Agostino Steffani Europäischer Komponist, hannoverscher Diplomat und Bischof der Leibniz-Zeit. European Composer, Hanoverian Diplomat and Bishop in the Age of Leibniz 9783847007098, 3847007092

Dieser interdisziplinäre Band gilt Agostino Steffani in allen drei Facetten seines Schaffens: dem Künstler, dem Politike

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Agostino Steffani Europäischer Komponist, hannoverscher Diplomat und Bischof der Leibniz-Zeit. European Composer, Hanoverian Diplomat and Bishop in the Age of Leibniz
 9783847007098, 3847007092

Table of contents :
Contents
Geleitwort, Foreword
Einleitung, Introduction
Agostino Steffani als Komponist, Steffani as Composer
Steffani and his Church Music / Colin Timms
Spurensuche : Agostino Steffanis vokale Kammermusik in Rom / Berthold Over
Agostino Steffani und die Oper in Deutschland / Reinhard Strohm
Agostino Steffani and the French Style / Graham Sadler
Musik und Musikerpersonal am Hof von Hannover, Music and Musicians at the Hanover Court
Simulatio und dissimulatio : Agostino Steffanis La superbia d'Alessandro im Spiegel der höfisch-politischen Klugheitslehren / Nicole K. Strohmann
Opera for the House of Brunswick-Lüneburg : Italian Singers at the Hanover Court / Helen Coffey
Steffani's Italian Opera Singers in Hanover : Recruitment and Vocal Style / Matthew Gardner
Die Situation der Musiker an den Welfenhöfen Wolfenbüttel, Braunschweig und Bevern / Reinmar Emans
Steffani als Diplomat und Bischof, Steffani as Diplomat and Bishop
"Unser Envoyé extraordinaire am kurbayerischen Hofe" : der Diplomat Agostino Steffani / Claudia Kaufold
Zwei Steffani-Studien : Ergänzungen zu Biographie und Werk von Agostino Steffani / Rashid-S. Pegah
Agostino Steffani : Priester und Bischof / Michael F. Feldkamp
Die Reichskirche im Nordwesten um 1700 : Bedingungen für die Tätigkeit Agostino Steffanis als Weihbischof in Münster und Paderborn / Bettina Braun
Agostino Steffani als Apostolischer Vikar des Nordens : Grenzen und Möglichkeiten seines Amtes / Hans-Georg Aschoff
"Il gran negotio" : die theatralischen Konversionsprojekte von Agostino Steffani / Margherita Palumbo
Musiktheorie, Rezeption und Nachwirkung, Music theory, reception and influence
"Auch der Zitherspieler wird verlacht, wenn er immer auf derselben Saite spielt." zur Bedeutung von Musik und Musikmetaphorik bei G. W. Leibniz / Michael Kempe
The contest of reason versus the senses : Steffani's Quanta certezza and German Musical Thought / Stephen Rose
Agostino Steffanis Hannoveraner Opern als dramaturgische Modelle für deutsche Komponisten : Zwei Fallbeispiele / Hansjörg Drauschke
Steffanis Rezitativ : ein Modell für deutsche Komponisten? / Wolfgang Hirschmann
Steffani's Hanover Operas as Handel Sources / John H. Roberts
Autoren, Authors
Register, Index

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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847107095 – ISBN E-Book: 9783847007098

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Claudia Kaufold / Nicole K. Strohmann / Colin Timms (eds.)

