gem §§ 398 ff, 413 BGB und schließlich gem § 18 Abs 3 DepotG. 3 6 1 c) Einzelfälle aa) Originärer Erwerb. Die Zeichnung neuer Aktien ist nicht als Erwerb iSv § 71 Abs 1 anzusehen. Dies ergibt sich systematisch aus § 56 Abs 1, der als Sonderregelung der Aktiengesellschaft untersagt, eigene Aktien zu zeichnen 3 6 2 . Dennoch finden § 71b (näher § 71b Rdn 11) und § 71c (näher § 71c Rdn 6) nach ganz überwiegender Ansicht auf den originären Erwerb eigener Aktien analoge Anwendung.

144

bb) Vorübergehender Erwerb. Gem § 71 Abs 1 ist jeder Erwerb und damit, auch der vorübergehende Erwerb verboten. 363 Demzufolge können auch solche Schuldverhältnisse gem § 71 Abs 4 S 2 nichtig sein, die auf einen solchen vorübergehenden Erwerb gerichtet sind, so etwa das Reportgeschäft, das Deportgeschäft, 3 6 4 die unregelmäßige Verwahrung ( S S 13, 15 DepotG, § 700 BGB) sowie das Wertpapierdarlehen ( S 15 Abs 3 DepotG) (näher Rdn 361 ff).

145

cc) Erlangung der bloßen Verfügungsbefugnis. Erlangt die Gesellschaft lediglich die Verfügungsbefugnis über eigene Aktien, so liegt kein dinglicher Erwerb iSv § 71 Abs 1 vor. 3 6 5 Denn in diesen Fällen wird die Gesellschaft nicht Rechtsinhaberin der Aktien, sondern sie bleibt Nichtberechtigte ( S 185 Abs 1 BGB). In diesen Fällen drohen diejenigen finanziellen Risiken nicht, die mit der Inhaberschaft verbunden sind (näher Rdn I f f ) . Allerdings können andere Gefahren bestehen: Indem der Vorstand von der Verfügungsbefugnis Gebrauch macht, kann er in seinem Sinne Einfluss auf die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft nehmen oder es kann in Gestalt der Zahlung eines erhöhten Kaufpreises zu einer verdeckten Gewinnausschüttung kommen (näher Rdn I f f ) . Eine entsprechende Anwendung von S 71 ist jedoch nicht erforderlich, da es an einer Regelungslücke fehlt. Diesen Risiken kann nämlich auch gem S 53a begegnet werden, wonach der Vorstand auch bei der Ausübung der Verfügungsbefugnis die Aktionäre gleich zu behandeln hat. 3 6 6 Eine bloße Verfügungsbefugnis erhält die Aktiengesellschaft beispielsweise bei einer Verwaltungstreuhand, sofern die Aktiengesellschaft - was dem Regelfall entspricht kein Eigentum am Treugut erwirbt. Daher fällt diese Gestaltung nicht unter das Verbot des S 71 Abs l . 3 6 7

146

dd) Legitimationsübertragung. Ein Aktionär kann die Gesellschaft ermächtigen, sein Stimmrecht auszuüben (sog Legitimationsübertragung). Da bei diesem Vorgang die Rechts-

147

361

362 363

Näher MünchKomm/He^er § 10 Rdn 24 ff; Hüffer § 10 AktG Rdn 4. MünchKomm/Oecfcsfer 82. GroßKomm/ßarz Voraufl § 71 Anm 5; Geibel/Süßmann/Angerer 5; KKJLutter 18; MünchKomm/Oechsler 71; Schlegelberger/ Quassowski § 65 Rdn 7.

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364

365 366 367

MünchKomm/Oechsler 71; Schlegelberger/ Quassowski § 65 Rdn 7. Hüffer 6; MünchKomm/Oecfcs/er 80. MünchKomm/Oecfcs/er 80. Hüffer 6; KKJLutter 20; MünchKomm/ Oechsler 80; anders GroßKomm/ßarz Vorauf! § 71 Anm 5; von Godin/Wilhelmi 2.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

inhaberschaft unberührt bleibt, findet § 71 keine Anwendung. 3 6 8 Dass die Gesellschaft ein solches Stimmrecht nicht ausüben kann, ergibt sich aus § 71b. Davon zu unterscheiden ist die Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung durch einen Stellvertreter gem § 134 Abs 3 S 3 (sog Proxy-Voting), wenn die Gesellschaft über die Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 eigene Aktien erworben hat (näher § 71b Rdn 12, 18). 148

ee) Erwerb gem § 71d S 5. Gem § 71d S 5 (iVm § 71 e Abs 1 S 1) muss der Dritte, der für Rechnung der Gesellschaft deren Aktien erworben hat, oder ein abhängiges oder im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen, das deren Aktien erworben hat, der Gesellschaft auf ihr Verlangen das Eigentum an den Aktien verschaffen. Es handelt sich zwar um einen dinglichen Erwerb eigener Aktien. Allerdings wird § 71 für diesen zweiten Erwerbsvorgang von § 71d S 5 als Spezialvorschrift verdrängt. 3 6 9 Denn die Vorschrift setzt zwingend einen ersten, dh zeitlich vorangehenden Erwerbsvorgang voraus, der nach § 71 d S 1 oder 2 der Aktiengesellschaft zuzurechnen war und bereits der Rechtmäßigkeitskontrolle gem § 71 zu unterziehen ist. Eine zweite Rechtmäßigkeitskontrolle ist nicht mehr erforderlich. 3 7 0 Der von § 71 d S 5 vorgesehene zweite Erwerb muss vielmehr immer zulässig sein, weil die Gesellschaft insbesondere in der Lage sein muss, den Veräußerungs- und Einziehungspflichten des § 71c, die nicht den Dritten oder das Unternehmen, sondern die Aktiengesellschaft selbst treffen, nachzukommen (näher zur ratio legis § 71 d Rdn 7 9 ) . 3 7 1

149

ff) Vollstreckung in eigene Aktien und Erwerb in der Zwangsversteigerung. Vollstreckt die Aktiengesellschaft in eigene Aktien, so erwirbt sie ein Pfändungspfandrecht (§ 8 0 4 ZPO). Dieses gesetzlich begründete Pfandrecht wird nach allgemeiner Ansicht nicht von § 71e Abs 1 S 1 erfasst, denn „als Pfand genommen" wird die Aktie nur im Fall des rechtsgeschäftlich begründeten Pfandrechts (näher § 71e Rdn 6 ) . 3 7 2 Eine analoge Anwendung des § 71 e auf den Erwerb eines Pfändungspfandrechts ist mangels Regelungslücke abzulehnen.

150

Indessen ist der Erwerb der Aktien im Rahmen einer Zwangsversteigerung durch die Ablieferung der zugeschlagenen Aktien (§ 817 Abs 2 ZPO) sehr wohl als Erwerb iSv § 71 anzusehen. Es handelt sich nämlich nicht um den Erwerb eines Pfändungspfandrechts, sondern um den Erwerb der Aktien selbst. Auf die Art und Weise des Erwerbs der Aktien kommt es nämlich grundsätzlich nicht an, so dass die öffentlich-rechtliche Natur des Eigentumserwerbs der Anwendung der Vorschrift nicht entgegensteht. 3 7 3

151

gg) Kaduzierungsverfahren (§§ 6 4 ff). Bei der Durchführung des Kaduzierungsverfahrens gem §§ 6 4 ff ist § 71 ebenfalls nicht anwendbar. 3 7 4 Die Gesellschaft wird nämlich grundsätzlich nicht Inhaberin der kaduzierten Aktie, sondern erhält lediglich ein gesetzliches Verfügungsrecht. 3 7 5 Zudem sind die §§ 6 4 ff als Sonderregelungen anzusehen, die § 71 verdrängen. 3 7 6 Etwas anderes gilt nach allgemeiner Ansicht ausnahmsweise, wenn im Rahmen des Verkaufs oder der öffentlichen Versteigerung gem § 65 Abs 3 die Gesell-

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Hüffer 6; KK/Lutter 20; MünchKomm/ Oechsler 81. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 27; MünchKomm/Oechsler 83. MünchKomm/Oechsler 83. MünchKomm/Oecfcs/er 83. Hüffer § 71 e AktG Rn 2; KK/Lutter § 71e AktG Rdn 3; MünchKomm/Oec/w/er § 71 e Rdn 5.

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Hüffer 4; KK/Lutter 18; MünchKomm/ Oechsler 84. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 24.; Hüffer 6; KK/Lutter 20; MünchKomm/Oec/js/er 85. Gtß\edHefermehl/Bungeroth 24. Hüffer 6; KK/Lutter 20; MünchKomm/ Oechsler 85.

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Erwerb eigener Aktien

§71

schaft die kaduzierte Aktie selbst erwirbt. 3 7 7 In diesem Fall ist § 71 ebenfalls anwendbar, da die Gesellschaft auf diese Weise Inhaberin der Aktie würde. Die damit verbundenen Risiken werden von den §§ 64 ff nicht geregelt, so dass sie insofern nicht als abschließende Spezialregelung angesehen werden können. 3. Aktien Die Vorschrift erfasst nur den Erwerb von Aktien, dh alle Mitgliedschaften unabhängig davon, um welche Gattung (Inhaber-, Namens-, Stamm-, Vorzugsaktien usw) es sich handelt, ob sie verkörpert sind oder nicht und ob sie voll eingezahlt sind oder nicht 3 7 8 . Die Regeln gelten daher auch für Zwischenscheine, die eine besondere Form der Verkörperung von Mitgliedschaften sind, 3 7 9 und für den Erwerb von Miteigentumsanteilen an Aktien, wie dies etwa bei der Sammelverwahrung von Wertpapieren der Fall ist (vgl §§ 5 f DepotG). 3 8 0 Außerdem erfasst die Vorschrift auch Sonderformen wie die sog Geschäftsbereichaktien (Tracking Stocks), bei denen das Dividenden- und das Stimmrecht sich nur auf einen bestimmten Geschäftsbereich eines Unternehmens beziehen. 381

152

Demgegenüber erfasst § 71 Abs 1 nach ganz überwiegender Ansicht nicht den Erwerb eines mittelbaren Bezugsrechts auf Aktien der Gesellschaft. 382 Ein solches Recht wird beispielsweise durch Wandel- und Optionsanleihen eingeräumt, die als Schuldverschreibungen iSv § 221 Abs 1 zu qualifizieren sind. 3 8 3 Denn die mit ihnen verbundene Berechtigung zum Bezug von Aktien macht sie selbst nicht zu Mitgliedschaftsrechten. 384 Die Aktiengesellschaft kann daher diese mittelbaren Bezugsrechte kaufen, ohne durch § 71 beschränkt zu sein. Teilweise wird die Auffassung vertreten, der Ausübung des Umtauschs- und Bezugsrechts stehe das Zeichnungsverbot des § 56 Abs 1 entgegen. 385 Dem ist jedoch zu widersprechen. Vielmehr ist die Ausübung mittelbarer Bezugsrechte nach zutreffender Ansicht in den Grenzen des § 71 zulässig. 386 Zwar gewährt das Bezugs- und Optionsrecht grundsätzlich einen Anspruch gegen die Aktiengesellschaft auf Abschluss eines Zeichnungsvertrages, 387 sodass die Anwendung von § 56 Abs 1 nahe liegen würde. Der Regelungszweck des § 56 Abs 1, die reale Kapitalaufbringung zu sichern, 388 wird jedoch bereits dadurch erfüllt, dass der ursprüngliche Erwerber der Schuldverschreibung den Nennbetrag der Schuldverschreibung an die Aktiengesellschaft gezahlt hat. Daher ist § 56 Abs 1 im Wege der teleologischen Reduktion nicht anzuwenden. Außerdem können diese mittelbaren Bezugsrechte von der Gesellschaft im Wege der Weiterveräußerung verwertet werden. Der Käufer kann diese Rechte dann gegenüber der Gesellschaft geltend machen, ohne in der Ausübung beschränkt zu sein. 389 Der Vorstand ist aufgrund seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht aus § 93 Abs 1 S 1 sogar verpflichtet, diese Bezugsrechte rechtzeitig weiter zu veräußern, da sie in den Händen der Gesellschaft wertlos sind. 3 9 0

153

377

378 379 380 381

382

Hüffer 6; KKJLutter 20; MünchKomm/ Oechsler 85. Hüffer 4; KKJLutter 13. KKJLutter 13; MünchKomm/Oecfcs/er 86. KKJLutter 13; MünchKomm/Oecfcs/er 86. Näher zu dieser Sonderform Langner zfbf 56 (2004), 6 6 6 ff. Geibel/Süßmann!Angerer 4; G e ß l e r / H e f e r mehl/Bungeroth 15; Hüffer 5; KKJLutter 13; MünchKomm/Oec^s/er 87; anders Α Meyer BB 1955, 549, 551 im Hinblick auf Wandelschuldverschreibungen.

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383 384

385 386 387 388 389

390

Hüffer § 221 AktG Rdn 3 ff. Geß\ei/Hefermeh!/Bungeroth 15; KKJLutter 13. G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 15; Hüffer 5. M i i n c h K o m m / O e c M e r 87; KKJLutter 19. Hüffer § 221 AktG Rdn 7. Hüffer § 56 AktG Rdn 1. UnachKommJOechsler 87; KKJLutter 19; Hüffer 5. KKJLutter 19.

Hanno Merkt

§ 71

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Im Unterschied zum Erwerb bereits bestehender Wandelschuldverschreibungen oder Aktienoptionen, der nicht unter § 71 Abs 1 fällt, ist die Begebung von Optionen, deren Ziel es ist, eigene Aktien zu erwerben, die von Dritten gehalten werden, als schuldrechtliches Rechtsgeschäft über den Erwerb eigener Aktien iSv § 71 Abs 4 S 2 anzusehen (näher Rdn 377). Hinzu kommt, dass es sich bei Genussscheinen (§ 221 Abs 3) und Dividendenscheinen nicht um Aktien handelt. 3 9 1 Man könnte daran denken, § 71b (analog) anzuwenden mit der Folge, dass die Geltendmachung der dadurch verbrieften Ansprüche gesperrt ist, solange die Aktiengesellschaft Inhaberin ist. 3 9 2 Dagegen spricht allerdings, dass § 71b vor allem dem Zweck dient, eine Ausübung der Stimmrechte durch den Vorstand zu verhindern, weil zu befürchten ist, dass die Kontrollfunktion der Hauptversammlung ausgehebelt wird (näher Rdn 41 f und § 71b Rdn 2). Eine analoge Anwendung von § 71b würde im Ergebnis auch keinen Sinn machen, denn der verbriefte Anspruch auf Zahlung einer festen Rendite gegen die Aktiengesellschaft steht in diesen Fällen ihr selbst zu, so dass der Betrag ohnehin in ihrem Vermögen verbleibt. 4. Eigene Aktien

155

Von § 71 Abs 1 selbst wird zwar nur der Erwerb eigener Aktien verboten. Indessen wird der Anwendungsbereich der Vorschrift durch § 71 d ausgedehnt. Danach ist auch der Erwerb von Aktien durch einen Kommissionär (S 1) oder durch ein abhängiges oder ein in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen (S 2) untersagt (näher § 71d Rdn 6 ff, 33 ff). Zulässig ist grundsätzlich der Erwerb einer Beteiligung an einer anderen Gesellschaft, die ihrerseits Aktien der erwerbenden Gesellschaft hält. Denn bei einem solchen Erwerb bildet nicht der Aktienbestand, sondern die Beteiligung an der anderen Gesellschaft den Erwerbsgegenstand 3 9 3 . Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung oder den beherrschenden Einfluss an dem anderen Unternehmen erwirbt. In diesen Fällen wird ein gewisser Schutz jedoch dadurch erreicht, dass die auf diese Weise mittelbar erworbenen Aktien gem § 71 d S 3 im Rahmen der Kapitalgrenze des § 71 Abs 2 S 1 angerechnet werden, so dass die Rechte aus diesen Aktien nicht ausgeübt werden können (§ 71d S 4 iVm § 71b, näher dazu bei § 71d). Handelt es sich bei der anderen Gesellschaft ebenfalls um eine Kapitalgesellschaft, dann muss zudem gem § 272 Abs 4 S 4 HGB eine Rücklage für die erworbenen Anteile gebildet werden. 3 9 4

156

Ausnahmsweise ist jedoch ein Erwerb einer solchen Beteiligung gem § 71 Abs 1 analog verboten, wenn das Vermögen der anderen Gesellschaft nahezu ausschließlich aus Aktien der Gesellschaft besteht. Denn in diesem Fall ist die erworbene Beteiligung an der anderen Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den eigenen Aktien gleichzustellen (Fall des Zurechnungsdurchgriffs). 3 9 5 Schließlich ist der Erwerb gem § 71d S 2 (in direkter Anwendung) auch dann unzulässig, wenn die Aktiengesellschaft, die die Beteiligung an einer anderen Aktiengesellschaft erwerben will, von dieser abhängig ist oder in deren Mehrheitsbesitz steht (näher § 71d Rdn 33 ff). 3 9 6

391 392 393

Hüffer 5; MünchKomm/Oecfcs/er 88. So MünchKomm/Oecfo/er 88. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 25 IrawN; Hüffer 5; KKJLutter 21; MünchKomm/ Oechsler 89; MünchHdb/Wiesner § 15 Rdn 9.

394

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 25; KK/Lutter 21.

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Vgl Geßler/Hefermehl/Bungeroth 26; Hüffer 5; KK/Lütter 21; MünchKomm/Oecfcs/er 89. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 26.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

ΠΙ. Ausnahmen vom Erwerbsverbot (§ 71 Abs 1 Nr 1-8) 1. Allgemeines In § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 sind abschließend diejenigen Fälle normiert, in denen die Gesell- 1 5 7 schaft ausnahmsweise eigene Aktien erwerben darf (näher zur Systematik Rdn 157). 3 9 7 Es kommt dabei nicht darauf an, ob eine konkrete Gefährdung der Aktiengesellschaft, ihrer Aktionäre oder ihrer Gläubiger tatsächlich ausgeschlossen ist. Denn es handelt sich bei § 71 Abs 1 um einen abstrakten Gefährdungstatbestand (näher Rdn 141). Eine teleologische Reduktion des grundsätzlichen Erwerbsverbotes scheidet aus. Umgekehrt kommt eine extensive Auslegung oder sogar eine analoge Anwendung der Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 nur in besonderen Fällen in Betracht (Beispiele in Rdn 165 und Rdn 213 ). 398 Nachfolgend werden die Voraussetzungen der unterschiedlichen Erlaubnistatbestände des § 71 Abs 1 erläutert. Dabei sind jeweils die zusätzlichen Voraussetzungen des § 71 Abs 2 S 1 - 3 zu beachten, die für einzelne Erlaubnistatbestände eingreifen. 2. Notwendigkeit zur Schadensabwehr (§ 71 Abs 1 Nr 1) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Die Norm soll dem Vorstand ermög- 1 5 8 liehen, die Gesellschaft vor Schäden zu bewahren, ohne dass er - wie bei § 71 Abs 1 Nr 8 auf eine Ermächtigung durch die Hauptversammlung angewiesen ist. Der Vorstand wird mithin in die Lage versetzt, seiner allgemeinen Schadensverhinderungspflicht (vgl § 93 Abs 1) nachzukommen. 3 9 9 Die Regelung wurde eingeführt durch die Notverordnung vom 19. September 1931, weshalb Materialien zur Entstehungsgeschichte der Norm fehlen. Der Notverordnung ging lediglich im Jahre 1930 der Entwurf einer Aktienrechtsnovelle voraus (näher Rdn 106). Ganz allgemein schränkte der Gesetzgeber die Möglichkeit des Rückerwerbs eigener Aktien in der Zeit nach der Weltwirtschaftskrise zwar stark ein. Dass dennoch der Erwerb eigener Aktien zum Zwecke der Schadensabwehr als eine von drei Ausnahmen zugelassen wurde, zeigt, dass man in einem solchen Fall den Vorteilen des Rückerwerbs mehr Gewicht einräumte als den Risiken. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen sind § 71 Abs 2 S 1 - 3 zu entnehmen. Die Vorschrift steht in Einklang mit Art 19 Abs 2 der Europäischen KapRL von 1976, 4 0 0 wonach vom Erfordernis eines Ermächtigungsbeschlusses abgewichen werden darf, „sofern der Erwerb eigener Aktien notwendig ist, um einen schweren unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden." Bis in das Jahr 1994, in dem durch das zweite Finanzmarkförderungsgesetz der Erlaubnistatbestand des § 71 Abs 1 Nr 7 geschaffen wurde, behalf sich die Praxis damit, verschiedene Erwerbsfälle, bei denen sie einen Rückerwerb eigener Aktien für gerechtfertigt hielt, unter den Erlaubnistatbestand der Schadensabwehr zu subsumieren. Nachdem zwischenzeitlich die weiteren Erlaubnistatbestände in § 71 Abs 1 Nr 7 und 8 eingeführt wurden, beschränkt sich die Bedeutung von § 71 Abs 1 Nr 1 im Wesentlichen darauf, dem Vorstand eine Ausnahmekompetenz für seltene Sonderfälle einzuräumen. Er ist dementsprechend restriktiv auszulegen. 401

397

398 399

Geibel/Süßmann/Angerer 3; G e ß l e r / H e f e r mehl/Bungeroth 12. MünchKommlOechsler 63. Vgl Martens AG 1988, 118, 120; MünchKommlOechsler 91.

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400

401

ABl EG Nr L 0 2 6 vom 30.01.1977, S 1 ff; näher zur Richtlinie Rdn 144 ff. MünchKommlOechsler 92.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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b) Schaden der Gesellschaft. Der Schadensbegriff richtet sich nach den §§ 2 4 9 ff BGB und umfasst daher jede Einbuße, die die Gesellschaft an ihrem Eigentum oder ihrem sonstigen Vermögen erleidet. 402 Dabei sind - wie bei § 2 4 9 BGB - zwei Vermögenslagen zu vergleichen, wobei im Unterschied zum Schadensbegriff des BGB nicht nur ein, sondern zwei hypothetische Geschehensabläufe zu betrachten sind: es stellt sich die Frage, wie sich die Vermögenslage ohne den Erwerb eigener Aktien gegenüber der Situation mit dem Erwerb eigener Aktien entwickelt hätte. 4 0 3 Gem § 2 5 2 BGB umfasst der Schadensbegriff zwar grundsätzlich auch den entgangenen Gewinn. Unberücksichtigt bleiben muss jedoch ein Gewinn, der durch die spätere Wiederveräußerung der zu erwerbenden Aktien erzielt werden kann (Spekulationsgewinn). 404 Ansonsten wäre es möglich, § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 zu umgehen, der eine Spekulation mit eigenen Aktien untersagt (näher Rdn 273 ff). 4 0 5

161

Der Schaden muss der Aktiengesellschaft selbst drohen. Schäden der Aktionäre rechtfertigen die Anwendung von § 71 Abs 1 Nr 1 nicht. 4 0 6 Dies ergibt sich zwingend aus dem Wortlaut („Schaden von der Gesellschaft abzuwenden"). 4 0 7 Daher ist der Kauf von Aktien, um etwa den Kurs zugunsten der Aktionäre in die Höhe zu treiben (Kurspflege), nicht nach § 71 Abs 1 Nr 1 zulässig (näher zur Zulässigkeit einer Kurspflege gem § 71 Abs 1 Nr 8 Rdn 2 5 5 ff). 4 0 8 Außerdem sind die Interessen der Aktiengesellschaft dadurch, dass ein Machtkampf zwischen Aktionären oder Aktionärsgruppen ausgebrochen ist, nicht grundsätzlich berührt. Eine solche Auseinandersetzung kann jedoch im Einzelfall die Unternehmensführung einer Aktiengesellschaft derart lähmen, dass sie gezwungen ist, die Aktien einer Seite zu erwerben, um eine schweren Schaden von sich abzuwenden. 4 0 9 So kann sie zum Beispiel aufgrund einer solchen Entwicklung das Vertrauen ihrer Vertragspartner verlieren. 410

162

Da der Vorstand bei der Frage, ob der Gesellschaft ein Schaden iSv § 71 Abs 1 Nr 1 droht, zwei hypothetische Vermögenslagen vergleichen muss, bedarf es einer Prognoseentscheidung. 411 Fraglich ist nun, ob bei der Subsumtion unter den Begriff des „Schadens" ausschließlich die Tatsachengrundlage im Zeitpunkt des Erwerbs maßgeblich ist (ex-ante-Betrachtung) oder ob auch nachträglich festgestellte Tatsachen Berücksichtigung finden (ex-post-Betrachtung). 412 Bei der Frage, ob dem Vorstand pflichtwidriges Handeln iSv § 93 Abs 1 S 1, Abs 3 Nr 3 vorgeworfen werden kann, ist entscheidend, ob sich im Rahmen einer ex-ante-Betrachtung ergibt, dass der Vorstand es besser hätte wissen müssen. 413 Zwar geht es im Rahmen von § 71 nicht um die Frage einer Pflichtwidrigkeit, sondern um die Vermeidung von Nachteilen, die vom Erwerb eigener Aktien drohen, so dass eine andere Beurteilung denkbar wäre. Indessen ist § 71 Abs 1 insgesamt so konzipiert, dass es bei der Frage der Zulässigkeit des Erwerbs auf den Zeitpunkt des Erwerbs ankommt. Die Berücksichtigung eines nachträglich auftretenden Umstands, der zur Unzulässigkeit des Erwerbs führt, wird auch bei den anderen Ausnahmetatbeständen verneint (näher Rdn 191 ff „ernstlicher Wille zur Weitergabe"; bei Abs 1 Nr 3f) und g); bei

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 38; Hüffer 7; KKILutter 22; MünchKomm/Oechsler 93. KKILutter 22. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 38; KKILutter 22; MünchKomm/Oec/js/er 93. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 38. BFHE 122, 52, 54 = NJW 1977, 1216 = AG 1977, 2 3 0 , 231; Geßler /Hefermehl/Bungeroth 40; MünchKomm/Oechsler 94; Schlegelberger/Quassowski § 65 Rdn 7. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 40; Münch-

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Komm/Oechsler 94; Schlegelberger/Quassowski 1. MünchKomm/OecMer 94; Schlegelberger/Quassowski 7. Vgl Schlegelberger/Quassowski 7. Vgl RFH J W 1929, 2183; KK/Lutter 25. Vgl dazu und zum Folgenden MünchKomm/ Oechsler 95. Dafür MünchKomm/Oechsler 95. MünchKomm/Hefermehl/Spindler § 93 AktG Rn 2 2 lmwN in Fn 74.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Abs 1 Nr 4 , b) dd); bei Abs 1 Nr 8, c) dd); bei § 71 Abs 2 S 2, c) und 5. Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 71 Abs 2]). Daher ist aus systematischen Gründen einheitlich eine ex-ante-Betrachtung vorzunehmen. c) Schwere des Schadens. Es muss sich um einen schweren Schaden handeln, dh nicht jeder beliebige Schaden rechtfertigt den Erwerb eigener Aktien. Entscheidend kommt es dabei auf das Verhältnis des drohenden Schadens zur Größe des Unternehmens, insbesondere zu seiner Finanzkraft an. 4 1 4 Denn an diesem Kriterium lässt sich messen, inwiefern das Unternehmen die Höhe eines Schadens ohne weiteres verkraften oder von ihm schwer getroffen würde. Der Schaden muss daher so groß sein, dass er sich von einem alltäglichen Geschäftsverlust deutlich unterscheidet. Existenzbedrohende Ausmaße muss er hingegen nicht haben. 4 1 5

163

Unbeachtlich ist hingegen, in welchem Verhältnis („Relation") die zu erwartende Schadenshöhe zu dem Risiko, das mit dem Erwerb der Aktien verbunden ist, steht 4 1 6 . Die früher im Schrifttum vertretene so genannte „Relationstheorie" wurde damals entwickelt, um den Rückkauf eigener Aktien zum Zwecke der Kurspflege und im Rahmen von Arbitragegeschäften zu rechtfertigen. Da diese Geschäfte als wenig risikoreich angesehen wurden, schien es vertretbar, die Anforderungen an die Schwere des Schadens in diesen Fällen herabzusetzen: So wurden beispielsweise schon regionale Kursschwankungen, die das Ansehen der Aktiengesellschaft beeinträchtigten, als schwerer Schaden eingestuft 4 1 7 . Nachdem inzwischen § 71 Abs 1 Nr 7 und Nr 8 eingeführt wurden und § 71 Abs 1 Nr 1 nur noch als restriktiv auszulegender Ausnahmetatbestand zu verstehen ist (näher Rdn 159), hat diese Auffassung praktisch keine Bedeutung mehr 4 1 8 . Gegen diese Ansicht spricht vor allem, dass ein Schaden nicht dadurch „schwer" wird, dass die mit dem Erwerb einhergehenden Risiken gering sind 4 1 9 . Außerdem ist das Erwerbsverbot des § 71 Abs 1 als „abstrakter Gefährdungstatbestand" anzusehen (näher Rdn 141); würde der Erwerb eigener Aktien aufgrund einer im Einzelfall geringeren konkreten Gefahr zugelassen, so widerspräche dies gerade der Konzeption der Vorschrift als abstraktem Gefährdungstatbestand 420 .

164

d) Unmittelbar bevorstehender Schaden. Dass der Schaden unmittelbar bevorstehen muss, wurde erstmals von Art 19 Abs 2 der KapRL gefordert (näher Rdn 114 ff) und dann im Rahmen der Aktienrechtsnovelle von 1978 in das AktG umgesetzt. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass damit keine wesentliche neue Begrenzung des Ausnahmetatbestandes des § 71 Abs 1 Nr 1 verbunden sein sollte, sondern dass diese Neuregelung im Grundsatz bereits zuvor in Lehre und Praxis anerkannt war. 4 2 1 Dieses Tatbestandsmerkmal bezieht sich auf die Prognoseentscheidung des Vorstands in der Frage, ob der Aktiengesellschaft ein Schaden droht. Es ist dabei - wie bei der Frage, ob es sich um einen „schweren" Schaden handelt (näher soeben Rdn 163 f) - auf der Grundlage der im Zeitpunkt des Erwerbs bekannten Tatsachen (ex ante) zu untersuchen, ob im Zeitpunkt des Erwerbs ein Schaden tatsächlich unmittelbar bevorstand. Ausgeschieden

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Geßlet/Hefermehl/Bungeroth 42; Hüffer 7; KK/Lutter 28; MünchKomm/Ocfcs/er 98. Ge&etlHefermehl/Bungeroth 42; Hüffer 7; KKJLutter 28; MünchKomm/Oechsler 98. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 43; Hüffer 7; KKJLutter 28; MünchKomm/Oeefo/er 97; anders GroßKomm/ßarz Vorauf] § 71 Anm 7; Kuhn NJW 1973, 833, 8 3 4 f; Werner AG 1972, 96, 97.

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GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 7; Kuhn NJW 1973, 833, 835. MünchKomm/Oechsler 97. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 43; Hüffer 7; KKJLutter 28. M ü n c h K o m m / O e W e r 97. Begr RegE, BT-Drucks 8/1678, S 15 Ii Sp; Gz&\edHefermehl/Bungeroth 44; KKJLutter 29; MünchKomm/Oecfcs/er 99.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

werden sollen Schäden, die erst in ferner Zukunft (zeitliche Dimension) oder/und nur recht unwahrscheinlich eintreten werden (Schadenswahrscheinlichkeit). 4 2 2 Ein Schaden steht demzufolge unmittelbar bevor, wenn folgende zwei Kriterien erfüllt sind: der Schaden muss in überschaubarer Zukunft und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten. 166

Die zeitliche Begrenzung ist gerechtfertigt, da einerseits bei einem erst in einiger Zeit drohenden Schaden die Gesellschaft in der Lage ist, den Erwerb eigener Aktien noch aufzuschieben und zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen. Bei einem Schadenseintritt in entfernter Zukunft kann der Vorstand noch zuwarten und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt handeln. Bei einem Schadensrisiko in weiter Zukunft bedarf es sogar nicht einmal der Sonderkompetenz des § 71 Abs 1 Nr 1, wonach der Vorstand, ohne von der Hauptversammlung ermächtigt zu sein, einen Rückerwerb eigener Aktien durchführen kann. Denn dann besteht noch ausreichend Zeit, um einen Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 Nr 8 einzuholen. 4 2 3 Da der Gesellschaft jedoch andererseits ein angemessener Zeitraum verbleiben muss, um auf ein Schadensrisiko reagieren zu können, muss der Schadenseintritt nicht sofort drohen. Es ist jeweils anhand aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob der mögliche Schadenseintritt innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes droht oder n i c h t 4 2 4 .

167

Der Schadenseintritt muss außerdem hinreichend wahrscheinlich sein, da ansonsten nicht davon gesprochen werden kann, dass ein Schaden iSv § 71 Abs 1 Nr 1 bevorsteht. Zwar genügt eine bloß geringe Wahrscheinlichkeit nicht, doch kann ebenso wenig verlangt werden, dass der Schaden nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Sicherheit zu erwarten i s t : 4 2 5 Es genügt, dass der Eintritt eines schweren Schadens im Zeitpunkt des Erwerbs eigener Aktien wahrscheinlicher ist als sein Ausbleiben.

168

Der Tatbestand des § 71 Abs 1 Nr 1 spricht von einem bevorstehenden Schaden und erfasst daher nicht Schäden, die bereits eingetreten sind. Bei diesen Schäden besteht jedoch nicht einmal mehr ein Prognoserisiko, so dass die Gesellschaft erst recht die Möglichkeit haben muss, sie abzuwehren. Die Ausnahmevorschrift des § 71 Abs 1 Nr 1 ist daher auf diese Fälle analog anzuwenden (näher Rdn 165 ff). Dass der Gesetzgeber diese Fälle nicht absichtlich bei der Fassung des Erlaubnistatbestandes unberücksichtigt ließ, weshalb von einer Regelungslücke ausgegangen werden kann, ergibt sich insbesondere daraus, dass man im Gesetzgebungsverfahren - unzutreffend - annahm, dass die neue Fassung „nicht sehr von der Praxis abweichen" werde. 4 2 6

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e) Notwendigkeit des Erwerbs zur Abwehr des Schadens. Außerdem muss der Erwerb notwendig sein, um den Schaden abzuwenden, dh er muss nicht nur zur Schadensabwehr geeignet sein, sondern es darf keine vernünftige Alternative zum Rückerwerb geben. 4 2 7 Diese enge Auslegung des Begriffes der Notwendigkeit ist sachgerecht, da der Vorstand nur ausnahmsweise berechtigt sein soll, ohne Ermächtigung der Hauptversammlung (siehe § 71 Abs 1 Nr 8) eigene Aktien zurückzuerwerben (näher dazu auch Rdn 159). Der Rückerwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 Nr 1 ist als ultima ratio bei der Schadensabwehr anzusehen. 4 2 8 Das bedeutet jedoch nicht, dass der Rückerwerb das einzige taugliche Mittel zur Schadensabwehr sein muss und daher der Rückerwerb eigener Aktien

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 45 ff; KKJLutter 29; MünchKommJOecbsler 99. MünchKomm/Oecfo/er 96. GeSler/Hefermehl/Bungeroth 45. GeßlerIHefermehl/Bungeroth 47; KKJLutter 29; aA Kuhn NJW 1973, 833, 834; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 8.

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Begr RegE, BT-Drucks 8/1678, S 15 Ii Sp; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 46. Hüffer 8; MiinchKommlOechsler 100; so im Ergebnis auch KKJLutter 31, der davon spricht, dass der Rückerwerb das „tauglichste Mittel sein" müsse. MünchKomm/Oechsler 100.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

unterbleiben müsse, wenn daneben noch andere geeignete Mittel zur Verfügung stehen. 4 2 9 Denn auch wenn mehrere geeignete Mittel vorhanden sind, muss der Vorstand dann berechtigt sein, den Aktienerwerb eigenständig durchzuführen, wenn dies das am besten geeignete Mittel ist, dh die anderen Mittel zwar geeignet, jedoch nicht gleich gut geeignet sind. Maßgeblich bei der Frage, ob der Rückerwerb eigener Aktien das am besten geeignete Mittel, den Schaden abzuwehren, ist, ist eine objektive Betrachtungsweise. Es kommt darauf an, wie ein objektiver und vernünftiger Geschäftsleiter die Sachlage im Zeitpunkt des Rückerwerbs beurteilen würde. 4 3 0 Demgegenüber bestehen keine subjektiven Anforderungen. Der Rückerwerb eigener Aktien ist also selbst dann gerechtfertigt, wenn dem Vorstand das Schadensrisiko nicht bekannt war und er daher einen Schaden abwendet, ohne dies zu wollen. 431 Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil es im Rahmen von § 71 nicht wie bei § 93 Abs 1 S 1, S 2 iVm § 93 Abs 3 Nr 3 - darum geht, ob der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat, sondern allein um die Frage, ob die Gesellschaft durch das Erwerbsverbot gem § 71 Abs 1 vor den Nachteilen des Rückerwerbs eigener Aktien zu schützen ist: Hat der Vorstand einen schweren Schaden abgewendet ohne dass er dies wollte, so überwiegen die Vorteile dieses Erwerbs seine Nachteile. Daher muss der Erlaubnistatbestand eingreifen. Demgegenüber greift im umgekehrten Fall, wenn also der Vorstand irrtümlich davon ausging, dass er einen Schaden abwendet, der aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise nicht besteht, der Erlaubnistatbestand des § 71 Abs 1 Nr 1 nicht ein. 4 3 2 Es finden dann die §§ 71b, 71c Anwendung. Darüber hinaus kann der Vorstand gem § 93 Abs 3 Nr 3, Abs 1 S 1, S 2 schadensersatzpflichtig sein, wenn er dies fahrlässig im Zeitpunkt der Entscheidung über den Rückerwerb (ex ante-Perspektive, vgl auch Rn 162) nicht erkannt hat. Durch die Einführung der Grundsätze über das unternehmerische Entscheidungsermessen (sog business judgement rule, siehe § 93 Abs 1 S 2) durch das U M A G 4 3 3 hat sich an dieser Bewertung nichts geändert. g) Besondere Schadensfallgruppen. Es sind mehrere Fallgruppen zu unterscheiden, bei denen gewisse Besonderheiten zu beachten sind und für die nachfolgend erörtert werden soll, ob und unter welchen Umständen ein Rückerwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 Nr 1 zulässig ist.

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aa) Forderungssicherung. Ein Schaden kann der Gesellschaft beispielsweise drohen, wenn von einem Schuldner der Aktiengesellschaft, der außer deren Aktien keinerlei nennenswertes Vermögen besitzt, Befriedigung nur in der Weise erlangt werden kann, dass diese Aktien von ihm erworben werden. In diesem Fall ist der Erwerb eigener Aktien nach ganz allgemeiner Ansicht zulässig. 434 Praktische Bedeutung kommt dieser Fallgruppe insofern zu, als der Schuldner der Gesellschaft durch Rechtsgeschäft gem § 71 Abs 1 Nr 1 iVm § 71e Abs 1 S 1 zulässigerweise ein Pfandrecht (§§ 1204 f, 1273 f BGB) einräumen kann 4 3 5 . Demgegenüber ist der Erlaubnistatbestand des § 71 Abs 1 Nr 1 bei

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So restriktiv Geßlei/Hefermehl/Bungeroth 48; vgl auch GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 8. Hüffer 8; GroßKommIBarz Voraufl § 71 Anm 8; KKJLutter 31; MünchKomm/ Oecbsler 101. Heute allgmeine Ansicht, vgl Hüffer 8; GroßKommIBarz Voraufl § 71 Anm 8; KKJLutter 31; MünchKomm/Oecfcs/er 101; anders Teile des früheren Schrifttums, vgl von Godin/ Wilhelmi 4; Kronstein ZBH 1931, 218, 221.

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432 433 434

435

MünchKomm/OecMer 101. Vom 22.09.2005, BGBl I, 2802. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 51; Hüffer 9; KKJLutter 23; MünchKomm/Oec/w/er 102; Scblegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 6. Vgl KKJLutter 23, der mit seiner Formulierung „Erwerb aus der Zwangsvollstreckung bei einem eigenen Pfandrecht" wohl das rechtsgeschäftliche Pfandrecht und nicht das Pfändungspfandrecht meint.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

einem in der Zwangsvollstreckung e r w o r b e n e n Pfändungspfandrecht (§ 8 0 4 Z P O ) o h n e Bedeutung, weil dieses v o m E r w e r b s v e r b o t des § 71 Abs 1 i V m § 71 e A b s 1 S 1 nach allgemeiner Ansicht nicht erfasst w i r d . 4 3 6 172

bb) Auseinandersetzung von Aktionären. Ein M a c h t k a m p f zwischen einzelnen Aktionären oder Aktionärsgruppen h a t in der Regel keinen (schweren) Schaden für die Gesellschaft zur Folge und berechtigt daher grundsätzlich nicht zu einem Erwerb eigener Aktien durch die G e s e l l s c h a f t . 4 3 7 Sofern j e d o c h die Auseinandersetzungen solche A u s m a ß e annehmen, dass das Vertrauen von Vertragspartnern der Gesellschaft gravierend getrübt wird, kann ausnahmsweise ein R ü c k e r w e r b eigener Aktien von einzelnen Aktionären gerechtfertigt s e i n . 4 3 8 Ist der Gesellschaft tatsächlich ein Schaden entstanden und hat ein A k t i o n ä r zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt, k a n n von ihm aus § 8 2 6 B G B oder aus Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht Schadensersatz gefordert werden.

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cc) Abkauf von Anfechtungsklagen. Eine bevorstehende oder bereits erhobene Anfechtungsklage (§ 2 4 6 ) eines A k t i o n ä r s gegen den Beschluss der Hauptversammlung k a n n grundsätzlich nicht dadurch abgewendet werden, dass ihm seine Aktien - w o m ö g lich n o c h zu einem erhöhten Preis - abgekauft w e r d e n . 4 3 9 D a s R e c h t des Aktionärs, Anfechtungsklage zu erheben, ist nämlich Teil seines Mitgliedschaftsrechts und dient der K o n t r o l l e der R e c h t m ä ß i g k e i t der gesellschaftlichen Willensbildung. Die E r h e b u n g der Klage kann daher nicht als Schaden iSv § 71 Abs 1 N r 1 angesehen werden. Sofern die Anfechtungsklage begründet ist, wird die Legalität der Unternehmensführung wiederhergestellt, indem der rechtswidrige Beschluss kassiert wird. D a s s dabei die auf dem fehlerhaften Beschluss beruhende M a ß n a h m e verzögert und schließlich auch verhindert wird, k a n n nicht als Schaden qualifiziert werden, da diese M a ß n a h m e nur einen gesetzeswidrigen Z u s t a n d perpetuiert h ä t t e . 4 4 0 A b e r selbst dann, wenn eine Anfechtungsklage - wie für das unmittelbare Bevorstehen eines Schadens erforderlich (näher zu diesem Begriff R d n 165) - mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unbegründet ist, würde die Zeitverzögerung alleine nicht genügen, um einen schweren Schaden zu bejahen. D e n n sie ist grundsätzlich hinzunehmen, um dem A k t i o n ä r die Ausübung seines Anfechtungsrechts zu erm ö g l i c h e n . 4 4 1 Ausnahmsweise k a n n j e d o c h bei einer Anfechtungsklage, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unbegründet ist, ein schwerer Schaden iSv § 7 1 A b s 1 N r 1 zu bejahen sein, wenn die Zeitverzögerung gravierende Nachteile zur Folge hat bzw weitere U m s t ä n d e hinzutreten, die die Zeitverzögerung selbst zu einem schweren Schaden werden l a s s e n . 4 4 2 Ein gravierender N a c h t e i l k a n n etwa darin liegen, dass der Gesellschaft bei einer weiteren Verzögerung einer Kapitalerhöhung die Insolvenz drohen würde. D a n n ist im Eintritt der Insolvenz der schwere Schaden iSv § 71 A b s 1 N r 1 zu sehen. Demgegenüber ist die Zeitverzögerung regelmäßig selbst als schwerer Schaden iSv

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Vgl dazu Hüffer § 71 e AktG Rdn 2; MünchKomm/Oechsler § 71e AktG Rdn 6. RFH JW 1929, 2183, 2184; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 58; Hüffer 10; KK/Lutter 25; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 7. GroßKomm/IWz Voraufl § 71 Anm 7; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 58; KK/Lutter 25; anders RFH JW 1929, 2183, 2184; Nirk Handbuch der AG, Rdn 403. Günther/Muche/White RIW 1998, 337, 340; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 59; Hüffer 10;

440 441

KKJLutter 26; MünchKomm/Oechsler 118 ff; anders GroßKomm/ßarz Voraufl § 71 Anm 7; Baumbach/Hueck 6. KKJLutter 26. So im Ergebnis auch MünchKomm/Oechsler

120. 442

Eine Ausnahme lassen im Ergebnis auch zu Geßler/Hefermehl/Bungeroth 59; KKJLutter 26; ders ZGR 1978, 347, 360 f; Martens AG 1988, 118, 120; MünchKommJOechsler 118 ff; Schiaus AG 1988, 113, 116 f.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

§ 71 Abs 1 Nr 1 anzusehen, wenn der Aktionär die Anfechtungsklage nur erhebt, um eine Geldzahlung zu erpressen. 4 4 3 Je unbedeutender der Fehler, den der Aktionär vorträgt, und je geringer sein eigenes Interesse an der Kassation des Beschlusses ist, desto eher ist davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage nur aus erpresserischen Gründen erhoben wurde. In der Praxis werden Anfechtungsklagen häufig erhoben, um Kapitalmaßnahmen (etwa eine Kapitalerhöhung, § 182) oder Strukturentscheidungen (zum Beispiel einen Verschmelzungsbeschluss, § 13 UmwG) zu blockieren. In einer Vielzahl von Fällen werden diese mit dem mehr oder weniger diskret angedeuteten Angebot verbunden, die Klage gegen „Abkauf des Lästigkeitswerts" 4 4 4 zurück zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 16 Abs 3 UmwG der Gesellschaft die Möglichkeit eröffnet hat, bei Gericht den Antrag zu stellen, die Umwandlung trotz einer erhobenen Anfechtungsklage durchführen zu dürfen (sog Freigabeverfahren). 4 4 5 Das Gericht spricht dies durch Beschluss aus, wenn die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist oder wenn das alsbaldige Wirksamwerden der Verschmelzung nach freier Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der Schwere der mit der Klage geltend gemachten Rechtsverletzungen zur Abwendung der vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger und ihre Anteilsinhaber vorrangig erscheint (§ 16 Abs 3 S 2 UmwG). Ein solches Unbedenklichkeitsverfahren, das nicht nur in § 16 Abs 3, sondern auch noch in § 198 Abs 3 UmwG und § 319 Abs 6 AktG vorgesehen ist, ist regelmäßig als gleich geeigneter Weg anzusehen, um einen möglichen Schadenseintritt zu verhindern. Der Erwerb eigener Aktien ist also nicht notwendig iSv § 71 Abs 1 Nr 1 und damit nicht erlaubt. 4 4 6 Auch für die Maßnahmen der Kapitalbeschaffung gem §§ 182 ff AktG wurde inzwischen durch das U M A G 4 4 7 ein entsprechendes Verfahren in § 2 4 6 a eingeführt. Damit soll missbräuchlichen Anfechtungsklagen von räuberischen Aktionären entgegengewirkt werden. 4 4 8 Mithin kann der Erlaubnistatbestand des § 71 Abs 1 Nr 1 insofern ebenfalls nicht eingreifen.

174

Liegt ein Ausnahmefall vor, in dem die Aktien des Klägers gem § 71 Abs 1 Nr 1 zurückerworben werden dürfen, um damit die Anfechtungsklage zu erledigen oder eine Klagerücknahme zu erreichen, so darf dennoch kein gegenüber dem Börsenpreis erhöhter Kaufpreis gezahlt werden. Denn in einem solchen Differenzbetrag wäre eine verbotene Einlagenrückgewähr iSv § 5 7 Abs 1 S 1 zu sehen 4 4 9 (näher Rdn 65). Wurde an einen „erpresserischen Aktionär" ein Entgelt gezahlt und auf diese Weise die Anfechtungsklage abgewendet, so ist der Vorstand aufgrund seiner allgemeinen Schadensverhinderungspflicht (vgl § 93 Abs 1) verpflichtet, den Geldbetrag vom Aktionär wieder zurückzufordern. 4 5 0 Für den Rückforderungsanspruch kommen verschiedene Anspruchsgrundlagen in Betracht: Wurde ein zu hoher Kaufpreis gezahlt, so kann gem § 6 2 Abs 1 iVm § 5 7 Abs 1 S 1 grundsätzlich nur der zuviel gezahlte Differenzbetrag zwischen Börsenund Kaufpreis zurückgefordert werden. Um der Gesellschaft einen Anspruch auf

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Vgl Martens AG 1 9 8 8 , 118, 121; MünchKomm/Oechsler 118; Schiaus AG 1 9 8 8 , 113, 117. Κ Schmidt Gesellschaftsrecht, 4 . Auflage 2 0 0 2 , S 8 6 3 ; näher dazu Baums in: Verhandlungen des 6 3 . DJT I, S F 1 5 2 ff; Diekgräf 1 9 9 0 , S 3 ff; Timm 1 9 9 0 , S 1 ff. Κ Schmidt Gesellschaftsrecht, 4 . Auflage 2002, S 866.