Agostino Steffani Europäischer Komponist, hannoverscher Diplomat und Bischof der Leibniz-Zeit European Composer, Hanoverian Diplomat and Bishop in the Age of Leibniz

With 10 figures and 48 music examples

V&R unipress

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8470-0709-8 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2017, V&R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Autograph manuscript of Steffani, Henrico Leone (Hanover 1689), Act I, scene 1, aria ‘Tra le braccia de la morte’, bars 1–3, staves 1–3 (of five): London, British Library, R.M. 23.h.7, p. 12. Reproduced by permission of the British Library Board. / Portrait of Steffani in ‘Le portrait du vrai merite dans la personne serenissime de Monseigneur l’Electeur palatin … l’an 1709’, Medaille Nr. 7. Düsseldorf, Heinrich-Heine-Institut. Reproduced by permission of the Heinrich-Heine-Institut der Landeshauptstadt Düsseldorf, Handschriftenabteilung, Archiv. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

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Inhalt / Contents

Geleitwort / Foreword . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung / Introduction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Agostino Steffani als Komponist / Steffani as Composer Colin Timms Steffani and his Church Music . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Berthold Over Spurensuche. Agostino Steffanis vokale Kammermusik in Rom . . . . . . . . . . . . 41 Reinhard Strohm Agostino Steffani und die Oper in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Graham Sadler Agostino Steffani and the French Style . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Musik und Musikerpersonal am Hof von Hannover / Music and Musicians at the Hanover Court Nicole K. Strohmann Simulatio und dissimulatio: Agostino Steffanis La superbia d’Alessandro im Spiegel der höfisch-politischen Klugheitslehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Helen Coffey Opera for the House of Brunswick-Lüneburg: Italian Singers at the Hanover Court . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Matthew Gardner Steffani’s Italian Opera Singers in Hanover: Recruitment and Vocal Style . . . . 123 Reinmar Emans Die Situation der Musiker an den Welfenhöfen Wolfenbüttel / Braunschweig und Bevern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

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Inhalt / Contents

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Steffani als Diplomat und Bischof / Steffani as Diplomat and Bishop Claudia Kaufold „Unser Envoyé extraordinaire am kurbayerischen Hofe“: der Diplomat Agostino Steffani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Rashid-S. Pegah Zwei Steffani-Studien. Ergänzungen zu Biographie und Werk von Agostino Steffani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Michael F. Feldkamp Agostino Steffani – Priester und Bischof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Bettina Braun Die Reichskirche im Nordwesten um 1700: Bedingungen für die Tätigkeit Agostino Steffanis als Weihbischof in Münster und Paderborn . . . . . . . . . . . . . 197 Hans-Georg Aschoff Agostino Steffani als Apostolischer Vikar des Nordens: Grenzen und ­Möglichkeiten seines Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Margherita Palumbo „Il gran negotio“. Die theatralischen Konversionsprojekte von Agostino Steffani 221 Musiktheorie, Rezeption und Nachwirkung / Music Theory, Reception and Influence Michael Kempe „Auch der Zitherspieler wird verlacht, wenn er immer auf derselben Saite spielt.“ Zur Bedeutung von Musik und Musikmetaphorik bei G. W. Leibniz . 235 Stephen Rose The Contest of Reason versus the Senses: Steffani’s Quanta certezza and German Musical Thought . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Hansjörg Drauschke Agostino Steffanis Hannoveraner Opern als dramaturgische Modelle für deutsche Komponisten. Zwei Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Wolfgang Hirschmann Steffanis Rezitativ – ein Modell für deutsche Komponisten? . . . . . . . . . . . . . . . 295 John H. Roberts Steffani’s Hanover Operas as Handel Sources . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Autoren / Authors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Register / Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 © 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847107095 – ISBN E-Book: 9783847007098