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Anders MünchKomm/Oecfcs/er 118. Vom 2 2 . 9 . 2 0 0 5 , BGBl I 2 0 8 2 . Priester D N o t Z 2 0 0 6 , 4 0 3 , 4 0 6 . M ü n c h K o m m / O e c f e / e r 119; Schiaus AG 1 9 8 8 , 113, 116. Benckendorff S 2 1 4 ff; Martens AG 1 9 8 8 , 118, 121; M i i n c h K o m m / O c M e r 119; Schiaus AG 1 9 9 8 , 113, 117.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Rückforderung des gesamten Kaufpreises zu gewähren, wird daher im Schrifttum eine analoge Anwendung des § 62 Abs 1 erwogen. 451 Einer solchen Analogie bedarf es indessen nicht in den Fällen des „erpresserischen Aktionärs", der der Gesellschaft vorsätzlich einen Schaden zufügt, denn gegen ihn besteht ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB 4 5 2 und aus § 823 Abs 2 BGB iVm § 253 StGB sowie wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht. 453 Außerdem ist die dem Vorstand abgenötigte Entgeltvereinbarung entweder gem § 138 BGB nichtig oder sie kann gem § 123 BGB angefochten werden, so dass das Geleistete auch gem § 812 Abs 1 S 1 BGB zurückgefordert werden kann. 4 5 4 Dem Bereicherungsanspruch steht dabei die Einrede des § 814 BGB nicht entgegen. Denn der Vorstand hatte zwar Kenntnis von der Nichtschuld oder der Anfechtbarkeit, er erbringt die Leistung jedoch regelmäßig nur aufgrund des Nötigungsdrucks. 4 5 5 176

Im Übrigen ist es strafrechtlich unbedenklich, dass der Vorstand bei einem solchen Vorgehen an einen „erpresserischen Aktionär" leistet, obwohl er nachträglich den Geldbetrag wieder zurückfordern will. 456 Zwar täuscht der Vorstand über seine Zahlungsbereitschaft, um den Aktionär zur Rücknahme der Klage zu bewegen. Außerdem ist nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff auch der gegenüber einem Erpresser begangenen Betrug gem § 263 StGB strafbar. Das Handeln des Vorstands ist jedoch jedenfalls als Nothilfe gem § 32 StGB gerechtfertigt, da dieser Betrug zur Abwehr eines Schadens von der Gesellschaft geboten ist. In einer solchen Zahlung ist ferner auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) zu erblicken (näher Rdn 79). Der Zweck der Zahlung, den Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, rechtfertigt es, die übrigen Aktionäre gegenüber dem opponierenden Aktionär ungleich zu behandeln 4 5 7 .

177

dd) Bankenhandel in eigenen Aktien. Während man früher die Auffassung vertrat, ein gewisser Handelsbestand der Banken in eigenen Aktien zur zügigen Erfüllung von Kundenaufträgen sei von § 71 Abs 1 Nr 1 gedeckt (näher Rdn 121 (Geschichte, 1994)), 458 wurde im Jahre 1994 im Zuge des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes die Regelung des § 71 Abs 1 N r 7 geschaffen, um Banken den Erwerb eigener Aktien zum Zwecke des Wertpapierhandels zu erlauben. Dieser Erlaubnistatbestand regelt den Handel in eigenen Aktien nunmehr abschließend. Ein Rückgriff auf § 71 Abs 1 Nr 1 ist - auch wegen seines Ausnahmecharakters - nicht mehr nötig. 459

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ee) Kurspflege und Baisseangriff. Es entspricht der allgemeinen Ansicht, dass der Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 Nr 1 grundsätzlich nicht zum Zwecke der allgemeinen Kurspflege erlaubt ist. 460 Nachdem § 71 Abs 1 N r 7 und N r 8 geschaffen wurden, können Kursschwankungen nach ganz herrschender Meinung nicht mehr als schwerer Schaden eingestuft werden (näher Rdn 164). 461 Soweit den Aktionären Kursverluste drohen, handelt es sich zudem nicht um einen Schaden der Gesellschaft - wie von § 71 Abs 1 N r 1 verlangt wird sondern um einen Schaden ihre Aktionären (vgl

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Schiaus AG 1998, 113, 117. Lutter ZGR 1978, 347, 360; Schiaus AG 1 9 8 8 , 1 1 3 , 117. Hüffer § 53a AktG Rdn 21; Κ Schmidt Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2 0 0 2 , S 8 6 4 f. Martens AG 1988, 118, 121; Schiaus AG 1988, 113, 117. MünchKomm/Oechsler 119; Martens AG 1988, 118, 121; zur „Leistung unter Druck" vgl MünchKomm/Lieb § 814 BGB Rdn 12. MünchKomm/Oechsler 119.

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Diekgräf 1990, S 147; näher dazu auch Martens AG 1988, 118, 124 f. K K / L u t t e r 27; Mertens WuB II A § 131 AktG 1.88 unter 3. Hüffer 11; MünchKommlOechsler 117. Kropff Begr RegE, S 91; GroßKomm/Barz Voraufl ξ 71 Anm 7; Baumbach/Hueck 6; von Godin/Wilkelmi 3; G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 52; Hüffer 10; KYJLutter 23; MünchKommlOechsler 114 ff. GeßlerIHefermehl/Bungeroth 52.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

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Rdn 160 f. 4 6 2 Ein Schaden der Gesellschaft ist zwar insofern denkbar, als der Kursrückgang zur Folge haben kann, dass das Vertrauen der Banken, der Lieferanten und der Kunden in die Kreditwürdigkeit der Aktiengesellschaft leidet. Allerdings vergeben die Banken Fremdkapital idR nicht auf der Basis der Entwicklung des Börsenkurses, sondern aufgrund einer eigenen Bonitätsprüfung der Gesellschaft, 463 so dass insofern ein Schaden regelmäßig nicht zu befürchten ist. Außerdem dürfte der Vorstand in den allermeisten Fällen in der Lage sein, einen Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 Nr 8 einzuholen, so dass der Schaden nicht unmittelbar iSv § 71 Abs 1 Nr 1 bevorsteht (näher Rdn 165; zu kurspflegenden Maßnahmen gem § 71 Abs 1 Nr 8 vgl Rdn 2 7 7 ) . 4 6 4 Die Ausnahmekompetenz nach § 71 Abs 1 Nr 1 steht dem Vorstand daher in diesen Fällen grundsätzlich nicht zu. Etwas anderes kann jedoch ausnahmsweise dann gelten, wenn ein gezielter Angriff auf den Börsenkurs der Gesellschaft stattfindet (sog Baisseangriff), etwa indem von dritter Seite bewusst falsche Informationen verbreitet werden, und ein sofortiges Handeln erforderlich ist, um einen Bonitätsverlust insbesondere bei Lieferanten und Kunden abzuwehren. Ein solcher Angriff, der eine umgehende Reaktion des Vorstands verlangt, kann beispielsweise auch während laufender Verschmelzungsverhandlungen stattfinden, um auf diese Weise die Unternehmensbewertung, bei der der Börsenkurs die Untergrenze darstellt, 465 und damit auch das Umtauschverhältnis (§ 5 Abs 1 Nr 3 UmwG) negativ zu beeinflussen. 466 In diesem Zusammenhang wird verschiedentlich befürwortet, danach zu differenzieren, ob die übertragende oder die aufnehmende Gesellschaft Opfer eines solchen Angriffs ist. Denn im ersteren Fall bestehe die Gesellschaft nicht fort (§ 20 Abs 1 Nr 2 UmwG), so dass es sich nur um einen Schaden der Aktionäre und nicht - wie im Rahmen von § 71 Abs 1 Nr 1 verlangt wird - um einen Schaden der Gesellschaft handele. 4 6 7 Diese Auffassung stellt jedoch auf einen falschen Zeitpunkt ab und ist daher abzulehnen: Zwar erlischt die Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung (§ 20 Abs 1 Nr 2 UmwG). Durch einen gezielten Baisseangriff wird jedoch ihr Unternehmens wert bereits während des laufenden Verschmelzungsverfahrens, dh zu einem Zeitpunkt, in dem sie noch besteht, verringert und damit ihre Verhandlungsposition geschwächt.

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Ferner ist eine gezielt herbeigeführte Unterbewertung der Gesellschaft, bei der ein Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 Nr 1 in Betracht kommt, in den Fällen denkbar, in denen die Gesellschaft ihre Aktien erstmals an der Börse zulassen will oder eine Neuemission junger Aktien plant. 4 6 8 Ein gezielter Baisseangriff kann letztlich auch eine Übernahme im Wege eines so genannten „Leveraged Buyout" vorbereiten. Auch hier scheint es sachgerecht, die Abwehr gem § 71 Abs 1 Nr 1 zuzulassen (näher Rdn 181).

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ff) Feindliche Übernahme der Aktiengesellschaft. Indem eine Aktiengesellschaft eigene Aktien erwirbt, kann sie insbesondere den Börsenkurs in die Höhe treiben und sich auf diese Weise vor unerwünschten Übernahmeversuchen, die bereits laufen oder künftig zu

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Aha AG 1992, 218, 219; Bändle Jura 1987, 465, 467f; Benckendorff S 216; Clausen AG 1991, 10, 13; YXJLutter 22; MünchKomm/ Oechsler 114; Piepenburg BB 1996, 2 5 8 2 , 2 5 8 3 lmwN in Fn 17; anders OLG Frankfurt aM, AG 1992, 194, 196 re Sp, wonach offenbar gem § 71 Abs 1 Nr 1 auch ein Schaden von den Aktionären abgewendet werden darf. Ge&erlHefermehl/Bungeroth 54; KKILutter 23; MünchKomm/Oecfcs/er 115.

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So im Ergebnis auch MünchKomm/Oecfo/er 114. LutterILutter § 5 UmwG Rdn 23a. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 55; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 6. KK/Lutter 23; anders GeßlerIHefermehl/ Bungeroth 55. OLG Frankfurt aM AG 1992, 194, 196; Benckendorff S 217; MünchKomm/Oecfc/er 115.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

erwarten sind, schützen (näher oben Rdn 22). Es ist umstritten, ob die Übernahme der Kontrollmehrheit in der Hauptversammlung gegen den Willen des Vorstands (feindliche Übernahme) einen Schaden iSv § 71 Abs 1 Nr 1 darstellt und demzufolge einen Rückerwerb eigener Aktien rechtfertigt. Dazu werden im Wesentlichen drei Auffassungen vertreten: Während im älteren Schrifttum ein Schaden iSv § 71 Abs 1 Nr 1 generell bejaht und damit der Erwerb eigener Aktien gerechtfertigt wurde, 4 6 9 hält eine inzwischen weit verbreitete Meinung den Erwerb eigener Aktien durch den Vorstand in diesen Fällen generell für unzulässig. 470 Eine vermittelnde Ansicht will den Erwerb eigener Aktien durch den Vorstand gem § 71 Abs 1 Nr 1 ausnahmsweise zulassen, wenn der Bieter in der Absicht handelt, die Gesellschaft vom Markt zu verdrängen, auszuplündern oder auf andere Weise zu vernichten. 471 182

Der BGH neigt wohl der letztgenannten vermittelnden Auffassung zu. 4 7 2 Als Anhaltspunkt mag eine Entscheidung des BGH dienen, die zwar nicht den Erwerb eigener Aktien zum Gegenstand hatte, in der der BGH jedoch einen Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs 3) und die damit verbundene Ungleichbehandlung mit der Begründung rechtfertigte, dass die benachteiligten Aktionäre das Ziel verfolgten, die Gesellschaft „... unter ihren Einfluß zu bringen und zu vernichten." 4 7 3 Dass der II. Zivilsenat in diesem Zusammenhang die Schädigungsabsicht von Aktionären als sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung anerkannt hat, mag dafür sprechen, dass bei einer solchen Schädigungsabsicht auch der Rückerwerb eigener Aktien - als alternatives Verteidigungsmittel - zuzulassen ist. Dabei darf indes nicht übersehen weren, dass zwischen den beiden Situationen erhebliche Unterschiede bestehen: Während nämlich der Bezugsrechtsauschluss gem § 186 Abs 3 von der Hauptversammlung beschlossen wird, handelt es sich bei § 71 Abs 1 Nr 1 um eine Ausnahmekompetenz des Vorstandes (näher dazu Rdn 159), von der gerade ohne Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung (vgl § 71 Abs 1 Nr 8) Gebrauch gemacht werden kann. 4 7 4

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Aus dem Aktiengesetz und insbesondere aus § 71 selbst ergeben sich folgende Argumente: Die Übertragung von Aktien ist nur dann an die Zustimmung der Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, gebunden, wenn dies in der Satzung bestimmt ist (§ 68 Abs 2 S 1 und 2). Dem Gesetz ist daher im Umkehrschluss zu entnehmen, dass dann, wenn eine solche Vinkulierung nicht besteht, der Verwaltung grundsätzlich kein Mitspracherecht zustehen soll, wer Aktionär der Gesellschaft wird. 4 7 5 Im Falle eines Übernahmeversuchs darf der Vorstand daher grundsätzlich nicht alleine über einen etwaigen

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GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 7; Baumbach/Hueck 6; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 6. Von Godin/Wilhelmi 3; Hauschka/Roth AG 1988, 181, 187; Henn Hb AG Rdn 402; Hopt ZGR 1993, 534, 563; Klein NJW 1997, 2 0 8 5 ; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S 146 f; Michalski AG 1997,152, 155 f; Nirk Hb AG, Rdn 4 0 3 ; MünchKomm/ Oechsler 112; Otto DB-Beilage 12/1988, 1, 8; GeibellSüßmannlSchuiennicke § 33 WpÜG Rdn 69. Assmann/Bozenhardt ZGR-Sonderheft 9, S 1, 133 f; Bandte Jura 1987, 465, 4 6 8 ; Ebenroth/Rapp DWiR 1991, 2, 4 f; Gamer-

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dinger/Saupe AG 1976, 29, 31 ff; Günther/ Muche/White RIW 1998, 337, 340; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 56; Hüffer 10; Kessler AG 1 9 9 5 , 1 2 0 , 122; Kort FS Lutter S 1421, 1428 f; KKJLutter 2 4 aE; Steinmeyer/Häger § 33 WpÜG Rdn 64; Werner AG 1972, 93, 96; unter engeren Voraussetzungen einen Erwerb eigener Aktien zulassend Aha AG 1992, 218, 2 2 0 in Fn 21. So deutet diese Entscheidung MünchKomm/ Oechsler 104; kritisch dazu Aha AG 1992, 218, 2 2 0 re Sp. BGHZ 33, 175, 186 („Minimax II"). Aha AG 1992, 218, 2 2 0 . KKJLutter 24.

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Erwerb eigener Aktien

§71

Rückerwerb eigener Aktien entscheiden. Der Erlaubnistatbestand des § 71 Abs 1 Nr 1 kommt in diesen Fällen daher grundsätzlich nicht in Betracht. Dieses Ergebnis lässt sich abhängig von der jeweiligen Fallgestaltung auf zwei verschiedene Tatbestandselemente stützen: Erstens stellt § 71 Abs 1 N r 1 im Verhältnis zu § 71 Abs 1 N r 8 eine Ausnahmekompetenz dar. Der Erwerb ist nämlich gem § 71 Abs 1 N r 1 nur dann notwendig, wenn ein Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 N r 8 nicht abgewartet werden kann (näher Rdn 166). Sofern die Zeit allerdings drängt und nur eine sofortige Reaktion die feindliche Übernahme verhindern kann, kommt es darauf an, ob die feindliche Übernahme als Schaden anzusehen ist. Hier gilt, dass der Aktienerwerb durch Dritte grundsätzlich zulässig ist und nicht per se als Schaden für die Gesellschaft iSv § 71 Abs 1 Nr 1 angesehen werden k a n n . 4 7 6 Ein Schaden droht jedoch ausnahmsweise, wenn zu erwarten ist, dass der Übernahmeinteressent die Gesellschaft später ausplündert oder vernichtet. Es muss dabei lediglich anhand objektiver Anhaltspunkte dargelegt und bewiesen werden, dass eine solche Schädigungsabsicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit besteht. 4 7 7 Denn § 71 Abs 1 N r 1 ermöglicht ein Handeln des Vorstands nicht erst, wenn ein Geschehensablauf mit Sicherheit zu erwarten ist. In diesen Fällen wäre daher nach der Konzeption des § 71 Abs 1 N r 1 ein Erwerb eigener Aktien zulässig. Zwar verbietet § 3 3 Abs 1 S 1 W p Ü G dem Vorstand einer Zielgesellschaft grundsätzlieh, nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebotes Handlungen vorzunehmen, durch die der Erfolg eines Angebots verhindert werden könnte (Neutralitätspflicht bzw Vereitelungsverbot). Als eine solche Handlung wäre insbesondere auch der Rückerwerb eigener Aktien anzusehen. 4 7 8 Indessen gilt dieses Verbot gem § 3 3 Abs 1 S 2 3. Alt W p Ü G nicht, sofern der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft vorher zugestimmt hat (näher Rdn 138).

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gg) Greenmailing. Ein Aktionär kann der Gesellschaft mit einem eigenen Übernahmeangebot oder mit dem Verkauf seines Aktienpakets an einen Übernahmeinteressenten drohen, sofern der Vorstand nicht bereit ist, das Aktienpaket zu einem weit über dem Börsenkurs liegenden Preis zurückzukaufen. Für eine solche Aufforderung seitens des Aktionärs hat sich der aus den USA bekannte Begriff des Greenmailing eingebürgert. 4 7 9

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Umstritten ist, o b es sich bei der in Aussicht gestellten feindlichen Übernahme um einen Schaden iSv § 71 Abs 1 N r 1 handelt. Vereinzelt wird dies bejaht und zugleich darin ein sachlicher Grund für den Kauf des Aktienpaketes eines einzelnen Aktionärs g e s e h e n 4 8 0 (zum Gleichbehandlungsgrundsatz siehe Rdn 79). Demgegenüber sieht die überwiegende Auffassung zu Recht in einer feindlichen Übernahme grundsätzlich keinen schweren Schaden iSv $ 71 Abs 1 N r l 4 8 1 . Dafür spricht, dass eine feindliche Übernahme

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K K / L u t t e r 2 4 ; Lammers Verhaltenspflichten, 1 9 9 4 , S 1 5 0 ; Geibel/Süßmatin-Schwennicke § 3 3 W p Ü G Rdn 6 9 m w N . So im Ergebnis auch Hüffer 9 aE. KKIHirte § 3 3 W p Ü G Rdn 61; Krause BB 2 0 0 2 , 1 0 5 3 , 1 0 5 9 f; Maier-Reimer Z H R 165 ( 2 0 0 1 ) , 2 5 8 , 2 6 8 m w N ; Merkt Z H R 165 ( 2 0 0 1 ) , 2 2 4 , 2 4 9 ; Schander ZIP 1 9 9 8 , 2 0 8 7 , 2 0 8 8 f; Geibel/Süßmanrt-Schwennicke § 33 W p Ü G Rdn 27. Der Begriff setzt sich zusammen aus „Green B a c k " (für Dollarnote) und „to blackmail" (erpressen); näher Kurth, Aktionärsschutz

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und öffentliche Kaufangebote - Neuere Entwicklungen im Recht der USA, 1987, S 11; Michalski AG 1997, 1 5 2 , 1 6 2 ; MünchK o m m / O e c h s l e r 113 und 2 0 7 ; vgl dazu auch Hirsch S 81 f; Johannsen-Roth S 22. Wastl D B 1997, 4 6 1 , 4 6 3 in Fn 3 2 . Immenga/Noll Feindliche Übernahmeangebote aus wettbewerbspolitischer Sicht, 1 9 9 0 , S 110 f; M ü n c h K o m m / O e c / w / e r 2 0 7 ; so im Ergebnis auch Huber FS Kropff, 1997, S 107, 111, nach dessen Ansicht der Erwerb eigener Aktien am Gleichbehandlungsgrundsatz scheitert.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

als solche grundsätzlich keinen Schaden darstellt (näher Rdn 181 ff) und dies daher auch für die Androhung einer solchen feindlichen Übernahme zu gelten hat. Etwas anderes ist nur ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn die feindliche Übernahme dem Zwecke dient, die Gesellschaft vom Markt zu verdrängen, auszuplündern oder auf andere Weise zu vernichten (näher Rdn 183). Die Grenzen des § 33 Abs 1 WpÜG sind zusätzlich zu beachten. Im Regelfall darf der Vorstand nicht gem § 71 Abs 1 Nr 1 tätig werden, sondern muss einen Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 Nr 8 einholen. 187

Sofern die drohende feindliche Übernahme ausnahmsweise einen Schaden darstellt, kann die Gesellschaft neben den Ansprüchen, die ihr aufgrund der Nichtigkeit des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts zustehen (näher Rdn 385 f), weitere Schadensersatzansprüche geltend machen. Insofern ist dieser Fall dem Abkauf einer Anfechtungsklage vergleichbar, denn der Aktionär versucht hier wie dort, einen höheren Preis von der Aktiengesellschaft zu erpressen. Für den Rückforderungsanspruch kann sich die Gesellschaft auf § 826 BGB, auf § 823 Abs 2 iVm § 253 StGB und auf die Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht stützen (näher Rdn 175). 482

188

hh) Rückabwicklung eines Ubernahmevertrages im Zusammenhang mit einer Aktienneuemission. Um einen Börsengang vorzubereiten, schließen die Aktiengesellschaft - als Emittentin - und die Bank oder das Bankenkonsortium, die die Emission begleiten, in der Regel einen sog Übernahmevertrag. In diesem schuldrechtlichen Vertrag verpflichtet sich die Bankenseite, eine gewisse Anzahl von zu platzierenden Aktien von der Emittentin zu übernehmen und daraufhin an der Börse unterzubringen. 4 8 3 Sofern die Emissionsbank von dem Vertrag nach Übernahme der Aktien zurücktritt, 4 8 4 stellt sich die Frage, ob der Vorstand der Aktiengesellschaft diese Aktien gem § 71 Abs 1 N r 1 zum Zwecke der Rückabwicklung des Vertrages zurückerwerben darf. War die Gesellschaft bereits vorher börsennotiert, so führt das Scheitern der Emission typischerweise zu einer Abwertung der betroffenen Aktie. Die Analysten müssen nämlich damit rechnen, dass das nicht platzierte Aktienpaket (sog overhang) zu einem späteren Zeitpunkt in irgendeiner Form dem Kapitalmarkt doch noch zugeführt wird. 4 8 5 Ein solcher Kursverlust hat jedoch nicht für die Gesellschaft, sondern für ihre Aktionäre einen Schaden zur Folge (näher Rdn 178). 486 Demzufolge ist ein Erwerb eigener Aktien nicht gem § 71 Abs 1 Nr 1 zulässig. 487 Die Rückabwicklung des gescheiterten Übernahmevertrages kann mithin nur gem § 71 Abs 1 Nr 8 erfolgen, wobei der erforderliche Ermächtigungsbeschluss auch vorsorglich bereits vor Abschluss des Übernahmevertrages von der Hauptversammlung gefasst werden kann. 4 8 8 3. Belegschaftsaktien (Nr 2)

189

Gem § 71 Abs 1 N r 2 wird der Erwerb eigener Aktien zugelassen, wenn die Aktien den Arbeitnehmern der Gesellschaft oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens (§ 15) zum Erwerb angeboten werden sollen. Diese Ausnahme vom Erwerbsverbot setzt nicht nur den Willen des Vorstands voraus, die Aktien den Arbeitnehmern anzubieten (näher Rdn 191 ff), sondern außerdem, dass sowohl die Zehnprozentschranke (§ 71 Abs 2 S 1) als auch die Kapitalgrenze (§ 71 Abs 2 S 2) eingehalten werden sowie auf die Aktien der 482

483

Joussen BB 1992, 1075, 1079; Michalski AG 1997, 152, 162. Näher dazu Hein W M 1996, 1 ff; Hoffmanti-Becking FS Lieberknecht, 1997, S 2 5 ff; Technau AG 1996, 4 4 5 ff; Trapp AG 1997, 115, 119.

484 485 486

487

488

Näher dazu Technau AG 1996, 445, 4 5 2 ff. Technau AG 1996, 445, 453. Technau AG 1996, 445, 453. So im Ergebnis auch MünchKomm/Oechsler 121. MünchKomm/Oechsler 121.

Stand: 1.11.2007

(116)

Erwerb eigener Aktien

§71

Ausgabebetrag voll geleistet ist (§ 71 Abs 2 S 3; näher Rdn 3 3 5 ff). Ais Belegschaftsaktien gem § 71 Abs 1 Nr 2 erworbene Aktien sind gem § 71 Abs 3 S 2 innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb an die Arbeitnehmer auszugeben (näher Rdn 351 ff). Der Erwerb von Aktien durch die Arbeitnehmer einer Gesellschaft wird außerdem priviligiert von § 71a Abs 1 S 2 (näher § 71a Rdn 61). a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Der Ausnahmetatbestand verfolgt sozialpolitische Zwecke: Indem die Arbeitnehmer an dem Unternehmen beteiligt werden, soll ihre Verbundenheit mit dem Unternehmen und die Übernahme von Mitverantwortung gefördert w e r d e n . 4 8 9 Insoweit dient der Erwerb eigener Aktien ähnlichen Zwecken wie der Erwerb von Aktien durch die Arbeitnehmer im Wege der Beteiligung an Kapitalerhöhungen (SS 192 Abs 2 N r 3, 193 Abs 2 N r 4 , 2 0 2 Abs 4 , 2 0 3 Abs 4 , 2 0 5 Abs 5). Der Gesetzgeber hält diesen Ausnahmetatbestand für gerechtfertigt, weil die Gesellschaft die Aktien in absehbarer Zeit wieder abgeben will, es sich also um einen bloßen Durchgangserwerb handelt, der nicht zu einer dauerhaften wesentlichen Vergrößerung der Bestände an eigene Aktien f ü h r t . 4 9 0 Die Regelung wurde im Jahre 1 9 5 9 eingeführt und findet seit 1976 ihre Grundlage in Art 19 Abs 3 der K a p R L (näher zur Richtlinie Rdn 114 ff). Im Rahmen der Aktienrechtsnovelle von 1 9 7 8 wurde diese Ausnahme auf Aktien für Arbeitnehmer verbundener Unternehmen ausgedehnt. Seit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz von 1 9 9 4 (näher Rdn 121) erfasst die Vorschrift ausdrücklich auch frühere Arbeitsverhältnisse („standen"), um Belegschaftsaktien auch Betriebsrentnern und Ruheständlern anbieten zu können. 4 9 1 Demgegenüber ermöglicht die Vorschrift nicht die Weitergabe an Mitglieder der Leitungsorgane (näher Rdn 195 f).

190

b) Ernstlicher Wille zur Weitergabe an die Belegschaft. Der Wortlaut des S 71 Abs 1 N r 2 setzt nicht voraus, dass die Aktien den Arbeitnehmern tatsächlich angeboten werden, sondern es genügt, dass sie ihnen angeboten werden „sollen". Demnach genügt der Wille des Vorstands, die zu erwerbenden Aktien der Belegschaft anzubieten 4 9 2 . Dieses Motiv muss zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kauvertrages vorliegen. Um eine Umgehung des Erwerbsverbotes des § 71 Abs 1 zu verhindern, ist zu fordern, dass dieser Wille durch gewisse Anhaltspunkte, etwa durch einen Vorstandsbeschluss oder eine entsprechende Absichtserklärung des Vorstandsvorsitzenden nach außen erkennbar w i r d . 4 9 3 Fehlt dieser Wille oder bezieht er sich auf einen nicht von S 71 Abs 1 N r 2 umfassten Personenkreis, zB fremde Arbeitnehmer oder Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (näher Rdn 195), ist der Erwerb unzulässig.

191

Das Erfordernis der Ernstlichkeit will die Umgehung des Erwerbsverbotes verhindern. Es fehlt an einem ernstlichen Willen zur Weitergabe, wenn sich aus den äußeren Umständen ergibt, dass die Absicht, die Aktien an die Arbeitnehmer weiterzugeben, tatsächlich nicht besteht. 4 9 4 Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Wird die Weitergabe bloß vage und nicht in konkreter Art und Weise geplant, genügt dies n i c h t . 4 9 5 Insbesondere fehlt es an dieser Voraussetzung, wenn die geplanten Weitergabebedingungen für die Arbeitnehmer so schlecht sind, dass mit einer Abnahme in dem Umfang, in

192

489

490

491

BT-Drucks 10/337, S 10; vgl Hüffer ZHR 161 (1997), 214; KKILutter 34; MünchKomm/Oechsler 122. Reg Begr Kropff S 91; vgl MünchKomm/ Oecbsler 122. BT-Drucks 12/6679, S 83 re Sp; vgl Butzke WM 1995, 1389 re Sp; Hüffer 12.

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Hüffer 13; KKILutter 35 ff; MünchKomm/ Oecbsler 128. 493 KKJLutter 35; MünchKomm/Oecfe/er 128. 494 vgl zu diesem Erfordernis Hüffer 13; KKILutter 36; MünchKomm/Oec/w/er 128. 495 Hüffer 13. 492

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

dem Aktien zurückerworben werden sollen, nicht zu rechnen i s t . 4 9 6 D a s Gleiche ist anzunehmen, wenn eine so große Anzahl von Aktien zurückgekauft werden soll, dass der E r w e r b aller zurückgekauften Aktien durch die Arbeitnehmer unwahrscheinlich i s t . 4 9 7 Es fehlt außerdem an der Ernstlichkeit, solange eine etwa erforderliche Z u s t i m m u n g des Aufsichtsrates (vgl § 111 A b s 4 S 2 ) nicht eingeholt w u r d e . 4 9 8 Demgegenüber muss eine Z u s t i m m u n g des Betriebsrates nach § 8 7 Abs 1 B e t r V G nicht eingeholt werden, da die Ausgabe von Arbeitnehmeraktien nicht zu den nach dieser Vorschrift mitbestimmungspflichtigen M a ß n a h m e n g e h ö r t . 4 9 9 193

Es ist grundsätzlich nicht schädlich, wenn neben der M ö g l i c h k e i t , die Aktien an die Arbeitnehmer weiterzugeben, n o c h andere M o t i v e für den R ü c k e r w e r b eigener Aktien bestehen, so etwa die Erreichung einer Kurssteigerung. Im Falle eines solchen Motivbündels muss jedoch das M o t i v , die Aktien an die Arbeitnehmer weiterzugeben, der bestimmende bzw vorherrschende Beweggrund für den E r w e r b eigener Aktien sein. Ist die Weitergabe an die Arbeitnehmer erst zu einem sehr viel späteren Z e i t p u n k t geplant, so k a n n dies ein Indiz dafür sein, dass andere M o t i v e für den E r w e r b zum jetzigen Z e i t p u n k t stärker sind und es daher (noch) an einem ernstlichen Willen f e h l t . 5 0 0 § 7 1 A b s 3 S 2 verpflichtet die Gesellschaft, die Aktien innerhalb eines Jahres an die Arbeitnehmer auszugeben (näher R d n 3 5 1 ff). Diese Regelung ist im Wege der systematischen Auslegung so zu verstehen, dass jedenfalls dann, wenn die Weitergabe erst nach einem J a h r geplant ist, nicht m e h r von einem ernstlichen Willen gesprochen werden k a n n . 5 0 1

194

Werden die Aktien den A k t i o n ä r e n dann tatsächlich nicht angeboten oder angeboten, aber von ihnen nicht a b g e n o m m e n , so führt dies nicht nachträglich zur Unzulässigkeit des Erwerbs. D e n n es k o m m t nach dem W o r t l a u t der N o r m nur auf den Willen zur Weitergabe an ( „ s o l l e n " ; näher R d n 191). Angesichts dieses eindeutigen Wortlauts führt auch ein Verstoß gegen die in § 71 Abs 3 S 2 normierte Pflicht zur Weitergabe nicht zur nachträglichen Unzulässigkeit des E r w e r b s . 5 0 2 Die Vorschrift des § 7 1 Abs 1 statuiert die Zulässigkeit des Erwerbs im Zeitpunkt des Erwerbs. D e m Gesetz ist die rückwirkende Unzulässigkeit des R ü c k e r w e r b s eigener Aktien f r e m d . 5 0 3 Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen, dass die Weitergabe der Aktien an die Arbeitnehmer von deren Erwerbsbereitschaft a b h ä n g t , auf die der Vorstand nur einen begrenzten Einfluss h a t . 5 0 4 Ferner ist der Systematik des § 7 1 zu entnehmen, dass in § 71 Abs 1 und Abs 2 die Voraussetzungen für einen zulässigen Erwerb und demgegenüber in § 71 Abs 3 lediglich weitere Verhaltenspflichten normiert sind. Dies wird insbesondere in § 7 1 A b s 4 S 2 zum Ausdruck gebracht, der im Falle des Verstoßes gegen die A b s 1 oder 2 , nicht hingegen bei Verstoß gegen A b s 3 das schuldrechtliche G e s c h ä f t für nichtig erklärt. Ein Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 2 hat lediglich zur Folge, dass die Gesellschaft gem § 7 1 c Abs 1 analog verpflichtet ist, die e r w o r b e n e n Aktien zu veräußern (näher § 7 1 c R d n 7 ) .

195

c) Personen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft stehen oder standen. Es k a n n sich um ein aktuelles ( „ s t e h e n " ) oder um ein früheres, inzwischen beendetes Arbeitsverhältnis ( „ s t a n d e n " ) handeln. Ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieser N o r m ist bei jedem

496

497 498 499

500

Hüffer 13; KK/Lutter 36; MünchKomm/ Oechsler 128. KKILutter 36; MünchKomm! Oechsler 128. KKILutter 36. Hüffer 13; KKILutter 37; MünchKomm/ Oechsler 128. Im Ergebnis ähnlich von Godin/Wilhelmi 6; KKILutter 36; MünchKommlOechsler 128.

501 502

503 504

MünchKomm/Oecfcs/er 128. Hüffer 13; KKJLutter 38; MünchKomm/ Oechsler 129. KKILutter 38. KKJLutter 41; MünchKommlOechsler 129; U Schneider ZIP 1996, 1796, 1772.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

bestehenden oder beendeten Dienstverhältnis anzunehmen, soweit die Person nicht Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrates ist. 5 0 5 Verträge mit leitenden Angestellten und Prokuristen sind von dem Begriff des „Arbeitsverhältnisses" iSv § 71 Abs 1 Nr 2 mitumfasst. 5 0 6 Die Einschränkung des Anwendungsbereichs für Organwalter ist deshalb gerechtfertigt, weil insbesondere die Vorstandsmitglieder sich ansonsten selbst im Wege des Rückerwerbs eigener Aktien und der Weitergabe an sich selbst entlohnen könnten, was bei § 71 Abs 1 Nr 2 im Unterschied zu § 71 Abs 1 Nr 8 ohne Beschluss der Hauptversammlung möglich ist. Nachdem der Referentenentwurf zum KonTraG (näher Rdn 125 f) zunächst vorschlagen hatte, Organmitglieder in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen, 507 wurde dieses Vorhaben im weiteren Gesetzgebungsverfahren mit Rücksicht auf die scharfe Kritik der Literatur 5 0 8 wieder aufgegeben. Eine variable, erfolgsorientierte Vergütung der Leitungsorgane, die vom Deutschen Corporate Governance Kodex für Vorstand (Ziff 4.2.3.) und Aufsichtsrat (Ziff 5.4.5.) empfohlen w i r d , 5 0 9 kann, sofern hierfür Aktien zurückgekauft werden sollen, mithin nur aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses erfolgen (näher Rdn 3 0 2 ) . Aktienoptionen wären gem § 71 Abs 1 Nr 2 im Übrigen nur bedingt tauglich, da § 71 Abs 3 S 2 verhindert, dass die Gesellschaft die erworbenen Aktien langfristig vorhält. 5 1 0 Selbst wenn die Organwalter vorher als Arbeitnehmer in der Gesellschaft beschäftigt waren, ist ein Rückkauf von Aktien im Hinblick auf das beendete Arbeitsverhältnis nicht zulässig, weil ansonsten die Umgehung der dargelegten Einschränkung möglich wäre. 5 1 1

196

d) Arbeitnehmer eines verbundenen Unternehmens. Gem § 71 Abs 1 Nr 2 dürfen die Aktien auch zur Weitergabe an solche Personen, die im Arbeitsverhältnis zu einem mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmen stehen oder standen, erworben werden. Die Erweiterung geht zurück auf die Aktienrechtsnovelle von 1 9 7 8 , 5 1 2 mit der die KapRL umgesetzt wurde (näher Rdn 114 ff). Der Begriff des verbundenen Unternehmens wird in § 15 legaldefiniert. 513

197

e) Durchführung der Ausgabe an die Belegschaft. Gem § 71 Abs 3 S 2 sind die Aktien innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb an die Arbeitnehmer auszugeben (näher Rdn 351 ff). Das Gesetz regelt jedoch nicht, zu welchen Bedingungen die Aktien den Arbeitnehmern anzubieten sind. Da § 71 Abs 1 Nr 2 keinen Beschluss der Hauptversammlung voraussetzt, sondern der Rückerwerb eigener Aktien eine Maßnahme der Geschäftsführung darstellt (näher Rdn 41), werden auch die Bedingungen für die nachfolgende Ausgabe der Aktien vom Vorstand der Gesellschaft festgelegt. 514 Grundsätzlich können die Aktien den Arbeitnehmern entgeltlich und unentgeltlich angeboten werden. 5 1 5 Der Gestaltungsfreiheit des Vorstands sind jedoch insofern - wie auch bei anderen Sozialleistungen - Grenzen gesetzt, als die Organmitglieder nicht gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 93 Abs 1 S 1, S 2 verstoßen dürfen. Dies wäre (mit der Folge einer

198

505

506

507 508

GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 13; Baumbach/Hueck 8; Hüffer 12; Niethammer BB 1960, 257, 259; KK/Lutter 41; MünchKomm/Oechsler 125. GroßKomm/ßarz Voraufl § 71 Anm 13; MünchKomm/Oecfcs/er 125. AG August Sonderheft 1997, 7. Hüffer ZHR 161 (1997), 214, 242 f; Lutter AG August-Sonderheft 1997, 52, 56; Martens AG August-Sonderheft 1997, 83, 84.

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509

510 511

512 513 514 515

Der Kodex kann abgerufen werden unter www.corporate-governance-code.de. MünchKommJOechsler 123. Hüffer 12; Martens AG August-Sonderheft 1997, 84, 84. BGBl I S 1959. Hüffer 12; MünchKomm/Oec/>s/er 127. MünchKomm/Oechsler 131. GroßKomm/ßarz Voraufl § 71 Anm 12; Baumbach/Hueck 8; KKJLutter 44.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Schadensersatzhaftung gem § 93 Abs 2 S 1) der Fall, wenn eine verbilligte oder unentgeltliche Abgabe der Aktien unter Berücksichtigung der finanziellen Lage der Aktiengesellschaft als unangemessen anzusehen wäre. 5 1 6 Vereinzelt wird darüber hinaus vertreten, dass aufgrund des sozialpolitischen Zwecks des Ausnahmetatbestandes eine möglichst breite Beteiligung der Arbeitnehmer geboten sei. 5 1 7 Eine solche weitgehende Einschränkung des Ermessensspielraumes des Vorstandes ist abzulehnen, denn es wird häufig im Interesse der Gesellschaft sein, lediglich besonders leistungsfähigen Arbeitnehmern eine zusätzlich Vergütung in Form von Aktien zukommen zu lassen. Der weite Ermessensspielraum des Vorstands wird lediglich durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begrenzt, wonach für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts oder sonstiger Eigenschaften des Arbeitnehmers, die nicht mit seiner Leistungsfähigkeit zu tun haben, eine geringere Vergütung gewährt werden darf (S 612 Abs 3 S 1 B G B ) . 5 1 8 199

f) Umwidmung bereits erworbener eigener Aktien. Hat die Gesellschaft bereits aufgrund eines anderen Ausnahmetatbestandes eigene Aktien zulässigerweise erworben beispielsweise zur Abwendung eines Schadens (§ 71 Abs 1 Nr 1) oder aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses (§ 71 Abs 1 Nr 8) - , so kann sie diese Aktien ebenfalls an die Arbeitnehmer weiterreichen, indem sie die Aktien zunächst durch einen Vorstandsbeschluss umwidmet und dann an die Arbeitnehmer abgibt. 5 1 9 Es besteht nämlich kein sachlicher Grund dafür, dass die Gesellschaft anstatt auf den Bestand eigener Aktien zurückzugreifen erneut eigene Aktien erwerben müsste. Indem der Aktienbestand nun dem neuen Zweck der Weitergabe an die Belegschaft dient, wird er hinsichtlich seiner Bestimmung umgewidmet. Eine solche Umwidmung setzt allerdings voraus, dass die Aktien ursprünglich zulässigerweise erworben wurden. 5 2 0 Denn eine nachträgliche Heilung kommt ebensowenig in Betracht wie der rückwirkende Eintritt der Unzulässigkeit des Erwerbs (näher Rdn 194). Trotz ursprünglicher Unzulässigkeit des Erwerbs ist jedoch denkbar, dass die Gesellschaft die Aktien in Erfüllung der Veräußerungspflicht gem § 71c Abs 1 an ihre Arbeitnehmer veräußert. 5 2 1 Dabei sind jedoch die im Rahmen von § 71c bestehenden Grenzen zu beachten (näher § 71c Rdn 17 ff).

200

Nach einer veschiedentlich vertretenen Ansicht soll die Gesellschaft sogar verpflichtet sein, bereits gehaltene eigene Aktien zur Weitergabe an die Arbeitnehmer zu verwenden, wenn diese frei verfügbar sind, dh nicht für einen anderen der in § 71 Abs 1 genannten Zwecke benötigt werden. Insoweit soll es der Gesellschaft also versagt sein, nicht von dem Ausnahmetatbestand des § 71 Abs 1 Nr 2 Gebrauch zu machen. 5 2 2 Indessen heißt es in § 71 Abs 2 S 1, dass auf die zu den Zwecken nach Abs 1 Nr 1 bis 3, 7 und 8 erworbenen Aktien „zusammen" mit anderen Aktien der Gesellschaft, welche die Gesellschaft „bereits erworben hat und noch besitzt", nicht mehr als zehn Prozent des Grundkapitals entfallen dürfen. Die Norm geht also gerade davon aus, dass die Gesellschaft aufgrund verschiedener Ausnahmetatbestände Aktien erwerben darf, obwohl sie bereits eigene Aktien hält. Eine Verpflichtung zur Umwidmung ist deshalb abzulehnen. Der Vorstand hat in Übereinstimung mit der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 93 Abs 1 lediglich im

516

GroßKomm/ßarz Voraufl § 71 Anm 11;

Baumbach/Hueck 8; von Godin/Wilhelmi 5; Hüffer 12; Janberg AG 1960, 175, 177; KK/Lutter 44; MünchKomm/Oechsler 132; Schneider ZIP 1996, 1769, 1770 f. 517

Schroeder Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, 1995, S 2 2 2 .

518 519 520 521 522

MünchKomm/OechsIer 131. KK/Lutter 47; MünchKomm/Oechsler 129. KK/Lutter 47. MünchKomm/ Oechsler 129. GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 14;

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 80 f.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Rahmen seines weiten Ermessensspielraumes zu prüfen, ob die Kosten eines weiteren Rückerwerbs eigener Aktien angemessen sind. 4. Abfindung von Aktionären (§ 71 Abs 1 Nr 3) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Der Tatbestand des § 71 Abs 1 Nr 3 wurde durch die Aktienrechtsreform von 1965 geschaffen und erlaubte zunächst nur die Abfindung in konzernrechtlichen Fällen (näher Rdn 112 f). Dies beruhte auf der Erwägung, dass es der Gesellschaft in den genannten Fällen ermöglicht werden muss, ihre gesetzlich bestehende Abfindungspflicht zu erfüllen. 5 2 3 Der Abfindung durch die Gesellschaft zugunsten der schutzwürdigen Aktionäre wird dabei der Vorrang gegenüber den Regelungszielen des § 71 Abs 1 eingeräumt. Dies erschien dem Gesetzgeber insbesondere deshalb gerechtfertigt zu sein, weil die Gesellschaft die erworbenen Aktien - ebenso wie beim Erwerb zur Ausgabe an die Arbeitnehmer der Gesellschaft (§ 71 Abs 1 Nr 2) - wieder abgeben will (bloßer Durchgangserwerb) und der Ausnahmetatbestand daher „nicht zu einer wesentlichen Vergrößerung der Bestände an eigenen Aktien führen" wird. 5 2 4 Die im Rahmen des Erwerbs eigener Aktien drohenden Gefahren (näher Rdn 1 ff) sind daher in diesen Fällen weniger zu fürchten.

201

Inzwischen bildet Art 2 0 Abs 1 lit f) der KapRL von 1976 (näher dazu Rdn 114 f) die gemeinschaftsrechtliche Grundlage für den Ausnahmetatbestand. Nach dieser Bestimmung brauchen die Mitgliedstaaten Art 19 auf solche Aktien nicht anzuwenden, die erworben werden, um Minderheitsaktionäre verbundener Gesellschaften zu entschädigen. Die Regelung des § 71 Abs 1 Nr 3 geht über den Wortlaut der Richtlinie hinaus, weil nicht nur „Minderheitsaktionäre" eine Abfindung erhalten, sondern alle Aktionäre einer Gesellschaft, die von einem Beherrschungsvertrag betroffen ist (§ 305 Abs 2 AktG). Dem steht die Richtlinie jedoch nach Ansicht des Gesetzgebers nicht entgegen, da bei ihrer Schaffung „Einigkeit darüber [bestand], daß gerade die Regelung des deutschen Konzernrechts erhalten bleiben soll, der die Richtlinienbestimmung nachgebildet i s t . " 5 2 5

202

Durch das UmwBerG von 1994 wurde der Ausnahmetatbestand des § 71 Abs 1 Nr 3 auf die Abfindungspflichten gem § 2 9 Abs 1 und § 2 0 7 Abs 1 S 1 UmwG ausgedehnt, weil die zu regelnden Sachverhalte vergleichbar sind (näher Rdn 122). Bemerkenswert ist indessen, dass ein systematischer Unterschied zwischen der konzernrechtlichen und der umwandlungsrechtlichen Abfindung besteht: 5 2 6 In den konzernrechtlichen Fällen hat die Gesellschaft den Aktionären der beherrschten Gesellschaft (§ 305b Abs 2) und den Aktionären der eingegliederten Gesellschaft (§ 320) eigene Aktien zu gewähren; diese können vorher entweder im Wege einer bedingten Kapitalerhöhung geschaffen (§ 192 Abs 2 Nr 2) oder gem § 71 Abs 1 Nr 3 von ihren Aktionären erworben werden. Demgegenüber fehlt der Gesellschaft in den Fällen des §§ 2 9 Abs 1, 2 0 7 Abs 1 S 1 UmwG ein solches Wahlrecht: die von den abfindungsberechtigten Aktionäre gehaltenen Aktien der Gesellschaft müssen gegen Zahlung einer Barabfindung erworben werden. Es handelt sich um einen „gesetzlichen Zwangserwerb" eigener Aktien. 5 2 7 Deshalb ist es bei den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen folgerichtig, den Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 Nr 3 ebenfalls zuzulassen. 528 Der systematische Unterschied zu den konzern-

203

523 524 515 526

Kropff Begr RegE, S 91. Kropff Begr RegE, S 91. BT-Drucks 8/1678, S 15. Martens FS Boujong, 1996, S 335, 341; MünchKomm/Oecfcs/er 135.

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517 528

Martens FS Boujong, 1996, S 335, 341. Butzke W M 1995, 1389, 1390 Ii Sp; Grunewald FS Boujong, 1996, S 175, 191; Hüffer 15; Martens FS Boujong, 1996, S 335, 341.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

rechtlichen Abfindungsfällen zeigt sogar, dass bei den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen erst recht ein Erwerb eigener Aktien ermöglicht werden muss. Im Rahmen dieser Vorschrift sind im Übrigen auch die Voraussetzungen des § 71 Abs 2 S 1 und S 2 zu beachten. b) Konzernrechtliche Abfindung 204

aa) § 3 0 5 Abs 2 AktG. Gem § 3 0 5 Abs 2 A k t G muss sich die begünstigte Gesellschaft bei Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages verpflichten, den Aktionären der anderen Gesellschaft eine Abfindung zu gewähren. Handelt es sich bei der begünstigten Gesellschaft um eine nicht abhängige (§ 17 Abs 1) und nicht in Mehrheitsbesitz (§ 16 Abs 1) stehende Aktiengesellschaft (mit Sitz im Inland), so hat sie eigene Aktien anzubieten (§ 3 0 5 Abs 2 Nr 1). Diesen Erwerb gestattet § 71 Abs 1 N r 3.

205

Sind demgegenüber die Voraussetzung von § 16 Abs 1 oder § 17 Abs 1 erfüllt, so ist es möglich, entweder eine Barabfindung oder Aktien derjenigen Gesellschaft zu gewähren, die die begünstigte Gesellschaft beherrscht oder die Mehrheit ihrer Anteile hält (§ 3 0 5 Abs 2 Nr 2). Erwirbt die beherrschte Gesellschaft Aktien der dritten Gesellschaft, um ihre Abfindungspflicht zu erfüllen, so handelt es sich nicht um einen Erwerb „eigener Aktien" iSv § 71 Abs 1. Vielmehr findet § 71 Abs 1 N r 3 insofern nur über den Verweis des § 71 d S 2 Anwendung, wonach das Erwerbs verbot des § 71 Abs 1 auch für den Erwerb von Aktien der Gesellschaft durch ein abhängiges oder ein im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen gilt. 5 2 9 Allerdings kann nicht nur die beherrschte Gesellschaft Aktien der herrschenden Gesellschaft erwerben. Vielmehr wird § 71 Abs 1 N r 3 zu Recht so ausgelegt, dass auch die beherrschende Gesellschaft eigene Aktien erwerben darf, um diese der beherrschten Gesellschaft zum Zwecke der Erfüllung der Abfindungspflicht des § 3 0 5 Abs 2 Nr 2 zur Verfügung zu stellen. 5 3 0 In diesem Fall greift nicht § 71 d S 2 ein, sondern es findet § 71 Abs 1 N r 3 direkte Anwendung.

206

bb) § 3 2 0 b A k t G . Wird eine Aktiengesellschaft durch Mehrheitsbeschluss in eine andere inländische Aktiengesellschaft (Hauptgesellschaft) eingegliedert, erhalten die ausgeschiedenen Aktionäre der eingegliederten Gesellschaft Aktien der Hauptgesellschaft als Abfindung (§ 3 2 0 b Abs 1 S 1 und 2). Ist die Hauptgesellschaft eine abhängige Gesellschaft (§ 17 Abs 1), so sind den ausgeschiedenen Aktionären nach deren Wahl eigene Aktien der Hauptgesellschaft oder eine angemessene Barabfindung zu gewähren (§ 3 2 0 b Abs 1 S 3). Die Vorschrift des § 71 Abs 1 Nr 3 ermöglicht der Hauptgesellschaft, die eigenen Aktien zu erwerben. c) Umwandlungsrechtliche Abfindung

207

aa) § 2 9 Abs 1 U m w G . Der Verweis des § 71 Abs 1 N r 3 auf § 2 9 Abs 1 U m w G bezieht sich auf zwei verschiedene Abfindungstatbestände: Bei der Verschmelzung einer Gesellschaft anderer Rechtsform im Wege der Aufnahme durch eine Aktiengesellschaft hat die übernehmende Aktiengesellschaft jedem der neuen Aktionäre, die gegen den Verschmelzungsbeschluss des übertragenden Rechtsträgers Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben, den Erwerb seiner Aktien gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten (Mischverschmelzung, § 2 9 Abs 1 S 1 U m w G ) . Gem § 2 9 Abs 1 S 2 besteht dieselbe Verpflichtung, wenn bei der Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften die Aktien der übernehmenden Gesellschaft Verfügungsbeschränkungen - zum Beispiel einer Vinkulie-

529

KKJLutter 49.

530

KK/Lutter 49; MünchKommJOecbsler

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

137.

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Erwerb eigener Aktien

§71

rung gem § 68 Abs 2 AktG - unterliegen. In beiden Tatbestandsalternativen werden die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft durch die Eintragung der Verschmelzung kraft Gesetzes neue Aktionäre der übernehmenden Aktiengesellschaft (§ 2 0 Abs 1 Nr 3 UmwG). Daher muss die übernehmende Aktiengesellschaft im Rahmen der Durchführung der Barabfindung ihre eigenen Aktien erwerben dürfen. Dieser Erwerb wird von § 71 Abs 1 Nr 3 ermöglicht. Besondere Bedeutung erlangt § 2 9 Abs 1 S 1 2. HS UmwG, der eine von § 71 Abs 4 S 2 abweichende Sonderregelung enthält (näher Rdn 216 f und 366). bb) § 125 S 1 iVm § 2 9 Abs 1 UmwG. Für bestimmte Fälle der Spaltung, und zwar für die Aufspaltung (§ 123 Abs 1 UmwG) und die Abspaltung (§ 123 Abs 2 UmwG), verweist § 125 S 1 UmwG ausdrücklich auf die Barabfindungsregelung des § 2 9 Abs 1 UmwG, so dass auch in diesen Fällen der Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 Nr 3 erlaubt wird. 5 3 1 Demgegenüber findet § 2 9 Abs 1 UmwG gem der Verweisungsnorm keine Anwendung bei einer Ausgliederung (§ 123 Abs 3 UmwG). Ein Erwerb eigener Aktien gegen Gewährung einer Barabfindung ist daher insoweit nicht geboten und wird folgerichtig von § 71 Abs 1 Nr 3 auch nicht zugelassen. Im Rahmen einer Ausgliederung kann ein Erwerb eigener Aktien indes gem § 71 Abs 1 Nr 5 erlaubt sein (näher Rdn 2 3 0 ) .

208

cc) § 2 0 7 Abs 1 S 1 U m w G . Erhält eine Gesellschaft anderer Rechtsform durch Formwechsel (§ 190 Abs 1 UmwG) die Rechtsform einer Aktiengesellschaft, so hat sie jedem der Aktionäre, der gegen den Umwandlungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt, den Erwerb seiner Anteile gegen eine angemessen Barabfindung anzubieten. Durch die Eintragung des Formwechsels erhalten die Gesellschafter kraft Gesetzes die Stellung als Aktionär (§ 2 0 2 Abs 1 Nr 2 UmwG). Zu beachten ist § 2 0 7 Abs 1 S 1 2. HS, der wie § 2 9 Abs 1 S 1 2. HS eine von § 71 Abs 4 S 2 abweichende Sonderregelung enthält (näher Rdn 216 f und 366).

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d) Erweiterung auf nicht ausdrücklich geregelte Fälle. Unklar ist, ob die Aufzählung des § 71 Abs 1 Nr 3 abschließend ist oder ob die Vorschrift auf weitere Fälle analoge Anwendung finden k a n n . 5 3 2 Die Begründung des UmwBerG von 1 9 9 4 (näher Rdn 122) spricht sich offenbar für einen abschließenden Charakter der Regelung aus: „Der Erwerb eigener Aktien soll nur in den wenigen Fällen zulässig sein, die in § 71 Abs 1 Nr 3 nF ausdrücklich genannt s i n d . " 5 3 3 Umgekehrt spricht jedoch der Ausnahmecharakter der § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 nicht grundsätzlich gegen eine analoge Anwendung dieser Tatbestände (näher Rdn 157).

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aa) Verschmelzung nach § 6 2 UmwG. Befinden sich mindestens neun Zehntel des Stamm- oder des Grundkapitals einer übertragenden Kapitalgesellschaft in der Hand der übernehmenden Aktiengesellschaft, so ist ein Verschmelzungsbeschluss der übernehmenden Aktiengesellschaft zur Aufnahme dieser übertragenden Gesellschaft gem § 6 2 Abs 1 S 1 UmwG nicht erforderlich. Diese Vorschrift soll die Verschmelzung solcher Gesellschaften erleichtern, an denen die übernehmende Gesellschaft eine hohe Beteiligung hält (sog Konzernverschmelzung). 534 Eine Verschmelzung im Wege der Aufnahme (§ 2 Nr 1 UmwG) kann in der Praxis häufig nur in der Weise durchgeführt werden, dass die übernehmende Gesellschaft zuvor ihr Grundkapital erhöht (§ 6 9 UmwG), um Aktien für die

211

531 532

533

Hüffer 15; MünchKomm/Oechsler 140. Dafür Hüffer 15; Martens FS Boujong, 1996, S 335, 339 ff; MünchKomm/Oecfcs/er 141 ff. BT-Drucks 12/6699, S 177.

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534

Kallmeyer/Marsch/Barner § 62 UmwG Rdn 1; vgl auch Semler/Stengel/Diekmann § 62 UmwG Rdn 1; Lutter/Grunewald § 62 UmwG Rdn 1.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

neu hinzukommenden Aktionäre zu schaffen 5 3 5 - etwa im Wege einer bedingten Kapitalerhöhung gern § 192 Abs 2 Nr 2 AktG. Dieses Ergebnis könnte insofern widersprüchlich erscheinen, als § 62 Abs 1 S 1 UmwG bei der eigentlichen Strukturmaßnahme, der Verschmelzung, auf einen Beschluss verzichtet, während das Gesetz für die Kapitalerhöhung als Hilfsmaßnahme einen Beschluss der Hauptversammlung verlangt (§ 192 Abs 1 AktG). 5 3 6 In der Literatur wird vereinzelt argumentiert, dass dann, wenn es eines solchen Beschlusses bedürfe, der Regelungszweck des § 62 Abs 1 S 1 UmwG, nämlich die Verschmelzung zu erleichtern, vereitelt werde. 537 Aus diesem Grund spricht sich die überwiegende Auffassung für eine analoge Anwendung von § 71 Abs 1 Nr 3 aus, um die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, im Wege des Erwerbs eigener Aktien eine Verschmelzung gem § 62 UmwG vorzubereiten. 538 Zu Recht wird dies indessen in neuerer Zeit abgelehnt. 539 Im Rahmen des UmwBerG von 1994 wurde sowohl das UmwG geschaffen 540 als auch § 71 Abs 1 Nr 3 mit den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen in das AktG eingefügt (näher Rdn 122). 5 4 1 Der Gesetzgeber schuf also die Vorschrift des § 62 UmwG und unterließ es zugleich, diese Fallvariante in § 71 Abs 1 Nr 3 aufzunehmen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Ausnahmetatbestand bewusst auf die ausdrücklich genannten Fälle begrenzen wollte. Es handelt sich daher nicht um eine planwidrige Regelungslücke. Dass dieser Fall vom Gesetzgeber bei dieser Gelegenheit nicht in § 71 Abs 1 Nr 3 aufgenommen wurde, stellt ein rechtspolitisches Manko dar, das nicht der Rechtsanwender, sondern nur der Gesetzgeber beseitigen kann. 212

§ 62 UmwG verliert bei diesem Ergebnis auch nicht gänzlich an Bedeutung, sondern ermöglicht dem Vorstand, eine Verschmelzung ohne Beteiligung der Hauptversammlung durchzuführen, wenn beispielsweise der Vorstand von der Satzung ermächtigt wird, eine Kapitalerhöhung durchzuführen (vgl § 202 Abs 1 AktG) und die Gesellschaft bereits eigene Aktien in ausreichendem Umfang besitzt (vgl § 68 Abs 1 S 2 Nr 1 UmwG) oder eine Erwerbsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 vorliegt, die nicht zweckgebunden erteilt wurde (näher Rdn 255 ff). De lege ferenda wäre es denkbar, den Erwerb eigener Aktien auch zum Zwecke der Vorbereitung einer Verschmelzung gem § 62 UmwG zuzulassen.542

213

bb) Abfindung der Aktionäre bei einem Delisting. Demgegenüber spricht sich die überwiegende Ansicht für den Fall des Delisting zu recht für eine analoge Anwendung des § 71 Abs 1 Nr 3 AktG aus. 543 Nachdem der BGH in Macrotron die Barabfindungs-

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Goutier/Knopf/Tulloch/Bermel § 68 UmwG Rdn 4; Lutter/Grunewald § 6 9 U m w G Rdn 2.

536

MünchKommJOechsler 1 4 2 . Martens AG August-Sonderheft 1997, 83, 8 4 ; M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 142.

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540 541 54Z

Hüffer 15; Kallmeyer-Marsch-Barner, § 6 2 U m w G Rdn 5; Martens FS Boujong, 1 9 9 6 , S 3 3 5 , 3 3 9 ff; MünchKomm/Oecfcs/er 141 ff. Anders G r o ß K o m m / B a r z Voraufl § 71 Anm 15 aE; Werner AG 1 9 7 2 , 9 3 , 9 8 . BGBl I, S 3 2 1 2 ff. BGBl I, S 3 2 6 0 . Siehe auch die Stellungnahme des DAV zur Änderung des U m w G , N Z G 2 0 0 0 , 8 0 2 , 8 0 5 f.

543

Dafür Adolff/Tieves BB 2 0 0 3 , 7 9 7 , 8 0 3 re Sp; Klöhn Z B B 2 0 0 3 , 2 0 8 , 2 1 1 in Fn 3 7 lmwN; M ü n c h K o m m / i C a t e § 119 Rdn 8 8 ; MünchKommlOechsler 1 4 3 ; Schlitt ZIP 2 0 0 4 , 5 3 3 , 5 3 7 ; so wohl auch Pluskat, W M 2 0 0 3 , 8 3 3 , 8 3 5 re Sp; anders Henze N Z G 2 0 0 3 , 6 4 9 , 6 5 0 f, der eine analoge Anwendung für nicht zulässig hält, weil eine Umwandlung einen gravierenderen Eingriff in die Rechtsstellung des Aktionärs darstelle als ein bloßes (reguläres) Delisting und weil zudem der Ausnahmecharakter des § 71 Abs 1 N r 3 AktG einer Analogie entgegenstehe.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

pflicht bei einem Delisting aus Art 14 A b s 1 G G hergeleitet h a t , 5 4 4 haben sich die Instanzgerichte und die Literatur dafür ausgesprochen, diese Pflicht einfachgesetzlich auf eine analoge Anwendung entweder von § 2 9 A b s 1 S 2 U m w G 5 4 5 oder von § 2 0 7 A b s 1 S 1 U m w G 5 4 6 zu stützen. Dieser Entwicklung folgend ist es nur konsequent, § 7 1 Abs 1 N r 3 sowohl bei einem regulären Delisting als auch bei einem kalten Delisting durch U m w a n d l u n g ebenfalls analog a n z u w e n d e n , 5 4 7 da die Vorschrift die Bestimmungen der § § 2 9 A b s 1, 2 0 7 U m w G ausdrücklich nennt und es auch im Falle eines Delistings gerechtfertigt ist, der Abfindung der schutzwürdigen A k t i o n ä r e den Vorrang gegenüber den Regelungszielen des § 7 1 Abs 1 einzuräumen. D a s s der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung aus dem J a h r e 1 9 9 4 den Ausnahmetatbestand des § 7 1 Abs 1 N r 3 auf die ausdrücklich genannten Fälle begrenzen wollte (näher R d n 2 1 0 ) , steht dem Befund einer Regelungslücke in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht entgegen. D e n n im Unterschied zu der erleichterten Verschmelzung gem § 6 2 U m w G , die ebenfalls im J a h r e 1 9 9 4 im U m w G geregelt wurde (näher R d n 2 1 1 f), fehlt eine Regelung der bei einem Delisting zu gewährenden Barabfindung gänzlich. Dass insofern ein Regelungsbedarf bestand, war dem damaligen Gesetzgeber nicht bekannt. e) Ernstliche Verwendungsabsicht. D e r E r w e r b eigener Aktien ist im Hinblick auf die konzernrechtlichen Abfindungsfälle des S 3 0 5 Abs 2 und S 3 2 0 b nur zulässig, sofern wie bei S 71 Abs 1 N r 2 - eine ernstliche Absicht besteht, die Aktien später auch zur Abfindung der A k t i o n ä r e zu verwenden (näher bereits R d n 191 f f ) . 5 4 8 Dieses Erfordernis soll der G e f a h r entgegenwirken, dass die Abfindung der A k t i o n ä r e nur als V o r w a n d verwendet wird, um eigene Aktien zu erwerben. Es ist - wie bei § 71 Abs 1 N r 2 - a n h a n d der äußeren Umstände festzustellen, o b eine entsprechende Absicht besteht. Ein entsprechender Wille des Vorstandes k a n n beispielsweise durch einen schriftlich dokumentierten Vorstandsbeschluss nach außen e r k e n n b a r sein. S o w o h l im R a h m e n von Beherrschungsund Gewinnabführungsverträgen (§§ 2 9 1 ff), als auch bei einer Eingliederung (§§ 3 1 9 ff) sind Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlungen von beiden beteiligten Gesellschaften erforderlich (S 2 9 3 A b s 1 und 2 ; S 3 1 9 Abs 1 und 2 ) . In diesem Z u s a m m e n h a n g ist umstritten, o b hinreichende Anhaltspunkte für eine ernstliche Verwendungsabsicht grundsätzlich erst bejaht werden k ö n n e n , wenn die Hauptversammlungen beider beteiligten Gesellschaften der M a ß n a h m e zugestimmt h a b e n 5 4 9 oder o b es genügen soll, dass mit dem Z u s t a n d e k o m m e n der geplanten Hauptversammlungsbeschlüsse zu rechnen

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BGHZ 153, 47, 57 = NJW 2003, 1032, 1035 = AG 2003, 273, 275 = ZIP 2003, 387, 390 m Anm Streit = J Z 2003, 680, 683 m Anm Lütter. Dafür bei einem kalten Delisting durch Umwandlung OLG Düsseldorf, ZIP 2005, 300, 301 = AG 2005, 252 = Der Konzern 2005, 182, 185 („Rhenag"); LG Köln, ZIP 2004, 220, 222 („Rhenag"); MünchKomm/ Kubis § 119 AktG Rn 89; Kallmeyer/ Marsch/Bamer § 2 9 UmwG Rdn 6; Pluskat EwiR § 2 9 UmwGl/05, 275, 276; Schlitt ZIP 2004, 533, 540; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2000, 802, 804. Dafür bei einem regulären Delisting BayObLG, ZIP 2005, 205, 209; Hellwig, ZGR 1999, 781, 800; Hellwig!Bornmann ZGR

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2002, 465, 489; Kleindiek FS Bezzenberger, S 653, 665 f; Land/Behnke DB 2003, 2531, 2533; MünchKomm/Oecfcs/er 143; Vollmer/Grupp ZGR 1995, 459, 476. Für eine Analogie zu den Abfindungsregeln des Umwandlungsrechts sprechen sich - ohne zwischen § 2 9 Abs 1 S 1 und 2 und § 2 0 7 zu unterscheiden - aus: AdolffITieves BB 2003, 797, 805; Baumbach/Hopt HGB, Anh 14, § 38 BörsG Rn 5, 15; Hüffer § 119 Rdn 25; Semler/Stengel/Kalss § 2 9 UmwG Rdn 16; Zetsche NZG 2000, 1065, 1068. MünchKomm/Oec/js/er 143. Hüffer 14; KYJLutter 51; MünchKomm/ Oechsler 146. Hüffer 14; KKJLutter 51.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

i s t . 5 5 0 Dürfte der Vorstand eigene Aktien erst erwerben, n a c h d e m die H a u p t v e r s a m m l u n gen zugestimmt h a b e n , so bestünde die Gefahr, dass die Aktionäre angesichts der nunm e h r entstandenen Abfindungspflichten des § § 3 0 5 Abs 2 , 3 2 0 b auf einen Anstieg des Börsenkurses spekulierten und der Gesellschaft demzufolge höhere Anschaffungskosten e n t s t ü n d e n . 5 5 1 D a h e r ist dem Vorstand im Interesse der Gesellschaft eine gewisse Flexibilität beim E r w e r b eigener Aktien zuzugestehen. Sofern die Beschlüsse später nicht zustande k o m m e n , sind die e r w o r b e n e n Aktien gem § 7 1 c A b s 1 analog wieder zu veräußern (näher R d n 2 1 8 ) 215

Demgegenüber unterscheiden sich die umwandlungsrechtlichen Abfindungsfälle der § § 2 9 Abs 1, 2 0 7 A b s 1 S 1 U m w G systematisch von den konzernrechtlichen Abfindungsfällen dadurch, dass ein gesetzlicher Z w a n g s e r w e r b angeordnet ist. Es werden nur die Aktien derjenigen A k t i o n ä r e e r w o r b e n , welche von ihrem Austrittsrecht G e b r a u c h m a c h e n . Insoweit geht der E r w e r b der Aktien bereits immer mit der Abfindung der Aktionäre einher. Die Prüfung einer Verwendungsabsicht erübrigt sich, und eine G e f a h r der Umgehung des Erwerbsverbotes des § 71 Abs 1 besteht nicht.

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f) Überschreiten der Grenzen des § 7 1 A b s 2 S 1 und 2 . Problematisch ist natürlich, dass in dem Z e i t p u n k t , in dem der Umwandlungsbeschluss gefasst wird, nicht prognostiziert werden kann, wie viele der Aktionäre von ihrem Austrittsrecht gem § § 2 9 Abs 1, 2 0 7 Abs 1 S 1 U m w G durch Erklärung eines Widerspruchs zur Niederschrift Gebrauch machen w e r d e n . 5 5 2 Dies kann zur Folge haben, dass die Zehnprozentschranke (§ 71 Abs 2 S 1) und die Kapitalgrenze (§ 71 Abs 2 S 2 ) nicht eingehalten werden k ö n n e n . Für den U m w a n d lungsbeschluss ist danach zu differenzieren, o b bereits vor dem Z e i t p u n k t , in dem er gefasst wird, a b s e h b a r ist, dass die Voraussetzungen des § 7 1 Abs 2 S 1 und 2 nicht eingehalten werden können. Ist der Verstoß nicht vorhersehbar, so ist der Beschluss rechtmäßig und wird nicht nachträglich wegen des späteren Verstoßes gegen § 71 Abs 2 rechtswidrig. Für den vorhersehbaren Verstoß ist demgegenüber umstritten, o b der Beschluss rechtswidrig oder nichtig ist (näher R d n 3 3 9 ) .

217

Ist der Umwandlungsbeschluss rechtmäßig oder bleibt er trotz Rechtswidrigkeit dauerhaft w i r k s a m , weil die einmonatige Anfechtungsfrist des § 2 4 6 Abs 1 verstreicht, so besteht die Barabfindungspflicht der § § 2 9 A b s 1, 2 0 7 A b s 1 S 1 U m w G . Diese k a n n nunm e h r erfüllt werden, selbst wenn dabei gegen die Voraussetzungen des § 7 1 Abs 2 S 1 und 2 verstoßen wird. D e n n insofern hält das U m w G in § 2 9 Abs 1 S 1 2 . H S und § 2 0 7 A b s 1 S 1 2 . H S Sonderregelungen bereit, w o n a c h § 7 1 Abs 4 S 2 des Aktiengesetzes insoweit nicht anzuwenden ist: Selbst wenn die Z e h n p r o z e n t - S c h r a n k e und/oder die Kapitalgrenze (§ 71 Abs 2 S 1 und 2 A k t G ) überschritten werden, ist daher die Gesellschaft immer in der Lage, sich schuldrechtlich zu verpflichten (näher R d n 3 6 6 ) . Die Verpflichtung k a n n ohnehin gem § 7 1 A b s 4 S I erfüllt werden. Im Übrigen besteht auch nicht die Gefahr, dass die Aktionäre eine Barabfindung, die gegen § 71 A b s 1 und 2 A k t G verstößt, gem § 6 2 A b s 1 S 1 A k t G zurückzugewähren hätten. Z w a r handelt es sich bei einem solchen Verstoß eigentlich um eine R ü c k g e w ä h r von Einlagen iSv § 5 7 A b s 1 S 1 A k t G , da gem § 5 7 Abs 1 S 2 nur der gem § 71 Abs 1 und 2 A k t G zulässige E r w e r b eigener Aktien nicht als Einlagenrückgewähr gilt. Allerdings wird § 2 9 A b s 1 S 1 2 . H S U m w G von der ganz überwiegenden Ansicht so ausgelegt, dass auch ein Verstoß

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GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 16; Nirk Hb AG, Rdn 409; MünchKomm/ Oecbsler 146.

551 552

MünchKomm/Oecfcs/er 146. Martens FS Boujong, 1996, S 335, 341; MünchKomm/ Oechsler 139.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

gegen § 5 7 A b s 1 S 1 A k t G ausscheidet und damit eine R ü c k f o r d e r u n g nach § 6 2 A b s 1 S 1 A k t G gesperrt i s t . 5 5 3 Ansonsten wäre nämlich die Bestimmung des § 2 9 Abs 1 S 1 2 . H S U m w G o h n e Sinn. g) Veräußerungspflicht gem § 7 1 c Abs 1 analog. Im Anschluss an den zulässigen Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 N r 3 k a n n sich herausstellen, dass die Aktien nicht für die in der N o r m genannten Z w e c k e verwendet werden können. Dies k a n n etwa dann der Fall sein, wenn Hauptversammlungsbeschlüsse, die zunächst überwiegend wahrscheinlich waren, doch nicht gefasst werden (näher R d n 2 1 4 ) oder wenn die Anzahl der erworbenen eigenen Aktien die Anzahl der Aktionäre, die von ihrem Abfindungsrecht G e b r a u c h m a c h e n , übersteigt. D e r E r w e r b wird dadurch nicht nachträglich unzulässig (näher R d n 1 9 4 ) , so dass § 7 1 c Abs 1 keine Anwendung findet. W i e bereits bei § 71 Abs 1 N r 2 erwähnt wurde, ist die Gesellschaft aber verpflichtet, diese Aktien gem § 7 1 c Abs 1 analog zu veräußern (näher R d n 1 9 4 und § 7 1 c R d n 7 ) . 5 5 4 Diese Veräußerungspflicht entfällt, wenn der Vorstand die erworbenen Aktien durch einen Beschluss einem anderen Z w e c k zuführt (Umwidmung; näher R d n 1 9 9 ) .

218

h) Vorhandene eigene Aktien kein Erwerbshindernis. Die Gesellschaft ist entgegen einer teilweise vertretenen A n s i c h t 5 5 5 nicht verpflichtet, bereits aufgrund eines anderen Ausnahmetatbestandes des § 7 1 Abs 1 e r w o r b e n e Aktien, welche frei verfügbar sind, umzuwidmen und zum Z w e c k e der Abfindung zu verwenden.

219

5. Unentgeltlicher Erwerb und Einkaufskommission (§ 71 Abs 1 N r 4 ) a) Unentgeltlicher Erwerb aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. D e r unentgeltliche Erwerb eigener Aktien wurde erstmals durch das Aktiengesetz von 1 9 3 7 geregelt (näher Rdn 111). D a in diesen Fällen keine Ausschüttung an die Aktionäre iSv § 5 7 Abs 1 S 1 erfolgt, hätte sich eine entsprechende Ausnahmeregelung eigentlich erübrigt. Die Vorschift hat mithin nur klarstellenden C h a r a k t e r . 5 5 6 Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 2 3 7 Abs 3 N r 1; auch dort ist der Grundsatz der Kapitalerhaltung wegen der Unentgeltlichkeit der M a ß n a h m e nicht berührt. Inzwischen stützt sich § 71 Abs 1 N r 4 auf Art 2 0 lit c) der K a p R L von 1 9 7 6 (näher Rdn 114 ff), wonach die Mitgliedstaaten die Regelung des Art 19 auf voll eingezahlte Aktien, die unentgeltlich oder von Banken und anderen Finanzinstituten auf Grund einer Einkaufskommission erworben werden, nicht anzuwenden brauchen. Aufgrund der Unentgeltlichkeit finden die Zehnprozentschranke (§ 71 Abs 2 S 1) und die Kapitalgrenze (§ 71 Abs 2 S 2 ) keine Anwendung. Der Erwerb ist nur zulässig, wenn gem § 71 Abs 2 S 3 auf die Aktien der Ausgabebetrag voll geleistet ist (näher R d n 3 3 5 ff).

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bb) Unentgeltlichkeit. D e r Begriff „unentgeltlich" entspricht dem des § 5 1 6 A b s 1 B G B 5 5 7 und bezeichnet eine Leistung, die unabhängig von einer Gegenleistung erfolgt. Erfasst werden neben schuldrechtlichen Schenkungen auch Vermächtnisse (§ 1 9 3 9 ) . Die Erbschaft nach § 1 9 2 2 B G B fällt ebenfalls unter § 7 1 A b s 1 N r 4 , sofern der Erbe nicht mit Vermächtnissen und Auflagen belastet i s t 5 5 8 , ferner unter § 71 A b s 1 N r 5 (näher

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Lutter/Decher § 207 UmwG Rdn 17; Lutter/ Grunewald § 29 UmwG Rdn 27; Semler/ Stengel/Kalss § 2 0 7 UmwG Rdn 10; Kallmeyer/Meister/Klöcker § 207 UmwG Rdn 34. KKJLutter 48 unter Verweis auf Rdn 46; MünchKomm/Oecfcs/er 146.

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GroßKomm/ßarz Voraufl § 71 Anm 16; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 102. MünchKommlOecbsler 147. MünchKomm/Oechsler 148. KKJLutter 63.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

R d n 2 2 9 ) . Ein E r w e r b k a n n nicht teilweise zulässig sein, sondern ist entweder zur Gänze zulässig oder unzulässig. D a h e r sind eine gemischte S c h e n k u n g 5 5 9 und ein Vermächtnis unter Auflage (§§ 2 1 9 2 ff) n a c h allgemeiner Ansicht als entgeltlicher E r w e r b zu behand e l n . 5 6 0 N i c h t als Gegenleistung anzusehen sind hingegen die Entrichtung von Schenkungs- und Erbschaftssteuer. 5 6 1 Z w a r erfährt dadurch der Grundsatz der Kapitalerhaltung in gewissem Umfang eine Einschränkung. D a aber Steuern im Grundsatz bei jedem unentgeltlichen E r w e r b anfallen, wäre § 7 1 Abs 1 N r 4 o h n e praktische Bedeutung, wenn diese Steuern als Gegenleistung qualifiziert würden. 222

Von Bedeutung ist § 71 Abs 1 N r 4 etwa bei einer Sanierung der Gesellschaft. 5 6 2 Eine Sanierung lässt sich insbesondere dadurch erreichen, dass eine nominelle Kapitalherabsetzung mit einer effektiven Kapitalerhöhung verbunden wird (sog K a p i t a l s c h n i t t ) . 5 6 3 Auf diese Weise k a n n das Grundkapital der Gesellschaft nach eingetretenen Verlusten an das Reinvermögen der Gesellschaft angepasst, die Ausschüttungssperre des § 5 7 überwunden und neues Kapital zugeführt w e r d e n . 5 6 4 Z w a r ermöglicht auch § 7 1 A b s 1 N r 6 den Erwerb eigener Aktien, weil zur D u r c h f ü h r u n g eines solchen Kapitalschnitts ein Beschluss zur Kapitalherabsetzung gefasst werden muss (§ 2 2 2 A b s l ) . 5 6 5 Eigenständige Bedeutung k o m m t § 7 1 Abs 1 N r 4 jedoch insofern zu, als einzelne A k t i o n ä r e bereits vor der Beschlussfassung Aktien der Gesellschaft unentgeltlich übertragen k ö n n e n . Werden die Aktien der Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung gestellt, so hat dies insbesondere den Vorteil, dass für die Kapitalherabsetzung das vereinfachte Verfahren Anwendung findet. So genüg zB für den Beschluss der Hauptversammlung anstatt einer 3 / 4 -Mehrheit die einfache Stimmenmehrheit (§ 2 3 7 Abs 3 N r 1, Abs 4 S 2 ) . b) Einkaufskommission

223

aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. D e r E r w e r b eigener Aktien durch ein Kreditinstitut im Wege einer E i n k a u f s k o m m i s s i o n wurde erstmals zugelassen durch die zweite Aktienrechtsnovelle von 1 8 8 4 (näher R d n 9 9 ff). D e r A u s n a h m e t a t b e s t a n d erscheint deshalb gerechtfertigt, weil ein Kommissionär für fremde Rechnung handelt (§ 3 8 3 Abs 1 H G B ) und er die erworbenen Aktien dem Kommittenten herauszugeben hat (§ 3 8 4 Abs 2 2 . H S H G B ) . Ein solcher Durchgangserwerb ist - wie bereits im R a h m e n von § 7 1 Abs 1 N r 2 und N r 3 dargestellt wurde - hinsichtlich der Regelungsziele des Erwerbsverbotes als weniger gefährlich einzustufen (näher R d n 1 9 0 , 2 0 1 ) . Die Regelung beruht inzwischen auf Art 2 0 lit c) der K a p R L (näher R d n 2 2 0 ) . 5 6 6 Im Unterschied zu § 7 1 Abs 1 N r 7, w o n a c h ebenfalls der Wertpapierhandel in eigenen Aktien erlaubt wird, setzt § 71 A b s 1 N r 4 keinen Hauptversammlungsbeschluss voraus. N e b e n den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Regelung ist zudem § 7 1 A b s 2 S 3 als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung zu beachten (näher R d n 3 3 5 ) .

224

bb) Begriff der Einkaufskommission. Bei einer Einkaufskommission fungiert der K o m missionär als gewerbsmäßiger K ä u f e r von Aktien für R e c h n u n g eines anderen (§ 3 8 3 559 Ygj z u d j e s e m Begriff Palandt/Weidenkaff, § 516 Rdn 13. 560 561

562

KKJLutter 59; MünchKomm/Oc/w/er 148. GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 21; Hüffer 16; KKJLutter 59; MünchKomm/ Oechsler 148. GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 21; Baumbach/Hueck 11; KKJLutter 59; Ziebe, AG 1982, 175, 177.

563 564 565

566

Κ Schmidt Gesellschaftsrecht, § 29 III 5. Κ Schmidt Gesellschaftsrecht, § 29 III 5. Hüffer 16; KKJLutter 59; MünchKomm/ Oechsler 148. Hüffer 17; MünchKomm/Oecfos/er 149; Schönte ZKredW 1966, 148 ff.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(128)

Erwerb eigener Aktien

§71

Abs 1 1. Alt H G B ) . O b die Aktien am M a r k t eingekauft werden oder die Gesellschaft zunächst die Einkaufskommission im Wege des Selbsteintritts durchführt (§ 4 0 0 Abs 1 H G B ) und sich dann später wieder in gleicher Höhe eigene Aktien am M a r k t beschafft, ist unerheblich. Denn es macht für den Schutzzweck des § 71 Abs 1 N r 4 keinen Unterschied, in welcher Reihenfolge Einkauf und Herausgabe stattfinden. 5 6 7 Der Begriff der Einkaufskommission ist abzugrenzen vom Begriff der Verkaufskommission, bei der der Kommissionär Aktien für Rechnung eines anderen verkauft (§ 3 8 3 Abs 1 2 . Alt H G B ) . Bei einer Verkaufskommission findet § 71 Abs 1 N r 4 seinem Wortlaut nach keine Anwendung. Regelmäßig besteht dafür auch kein B e d a r f , 5 6 8 da der Kommittent dem Kommissionär zur Durchführung der Verkaufskommission nicht das Eigentum an den Aktien überträgt. Vielmehr genügt es, dass er ihm die Verfügungsbefugnis erteilt (§ 185 Abs 1 B G B ) . 5 6 9 Ein Erwerb der Aktien durch die als Verkaufskommissionär tätige Gesellschaft wäre nur insofern von Bedeutung, als sie von ihrem Selbsteintrittsrecht gem § 4 0 0 Abs 1 H G B Gebrauch machen möchte. Die Ausnahmeregelung des § 71 Abs 1 N r 4 kann jedoch in diesen Fällen nicht analog angewendet w e r d e n . 5 7 0 Im Rahmen der Aktienrechtsreform von 1 9 6 5 hatte der Gesetzgeber zwar erwogen, den Ausnahmetatbestand auf den Erwerb durch Selbsteintritt im Falle einer Verkaufskommission zu erweitern. Er nahm davon mit der Begründung Abstand, dass sich sonst bei den Gesellschaften „erhebliche Bestände an eigenen Aktien ansammeln k ö n n t e n . " 5 7 1 Die Gefahren des Erwerbs seien bei Kreditinstituten besonders groß, weil sie in besonderem M a ß e das Vertrauen der Öffentlichkeit in Anspruch n ä h m e n . 5 7 2 Demzufolge hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich bewusst begrenzt, so dass keine Regelungslücke vorliegt. Im Falle einer Verkaufskommission bleibt der Gesellschaft daher nur die Möglichkeit, eigene Aktien aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 N r 7 5 7 3 zu erwerben. Ein Rückgriff auf § 71 Abs 1 N r 1 5 7 4 ist wegen der inzwischen geschaffenen spezielleren Regelung des § 71 Abs 1 N r 7 ausgeschlossen (näher Rdn 177). cc) Kreditinstitut. Das M e r k m a l des Kreditinstituts nimmt auf den Begriff von §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 K W G Bezug. Aufgrund des Art 2 0 lit c) der K a p R L von 1976 hat der deutsche Gesetzgeber im Jahre 1 9 7 8 die Ausnahmeregelung des § 71 Abs 1 N r 4 dahingehend eingeschränkt, dass der Erwerb eigener Aktien im Wege der Einkaufskommission nur noch Kreditinstituten erlaubt i s t 5 7 5 .

225

dd) Ernstlicher Wille. Wie in den Fällen des § 71 Abs 1 N r 2 und des § 71 Abs 1 N r 3 ist der Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs 1 N r 4 nur zulässig, wenn im Zeitpunkt des Erwerbs der Aktien der Wille besteht, diese Aktien zur Erfüllung der Herausgabeverpflichtung aus einer Einkaufskommission (§ 3 8 4 Abs 2 2. HS H G B ) einzusetzen (näher Rdn 191 ff, 2 1 4 ) . 5 7 6 Eine vorsorgliche Eindeckung mit Aktien ist nicht zulässig, sondern es muss bereits - als äußerer Anhaltspunkt für einen ernstlichen Willen - ein wirksamer

226

567

568

569 570

Baumbach/Hueck 11; GroßKomm/ßarz Voraufl § 71 Anm 22; KK/Lutter 60; MünchKommJOechsler 150. Hüffer 17; KK/Lutter 61; MünchKomm/ Oechsler 151. Baumbach/Hopt § 383 HGB Rdn 22. GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 22; Hüffer 17; MünchKomm/Oecfo/er 151; so wohl auch KK/Lutter 61, der sich lediglich dafür ausspricht, den Rechtsgedanken des

(129)

§ 71 Abs 1 Nr 4 im Rahmen von § 71 Abs 1 Nr 1 zu berücksichtigen. 5 7 1 Reg Begr Kropff S 91. 5 7 2 Reg Begr Kropff S 91. 573 vgl dazu MünchKomm/Oecfcs/er 151. 5 7 4 So vor Schaffung von § 71 Abs 1 Nr 7 vorgeschlagen von KKILutter 61. 5 7 5 BT-Drucks 8/1678, S 15. 5 7 6 MünchKomm/Oec/js/er 150; so im Ergebnis auch KKILutter 60.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Kommissionsvertrag bestehen, bevor die Aktien erworben werden. 5 7 7 Sofern die Gesellschaft nachträglich die Herausgabeverpflichtung nicht erfüllen kann, weil der Kommittent seine Mitwirkung unterlässt, wird der zulässige Erwerb nicht nachträglich unzulässig (näher Rdn 1 9 4 ) . 5 7 8 227

ee) Veräußerungspflicht gem § 71c Abs 1 analog. Falls die Übereignung an den Kommittenten fehlschlägt, so findet § 71c Abs 1 keine direkte Anwendung, weil es sich dennoch um einen zulässigen Erwerb handelt (siehe Rdn 2 2 6 ) . Die Gesellschaft ist jedoch - wie in den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 2 , wenn die Abgabe an die Belegschaft innerhalb eines Jahres fehlschlägt (§ 71 Abs 2 S 3) und des § 71 Abs 1 Nr 3, wenn die Aktien nicht zum Zwecke der Abfindung benötigt werden - nach zutreffender Ansicht verpflichtet, die Aktien analog § 71c Abs 1 zu veräußern 5 7 9 oder umzuwidmen (näher Rdn 199). 6. Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs 1 Nr 5)

228

a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Dieser Ausnahmetatbestand wurde im Rahmen der Aktienrechtsreform des Jahres 1965 ins Gesetz aufgenommen, um die umstrittene Frage zu klären, 5 8 0 ob der Erwerb eigener Aktien im Wege der Gesamtrechtsnachfolge dem Erwerbsverbot des § 71 Abs 1 unterliegt. 5 8 1 Dabei ließ sich der Gesetzgeber von dem Gedanken leiten, dass eine Gesamtrechtsnachfolge nicht deswegen unzulässig sein soll, weil sie den Erwerb eigener Aktien mit sich bringt. 5 8 2 Die Gesamtrechtsnachfolge stellt ein vereinfachtes Verfahren für den Übergang einer Gesamtheit von Rechten und Pflichten dar. Dieser Vereinfachung liefe es zuwider, wenn der Übergang einzelner Rechtspositionen unzulässig wäre. Eigene Aktien können somit im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworben werden bei einer Erbschaft (§ 1922 BGB), beim umwandlungsrechtlichen Erwerb und bei der Ausschließung eines Gesellschafters gem § 140 Abs 1 S 2 H G B . Erwirbt die Aktiengesellschaft einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erwerb eigener Aktien im Wege einer cessio legis (zB § 2 5 5 BGB, § 6 7 W G ) , so wird der dingliche Erwerb nicht von § 71 Abs 1 Nr 5 zugelassen, 5 8 3 denn die Legalzession betrifft nur den schuldrechtlichen Anspruch, nicht den dinglichen Erwerb. Darüber hinaus handelt es sich nur um einen Fall der Einzelrechtsnachfolge (zur Möglichkeit einer Erwerbsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 siehe Rdn 317).

229

b) Erbschaft. Mit dem Tod des Erblassers geht das gesamte Vermögen einschließlich der von ihm gehaltenen Aktien im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben über (§ 1922 BGB); dieser Erwerb ist gem § 71 Abs 1 Nr 5 zulässig 5 8 4 . Die Gesellschaft kann entweder durch Testament (§ 1937) oder durch Erbvertrag (§ 1941 Abs 1 BGB) als Erbin eingesetzt sein. Der Ausnahmetatbestand des § 71 Abs 1 Nr 4 Alt 1 (unentgeltlicher Erwerb) erfasst den Fall der Erbschaft zwar ebenfalls; jedoch kommt § 71 Abs 1 Nr 5 eigenständige Bedeutung zu, weil in diesem Fall § 71 Abs 2 S 3 keine Anwendung findet und folglich der Erwerb auch dann zulässig ist, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag

577

578 579

580

Hüffer 17; KK/Lutter 60; MünchKomm/ Oechsler 150. KKJLutter 60; MünchKomm/Oechsler 150. MünchKomm/Oechsler 150; anders KKJLutter 60, der eine Veräußerungspflicht gem § 71c Abs 2 annimmt. Kropff Begr RegE, S 91.

581

582 583 584

Zum damaligen Streitstand vgl GroßKomm/ Fischer 2. Auflage, § 65 Anm 6. Kropff Begr RegE, S 91. KK/Lutter 69-, MünchKomm/Oechsler 156. Hüffer 18; KK/Lutter 63; MünchKomm/ Oechsler 152.

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Erwerb eigener Aktien

§71

nicht voll geleistet i s t . 5 8 5 Ist die Aktiengesellschaft Mitglied einer Erbengemeinschaft (§ 2 0 3 2 B G B ) , so wird der E r w e r b des Gesamthandanteils an den eigenen Aktien von § 7 1 Abs 1 N r 5 zugelassen. D e r Erwerb der Aktien im Wege der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft stellt hingegen keine Gesamtrechtsnachfolge dar, sondern ist nur unter den Voraussetzungen des § 71 Abs 1 N r 4 i V m § 7 1 Abs 2 S 3 zulässig. Demgegenüber liegt beim Vermächtnis (§ 1 9 3 9 B G B ) , weil es keine dingliche W i r k u n g hat, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den E r b e n vermittelt (§ 2 1 4 7 B G B ) , keine Gesamtrechtsnachfolge vor, weshalb sich die Zulässigkeit des E r w e r b s daher nur nach § 71 Abs 1 N r 4 Alt 1 beurteilt (unentgeltlicher E r w e r b ; siehe R d n 2 2 0 ff). c) Verschmelzung und Spaltung. Wird eine Aktiengesellschaft als übernehmende Rechtsträgerin im Wege der A u f n a h m e (§ 2 N r 1 U m w G ) mit einem oder mehreren Rechtsträgern verschmolzen und halten letztere Aktien der Aktiengesellschaft, so erwirbt die Aktiengesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes diese Aktien (§ 2 0

230

Abs 1 N r 1 U m w G ) . Dieser E r w e r b wird von § 7 1 Abs 1 N r 5 zugelassen. 5 8 6 Bei einer Spaltung (§ 1 2 3 U m w G ) - dh bei einer Aufspaltung (§ 1 2 3 Abs 1 U m w G ) , Abspaltung (§ 1 2 3 Abs 2 U m w G ) oder Ausgliederung (§ 1 2 3 Abs 3 U m w G ) - geht gem § 131 A b s 1 N r 1 U m w G ein Teil des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers a u f den übernehmenden Rechtsträger über (partielle Gesamtrechtsnachfolge). Sofern sich in diesem übergehenden Teil des Vermögens Aktien der übernehmenden Gesellschaft befinden, k o m m t es ebenfalls zu einem gem § 71 Abs 1 N r 5 erlaubten E r w e r b eigener A k t i e n 5 8 7 . d) Unternehmensübernahme gem § 1 4 0 Abs 1 S 2 H G B . Eine von § 71 Abs 1 N r 5 erfasste Gesamtrechtsnachfolge tritt ferner ein, wenn eine Aktiengesellschaft und eine weitere (natürliche oder juristische Person) Gesellschafter einer O H G (§ 1 0 5 H G B ) sind

231

und nach der Ausschließung des zweiten Gesellschafters die Aktiengesellschaft verbleibt (S 1 4 0 Abs 1 S 2 H G B ) . 5 8 8 Die Aktiengesellschaft erwirbt dann das Vermögen der O H G einschließlich der von ihr gehaltenen Aktien im Wege der G e s a m t r e c h t s n a c h f o l g e . 5 8 9 G e m § 1 4 0 A b s 1 S 2 i V m § 161 Abs 2 H G B kann auch das Vermögen einer K G auf eine Aktiengesellschaft übergehen. Ferner k ö n n e n auch die Gesellschafter einer G b R im Gesellschaftsvertrag vereinbaren, dass bei Ausscheiden des (vorletzten) Gesellschafters (vgl § 7 3 6 Abs 1 B G B ) der letzte Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen als G e s a m t rechtsnachfolger ü b e r n i m m t . 5 9 0 e) Analoge Anwendung bei verschmelzungsbedingtem Erwerb einer Put-Option bezüglich eigener Aktien. H a t beispielsweise eine Gesellschaft Α der Gesellschaft Β eine Put-Option (näher zu dem Begriff R d n 3 7 7 ) auf Aktien der Gesellschaft C eingeräumt, dh der Β steht als Optionsinhaberin ein Verkaufsrecht hinsichtlich der Aktien der C zu, und Α ist als Stillhalterin zu deren A n k a u f verpflichtet, und k o m m t es dann zu einer Verschmelzung von Α und C , so k o m m t eine analoge Anwendung von § 7 1 Abs 1 N r 5 in B e t r a c h t . 5 9 1 Die Gesellschaft Α ist danach berechtigt, im Anschluss an die Verschmelzung die Ankaufsverpflichtung zu erfüllen und eigene Aktien zu erwerben.

585

586

s87

GroßKomm/ßarz Voraufl § 71 Anm 23; von Godin/Wilhelmi § 71 Anm 10; KK/ Lutter 63. Hüffer 18; MunchKomm/Oec/jsfer 153; näher dazu Körte WiB 1997, 953, 959. Körte WiB 1997, 953, 959; MünchKomm/ Oechsler 155.

(131)

588

589

590 591

Hüffer 18; KK/Lutter 65; MünchKomm/ Oechsler 155. Näher zu dieser Gesamtrechtsnachfolge Baumbach/HopZ § 140 HGB Rdn 25. BGH NJW 1994, 796; Palandt/Heinrichs 4. Näher dazu Weiss AG 2004, 127 ff.

Hanno Merkt

232

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

7. Einziehung (§ 71 Abs 1 Nr 6) 233

a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Art 215 Abs 3 ADHGB in der Fassung der Aktienrechtsnovelle von 1870 sah bereits eine Ausnahme vom Erwerbsverbot für den Fall der Amortisation vor (näher Rdn 95 ff). In gleicher Weise nimmt im heutigen Recht § 71 Abs 1 N r 6 Bezug auf die in §§ 237 ff geregelte Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien. 5 9 2 Eine Einziehung kann gem § 237 Abs 1 S 1 entweder durch Zwangseinziehung oder durch Einziehung nach einem Erwerb erfolgen. N u r der letzte Fall wird von § 71 Abs 1 Nr 6 angesprochen. Da in §§ 237 ff die Voraussetzungen für eine Einziehung näher geregelt sind und diese Vorschriften den Kapitalschutz bereits hinreichend gewährleisten, ist ein weitergehender Schutz durch § 71 entbehrlich: 593 So enthalten beispielsweise § 237 Abs 3 1. HS (vereinfachtes Verfahren) und § 71 Abs 2 S 3 die inhaltlich identische Regelung, dass auf die Aktien der Ausgabebetrag voll geleistet sein muss. Erfolgt die Kapitalherabsetzung demgegenüber nach dem Verfahren über die ordentliche Kapitalherabsetzung (§ 237 Abs 2 iVm §§ 222 ff), so können zwar mangels einer dem § 237 Abs 3 vergleichbaren Regelung auch nicht voll eingezahlte Aktien eingezogen werden. Ein ausreichender Gläubigerschutz wird jedoch insoweit durch § 225 sichergestellt. 594 Folgerichtig werden von § 71 Abs 2 in diesen Fällen keine zusätzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Erwerb eigener Aktien aufgestellt. Bei der Durchführung der Einziehung ist zwar der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) zu berücksichtigen. Im Kapitalherabsetzungsbeschluss kann aber vorgegeben werden, dass nur Aktien von bestimmten Aktionären erworben werden (näher Rdn 235). Der damit verbundene Ausschluss des Andienungsrechts erfordert eine qualifizierte Mehrheit (näher Rdn 69 ff), die aber von § 222 Abs 1 S 1 ohnehin verlangt wird.

234

b) Beschluss einer Einziehung gem § 237 Abs 2 S 2. § 71 Abs 1 Nr 6 erlaubt den Erwerb eigener Aktien, wenn vor dem Erwerb von der Hauptversammlung der Beschluss gefasst wurde, eine Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals durchzuführen (§ 237 Abs 2 S 2). 5 9 5 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, wonach auf der Grundlage des Beschlusses der Erwerb stattfinden darf („auf Grund"). Der Hauptversammlungsbeschluss muss im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht im Handelsregister eingetragen sein 5 9 6 , da auch die Einziehung der Eintragung vorausgehen darf. 5 9 7

235

Der Beschluss der Hauptversammlung muss grundsätzlich mit einer Mehrheit von 3At des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals gefasst werden (§ 237 Abs 2 S 1 iVm § 222 Abs 1 S 1). Ausnahmsweise genügt unter den Voraussetzungen des § 237 Abs 3 die einfache Stimmenmehrheit (§ 133 Abs 1; § 237 Abs 4 S 2). Sofern die Aktien von bestimmten Aktionären erworben werden sollen, muss jedoch durch Beschluss das aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes bestehende Andienungsrecht der Aktionäre mit qualifizierter Mehrheit ausgeschlossen werden (näher Rdn 69 ff). Der Ausschluss des Andienungsrechts kann in dem Einziehungsbeschluss mitbeschlossen werden. Von Bedeutung ist dies beispielsweise, wenn im Wege des Rückerwerbs eigener Aktien Einfluss auf die Beteiligungsstruktur genommen werden soll (näher Rdn 22 ff). Ein Paketzuschlag darf nur gezahlt werden, wenn dafür ein sachlicher Grund besteht oder alle Aktionäre

592 593

594

Hüffer 19; MünchKommJOechsler 158. Hüffer 19; KK/Lutter 66; MünchKomm/ Oechsler 157. GroßKomm/Barz Voraufl § 71 Anm 24; Baumbach/Hueck 13; von Godin/Wilhelmi 11; KK/Lutter 67.