Geleitwort

Im Namen des FORUM AGOSTINO STEFFANI (FAS) begrüße ich das Erscheinen dieses Buches ganz herzlich. Es ist die Dokumentation des weltweit ersten internationalen, interdisziplinären Symposiums, das zum Thema Agostino Steffani, zur festlichen Eröffnung der Arbeit des FAS, im September 2014 stattfand. Die Förderung des Symposiums war der VolkswagenStiftung zu verdanken, sie ermöglichte zudem die Nutzung des von ihr rekonstruierten Schlosses Herrenhausen und damit auch, dass das Schloss, die Gartenarchitektur und das Wirken Agostino Steffanis als historisch-kulturelle Einheit nach verflossenen Jahrhunderten wieder erlebbar wurde. Es war ein Höhepunkt all der Aktivitäten, die im Laufe von 35 Jahren in Hannover für Steffani entfaltet worden waren. War die Idee eines internationalen und interdisziplinären Steffani-Symposiums allein schon innovativ, so prägte das Neue auch die gesamte Konzeption: Die Behandlung der ganzen Bandbreite von Steffanis Wirken war ebenso ein Novum wie die dadurch bedingte Zusammenkunft der Steffani-Forscher und Historiker aus dem In- und Ausland. Damit wird dieses Buch auch die erste gedruckte Gesamtschau der weltweiten Forschungstätigkeit um Agostino Steffani. Planung und Durchführung des Symposiums lagen in den Händen desselben wissenschaftlichen Teams wie die Redaktion des Bandes. Für dessen Bewältigung der überaus vielschichtigen Aufgaben gebührt an dieser Stelle nachdrücklichste Anerkennung! Ein ganz persönlicher Dank geht an Prof. Dr. Colin Timms (Birmingham), den international führenden Steffani-Experten, für seinen unentbehrlichen Einsatz für Symposium und Tagungsband, aber auch für seine Unterstützung des FAS – dessen Ehrenpräsident und Kurator er ist – und nicht zuletzt für den jahrzehntelangen persönlichen Kontakt und Austausch! Der interdisziplinär-internationale Grundzug des Symposiums war gleichsam eine Spiegelung der Persönlichkeit Steffanis. Er war ja die Interdisziplinarität in Person, ein Genius Europas, ein integrierender Dialektiker von überragendem Format. Als wahres Pendant zu Gottfried Wilhelm Leibniz trug er maßgeblich dazu bei, dass Hannover sich als kulturelle Drehscheibe Europas und insbesondere als „Werkstatt europäischer Musik“ profilierte – mehr als 300 Jahre vor dem UNESCO-Prädikat „City of Music“. Es steht fest: Agostino Steffani könnte heute wieder ein wirksamer,

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Geleitwort

nunmehr auch symbolträchtiger Trumpf bei allen Mühen der Profilfindung sein, für Stadt und Land, für Europa und für Kirche und Ökumene! Möge dieses Buch auch dazu beitragen! Hannover, Januar 2017  

Prof. Lajos Rovatkay Künstlerischer Leiter FORUM AGOSTINO STEFFANI

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Foreword

On behalf of the FORUM AGOSTINO STEFFANI (FAS) I extend a hearty welcome to this book. It represents the proceedings of the first international, interdisciplinary symposium in the world to have been dedicated to the subject of Agostino Steffani – a symposium that inaugurated the work of the FAS in September 2014. We are deeply indebted to the VolkswagenStiftung for their financial support of the symposium, for enabling us to use the Royal Palace of Herrenhausen, of which they had funded the reconstruction, and for thus allowing us to experience the palace, the architecture of the gardens and the work of Steffani as a historical-cultural whole for the first time in several centuries. It was a high point among all the Steffani-related activities that have unfolded in Hanover during the course of the last thirty-five years. If the idea of an international and interdisciplinary Steffani symposium alone was not already an innovation, the whole conception was marked by the stamp of the new. The treatment of the entire breadth of Steffani’s work was just as original as the necessary coming together of Steffani researchers and historians from Germany and other countries. As a result, this book is also the first printed overview of current research activity on Steffani from across the world. The planning and management of the symposium lay in the hands of the same team of scholars as has edited this book; for their masterly fulfilment of such extremely diverse responsibilities they deserve the strongest acknowledgement here. An entirely personal word of thanks goes to Professor Colin Timms (Birmingham), the foremost international expert on Steffani, for his indispensable involvement in the symposium and the book, for his support of the FAS, of which he is the honorary president and a curator, and, last but not least, for decades of personal contact and exchange! The interdisciplinary and international character of the symposium was, in effect, a reflection of Steffani himself. He was the personification of interdisciplinarity, a genius of Europe, an integrative dialectician of exceptional distinction. His decisive contributions, along with those of Gottfried Wilhelm Leibniz ensured that Hanover was seen as a cultural hub of Europe, and especially as a workshop of European music, more than 300 years before it was designated by UNESCO as City of Music.