595 596

597

KK/Lutter 66; MünchKomm/Oechsler 158. MünchKomm/Oecfcs/er 158; anders von Godin/Wilhelmi 11. Hüffer $ 238 Rdn 2.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(132)

Erwerb eigener Aktien

§71

diesem zustimmen (näher Rdn 78 ff). Zu beachten ist, dass gem § 71c Abs 3 eine Einziehung gem § 237 auch für den Fall zwingend vorgeschrieben ist, dass ein Beschluss iSv § 71 Abs 1 N r 6 fehlt oder der Erwerb eigener Aktien aus einem anderen Grunde unzulässig ist. c) Unterschied zu § 71 Abs 1 Nr 8. Möchte die Hauptversammlung hingegen dem Vorstand die Entscheidung freistellen, ob die erworbenen Aktien eingezogen werden, so kann sie ihn im Wege eines Beschlusses ohne Zweckvorgabe gem § 71 Abs 1 Nr 8 zum Erwerb eigener Aktien sowie gem § 71 Abs 1 N r 8 S 6 zu deren Einziehung ermächtigen (näher Rdn 296 ff). 5 9 8 Während im Falle des § 71 Abs 1 Nr 6 die spätere Einziehung der Aktien obligatorisch ist, steht es gem § 71 Abs 1 Nr 8 im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands, ob er von der Einziehungsermächtigung Gebrauch macht.

236

d) Bilanzierung. Gem § 272 Abs 1 S 4 HGB ist bei der Bilanzierung der Nennbetrag oder, falls ein solcher nicht vorhanden ist, der rechnerische Wert von nach § 71 Abs 1 Nr 6 zur Einziehung erworbenen Aktien in der Vorspalte offen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital" als Kapitalrückzahlung abzusetzen (siehe auch Rdn 396). 5 9 9

237

8. Wertpapierhandel (§ 71 Abs 1 Nr 7) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Die Regelung des § 71 Abs 1 N r 7 wurde durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz von 1994 in das Gesetz eingefügt (näher Rdn 121) und lässt den Erwerb eigener Aktien durch näher bestimmte Aktiengesellschaften zu, wenn ein entsprechender Beschluss gefasst wird und der Erwerb dem Wertpapierhandel dient. Dieser Ausnahmetatbestand sollte denjenigen Banken, welche Aktiengesellschaften sind, ermöglichen, für ihre Kunden auch einen gewissen Handelsbestand an eigenen Aktien zu halten (näher Rdn 121). 600 Die Kunden erwarten heute von den Kreditinstituten „einen liquiden Markt auch in der eigenen Aktie rund um die Uhr und die Stellung von Kursen auch nach Schluss oder vor Eröffnung der Börse (außerbörslicher Aktienhandel)." 6 0 1 Es kann den Banken nicht zugemutet werden, diese Serviceleistungen ausschließlich Dritten überlassen zu müssen. Außerdem soll die Bank beim Handel an der Terminbörse als Stillhalterin bei Kaufoptionen zu Risikobegrenzung in der Lage sein, sich bei steigenden Kursen schon vor der Fälligkeit der Option einzudecken. 6 0 2 Ferner soll ein im DAX notiertes Kreditinstitut auch die Möglichkeit haben, sich gegen die mit einer Emission verbundenen Preisrisiken durch den Kauf eigener Aktien abzusichern (Hedging). 603 Die Vorschrift ist gedeckt von Art 19 Abs 1 der KapRL von 1976. Allerdings hat der Gesetzgeber bei § 71 Abs 1 Nr 7 - im Unterschied zu § 71 Abs 1 Nr 8 - noch nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Erwerb eigener Aktien unabhängig von einem Erwerbszweck zuzulassen (näher Rdn 115 und näher zum Verhältnis von § 71 Abs 1 Nr 7 und 8 unten Rdn 254).

238

Nach altem Recht konnten die Banken die Aufträge ihrer Kunden nur im Wege einer Einkaufskommission erfüllen (§ 71 Abs 1 Nr 4). Alternativ wollte man den Erwerb eige-

239

J98 599

600

BT-Drucks 13/9712, S 13. Näher dazu Baumbach/Hopt/Merkt § 272 HGB Rdn 4. BT-Drucks 12/6679, S 83 re Sp; Bezzenberger 2 0 0 2 , S 21 f; Butzke W M 1995, 1389, 1390; Hüffer 19a; MünchKomm/ Oechsler 160.

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601

602 603

BT-Drucks 12/6679, S 83 re Sp; Butzke W M 1995, 1389, 1390. BT-Drucks 12/6679, S 83 re Sp. BT-Drucks 12/6679, S 83 f; Butzke W M 1995, 1389, 1390.

H a n n o Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

ner Aktien in diesen Fällen über § 71 Abs 1 N r 1 („schwerer Schaden") zulassen. 6 0 4 Das war unbefriedigend. Daher sollte durch § 71 Abs 1 N r 7 für den Wertpapierhandel in eigenen Aktien außerhalb des Kommissionsgeschäfts eine gesicherte rechtliche Grundlage geschaffen werden. 6 0 5 Ein Rückgriff auf § 71 Abs 1 N r 1 ist deshalb nunmehr aufgrund der Sonderregelung des § 71 Abs 1 N r 7 ausgeschlossen (näher Rdn 1 7 7 ) . 6 0 6 Im Falle des § 71 Abs 1 N r 7 ergeben sich weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen aus § 71 Abs 2 S 1, S 2 und S 3. 240

b) Adressaten. Der Erlaubnistatbestand richtet sich an Kredit-, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen und knüpft damit an Begriffe des K W G an. Der Adressatenkreis wurde durch das Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EGRichtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften von 1 9 9 7 6 0 7 auf Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen erweitert (näher Rdn 123). Kreditinstitute sind gem § 1 Abs 1 S 1 K W G Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Der Begriff des Bankgeschäfts wird in § 1 Abs 1 S 2 K W G näher definiert und umfasst beispielsweise die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft, § 1 Abs 1 S 2 Nr 5 K W G ) . Finanzdienstleistungsinstitute sind Unternehmen, die Finanzdienstleistungen - wie zum Beispiel die Anlagevermittlung (§ 1 Abs l a S 2 Nr 1 K W G ) - für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die keine Kreditinstitute sind (§ 1 Abs l a S 1 K W G ) . Finanzunternehmen sind Unternehmen, die keine Institute sind und deren Haupttätigkeit beispielsweise darin besteht, Beteiligungen zu erwerben (§ 1 Abs 3 S 1 N r 1 KWG), Geldforderungen entgeltlich zu erwerben (§ 1 Abs 3 S 1 N r 2 K W G ) oder andere bei der Anlage in Finanzinstrumenten zu beraten (Anlageberatung, § 1 Abs 3 S 1 N r 6 K W G ) . In § 2 K W G werden bestimmte Akteure von diesen Legaldefinitionen ausgenommen.

241

Erfüllt in einem Konzern nicht die Mutter-, sondern lediglich die Tochtergesellschaft die Voraussetzungen des § 71 Abs 1 Nr 7, so darf die Tochter nach dieser Ausnahmeregelung keine Aktien der Muttergesellschaft erwerben. 6 0 8 Gem § 71 d S 2 iVm S 1 darf ein abhängiges oder ein im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen nur insoweit Aktien der Gesellschaft erwerben, als „dies der Gesellschaft nach § 71 Abs 1 Nr 1 bis 5, 7 und 8 und Abs 2 gestattet wäre." Die Befugnisse des Tochterunternehmens können also nicht weiter reichen als die Befugnisse der Muttergesellschaft (näher § 71d Rdn 33 ff). Daher wäre ein Erwerb von Aktien der Muttergesellschaft zum Zwecke des Wertpapierhandels eigentlich unzulässig. Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffasung soll die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft zum Erwerb von Aktien der Muttergesellschaft gem § 71 Abs 1 Nr 8 ermächtigen dürfen, wobei dieser Beschluss den zwingenden Erfordernissen des § 71 Abs 1 Nr 7 S 2 und S 3 genügen muss. 6 0 9 Im Ergebnis ist dieser Auffassung zuzustimmen. Allerdings sollte sie auf eine analoge Anwendung des § 71 Abs 1 Nr 7 gestützt werden. Denn die Vorschrift des § 71 Abs 1 Nr 8 kann nach ihrem Wortlaut nicht direkt auf diesen Fall angewendet werden, weil dort nur die Ermächtigung der eigenen Gesellschaft - nicht die der Tochtergesellschaft - erfasst wird. Es besteht aber kein sachlicher Grund dafür, der Tochtergesellschaft zwar den Erwerb eigener Aktien zum Zwecke des

604

605 606

Aha AG 1992, 218, 221; KKJLutter 27 u 61; Mertens WuB II A § 131 AktG 1.88 unter 3; Werner AG 1990, 1, 14. BT-Drucks 12/6679, S 83 re Sp. Butzke, WM 1995, 1389, 1392; Hüffer 19a.

607 608

609

BGBl I, S 2567. Butzke WM 1995, 1389, 1391; MünchKomm/Oechsler 161. MünchKommIOechsler 261.

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(134)

Erwerb eigener Aktien

§71

Wertpapierhandels zu erlauben, nicht aber den Erwerb von Aktien der Muttergesellschaft. Eine analoge Anwendung erscheint daher gerechtfertigt. Da der Bestimmung des § 71 Abs 1 Nr 7 die Funktion einer Sonderregelung für den Erwerb zum Zwecke des Wertpapierhandels zukommt (näher Rdn 2 5 4 und Rdn 274), ist eine analoge Anwendung dieser Norm vorzugswürdig (siehe auch Rdn 315). c) Beschluss der Hauptversammlung. Die Hauptversammlung muss mit einfacher Stimmenmehrheit (§ 133 Abs 1) einen Beschluss fassen, dass eigene Aktien zum Zwecke des Wertpapierhandels erworben werden. Neben dieser Zweckvorgabe muss der Beschluss dem Erwerb insofern Grenzen setzen, als der Handelsbestand der zu diesem Zweck erworbenen Aktien fünf Prozent des Grundkapitals am Ende jeden Tages nicht überschreiten darf (§ 71 Abs 1 Nr 7 S 2 1. HS ) und der niedrigste und höchste Gegenwert für den Erwerb zu bestimmen ist (§ 71 Abs 1 Nr 7 S 2 2. HS).

242

aa) Zum Zwecke des Wertpapierhandels. In dem Beschluss muss eine entsprechende Formulierung enthalten sein, um die Abgrenzung zum Ausnahmetatbestand des § 71 Abs 1 Nr 8 zu gewährleisten. Als ausreichend wird die im Gesetz enthaltene Formulierung „zum Zwecke des Wertpapierhandels" angesehen. 610 Lässt der Beschluss die Abgrenzung zwischen § 71 Abs 1 Nr 7 und Nr 8 offen, so ist der Beschluss rechtswidrig und folglich gem § 2 4 3 anfechtbar (näher zum Verhältnis von § 71 Abs 1 Nr 7 und 8 auch Rdn 2 5 4 und Rdn 2 5 8 ) . 6 1 1 Dem Wertpapierhandel dienen beispielsweise das in § 1 Abs 1 Nr 5 K W G genannte Depotgeschäft und der in § 1 Abs l a Nr 4 K W G genannte Eigenhandel. Es ist unerheblich, welche schuldrechtliche Verpflichtung die Aktiengesellschaft mit den erworbenen Aktien erfüllen will. 6 1 2 Ferner ist der Erwerb eigener Aktien auch dann zulässig, wenn die Aktiengesellschaft eigene Aktien erwirbt, und sich später herausstellt, dass die Gesellschaft die Aktien tatsächlich nicht benötigt, um Kundenaufträge auszuführen oder sich im Wege eines Hedging abzusichern. Denn die Gesellschaft kann - wie auch in den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 2 und 3 - den tatsächlichen Bedarf an eigenen Aktien nicht vorweg feststellen, da es auf das Verhalten der anderen Marktteilnehmer ankommt.

243

bb) Fünf Prozent des Grundkapitals (§ 71 Abs 1 Nr 7 S 2 1. HS). Im Beschluss muss außerdem festgelegt werden, dass der Handelsbestand der zu diesem Zweck zu erwerbenden Aktien fünf vom Hundert des Grundkapitals am Ende jeden Tages nicht übersteigen darf. Der maßgebliche Zeitpunkt ist weltweit 2 4 Uhr deutscher Zeit. 6 1 3 Diese Fünf-Prozent-Schranke tritt als Sonderregelung für diese Fälle neben die Zehn-Prozent-Schranke des § 71 Abs 2 S 1; § 71 Abs 2 S 1 ist weiterhin von Bedeutung, wenn weitere eigene Aktien aufgrund anderer Ausnahmetatbestände erworben werden.

244

Im Unterschied zur Zehn-Prozent-Schranke muss die Fünf-Prozent-Schranke nur „am Ende eines jeden Tages" eingehalten werden, dh während des Tages dürfen auch höhere Bestände erworben werden. 6 1 4 Unklar ist, ob die Zulässigkeit des Erwerbs daher im Zeitpunkt des Erwerbs oder erst am Ende des Tages beurteilt werden kann. § 71 Abs 1 ist grundsätzlich - wie bereits im Rahmen von § 71 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 dargestellt wurde so zu verstehen, dass er die Zulässigkeit des Erwerbs im Zeitpunkt des Erwerbs feststellt. Das Gesetz kennt keinen rückwirkenden Eintritt der Unzulässigkeit des Besitzes eigener

245

610 611 612

Hüffer 19b; MänchKommJOechsler 163. MünchKomm/ Oechsler 163. BT-Drucks 12/6679, S 84 re Sp; MünchKommlOechsler 162.

(135)

613

614

Butzke WM 1995, 1389, 1391; MünchKommlOechsler 165. Butzke WM 1995, 1389, 1391.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Aktien. 615 (näher dazu bereits Rdn 194). Für die Beurteilung der Zulässigkeit ist daher der Zeitpunkt des Erwerbs maßgeblich. Wird die Fünf-Prozent-Schranke überschritten, so ist der Erwerb zulässig, sofern der Vorstand den ernstlichen Willen hat, den Bestand der Aktien bis zum Ende des Tages wieder unter die Fünf-Prozent-Grenze zu reduzieren. Unterlässt er dies, so bleibt der Erwerb eigener Aktien zwar zulässig, es besteht jedoch eine Veräußerungspflicht gern § 71c Abs 1 analog (näher Rdn 194). 246

Bezugsgröße für die Fünf-Prozent-Schranke kann die Höhe des Grundkapitals entweder im Zeitpunkt der Beschlussfassung 616 oder im Zeitpunkt des Erwerbs eigener Aktien sein. 617 Von Bedeutung wird dieser Unterschied, wenn zwischenzeitlich eine Kapitalerhöhung oder -herabsetzung stattgefunden hat. Der Wortlaut („des Grundkapitals am Ende jeden Tages") legt nahe, dass es nicht nur für den Handelsbestand, sondern auch für die Höhe des Grundkapitals auf die Situation am Ende des Tages, an dem die Aktien erworben werden, ankommt. Ferner entspricht eine solche Auslegung auch stärker dem Zweck der Regelung: 618 Der Erwerb eigener Aktien zum Zwecke des Wertpapierhandels soll von § 71 Abs 1 N r 7 S 2 wegen der damit verbundenen Gefahren je nach Höhe des Grundkapitals begrenzt werden. Hat sich zwischenzeitlich das Grundkapital verringert, so müssen dem Erwerb eigener Aktien ebenfalls entsprechend engere Grenzen gesetzt werden.

247

Da § 71 Abs 1 N r 7 den Erwerb eigener Aktien von einem Beschluss der Hauptversammlung abhängig macht, muss es der Hauptversammlung auch erlaubt sein, in ihrem Beschluss von der Fünf-Prozent-Schranke nach unten abzuweichen und dem Vorstand eine geringere Beschränkung aufzuerlegen. Anstelle einer prozentualen Schranke darf die Hauptversammlung auch eine zahlenmäßige Begrenzung festlegen, die der Fünf-ProzentSchranke entspricht oder darunter liegt. 619 Problematisch ist in diesen Fällen, dass - im Unterschied zu einer prozentualen Schranke - diese zahlenmäßige Begrenzung bei späteren Kapitalveränderungen fortbesteht. Nach verbreiteter Auffassung ist wie folgt zu differenzieren: 620 Kommt es später zu einer Kapitalerhöhung (§§ 182ff), so bleibt es bei der bisherigen Begrenzung, weil sie weiterhin unter fünf Prozent liegt und folglich rechtmäßig bleibt. Wird demgegenüber das Kapital herabgesetzt (§§ 222 ff) und führt dies dazu, dass die zahlenmäßige Begrenzung die Fünf-Prozent-Schranke übersteigt, so wird der Beschluss iSv § 71 Abs 1 N r 7 mit der Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses analog § 224 kraft Gesetz pro rata an das neue Grundkapital angepasst. 621

248

cc) Niedrigster und höchster Gegenwert (§ 71 Abs 1 Nr 7 S 2 2. HS). Die Hauptversammlung muss in ihrem Beschluss den niedrigsten und den höchsten Gegenwert festlegen, dh den Mindest- und den Höchstpreis für den Erwerb eigener Aktien. 6 2 2 Für die wortgleiche Regelung in § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 gelten die gleichen Anforderungen mit den dort dargestellten Besonderheiten (näher Rdn 263). Handelt es sich nicht um einen Kaufvertrag, sondern um einen Tauschvertrag oder ein Optionsrecht, so muss der Wert der Gegenleistung ermittelt werden. Für die Kaufoption (Call-Option) ist umstritten, welche Methode anzuwenden ist: Verschiedentlich wird vertreten, dass sich der Gegenwert bei einer Kaufoption aus der Summe des für das Optionsrecht gezahlten Preises (Optionsprämie) und des bei der Ausübung der Option je Aktie zu entrichtenden Kaufpreises

615 616

617

KKILutter 38. So grundsätzlich Hüffer 19b, nach dessen Ansicht aber bei Kapitalveränderungen Ausnahmen denkbar sind. Dafür MünchKomm/Oecfcs/er 165.

618 619 620 621 622

MünchKommJOechsler MünchKomm/Oecfo/er MünchKommJOechsler MünchKomm/ Oechsler Hüffer 19b.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

165. 165. 165. 165.

(136)

Erwerb eigener Aktien

§71

(Ausübungspreis oder strike p r i c e ) 6 2 3 ergibt. N a c h anderer Auffassung ist zu diesen beiden Beträgen der Wert der O p t i o n im Z e i t p u n k t der Ausübung zu a d d i e r e n 6 2 4 . Eine dritte Ansicht spricht sich demgegenüber für eine Addition des Ausübungspreises und des Wertes der O p t i o n im Z e i t p u n k t der Ausübung aus. Die S u m m e entspricht regelm ä ß i g dem im Z e i t p u n k t der Ausübung geltenden Börsenkurs der A k t i e . 6 2 5 D e r Begriff Gegenwert weist eine gewisse N ä h e zu dem schuldrechtlichen Begriff der Gegenleistung (vgl § 3 2 6 Abs 2 S 1 B G B , § 3 4 6 Abs 2 S 2 B G B ) auf, was nahelegt, dass der Gegenwert diejenigen Geldbeträge umfasst, die die Gesellschaft als Gegenleistung für den E r w e r b der Aktie aus ihrem Vermögen erbringt, dh die beiden von ihr gezahlten Kaufpreise zunächst für den E r w e r b der O p t i o n und dann für den E r w e r b der Aktie. D e m wird zwar entgegen gehalten, dass bei dieser Berechnung in m a n c h e n Fällen die wirtschaftlich sinnvolle Ausübung einer Verkaufsoption an der Preisuntergrenze scheitern k a n n . 6 2 6 D e m k a n n die H a u p t v e r s a m m l u n g jedoch entgegenwirken, indem sie die Preisuntergrenze entsprechend niedrig ansetzt. D e r Gegenwert muss nicht zwingend als fester Betrag angegeben werden, sondern darf auch an die zum Z e i t p u n k t des E r w e r b s geltenden Börsenkurse angeknüpft werden. D a b e i kann entweder auf den aktuellen Börsenkurs oder a u f einen durchschnittlichen Börsenkurs abgestellt w e r d e n . 6 2 7 Bei der Schaffung von § 71 Abs 1 N r 8 hat sich der Gesetzgeber ebenfalls in diesem Sinne geäußert: „ D a b e i kann auch eine relative A n b i n dung an einen künftigen Börsenkurs bestimmt w e r d e n . " 6 2 8 Für ein solches Anknüpfen an den Börsenkurs spricht, dass ansonsten angesichts der zum Teil erheblich schwankenden Börsenkurse der E r w e r b eigener Aktien zum Z w e c k e des Wertpapierhandels nicht effektiv eingesetzt werden k ö n n t e . Eine Studie des Deutschen Aktieninstituts aus dem J a h r e 1 9 9 9 hat ergeben, dass der Preisrahmen in den Fällen des § 71 Abs 1 N r 7 und des § 71 Abs 1 N r 8 in den meisten Fällen zwischen 5 und 10 % über und unter dem Börsenkurs lag und ein Z e i t r a u m von durchschnittlich drei bis fünf Börsentagen als Referenzperiode zugrunde gelegt w u r d e . 6 2 9 Die Abweichung vom Börsenkurs k a n n sowohl in Prozent als auch in einem fixen Betrag angegeben werden (näher zur H ö h e der Gegenleistung siehe R d n 5 9 ) .

249

Dass gem § 71 Abs 1 N r 7 S 2 2 . H S und § 71 A b s 1 N r 8 S 1 der niedrigste und der höchste Gegenwert festzulegen sind, gestattet der H a u p t v e r s a m m l u n g nicht, die Gegenleistung beliebig hoch a n z u s e t z e n . 6 3 0 Vielmehr gelten die allgemeinen Grenzen für die H ö h e des Kaufpreises, w o n a c h nur ein marktübltcher Kaufpreis zulässig ist. Anderenfalls liegt ein Verstoß gegen § 5 7 Abs 1 S 1 vor mit der Folge, dass der Differenzbetrag zwischen m a r k t ü b l i c h e m Kaufpreis und e r h ö h t e m Kaufpreis gem § 6 2 Abs 1 S 1 zurückgefordert werden kann. Eine Gegenleistung in H ö h e des Börsenkurses ist immer zulässig. Eine Überschreitung von bis zu 3 0 % des Börsenkurses wird grundsätzlich für zulässig gehalten, wenn der E r w e r b eigener Aktien im Wege eines Tenderverfahrens ermittelt wird (näher R d n 6 0 f f ) . 6 3 1

250

623

624

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626 627

Schmid/Mühlhäuser AG 2001, 493, 498; dies AG 2004, 342, 343 re Sp; so wohl auch Grobecker/Arndt DStR 2001, 1757, 1764. Butzke WM 1993, 1389, 1392; MünchKommlOechsler 179. Vetter AG 2003, 478, 4 8 0 f; ders AG 2004, 344. Vetter AG 2003, 478, 4 8 0 f. Butzke WM 1995, 1389, 1392; Hüffer 19e;

(137)

628 629

630 631

Kiem ZIP 2000, 209, 211; Kessler/Suchan BB 2000, 2529, 2530; MünchKomm/ Oechsler 177; Vetter AG 2003, 478. BT-Drucks 13/9712, S 13. DAI (Hrsg) Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, 1999, S 11. MünchKomm/Oecfcs/er 178. Benckendorff S 238; MünchKomm/Oecfcs/er 177.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

251

dd) Nichtigkeit des Beschlusses gem § 241 Abs 1 Nr 3. Entspricht der Beschluss der Hauptversammlung nicht den Anforderungen des § 71 Abs 1 Nr 7 S 2, so ist er nichtig, da die Regelung überwiegend dem Schutze der Gläubiger der Gesellschaft dient (§ 241 Abs 1 Nr 3 ) . 6 3 2 Nach ganz herrschender Meinung genügt es bei § 241 Abs 1 Nr 3, dass die jeweilige Norm wesentliche Bedeutung für den Gläubigerschutz hat. 6 3 3 Die Fünf-Prozent-Schranke und die Angabe des niedrigsten und höchsten Gegenwertes dienen der Erhaltung des Garantiekapitals und sollen Teilliquidationen zugunsten der Aktionäre verhindern. Sie haben daher insbesondere gläubigerschützende Wirkung. Dafür spricht auch der systematische Zusammenhang zwischen dem Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 5 7 Abs 1 S 1) und dem Erwerbsverbot (§ 57 Abs 1 S 2 iVm § 71 Abs l ) . 6 3 4

252

d) Ermächtigungsdauer (§ 71 Abs 1 Nr 7 S 3). Die Ermächtigung darf wie bei § 71 Abs 1 Nr 8 für einen Zeitraum von höchstens 18 Monaten erteilt werden (§ 71 Abs 1 Nr 7 S 3). Da es sich dabei um eine Höchstfrist handelt, 6 3 5 kann selbstverständlich auch ein kürzerer Zeitraum gewählt werden. Die Frist kann in Wochen oder Monaten vom Tage der Beschlussfassung oder von einem anderen zu bestimmenden Zeitpunkt angegeben werden. 6 3 6 Berechnet wird sie gem §§ 187 Abs 1, 188 Abs 1 B G B . 6 3 7 Der Beginn und das Ende der Frist müssen so bestimmt festgesetzt werden, dass sich ihr Verlauf von einem Dritten ermitteln lässt. 6 3 8 Außerdem kann das Ende der Frist durch Angabe eines bestimmten Datums angegeben werden. 6 3 9

253

Die Ermächtigung kann von der Hauptversammlung auch innerhalb einer zuvor gesetzten Frist erneut erteilt werden (sog Kettenbefristung). 640 In der Praxis ist es dabei üblich, der folgenden Hauptversammlung eine neue Ermächtigung mit einer Laufzeit von bis zu 18 Monaten vorzuschlagen und die vorangehende Ermächtigung insoweit aufzuheben, als sie noch läuft (sog revolvierende Ermächtigung). 641 Die zeitliche Befristung gilt nur für den Erwerb, nicht für das nachfolgende Halten und die Veräußerung eigener Aktien. 6 4 2 Dafür spricht der Wortlaut der Bestimmung des § 71 Abs 1, die lediglich regelt, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft eigene Aktien „erwerben" darf. 6 4 3 Außerdem bestehen bei der Veräußerung nicht die mit dem Erwerb eigener Aktien verbundenen Risiken, so dass die ratio legis eine Anwendung der 18-Monats-Frist insoweit nicht erfordert. Dass die Weiterveräußerung der Aktien später erfolgen darf, ist insbesondere im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen von Bedeutung (näher dazu Rdn 3 0 2 ff). Der Beschluss ist nichtig, wenn die gem § 71 Abs 1 Nr 7 S 3 erforderliche Befristung fehlt oder den zulässigen Zeitraum von 18 Monaten übersteigt. 644 Die Vorschrift des § 71 Abs 1 Nr 7 S 3 kann nicht dahingehend als gesetzliche Auslegungsregelung verstanden werden, dass im Zweifel eine Frist von 18 Monaten gewollt ist. 6 4 5 Denn es besteht kein Erfahrungssatz, dass üblicherweise eine Ermächtigung für die Dauer von

632 633 634 635 636 637 638 639 640

MünchKomm/Oechsler 166. Hüffer § 241 Rdn 17 mwN. MünchKomm/Oechsler 166. Hüffer 19e; MünchKomm! Oechsler 175. Hüffer 19e; MünchKomm/Oechsler 175. MünchKomm/Oechsler 175. MünchKomm/Oechsler 175. Hüffer 19e. BT-Drucks 12/6679, S 84; Butzke W M 1995, 1389, 1391; Hüffer 19b; Martens AG 1996, 337, 3 3 9 ; MünchKommJOechsler 164.

Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 4. 642 BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp; Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01, Rdn 4; Günther/Muche/White RIW 1998, 337, 342; Kindt DStR 1999, 1276, 1278; Martens AG August-Sonderheft, 1997, 83, 85; MünchKomm/Oechsler 176; Schaefer N Z G 1999, 531, 532; Weiß W M 1999, 353, 361. 6 4 3 MünchKomm/Oechsler 176. 644 Hüffer 19e; MünchKomm/Oecfcs/er 175. 645 Hüffer 19e; MünchKomm!Oechsler 175. 641

Stand: 1.11.2007

(138)

Erwerb eigener Aktien

§71

18 Monate erteilt wird. Außerdem ist offen, ob der Zeitpunkt der Beschlussfassung oder ein anderer Zeitpunkt als Fristbeginn gewollt ist. e) Verhältnis zu § 71 Abs 1 N r 8. Die zwei Ausnahmetatbestände beruhen beide auf der K a p R L von 1976, wobei der Gesetzgeber im Falle des § 71 Abs 1 N r 7 den Erwerb eigener Aktien nur zum Erwerbszweck des Wertpapierhandels zulässt, während § 71 Abs 1 N r 8 grundsätzlich unabhängig von einem Erwerbszweck zur Anwendung kommt. Gern § 71 Abs 1 N r 8 S 2 ist jedoch bei diesem Ausnahmetatbestand als Zweck des Riickerwerbs der Handel in eigenen Aktien ausgeschlossen, so dass die Ermächtigung gem § 71 Abs 1 N r 8 nicht zum Zwecke des Wertpapierhandels erfolgen kann (zu dieser Abgrenzungsfunktion des § 71 Abs 1 N r 8 S 2 siehe auch Rdn 274). § 71 Abs 1 N r 7 ist daher als lex specialis gegenüber § 71 Abs 1 N r 8 anzusehen: 6 4 6 Der Erwerb eigener Aktien zum Zwecke des Wertpapierhandels darf nur durch die in § 71 Abs 1 N r 7 genannten Akteure und nur innerhalb der Fünf-Prozent-Schranke des § 71 Abs 1 N r 7 S 1 1. H S erfolgen. § 71 Abs 1 N r 7 hat also einen eigenständigen Anwendungsbereich. 6 4 7

254

9. Ermächtigungsbeschluss ohne positive gesetzliche Zweckvorgabe (§ 71 Abs 1 Nr 8) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. § 71 Abs 1 N r 8 wurde durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) von 199 8 6 4 8 geschaffen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung den Spielraum, der ihm durch Art 19 Abs 1 der K a p R L eingeräumt wird, voll ausgeschöpft, indem nun erstmals der Hauptversammlung die Entscheidung überlassen wird, zu welchen Zwecken der Erwerb eigener Aktien erfolgt. Bei dieser Reform hat man sich davon leiten lassen, dass in den anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft und in den USA weniger restriktive Bestimmungen bestehen und deutsche Aktiengesellschaften gegenüber ausländischen Gesellschaften nicht benachteiligt werden sollen. 6 4 9 Außerdem wurde auch vom Gesetzgeber erkannt, dass der Erwerb eigener Aktien nicht nur mit Nachteilen, sondern auch mit Vorteilen für die Entwicklung der Gesellschaft verbunden sein kann. Als mögliche Anwendungsfälle nennt § 71 Abs 1 N r 8 die Reduzierung eines zu hohen Eigenkapitals, die Verbesserung der Eigenkapitalrendite pro Aktionär, wenn mit den zum Rückkauf verwendeten Gewinnrücklagen keine angemessene Rendite erwirtschaftet werden kann, und die Vorbereitung einer späteren Einziehung der Aktien (vgl dazu § 71 Abs 1 N r 8 S 6 ) . 6 5 0 Dieses Umdenken dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass der Erwerb eigener Aktien angesichts der im Jahre 1978 aufgrund der K a p R L eingeführten Regelungen (§ 71 Abs 2 S 2 und § 2 7 2 Abs 4 HGB) seine Gefährlichkeit weitgehend verloren hatte. Nachdem der Gesetzgeber im Jahre 1978 zunächst vor allem die Beschränkungen der Richtlinie übernahm, entschied er sich für die von der Richtlinie vorgezeichnete Liberalisierung des Erwerbs eigener Aktien erst im Jahre 1998 (näher Rdn 125 ff).

255

Diese Liberalisierung hat bereits innerhalb des ersten Jahres nach dem Inkrafttreten des § 71 Abs 1 N r 8 bewirkt, dass der Erwerb eigener Aktien in der Praxis sehr an Bedeutung gewonnen hat. Nach einer Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts eV betrug das Volumen der Rückkaufprogramme im Jahre 1999 nahezu 30 Milliarden D M . 6 5 1 Damit erreicht der Rückerwerb eigener Aktien im Vergleich zur Marktgröße fast schon

256

646 647

648

MiinchKomm/Oecta/er 168. BT-Drucks 13/9712, S 13: „ . . . hat die N u m mer 7 auch künftig [neben § 71 Abs 1 N r 8] ihre Berechtigung." BGBl I, S 7 8 6 .

(139)

649 650

651

BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp. BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp; vgl dazu auch Hüffer 19c. DAI, Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, 1999, S 17.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

US-amerikanische Dimensionen: während dort die Rückkaufprogramme etwa 1,9 % der Marktkapitalisierung erreichen, entsprach dieses Volumen der Rückkaufprogramme in Deutschland ungefähr 1,6 %. 6 5 2 257

Ausdrücklich benennt die Gesetzesbegründung die Grenzen, in denen die Ermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 nur möglich sein soll: „Der Eigenerwerb darf nicht der kontinuierlichen Kurspflege und dem Handel in eigenen Aktien dienen." 6 5 3 Daher wurde § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 ins Gesetz aufgenommen, wonach als Zweck der Handel in eigenen Aktien ausgeschlossen ist (näher Rdn 273 ff). Neben den Voraussetzungen des § 71 Abs 1 N r 8 sind die Vorgaben von § 71 Abs 1 S 1 - S 3 zu beachten. Außerdem muss der Vorstand gem § 71 Abs 3 S 1 die Hauptversammlung und gem § 71 Abs 3 S 3 die BaFin unterrichten.

258

b) Verhältnis zu § 71 Abs 1 Nr 1-7. Während die § 71 Abs 1 Nr 1 - 7 voraussetzen, dass der Erwerb eigener Aktien aufgrund eines bestimmten Erwerbszwecks gerechtfertigt ist, genügt im Rahmen von § 71 Abs 1 N r 8 ein Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung. Die Bestimmung des § 71 stellt daher auch eine Kompetenzregelung dar: Die Ausnahmetatbestände der § 71 Abs 1 Nr 1 - 6 ermöglichen es dem Vorstand, selbst tätig zu werden. Im Übrigen bedarf es eines Beschlusses der Hauptversammlung (§ 71 Abs 1 N r 7 und 8). Zugleich hat § 71 Abs 1 N r 8 die Funktion einer Generalklausel, die grundsätzlich neben den anderen Ausnahmetatbeständen eingreifen kann 6 5 4 , dh der Vorstand kann dann, wenn mit dem Erwerb einer der Zwecke des Gesetzes verfolgt wird, wählen, ob er entweder selbst aufgrund von § 71 Abs 1 N r 1 - 6 tätig wird oder ob er die Ermächtigung der Hauptversammlung einholt. Eine Ausnahme stellt lediglich § 71 Abs 1 Nr 7 dar, weil diese Regelung zum einen § 71 Abs 1 N r 8 im Wege der Spezialität verdrängt (näher Rdn 274) und außerdem sowohl einen tatbestandsmäßigen Erwerbszweck als auch die Ermächtigung der Hauptversammlung voraussetzt. Das Zusammenspiel der verschiedenen Ausnahmetatbestände und der Generalklausel wird am Beispiel der Belegschaftsaktien deutlich: § 71 Abs 1 Nr 2 ermöglicht es dem Vorstand, Aktien zu erwerben, um diese an die Arbeitnehmer auszugeben. Soll indes ein Aktienoptionsprogramm zu Gunsten der Vorstandsmitglieder aufgelegt werden, so hängt dies von einem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 Nr 8 ab.

259

c) Beschluss der Hauptversammlung. Der Beschluss der Hauptversammlung kann mangels anderweitiger Bestimmung grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden (§ 133 Abs l). 6 5 5 Er bedarf keiner Eintragung in das Handelsregister. 656 Ausnahmsweise ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, wenn beim Erwerb oder der späteren Weiterveräußerung der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht beachtet werden soll (näher Rdn 279). Nach dem Wortlaut (aufgrund) ist der Erwerb eigener Aktien nach dieser Vorschrift nur zulässig, wenn der Beschluss bereits vor dem Erwerb gefasst wurde. 6 5 7 Eine nachträgliche Heilung durch eine Beschluss der Hauptversammlung ist ausgeschlossen, weil sonst der Vorstand die Hauptversammlung unter Druck setzen könnte, indem er auf etwaige finanzielle Nachteile einer gem § 71c Abs 1 erforderlichen Veräußerung hinweist. 658 Entsteht der Gesellschaft tatsächlich ein solcher Schaden, etwa aufgrund eines

652

653 654 655

DAI, Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, 1999, S 17. BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp. MünchKomm/Oechsler 171. Van Aerssen WM 2000, 391, 394 Ii Sp;

656 657 658

Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 2; Hüffer 19d; MünchKomm! Oechsler 172. MünchKommlOechsler 172. Hüffer 19d; MünchKomm/Ocfcs/er 172. MünchKomm/Oechsler 172.

Stand: 1.11.2007

(140)

Erwerb eigener Aktien

§71

zwischenzeitlich gefallenen Börsenkurses, so kann sie gern § 9 3 Abs 3 N r 3 von den pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitgliedern Schadensersatz fordern. Besitzt die Gesellschaft bereits eigene Aktien, so darf sie nicht an der A b s t i m m u n g teilnehmen (§ 7 1 b ) . W i r d die Ermächtigung gem § 71 Abs 1 N r 8 erteilt, um das Aktienpaket eines bestimmten Aktionärs zu erwerben, stellt sich zum einen die Frage, o b dies mit dem Gleichbehandlungsgebot des § 71 Abs 1 N r 8 S 3 zu vereinbaren ist (näher R d n 2 7 9 ) . Z u m anderen ist fraglich, o b der jeweilige A k t i o n ä r in diesem Z u s a m m e n h a n g sein Stimmrecht ausüben darf. D a s ursprünglich im Aktiengesetz von 1 9 3 7 enthaltene Stimmverbot für den Fall der V o r n a h m e eines Rechtsgeschäfts zwischen der Gesellschaft und dem abstimmenden Aktionär wurde inzwischen aufgegeben. 6 5 9 Eine analoge Anwendung des § 136 Abs 1 auf einen Beschluss, der ein solches Rechtsgeschäft zum Gegenstand hat, ist daher nach überwiegender Auffassung a u s g e s c h l o s s e n . 6 6 0 D e r Inhaber des Aktienpaketes verstößt allerdings gegen seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, 6 6 1 wenn er aufgrund seiner S t i m m r e c h t s m a c h t durchsetzt, dass im Ermächtigungsbeschluss ein überhöhter Preis für die zurückzuerwerbenden Aktien festgelegt w i r d . 6 6 2

260

D e r Beschluss muss folgende inhaltlichen Anforderungen erfüllen: Die Ermächtigung muss eine Befristung enthalten, die höchstens einen Z e i t r a u m von 18 M o n a t e n betragen darf (näher R d n 2 6 2 ) . Sie muss ferner den niedrigsten und höchsten Gegenwert angeben (näher R d n 2 6 3 ) und das Erwerbsvolumen auf einen Wert von höchstens 10 % des Grundkapitals begrenzen (näher R d n 2 6 4 f). Außerdem darf kein gem § 71 Abs 1 N r 8 S 2 unzulässiger Z w e c k verfolgt werden (näher R d n 2 6 6 ff). Enthält der H a u p t v e r s a m m lungsbeschluss eine Ermächtigung zur Einziehung (§ 71 Abs 1 N r 8 S 6 ) , k ö n n e n weitere Anforderungen zu beachten sein (näher R d n 2 9 6 ff).

261

aa) Ermächtigungsdauer. N a c h § 71 Abs 1 N r 8 S 1 k a n n die Ermächtigung für einen Z e i t r a u m von höchstens 18 M o n a t e n erteilt werden. Die Regelung entspricht ξ 71 Abs 1 N r 7 S 3 (näheres bei R d n 2 5 2 f).

262

b b ) A n g a b e des niedrigsten und höchsten Gegenwertes. G e m § 71 Abs 1 N r 8 S 1 müssen in dem Beschluss der niedrigste und der höchste Gegenwert festgelegt werden. D e r Gegenwert muss nicht zwingend als fester Betrag angegeben, sondern es kann auch auf die zum Z e i t p u n k t des E r w e r b s geltenden Börsenkurse Bezug g e n o m m e n werden. Es gelten die gleichen Anforderungen wie bei der wortgleichen Regelung des § 7 1 A b s 1 N r 7 S 2 (näher R d n 2 4 8 ) .

263

cc) A n g a b e des Anteils a m G r u n d k a p i t a l . G e m § 71 A b s 1 N r 8 S 1 muss der Beschluss ferner den Anteil am Grundkapital, der zehn v o m Hundert nicht übersteigen darf, festlegen. W ä h r e n d die Z e h n - P r o z e n t - S c h r a n k e des § 71 Abs 2 S 1 sich auf den gesamten Bestand eigener Aktien bezieht, die die Gesellschaft entweder n o c h besitzt oder aufgrund der acht Ausnahmetatbestände erwirbt, begrenzt die von § 7 1 Abs 1 N r 8 S 1 geforderte Anteilsangabe die nach der erteilten Ermächtigung insgesamt zu erwerbende Z a h l von Aktien ( E r w e r b s v o l u m e n ) . 6 6 3 D a h e r kann die Ermächtigung nur einmal in dem

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659

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661

MünchKomm/Scfcröer § 136 Rdn 18; KK/Zöllner 1. Auflage, § 136 Rdn 26. Hüffer § 136 Rdn 18; MünchKomm/Scfcröer § 136 Rdn 18; KK/Zöllner 1. Auflage, § 136 Rdn 26; anders Κ Schmidt Gesellschaftsrecht, § 21 II 2. b) mwN. Näher dazu GroßKomm/BraWe/ § 1 Rdn 84 ff.

(141)

662 663

MünchKomm/Oechsler 173. Grobecker/Michel, DStR 2001, 1757; Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 6; Hüffer 19e; Kessler/Suchan BB 2000, 2529, 2530; Kindl DStR 1999, 1276, 1278; Kraft!Altvater NZG 1998, 448, 450; MünchKomm/ Oechsler 182; Weiß WM 1999, 353, 361.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

vom Beschluss genannten Umfang ausgenutzt werden. 6 6 4 Vereinzelt wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass die gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 im Beschluss festgelegte Grenze vom Vorstand erneut ausgeschöpft werden könne, wenn die zunächst erworbenen Aktien vorher wieder veräußert werden. Den Gefahren, die mit dem Erwerb eigener Aktien einhergehen, werde bereits durch § 71 Abs 2 S 1 ausreichend vorgebeugt. 665 Dagegen spricht allerdings die Gesetzesbegründung, derzufolge „diese Volumenbegrenzung [...] - anders als Absatz 2 S 1 - nicht auf den jeweiligen Bestand, sondern auf die insgesamt zu erwerbenden Aktien" abstellt. 666 Ferner hätte dies zur Folge, dass die von § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 geforderte Angabe des Anteils am Grundkapital neben § 71 Abs 2 S 1 keine eigenständige Bedeutung erlangt. Im Übrigen würde dem Vorstand durch eine solche Auslegung eine zu weitgehende Kompetenz eingeräumt. Will er erneut Aktien unter Überschreiten des zulässigen Erwerbsvolumens kaufen, dann muss er eine neue Ermächtigung der Hauptversammlung einholen. 265

Unklar ist, ob als Bezugsgröße für das im Beschluss festgelegte Erwerbsvolumen die Höhe des Grundkapitals im Zeitpunkt der Beschlussfassung oder im Zeitpunkt des Erwerbs eigener Aktien maßgeblich ist. Nach einer Ansicht soll es auf den Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses ankommen, weil nach dem Schutzzweck der Norm der Entscheidungsspielraum in ein Verhältnis zum Garantiekapital des Entscheidungszeitpunktes gestellt sei und es wie bei jedem Rechtsgeschäft auch bei dem Beschluss nach § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 auf den Zeitpunkt der Begründung ankomme. 6 6 7 Dem ist zu widersprechen. Das Gesetz verlangt von der Hauptversammlung, das Erwerbsvolumen als „Anteil am Grundkapital" anzugeben. Dadurch wird ermöglicht und bezweckt, dass sich das genehmigte maximale Erwerbsvolumen im Falle einer Kapitalveränderung - dh einer Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung - entsprechend verändert. Auch im Rahmen der Fünf-Prozent-Schranke des § 71 Abs 1 Nr 7 S 2 wird nach richtiger Ansicht die Höhe des Grundkapitals im Zeitpunkt des Erwerbs für maßgeblich gehalten (näher Rdn 245). Daher ist auch aus systematischen Gründen der Zeitpunkt des Erwerbs die maßgebliche Bezugsgröße. Anstatt einer prozentualen Angabe darf - wie bei § 71 Abs 1 Nr 7 S 2 eine zahlenmäßige Begrenzung des Erwerbsvolumens vorgenommen werden (näher Rdn 247). Im Falle einer Kapitalveränderung sind dann die gleichen Besonderheiten zu beachten (näher Rdn 247).

266

dd) Zwecksetzung und sonstige Vorgaben. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, die Hauptversammlung sei verpflichtet, in ihrem Beschluss den Zweck der Ermächtigung anzugeben. 668 Nach der zutreffenden ganz überwiegenden Ansicht besteht eine solche Pflicht nicht. Die Hauptversammlung ist lediglich berechtigt, Zweckvorgaben zu beschließen. 669 Im Referentenentwurf des KonTraG war ursprünglich vorgesehen, dass der Beschluss der Hauptversammlung „den Zweck festlegt und weitere Einzelheiten bestim-

664

665 666 667 668

Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 6; Kindl DStR 1999, 1276, 1278; Kraft!Altvater N Z G 1998, 448, 450; MünchKomm/ Oechsler 182. Bosse W M 2 0 0 0 , 806, 807 f. BT-Drucks 13/9712, S 13. MünchKomm/Oec/is/er 181. Saria N Z G 2 0 0 0 , 458, 462; MünchHdbAG/ Wiesner § 15 Rdn 16; so wohl auch Bosse N Z G 2 0 0 0 , 923, 924; für eine solche Verpflichtung de lege ferenda: Claussen AG

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1996, 481, 491; Martens AG 1996, 337, 343; Seibert W M 1997, 1, 9. LG Berlin, AG 2 0 0 0 , 328, 329 = N Z G 2 0 0 0 , 944, 9 4 5 = NJW-RR 2 0 0 0 , 1349; Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 5; Hüffer 19f; Kessler/Suchan BB 2 0 0 0 , 2529, 2531; Kiem ZIP 2 0 0 0 , 209, 211; Kindl DStR 1999, 1276, 1278; MünchKomm/Oechsler 169 und 253; Westermann FS Peltzer 2001, 613, 624.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

men s o l l . " 6 7 0 Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens n a h m m a n davon wieder A b s t a n d . Die Vorschrift verlangt nicht die A n g a b e eines Erwerbszwecks, sondern schließt lediglich gem § 71 Abs 1 N r 8 S 2 den Handel in eigenen Aktien als Z w e c k aus (näher R d n 2 7 3 ff; zu den möglichen Zwecksetzungen siehe R d n 3 0 1 f f ) . 6 7 1 D e m entspricht auch die Gesetzesbegründung: „ D e r E n t w u r f legt keinen K a t a l o g zulässiger Z w e c k e fest, sondern erklärt lediglich den Z w e c k des Handels in eigenen Aktien für u n z u l ä s s i g . " 6 7 2 Die Z w e c k bestimmung ist daher grundsätzlich Aufgabe der Geschäftsführung und obliegt dem Vorstand (§ 7 6 Abs l ) . 6 7 3 Z w a r bedarf der Ermächtigungsbeschluss demnach keiner Z w e c k a n g a b e . E r ist jedoch rechtswidrig und mithin anfechtbar (§ 2 4 3 ) , wenn die Ermächtigung keinem denkbaren zulässigen Z w e c k dienen k a n n und damit willkürlich i s t . 6 7 4 Sofern daher im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch kein Z w e c k ersichtlich ist, muss der Beschluss unterbleiben. Eine Prüfung, o b der verfolgte Z w e c k betriebswirtschaftlich vertretbar ist und dem Interesse des Unternehmens dient, ist jedoch nicht anzustellen. 6 7 5 M i t A u s n a h m e des von § 71 A b s 1 N r 8 S 2 für unzulässig erklärten Z w e c k s des Handels in eigenen Aktien sind grundsätzlich alle legalen Z w e c k e zulässig. Eine A u s n a h m e von dem Grundsatz der Entbehrlichkeit einer Z w e c k a n g a b e enthält § 71 Abs 1 N r 8 S 5 2 . H S , w o n a c h § 1 9 3 Abs 2 N r 4 in diesem Fall entsprechend anzuwenden ist: Soll ein A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m durchgeführt werden, so müssen bereits im Ermächtigungsbeschluss die Aufteilung der Bezugsrechte auf Mitglieder der Geschäftsführung und Arbeitnehmer, Erfolgsziele, Erwerbs- und Ausübungszeiträume und Wartezeit für die erstmalige Ausübung (mindestens zwei J a h r e ) festgelegt werden (näher R d n 3 0 2 f f ) . 6 7 6 Ferner k ö n n e n andere Vorschriften der Hauptversammlung auferlegen, den Z w e c k der Ermächtigung anzugeben. Im Falle einer drohenden feindlichen Übern a h m e findet beispielsweise § 3 3 Abs 2 S 1 W p Ü G Anwendung, w o n a c h die Hauptversammlung den Vorstand zur V o r n a h m e von Handlungen ermächtigen kann, um den Erfolg von Ü b e r n a h m e a n g e b o t e n zu verhindern, und diese Handlungen in der E r m ä c h t i gung der Art nach zu bestimmen hat. Dieser Beschluss bedarf zudem einer 3 / 4 -Mehrheit (§ 3 3 Abs 2 S 3 W p Ü G ) . U m diesen Besonderheiten R e c h n u n g zu tragen, muss der Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 N r 8 den Z w e c k , eine feindliche Ü b e r n a h m e abzuwehren, benennen (näher R d n 138 und R d n 3 1 0 ) .

267

Die Hauptversammlung ist berechtigt, Z w e c k v o r g a b e n und Bedingungen jeglicher Art in den Ermächtigungsbeschluss a u f z u n e h m e n 6 7 7 , denn sie k ö n n t e den Ermächtigungsbeschluss auch gänzlich unterlassen. Auch in anderen Fällen einer Ermächtigung durch die Hauptversammlung wird sie als befugt angesehen, die Ermächtigung näher auszugestalten (vgl die Ermächtigung, das Grundkapital bis zu einem bestimmten N e n n betrag zu erhöhen, § 2 0 2 A k t G , und den Beschluss der Hauptversammlung, Schuldverschreibungen auszugeben, § 2 2 2 A k t G ) . 6 7 8 Das R e c h t der Hauptversammlung, die Ermächtigung gem § 71 Abs 1 N r 8 auf gewisse Z w e c k e zu beschränken und an Bedingungen zu knüpfen, beinhaltet jedoch nicht ein Weisungsrecht hinsichtlich des „ O b " des R ü c k e r w e r b s , dh es k a n n keine Verpflichtung des Vorstands zum R ü c k k a u f von Aktien

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670 671 672 673

674

ZIP 1996, 2129, 2130. Hüffer 19g. BT-Drucks 13/9712, S 13 re Sp. BT-Drucks 13/9712, S 13 re Sp; Hüffer 19f; MiinchKomm/Oecfo/er 184. OLG München, AG 2003, 163; MünchKomm/Oechsler 172; anders Hüffer 19f.

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Anders Saria NZG 2000, 458, 463. MünchKomm/Oecfo/er 183. Hüffer 19f; UnnchKommJOecbsler 184. Hüffer 19f, § 202 Rdn 16, § 221 Rdn 13.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

begründet werden. 6 7 9 Es besteht folgende Kompetenzverteilung: Nur die Hauptversammlung kann dem Vorstand die Möglichkeit eröffnen, Aktien zu anderen Zwecken als denen des § 71 Abs 1 Nr 1 - 6 zurückzuerwerben. Wird eine solche Ermächtigung erteilt, so hängt es ausschließlich vom unternehmerischen Ermessen des Vorstands ab, ob er von dieser Ermächtigung Gebrauch machen möchte. Aus dem Wortlaut des § 71 Abs 1 Nr 8 (Ermächtigung) ergibt sich, dass der Gesetzgeber diese Entscheidung als eine Geschäftsführungsaufgabe iSv § 76 ansieht. Es können also nur Vorgaben hinsichtlich des „Wie" des Rückerwerbs von der Hauptversammlung aufgestellt werden. So kann beispielsweise als Zweck des Erwerbs die spätere Einziehung (zur Einziehungsermächtigung Rdn 296) oder die Bedienung eines Aktienoptionsprogramms vorgegeben werden (zu weiteren Zweckvorgaben Rdn 301 ff). 6 8 0 Ist in dem Ermächtigungsbeschluss vorgesehen, dass der Erwerb ausschließlich zu einem bestimmten Zweck erfolgen darf und stellt sich nach dem Erwerb heraus, dass der Vorstand die Aktien zu diesem Zweck nicht mehr verwenden kann oder will, so gelten die gleichen Grundsätze wie beim Erwerb von Aktien gem § 71 Abs 1 Nr 2, welche nicht an die Belegschaft ausgeben werden (näher Rdn 194): Der Erwerb wird zwar nicht nachträglich unzulässig. Aber der Vorstand ist analog § 71c verpflichtet, die Aktien an alle Aktionäre gleichermaßen zurückzuveräußern. Will die Hauptversammlung diese Rechtsfolge vermeiden, muss sie den Vorstand entweder ohne Zweckvorgabe ermächtigen oder den Zweck nur beispielhaft erwähnen (zB mit der Formulierung „insbesondere"). 269

Außerdem kann der Beschluss neben dem Zweck auch weitere Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien und ihrer späteren Verwendung bestimmen: Die Hauptversammlung kann festlegen, welches der Rückerwerbsverfahren angewendet werden soll (näher zu diesen Verfahren Rdn 2 9 ff). Zur Vermeidung von Insidergeschäften des Vorstands kann die Hauptversammlung in ihrem Beschluss vorgeben, eigene Aktien nur in bestimmten Zeiträumen zu erwerben und zu veräußern - zB binnen drei Wochen nach der Vorlage eines Zwischenberichts oder einer Bilanzpressekonferenz - , damit auch die übrigen Marktteilnehmer aktuelle Unternehmensdaten kennen. 6 8 1 Es kann ferner bestimmt werden, wie lange die Aktien gehalten werden sollen bzw dürfen. 6 8 2 Ferner kann die Hauptversammlung einer Gesellschaft, die Stamm- und Vorzugsaktien ausgegeben hat, die Ermächtigung zum Rückkauf auf eine der zwei Gattungen beschränken. 6 8 3 Sodann die Hauptversammlung auch die Wahl des Veräußerungsverfahrens und der einzelnen Modalitäten der Veräußerung im Beschluss regeln. Insbesondere kann sie die Veräußerung auch unter einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates oder der Hauptversammlung stellen. 6 8 4 Dafür sprechen sowohl § 2 7 2 Abs 1 S 5 H G B als auch die Gesetzesbegründung, derzufolge „das Verfahren zur Rückführung der Aktien" und auch ein weiterer Hauptversammlungsbeschluss als Voraussetzung für die Rückgabe an den Markt vorgesehen werden können (näher zum Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung Rdn 8 3 ) . 6 8 5 Dabei ist die Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 3 an das Gleichbehandlungsgebot des § 53a gebunden. Soll die Veräußerung nicht über die Börse erfolgen (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 4) und sollen einzelne Aktionäre benachteiligt werden, so

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680 681

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So im Ergebnis auch MünchKomm/Oechsler 185; Peltzer W M 1998, 322, 328. BT-Drucks 13/9712, S 13. BT-Drucks 13/9712, S 14 re Sp; MünchKommI Oechsler 186. BT-Drucks 13/9712, S 13; MünchKomm/ Oechsler 185.

683 684

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Hüffer 19e. Anders MünchKomm/Oechsler 187, nach dessen Ansicht der Gesetzgeber die Wahl des Veräußerungsverfahrens in den Grenzen von § 71 Abs 1 Nr 8 S 3 und 4 dem Vorstand überlassen hat. BT-Drucks 13/9712, S 13.

Stand: 1.11.2007

(144)

Erwerb eigener Aktien

§71

muss deren Bezugsrecht im Ermächtigungsbeschluss ausgeschlossen werden (näher R d n 8 4 ) . Sofern der Vorstand beispielsweise aufgrund des im Beschluss festgehaltenen Erwerbsverfahrens den E r w e r b für nicht zweckmäßig hält, muss er ihn unterlassen und bei der nächsten Hauptversammlung Beschluss gefasst wird.

darauf

hinwirken,

dass

ein

anderslautender

Führt der Vorstand einen E r w e r b eigener Aktien unter Verstoß gegen etwaige Vorgaben der Hauptversammlung durch, so ist der Erwerb nicht vom Ermächtigungsbeschluss gedeckt und folglich unzulässig. 6 8 6 Ausnahmsweise ist der Erwerb eigener Aktien zulässig, o b w o h l in dem zugrunde liegenden Ermächtigungsbeschluss vorgesehen ist, dass der Vorstand die Z u s t i m m u n g des Aufsichtsrates einholen muss und er gegen diese V o r g a b e v e r s t ö ß t . 6 8 7 D a f ü r spricht, dass auch § 111 A b s 4 S 2 , w o n a c h die Satzung oder der Aufsichtsrat bestimmen k ö n n e n , dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Z u s t i m m u n g vorgenommen werden dürfen, keine Außenwirkung zuerkannt wird, sondern ein eigenmächtig handelnder Vorstand die Gesellschaft gem § § 7 8 , 8 2 berechtigt und verpflichtet. 6 8 8 Wenn die Hauptversammlung ihre Ermächtigung an die Zustimmung des Aufsichtsrates knüpft, sind diese Grundsätze entsprechend anzuwenden. D a s Fehlverhalten des Vorstands hat nur Auswirkungen im Innenverhältnis. E r begeht eine Pflichtverletzung und kann sich Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sehen (§ 9 3 ) . 6 8 9

270

ee) Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit des Beschlusses. Verstößt der Beschluss gegen die gesetzlichen Vorgaben, fehlt zB die Befristung oder wird diese Höchstfrist überschritten (näher R d n 2 6 2 ) oder fehlt die A n g a b e des niedrigsten und höchsten Gegenwertes (näher R d n 2 6 3 ) oder handelt es sich um eine gem § 7 1 A b s 1 N r 8 S 2 unzulässige Zwecksetzung (näher R d n 2 6 6 ) , dann ist der Beschluss gem § 2 4 1 N r 3 nichtig (näher R d n 2 5 1 ) . 6 9 0 Nichtig ist ferner nach zutreffender Ansicht ein Ermächtigungsbeschluss, der gegen die Anforderungen des § 71 Abs 2 verstößt, da diese Regelungen ebenfalls vorwiegend der Kapitalerhaltung und damit dem Gläubigerschutz dienen (§ 2 4 1 N r 3 ; n ä h e r R d n 3 3 9 ) . Werden Aktien aufgrund eines solchen nichtigen Beschlusses e r w o r b e n , so ist dieser E r w e r b unzulässig. Demgegenüber führt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ( § § 5 3 a , 7 1 Abs 1 N r 8 S 3 ) nur zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses. W i r d der rechtswidrige Beschluss nicht angefochten, so ist er auszuführen und der auf ihm beruhende E r w e r b als rechtmäßig anzusehen (näher R d n 9 0 ) .

271

ff) Ausübung der Ermächtigung durch den Vorstand. D e r Vorstand k a n n von der Ermächtigung seitens der Hauptversammlung G e b r a u c h m a c h e n , indem er einen entsprechenden Beschluss fasst (näher zur Zuständigkeit R d n 4 1 ) . Die Hauptversammlung k a n n nicht hinsichtlich des O b , sondern nur hinsichtlich des W i e der Ausübung Vorgaben in den Ermächtigungsbeschluss aufnehmen. Sie kann insbesondere die Veräußerung unter einen Zustimmungsvorbehalt stellen (näher R d n 2 6 8 ) . Von der Erwerbsermächtigung muss der Vorstand nicht auf einmal G e b r a u c h m a c h e n . Er kann die Ermächtigung auch „in R a t e n " nutzen, bis das genehmigte Erwerbsvolumen ausgeschöpft i s t . 6 9 1 Eine a d - h o c Mitteilung ist gem § 15 A b s 1 W p H G vor D u r c h f ü h r u n g des Erwerbs oder der Veräußerung abzugeben, wobei weder der Beschluss n o c h diese Mitteilung eine Selbstbindung des Vorstands nach sich ziehen (näher R d n 4 3 ff).

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Hüffer 19f; MünchKomm/Oechsler 184. Van Aerssen W M 2000, 391, 394 Ii Sp; Hüffer 19f; MünchKomm/Oecfcs/er 184. Hüffer § 111 Rdn 19.

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Hüffer 19f. Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 4; MünchKomm/Oechsler 174 f, 180. Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 7.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

d) Ausschluss des Handels in eigenen Aktien (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 2) 273

aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Nach dieser Vorschrift darf ein Ermächtigungsbeschluss nicht zum Zwecke des Handels in eigenen Aktien gefasst werden. Die Regelung war im Referentenentwurf des KonTraG von 1996 noch nicht enthalten. 692 Dass der Gesetzgeber die Regelung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 in das Gesetz aufgenommen hat, kann auf die in der Literatur an dem Referentenentwurf geäußerte Kritik von Lutter693 und Huber694 zurückgeführt werden. 695 Lutter hatte eine Formulierung zur Ergänzung des Referentenentwurfs vorgeschlagen, 696 welche mit der heutigen Fassung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 identisch ist. Die Regelung sollte nach Ansicht des Gesetzgebers verhindern, dass der Erwerb eigener Aktien der kontinuierlichen Kurspflege oder dem Handel in eigenen Aktien dient. 697 Ein fortlaufender Kauf und Verkauf eigener Aktien und der Versuch, TradingGewinne zu machen, scheiden damit als Zweck des Erwerbs eigener Aktien aus. 6 9 8 Bei einem Handel in eigenen Aktien besteht insbesondere die Gefahr erheblicher Spekulationsverluste 699 und des Insiderhandels. 700 Dieser Spekulationsgefahr begegnen neben § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 auch die Zehn-Prozent-Schranke und die Kapitalgrenze (§ 71 Abs 1 S 1 und S 2). 701 Zwar haben die Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise gezeigt, dass eine Kurspflege durch die Vorstände der Unternehmen mit Risiken behaftet ist und insbesondere die Gefahr droht, dass die Gesellschaft sich gezwungen sieht, bei fallenden Kursen weitere Aktien zurückzukaufen (näher Rdn 105). 702 Zudem kann eine vom Vorstand betriebene Kurspflege die Kontrolle der Unternehmensleitung durch den Markt und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes gefährden. Nicht übersehen weden darf allerdings, dass es auch andere Vorschriften und Mechanismen gibt, die wirkungsvoll vor kapitalmarktrechtlich unerwünschten Kursmanipulationen schützen (näher dazu Rdn 278).

274

bb) Abgrenzungsfunktion. Zwar äußert sich die Gesetzesbegründung nicht zu der Frage, ob § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 den Zweck verfolgt, die Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 Nr 7 und N r 8 aufeinander abzustimmen. Ein solcher Abstimmungsbedarf besteht, weil beide Regelungen eine Ermächtigung der Hauptversammlung voraussetzen. Die Begriffe des „Wertpapierhandels" (§ 71 Abs 1 Nr 7 S 1) und des „Handels" (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 2) sind aus systematischen Gründen einheitlich auszulegen. 703 Nach § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 darf die Ermächtigung nicht zum Zwecke des Wertpapierhandels erfolgen. Will die Gesellschaft Aktien zu diesem Zweck erwerben, müssen die besonderen Anforderungen des § 71 Abs 1 Nr 7 erfüllt sein. Bei der Gesellschaft muss es sich zB um ein Kreditinstitut, ein Finanzdienstleistungsinstitut oder ein Finanzunternehmen handeln. Daher bringt die Regelung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 zum Ausdruck, dass 71 Abs 1 Nr 7 als lex specialis gegenüber § 71 Abs 1 N r 8 anzusehen ist. 704 Sie dient also in der Tat der Abgrenzung zwischen den beiden Ausnahmetatbeständen (Abgrenzungsfunktion; zum Verhältnis von § 71 Abs 1 N r 7 und Nr 8 siehe auch Rdn 25 8). 7 0 5

692 693 694 695

696 697 698

ZIP 1996, 2129, 2130. AG August-Sonderheft 1997, 52, 56. Huber FS Kropff, 1997, S 101, 120 ff. Bosse W M 2 0 0 0 , 806; Claussen DB 1998, 177, 180; Hüffer 19i; so mit Einschränkungen auch MüncbKomm! Oechsler 189. AG August-Sonderheft 1997, 52, 56 re Sp. BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp. BT-Drucks 13/9712, S 14 re Sp.

699 700

701 702

703 704 705

Lutter AG August-Sonderheft 1997, 52, 56. Lutter AG August-Sonderheft 1997, 52, 56; MünchKomm/Oecfo/er 189. MünchKommlOechsler 194. Huber FS Kropff, 1997, S 101, 121; Hüffer 19i; MünchKomm/Oechsler 189. MünchKommlOechsler 193. MünchKomm/Oechsler 168. MünchKomm/Oechsler 193.

Stand: 1.11.2007

(146)

Erwerb eigener Aktien

§71

cc) Handel in eigenen Aktien. Der Begriff des Handels ist somit in § 71 Abs 1 N r 7 und N r 8 einheitlich auszulegen. Der Begriff unterscheidet sich von dem Begriff des H a n delsgeschäfts iSv § 3 4 3 H G B : J e d e r An- und Verkauf der eigenen Aktien ist ein Handelsgeschäft im Sinne des H G B ; § 71 Abs 1 N r 8 S 2 will jedoch nicht jeden An- und Verkauf eigener Aktien v e r h i n d e r n . 7 0 6 Die Formulierung ist daher von der Literatur als zu unbestimmt kritisiert w o r d e n . 7 0 7 U m einen verbotenen Handel in eigenen Aktien handelt es sich, wenn mit dem E r w e r b und einer späteren Veräußerung der Aktien überwiegend eine Gewinnerzielung bezweckt w i r d . 7 0 8 D h , es kann noch nicht allein deshalb von einem Handel in eigenen Aktien gesprochen werden, weil mit dem E r w e r b auch ein Kursgewinn oder eine Kurssteigerung beabsichtigt ist. Die allgemeine Sorgfaltspflicht des Vorstands ( § 9 3 ) gebietet es sogar, dass der E r w e r b und die spätere Veräußerung der Aktien eher mit einem Gewinn als mit einem Verlust verbunden sind. Im Falle eines Motivbündels ist der Erwerb nur dann als „Handel in eigenen Aktien" einzustufen, wenn die Gewinnerzielung als der bestimmende, vorherrschende Beweggrund für den Erwerb anzusehen ist (zum Motivbündel siehe auch R d n 1 9 3 ) . 7 0 9 Sofern im Zeitpunkt des Erwerbs ein anderer Z w e c k vorherrschte, dieser jedoch inzwischen nicht mehr verfolgt werden soll und die Aktien nun nur zum Z w e c k e der Realisierung des Buchgewinnes verkauft werden, bleibt der Erwerb zulässig. 7 1 0 Denn für die Zulässigkeit ist ausschließlich der Zeitpunkt des Erwerbs maßgeblich (näher R d n 1 9 4 ) . Daraus folgt zugleich, dass die H ö h e eines Veräußerungsgewinns grundsätzlich nicht als Indiz für eine im Zeitpunkt des Erwerbs bestehende Gewinnerzielungsabsicht sprechen k a n n . 7 1 1

275

D a nach § 71 Abs 1 N r 8 keine Verpflichtung besteht, den Z w e c k im Ermächtigungsbeschluss anzugeben (näher R d n 2 6 6 ) , kann die Zwecksetzung als subjektive Tatsache nicht ohne weiteres festgestellt und bewiesen werden. Kauft und verkauft die Gesellschaft fortlaufend eigene Aktien, kann dies im R a h m e n der Beweiswürdigung (§ 2 8 6 Z P O ) dafür sprechen, dass die Gewinnerzielung der vorherrschende Z w e c k des Erwerbs i s t . 7 1 2 Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung, derzufolge ein fortlaufender Kauf und Verkauf eigener Aktien nicht von der Bestimmung gedeckt ist. 7 1 3 Findet der Verkauf eigener Aktien nur wenige Tage nach dem K a u f statt oder werden kurze Z e i t nach einem Verkauf erneut eigene Aktien gekauft, so wird typischerweise eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. D e m n a c h kann der Beweis des ersten Anscheins für eine entsprechende Zwecksetzung sprechen. Z u beachten ist jedoch, dass diese Bemerkungen nur die Beweiswürdigung betreffen. Es ist nicht - wie teilweise vertreten wird - 7 1 4 Voraussetzung für den Begriff des „ H a n d e l s " , dass der An- und Verkauf zwecks Gewinnerzielung dauernd vonstatten geht, sondern es genügt, dass nur ein einziger E r w e r b eigener Aktien diesem Z w e c k e dient.

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dd) Kein Verbot der Kurspflege. U n k l a r ist, inwieweit der Wille des Gesetzgebers, dass „der Eigentumserwerb [ . . . ] nicht der kontinuierlichen Kurspflege d i e n e n " d ü r f e , 7 1 5 im Gesetz seinen Niederschlag gefunden hat. Verschiedentlich meint m a n , der Gesetzes-

277

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Kraft!Altvater NZG 1998, 448, 450; Martens AG August-Sonderheft 1997, 83, 86. Martens AG August-Sonderheft 1997, 83, 86. Geber/zur Megede BB 2005, 1861, 1862 lmwN; Hüffer 19i; Singhof/Weber AG 2005, 549, 554. Ähnlich Hüffer 19i, wonach der Erwerb „nicht von vornherein auf Gewinnerzielung [...] angelegt sein" darf.

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Hüffer 19i. Kritisch dazu auch bereits Wiese DB 1998, 609. Hüffer 19i. BT-Drucks 13/9712, S 13 re Sp. Vgl dazu MünchKommJOechsler 191. BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp (eigene Hervorhebung).

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Wortlaut des § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 verbiete jegliche Kurspflege. 7 1 6 Nach anderer Ansicht soll die Kurspflege erst dann gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 verboten sein, wenn der Preismechanismus auf dem Markt durch die Aktivitäten des Vorstands in seiner Funktionsfähigkeit erheblich gestört w i r d 7 1 7 und es sich zugleich um eine kontinuierliche Kurspflege handelt. 7 1 8 Diese Auffassungen sind abzulehnen. Die Bestimmung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 steht auch einer dauerhaften Kurspflege nur dann entgegen, wenn sie überwiegend der Gewinnerzielung durch die Gesellschaft dient. Von der Literatur wird zu recht darauf hingewiesen, dass die Einwirkung auf den Börsenkurs und seine Stabilisierung gerade legitime ökonomische Zwecke des Erwerbs eigener Aktien darstellen und in gewissem Umfang zulässig sein müssen. 7 1 9 Der Begriff des Handels iSv § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 (zur Definition Rdn 2 7 5 ) kann daher nicht in einem weiteren Sinne dahingehend verstanden werden, dass sowohl der Zweck der Gewinnerzielung als auch die kontinuierliche Kurspflege umfasst werden. Denn dem Begriff des Handels wohnt eine gewisse Gewinnorientierung inne, so dass die bloße Kursmanipulation nicht unter § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 subsumiert werden kann. Dass die Begriffe des Handels und der Kurspflege sich gegenseitig ausschließen, hat offenbar auch die Gesetzesbegründung so gesehen: „Der Eigenerwerb eigener Aktien darf nicht der kontinuierlichen Kurspflege und dem Handel in eigene Aktien d i e n e n " . 7 2 0 Nur der erste Ausschlussgrund wurde ins Gesetz aufgenommen. Demnach steht § 71 Abs 1 Nr 8 S 2 einer Kurspflege durch die Gesellschaft grundsätzlich nicht entgegen. Eine Kurspflege ist nur dann ausnahmsweise unzulässig, wenn ihr das vorherrschende Motiv zugrunde liegt, durch den späteren Verkauf bereits erworbener Aktien entsprechende Gewinne zu erzielen. Denn dann handelt es sich aufgrund der Gewinnerzielung um einen Handel in eigene Aktien iSv § 71 Abs 1 Nr 8 S 2. Die Unzulässigkeit ist nicht anzunehmen, wenn die Gesellschaft den Rückkauf zum Zwecke einer kurzfristigen Kurskorrektur durchführt, weil sie ihre Aktien für unterbewertet hält, selbst wenn sie acht Monate später, nachdem sich der Kurs stabilisiert hat, einen erheblichen Veräußerungsgewinn erzielt. 7 2 1 Denn vorherrschendes Motiv für den Erwerb war dann nicht die Gewinnerzielung. 278

Einer kontinuierlichen Kurspflege entgegenzuwirken, ist auch de lege ferenda nicht erforderlich. Zwar kann dadurch die Kontrolle der Unternehmensleitung durch den Markt und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes gefährdet werden, und es können Anleger zum Kauf der Aktie verleitet werden. Diesen Risiken wird jedoch durch andere Vorschriften ausreichend entgegengewirkt. 7 2 2 Dem Insiderhandel und der Marktmanipulation wirken die Verordnung 2 2 7 3 / 2 0 0 3 / E G iVm § § 1 4 Abs 2, 2 0 a Abs 2 W p H G entgegen (näher Rdn 49). Dem kapitalmarktrechtlichen Ziel, dass Übernahmen nicht durch Handlungen des Vorstands behindert werden, dient § 33 W p Ü G (zum Verhältnis von W p Ü G und § 71 näher Rdn 138). Außerdem ist der geplante Erwerb eigener Aktien im Wege einer Ad-hoc Mitteilung gem § 15 Abs 1 W p H G zu veröffentlichen, wenn der Rück-

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So Lutter AG August-Sonderheft 1997, 52, 56. MünchKommJOechsler 196 aE und Rdn 262. Benckendorff S 225. Claussen DB 1998, 177, 180; Escher-Weingart Reform durch Deregulierung, S 279, Kübler AG August-Sonderheft 1997, S 51; Kraft!Altvater NZG 1998, 448, 450 re Sp; MünchKomm/Oecfcs/er 192.

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BT-Drucks 13/9712, S 13 Ii Sp (eigene Hervorhebung). Anders Hüffer 19i, nach dessen Ansicht in dem von Wiese DB 1998, 609, gebildeten Fall 1 der Erwerb nicht erfolgen darf. Näher zu den Grenzen, denen Kurspflegemaßnahmen unterliegen, Schäfer WM 1999, 1345, 1347 ff.

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Erwerb eigener Aktien

§71

kauf geeignet ist, den Börsenpreis erheblich zu beeinflussen (näher Rdn 4 3 ff). Mit diesen Mitteln wird eine mögliche Täuschung der Kapitalmarktteilnehmer verhindert. Die Einhaltung der Ad-hoc-Publizitätspflicht wird von der BaFin überprüft. Diese Aufgabe wird insbesondere durch die Unterrichtungspflicht des § 71 Abs 3 S 3 erleichtert (näher Rdn 355). Ferner wird einer Kursmanipulation in gewisser Hinsicht auch durch § 71 Abs 3 S 1 vorgebeugt, wonach der Vorstand die nächste Hauptversammlung über die Gründe und den Zweck des Erwerbs zu unterrichten hat. 7 2 3 Schließlich sind einer kontinuierlichen Kurspflege auch durch die Zehn-Prozent-Schranke des § 71 Abs 2 S 1 Grenzen gesetzt. Unterlässt die Aktiengesellschaft eine gem § 15 Abs 1 WpHG erforderliche Mitteilung, so haftet sie als Emittentin unter den Voraussetzungen der §§ 37b, 37c iVm § 15 Abs 6 S 1 WpHG auf Schadensersatz. 724 Demgegenüber haften die Leitungsorgane grundsätzlich nicht. Denn § 15 Abs 6 S 1 WpHG schließt nach wie vor aus, dass § 15 Abs 1 WpHG Schutzgesetzcharakter iSv § 823 Abs 2 BGB zukommt. 7 2 5 Gemäß § 15 Abs 6 S 2 WpHG können Schadensersatzansprüche gegen Organmitglieder aber auf andere Anspruchsgrundlagen gestützt werden, etwa auf § 823 Abs 2 BGB iVm §§ 263, 264a StGB und § 826 B G B . 7 2 6 Gem § 826 haften die Vorstandsmitglieder gegenüber den Anlegern auf Schadensersatz, wenn sie ihnen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügen. Dies kann der Fall sein, wenn sie den Kurs bewusst manipulieren, um nichtsahnende Anleger zum Kauf von Aktien zu bewegen. In der Literatur wird vorgeschlagen, bei der Konkretisierung des Begriffs der Sittenwidrigkeit iSv § 826 BGB im Wege des Rechtsvergleichs auf die rule 10b-18 der Securities Exchange Commission 7 2 7 zurückzugreifen. 728 e) Gleichbehandlungsgebot (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 3). Beim Erwerb und bei der Veräußerung eigener Aktien sind die Aktionäre gem § 53a unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Das Gleichbehandlungsgebot fand bereits vor Schaffung des § 71 Abs 1 Nr 8 Anwendung und gilt gleichermaßen für alle Erwerbstatbestände des § 71 Abs 1. Die Regelung hat daher nur klarstellenden Charakter (näher zum Gleichbehandlungsgebot siehe oben Rdn 68 ff und Rdn 81 ff). 7 2 9

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f) Erwerb und Veräußerung über die Börse (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 4) aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Die Regelung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 4 geht ebenfalls auf das KonTraG von 1998 zurück. Der Erwerb und die Veräußerung über die Börse genügen regelmäßig dem Gleichbehandlungsgebot des § 53a, da die Anonymität und Neutralität des Börsenhandels sicherstellen, dass kein Aktionär begünstigt oder benachteiligt wird. 730 Alle Aktionäre haben die gleichen Chancen, Aktien an der Börse zu kaufen oder zu verkaufen. Nach Ansicht des Gesetzgebers stellen bei börsennotierten

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Kraft!Altvater N Z G 1998, 448, 450; MünchKomm/ Oechsler 192. Körner NJW 2 0 0 4 , 3386, 3387 f; Nietsch BB 2 0 0 5 , 785 ff. Ekkenga ZIP 2 0 0 4 , 781, 791; Körner NJW 2 0 0 4 , 3386, 3 3 8 7 lmwN; Assmann/ Schneider/Kumpel § 15 WpHG Rdn 268; Lenenbach EWiR § 826 BGB 3 / 0 4 , 961, 962; vgl dazu auch Kümpel Wertpapierhandelsgesetz, S 32. Schäfer-Geibel, § 15 WpHG Rdn 155;

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Assmann/Schneider/Kiimpel § 15 WpHG Rdn 2 6 9 f; ders In: Kümpel/Hammen/ Ekkenga: Kapitalmarktrecht, Kz 050, S 18. 1 7 Code of Federal Regulations § 240.10b 18(b). Benckendorff S 169 ff; MünchKomm/ Oechsler 196. BT-Drucks 13/9712, S 13 re Sp; Vetter AG 2 0 0 3 , 478, 479. Martens AG 1996, 337, 339; MünchKomm/ Oechsler 213.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Gesellschaften „Erwerb und Veräußerung über die Börse die Methode der Wahl zur Wahrung der Gleichbehandlung" dar. 7 3 1 Die Regelung bezweckt einerseits, das Gleichbehandlungsgebot mit dem beispielhaft genannten Erwerb über die Börse näher zu konkretisieren. Eine Gleichbehandlung kann aber auch auf anderem Wege sichergestellt werden, dh die Norm ist nur beispielhaft und nicht von abschließender Natur. 7 3 2 Andererseits will die Norm den Erwerb und die Veräußerung über die Börse inhaltlich unangreifbar machen. 7 3 3 Letzteres ist deshalb von Bedeutung, weil es auch bei einem Kauf und Verkauf über die Börse nicht auszuschließen ist, dass die Gesellschaft Aktien von ihren Aktionären je nach Börsenkurs zu unterschiedlichen Preisen kauft oder an sie verk a u f t . 7 3 4 Die Aktionäre tragen jedoch das gleiche Risiko, den besten Zeitpunkt für Kauf oder Verkauf zu wählen, nachdem ihnen gem § 15 W p H G die bevorstehenden Rückkäufe oder Veräußerungen seitens der Gesellschaft mitgeteilt wurden (näher zur Ad-hoc-Publizität Rdn 43). Daher definiert § 71 Abs 1 Nr 8 S 4 diese Erwerbs- und Veräußerungsmethode zu recht als Gleichbehandlung iSv § 5 3 a . 281

Vereinzelt wurde vor der Schaffung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 4 vorgeschlagen, den Erwerb eigener Aktien nur über die Börse zuzulassen. 7 3 5 Auf diese Weise könne von vornherein jeglichem Verdacht eines missbräuchlichen oder auch nur unangemessenen Erwerbs vorgebeugt werden. Da jedoch eine Gleichbehandlung der Aktionäre auch bei anderen Rückkaufsmethoden sichergestellt werden kann, ist ein vollständiger Ausschluss nicht börsen-notierter Gesellschaften nicht gerechtfertigt. 736 An § 71 Abs 1 Nr 8 S 4 wird ferner kritisiert, dass eine Gleichbehandlung der Aktionäre besser gewährleistet würde, wenn der Erwerb eigener Aktien nie über die Börse vonstatten ginge, sondern den Aktionären immer ein Wahlrecht eingeräumt würde, sich entweder sich an der Rückkaufsaktion zu beteiligen oder ihr Andienungsrecht an andere Aktionäre zu verkaufen (näher zum Andienungsrecht Rdn 69 f f ) . 7 3 7 Indessen ist ein Erwerb über die Börse nicht nur hinsichtlich des Gleichbehandlungsgebotes, sondern darüber hinaus auch im Hinblick auf § 5 7 Abs 1 unbedenklich, weil der Börsenpreis grundsätzlich einen marktüblichen Preis darstellt (näher Rdn 58).

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bb) Börse. Mit dem Begriff der Börse iSv § 71 Abs 1 Nr 8 S 4 knüpft der Gesetzgeber an den Börsenbegriff des BörsG an: „Mit Erwerb und Veräußerung über die Börse (vgl auch § 10 Abs 1 S 1 BörsG [nun § 2 2 Abs 1 S 1 BörsG] ist der Handel in allen Marktsegmenten im In- und Ausland erfasst, der zu einem Börsenpreis führt. Ein Platzgeschäft genügt dem n i c h t . " 7 3 8 Das Börsengesetz enthält keine gesetzliche Definition des Börsenbegriffs, sondern setzt ihn voraus. 7 3 9 Börsen sind Einrichtungen für die regelmäßige Zusammenkunft von Kaufleuten am gleichen Ort zum Massenumsatz von Waren, Wertpapieren oder Devisen durch standardisierte Verträge. 7 4 0 Die Anwendung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 4 setzt voraus, dass die Börsenpreise gem § 2 4 Abs 1 S 1 BörsG ordnungsmäßig zustande kommen und der wirklichen Marktlage des Börsenhandels entsprechen. Es kommt beispielsweise kein Börsenpreis zustande bei Direktgeschäften im Präsenzhandel oder bei

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BT-Drucks 13/9712, S 13 re Sp. BT-Drucks 13/9712, S 13 re Sp. Hüffer 19j. Näher dazu Huber FS Kropff, 1997, S 101, 113 f. Martens AG 1996, 337, 339 f. So auch von Rosen/Helm AG 1996, 434, 439. Paefgen AG 1999, 67, 68 f.

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BT-Drucks 13/9712, S 13. Merkt DJT-Gutachten G, 2002, S 74; Baumbach/Hopt HGB, (14) Einl ζ BörsG Rdn 1; Schwark/Beck Kapitalmarktrechtskommentar, § 1 BörsG Rdn 1. Merkt DJT-Gutachten G, 2002, S 74 ff; Baumbach/Hopt HGB, (14) Einl ζ BörsG Rdn 1; Schwark/Beck Kapitalmarktrechtskommentar, § 1 BörsG Rdn 2.

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Erwerb eigener Aktien

§71

Kompensationsgeschäften unter Vermittlung des Skontroführers, weil diese Geschäfte regelmäßig nur bilateral und unter Ausschluss des Gesamtmarktes zustande kommen. 7 4 1 g) Andere Veräußerung durch Hauptversammlungsbeschluss (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 5) aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Die Regelung wurde durch das Kon- 2 8 3 TraG von 1998 geschaffen. Neben der Veräußerung sollte die Regelung de lege ferenda ebenfalls den Erwerb umfassen - so wie dies zB auch in § 71 Abs 1 N r 8 S 4 vorgesehen wurde. Denn sowohl im Falle des Erwerbs als auch im Falle der Veräußerung eigener Aktien darf vom Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) nur dann abgewichen werden, wenn im ersten Fall das Andienungsrecht und im zweiten Fall das Bezugsrecht durch Beschluss der Hauptversammlung gem § 186 Abs 3 und 4 (entsprechend) ausgeschlossen werden (näher Rdn 69 ff). Aus § 71 Abs 1 N r 8 S 5 kann also der Umkehrschluss gezogen werden, dass für den Erwerbsvorgang eine Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgeschlossen ist. 742 Außerdem hat auch der Verweis auf § 186 Abs 3 und 4 nur klarstellende Bedeutung, da diese Regelungen auch analoge Anwendung finden, wenn das Bezugsrecht für solche Aktien ausgeschlossen werden soll, die aufgrund eines anderen Ausnahmetatbestandes des § 71 Abs 1 - zB zum Zwecke der Abwehr eines Schadens (§ 71 Abs 1 Nr 1) - erworben wurden (näher Rdn 82). Demgegenüber kommt dem in § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 2. HS enthaltenen Verweis auf § 193 Abs 2 Nr 4 nur im Hinblick auf gem § 71 Abs 1 Nr 8 zu erwerbende Aktien Bedeutung zu, da es insoweit um den Sonderfall der Ausgabe der Aktien im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen geht. Mit diesem Verweis will der Gesetzgeber das Sicherheitsniveau für die beiden Beschaffungsformen des Eigenerwerbs und des bedingten Kapitals angleichen. 743 bb) Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs 3, 4). Die Regelung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 1. HS bezieht sich systematisch auf § 71 Abs 1 Nr 8 S 3 und S 4: „Eine andere Veräußerung", dh eine Veräußerung, welche nicht von den beiden vorangehenden Sätzen erfasst wird, kann von der Hauptversammlung zulässigerweise beschlossen werden. Sofern ein Beschluss unterbleibt, sind die Aktien entweder über die Börse zu veräußern (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 4) oder unter Beachtung des aufgrund des Gleichbehandlungsgrundatzes (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 3) bestehenden Bezugsrechts analog § 186 Abs 1 allen Aktionären entsprechend ihrer Beteiligungsquoten anzubieten (näher Rdn 81 ff). Es handelt sich also um eine andere Veräußerung iSd des Tatbestands, wenn die Veräußerung weder über die Börse erfolgt noch das aus § 53a abgeleitete Bezugsrecht der Aktionäre Rechnung wahrt. 7 4 4 Gemäß der Verweisung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 2. HS ist § 186 Abs 3 und 4 entsprechend anzuwenden. Danach muss der Ausschluss des Bezugsrechts aufgrund der entsprechenden Anwendung von § 186 Abs 3 S 1 in dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung enthalten sein. Dies beruht auf der Überlegung, dass Charakter und Bedeutung des Ermächtigungsbeschlusses entscheidend durch den Ausschluss des Bezugsrechts geprägt werden 7 4 5 und daher über die Ermächtigung sachgerecht nur in Kenntnis des Bezugsrechtsausschlusses entschieden werden kann. 7 4 6 Das gilt auch für die Ermächtigung, ein Aktienoptionsprogramm durchzuführen (näher Rdn 287). Außerdem bedarf

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Schwark/Beck Kapitalmarktrechtskommentar, § 2 4 BörsG Rdn 9. Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 10. BT-Drucks 13/9712, S 14. Im Ergebnis ebenso MünchKomm/Oee/js/er 217 und Weiß W M 1999, 353, 361, nach deren Ansicht lediglich eine objektive bzw

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formale Ungleichbehandlung vorauszusetzen ist. Danach spielt die sachliche Rechtfertigung bei der Definition des Begriffs „andere Veräußerung" keine Rolle. 745 vgl zur ratio legis MünchKomm/Pei/er § 186 Rdn 60. 746 MünchKomm/Oecfo/er 218.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

der Beschluss einer qualifizierten M e h r h e i t von 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 1 8 6 Abs 3 S 2 ) . Ferner muss der Bezugsrechtsausschluss als Tagesordnungspunkt gem § 1 2 4 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sein (§ 1 8 6 Abs 4 S 1), der Vorstand hat einen schriftlichen Bericht vorzulegen (§ 1 8 6 Abs 4 S 2 ) , und schließlich muss der Beschluss - wie der Ausschluss des Bezugsrechts gem § 1 8 6 - auch sachlich gerechtfertigt sein. Als mögliche sachliche Gründe nennt der Gesetzgeber den Verkauf an institutionelle Anleger, die Einführung der Aktie an Auslandsbörsen, die Veräußerung der Aktien als Gegenleistung für eine Sacheinlage sowie die Bedienung von Aktienoptionen für Geschäftsleitungsmitglieder und Führungskräfte (hinsichtlich der Aktienoptionen näher R d n 2 8 7 ) . 7 4 7 Das Bezugsrecht muss nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden. Es genügt - wie im R a h m e n von § 1 8 6 Abs 3 anerkannt - 7 4 8 ein konkludenter Ausschluss. 7 4 9 285

Entsprechende Anwendung findet ferner § 1 8 6 Abs 3 S 4 . 7 5 0 D a n a c h ist ein Ausschluss des Bezugsrechts insbesondere dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen zehn v o m Hundert des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so ist der Ausschluss des Bezugsrechts aufgrund dieser gesetzlichen Anordnung regelmäßig sachlich gerechtfertigt. 7 5 1 N a c h der Gesetzesbegründung darf diese „10-vom-Hundert-Schwelle insgesamt nur einmal ausgeschöpft" w e r d e n . 7 5 2 D e r im 1. H S enthaltenen Regelung k o m m t eine eigenständige Bedeutung zu, o b w o h l bereits gem § 71 Abs 1 N r 8 S 1 das zulässige Erwerbsvolumen höchstens 10 % des Grundkapitals betragen darf und ein höherer Anteil an Aktien demzufolge auch nicht veräußert werden kann: Verschiedentlich wird vertreten, dass die Gesellschaft von dem erleichterten Bezugsrechtsausschluss gem § 1 8 6 Abs 3 S 4 nur einmal Gebrauch machen darf, so dass eine volumenmäßige Anrechnung erfolgt, wenn die Gesellschaft vor dem Erwerb eigener Aktien bereits eine Kapitalerhöhung unter Ausnutzung der Vorschrift durchgeführt h a t . 7 5 3 Andere Stimmen halten das für zu weitgehend und befürworten eine Anrechnung in der F o r m , dass der erleichterte Bezugsrechtsausschluss des § 1 8 6 Abs 3 S 4 in dem Z e i t r a u m zwischen zwei Hauptversammlungen nur einmal ausgenutzt werden d a r f . 7 5 4 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang außerdem die Regelung des § 1 8 6 Abs 3 S 4 2 . H S : Der Ausgabebetrag unterschreitet den Börsenpreis gem § 1 8 6 Abs 3 S 4 2 . H S nicht wesentlich, wenn er um drei (Regelabschlag) bis fünf (Höchstabschlag) Prozent unter dem Börsenpreis liegt. 7 5 5

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cc) § 1 9 3 Abs 2 N r 4 . Außerdem verweist § 7 1 Abs 1 N r 8 S 5 2 . H S auf § 1 9 3 Abs 2 N r 4 . D e m n a c h müssen in einem Beschluss, der die G e w ä h r u n g von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung vorsieht (vgl § 1 9 2 Abs 2 N r 3), auch Angaben zur späteren Aufteilung der Bezugsrechte auf Mitglieder der Geschäftsführung und Arbeitnehmer, zu den Erfolgszielen, zu den Erwerbs- und Ausübungszeiträumen und zur Wartezeit für die erstmalige Ausübung (mindestens zwei J a h r e ) enthalten sein. Als möglichen Anwendungsfall für den Bezugsrechtsausschluss gem § 7 1 Abs 1

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BT-Drucks 13/9712, S 14; vgl dazu auch Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 13. Hüffer § 186 Rdn 20. Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 20. BT-Drucks 13/9712, S 14; MünchKomm/ Oechsler 218; SchlittlSchäfer AG 2005, 67, 69 f. Näher dazu MünchKomm/Pei/er § 186 Rdn 88.

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BT-Drucks 13/9712, S 14. Ihrig/Wagner NZG 2002, 657, 662; Reichert/Harbarth ZIP 2001, 1441, 1443 f. SchlittlSchäfer AG 2005, 67, 70. BT-Drucks 12/7848, S 9, 17; MünchKomm/ Peifer § 186 Rdn 87.

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Erwerb eigener Aktien

§71

N r 8 S 5 nennt die Gesetzesbegründung die Bedienung von Aktienoptionen für Geschäftsleitungsmitglieder und Führungskräfte des U n t e r n e h m e n s . 7 5 6 Die Gesellschaft erwirbt dabei eigene A k t e n , um die Optionsrechte der Organmitglieder und Arbeitnehmer zu bedienen. Indem die Angaben des § 1 9 3 A b s 2 N r 4 in den Ermächtigungsbeschluss aufg e n o m m e n werden und damit eine Aufteilung der erworbenen Aktien auf die Arbeitnehmer und die Mitglieder der Geschäftsführung beschlossen wird, wird zugleich das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen. Aktienoptionen k ö n n e n entweder im Wege des bedingten Kapitals ( § § 1 9 2 ff) oder im Wege des R ü c k e r w e r b s eigener Aktien bedient werden (näher zu A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m e n siehe R d n 3 0 2 f f ) . 7 5 7 M i t dem Verweis in § 71 Abs 1 N r 8 S 5 2 . H S auf § 1 9 3 Abs 2 N r 4 wird für diese beiden Beschaffungsformen „das Sicherheitsniveau a n g e g l i c h e n , " 7 5 8 dh es soll sichergestellt werden, dass die Regelungen über das bedingte Kapital ( § § 1 9 2 ff) nicht umgangen w e r d e n . 7 5 9 Im Grundsatz muss die Hauptversammlung im Ermächtigungsbeschluss den Z w e c k des R ü c k erwerbs nicht benennen (näher R d n 2 6 6 f). Eine A u s n a h m e bildet das Aktienoptionsp r o g r a m m , weil nach § 71 Abs 1 N r 8 S 5 2 . H S i V m § 1 9 3 Abs 2 N r 4 gewisse Details des A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m s festzulegen sind. D e r G r u n d für diese inhaltlichen Anforderungen in § 1 9 3 Abs 2 N r 4 liegt darin, das „ . . . die begünstigten O r g a n e befangen sein dürften."760 (1) Kumulative Anwendung von § 1 8 6 Abs 3 , 4 und § 1 9 3 Abs 2 N r 4 . Umstritten ist, o b im Falle eines A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m s die Regelungen des § 1 8 6 A b s 3, 4 und § 1 9 3 A b s 2 N r 4 , a u f die § 71 Abs 1 N r 8 S 5 2 . H S verweist, kumulative Anwendung find e n 7 6 1 oder o b in diesen Fällen ausschließlich § 1 9 3 Abs 2 N r 4 als Sonderregelung eing r e i f t . 7 6 2 Ein A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m geht grundsätzlich mit einer Ungleichbehandlung der Aktionäre einher, so dass an sich ein Ausschluss des Bezugsrechts gem § 1 8 6 A b s 3 erforderlich ist. Demgegenüber wird zur Begründung des Spezialitätsverhältnisses darauf hingewiesen, dass ein Bezugsrechtsausschluss beim Weg über das bedingte Kapital nicht erforderlich sei und es daher dem Ziel des § 71 Abs 1 N r 8 S 5, das Schutzniveau einheitlich auszugestalten, entgegenstünde, wenn nur beim A k t i e n r ü c k k a u f ein Bezugsrechtsausschluss gefordert w ü r d e . 7 6 3 Wird anstelle von § 186 Abs 3 und Abs 4 nur § 193 Abs 2 N r 4 angewendet, so könnte - im Unterschied zu § 1 8 6 A b s 3 S 2 , der eine 3 / 4 -Mehrheit voraussetzt - der Ermächtigungsbeschluss mit einer einfachen Mehrheit (§ 133 Abs 1) gefasst werden (vgl R d n 2 5 9 ) . D a auch § 1 9 3 A b s 1 S 1 für eine bedingte Kapitalerhöhung eine qualifizierte M e h r h e i t verlangt, bestünde nicht das v o m Gesetzgeber intendierte einheitliche Schutzniveau. D a h e r k a n n nur die kumulative Anwendung der beiden Verweisungsregelungen des § 71 A b s 1 N r 8 S 5 2 . H S gewährleisten, dass bei einem Aktienopt i o n s p r o g r a m m - unabhängig davon, o b es sich um „ a l t e " oder „ n e u e " Aktien handelt ein einheitliches Schutzniveau erreicht w i r d . 7 6 4 Auch der W o r t l a u t spricht dafür, § 1 8 6 Abs 3, 4 und § 1 9 3 Abs 2 N r 4 nebeneinander anzuwenden. D a h e r sind die Voraussetzungen des § 1 8 6 Abs 3 und 4 ebenfalls grundsätzlich einzuhalten. S o ist eine ^ - M e h r heit erforderlich (§ 1 8 6 Abs 3 S 2 ) und der Aktienoptionsplan in der Tagesordnung gem

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BT-Drucks 13/9712, S 14. Hüffer 19g. BT-Drucks 13/9712, S 14. Hüffer 19m. BT-Drucks 13/9712, S 23. Kau/Leverenz BB 1998, 2269, 2274; Lingemann/Wasmann BB 1998, 853, 860; MünchKomm/Oec/?s/er 221.