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Foreword

There is no doubt that Steffani could act once again as an effective and a symbolically pregnant trump card in the struggle to find a profile for the city and the region, for Europe, and for the church and the œcumenical movement. It is to be hoped that this book will make a contribution in these contexts! Hanover, January 2017  

Professor Lajos Rovatkay Artistic director, FORUM AGOSTINO STEFFANI

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Einleitung

Steffani war eine Ausnahmeerscheinung – ein Italiener, der fast sein ganzes Leben in Deutschland verbrachte und auf drei Tätigkeitsfeldern zu großem Ansehen kam. 1654 in Castelfranco im Veneto geboren, sollte er später bedeutende Ämter an drei deutschen Fürstenhöfen bekleiden. Zunächst als Musiker ausgebildet, wurde er Kammermusikdirektor in München und später Kapellmeister am Hof von Hannover, für den er auch einige Jahre als ständiger Gesandter am Hof des Kurfürsten von Bayern in Brüssel wirkte. Neben der Musik befasste er sich mit Theologie und verfolgte eine kirchliche Karriere, wurde Bischof von Spiga und beschloss seine Tage 1728 als Apostolischer Vikar für Norddeutschland, als einer der ranghöchsten Vertreter der katholischen Kirche in dieser Region. Weil er auf so unterschiedlichen Gebieten reüssierte und immer im Fokus der Öffentlichkeit stand, war Steffani zu Lebzeiten weithin berühmt in Europa und erhielt Aufmerksamkeit auch noch nach seinem Tode. In Deutschland wurde er einerseits von dem Kritiker Johann Mattheson und dem Verfasser der ersten musikalischen Enzyklopädie, Johann Gottfried Walther, als Musiker gerühmt; andererseits widmete Johann Heinrich Zedler „Steffani“ zwei Einträge in seinem Universal-Lexicon (1744), weil er den Kapellmeister und den Gesandten für zwei unterschiedliche Personen hielt. In Italien wurde Steffanis Musik von den Theoretikern Giovanni Battista Martini und Giordano Riccati bewundert. In England erschienen um 1750 John Hawkins Memoirs of the Life of Sig. Agostino Steffani, was das britische Interesse an einem Komponisten widerspiegelt, der in Hannover gewirkt hatte, bevor Georg Ludwig König von Großbritannien wurde und bevor Georg Friedrich Händel Hannover oder London betrat. Den Ursprung der akademischen Beschäftigung mit Steffani kann man bis zu Friedrich Chrysander zurückverfolgen, der ihm in seiner Händel-Biographie, der allerersten überhaupt (1858–1867), einen prominenten Platz einräumte. Chrysander oder vielmehr sein Werk mögen W. G. Cusins – Master of the Queen’s Music mit Zugang zur Royal Music Library, die die meisten Partiturhandschriften Steffanis aufbewahrt – dazu veranlasst haben, einen wertschätzenden Artikel über den Komponisten zu schreiben, der in der ersten Auflage von Groves Dictionary of Music