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Bosse NZG 2001, 594, 597; Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 12; Weiß WM 1999, 353, 362. Weiß WM 1999, 353, 362. MünchKommJOechsler 221.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

§ 186 Abs 4 S I iVm § 124 Abs 1 bekannt zu machen. 765 Es bedarf jedoch keiner Angabe eines sachlichen Grundes (näher zu diesem Erfordernis siehe Rdn 284), da dem Verweis des § 71 Abs 1 N r 8 S 5 2. HS auf § 193 Abs 2 Nr 4 die gesetzliche Wertung zu entnehmen ist, dass ein Aktienoptionsprogramm einen hinreichenden sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung darstellt. 766 Eine gerichtliche Überprüfung findet daher insoweit nicht statt. Ferner bedarf es aufgrund dieser Wertung auch keines schriftlichen Vorstandsberichts gem § 186 Abs 4 S 2, da der sachliche Grund bereits in den einzelnen Feststellungen des Aktienoptionsplanes eine ausreichende Konkretisierung erfährt. 7 6 7 Diese Ansicht wird von der Regierungsbegründung zum KonTraG 7 6 8 und von einer Entscheidung des LG Stuttgart 7 6 9 für den Fall der bedingten Kapitalerhöhung (§§ 192 ff) geteilt. Sie kann auf den Rückerwerb eigener Aktien übertragen werden. Gem § 131 Abs 1 ist der Vorstand allerdings verpflichtet, auf der Hauptversammlung Auskunft über die wesentlichen Eckpunkte des in Aussicht genommenen Aktienoptionsplanes zu geben. 7 7 0 Dieser Auskunftspflicht sind insoweit Grenzen gesetzt, als die tatsächlichen Auswirkungen eines solchen Aktienoptionsplanes sehr von zukünftigen Entwicklungen - wie zB vom Börsenkurs - abhängig sind. 771 288

(2) Zeitpunkt der Beschlussfassung. Es ist umstritten, zu welchem Zeitpunkt die Hauptversammlung den Aktienoptionsplan iSv § 193 Abs 2 Nr 4 beschließen muss. Nach einer Entscheidung des LG Berlin ergibt sich aus § 71 Abs 1 N r 8 S 5 1. HS, dass der Beschluss über eine andere Veräußerung auch später gefasst werden könne. 7 7 2 Danach wäre es zulässig, zunächst nur die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien auszusprechen und den Aktienoptionsplan iSv § 193 Abs 2 N r 4 zu einem späteren Zeitpunkt zu beschließen. Zu Recht wird dies vom Schrifttum abgelehnt und an der entsprechenden Anwendung des § 186 Abs 3 S 1 (iVm § 71 Abs 1 N r 8 S 5 2. HS) auch in diesem Zusammenhang festgehalten. 773 Der Aktienoptionsplan iSv § 193 Abs 2 N r 4 enthält zugleich den Bezugsrechtsausschluss gem § 186 Abs 3, da in ihm geregelt wird, dass nicht alle Aktionäre, sondern nur Führungskräfte und Arbeitnehmer Aktien erhalten werden. Da gem § 186 Abs 3 S 1 die Aktionäre sachgerecht über die Ermächtigung des Vorstands gem § 71 Abs 1 N r 8 nur entscheiden können, wenn sie wissen, ob bei der späteren Veräußerung der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt wird (näher Rdn 284), muss auch der Aktienoptionsplan iSv § 193 Abs 2 Nr 4 grundsätzlich bereits im Ermächtigungsbeschluss mitbeschlossen werden. Den Aktionären sollte jedoch zugestanden werden, den Aktienoptionsplan mit einer 3 / 4 -Mehrheit erst später beschließen zu dürfen, 7 7 4 wenn sie im Ermächtigungsbeschluss das Bezugsrecht pauschal ausschließen. Dies war in dem Fall, der der Entscheidung des LG Berlin zugrunde lag, nicht erfolgt. 775 Eine solche spätere Konkretisierung des Bezugsrechtsausschlusses sollte zugelassen werden, da es in anderen Fällen ebenfalls zulässig ist, auf das Bezugsrecht zu verzichten, ohne die Veräußerungsmethode näher zu bestimmen. Von Bedeutung ist dies beispielsweise, wenn noch nicht geklärt ist, welche Zahl von Aktienoptionen dem Vorstand und den Arbeitnehmern zugeteilt werden soll (näher Rdn 289).

765 766

767 768 769 770

MünchKomm/Oechsler 2 2 4 . LG Stuttgart, DB 2 0 0 0 , 2110; MünchKomm/Oechsler 2 2 2 . MünchKomm/Oechsler 2 2 4 . BT-Drucks 13/9712, S 24. DB 2 0 0 0 , 2110, 2111. LG Suttgart, DB 2 0 0 0 , 2110, 2112.

771 772 773

774

775

LG Suttgart, DB 2 0 0 0 , 2110, 2112. LG Berlin, DB 2 0 0 0 , 765. Bosse N Z G 2 0 0 0 , 923; MünchKomm/ Oechsler 223. Anders offenbar MünchKomm/Oecfcs/er 223. Vgl LG Berlin, DB 2 0 0 0 , 765.

Stand: 1.11.2007

(154)

Erwerb eigener Aktien

§71

(3) Gruppenaufteilung. Gem § 193 Abs 2 Nr 4 ist die Aufteilung der Bezugsrechte auf 2 8 9 Mitglieder der Geschäftsführungen und Arbeitnehmer festzustellen (Gruppenaufteilung). Der Hauptversammlungsbeschluss muss daher regeln, an welche Gruppen Aktienoptionen ausgegeben werden. Es ist umstritten, ob im Konzern mindestens zwei, 776 drei 7 7 7 oder vier 7 7 8 verschiedene Gruppen bei der vom Gesetz geforderten Gruppenaufteilung anzugeben sind. Der Gesetzeswortlaut legt nahe, dass bei der Gruppenaufteilung die Angabe von nur zwei Gruppen - Mitglieder der Geschäftsführungen und Arbeitnehmer genügt. Demgegenüber nennt die Gesetzesbegründung vier Gruppen, wobei sie die Arbeitnehmer als Führungskräfte bezeichnet: 779 den Vorstand der Gesellschaft, die Geschäftsführungen der Töchter, die Arbeitnehmer der Gesellschaft und die Arbeitnehmer bei den Töchtern. Das Verhältnis der Aufteilung der Aktienoptionen auf die verschiedenen Gruppen kann nach Vomhundertsätzen vom Gesamtvolumen angegeben werden. 7 8 0 Das Gesetz spricht ausdrücklich von den Mitgliedern der Geschäftsführung und schließt damit aus, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats Begünstigte eines Aktienoptionsprogrammes werden (näher Rdn 302 ff). (4) Erfolgsziele. In dem Beschluss sind außerdem gem § 193 Abs 2 Nr 4 Erfolgsziele festzulegen. Dabei handelt es sich um aufschiebende Bedingungen iSv § 158 Abs 1 BGB, von deren Eintritt die Entstehung des Bezugsrechts abhängig gemacht wird. Während im Regierungsentwurf des KonTraG noch der Begriff Kursziele enthalten war, wurde auf Vorschlag des Rechtsausschusses der Begriff Erfolgsziele gewählt, um der Vielgestaltigkeit von Aktienoptionsprogrammen Rechnung zu tragen, „die nicht notwendig auf absolute Kursziele, sondern unter Umständen auch auf die relative Performance oder Renditeziele abstellen." 7 8 1 Neben dem Börsenkurs können daher auch die Eigenkapital-, die Gesamtkapitalrendite oder der Gewinn pro Aktie als Erfolgsziel von der Gesellschaft benannt werden. 7 8 2 Wird lediglich an den Börsenkurs angeknüpft, so besteht die Gefahr, dass der Börsenkurs bei einer haussierenden Börse steigt, obwohl die einzelne Gesellschaft sich im Vergleich zu ihrer Branche nicht erfolgreich entwickelt (sog windfall profits). 7 8 3 Daher kann es zwar zweckmäßig sein, das Erfolgsziel am Branchenindex auszurichten. 784 Es bleibt aber zulässig, die Ausübung der Option ausschließlich von dem Erreichen eines bestimmten Börsenkurses abhängig zu machen. 7 8 5

290

(5) Weitere inhaltliche Anforderungen. Im Beschluss ist ferner gem § 193 Abs 2 Nr 4 2 9 1 der Erwerbszeitraum festzulegen, dh „der Beginn und das Ende der Möglichkeit, das angebotene Bezugsrecht zu zeichnen." 7 8 6 Das Gesetz verwendet den Plural „Erwerbszeiträume" und bringt damit zum Ausdruck, dass die Optionsrechte zeitlich gestaffelt in mehreren Tranchen begründet werden sollten, um eine zu starke Beeinflussung des Börsenkurses zu vermeiden. 787 Ferner sind Zeiträume festzulegen, während derer die Berechtigten ihr Bezugsrecht ausüben dürfen (Ausübungszeiträume). Diese Festlegung dient dem Zweck, die Ausnutzung von Insiderkenntnissen zu unterbinden, so dass es sich insbesondere anbietet, die Ausübung einer Option binnen dreier Wochen nach der Vorlage eines Geschäfts- oder Zwischenberichts oder einer Bilanzpressekonferenz zu erlauben

776 777 778

779 780 781 782

OLG Koblenz, AG 2003, 453, 454. Hüffer 9. MünchKomm/fKcfo § 193 Rdn 21; Weiß W M 1999, 353, 367. BT-Drucks 13/9712, S 23. BT-Drucks 13/9712, S 24. BT-Drucks 13/10038, S 9 und 26. MünchKomm/F«cfcs § 193 Rdn 23.

(155)

783

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786 787

BT-Drucks 13/9712, S 24; LG Stuttgart, DB 2 0 0 0 , 2110, 2111 re Sp. BT-Drucks 13/9712, S 24. LG Stuttgart, DB 2 0 0 0 , 2110, 2111 re Sp; MünchKommJOecbsler 225. BT-Drucks 13/9712, S 24. MünchKomm/F«c/)i § 193 Rdn 28.

H a n n o Merkt

$71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

(näher zum Verbot von Insidergeschäften Rdn 3 0 5 ) . 7 8 8 Die Wartezeit für die erstmalige Ausübung muss gem § 193 Abs 2 Nr 4 mindestens zwei Jahre betragen. Aus Gründen der Verhaltenssteuerung sollte diese Frist nicht zu kurz bemessen werden. 789 Demgegenüber betrifft die Höchstfrist von 18 Monaten gem § 71 Abs 1 Nr 8 den Zeitraum, während dessen der Vorstand für die Gesellschaft Aktien erwerben kann, um die Bezugsrechte der Vorstandsmitglieder und der Arbeitnehmer zu erfüllen. Wird die Ermächtigung nicht verlängert (näher dazu Rdn 2 5 2 f, 262), so muss die Gesellschaft sich daher bereits vor Ablauf der Wartezeit mit so vielen Aktien eindecken, dass sie die später ausgeübten Bezugsrechte erfüllen kann. Deshalb kann es zweckmäßig sein, dem Vorstand zusätzlich die Möglichkeit einer bedingten Kapitalerhöhung (§§ 192 ff) einzuräumen (näher Rdn 302). 292

(6) Analoge Anwendung von § 193 Abs 2 Nr 3. In § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 2. HS wird nicht auf § 193 Abs 2 Nr 3 verwiesen. Zwar wird im Schrifttum das Fehlen eines solchen Verweises allgemein als nicht sachgerecht angesehen, weil die ratio legis von § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 2. HS das Ziel verfolgt, ein einheitliches Schutzniveau für die Beschaffungsalternativen der bedingten Kapitalerhöhung und des Rückerwerbs eigener Aktien herzustellen. 7 9 0 In der Diskussion wird von manchen mit Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut des § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 eine Anwendung des § 193 Abs 2 Nr 3 im Wege der Auslegung oder Analogie abgelehnt. 791 Andere meinen, es handele es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen, das im Wege einer analogen Anwendung des § 193 Abs 2 Nr 3 zu berichtigen sei. 7 9 2 Gem § 193 Abs 2 Nr 3 muss im Beschluss der Ausgabebetrag oder die Grundlage, nach denen dieser Betrag errechnet wird, festgestellt werden. Im Rahmen von § 71 Abs 1 Nr 8 ist mit dem Begriff des Ausgabebetrags der Gesamtwert der Leistungen gemeint, die die Bezugsberechtigten erbringen müssen, um die Aktien zu erwerben, in der Regel also der zu bezahlenden Kaufpreis. Der Ausgabebetrag ist bei einer bedingten Kapitalerhöhung gem § 193 Abs 2 Nr 3 festzulegen, da von seiner Höhe einerseits der Wert der Bezugsrechte für die Begünstigten und andererseits der bei der Ausübung des Bezugsrechts eintretende Verwässerungseffekt zum Nachteil der bestehenden Aktionäre abhängt. 7 9 3 Zwar fällt der für Kapitalerhöhung typische Verwässerungseffekt im Falle eines Rückerwerbs eigener Aktien idR schwächer aus. 7 9 4 Eine analoge Anwendung ist dennoch geboten, da dem Vorstand bei der Durchführung des Aktienoptionsprogramms identische Grenzen gesetzt werden müssen, unabhängig davon, wie die Aktien beschafft werden. 795 Die Regelungsabsicht des Gesetzgebers steht einer analogen Anwendung des § 193 Abs 2 Nr 3 nicht entgegen, sondern es handelt sich um eine Regelungslücke. Eine nachträgliche Änderung des Ausgabebetrages (sog Repricing) kann durch einen Beschluss der Hauptversammlung ermöglicht werden, um Aktienoptionen nach Kurseinbrüchen wieder attraktiver zu gestalten. 796

293

(7) Entbehrlichkeit der Angaben des § 193 Abs 2 Nr 4. Sind die von § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 2. HS iVm § 193 Abs 2 Nr 4 geforderten Angaben bereits in einem vorher gefassten

788 789 790

791

792

BT-Drucks 13/9712, S 24. BT-Drucks 13/9712, S 24. MünchKommJOechsler 2 2 5 ; Weiß W M 1999, 353, 361. Bosse N Z G 2001, 594, 596; Kessler/Suchan BB 2 0 0 0 , 2529, 2 5 3 2 ; Weiß W M 1999, 353, 361. Kallmeyer AG 1999, 97, 101; Käppiinger/ Käppiinger W M 2 0 0 4 , 712, 715; Krieger

793 794 795 796

Münch Hdb AG, § 63 Rdn 37; MünchKomm/Oechsler 225. MünchKomm/Fticfcs § 193 Rdn 12. MünchKomm/Oechsler 220. Käpplinger/Käpplinger W M 2 0 0 4 , 712, 715. Käpplinger/Käpplinger W M 2 0 0 4 , 712, 715; näher zum Repricing auch Casper DStR 2 0 0 4 , 1391 ff.

Stand: 1.11.2007

(156)

Erwerb eigener Aktien

§71

Beschluss einer bedingten Kapitalerhöhung enthalten ( § § 1 9 2 ff), so k ö n n e n die aufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses gem § 71 A b s 1 N r 8 erworbenen oder zu erwerbenden Aktien zum Z w e c k e eines A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m s verwendet werden, o h n e dass erneut diese Angaben in dem Ermächtigungsbeschluss benannt werden. Es bedeutet für die A k t i o n ä r e keinen N a c h t e i l , wenn der Vorstand anstatt neue Aktien zu schaffen bereits bestehende „ a l t e " Aktien erwirbt. D e r Bezugsrechtsausschluss ist - was teilweise anders gesehen w i r d 7 9 7 - bereits in dem Beschluss einer bedingten Kapitalerhöhung zum Z w e c k e eines A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m e s enthalten. Es ist kein erneuter Bezugsrechtsausschluss erforderlich (näher R d n 8 8 ) . D i e Ermächtigung, das Grundkapital zu erhöhen, ist dann im U m f a n g der ausgegebenen alten Aktien erschöpft (zur Parallele im Falle genehmigten Kapitals siehe R d n 8 7 ) . (8) Ausführung des Beschlusses und weitere Bedingungen der Optionsrechte. W ä h rend der R ü c k e r w e r b eigener Aktien seitens der Gesellschaft vom Vorstand durchgeführt wird (näher R d n 4 1 ) , werden die weiteren Bedingungen der Bezugsrechte des Vorstands -

294

also die Veräußerung der zurückerworbenen Aktien - von derjenigen Kompetenzebene festgesetzt, welche jeweils für die Vergütung zuständig ist: der Aufsichtsrat ist also für die D u r c h f ü h r u n g der Veräußerung an den Vorstand, der Vorstand für die Veräußerung an die Arbeitnehmer zuständig. 7 9 8 D e m Aufsichtsrat dürfen keine Aktienoptionsrechte eingeräumt werden (näher R d n 3 0 2 ) . N e b e n den bereits im Beschluss der H a u p t v e r s a m m lung gem § 1 9 3 A b s 2 N r 4 enthaltenen Bedingungen k ö n n e n Mindesthaltefristen (auch sog Verkaufssperren) geregelt werden, w o n a c h die Aktien nach Ausübung des Bezugsrechts eine gewisse Z e i t gehalten werden müssen, und die Einrichtung eines S t o c k o p t i o n - K o n t o s mit D e p o t vorgesehen w e r d e n . 7 9 9 Regelungsbedürftig sind i d R ferner die Verpfändbarkeit, die Dividendenberechtigung, die M ö g l i c h k e i t einer Kreditfinanzierung und das Ausscheiden des Bezugsberechtigten - zB wegen R u h e s t a n d , Todesfall oder Kündigung durch die G e s e l l s c h a f t . 8 0 0 Die Unübertragbarkeit der Bezugsrechte muss hingegen nicht gesondert festgestellt werden, sondern sie ergibt sich aus dem Z w e c k eines Aktienoptionsplanes. Sofern dem Berechtigten die Übertragung eines Bezugsrechts gem § § 4 1 3 , 3 9 8 B G B erlaubt wäre, k ö n n t e der Z w e c k des Aktienoptionsplans, eine langfristige M o t i v a t i o n zu bewirken, nicht mehr erreicht w e r d e n . 8 0 1 Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 3 9 9 1. Alt B G B , w o n a c h eine Forderung nicht abgetreten werden k a n n , wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen k a n n . (9) Bedienung eines Aktienoptionsprogrammes mit rechtswidrig erworbenen Aktien. Verschiedentlich hält m a n es im R a h m e n der Veräußerungspflicht gem § 7 1 c Abs 1 für erlaubt, rechtswidrig erworbene Aktien zur Bedienung eines Aktienoptionsprogramms zu nutzen, sofern ein Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 N r 8 vorliegt und der Gesetzesverstoß nicht gezielt herbeigeführt wurde. Ansonsten stehe § 8 2 6 B G B der Weitergabe der Aktien an die Optionsberechtigten entgegen. 8 0 2 Diese Ansicht verkennt, dass auch bei der Veräußerungspflicht gem § 7 1 c der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist (näher § 7 1 c R d n 3 4 ) und daher die Ausgabe der Aktien an die Optionsberechtigten nur zulässig ist, wenn die Aktionäre durch Beschluss ihr Bezugsrecht ausgeschlossen haben

797 798

799

MünchKomm/Oechsler 230. BT-Drucks, 13/9712, S 24; MünchKomm/ Oechsler 227. BT-Drucks 13/9712, S 24 re Sp.

(157)

800 801

802

BT-Drucks 13/9712, S 24 re Sp. MünchKomm/Oechsler 228; so auch BT-Drucks 13/9712, S 24 re Sp. MiinchKomm/OecMer 230.

Hanno Merkt

295

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

(näher zum Bezugsrechtsausschluss Rdn 81 f). Demzufolge sollte danach differenziert werden, ob der verletzten Norm eine Bedeutung im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Aktionäre zukommt. Bei einem Verstoß gegen die Anforderungen des § 193 Abs 2 Nr 4 ist der Ermächtigungsbeschluss rechtswidrig und anfechtbar. Wird er von den Aktionären angefochten (§§ 243 ff), fehlt es an einem wirksamen Ausschluss des Bezugsrechts. Denn dieser Ausschluss ist Teil des Ermächtigungsbeschlusses (näher Rdn 287). Somit ist in diesen Fällen eine Veräußerung gem § 71c an die Optionsberechtigten ausgeschlossen. Wurde demgegenüber gegen eine Vorgabe des § 71 Abs 2 S 1-3 verstoßen, dürfen die erworbenen Aktien gem § 71c an die Optionsberechtigten ausgegeben werden. h) Einziehungsermächtigung (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 6) 296

aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Nachdem der Referentenentwurf zum KonTraG 8 0 3 noch keine entsprechende Regelung enthalten hatte, wurde § 71 Abs 1 Nr 8 S 6 offenbar auf Anregung von Martens ins Gesetz aufgenommen. 804 Es besteht zwar ohnehin gem § 71 Abs 1 Nr 6 die Möglichkeit, eigene Aktien auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung (§§ 237 ff) zu erwerben. Danach setzt der Erwerb jedoch einen vorherigen Einziehungsbeschluss gem § 222 iVm § 237 Abs 2 S 1 oder gem § 237 Abs 4 S I voraus (näher Rdn 2 3 4 f). 8 0 5 Demgegenüber kann die Hauptversammlung den Vorstand auch im Wege eines Beschlusses ohne Zweckvorgabe gem § 71 Abs 1 Nr 8 zum Erwerb eigener Aktien und zugleich gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 6 zu deren Einziehung ermächtigen. Die Gesellschaft hat auf diesem Wege größere Flexibilität. 806 Im Unterschied zum Erlaubnistatbestand des § 71 Abs 1 Nr 6, bei dem die spätere Einziehung der Aktien obligatorisch ist, steht es gem § 71 Abs 1 Nr 8 im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands, ob er von der Einziehungsermächtigung Gebrauch macht. Außerdem verpflichtet ein für § 71 Abs 1 Nr 6 erforderlicher Kapitalherabsetzungsbeschluss den Vorstand, die Aktien umgehend zu erwerben (vgl § 83 Abs 2), während die Ermächtigungsdauer von 18 Monaten gem § 71 Abs 1 Nr 8 den Vorstand in die Lage versetzt, den längerfristigen Ausschüttungsinteressen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre gerecht zu werden. 807 Dem Vorstand wird also in zweifacher Weise ein Dispositionsspielraum eingeräumt: hinsichtlich des Ob und des Wie der Einziehung.

297

Die Möglichkeit, eine Einziehungsermächtigung zu erteilen, bezieht sich nicht auf § 71 Abs 1 Nr 6, sondern ausschließlich auf die gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 aufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses erworbenen Aktien. 808 Dafür sprechen der Wortlaut („die eigenen Aktien") und die systematische Stellung von § 71 Abs 1 Nr 8 S 6. Der Vorstand ist also im Rahmen von § 71 Abs 1 Nr 6 zur späteren Einziehung verpflichtet, dh bei diesem Ausnahmetatbestand ist die Einziehung - im Unterschied zur Einziehungsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 6 - nicht dem unternehmerischen Ermessen überlassen. Aufgrund des systematischen Bezugs zu § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 ergibt sich ferner, dass eine Einziehung auch nur in Höhe des möglichen Erwerbsvolumens von 10 % des Grundkapitals möglich ist (näher zum Erwerbsvolumen Rdn 322 ff). 8 0 9 Die Einziehungsermächtigung des Vorstands durch die Hauptversammlung ist auch mit Art 37 Abs 1 der KapRL von 1976 vereinbar, 810 wonach im Fall der Herabsetzung des gezeichneten Kapitals durch Einziehung von Aktien, die von der Gesellschaft [...] erworben worden sind,

803 804 805 806 807

ZIP 1996, 2129, 2130. Martens AG 1996, 337, 343 f. Hüffer 19g. BT-Drucks 13/9712, S 13. Martens AG 1996, 337, 343 f.

808 809 810

MünchKomm/Oechsler 234. MünchKommJOechsler 237. Martens AG 1996, 337, 345; MünchKomm/ Oechsler 232.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(158)

Erwerb eigener Aktien

§71

die Einziehung stets durch die H a u p t v e r s a m m l u n g beschlossen werden muss. D e n n die Einziehungsermächtigung gem § 71 Abs 1 N r 8 S 6 ist im Ermächtigungsbeschluss enthalten, so dass die H a u p t v e r s a m m l u n g auch über die Einziehung entschieden hat. D a s Gegenstück zur Einziehungsermächtigung gem § 71 Abs 1 N r 8 S 6 stellt das genehmigte Kapital gem § § 2 0 2 ff dar, w o n a c h der Vorstand nach seinem Ermessen das Grundkapital bis zu einem bestimmten N e n n b e t r a g erhöhen darf. Die beiden Ermächtigungen k ö n nen kombiniert werden, um die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, ihr Grundkapital ohne zeitraubende Beschlussfassungen der Hauptversammlung ständig entsprechend ihren Kapitalmarktinteressen anzupassen (sog Floating des G r u n d k a p i t a l s ) . 8 1 1 b b ) Anforderungen an die Einziehungsermächtigung. Umstritten ist, o b die Einziehungsermächtigung mit einfacher M e h r h e i t gem § 1 3 3 Abs 1 8 1 2 oder mit qualifizierter M e h r heit beschlossen werden m u s s . 8 1 3 Dass das Gesetz nicht ausdrücklich eine qualifizierte M e h r h e i t verlangt, könnte dafür sprechen, dass eine einfache Stimmenmehrheit gem § 1 3 3 Abs 1 ausreicht. Z w a r führt eine Einziehung dazu, dass die Aktionäre kein Bezugsrecht hinsichtlich der erworbenen Aktien geltend machen können (näher zum Bezugsrecht R d n 81 ff). Dies gilt jedoch für alle Aktionäre gleichermaßen, so dass insoweit keine Ungleichbehandlung droht und mithin kein Bezugsrechtsausschluss erforderlich ist, der eine qualifizierte M e h r h e i t erfordern würde. Eine Ungleichbehandlung ist in diesen Fällen daher nur beim Erwerb der Aktien denkbar (näher Rdn 6 8 ff). Allerdings droht die Umgehung der Regelungen des § 2 3 7 Abs 2 S 1 iVm § 2 2 2 Abs 1 S 1, w o n a c h eine Einziehung grundsätzlich eine M e h r h e i t von 3 / 4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erfordert. Daher bedarf der Beschluss in analoger Anwendung von § 2 2 2 Abs 1 S 1 grundsätzlich einer qualifizierten Mehrheit. Ausnahmsweise genügt eine einfache M e h r h e i t (§ 2 3 7 Abs 4 S 2 ) , wenn die Voraussetzungen des § 2 3 7 Abs 3 erfüllt sind. N a c h einer teilweise vertretenen Ansicht muss die Einziehungsermächtigung gemeinsam mit der Ermächtigung nach § 71 Abs 1 N r 8 S 1 beschlossen werden, weil durch die mit der Einziehung verbundene Vernichtung von Aktien die praktische Bezugsmöglichkeit bei der Weiterveräußerung der Aktien e n t g e h e . 8 1 4 D a s überzeugt nicht, denn mangels Ungleichbehandlung ist kein Bezugsrechtsausschluss erforderlich, und daher findet § 186 Abs 3 S 1 keine Anwendung. D e m n a c h kann der Beschluss über die Einziehungsermächtigung auch später als der Ermächtigungsbeschluss gefasst werden. Es stellt sich ferner die Frage, o b die Einziehungsermächtigung zeitlich befristet ist. Teilweise wird in Anlehnung an den umgekehrten Fall des genehmigten Kapitals (§ 2 0 2 Abs 1) eine Frist von m a x i m a l 5 Jahren für zulässig g e h a l t e n . 8 1 5 Die in § 71 Abs 1 N r 8 S 1 vorgesehene Höchstfrist von 18 M o n a t e n gilt nur für die Ermächtigung zum Erwerb der Aktien und nicht im Hinblick auf die Weiterverwendung der Aktien. Dass in § 71 Abs 1 N r 8 zwei verschiedene Ermächtigungen - Ermächtigung zum Erwerb (S 1) und zur Einziehung von Aktien (S 6) - geregelt wurden und nur im ersten Fall die Ermächtigungsdauer begrenzt wurde, spricht im Wege des Umkehrschluss eher dafür, dass die Einziehung gem § 71 Abs 1 N r 8 S 6 unbefristet zulässig ist. Ferner erscheint es auch nicht unangebracht, dass die Gesellschaft über einen längeren Z e i t r a u m eigene Aktien halten darf, um zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden, o b diese eingezogen oder einem anderen Z w e c k zugeführt werden sollen (zur M ö g l i c h k e i t , die Aktien auf andere Weise zu verwerten siehe

811

812

813

Martens AG 1996, 337, 345; vgl dazu auch MünchKomm/Oechsler 242. Hillebrandt/Schremper, BB 2001, 533; MünchKomm/Oecfc/er 235. So im Ergebnis auch Kessler/Suchan BB

(159)

814 815

2000, 2529, 2530, offengelassen von Hüffer 19n. MünchKomm/Oechsler 235. Martens AG 1996, 337, 344 Ii Sp; MünchKomm/Oechsler 238.

Hanno Merkt

298

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Rdn 300); denn § 71b begegnet der Gefahr, welche mit dem Halten eigener Aktien einhergeht, ausreichend. 299

Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht müssen die gläubigerschützenden Vorschriften des § 2 3 7 Abs 3 analog erfüllt sein, dh eine Einziehungsermächtigung ist nicht zulässig, wenn die Einziehung zu Lasten des Bilanzgewinns oder einer anderen Gewinnrücklage erfolgt (§ 2 3 7 Abs 3 Nr 2). 8 1 6 Dies wird damit begründet, dass nach § 71 Abs 2 S 2 nur für den Erwerb eine Überschreitung der Kapitalgrenze untersagt ist und eine vergleichbare Regelung für die Einziehung fehle. Dürfte der Vorstand eine Einziehung außerhalb der Voraussetzungen des § 2 3 7 Abs 3 Nr 2 vornehmen, so würde der Regelungszweck des § 71 Abs 2 S 2 unterlaufen. 817 Indes sind die Gläubiger bereits ausreichend dadurch geschützt, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs in der Lage sein muss, die von § 272 Abs 4 HGB vorgeschriebene Rücklage zu bilden. Denn im Zeitpunkt der Einziehung müssen von der Gesellschaft keine Erwerbskosten mehr getragen werden, sondern es wird nur die Rücklage gem § 2 7 2 Abs 4 S 2 HGB aufgelöst. In diesem Zeitpunkt ist die Kapitalerhaltung mithin nicht (mehr) gefährdet. Demnach muss die Einziehungsermächtigung den Voraussetzungen des § 237 Abs 3 nicht genügen. Die Regelung findet lediglich analoge Anwendung, wenn die Gesellschaft nicht die strengeren Anforderungen des § 237 Abs 2 S 1 iVm §§ 2 2 2 ff befolgen möchte (näher Rdn 298).

300

cc) Unternehmerisches Ermessen. Dem Begriff „ermächtigen" iSv § 71 Abs 1 Nr 8 S 6 ist - wie auch dem Wortlaut des § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 (näher Rdn 266) - im Grundsatz eine Kompetenzverteilung zu entnehmen: Die Hauptversammlung kann dem Vorstand die Möglichkeit eröffnen, gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 6 erworbene Aktien einzuziehen. Ob der Vorstand von dieser Ermächtigung Gebrauch machen möchte, ist grundsätzlich - im Unterschied zur Situation bei § 71 Abs 1 Nr 6 (näher dazu Rdn 236) - allein seinem unternehmerischen Ermessen überlassen. 818 Nach einer Ansicht in der Literatur soll der Vorstand verpflichtet sein, die Aktien den (ursprünglichen) Aktionären wieder anzubieten, wenn die Einziehung unterbleibt. 819 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass in der Einziehungsermächtigung eine Verwendungsbeschränkung zu erblicken sei, die der Möglichkeit einer anderweitigen Veräußerung entgegenstehe. 820 Eine anderweitige Verwertung sei demnach nur möglich, soweit die Hauptversammlung sie alternativ zugelassen habe. 8 2 1 Dem kann nicht gefolgt werden. Die Hauptversammlung muss im Ermächtigungsbeschluss grundsätzlich keine Zweckbestimmung angeben (näher Rdn 266). § 71 Abs 1 Nr 8 S 6 verfolgt den Zweck, den Dispositionsspielraum des Vorstands zu erweitern (näher Rdn 296). Dem widerspräche es, wenn in einer solchen Einziehungsermächtigung immer zugleich eine ausschließliche Zweckbindung des Erwerbs eigener Aktien gesehen würde. Der Vorstand kann sich daher grundsätzlich im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens entscheiden, ob er die Aktien einziehen, halten oder einem anderen Zweck zuführen möchte. Eine solche Auslegung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 6 ist auch hinsichtlich der Kompetenzen der Hauptversammlung nicht unbillig; denn die Hauptversammlung ist imstande, dieses unternehmerische Ermessen

816

8,7 818

Martens AG 1996, 337, 3 4 4 Ii Sp; MünchKommJOechsler 239. MiinchKomm/Oecfo/er 239. So im Ergebnis auch van Aerssen W M 2 0 0 0 , 391, 3 9 4 Ii Sp; Hüffer 19n; MünchKomm/ Oechsler 2 4 0 ; anders Martens AG 1996, 337, 345, der sich vor Schaffung des § 71

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Abs 1 Nr 8 de lege ferenda für eine Verpflichtung des Vorstands zur Einziehung der Aktien aussprach. Hüffer 19n; MünchKomm/Oechsler 2 4 0 . MünchKomm/Oechsler 2 4 0 . Hüffer 19n.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

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des Vorstands zu begrenzen, indem sie die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien ausschließlich zum Zwecke einer späteren Einziehung erteilt. Sofern dies geschieht, müssen die Aktien gem § 71c Abs 1 analog an die Aktionäre zurück veräußert werden, wenn eine Einziehung unterbleibt (näher Rdn 2 6 8 ) . Die Einziehungsentscheidung des Vorstands ist gem § 15 Abs 1 W p H G zu publizieren; demgegenüber ist die Erteilung der Einziehungsermächtigung durch die Hauptversammlung nur der BaFin mitzuteilen gem § 71 Abs 3 S 3 (näher Rdn 3 5 5 ff). i) Einzelne Anwendungsfälle. Im Rahmen einer vom Deutschen Aktieninstitut durchgeführten Umfrage 8 2 2 wurden als Motive für eine Ermächtigung zum Aktienrückkauf gem § 71 Abs 1 Nr 8 vor allem die Nutzung der Aktien als Akquisitionswährung (näher Rdn 2 6 ) , 8 2 3 die Veränderung der Kapitalstruktur, die insbesondere der Verbesserung der Eigenkapitalrendite durch Verminderung des Eigenkapitals dient (näher Rdn 19), 8 2 4 die Ausschüttung überschüssiger Liquidität an die Aktionäre anstelle einer Dividende 8 2 5 (näher Rdn 18 und 20) und die Optimierung der Aktionärsstruktur namentlich zur Einsparung von Verwaltungskosten (näher Rdn 2 4 ) 8 2 6 genannt. Die Abwehr feindlicher Übernahmen (näher Rdn 2 2 und Rdn 309), die Kurspflege (näher Rdn 21 und Rdn 316) und die Einrichtung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen (näher Rdn 3 0 2 ) spielten als Motiv dagegen zunächst nur eine geringe Rolle. 8 2 7 Ferner ist denkbar, dass die Erwerbsermächtigung gem ξ 71 Abs 1 Nr 8 erteilt wird, um wechselseitige Beteiligungen iSd § 19 aufzubauen (näher Rdn 25), eine Einziehung vorzubereiten (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 6; näher Rdn 296), den Rückzug von der Börse (näher Rdn 28) oder eine Verschmelzung gem § 62 UmwG vorzubereiten (näher Rdn 320). Eine spätere Untersuchung bestätigte diese Ergebnisse im Wesentlichen. Wachsende Bedeutung kommt danach insbesondere der Kurspflege zu. 8 2 8 Nachfolgend werden diejenigen Zwecke der Erwerbsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 näher betrachtet, bei denen Besonderheiten zu beachten sind. Bemerkenswert ist insbesondere, dass eine Erwerbsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 in jenen Fällen Bedeutung erlangt, in denen die Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 Nr 1 - 6 nicht eingreifen (näher bereits Rdn 2 5 8 ) .

301

aa) Aktienoptionsprogramme (näher bereits Rdn 2 8 3 ) . In vielen Unternehmen in den USA und in Großbritannien ist die Entlohnung von Führungskräften mit Aktienoptionen üblich, da eine variable Vergütung als Mittel zur Leistungssteigerung angesehen wird. 8 2 9 Bei der Aktienoption (Stock Option Right) verpflichtet sich der „Stillhalter" gegenüber dem Optionsberechtigten, auf dessen Anforderung eine bestimmte Anzahl von Aktien eines Unternehmens zu einem festgelegten Preis zu liefern. 8 3 0 Indem regelmäßig lange Fristen bis zur erstmaligen Ausübung der Optionen festgelegt werden, kann das Manage-

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DAI, Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, 1 9 9 9 , S 9 f. Vgl dazu Bosse N Z G 2 0 0 0 , 5 9 4 ; Claussen AG 1 9 9 6 , 4 8 1 , 4 9 0 ; Kiem ZIP 2 0 0 0 , 2 0 9 ; Escher-Weingart/Kübler Z H R 162 ( 1 9 9 8 ) 337, 3 5 2 . Näher dazu Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 2 2 2 , 2 2 3 ; Hüffer 19g. Escher-Weingart/Kübler Z H R 162 ( 1 9 9 8 ) 5 3 7 , 5 5 6 ; Kiem ZIP 2 0 0 0 , 2 0 9 ; Posner AG 1 9 9 4 , 3 1 2 , 3 1 4 ; von Rosen/Helm AG 1 9 9 6 , 4 3 4 , 437.

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Kellerhals/Rausch AG 2000, 222, 224. DAI, Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, 1 9 9 9 , S 9 f. Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 222, 2 2 4 . Führhoff KG 1 9 9 8 , 8 3 ; Hüffer Z H R 161 ( 1 9 9 7 ) 2 1 4 , 2 1 6 m w N ; näher zu Aktienoptionsprogrammen Hoffmann-Becking N Z G 1 9 9 9 , 797, 801 ff; Kleindiek RWSForum Gesellschaftsrecht 10, 1997, 2 3 ff; Tuschke zfbf 5 4 ( 2 0 0 2 ) 4 6 ff. Krain SteuerStud 2 0 0 4 , 4 9 0 .

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

ment zu einer Unternehmensstrategie motiviert werden, die eine langfristige Wertsteigerung zum Ziel h a t . 8 3 1 Inzwischen empfiehlt auch der Deutsche Corporate Governance K o d e x , dass die Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder neben fixen auch variable Bestandteile enthalten soll und nennt Aktienoptionsprogramme als Beispiel für eine variable Vergütung (vgl N r 4 . 2 . 3 des Kodex). Bei einer Aktienoption handelt es sich regelmäßig um von einer Aktiengesellschaft direkt oder über ein Kreditinstitut oder eine Tochtergesellschaft an die Führungskräfte begebene Optionen oder Wandlungsrechte, die die Führungskräfte berechtigen, zu einem vorab festgelegten Preis und innerhalb einer bestimmten Frist Aktien dieser Gesellschaft unter weiteren vorab fixierten Bedingungen zu e r w e r b e n . 8 3 2 Um diese Optionsrechte erfüllen zu k ö n n e n , muss die Gesellschaft eigene Aktien erwerben. Dies kann entweder im Wege des Erwerbs eigener Aktien oder aber im Wege einer bedingten Kapitalerhöhung geschehen; werden diese beiden M e t h o d e n verbunden, so kann ein Aktienoptionsprogramm insgesamt höchstens 2 0 % des Grundkapitals betreffen (näher Rdn 3 2 6 . In der Praxis wird das Optionsrecht nur in gewissen Grenzen eingeräumt. So wird etwa vorausgesetzt, dass der Börsenkurs der Aktie einen vorher festgelegten Wert e r r e i c h t . 8 3 3 W ä h r e n d ein Aktienoptionsprogramm für Arbeitnehmer bereits gem § 71 Abs 1 N r 2 (Belegschaftsaktien) möglich ist, dürfen Optionsrechte den Mitgliedern von Leitungsorganen nur aufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses gem § 71 Abs 1 N r 8 eingeräumt werden. Anderenfalls könnten sich Vorstandsmitglieder selbst entlohnen (näher R d n 196). Der Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 N r 2 ist außerdem wegen der Jahresfrist des § 71 Abs 3 S 2 weniger praktikabel als der Erwerb gem § 71 Abs 1 N r 8 . 8 3 4 Bei der steuerlichen Behandlung von Aktienoptionen sind gewisse Besonderheiten zu beachten.835 303

G e m § 71 A b s 1 N r 8 S 1 darf die Ermächtigung zwar nur für höchstens 18 M o n a t e erteilt werden. Allerdings k ö n n e n auch längerfristige Aktienoptionen eingeräumt werden, da die Gesellschaft entweder vor Ende der 1 8 - M o n a t s - F r i s t eigene Aktien erwerben und vorhalten oder die H a u p t v e r s a m m l u n g einen erneuten Ermächtigungsbeschluss fassen kann (näher dazu R d n 2 5 2 f, 2 6 2 ) . Vorhaltekosten k ö n n e n daher auch im R a h m e n einer Ermächtigung gem § 71 Abs 1 N r 8 vermieden werden, so dass eine bedingte Kapitalerhöhung dem E r w e r b eigener Aktien insoweit nicht überlegen i s t . 8 3 6 Ein N a c h teil besteht j e d o c h darin, dass die Gesellschaft möglicherweise den Börsenkurs durch die Ankündigung eines A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m s in die H ö h e treibt und folglich nur zu einem höheren Kurs kaufen k a n n , da die M a r k t t e i l n e h m e r wissen, dass die Gesellschaft sich bis zu einem bestimmten Z e i t p u n k t mit einer gewissen Anzahl von Aktien eindecken m u s s . 8 3 7 Z w e c k m ä ß i g dürfte daher sein, dem Vorstand die M ö g l i c h k e i t einzuräumen, die Aktien entweder im Wege der bedingten Kapitalerhöhung oder im Wege des R ü c k erwerbs eigener Aktien zu erwerben.

304

Die Mitglieder des Aufsichtsrates k ö n n e n nach ganz herrschender M e i n u n g nicht Begünstigte eines Aktienoptionsprogramms sein, unabhängig davon, o b die Aktien im Wege des R ü c k k a u f s eigener Aktien (§ 7 1 Abs 1 N r 8 S 1 und S 5 ) oder im Wege einer beding-

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BT-Drucks 13/9712, S 23. Kohler ZHR 161 (1997) 246, 2 4 7 ; Lutter ZIP 1997, 1; Menichetti DB 1996, 1688, 1689; U Schneider ZIP 1996, 1769, 1770. Hüffer ZHR 161 (1997) 214, 216. Oetker, FS 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, S 1017, 1020.

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Ausführlich dazu Krain SteuerStud 2004, 490 ff, 542 ff, 597 ff und 634 ff. Anders Claussen DB 1998, 177, 180. MünchKomm/Oecfcs/er 220.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

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ten Kapitalerhöhung beschafft werden. 838 Der Wortlaut des § 192 Abs 2 Nr 3 und des § 193 Abs 2 Nr 4 - auf den § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 2. HS verweist - verwenden die Formulierung „Mitglieder der Geschäftsführung" und schließen damit die Mitglieder des Aufsichtsrates aus. 839 Dies wird vom Gesetzgeber damit begründet, dass der Aufsichtsrat ansonsten die weiteren Bedingungen für die Aktienoptionsrechte selbst festsetzen müsste. 840 Indessen ist es ohne Schwierigkeiten möglich, vorzusehen, dass in diesem Fall die Zuständigkeit zur Festsetzung der Bedingungen bei der Hauptversammlung liegt, so dass diese Begründung nicht überzeugt. 841 Die gesetzliche Regelung ist offenbar von der Vorstellung geleitet, dass es sich mit der Kontrollfunktion des Aufsichtsrates nicht verträgt, wenn Vorstand und Aufsichtsrat gleichermaßen im Wege von Aktienoptionsrechten in Abhängigkeit von der Entwicklung des Börsenkurses vergütet werden. 842 Im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen ist das Verbot von Insidergeschäften gem § 14 Abs 1 WpHG von Bedeutung, da die Begünstigten entweder aufgrund ihrer Organfunktion (§ 13 Abs 1 Nr 1 WpHG) oder ihrer beruflichen Tätigkeit (§ 13 Abs 1 Nr 1 WpHG) Insiderkenntnisse erlangen und daher als „Insider" anzusehen sind. Es ist wie folgt zu differenzieren: (1) Die Optionsrechte selbst, die üblicherweise als Wandel- oder Optionsanleihe aufgelegt sind, sind regelmäßig weder börslich zugelassen, noch in den Freiverkehr eingeführt. Es fehlt üblicherweise auch an ihrer Übertragbarkeit. Daher handelt es sich nicht um Insiderpapiere iSv § 12 Abs 1 S 1 Nr 1 WpHG. Ein Insiderhandel iSv § 14 WpHG droht also bei der Zuteilung der Optionsrechte nicht. 843 (2) Wird nach Ablauf der im Beschluss festgelegten Wartezeit (vgl § 193 Abs 2 Nr 4; näher Rdn 291) das Optionsrecht ausgeübt, so wird wohl nur in seltenen Fällen gegen das Verbot von Insidergeschäften verstoßen. Die Aktien stellen unter den Voraussetzungen des § 12 Abs 1 S 1 Nr 1 WpHG Insiderpapiere dar. Ein verbotenes Insidergeschäft ist jedoch gem 5 14 Abs 1 Nr 1 WpHG nur gegeben, wenn der Insider unter Ausnutzung seiner Kenntnis Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen erwirbt oder veräußert. Sofern er sich aufgrund der Kenntnis gegen den Erwerb der Aktien entscheidet oder diesen Erwerb hinauszögert, fehlt es an dem von § 14 Abs 1 Nr 1 WpHG vorausgesetzten Erwerbstatbestand. 844 Erwirbt der Berechtigte aufgrund des Optionsrechts Aktien und ist die Option „im Geld", dh wirtschaftlich rentabel, so ist § 14 Abs 1 Nr 1 WpHG selbst dann nicht erfüllt, wenn er positive Kenntnis von einer Insidertatsache hat. Es fehlt regelmäßig am „Verwenden" iSd Norm, da das Wertpapiergeschäft wohl auch ohne Kenntnis der Insidertatsache getätigt worden wäre. 845 Ist eine Option nicht „im

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BGHZ 158, 122, 125 = ZIP 2 0 0 4 , 613, 614 („Mobilcom AG"); MünchKomm/F«cfcs § 192 Rdn 92 ff; Hüffer 21; näher dazu Goette DStR 2 0 0 5 , 561 f; Henze BB 2 0 0 5 , 165, 172 f. BGHZ 158, 122, 125 = ZIP 2 0 0 4 , 613, 614 („Mobilcom AG"); Hüffer 21. BT-Drucks 13/9712, S 2 4 re Sp. BGHZ 158, 122, 125 = ZIP 2 0 0 4 , 613, 614 („Mobilcom AG"). BGHZ 158, 122, 125 = ZIP 2 0 0 4 , 613, 614 („Mobilcom AG"). Assmann/Schneider § 12 WpHG Rdn 6a; Assmann/Schneider/Cramer § 14 WpHG Rdn 88i; Casper W M 1999, 363, 364;

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Feddersen Z H R 161 (1997) 2 8 8 ff; Fürhoff AG 1998, 83, 84; Schwark/Schwark Kapitalmarktrechtskommentar, § 14 WpHG Rdn 19. Assmann/Schneider/Cramer § 14 WpHG Rdn 881; Fürhoff AG 1998, 83, 85. § 14 WpHG nF verzichtet aus Beweisgründen bewusst auf das subjektive Merkmal des Ausnutzens und setzt nur noch ein objektives Verwenden voraus, so dass der Zweck des Handelns zwar unbedeutend, jedoch die Kenntnis der Insiderinformation zumindest ursächlich für das Handeln des Insiders geworden sein muss, vgl zur Neufassung auch Merkner/Sustmann N Z G 2 0 0 5 , 729, 731 f.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

G e l d " und hat der Optionsberechtigte Kenntnis von einer (positiven) Insidertatsache, so wird er die O p t i o n nicht ausüben, da es günstiger wäre, sich am M a r k t e i n z u d e c k e n . 8 4 6 Sofern er in einem solchen Fall die O p t i o n d e n n o c h ausübt oder sich über den M a r k t eindeckt, verstößt er gegen § 14 A b s 1 N r 1 W p H G . Einem Verstoß gegen das Verbot des Insidergeschäfts wird insbesondere auch durch die Festlegung von Ausübungszeiträumen gem § 1 9 3 Abs 2 N r 4 entgegengewirkt, bei denen die Ausübung der O p t i o n nur in solchen Z e i t r ä u m e n gestattet wird, in denen auch die übrigen M a r k t t e i l n e h m e r über aktuelle Unternehmenszahlen verfügen (näher R d n 2 9 1 ) . 8 4 7 ( 3 ) Werden die Aktien wieder veräußert, n a c h d e m das O p t i o n s r e c h t ausgeübt wurde, besteht demgegenüber eine größere Gefahr, dass es zum Verstoß gegen § 14 A b s 1 W p H G k o m m t . 8 4 8 Dieser G e f a h r k a n n durch sog Verkaufsperren entgegengewirkt werden: D e m Insidern wird die Veräußerung - in vergleichbarer Weise wie bei den Ausübungszeiträumen (näher R d n 2 9 1 ) nur während gewisser Fristen nach einer Bilanzpressekonferenz oder der Vorlage eines Zwischenberichts gestattet. 306

Ein Aktienoptionsprogramm zugunsten der Mitglieder der Geschäftsführung k a n n grundsätzlich nur aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses durchgeführt werden, entweder gem § 7 1 A b s 1 N r 8 oder gem § 1 9 2 A b s 2 N r 3. Ausnahmsweise kann der Vorstand das A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m in eigener K o m p e t e n z durchführen, indem die Gesellschaft O p t i o n e n an der B ö r s e erwirbt, die von Dritten begeben w u r d e n . 8 4 9 In diesem Fall erwirbt die Aktiengesellschaft keine eigenen Aktien, sondern nur O p t i o n e n auf den Erwerb eigener Aktien. Dieser Vorgang stellt keinen „ E r w e r b " iSv § 7 1 Abs 1 dar (näher R d n 153).

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bb) Bedienung von Bezugsrechten von Wandelschuldverschreibungen (§ 2 2 1 ) . Z u r Finanzierung k a n n die Aktiengesellschaft anstelle neuer Aktien auch Wandelschuldverschreibungen ausgeben. Wandelschuldverschreibungen sind Schuldverschreibungen iSv § § 7 9 3 ff B G B , die den Gläubigern ein U m t a u s c h - oder Bezugsrecht auf Aktien einräumen (§ 2 2 1 ) . Aufgrund des Umtausch- oder Bezugsrechts sind die Zinsen bei Wandelschuldverschreibungen typischerweise niedriger als bei gewöhnlichen D a r l e h e n . 8 5 0 U m das U m t a u s c h - oder Bezugsrecht später bedienen zu k ö n n e n , kann die Gesellschaft eigene Aktien gem § 71 Abs 1 N r 8 e r w e r b e n . 8 5 1

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cc) Einziehung (vgl auch R d n 2 7 ) . D e r E r w e r b eigener Aktien kann zum Z w e c k e der Einziehung dieser Aktien entweder gem § 71 Abs 1 N r 6 oder N r 8 erfolgen. Erteilt die Hauptversammlung dem Vorstand eine Erwerbsermächtigung gem § 71 Abs 1 N r 8 S 1 und eine Einziehungsermächtigung gem § 7 1 Abs 1 N r 8 S 6 , so steht dem Vorstand ein größerer Dispositionsspielraum zu als im R a h m e n von § 7 1 A b s 1 N r 6 (näher R d n 2 9 7 ) . E r k a n n in dieser Situation beispielsweise eine Aktiengattung (zB Vorzugsaktien) abschaffen (vgl dazu auch R d n 7 8 f ) . 8 5 2

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dd) Feindliche Übernahmen (vgl auch R d n 2 2 ) . Eine drohende feindliche Ü b e r n a h m e stellt nur in Ausnahmefällen einen schweren Schaden iSv § 71 Abs 1 N r 1 dar (näher R d n 181 ff). D a h e r kann der Vorstand regelmäßig nur aufgrund eines Ermächtigungs-

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Fürhoff AG 1998, 83, 85; Schwark/Schwark Kapitalmarktrechtskommentar, § 14 WpHG Rdn 21. BT-Drucks 13/9712, S 24. Näher dazu Fürhoff KG 1998, 83, 85 re Sp; Schwark/Schwark Kapitalmarktrechtskommentar, § 14 WpHG Rdn 21.

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Näher dazu Mutter/Mikus ZIP 2001, 1949 1950 f. Schlitt/Seiler/Smghof AG 2003, 254. Schlitt/Seiler/Smghof AG 2003, 254, 256 f. Hüffer 19g.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

beschlusses gem § 71 Abs 1 N r 8 Aktien kaufen, um eine solche Ü b e r n a h m e zu verh i n d e r n . 8 5 3 In diesem Z u s a m m e n h a n g erlangt § 3 3 W p Ü G Bedeutung, der die Neutralitätspflicht (auch Vereitelungsverbot) des Vorstands der Zielgesellschaft im Falle eines Ü b e r n a h m e a n g e b o t e s näher regelt (zum Verhältnis von § 7 1 A k t G und den N o r m e n des W p Ü G R d n 138). Die Neutralitätspflicht des Vorstands dient vor allem dem Schutz der verkaufswilligen A k t i o n ä r e : 8 5 4 Im Falle eines Ü b e r n a h m e a n g e b o t e s prüfen die Aktionäre, o b eine größere Rendite durch den Verkauf der Anteile an den Bieter oder durch das H a l t e n der Anteile und die weitere Eigenständigkeit ihrer Gesellschaft zu erwarten ist. D e m g e g e n ü b e r hat der Vorstand regelmäßig ein persönliches Interesse daran, seine Stellung zu erhalten, so dass er sich in einem K o n f l i k t zwischen seinem Eigeninteresse, dem Interesse der Stakeholder - insbesondere der Arbeitnehmer - und dem Aktionärsinteresse b e f i n d e t . 8 5 5 G e m § 3 3 A b s 2 S 1 W p Ü G kann der Vorstand - wie im Falle des § 71 Abs 1 N r 8 durch einen Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung von seiner Neutralitätspflicht entbunden werden. Dies setzt voraus, dass die Handlungen, die den Erfolg von Übernahmeangeboten verhindern sollen, in der Ermächtigung der Art nach bestimmt sind. G e m § 3 3 A b s 2 S 1 W p Ü G muss daher von der H a u p t v e r s a m m l u n g beschlossen werden, dass der Erwerb eigener Aktien zum Z w e c k e der A b w e h r eines feindlichen Ü b e r n a h m e a n g e b o t e s eingesetzt werden darf. D i e Ermächtigungsbeschlüsse gem § 3 3 A b s 2 S 1 W p Ü G und gem § 71 Abs 1 N r 8 können in einem Beschluss zusammengefasst werden. Es handelt sich dann um einen Fall, bei dem im Beschluss der Z w e c k der Ermächtigung genannt wird (näher zur Zwecksetzung R d n 2 6 7 ) . Indessen müssen diese beiden Ermächtigungen nicht in einem einheitlichen Beschluss erteilt w e r d e n . 8 5 6 W i r d der Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 N r 8 S 1 gesondert - möglicherweise auch in einer früheren H a u p t v e r s a m m lung - gefasst, so muss er nach den allgemeinen Grundsätzen keine A n g a b e zum Z w e c k (Abwehr eines Ü b e r n a h m e a n g e b o t e s ) enthalten (näher R d n 2 6 6 ) . Ausreichend zum Schutz der Aktionäre ist vielmehr, dass ein Erwerb eigener Aktien zur A b w e h r eines Übernahmeversuchs gem § 3 3 Abs 2 S 1 W p Ü G eine weitere Ermächtigung voraussetzt.

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Die Ermächtigung k a n n gem § 3 3 Abs 2 S 2 ebenfalls für höchstens 18 M o n a t e erteilt werden (vgl die Parallelvorschrift in § 71 A b s 1 N r 8 S 1). N a c h § 3 3 A b s 2 S 3 W p Ü G muss dieser Vorratsbeschluss - im Unterschied zum Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 N r 8, bei dem grundsätzliche eine einfache Stimmenmehrheit (§ 1 3 3 Abs 1) genügt (näher R d n 2 5 9 ) - mit einer M e h r h e i t von mindestens 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals gefasst werden. Sofern der Bieter bereits Aktien der Zielgesellschaft hält, wird er weder von § 136 noch von der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht daran gehindert, seine Stimmrechte auszuüben (näher R d n 2 6 0 ) . 8 5 7 D u r c h das Erfordernis einer besonderen Ermächtigung werden die Anforderungen an einen rechtmäßigen E r w e r b eigener Aktien verschärft, wenn er zur A b w e h r eines feindlichen Ü b e r n a h m e angebotes erfolgt. Ferner muss dem E r w e r b eigener Aktien in diesen Fällen jeweils auch der Aufsichtsrat zustimmen (§ 3 3 Abs 2 S 4 W p Ü G ) . Es handelt sich bei dem Ermächti-

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Näher dazu Kiem ZIP 2000, 209; Klein NJW 1997, 2085, 2087; Mick DB 1999, 1201; Nirk Hb AG Rdn 399; Schanz NZG 2000, 337, 345; Geibel/Süßmanti-Schwennicke § 33 WpÜG Rdn 69; Steinmeyer/ Häger § 33 WpÜG Rdn 64. KKJHirte § 33 WpÜG Rdn 3 f; Schwark/ Noack Kapitalmarktrechtskommentar, § 33

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WpÜG Rdn 1; Haarmann/Riehmer/Schüppen/Röh § 33 WpÜG Rdn 2. KK/Hirte § 33 WpÜG Rdn 4; Haarmann/ Riehmer/Schüppen/Röh § 33 WpÜG Rdn 2. So aber offenbar MünchKomm/Oecfcs/er 250. MiinchKomm/Oecfes/er 252.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

gungsbeschluss gem § 33 Abs 2 um einen Vorratsbeschluss, weil er im Hinblick auf zukünftig erwartete feindliche Übernahmeversuche gefasst wird.858 Die besonderen Anforderungen des § 33 Abs 2 WpÜG - insbesondere auch das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrates - dienen dem Schutz der Aktionärsinteressen, da sie den Ermächtigungsbeschluss gem § 33 Abs 2 WpÜG zu einem Zeitpunkt treffen, in dem weder der Name eines etwaigen Bieters noch der Inhalt eines möglichen Angebotes bekannt ist. 859 Auch bei § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 handelt es sich um einen Vorratsbeschluss; in diesem Zusammenhang werden die Aktionäre ausreichend dadurch geschützt, dass ihnen aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes grundsätzlich ein Andienungs- und ein Bezugsrecht zusteht (näher Rdn 69, 81). 312

§ 33 Abs 2 S 1 WpÜG erfasst seinem Wortlaut zufolge nur solche Ermächtigungsbeschlüsse, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters, ein Angebot abzugeben, gefasst werden (Vorratsbeschlüsse). Dies bedeutet jedoch nicht, dass im Umkehrschluss ein Ermächtigungsbeschluss, der im Hinblick auf ein konkretes Angebot gefasst werden soll (sog Ad-hoc-Hauptversammlungsbeschluss) unzulässig wäre. 860 Vielmehr sind bei Ad-hoc-Hauptversammlungsbeschlüssen die Aktionäre weniger schutzbedürftig, da sie bei der Abstimmung bereits die Person des Bieters und den Inhalt des Angebotes berücksichtigen können. Demzufolge bedarf es beispielsweise nicht einer zusätzlichen Zustimmung des Aufsichtsrates analog § 33 Abs 2 S 4 WpÜG. Ferner wird § 33 Abs 2 S 2 WpÜG ohne Bedeutung sein, da es nicht um die Abwehr von drohenden Übernahmen in den nächsten Monaten, sondern nur um den konkreten Übernahmeversuch in den nächsten Wochen geht. In analoger Anwendung des § 33 Abs 2 S 1 WpÜG wird jedoch zu fordern sein, dass die Hauptversammlung ausdrücklich die Maßnahmen - wie zB den Erwerb eigener Aktien - benennt, und gem § 33 Abs 2 S 3 analog mit qualifizierter Mehrheit zustimmt. Denn es ist - auch angesichts eines konkret vorliegenden Angebotes offen, ob die Aktionäre eine Abwehr des Übernahmeversuchs wünschen oder dessen Erfolg. Um eine Ad-hoc-Hauptversammlung durchführen und einen etwaigen Ermächtigungsbeschluss gem § 33 Abs 2 S 1 WpÜG umsetzen zu können, verlängert § 16 Abs 3 WpÜG die Annahmefrist auf zehn Wochen. 861

313

Ein Verstoß gegen die Anforderungen des § 33 Abs 2 S 2 und S 3 WpÜG führt zur Rechtswidrigkeit des Ermächtigungsbeschlusses des § 33 Abs 2 S 1 WpÜG mit der Folge, dass der Beschluss gem §§ 243 ff angefochten werden kann. 862 Ein Verstoß führt nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses, da § 33 WpÜG im Wesentlichen den Interessen der verkaufswilligen Aktionäre und des Bieters, nicht hingegen dem Schutz der Gläubiger dient (vgl § 241 Abs 1 Nr 3). 8 6 3 Werden die Ermächtigung gem § 33 Abs 2 S 1 WpÜG und die Erwerbsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 ohne Zweckangabe gesondert beschlossen (näher Rdn 312), so hat die Rechtswidrigkeit der übernahmerechtlichen Ermächtigung keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der aktienrechtlichen Ermächtigung und auf die Rechtmäßigkeit des Erwerbs gem § 71. Werden die beiden Ermächtigungen in einem einheitlichen Beschluss erteilt, so wird entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 BGB

858

859

860

Haarmartn/Riehmer/Schüppen/Röh § 33 WpÜG Rdn 104. Begr RegE, BT-Drucks 1 4 / 7 0 3 4 , S 58; Haarmann/Riehmer/Schüppen/Röh § 33 WpÜG Rdn 104. Vgl dazu und zu dem Begriff KKJHirte § 33 WpÜG Rdn 109 ff.

861

862

863

Begr RegE, BT-Drucks 1 4 / 7 0 3 4 , S 46; Schwark/Noack § 16 Rdn 21; MünchKomm/Oechsler 255; Steinmeyer/Häger % 16 WpÜG Rdn 7. KKJHirte $ 33 WpÜG Rdn 139; MünchKomm/Oechsler 2 5 0 . MünchKommJOechsler 2 5 0 .

Stand: 1.11.2007

(166)

Erwerb eigener Aktien

§71

im Regelfall der gesamte Beschluss rechtswidrig sein (näher zur Rechtswidrigkeit des Ermächtigungsbeschlusses Rdn 271 und Rdn 84). Die Vorschrift des § 33 Abs 1 S 2 3. Alt WpÜG, wonach die Neutralitätspflicht nicht für solche Handlungen gilt, denen der Aufsichtsrat zugestimmt hat, findet keine Anwendung, wenn die Maßnahme - wie im Falle des § 71 Abs 1 Nr 8 - nach dem Aktiengesetz in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fällt. Sie kann daher lediglich im Rahmen eines Erwerbs gem § 71 Abs 1 N r 1 Bedeutung erlangen. Ein Ermächtigungsbeschluss gem § 33 Abs 2 S 1 WpÜG begründet keine Verpflich- 3 1 4 tung des Vorstands, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und Aktien zu erwerben, sondern eröffnet nur Entscheidungsermessen (§§ 76, 93) in Bezug auf die Durchführung der Maßnahme. 8 6 4 Dies ergibt sich - wie bei § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 - auch aus dem Begriff „ermächtigt" (näher Rdn 266). Dies gilt auch für Ad-hoc-Hauptversammlungsbeschlüsse (näher dazu Rdn 312), bei denen über eine konkrete Rückkaufmaßnahme abgestimmt werden könnte. Insofern handelt es sich bei § 33 Abs 2 S 1 WpÜG und § 71 Abs 1 Nr 8 S 1 - um Sonderregelungen. Sie verdrängen die Regelung des § 83 Abs 2, wonach der Vorstand verpflichtet ist, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. 8 6 5 Bei seiner Entscheidung über die Ausführung der Ermächtigungsbeschlüsse hat sich der Vorstand ausschließlich am Unternehmensinteresse zu orientieren (vgl § 3 Abs 3 WpÜG). 8 6 6 Anderenfalls ist er möglicherweise zum Schadensersatz verpflichtet (§ 93 Abs 2 S 1). Dass gewachsene Unternehmensstrukturen durch eine Übernahme zerstört würden, ist nicht per se von Nachteil für das Unternehmen, da dies ein typischer Mechanismus des Marktes ist, um Unternehmensleitungen zu kontrollieren und Ressourcen anders zu verteilen. 867 Demgegenüber kann es im Interesse des Unternehmens liegen, wenn durch einen Erwerb eigener Aktien verhindert wird, dass ein Bieter im Falle einer Unterbewertung durch die Börse die Kontrolle zu einem niedrigen Preis erwerben kann, um sofort im Wege der Liquidation der Gesellschaft seine Übernahmekosten nebst einem Gewinn zu generieren (sog „Leveraged Buyout"; näher dazu Rdn 22 und § 71a Rdn I I ) . 8 6 8 Denn durch eine Liquidation werden die langfristigen Renditeerwartungen des Unternehmens und seiner Aktionäre beeinträchtigt. Im Rahmen eines Übernahmeangebotes ist ferner zu beachten, dass der Vorstand und die Zielgesellschaft gem § 27 WpÜG (iVm § 34 WpÜG) eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot abgeben müssen. Auf diese Weise können sie Einfluss nehmen auf das Verhalten der Aktionäre und ihnen mitteilen, ob eine Annahme des Übernahmeangebotes ratsam ist. Diese Stellungnahme der Verwaltung wird daher als „Spiegelbild" der Angebotsunterlage des Bieters bezeichnet. 869 Es handelt sich um eine Maßnahme, zu deren Ausführung die Leitungsorgane gesetzlich verpflichtet sind, und die daher nicht unter das Neutralitätsgebot des § 33 Abs 1 S 1 WpÜG fällt. ee) Handel in eigenen Aktien durch ein Tochterunternehmen der Gesellschaft. Sofern in einem Konzern nicht die Mutter-, sondern nur die Tochtergesellschaft ein Kreditinstitut ist und mithin die Voraussetzungen des § 71 Abs 1 Nr 7 erfüllt sind, dürfte die Tochter

864

865 866

KKJHirte § 33 WpÜG Rdn 114; Haarmann/Riehmer/Schiippen/Röh § 33 WpÜG Rdn 109. KKJHirte § 33 WpÜG Rdn 114. HaarmannIRiehmerlSchüppen/Röh § 33 WpÜG Rdn 109.

(167)

867

868 869

Immenga/Noll, Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S 79 ff; MiinchKomm/OecMer 258. MünchKomm/Oecfcs/er 258. Schwark/Noack Kapitalmarktrechtskommentar, § 27 WpÜG Rdn 1.

Hanno Merkt

315

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

nach dieser Ausnahmeregelung keine Aktien der Muttergesellschaft erwerben. Dies wird nicht durch eine Anwendung von § 71 Abs 1 Nr 8 ermöglicht, 870 sondern durch eine analoge Anwendung von § 71 Abs 1 Nr 7 (näher Rdn 241). 316

ff) Kurspflege (vgl auch Rdn 21). Der Erwerb eigener Aktien kann dem Zweck dienen, den Börsenkurs zu stützen. Grundsätzlich ist aus Unternehmenssicht ein stabiler Börsenkurs ohne größere Kurssprünge wünschenswert. 871 Eine kontinuierliche Kurspflege durch die Gesellschaft wird nach zutreffender Ansicht von § 71 nicht verboten (näher Rdn 277). Der Vorstand kann jedoch zu diesem Zweck regelmäßig nicht aufgrund von § 71 Abs 1 Nr 1 selbst tätig werden (näher Rdn 178) verschiedene Schadensfälle]), sondern er bedarf einer Ermächtigung durch die Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 Nr 8. Eine Kurspflege kann beispielsweise angezeigt sein, wenn der Vorstand die Gesellschaft für unterbewertet hält und daher im Wege des Kaufs eigener Aktien ein Signal für eine Kurssteigerung setzen möchte. 8 7 2 Von Bedeutung kann eine Kurspflege ferner im Falle einer Börseneinführung oder einer Neuemission von Aktien sein. In diesem Zusammenhang müssen starke Kursschwankungen oder Kursstürze vermieden werden, weil ansonsten die Emission fehlschlagen kann, was mit hohen Kosten und einem Imageverlust verbunden ist. 8 7 3 In diesen Nachteilen kann - je nach Lage des Einzelfalles - ausnahmsweise auch ein schwerer Schaden zu sehen sein mit der Folge, dass der Vorstand dann gem § 71 Abs 1 Nr 1 auch ohne Ermächtigung der Hauptversammlung tätig werden darf (näher Rdn 179).

317

gg) Legalzession schuldrechtlicher Ansprüche. Der dingliche Erwerb eigener Aktien wird nicht von § 71 Abs 1 Nr 5 (Gesamtrechtsnachfolge) zugelassen, wenn die Aktiengesellschaft einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erwerb eigener Aktien im Wege einer cessio legis erwirbt, weil die Legalzession nur den schuldrechtlichen Anspruch, nicht den dinglichen Erwerb betrifft (näher Rdn 228). Die Legalzession eines schuldrechtlichen Anspruchs wird beispielsweise von § 2 5 5 BGB oder § 67 W G bewirkt. In diesen Fällen kann jedoch eine Erwerbsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 das dingliche Rechtsgeschäft zulassen. 874

318

hh) Put- und Call-Optionen. Im Unterschied zu Aktienoptionsprogrammen, bei denen dem Dritten ein Recht eingeräumt wird, Aktien von der Gesellschaft zu erwerben, kann die Option auch umgekehrt auf einen Erwerb durch die Gesellschaft selbst gerichtet sein. Im Fall der Aktienoptionsprogramme ist die Bedienung der Option nicht an § 71 Abs 1 zu messen, da es sich hierbei um eine Veräußerung der Aktien handelt. Vielmehr stellt nur das vorher erforderliche Eindecken mit eigenen Aktien einen Erwerb iSv § 71 Abs 1 dar. Eine Option, die auf einen Erwerb der Gesellschaft iSv § 71 Abs 1 gerichtet ist, kann in Form einer Put- oder einer Call-Option vereinbart werden (näher zu diesen Begriffen Rdn 377). Als schuldrechtliches Rechtsgeschäft über den Erwerb eigener Aktien fallen diese Optionsrechte unter § 71 Abs 4 S 2 (näher Rdn 377 f). Um den späteren Erwerb durch die Gesellschaft und den Optionsvertrag zu ermöglichen, bedarf der Vorstand einer Ermächtigung der Hauptversammlung gem § 71 Abs 1 Nr 8. 8 7 5

870 871 872

So MünchKommJOecksler 261. Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 2 2 2 , 223. Claussen DB 1998, 177, 180; Escher-Weingart/Kübler Z H R 162 (1998) 537, 556; Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 2 2 2 , 2 2 3 ; Kröner/Hadzic DB 1998, 2133; Peltzer W M

873

1998, 322, 323; Posner AG 1994, 312, 314; von Rosen/Helm AG 1996, 4 3 4 , 437. Benckendorff S 217; MüncbKommlOechsler

262. 874 875

So auch MünchKomm/Oec/;s/er 2 6 0 . U\md\KommlOechsler 188.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(168)

Erwerb eigener Aktien

§71

ii) Rückabwicklung eines Übernahmevertrages nach Eintragung der Kapitalerhöhung. 3 1 9 Im Rahmen einer Aktienemission ist es üblich, dass zwischen Emittent und den Emissionsbanken Übernahmeverträge (sog Underwriting Agreements) abgeschlossen werden, mit denen sich die Emissionsbank zur Übernahme der zu platzierenden Aktien unter verschiedenen Bedingungen (§ 158 BGB) verpflichtet, insbesondere unter der Bedingung, dass eine Einigung über den Emissionspreis zustande kommt. 8 7 6 Die Banken erfüllen ihre Übernahmeverpflichtung, indem sie den Zeichnungsschein gem § 185 AktG beim Handelsregister einreichen. Sofern sich danach und noch vor dem vertraglich vereinbarten Abrechnungstag herausstellt, dass eine der Bedingungen des Underwriting Agreement nicht mehr als erfüllt anzusehen ist, sieht der Vertrag Rückerwerbspflichten des Emittenten vor. Dieser Rückerwerb eigener Aktien ist grundsätzlich gem § 71 Abs 1 N r 8 möglich. 877 Voraussetzung ist, dass das Andienungsrecht der anderen Aktionäre durch Beschluss mit einer 3 / 4 -Mehrheit ausgeschlossen wird (näher Rdn 69 ff) und dass auf die Aktien der Ausgabebetrag voll geleistet ist (§ 71 Abs 2 S 3). Ferner finden auch § 71 Abs 2 S 1 und S 2 Anwendung. jj) Verschmelzung gem § 62 UmwG. Um eine Verschmelzung im Wege der Aufnahme (§ 2 Nr 1 UmwG) unter den erleichterten Bedingungen des § 62 UmwG durchführen zu können, kann es erforderlich sein, vorab eigene Aktien zu erwerben. Diese Aktien werden anschließend, dh nach nach Wirksamwerden der Verschmelzung den kraft Gesetzes neu hinzukommenden Aktionären der übernehmenden Gesellschaft ausgehändigt, § 20 Abs 1 Nr 3 UmwG. Da § 71 Abs 1 Nr 3 in diesem Zusammenhang nach zutreffender Ansicht keine (analoge) Anwendung findet (näher Rdn 211 f), kann es zweckmäßig sein, einen vorher gefassten Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 N r 8 zum Erwerb eigener Aktien zu nutzen. 8 7 8 Dieser muss nach den allgemeinen Grundsätzen den Zweck des Erwerbs nicht benennen (näher Rdn 266 ff). Zur Ausgliederung als einen Unterfall der Spaltung siehe Rdn 208 und Rdn 230.

320

IV. Schranken des zulässigen Erwerbs (§ 71 Abs 2) 1. Allgemeines Die Voraussetzungen für einen zulässigen Erwerb eigener Aktien sind nicht allein den 3 2 1 Ausnahmetatbeständen des § 71 Abs 1 N r 1 - 8 zu entnehmen, sondern ergeben sich außerdem auch aus § 71 Abs 2: für die Erwerbstatbestände des § 71 Abs 1 Nr 1, 2, 7 und 8 gelten alle drei Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 71 Abs 2 S 1 bis 3, für den Erwerbstatbestand des § 71 Abs 1 Nr 3 gelten nur § 71 Abs 2 S 1 und 2, während für den Erwerbstatbestand des § 71 Abs 1 N r 4 ausschließlich § 71 Abs 2 S 3 Anwendung findet. Demgegenüber werden für den Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs 1 N r 5) und den Erwerb auf Grund eines Einziehungsbeschlusses (§ 71 Abs 1 Nr 6) keine zusätzlichen Zulässigkeitsanforderungen aufgestellt. Zu beachten sind gem § 71 Abs 2 die Zehn-Prozent-Schranke (S 1), die Kapitalgrenze (S 2) und das weitere Erfordernis der vollen Leistung des Ausgabebetrages auf die Aktien (S 3). Dass in § 71 Abs 2 - im Unterschied zu § 71 Abs 3 - weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen aufgestellt werden, ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut von § 71 Abs 2 S 2 und 3, wonach der

876

Näher dazu und zum folgenden Technau, AG 1998, 445 ff.

(169)

877 878

Vgl auch MünchKomm/Oecfcs/er 263. MünchKomm/OecWer 245.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

„Erwerb [..] nur zulässig" ist, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, ebenso aus § 71 Abs 4 S 2, der die Nichtigkeitsfolge nicht nur an einen Verstoß gegen Abs 1, sondern auch an einen Verstoß gegen Abs 2 knüpft. 2. Zehn-Prozent-Schranke (§ 71 Abs 2 S 1) 322

a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Die Zehn-Prozent-Schranke begrenzt den gem § 71 Abs 1 zulässigen Erwerb eigener Aktien dem Umfang nach, um die Risiken des Erwerbs zu begrenzen. So wird verhindert, dass nicht zu viele liquide Mittel auf den Rückkauf von Aktien verwendet werden (näher Rdn 10). Neben § 71 Abs 2 S 2 und S 3 dient die Norm damit der Kapitalerhaltung. 879 Außerdem wird auf diese Weise auch der Möglichkeit, das Angebot an Aktien zu verknappen und damit Einfluss auf den Börsenkurs zu nehmen, eine Grenze gesetzt. Dass § 71 Abs 2 S 1 dem unentgeltlichen Erwerb und der Einkaufskommission (§ 71 Abs 1 Nr 4), dem Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs 1 Nr 5) und dem Erwerb zur Einziehung (§ 71 Abs 1 Nr 6) auch nach Ausschöpfen der Zehn-Prozent-Schranke nicht entgegensteht, deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber diese Erwerbsarten für weniger gefährlich hält. Insbesondere im Fall des unentgeltlichen Erwerbs oder des Handelns für fremde Rechnung bei der Einkaufskommission (§ 71 Abs 1 Nr 4) geht die Gesellschaft in der Tat regelmäßig kein finanzielles Risiko ein. 8 8 0 Die Regelung wurde erstmals eingeführt durch die Notverordnung des Reichspräsidenten vom 19. September 1931 (näher Rdn 106 ff). Der Vorschlag der Kommission, den Erwerb eigener Aktien in der KapRL von 1976 bis zu einer Grenze von 2 5 % des Grundkapitals zuzulassen (vgl Art 18 Abs 1 lit d) des Entwurfs), konnte sich nicht durchsetzen. Vielmehr sieht Art 19 Abs 1 der Richtlinie ebenfalls die Begrenzung des Erwerbs eigener Aktien auf 10 % des gezeichneten Kapitals vor (näher Rdn 114). In § 71 des Aktiengesetzes von 1965 war geregelt: „Der Gesamtnennbetrag der zu den Zwecken nach Nr 1 bis 3 erworbenen Aktien darf jedoch zusammen mit dem Betrag anderer Aktien der Gesellschaft, die die Gesellschaft [...] bereits zu diesen Zwecken erworben hat und noch besitzt, zehn von Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen". Die Worte „zu diesen Zwecken" wurden durch die Aktienrechtsnovelle von 1978, die insbesondere der Umsetzung der KapRL diente, mit der Folge gestrichen, dass nunmehr auch die aufgrund eines anderen Ausnahmetatbestandes erworbenen Aktien anzurechnen sind. 881 Das bedeutet, dass ξ 71 Abs 2 S 1 zwar nur in den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 1 bis 3, 7 und 8 zur Unzulässigkeit des Erwerbs führt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Zehn-Prozent-Schranke auch bereits insoweit ausgeschöpft ist, als Aktien gem § 71 Abs 1 Nr 4 bis 6 erworben wurden. Auch an diesem Beispiel zeigt sich, dass der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie von 1976 zunächst zum Anlass nahm, den Erwerb eigener Aktien strengeren Anforderungen zu unterwerfen (näher Rdn 117 f; zur später vollzogenen Liberalisierung aufgrund der Richtlinie Rdn 125 f).

323

b) Tatbestand. Die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 71 Abs 2 S 1 findet nur auf den Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 Nr 1 bis 3, 7 und 8 Anwendung. Sofern die Zehn-Prozent-Schranke ausgeschöpft ist, können Aktien nur noch gem § 71 Abs 1 Nr 4 bis 6 erworben werden (näher dazu auch Rdn 322). Die zu erwerbenden Aktien und die sich im Besitz der Gesellschaft befindlichen Aktien dürfen zusammengerechnet die Grenze von zehn Prozent nicht überschreiten.

879 880

Hüffer 2 0 . GroßKomm/ßar« Vorauf! 2 0 ; KK/Lutter 58.

881

BT-Drucks 8/1678, S 15; KK/Lutter 52; MünchKomm/Oechsler 2 6 4 .

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(170)

Erwerb eigener Aktien

§71

aa) Besitz anderer Aktien. Entscheidend ist, in welchem Umfang die Gesellschaft eigene Aktien „noch besitzt", dh es wird nicht der wiederholte Erwerb untersagt (zur Beschränkung des Erwerbsvolumens siehe Rdn 2 6 4 ) , sondern der Besitz an eigenen A k t i e n . 8 8 2 Besitz setzt nicht, wie die § § 8 5 4 ff B G B verlangen, die tatsächliche Herrschaft über eine etwaige Aktienurkunde voraus, sondern meint lediglich, dass die Gesellschaft Inhaberin der Mitgliedschaft i s t . 8 8 3 O h n e Bedeutung ist dabei, o b die Aktien rechtmäßig oder rechtswidrig erworben w u r d e n . 8 8 4 Die Gesellschaft ist zwar nach zutreffender Auffassung nicht verpflichtet, vor dem Erwerb neuer Aktien die bereits von ihr gehaltenen Aktien zu dem jeweiligen Zweck zu verwenden (näher Rdn 1 9 9 ) . Ist aber die Grenze des § 71 Abs 2 S 1 ausgeschöpft, so ist die Gesellschaft zu einer Umwidmung der bereits gehaltenen Aktien gezwungen. 8 8 5 Z w a r stellt die Regelung nur für die Erwerbstatbestände des § 71 Abs 1 N r 1 bis 3, 7 und 8 eine weitere Zulässigkeitsvoraussetzung dar. Bei der Berechnung sind jedoch alle „anderen Aktien der Gesellschaft", dh auch die gem § 71 Abs 1 N r 4 bis 6 erworbenen Aktien, zu berücksichtigen. 8 8 6

324

b b ) Hinzurechnung weiterer Aktien. Aktien, die ein Dritter im eigenen N a m e n , jedoch für R e c h n u n g der Gesellschaft besitzt oder erwerben m ö c h t e , werden bei der Berechnung gem § 71 A b s 2 S 1 ebenfalls berücksichtigt (§ 7 1 d S 1); dies ordnet § 7 1 d S 3 ausdrücklich an (näher § 7 1 d R d n 1 7 ) . 8 8 7 Das gleiche gilt gem § 7 1 d S 2 für Aktien, die ein abhängiges oder im Mehrheitsbesitz stehendes U n t e r n e h m e n besitzt oder erwirbt. Außerdem sind auch eigene Aktien, welche die Gesellschaft in Pfand n i m m t , hinzuzurechnen (§ 7 1 e S 1 i V m § 7 1 d S 3 ) . W i r d eine Kapitalerhöhung durchgeführt und hält die Gesellschaft bereits eigene Aktien, so erhält sie für die eigenen Aktien neue Mitgliedsrechte (§ 2 1 5 A b s 1). Im Ergebnis führt die Hinzurechnung dieser neuen Aktien jedoch nicht dazu, dass sich die Beteiligungsverhältnisse ändern, dh der Anteil der eigenen Aktien a m Grundkapital bleibt g l e i c h . 8 8 8

325

Eine dem § 7 1 Abs 2 S 1 vergleichbare Z e h n - P r o z e n t - S c h r a n k e ist in § 1 9 2 Abs 3 S 1 für diejenigen bedingten Kapitalerhöhungen vorgesehen, die gem § 1 9 2 Abs 2 N r 3 zum Z w e c k e der G e w ä h r u n g von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung durchgeführt werden (näher zu A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m e n R d n 3 0 2 ff). D a s Verhältnis der beiden Vorschriften ist umstritten: N a c h einer Ansicht dürfen für die Z w e c k e eines A k t i e n o p t i o n s p r o g r a m m e s insgesamt nicht mehr als 10 % des Grundkapitals bereitgestellt w e r d e n , 8 8 9 dh die jungen Aktien aus bedingtem Kapital und die zurückgekauften eigenen Aktien sind im R a h m e n von § 71 Abs 2 S 1 zu addieren. Hingegen k o m m t es nach anderer Ansicht bei der Anwendung von § 71 Abs 2 S 1 nicht zur Anrechnung derjenigen Aktien, die aufgrund einer bedingten Kapitalerhöhung geschaffen w u r d e n . 8 9 0 § 71 Abs 2 S 1 dient der Kapitalerhaltung und verhindert insbesondere einen übermäßigen Abfluss liquider Mittel (näher R d n 3 2 2 ) . Werden gem §§ 1 9 2 ff neue Aktien geschaffen, so droht gerade kein Abfluss liquider M i t t e l . § 1 9 3 Abs 3 S 1 ver-

326

KYJLutter 53. KYJLutter 53; ZiliasILanfermann WPg 1980, 62 in Fn 2. 8 8 4 KKILutter 53. 8 8 5 KKILutter 53. 8 8 6 BT-Drucks 8/1678, S 15; KKJLutter 52; MiinchKomm/Oecfcs/er 266. 887 vgl dazu und zum Folgenden Hüffer 21; KKILutter 55; MünchKomm/Oechsler 266. 882

888

883

(171)

889

890

GroßKomm/ßarz Voraufl 17; Baumbach/ Hueck 10; KKILutter 56; MünchKomm/ Oechsler 266. Hoffmann-Becking in: Bühler/Siegert, Unternehmenssteuerung und Anreizsysteme, 1999, S 109, 126. Mutter ZIP 2002, 295, 296.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

hindert vielmehr einen zu starken Verwässerungseffekt für die A l t a k t i o n ä r e . 8 9 1 Diese unterschiedlichen Regelungsziele sprechen gegen eine Anrechnung. Ein Aktienoptionsp r o g r a m m k a n n daher insgesamt bis zu 2 0 % des Grundkapitals umfassen. 327

cc) Zehn vom Hundert des Grundkapitals. Die H ö h e des Grundkapitals entspricht dem nach § 2 6 6 Abs 3 A I H G B auf der Passivseite auszuweisenden gezeichneten K a p i t a l . 8 9 2 Umstritten ist, zu welchem Z e i t p u n k t die Z e h n - P r o z e n t - S c h r a n k e eingehalten werden muss (näher R d n 3 6 3 ) . Kapitalerhöhungen ( § § 1 8 2 ff) und -herabsetzungen ( § § 2 2 2 ff) verändern die Grundkapitalziffer und k ö n n e n daher zur Folge h a b e n , dass sich der Anteil, der auf die gehaltenen Aktien entfällt, v e r ä n d e r t . 8 9 3 Diese Kapitalveränderungen werden entweder mit ihrer Eintragung ins Handelsregister (vgl § § 189, 2 0 3 A b s 1, 2 1 1 , 2 2 4 , 2 3 8 ) oder m i t der Ausgabe der Aktien (§ 2 0 0 ) w i r k s a m . Bedingtes ( § § 1 9 2 ff) oder genehmigtes Kapital (§§ 2 0 2 ff) ist nach allgemeiner Ansicht nicht zum Grundkapital hinzuzurechnen, solange die M a ß n a h m e nicht durchgeführt w u r d e . 8 9 4 D a r ü b e r hinaus sind bislang nicht erbrachte Einlagen nicht in Abzug zu b r i n g e n . 8 9 5 D a f ü r spricht der W o r t l a u t ( „ G r u n d k a p i t a l " ) , der auf § 6 Bezug n i m m t (näher R d n 3 3 1 ) . 3 . Kapitalgrenze (§ 71 Abs 2 S 2 )

328

a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Indem § 71 Abs 2 S 2 für den E r w e r b voraussetzt, dass die nach § 2 7 2 Abs 4 H G B vorgeschriebenen R ü c k l a g e n für eigene Aktien aus ausschüttbaren M i t t e l n gebildet werden, dient die N o r m der Kapitalerhaltung und dem Gläubigerschutz. 8 9 6 D u r c h diese sog Kapitalgrenze wird sichergestellt, dass eigene Aktien nicht mit dem durch Gesetz und Satzung gebundenen Vermögen, sondern nur mit freien M i t t e l n erworben w e r d e n . 8 9 7 D e m liegt die Überlegung zugrunde, dass der als Gegenleistung für den E r w e r b eigener Anteile gezahlte Kaufpreis - wie eine Dividendenzahlung - wirtschaftlich eine gem § 5 7 unzulässige Teilrückzahlung des gezeichneten Kapitals darstellen k a n n . 8 9 8

329

Die Regelung wurde aufgrund von Art 19 A b s 1 lit c) und Art 15 A b s 1 lit a) der K a p R L von 1 9 7 6 durch die Aktienrechtsnovelle von 1 9 7 8 geschaffen (näher zur R i c h t linie R d n 114 ff). G e m Art 19 A b s 1 lit c) darf der E r w e r b nicht dazu führen, dass das N e t t o a k t i w e r m ö g e n den in Artikel 15 Abs 1 lit a) genannten Betrag unterschreitet. N a c h A r t 15 A b s 1 lit a) darf keine Ausschüttung an die Aktionäre erfolgen, wenn bei Abschluss des letzten Geschäftsjahres das N e t t o a k t i v v e r m ö g e n , wie es der Jahresabschluss ausweist, den Betrag des gezeichneten Kapitals zuzüglich der R ü c k l a g e n , deren Ausschüttung das Gesetz oder die Satzung nicht gestattet, durch eine solche Ausschüttung unterschreitet oder unterschreiten würde.

330

b) N a c h § 2 7 2 Abs 4 H G B vorgeschriebene Rücklage. Die Regelungen des § 2 7 2 Abs 4 H G B und des § 2 6 6 Abs 3 H G B führen zu einer Neutralisierung der eigenen Aktien in der Bilanz (näher R d n 3 9 3 ) . § 71 Abs 2 S 2 knüpft an die Regelung des § 2 7 2

891 892

893 894

895

Mutter ZIP 2 0 0 2 , 295, 296. Hüffer 21; KKILutter 54; MünchKomm/ Oechsler 265. MünchKomm/Oechsler 265. GroßKomm/Barz Voraufl 17; KK/Lutter 54; MünchKomm/Oechsler 265. Baumbach/Hueck 10; KK/Lutter 54; MünchKomm/Oechsler 265.

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BT-Drucks 13/9712, S 14. KK/Lutter 57; Zilias/Lanfermann WPg 1980, 64. MünchKomm/Beater, § I I I HGB Rdn 62; Lutter AG August-Sonderheft 1997, 52, 56; MünchKomm/Oechsler 271.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Abs 4 H G B tatbestandlich an und sieht für den Fall, dass die Rücklage nicht mit frei verfügbaren Mitteln gebildet wurde, die Unzulässigkeit des Erwerbs vor (§ 71 Abs 4 S 2 ; § 71c). Demgegenüber muss in den Fällen des § 2 7 2 Abs 1 S 4 und 5 keine Rücklage iSv § 2 7 2 Abs 4 gebildet werden (näher Rdn 3 9 6 ) . Daher findet § 71 Abs 2 S 2 insoweit keine Anwendung. c) Bildung der Rücklage ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern. Die Rücklage muss gem § 71 Abs 2 S 2 gebildet werden können, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwendet werden darf, zu mindern. Mit dem Begriff des Grundkapitals ist - wie im Falle des § 71 Abs 2 S 1 - das gezeichnete Kapital iSv § 2 6 6 Abs 3 A I H G B gemeint. Die gesetzliche Rücklage wird in § 2 6 6 Abs 3 Α III N r 1 H G B und die satzungsmäßige Rücklage in § 2 6 6 Abs 3 Α III N r 3 H G B geregelt. Ein Beispiel für eine gesetzliche Rücklage stellt § 1 5 0 dar. Die in § 2 6 6 Abs 3 Α III N r 4 H G B genannten anderen Gewinnrücklagen werden von § 71 Abs 2 S 2 nicht erwähnt und können daher zur Bildung der für die eigenen Anteile erforderlichen Rücklage herangezogen werden. 8 9 9 Die Finanzierung des Rückkaufs eigener Aktien kann daher nur aus dem Jahresüberschuss, der Auflösung von freien, dh nicht satzungsmäßig gebundenen Gewinnrücklagen und ähnlichen frei liquidierbaren Reserven erfolgen. 9 0 0 Die Formulierung des Gesetzes („bilden k a n n " ) trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht im Zeitpunkt des Erwerbs eigener Aktien, sondern erst bei der Aufstellung des Jahresabschlusses eine Rücklage gebildet werden k a n n . 9 0 1 Die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien muss nach der Systematik des Gesetzes im Zeitpunkt des Erwerbs beurteilt werden (näher Rdn 194). Daher muss der Vorstand in diesem Zeitpunkt nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, o b eine solche Rücklage gebildet werden könnte. Umstritten ist jedoch, zu welchem Zeitpunkt die Bildung der Rücklage möglich sein muss. Während nach einer Ansicht der Vorstand im Zeitpunkt des Erwerbs beurteilen muss, ob unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklung bis zum nächsten Abschlussstichtag genügend freie Mittel vorhanden sein w e r d e n , 9 0 2 ist nach einer anderen Ansicht entscheidend, ob die geforderte Rücklage im Zeitpunkt des Erwerbs gebildet werden könnte, sofern in diesem Zeitpunkt ein Jahresabschluss zu erstellen w ä r e . 9 0 3 Die Gesetzesbegründung, wonach für den Zeitpunkt des Erwerbs ein Zwischenabschluss aufzustellen ist, für den die allgemeinen Bewertungsgrundsätze gelten, 9 0 4 spricht dafür, dass es - entsprechend der zweiten Ansicht - auf den Vermögensstand der Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs eigener Aktien ankommt. Der Vorstand ist jedoch - insoweit mag diese Gesetzesbegründung missverständlich sein - nicht verpflichtet, einen Zwischenabschluss nach den Regeln über den Jahresabschluss aufzustellen, sondern es genügt, dass er im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens ( § 9 3 ) beurteilt, ob eine entsprechende Rücklagenbildung möglich ist (bloßer fiktiver Zwischenabschluss). 9 0 5 Eine Pflicht zur tatsächlichen Aufstellung eines Zwischenabschlusses - wie zB in § 2 9 9 Abs 2 H G B für den Konzernabschluss vorgesehen - hat der Gesetzgeber

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So im Ergebnis auch MünchKomm/Oechsler 275. MiinchKomm/Oec/js/er 271. MünchKomm/Oec/w/er 274; vgl dazu auch KK/Lutter 57. Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 6; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 34; KKJLutter 57.

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MünchKomm/Oec/>s/er 57. BT-Drucks 8/1678, S 15 Ii Sp. So im Ergebnis die allgemeine Ansicht, KK/Lutter 57; Müller, WPg 1978, 565, 571; MünchKomm/Oechsler 274.

Hanno Merkt

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§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

nicht geregelt. Sofern die Rücklage im nächsten Jahresabschluss tatsächlich nicht aus freien Mitteln gebildet werden kann, wird der Erwerb eigener Aktien nicht nachträglich unzulässig (näher dazu bereits Rdn 194). 9 0 6 332

Führt die Gesellschaft den Rückerwerb gegen Ratenzahlung durch, ergeben sich im Hinblick auf § 71 Abs 2 S 2 nach zutreffender Ansicht keine Besonderheiten. Im USamerikanischen Recht wird diese Gestaltungsform häufig gewählt (sog Installment Repurchase). 507 Ein solcher Rückerwerb kann insbesondere für kleine Gesellschaften von Bedeutung sein, wenn einer der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden möchte, die Gesellschaft aber ihre finanzielle Liquidität nicht durch die sofortige Auszahlung des gesamten Kaufpreises beeinträchtigen möchte. 9 0 8 Nach einer Ansicht muss die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 71 Abs 2 S 2 nicht nur im Zeitpunkt des Erwerbs, sondern auch bei der Entrichtung aller Teilraten erfüllt sein. Zur Begründung wird auf die Parallele zu § 110 BGB verwiesen. 909 Nach zutreffender anderer Auffassung muss jedoch lediglich zum Zeitpunkt des Erwerbs eigener Aktien die nach § 272 Abs 4 HGB vorgeschriebene Rücklage gem § 71 Abs 2 S 2 aus freien Mitteln gebildet werden können. 910 Dafür spricht die Systematik des § 71 Abs 1 und des Abs 2, wonach die Zulässigkeitsvoraussetzungen immer im Zeitpunkt des Erwerbs vorliegen müssen (näher Rdn 194). Sofern die Rücklagen zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr aus freien Mitteln gebildet werden können, wird der Erwerb nicht nachträglich unzulässig.

333

d) Berücksichtigung von gem § 71a Abs 1 S 2 erlaubten Geschäften. Gem § 71a Abs 1 S 2 sind Finanzierungsgeschäfte und Sicherheitsleistungen, die von Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten zum Zwecke des Erwerbs eigener Aktien gewährt werden, sowie Finanzierungsgeschäfte und Sicherheitsleistungen, die den Erwerb von Belegschaftsaktien bezwecken, ausnahmsweise erlaubt. In diesen Fällen muss jedoch gem § 71a Abs 1 S 2 2. HS - wie bei § 71 Abs 2 S 2 - die Kapitalgrenze beachtet werden. Bei der Frage, ob die Kapitalgrenze gem § 71 Abs 2 S 2 gewahrt ist, müssen auch alle von der Gesellschaft gem § 71a Abs 1 S 2 vorgenommen Rechtsgeschäfte mitberücksichtigt werden (näher zu § 71a Abs 1 S 2 siehe § 71a Rdn 62 ff). 911

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e) Verhältnis zu § 58. Gem § 58 Abs 2 S 1 können Vorstand und Aufsichtsrat nur über die Verwendung von höchstens der Hälfte des Jahresüberschusses entscheiden. Über die Verwendung der anderen Hälfte entscheidet die Hauptversammlung (vgl § 58 Abs 3 S 1). Diese sog Hälfte-Regelung dient dem Ausgleich der Interessen der Leitungsorgane an der Selbstfinanzierung des Unternehmens und der Interessen der Aktionäre an einer angemessenen Kapitalrendite. 912 Nach § 58 Abs 1 S 3 sind Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, vorab vom Jahresüberschuss abzuziehen. Die Rücklage für die eigenen Aktien nach § 272 Abs 4 HGB ist keine solche gesetzliche Rücklage und muss daher nicht vorab vom Jahresüberschuss abgezogen werden (vgl § 2 6 6 Abs 3 Α III 1. und 2. HGB). 9 1 3 Da der Vorstand gem § 58 Abs 1 S 2 (höchstens) die eine Hälfte des

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KKILutter § 71a Rdn 12, nach dessen Ansicht im Rahmen der Prüfung von § 7 1 a Abs 1 S 2 2 . HS - und folglich auch im Rahmen von § 71 Abs 2 S 2 - vorher getätigte Finanzierungsgeschäfte unbeachtlich sind.

KKILutter 5 7 ; M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 2 7 4 ; Ζ i l i a s / L a n f e r m a n n W P g 1 9 8 0 , 61, 65. Benckendorff S 1 3 9 ff. Benckendorff S 231. So offenbar MünchKomm1 Oechsler 2 7 7 . Benckendorff S 2 3 1 f. M ü n c h K o m m / O e c / ; s / e r 2 7 8 ; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, 1 9 9 5 , S 2 2 5 f; anders offenbar

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Hüffer § 5 8 Rdn 1 ff. Benckendorff S 2 2 9 ; KK!Lutter Rdn 2 8 .