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Einleitung

gedruckt wurde (Band 3, 1883). In den Jahrzehnten um 1900 herum erschienen zahlreiche Veröffentlichungen aus Archiven: Franz Wilhelm Woker schrieb zwischen 1885 und 1899 über Steffanis kirchliche Tätigkeit, Georg Fischer (1903) über Steffani in Hannover, Alfred Einstein (1910) über Steffani in München (1910) und seine Korrespondenz mit Zeitgenossen, vor allem mit Sophie Charlotte, Königin in Preußen. Nach dem Zweiten Weltkrieg legte Josef Loschelder (1951, 1952) Auszüge aus musikalischen Quellen aus dem „Fondo Spiga“ vor, aus den Archiven der Sacra Congregatione de Propaganda Fide (Vatikanstadt); diese Registratur wurde später von Michael Feldkamp verzeichnet (1992), einem der Autoren des vorliegenden Bandes. Eine Monographie über Steffani als Diplomat in hannoverschen Diensten und eine über sein Leben und Werk – beide von Herausgebern dieses Buches – erschienen 1997 bzw. 2003. Mit dem Zuwachs an Forschung über Steffani hielt die Anzahl von Musikeditionen nicht Schritt. Die drei Bände seiner Werke in den Denkmälern der Tonkunst in Bayern (1905, 1911 und 1912) sind immer noch unverzichtbar. Einige seiner Kammerduette sind zwar seither in kritischen Editionen erschienen, andere in Faksimile-Ausgaben; ferner gibt es eine Edition der Instrumentalsätze aus seinen Opern. Der Großteil seines geistlichen Schaffens wurde – teilweise digital – aufgelegt, so zuletzt 2011, jedoch zu seinem gefeierten Stabat mater fehlt bislang eine vollständige Partitur. Trotz des relativen Mangels an Editionen hat Steffanis Musik schon lange Bewunderer und Vorkämpfer gefunden. Newell Jenkins dirigierte in den 1970erJahren Opernaufführungen in Italien und den Vereinigten Staaten von Amerika, und Lajos Rovatkay führte Henrico Leone 1989 in Hannover auf. Querschnitte dieser Aufführungen wurden eingespielt. 1982 legte Alan Curtis eine bahnbrechende Aufnahme von Steffanis Kammerduetten vor. Seit 2000 gab es weitere Opernproduktionen in England, Deutschland und den Vereinigten Staaten, zahlreiche Aufnahmen seiner Duette und einige seines Stabat mater. Der Mangel an leicht erhältlichen Notenausgaben beschränkt vermutlich die Anzahl an Aufführungen und Aufnahmen sowie die Auswahl der aufgeführten Werke; nichtsdestotrotz wird Steffanis Musik nun zunehmend öfter zu Gehör gebracht und beginnt, einen Eindruck auf die Musikliebhaber zu machen – eine Entwicklung, die zuletzt von Cecilia Bartoli gestärkt wurde. Während Steffani die Aufmerksamkeit der Musikwissenschaftler, der Künstler und des Publikums erregte, widmeten sich ihm auch Frühneuzeit- und Kirchenhistoriker. Allerdings ist es für einen einzelnen Wissenschaftler schwierig, zu einem ausgewogenen Urteil über den gesamten Menschen und sein Werk zu gelangen. Aus diesem Grunde eignet sich gerade Agostino Steffani für interdisziplinäre Forschungen. Diese Erkenntnis führte nicht zuletzt zur Gründung des FORUM AGOSTINO STEFFANI (FAS), dessen Zweck in der Beschäftigung mit Steffanis Leben, Werk und dessen Einfluss in all seiner faszinierenden Vielfalt liegt. Das FAS wurde im Septem-