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

§ 58

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Erwerb eigener Aktien

§71

Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen kann, muss eine gem § 2 7 2 Abs 4 H G B erforderliche Rücklage dann gegebenenfalls auch aus der anderen Hälfte, über deren Verwendung die Hauptversammlung befinden darf, gebildet werden. 9 1 4 Teilweise wird daher in rechtspolitischer Hinsicht kritisiert, dass der Vorstand durch den Rückerwerb eigener Aktien die Höhe des ausschüttungsfähigen Gewinns beeinflussen könne, wodurch der von § 58 bezweckte Interessenausgleich beeinträchtigt werde. 9 1 5 Diese Bedenken sind jedoch nicht überzeugend. Vielmehr lassen sich § 71 und § 5 8 miteinander in Einklang bringen. 9 1 6 Im Falle des § 71 Abs 1 Nr 8 ist zu bedenken, dass der Rückerwerb eigener Aktien einen Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung voraussetzt, weshalb der Vorstand nicht einseitig den ausschüttungsfähigen Gewinn verringern k a n n . 9 1 7 Außerdem wird in den Fällen, in denen die Aktien später wieder veräußert (zB im Fall des § 71 Abs 1 Nr 2) oder eingezogen werden (vgl § 71 Abs 1 Nr 6), die Rücklage gem § 158 Abs 1 Nr 3b AktG, § 2 7 2 Abs 4 S 2 H G B wieder aufgelöst und damit zu diesem späteren Zeitpunkt der ausschüttungsfähige Gewinn erhöht, dh die in die Rücklage für eigene Aktien einzustellenden Beträge werden der Hauptversammlung nicht auf Dauer entzogen. 9 1 8 Von entscheidender Bedeutung ist schließlich, dass der in § 5 8 geregelte Interessenausgleich zwischen Selbstfinanzierung und Gewinnausschüttung von § 71 grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird, da der Rückerwerb eigener Aktien auch eine Alternative zur Dividendenausschüttung darstellen kann (näher Rdn 1 2 0 ) . 9 1 9 Denn aufgrund des Andienungsrechts (näher Rdn 6 9 ff) dürfen grundsätzlich alle Aktionäre einen Teil ihrer Aktien an die Gesellschaft verkaufen. 4 . Voll geleisteter Ausgabebetrag (§ 71 Abs 2 S 3) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Werden nicht voll eingezahlte Aktien erworben, so wird die Gesellschaft sowohl Gläubiger als auch Schuldner der nicht erfüllten Einlageforderung. Folglich geht die Forderung unter (Konfusion). 9 2 0 Dadurch würde die Kapitalaufbringung gefährdet. 9 2 1 Dem Schutz des Kapitals dient beispielsweise das Befreiungs- und Aufrechungsverbot (§ 66 Abs 1). Außerdem würde derjenige Aktionär, der von seiner Einlagepflicht befreit würde, bevorzugt. Eine solche Ungleichbehandlung wird durch die Vorschrift von vornherein ausgeschlossen. 922 In der Gesetzesbegründung wird ferner darauf hingewiesen, dass § 71 Abs 2 S 3 auch dem Schutz der späteren Erwerber der Aktien - im Falle des § 71 Abs 1 Nr 2 dem Schutz der Arbeitnehmer - dient, „an die nur voll eingezahlte Aktien einer gesunden Gesellschaft ausgegeben werden s o l l t e n . " 9 2 3 Die späteren Erwerber der Aktien sind nicht bereits dadurch ausreichend geschützt, dass die Einlageforderung durch Konfusion erloschen ist; denn für Forderungen, die dem Wertpapierrecht unterliegen, ist anerkannt, dass sie ausnahmsweise durch die spätere Veräußerung der

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Benckendorff S 229 f. Hüffer NJW 1979, 1065, 1069; KKILutter § 58 Rdn 28; ders FS Ferid, 1978, S 599, 604; Müller, WPg 1978, 565, 570 f; kritisch auch Hüffer 21. Benckendorff S 229 ff; MünchKomm/ Oechsler 272. Benckendorff S 230; MünchKommJ Oechsler 272. Benckendorff S 230 f; MünchKomm/ Oechsler 272.

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Benckendorff S 231. Näher zur Konfusion Staudinger/O/ze« (2000) Einl zu §§ 362 ff Rdn 25 ff. Zur ratio legis Baumbach/Hueck 11; Hüffer 20; KKILutter 32 und 58; MünchKomm/ Oechsler 280; Schlegelberger/Quassowski § 65 Rdn 10. KKILutter 58. BT-Drucks 8/1678, S 15 re Sp; vgl dazu auch MünchKomm/Oechsler 280.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Aktie an die Arbeitnehmer wieder aufleben würden. 924 Die ratio legis der Bestimmung wurde bereits in der Gesetzesbegründung zur Aktienrechtsnovelle von 1870 erläutert: „Der Ankauf von nur teilweise eingezahlten Aktien fällt hinsichtlich des Erlasses des noch schuldigen Betrages unter den Begriff einer Rückzahlung an die Aktionäre" 9 2 5 (näher Rdn 195 ff). Auch in § 226 Abs 2 S 2 des Handelsgesetzbuches von 1897 wurde eine entsprechende Regelung aufgenommen (näher Rdn 102 ff). 336

b) Tatbestand. § 71 Abs 2 S 3 findet nur Anwendung auf die Ausnahmetatbestände des § 71 Abs 1 Nr 1, 2, 4, 7 und 8. Der Ausgabebetrag muss voll geleistet sein. Die Anforderungen an die Leistungen ergeben sich bis zur Eintragung der Gesellschaft aus § 54 Abs 3 und nach der Eintragung aus §§ 362 ff BGB. 926 Der Ausgabebetrag entspricht grundsätzlich bei Nennbetragsaktien dem Nennbetrag (§ 8 Abs 2) und bei Stückaktien dem auf sie anteilig entfallenden Betrag des Grundkapitals (§ 8 Abs 3 S 2). Gem § 9 Abs 2 ist es zulässig, die Aktien zu einem höheren Betrag als dem Nennbetrag bei Nennbetragsaktien oder dem anteiligen Betrag des Grundkapitals bei Stückaktien auszugeben (Überpariemission): 927 Der Differenzbetrag (Agio) muss im Rahmen von § 71 Abs 2 S 3 ebenfalls geleistet worden sein. 928 An der vollen Leistung des Ausgabebetrages fehlt es, wenn die Leistung dem Vorstand der Gesellschaft nicht frei zur Verfügung steht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn - wie zum Teil in der Praxis im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen üblich - eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird, bei der ein Finanzdienstleistungsinstitut Aktien zum Börsenkurs zeichnet und sich die Gesellschaft von vornherein verpflichtet hat, die Aktien vom Zeichner gem § 71 Abs 1 N r 2 oder N r 8 zurückzuerwerben. 9 2 9

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c) Erfordernis einer vollständigen Leistung aufgrund von § 237 Abs 3. Dass im Falle der Erwerbs auf Grund eines Einziehungsbeschlusses (§ 71 Abs 1 Nr 6) § 71 Abs 2 S 3 keine Anwendung findet, ist gerechtfertigt, da der Gläubigerschutz bereits nach den Vorschriften der Kapitalherabsetzung durch Einziehung ausreichend gewährleistet wird: Im ordentlichen Einziehungsverfahren ist den Gläubigern gem § 237 Abs 2 S 1 iVm § 225 unter gewissen Voraussetzungen Sicherheit zu leisten. Das vereinfachte Einziehungsverfahren setzt - wie auch § 71 Abs 2 S 3 - voraus, dass auf die Aktien der Ausgabebetrag voll geleistet wurde (§ 237 Abs 3). 9 3 0 5. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 2

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Wird ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft über den Erwerb eigener Aktien in einem Umfang abgeschlossen, der die Zehn-Prozent-Schranke des § 71 Abs 2 S 1 oder die Kapitalgrenze des § 71 Abs 2 S 2 überschreitet, oder ist auf die Aktien der Ausgabebetrag nicht voll geleistet (§ 72 Abs 2 S 3), so ist das Rechtsgeschäft nichtig (§ 71 Abs 4 S 2). Das dingliche Rechtsgeschäft ist gem § 71 Abs 4 S I trotzdem wirksam (näher Rdn 361 ff). Schadensersatzansprüche der Aktionäre oder eines außenstehenden Dritten können sich nicht aus § 823 Abs 2 BGB ergeben, da die Regelungen des § 71 Abs 2 keine Schutzgesetze dar-

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Vgl dazu Staudinger/Olzen (2000) Einl zu §§ 362 ff Rdn 32 f lmwN. Motive für den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Aktiengesellschaften im Gebiete des Norddeutschen Bundes, Drucks Nr 86/1869 des Bundesraths des Norddeutschen Bundes, S 28.

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Hüffer Hüffer Hüffer 929 Näher 930 Yg| 927 928

Stand: 1.11.2007

% 54 Rdn 11. § 9 Rdn 8. 20. dazu Tollkühn N Z G 2004, 594 ff. a u c ^ MiinchKomra/Oecfcs/er 281.

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Erwerb eigener Aktien

§71

stellen. Denkbar ist allenfalls eine Haftung des Vorstands und der Gesellschaft gern § 826 (iVm § 31) BGB (näher Rdn 384). Unklar ist, welche Auswirkungen sich für einen Beschluss daraus ergeben, dass seine 3 3 9 Durchführung gegen eine Regelung des § 71 Abs 2 verstößt. Dies betrifft sowohl die Ermächtigungsbeschlüsse gem § 71 Abs 1 Nr 7 und Nr 8, als auch Umwandlungs- und Delistingbeschlüsse, die einen Rückerwerb eigener Aktien gern § 71 Abs 1 Nr 3 nach sich ziehen (näher dazu Rdn 216). Nach allgemeiner Ansicht wird danach differenziert, ob zum Zeitpunkt der Beschlussfassung absehbar ist, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs 2 S 1 - 3 nicht eingehalten werden können: 931 Sofern nicht erkennbar ist, ob gegen § 71 Abs 2 verstoßen wird oder nicht, ist der Beschluss rechtmäßig. Ist hingegen bereits bei Beschlussfassung zu erwarten, dass der geplante Rückerwerb eigener Aktien gegen § 71 Abs 2 verstößt, so sind die Auswirkungen auf den Beschluss umstritten: Während nach einer Ansicht der Beschluss lediglich rechtswidrig und damit anfechtbar ist (§§ 243 ff), 932 ist der Beschluss nach einer anderen Auffassung zu Recht als nichtig anzusehen (§ 241 Nr 3). 9 3 3 Die Nichtigkeit ist die schneidigere Rechtsfolge, weil der Beschluss auch ohne Anfechtung keine Rechtwirkungen entfaltet. Solange demgegenüber ein rechtswidriger Beschluss nicht angefochten und durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt wird (§§ 241 Nr 5, 243 ff), ist der Beschluss wirksam. Ist die einmonatige Anfechtungsfrist gem § 246 Abs 1 verstrichen, ohne dass Anfechtungsklage erhoben wurde, oder wird die Anfechtungsklage abgewiesen, so wird der Beschluss gesetzmäßig und muss von den Organen der Gesellschaft grundsätzlich ausgeführt werden. 9 3 4 Gem § 241 Nr 3 ist ein Beschluss nichtig, wenn er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend dem Schutze der Gläubiger der Gesellschaft gewidmet sind. Es genügt also, wenn der Gläubigerschutz das dominante Regelungsziel darstellt. 935 Die Regelungen des § 71 Abs 2 S 1 - 3 dienen vor allem der Kapitalerhaltung (näher Rdn 322, 328, 335). Die Bedeutung der Norm im Konzept der Kapitalerhaltung ergibt sich systematisch auch aus § 57 Abs 1 S 2, wonach ein zulässiger Erwerb eigener Aktien nicht als verbotene Rückgewähr von Einlagen iSv § 57 Abs 1 S 1 anzusehen ist. Ein Verschmelzungsbeschluss (§ 13 UmwG) ist beispielsweise rechtmäßig, wenn eine GmbH auf eine Aktiengesellschaft verschmolzen wird, die bislang keine eigenen Aktien erworben hat, wenn nach der Verschmelzung 15 % ihrer Aktien von bisherigen GmbHGesellschaftern gehalten werden. Es muss regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass alle Neuaktionäre von ihrem Austrittsrecht gem § 29 Abs 1 S 1 UmwG (Mischverschmelzung) Gebrauch machen und dass damit die Zehn-Prozent-Schranke des § 71 Abs 2 S 1 überschritten wird. Sofern sich im Nachhinein herausstellt, dass die Grenzen des § 71 Abs 2 nicht eingehalten werden kann, wird der Beschluss nicht nachträglich nichtig. 936

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OLG M ü n c h e n , N Z G 2 0 0 2 , 6 7 8 , 6 7 9 ; Lutter/Decher § 2 0 7 U m w G R d n 18; Lutter/Grunewald § 2 9 U m w G Rdn 24; Semler/Stengel/Kalss § 2 0 7 U m w G Rdn 10; Kallmeyer/Marsch/Barner § 29 UmwG Rdn 27; Kallmeyer-Meister/Klöckner § 207 U m w G R d n 35; M ü n c h K o m m / O g c ^ s / e r 139, 143. OLG M ü n c h e n , N Z G 2 0 0 2 , 6 7 8 , 6 7 9 in Leitsatz 2; Lutter/Decher § 207 UmwG Rdn 18; Lutter/Grunewald § 29 UmwG Rdn 2 4 ; Hellwig, Z G R 1999, 781, 8 0 0 ; Kallmeyer-Meister/Klöckner § 207 UmwG

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Rdn 35; Semler/Stengel-Kalss § 207 UmwG Rdn 10; Kallmeyer-Marsch/Barner § 29 U m w G Rdn 27. Hüffer § 2 4 1 Rdn 17; MünchKommAiers $ 241 Rdn 55; UünchKomm/Oechsler 139, 143, 2 7 0 ; Semler M ü n c h H d b AG, § 41 Rdn 17. Hüffer § 2 4 3 Rdn 50; M ü n c h K o m m / H « / f c r § 2 4 3 Rdn 123. M ü n c h K o m m / H ü f f e r § 2 4 1 Rdn 5 5 ; Semler M ü n c h H d b AG § 41 Rdn 17. MünchKomm/Oechsler 139.

H a n n o Merkt

340

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

V. Pflichten nach dem Erwerb (§ 71 Abs 3) 341

1. Allgemeines. § 71 Abs 3 regelt besondere Pflichten, die nach dem Erwerb eigener Aktien zu beachten sind: § 71 Abs 3 S 1 gilt für den Erwerb zur Schadensabwehr (§ 71 Abs 1 Nr 1) und für den Erwerb aufgrund eines Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung (§ 71 Abs 1 Nr 8). § 71 Abs 3 S 2 findet Anwendung nach dem Erwerb von Belegschaftsaktien (§ 71 Abs 1 Nr 2). Schließlich betrifft § 71 Abs 3 S 3 den Erwerb gem § 71 Abs 1 Nr 8. Die in § 71 Abs 3 geregelten Pflichten stellen keine Zulässigkeitsvoraussetzungen dar. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass § 71 Abs 3 nicht wie § 71 Abs 1 („darf [...] nur erwerben") oder § 71 Abs 2 S 2 und 3 (der Erwerb ist „nur zulässig") formuliert wurde. Außerdem spricht § 71 Abs 4 nur von einem „Verstoß gegen die Absätze 1 oder 2 " . Schließlich würde es der Systematik des § 71 widersprechen, die zeitlich nachfolgenden Pflichten als Zulässigkeitsvoraussetzungen zu normieren, da die Zulässigkeit des Erwerbs generell im Zeitpunkt des Erwerbs festgestellt wird (näher Rdn 194). Ein Verstoß gegen § 71 Abs 3 führt also nicht zur Nichtigkeit des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts (§ 71 Abs 4 S 2) und grundsätzlich auch nicht zur Veräußerungspflicht gem § 71c Abs 1 (zur Ausnahme einer analogen Anwendung von § 71c Abs 1 siehe Rdn 194). Allerdings verletzt der Vorstand die Sorgfaltspflicht gem § 93 Abs 1 S 1, S 2 und kann daher zum Schadensersatz verpflichtet sein. 2. Berichtspflicht des Vorstands (§ 71 Abs 3 S 1)

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a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Die Berichtspflicht beruht - soweit § 71 Abs 3 S 1 sich auf § 71 Abs 1 Nr 1 bezieht - auf Art 19 Abs 2 S 2 der KapRL von 1976. Art 19 Abs 2 der Richtlinie lautet wie folgt: „Die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats können von Absatz 1 Buchstabe a) S 1 abweichen, sofern der Erwerb eigener Aktien notwendig ist, um einen schweren unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. In diesem Fall muß die nächste Hauptversammlung durch das Verwaltungs- oder Leitungsorgan über die Gründe und den Zweck der getätigten Ankäufe, über die Zahl und den Nennbetrag oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, den rechnerischen Wert der erworbenen Aktien, über deren Anteil am gezeichneten Kapital sowie über den Gegenwert der Aktien unterrichtet werden."

Durch die Aktienrechtsnovelle von 1978 wurde diese Pflicht zunächst - wie von der Richtlinie vorgesehen - nur für den Erwerb zur Schadensabwehr (§ 71 Abs 1 Nr 1) geschaffen. Die Gesetzesbegründung von 1978 bezeichnet die Berichtspflicht des Vorstands gegenüber der nächsten Hauptversammlung (Art 19 Abs 2 S 2 der Richtlinie) als „Gegenstück zur Ermächtigung der Hauptversammlung", wie sie von Art 19 Abs 1 der Richtlinie zugelassen wird. 9 3 7 § 71 Abs 3 S 1 bezweckt also einen Ausgleich für die fehlende Mitwirkung der Hauptversammlung im Vorfeld des Erwerbs eigener Aktien - die Schadensabwehr darf gem § 71 Abs 1 Nr 1 allein vom Vorstand durchgeführt werden dadurch, dass sie zumindest nachträglich informiert wird. 9 3 8 Dies ist bei den Ausnahmetatbeständen des § 71 Abs 1 Nr 2 - 6 zwar auch der Fall. Im Unterschied zu diesen Tatbeständen, die jeweils nur einige wenige Sachverhalte erfassen, ermächtigt indes § 71

937 938

BT-Drucks 8 / 1 6 7 8 , S 15 Ii Sp. Anders offenbar MünchKomm/Oechsler 2 8 2 , der die Gesetzesbegründung sachlich für nicht korrekt hält. Dabei wird aber übersehen, dass der Gesetzgeber von 1978

die Berichtspflicht zunächst nur für den Erwerb zur Schadensabwehr schuf. Der Erwerb aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses (heute: § 71 Abs 1 N r 8) war zunächst noch nicht vorgesehen.

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

A b s 1 N r 1 den Vorstand generalklauselartig zur A b w e h r jeglicher Schäden. D a h e r ist die Wahrscheinlichkeit des M i s s b r a u c h s durch den Vorstand bei diesem Tatbestand deutlich höher. Als der Gesetzgeber im Jahre 1 9 9 8 § 71 Abs 1 N r 8 schuf und damit von der in Art 19 Abs 1 vorgesehenen M ö g l i c h k e i t G e b r a u c h m a c h t e , den E r w e r b eigener Aktien aufgrund einer Ermächtigung der H a u p t v e r s a m m l u n g zu gestatten (näher R d n 2 5 5 ff), wurde die Berichtspflicht des § 7 1 A b s 3 S 1 auf diesen Fall erstreckt. D a m i t ging der deutsche Gesetzgeber über das von der Richtlinie geforderte Schutzniveau hinaus. Für den Fall des Erwerbs aufgrund einer Ermächtigung der H a u p t v e r s a m m l u n g hätte es gem Art 2 2 A b s 2 der Richtlinie genügt, dass die entsprechenden Angaben im Lagebericht genannt werden (vgl dazu § 1 6 0 A b s 1 N r 2 ; näher dazu R d n 3 5 0 ) . Die Gesetzesbegründung aus dem J a h r e 1 9 7 8 (Rdn 3 4 2 ) trägt diese Erweiterung der Berichtspflicht offensichtlich nicht, da im Falle des § 7 1 Abs 1 N r 8 die H a u p t v e r s a m m l u n g gerade vor dem E r w e r b eigener Aktien mitwirken muss. D a r ü b e r hinausgehende Anhaltspunkte für die ratio legis sind der Begründung nicht zu entnehmen. D e r Gesetzgeber führt lediglich aus, aus der A u f n a h m e der N u m m e r 8 in § 71 Abs 3 S 1 ergebe sich für den Vorstand in der nächsten Hauptversammlung eine entsprechende Berichtspflicht. 9 3 9 Im Wege eines Ermächtigungsbeschlusses gem § 71 A b s 1 N r 8 kann dem Vorstand eine sehr viel weiter reichende K o m p e t e n z eingeräumt werden als durch die Ausnahmetatbestände des ξ 71 Abs 1 N r 1 - 6 , weil die H a u p t v e r s a m m l u n g keinerlei Z w e c k v o r g a b e n in dem Beschluss aufnehmen muss (näher R d n 2 6 6 ff). D e r Regelungszweck von § 7 1 Abs 3 S 1 lässt sich daher überzeugend darin sehen, dass eine solche weitreichende K o m p e t e n z des Vorstands nur gerechtfertigt ist, wenn eine entsprechende nachfolgende K o n t r o l l e durch die Hauptversammlung gewährleistet ist. So hat der Vorstand gem § 71 Abs 3 S 1 die nächste H a u p t versammlung insbesondere über den Z w e c k des E r w e r b s zu unterrichten. Die beiden in § 71 Abs 3 S 1 geregelten Fälle - § 71 A b s 1 N r 1 und N r 8 - weisen also insoweit eine Parallele auf, als in diesen zwei Fällen ein erhöhtes R i s i k o besteht, dass der Vorstand die ihm eingeräumte K o m p e t e n z missbraucht.

343

b ) T a t b e s t a n d . D e r E r w e r b muss auf § 7 1 A b s 1 N r 1 oder N r 8 beruhen. Außerdem besteht die Berichtspflicht nur, wenn ein E r w e r b stattgefunden hat ( „ Z a h l der erworbenen A k t i e n " ) . Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn der Vorstand lediglich versucht hat, von einem bestimmten A k t i o n ä r Aktien zu erwerben und dieser Versuch fehlgeschlagen ist. Ferner fehlt es a m Tatbestandselement des E r w e r b s , wenn das Erwerbsgeschäft zwischen der Gesellschaft und einem Dritten gem § 7 1 a Abs 2 nichtig ist. D a h e r muss über dieses Erwerbsgeschäft nicht berichtet w e r d e n . 9 4 0 Die Berichtspflicht besteht auch, wenn der Erwerb gegen § 71 Abs 1 oder Abs 2 verstößt und daher unzulässig ist. Denn § 71 Abs 3 S 1 setzt lediglich den Erwerb eigener Aktien voraus, und das dingliche Rechtsgeschäft ist gem § 71 Abs 4 S I auch bei einem Verstoß gegen § 71 Abs 1 oder 2 w i r k s a m . 9 4 1

344

c) Inhalt der Berichtspflicht. D e r G r u n d und der Z w e c k des Erwerbs lassen sich nicht o h n e weiteres voneinander abgrenzen, sondern werden sich regelmäßig überschneid e n . 9 4 2 Die Z w e c k a n g a b e bei der nächsten H a u p t v e r s a m m l u n g ist insbesondere deshalb

345

939 940

941

BT-Drucks 13/9712, S 14 re Sp. MünchKomm/Oecfes/er 284; so im Hinblick auf § 160 auch Hüffer § 160 Rdn 7. So im Hinblick auf § 160 auch Hüffer § 160 Rdn 7.

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942

So im Ergebnis auch MünchKomm/Oec^s/er 284.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

von Bedeutung, da die Ermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 ohne Zweckangabe zulässig ist (näher Rdn 266 ff). Ein bloß knappe Angabe des Erwerbszwecks genügt nicht. Vielmehr müssen die Erwerbsmotive näher erläutert werden. Dies wird aus dem Begriff „Gründe" gefolgert, der neben den des „Zwecks" gestellt und im Plural gefasst ist. Im Hinblick auf § 71 Abs 1 Nr 1 genügt es ebensowenig, wenn im Rahmen der Berichtspflicht des § 71 Abs 3 S 1 lediglich auf die gesetzliche Vorschrift des § 71 Abs 1 Nr 1 und damit den Zweck der Schadensabwehr hingewiesen wird. 943 Aus § 71 Abs 3 S 1 darf ferner nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass der Vorstand nicht verpflichtet sei, vor der Fassung des Ermächtigungsbeschlusses § 71 Abs 1 Nr 8 die Beschlussvorlage zu begründen und den Aktionären entsprechende Auskünfte zu erteilen (§ 131). 9 4 4 346

Der Vorstand hat die Zahl der erworbenen Aktien und den auf sie entfallenden Anteil am Grundkapital zu benennen. Auf diese Weise kann insbesondere die Einhaltung der Zehnprozentschranke des § 71 Abs 2 S 1 von der Hauptversammlung überprüft werden. 945 Dabei sind auch durch Dritte gem § 71 d S 1 und S 2 erworbene Aktien sowie von der Gesellschaft als Pfand genommene Aktien (§ 71e Abs 1 S 1) zu berücksichtigen. 946 Denn aus § 71 d S 3 ergibt sich, dass diese Aktien bei der Berechnung des Anteils am Grundkapital nach § 72 Abs 2 S 1 als Aktien der Gesellschaft gelten. Die Angabe des für die Aktien gezahlten Gegenwertes ist deshalb von Bedeutung, weil auf diese Weise kontrolliert werden kann, ob die von der Gesellschaft in den Ermächtigungsbeschluss aufgenommenen Vorgaben hinsichtlich des niedrigsten und höchsten Kaufpreises (vgl § 71 Abs 1 Nr 8 S 1) eingehalten wurden. 947

347

d) Erfüllung der Berichtspflicht. Der Bericht über den Erwerb muss der nächsten Hauptversammlung erstattet werden. Der Vorstand hat diesen Bericht grundsätzlich mündlich zu erbringen; dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 71 Abs 3 S 1 („unterrichten"). Indes wird ausnahmsweise der Berichtspflicht auch dadurch Genüge getan, dass die erforderlichen Informationen gem § 160 Abs 1 Nr 2 in den Anhang der Bilanz aufgenommen werden (näher Rdn 350). Eigenständige Bedeutung erlangt die Berichtspflicht gem § 71 Abs 3 S 1 daher nur, wenn es sich bei der „nächsten Hauptversammlung" um eine außerordentliche Hauptversammlung handelt, bei der keine Bilanz vorgelegt wird, oder wenn die Aktien in dem Zeitraum zwischen dem Bilanzstichtag und der nächsten ordentlichen Hauptversammlung erworben werden. 948 Der Bericht des Vorstands stellt einen eigenen Tagesordnungspunkt dar und ist daher in der Einberufung der Hauptversammlung bekannt zu machen (§ 124 Abs 1 S 1). Dies hat insbesondere zur Folge, dass ein Auskunftsrecht gem § 131 Abs 1 besteht (näher Rdn 349).

348

e) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 1. Sofern der Vorstand die Berichtspflicht gem § 71 Abs 3 S 1 nicht erfüllt, muss er die Aktionäre bei der nächsten Hauptversammlung unterrichten. Die Zulässigkeit des Erwerb wird von einem solchen Verstoß nicht berührt (näher Rdn 341). Es kann ein Schadensersatzanspruch gegen die Vorstandsmitglieder bestehen, da sie gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht verstoßen, wenn sie den Bericht versäumen (§ 93 Abs 1 und Abs 2). Außerdem begehen auch Aufsichtsratsmitglieder eine Sorgfaltspflichtverletzung, wenn sie von dem Erwerb eigener Aktien Kenntnis haben und nicht auf die Erfüllung der Berichtspflicht durch den Vorstand hinwirken (SS 116, 93).

943 944 945

Hüffer 22; MünchKomm/Oechsler 285. MünchKomm/Oechsler 2 8 4 . MünchKomm/Oechsler 284.

946 947 948

MünchKomm/Oechsler 2 8 4 . MünchKomm/Oecfcs/er 2 8 4 . MünchKomm/OecWer 2 8 2 .

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

f) Verhältnis zu § 131 Abs 1. Im Anwendungsbereich des § 71 Abs 1 Nr 1 und Nr 8, 3 4 9 verdrängt die Berichtspflicht des § 71 Abs 3 S 1 grundsätzlich das Auskunftsrecht des § 131 Abs 1 S 1 (Spezialität). Insbesondere setzt § 71 Abs 3 S 1 - anders als § 131 Abs 1 S 1 — nicht voraus, dass die Angaben zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunktes erforderlich sind. Vielmehr besteht die Berichtspflicht gern § 71 Abs 3 S 1 dann, wenn ein Erwerb stattgefunden hat, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. § 131 Abs 1 findet insoweit aber ergänzende Anwendung, soweit § 71 Abs 3 S 1 keine eigene Regelung enthält: Erstens erlangt das Auskunftsrecht des § 131 Abs 1 S 1 in den Fällen des § 71 Nr 1 und Nr 8 neben § 71 Abs 3 S 1 insofern eigenständige Bedeutung, als der Aktionär weitere Fragen stellen kann, nachdem der Vorstand zu dem gem § 71 Abs 3 S 1 erforderlichen Tagesordnungspunkt „Bericht über den Erwerb eigener Aktien" (näher Rdn 347) Ausführung gemacht hat; denn ein solches Fragerecht wird von § 71 Abs 3 S 1 weder vorgesehen noch ausgeschlossen. 9 4 9 Dies ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn im Anhang der Bilanz - was zulässig ist - lediglich zusammenfassende Angaben über die Geschäfte in eigenen Aktien enthalten sind und mit diesen knappen Ausführungen sowohl die Pflicht des § 160 Abs 1 Nr 2 als auch die Berichtspflicht des § 71 Abs 3 S 1 erfüllt wurden. 9 5 0 Denn dann haben die Aktionäre ein Interesse, weitergehende Auskünfte gem § 131 AktG zu erhalten. Die Aktionäre müssen nach Ansicht des B G H „anhand der von dem Vorstand [gem § 131 AktG] im Einzelnen darzulegenden Gründe in die Lage versetzt werden, die Frage, ob der Erwerb eigener Aktien die Voraussetzungen nach § 71 Abs 1 S 1 Nr 1 AktG erfüllt und damit als zulässig angesehen werden kann, nachzuprüfen und selbständig zu beurteilen". 9 5 1 Daher müssen die Tatsachen, welche die Voraussetzungen des § 71 Abs 1 Nr 1 - Schaden der Gesellschaft, Schwere des Schadens, unmittelbares Bevorstehen des Schadens und Notwendigkeit des Erwerbs zur Schadensabwehr - erfüllen, vom Vorstand gem § 131 Abs 1 substantiiert vorgetragen und näher erläutert werden. 9 5 2 Dem Auskunftsrecht des Aktionärs sind lediglich insoweit Grenzen gesetzt, als der Aktionär durch den Umfang seiner Fragen den Ablauf der Hauptversammlung nicht blockieren darf: Dies ist beispielsweise anzunehmen, wenn der Aktionär verlangt, über annähernd 5.000 einzelne Erwerbsvorgänge mit etwa 2 5 . 0 0 0 Einzelangaben informiert zu werden. 9 5 3 Zweitens kann § 131 Abs 1 in den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 2 - 7 , in denen § 71 Abs 3 S 1 nicht eingreift, Anwendung finden, sofern ein entsprechender Tagesordnungspunkt diese Auskunft erforderlich macht. So kann beispielsweise vor dem Beschluss über die Entlastung des Vorstands (§ 119 Abs 1 Nr 3) eine Auskunft über einen gem § 71 Abs 1 Nr 2 - 7 vorgenommen Erwerb eigener Aktien nach § 131 Abs 1 S 1 verlangt werden, um beurteilen zu können, ob der Vorstand die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten hat. Ferner lässt § 71 Abs 3 S 1 eine Regelung über die Durchsetzbarkeit der Berichtspflicht vermissen. Da die Regelungen des §§ 131 ff als leges generalis insoweit nicht verdrängt werden, finden die Regelungen über das Auskunfterzwingungsverfahren gem § 132 zur Durchsetzung des Auskunftsanspruchs gem § 131 Anwendung. g) Verhältnis zu § 160 Abs 1 Nr 2. Gem § 160 Abs 1 Nr 2 ist im Anhang der Bilanz der Bestand an eigenen Aktien der Gesellschaft anzugeben. Dabei sind die Zahl dieser

949

950

So im Ergebnis auch BGHZ 101, 1, 17 = NJW 1987, 3186 und die Vorinstanz OLG Frankfurt, WM 1983, 1071 = DB 1983, 2184 = BB 1983, 1646; KKJLutter 33; MiinchKomm/Oec/>s/er 286. BGHZ 101, 1, 17 = NJW 1987, 3186 und

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die Vorinstanz OLG Frankfurt, WM 1983, 1071; KKJLutter 33; MünchKomm/Ocfcs/er 286. BGHZ 101, 1, 17 = NJW 1987, 3186. Hüffer 22; KKJLutter 33. OLG Frankfurt, WM 1983, 1071, 1071 f.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Aktien und der auf sie entfallende Betrag des Grundkapitals sowie deren Anteil am Grundkapital anzugeben. Für erworbene Aktien sind zusätzlich der Erwerbszeitpunkt und die Gründe für den Erwerb anzugeben (§ 160 Abs 1 N r 2 S 1 2. HS). Sind solche Aktien im Geschäftsjahr erworben oder veräußert worden, so ist auch über den Erwerb oder die Veräußerung unter Angabe der Zahl dieser Aktien, des auf sie entfallenden Betrags des Grundkapitals, des Anteils am Grundkapital und des Erwerbs- oder Veräußerungspreises, sowie über die Verwendung des Erlöses zu berichten (§ 160 Abs 1 Nr 2 S 2). Die Regelung beruht auf Art 22 Abs 2 der KapRL von 1976, wonach der Lagebericht im Wesentlichen diejenigen Informationen enthalten muss, welche der Vorstand auch im Rahmen seiner Berichtspflicht gem § 71 Abs 3 S 1 (und Art 19 Abs 2 S 2 der Richtlinie) mündlich mitzuteilen hat. Da eine mündliche Unterrichtung eine bloße Wiederholung des Anhangs der Bilanz wäre, wird die Berichtspflicht nach allgemeiner Ansicht regelmäßig bereits durch die Aufnahme der Informationen in den Anhang der Bilanz erfüllt. 954 Dies ist immer dann der Fall, wenn die „nächste Hauptversammlung" iSv § 71 Abs 3 S 1 diejenige ist, bei der der Geschäftsbericht vorzulegen ist (näher dazu Rdn 347). Die Berichtspflicht kann ferner auch bereits durch Abgabe des Zwischenberichts, den der Emittent zugelassener Aktien gem § 40 Abs 1 BörsG abgeben muss und in dem gem § 55 S 5 BörsZulV die Angaben nach § 160 Abs 1 Nr 2 zu machen sind, erfüllt werden. 9 5 5 Im Unterschied zu § 71 Abs 3 S 1 bezieht sich § 160 Abs 1 N r 2 nicht nur auf die Erwerbstatbestände des § 71 Abs 1 Nr 1 und Nr 8, sondern auf alle acht Erwerbstatbestände des § 71 Abs 1. Das Auskunftsrecht des Aktionärs gem § 131 Abs 1 AktG kann ergänzend neben die Pflichten des § 71 Abs 3 S 1 und des § 160 Abs 1 N r 2 treten (näher Rdn 349). 3. Ausgabe der Aktien an die Belegschaft (§ 71 Abs 3 S 2) 351

a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Gem § 71 Abs 3 S 2 sind diejenigen Aktien, welche gem § 71 Abs 1 N r 2 erworben wurden (Belegschaftsaktien), innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb an die Arbeitnehmer auszugeben. Diese Regelung beruht auf Art 19 Abs 3 S 2 der KapRL von 1976, wurde durch die Aktienrechtsnovelle von 1978 geschaffen (näher Rdn 117) und soll verhindern, dass eine spätere Ausgabe der Aktien an die Arbeitnehmer vom Vorstand als Vorwand verwendet wird, um Kurspflege zu betreiben. 956

352

b) Pflichten der Verwaltung. Ob die Abgabe der Aktien an die Belegschaft tatsächlich durchgeführt werden kann, hängt nicht allein vom Vorstand, sondern auch von den Arbeitnehmern ab (näher auch Rdn 191 ff). Daher kann der Vorstand gem § 71 Abs 3 S 2 nur dazu verpflichtet sein, alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um die Abnahme der Aktien durch die Arbeitnehmer zu bewirken. 9 5 7 Die Ausgabebedingungen sind so attraktiv zu gestalten, dass die Abgabe aller gem § 71 Abs 1 Nr 2 erworbenen Aktien an die Arbeitnehmer innerhalb der Jahresfrist wahrscheinlich ist. Indes darf der Vorstand dabei auch nicht die Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre außer

954 BT-Drucks 8/1678, S 15 Ii Sp; Ganske, DB 1978, 2461, 2463; Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 29; Hüffer 22; KKILutter 33; Müller, WPg 1978, 565, 569; Nirk, Handbuch AG, Rdn 405; MünchKomm/ Oecbsler 286; Zilias/Lanfermann WPg 1980, 61, 63.

955 Yg[ 2 u r Veröffentlichung im Zwischenbericht auch BT-Drucks 13/9712, S 14 re Sp; Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 29; MünchKomm/Oechsler 294. 956 957

BT-Drucks 8/1678, S 15. KKJLutter 46; MünchKomm/Oechsler § 71 AktG Rdn 288.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Acht lassen, da ansonsten eine Schadensersatzhaftung gem § 93 Abs 1 und 2 droht. Gleiches gilt, wenn der Vorstand die Abgabe der Aktien an die Arbeitnehmer schuldhaft verzögert und aufgrund eines zwischenzeitlichen Kursrückganges nur einen geringeren Preis von den Arbeitnehmern verlangen k a n n . 9 5 8 c) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 2 . Verstreicht die Ein-Jahres-Frist, ohne dass sämtliche Belegschaftsaktien an die Arbeitnehmer abgegeben wurden, so wird der gem § 71 Abs 1 und 2 zulässige Erwerb nicht nachträglich unzulässig, dh § 71 Abs 3 S 2 ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung (näher dazu Rdn 194). Daher treten die Rechtsfolgen des unzulässigen Erwerbs (näher Rdn 359 ff) grundsätzlich nicht ein. Der Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 2 führt insbesondere nicht zur Nichtigkeit des schuldrechtlichen Geschäfts (§ 71 Abs 4 S 2) und stellt zudem auch keine Ordnungswidrigkeit dar (vgl § 4 0 5 Abs 1 Nr 4). Werden innerhalb der Ein-Jahres-Frist des § 71 Abs 3 S 2 nicht sämtliche Belegschaftsaktien an die Arbeitnehmer abgegeben, so ist der Vorstand hingegen in analoger Anwendung des § 71c Abs 1 verpflichtet, die noch von der Gesellschaft gehaltenen Aktien zu veräußern (näher § 71c Rdn 7). Auf diese Weise wird eine Rechtsfolge des unzulässigen Erwerbs eigener Aktien auf einen zulässigen Erwerb eigener Aktien ausgedehnt. Daher können die Aktien nach Ablauf der Frist nicht nur an Arbeitnehmer - was nach wie vor möglich i s t 9 5 9 - sondern auch an andere Personen abgegeben werden. Die Frist beginnt mit dem Erwerb („innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb"). Die Berechnung richtet sich nach §§ 187 Abs 1, 188 Abs 2 B G B . 9 6 0

353

d) Keine analoge Anwendung des § 71 Abs 3 S 2 auf andere Ausnahmetatbestände. Um eigene Aktien den Arbeitnehmern anzubieten, kann die Gesellschaft die Aktien auch aufgrund eines anderen Ausnahmetatbestandes des § 71 Abs 1 erwerben, etwa wenn ein Aktionär der Gesellschaft die Aktien zu diesem Zweck unentgeltlich überlässt (§ 71 Abs 1 Nr 4) oder ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss gefasst wird (§ 71 Abs 1 Nr 8). Eine direkte Anwendung des § 71 Abs 3 S 2 ist ausgeschlossen, da die Norm sich nur auf den Fall des § 71 Abs 1 Nr 2 bezieht. Außerdem bedarf es auch keiner analogen Anwendung der Vorschrift, da bei den anderen Ausnahmetatbeständen des § 71 Abs 1 nicht in gleicher Weise die Gefahr besteht, dass der Vorstand den Erwerb eigener Aktien zur Kurspflege missbraucht. 9 6 1 Denn er kann in diesen Fällen den Erwerb eigener Aktien nicht nach eigenem Gutdünken durchführen. § 71 Abs 1 Nr 4 wird nur in den seltenen Fällen erfüllt sein, in denen ein Aktionär bereit ist, der Gesellschaft die Aktien zu schenken. § 71 Abs 1 Nr 8 setzt hingegen eine Ermächtigung durch die Hauptversammlung voraus. Ist im Falle geschenkter Aktien die Abgabe an die Arbeitnehmer zur Auflage iSv § 5 2 5 Abs 1 B G B gemacht worden, so kann jedoch der Schenkende die Herausgabe der Aktien gem § 5 2 7 Abs 1 iVm §§ 812 ff B G B verlangen. 9 6 2 Wird ein Hauptversammlungsbeschluss gem § 71 Abs 1 Nr 8 zu dem Zweck gefasst, dass die Aktien an die Belegschaft ausgegeben werden, so handelt der Vorstand sorgfaltswidrig (§ 93 Abs 1 S 1), wenn er die Zwecksetzung dieses Beschlusses missachtet.

354

4 . Unterrichtung der BaFin (§ 71 Abs 3 S 3) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte. Die Regelung wurde im Jahre 1998 durch das KonTraG eingeführt und soll der BaFin ermöglichen, die Einhaltung der Ad-

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959 960

MxmcYiKommJOechsler 290; Zilias/Lanfermann WPg 1980, 61, 63. MünchKomm/Oechsler 2 8 9. Müller, WPg 1978, 565, 569.

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So im Ergebnis auch MünchKomm/Oee/js/er 288. MünchKomm/Oec^s/er 288.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

hoc-Publizität (§ 15 W p H G ) und des Verbotes des Insiderhandels (§ 14 W p H G ) zu kontrollieren. 9 6 3 Der Beschluss des Vorstands, aufgrund eines Erwerbstatbestandes des § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 Aktien erwerben zu wollen, muss gem § 15 Abs 1 W p H G im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht werden. Demgegenüber ergibt sich auch aus der Existenz des § 71 Abs 3 S 3, dass der Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 Nr 8 nur der BaFin, jedoch nicht der Öffentlichkeit (gem § 15 W p H G ) mitgeteilt werden muss (näher zu den Publizitätspflichten Rdn 4 3 ff). 356

b) Tatbestand. Die Unterrichtungspflicht des § 71 Abs 3 S 3 besteht nur hinsichtlich des Erwerbstatbestandes des § 71 Abs 1 Nr 8, nicht hingegen im Fall des § 71 Abs 1 Nr 7. Der Wortlaut des § 71 Abs 3 S 3 differenziert nicht zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften. Nach allgemeiner und zutreffender Ansicht ist die Vorschrift jedoch teleologisch zu reduzieren, so dass § 71 Abs 3 S 3 nur für börsennotierte Gesellschaften gilt. 9 6 4 Die Bestimmungen der §§ 12 ff W p H G beziehen sich nur auf Wertpapiere, die an einer Börse zum Handel zugelassen oder in den geregelten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind (vgl § 12 Abs 1 W p H G ) . Nur in diesem Umfang muss § 71 Abs 3 S 3 zur Erleichterung der Kontrollaufgabe der BaFin angewendet werden.

357

c) Inhalt der Unterrichtungspflicht. Die Gesellschaft hat die BaFin unverzüglich von der Ermächtigung zu unterrichten. Der Begriff „unverzüglich" ist entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs 1 S 1 B G B zu verstehen (ohne schuldhaftes Zögern). 9 6 5 Unklar ist, wie der Begriff „Ermächtigung" zu verstehen ist. Der Begriff umfasst nach zutreffender Ansicht nicht nur die Erwerbsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 1, sondern auch die Veräußerungsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 und die Einziehungsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 S 6 . 9 6 6 Aufgrund der Singularform „von der Ermächtigung" könnte angenommen werden, dass nur eine Ermächtigung - nämlich die Erwerbsermächtigung - mitzuteilen ist. Dass der Gesetzgeber den Begriff der Ermächtigung verwendet, ohne dies näher zu konkretisieren, ermöglicht jedoch, im Wege der Auslegung alle drei in § 71 Abs 1 Nr 8 geregelten Ermächtigungen in den Anwendungsbereich des § 71 Abs 3 S 3 einzubeziehen. Dadurch wird die Gesellschaft in der Regel auch nicht unzumutbar belastet. Denn regelmäßig werden alle drei Ermächtigungen in einem Beschluss gefasst, und deshalb hat praktisch auch nur eine Mitteilung an die BaFin zu erfolgen. Wenn die Gesellschaft die Aktien veräußert oder einzieht, kann dies Einfluss auf den Börsenkurs haben. Es drohen - gleichermaßen wie bei der Erwerbsermächtigung - Verstöße gegen das Verbot des Insiderhandels (§ 14 W p H G ) . Auch die ratio legis des § 71 Abs 3 S 3 (näher Rdn 355) legt mithin die Einbeziehung der zwei anderen Ermächtigungen des § 71 Abs 1 Nr 8 n a h e . 9 6 7

358

d) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 3. Auch der Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 3 führt nicht zur Unzulässigkeit des Erwerbs iSv § 71 Abs 4 und § 71c. Im Unterschied zu einem Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 1 oder S 2 stellt ein Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht gem § 71 Abs 3 S 3 eine Ordnungswidrigkeit gem § 4 0 6 Abs 1 dar, die mit einer Geldbuße von bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden kann (§ 4 0 6 Abs 2). Außerdem können Schadensersatzpflichten der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder entstehen (§§ 93, 116).

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BT-Drucks 13/9712, S 14 re Sp; Hüffer 23a; MünchKomm/Oecfc/er 291. Gross in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 26;

Hüffer 23a; MünchKommJOechsler 291.

965

Hüffer 23a.

966 MünchKomm/Oechsler 292; so für die Veräußerungsermächtigung auch Hüffer 23a. 967

Hüffer 23a.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

VI. Rechtsfolgen des unzulässigen Erwerbs (§ 71 Abs 4) 1. Allgemeines Die Bestimmung des § 71 Abs 4 regelt lediglich einen Teil der Rechtsfolgen, die ein 3 5 9 Verstoß gegen § 71 Abs 1 und 2 nach sich zieht, wobei zwischen dem dinglichen Rechtsgeschäft (S 1) und dem schuldrechtlichen Rechtsgeschäft (S 2) differenziert wird. Darüber hinaus k n ü p f t auch § 71a Abs 2 tatbestandsmäßig an einen Verstoß gegen § 71 Abs 1 oder 2 an und betrifft den Sonderfall, dass ein Dritter Aktien für Rechnung der Gesellschaft erwerben darf oder soll. Es handelt sich daher um eine Sonderregelung, die § 71 Abs 4 S 2 verdrängt (näher § 71a Rdn 71 f). 9 6 8 § 71c verpflichtet die Aktiengesellschaft, diejenigen Aktien, die unter Verstoß gegen § 71 Abs 1 oder 2 erworben wurden, innerhalb gewisser Fristen zu veräußern oder einzuziehen (Näheres bei § 71c). Demgegenüber tritt die Rechtsfolge des § 71b, wonach der Gesellschaft aus eigenen Aktien keine Rechte zustehen, unabhängig davon ein, ob die Aktien rechtmäßig oder rechtswidrig erworben wurden (Näheres bei § 71b). 2. Wirksamkeit des dinglichen Erwerbs (§ 71 Abs 4 S I ) Ein Verstoß gegen § 71 Abs 1 und 2 hat nicht die Unwirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts zur Folge (§ 71 Abs 4 S I ) . Diese Regelung besteht in dieser Form seit der Aktienrechtsnovelle von 1978. Gem § 71 Abs 2 S 1 AktG 1965 war der dingliche Erwerb unwirksam gewesen, wenn auf die Aktien der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag nicht voll geleistet waren. Im Unterschied dazu ist nach der heute gültigen Fassung jeder dingliche Erwerb wirksam. Das erhöht die Sicherheit des Rechtsverkehrs mit Aktien und trägt zur Stärkung des Kapitalmarkts bei. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, den Verstoß gegen § 71 Abs 1 und 2 AktG auf andere Weise zu sanktionieren. So muss die Gesellschaft das Eigentum an den Aktien aufgeben, indem sie entweder gem § 71c Abs 1 und 2 die Aktien innerhalb gewisser Fristen veräußert oder sie gem § 71c Abs 3 iVm § 237 einzieht (näher Rdn 114 ff). Die allgemeinen Nichtigkeitsgründe des Bürgerlichen Rechts - zum Beispiel die Geschäftsunfähigkeit (§ 105 BGB), die Anfechtung ( § § 1 4 2 Abs 1, 119 ff BGB) und die Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) - bleiben jedoch von § 71 Abs 4 S I unberührt und können daher die Nichtigkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts zur Folge haben. 9 6 9 Darüber hinaus können die Parteien das Abstraktionsprinzip neutralisieren und damit die Nichtigkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts herbeigeführen, indem sie wie auch bei anderen Rechtsgeschäften möglich - durch Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs 1 BGB) die Wirksamkeit des Erfüllungsgeschäfts ausdrücklich an die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Grundgeschäfts knüpfen. 9 7 0 Vereinzelt wird ein solcher Bedingungszusammenhang auch dem besonderen Charakter des Kausalgeschäfts zum Beispiel im Falle der Report- oder Deportgeschäfte (näher Rdn 372) - entnommen. 9 7 1 Die Annahme einer solchen stillschweigenden Bedingungsvereinbarung ist jedoch abzulehnen, weil auf diese Weise die gesetzgeberische Wertung des § 71 Abs 4 S I , wonach die Gesellschaft zunächst Eigentümerin wird und dann die bußgeldbewehrte

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 135.

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KYJLutter 76; GroßKomm/Barz Voraufl 26. KK/Lutter 76; so im Ergebnis auch Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 132; näher dazu auch Palandt/Heinrichs Vor § 104 BGB Rdn 24;

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Staudinger/Se