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Einleitung

ber 2014 feierlich eröffnet mit mehreren Konzerten und einem interdisziplinären Symposium im Schloss Herrenhausen. Dieses war die erste Konferenz überhaupt, die gänzlich Steffani gewidmet war; über 20 Vorträge wurden von international tätigen Forschern aus England, Deutschland, Italien und den Vereinigten Staaten gehalten. Das Symposium wurde veranstaltet vom FAS in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Historische Musikwissenschaft der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, der Leibniz-Forschungsstelle der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen beim Leibniz-Archiv der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover und mit der Leibniz-Stiftung Hannover. Es wurde großzügig gefördert von der VolkswagenStiftung. Das FAS hat seitdem zwei Steffani-Festwochen mit Konzerten und Vorträgen durchgeführt: im September 2015 und im Februar 2017. Der vorliegende Band versammelt nun die Vorträge des Eröffnungssymposiums 2014. Die Beiträge spiegeln die Weite und Tiefe von Steffanis Interessen und Leistungen wider. Was die Musik betrifft, konzentriert sich ein Beitrag auf seine geistlichen Werke der Münchner Zeit und seiner späten Jahre; ein anderer – über seine vokale Kammermusik – erkundet seine Beziehungen nach Rom, während ein dritter neues Licht auf eine seiner Düsseldorfer Opern wirft. Das Hauptaugenmerk liegt auf seinen Opern, speziell denen für Hannover. Dabei werden Steffanis Rolle für die Entwicklung der italienischen Oper in Deutschland diskutiert, der Einfluss hannoverscher Machtpolitik auf die Libretti, die er vertonte, seine Beziehungen zu Sängern und Instrumentalisten in Hannover sowie die Anwerbung und Fähigkeiten derer, die in seinen Hofopern mitwirkten. Einige Beiträge richten die Aufmerksamkeit auf die Besonderheiten seiner musikalischen Sprache, besonders auf seine Adaption des zeitgenössischen französischen Stils, oder auf die Bedeutung seiner Dramaturgie als Vorlage für Keiser, Mattheson, Telemann und Händel. Weitere Kapitel untersuchen seine Abhandlung über Musiktheorie (und ihre Wirkung) oder die Bedeutung von Musik für Leibniz. Ein lebendiges Bild von Steffanis Geschäften mit seinen Zeitgenossen wird in einem Kapitel über seine Rolle als hannoverscher Diplomat dargestellt und in Beiträgen über sein Wirken als Vertreter der Kirche: seine Tätigkeit als Weihbischof für Münster, sein ehrgeiziger Plan, Norddeutschland für den katholischen Glauben zurück zu gewinnen, und die Erfolge seiner Bemühungen. Angesichts der Zeit und der Energie, die er für alle drei Stränge seiner vielfältigen Laufbahn aufgewendet hat, ist es nicht überraschend, dass spätere Generationen es als Herausforderung empfanden, Steffani adäquat zu würdigen. Seine Wahrnehmungsgeschichte ist keine ungetrübte Erfolgsgeschichte. Es bleibt zu hoffen, dass das vorliegende Buch durch seine interdisziplinäre Anlage das Interesse an Steffani sowie seinen Leistungen als Ganzes fördern und zeigen wird, dass die unterschiedlichen Stränge seines Lebensweges doch miteinander verbunden sind. Steffani wusste mit Zahlen und mit Worten umzugehen, wobei ihm mehrere Sprachen zu Gebote standen (daher auch dieses zweisprachige Buch). Jeder, der eine seiner musikalischen Handschriften, politischen Denkschriften

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Einleitung

oder einen seiner privaten Briefe gelesen hat, wird beeindruckt gewesen sein von der Klarheit seiner Denkweise. Er war ein Meister der Rhetorik, mit überragender Fähigkeit, ein Thema in Musik oder Sprache zu strukturieren und es kraftvoll in Noten oder geschriebenes Wort umzusetzen. Außerdem besaß er die persönlichen und sozialen Fähigkeiten, über die sowohl ein Diplomat in hannoverschem Dienst verfügen musste als auch ein einflussreicher Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland oder auch ein Operndirektor. Er muss eine innere Stärke gehabt haben, um all das zu erreichen, und überdies konnte er anscheinend gut mit anderen Menschen umgehen. Es ist anzunehmen, dass seine diplomatischen und kirchlichen Leistungen nach seinem Tode aufgrund der historischen Entwicklung in Vergessenheit gerieten; seine Musik jedoch hat sich bis heute erhalten, manches sogar in seiner eigenen schönen, eleganten Handschrift, welche noch immer die Kraft besitzt, uns direkt anzusprechen. Unser Dank gilt zuerst den Autorinnen und Autoren dieses Bandes, deren Beiträge das Bild auf Agostino Steffani beträchtlich zu erweitern helfen. Die Veröffentlichung des Buches wurde ermöglicht durch die Unterstützung des Handel Institute in London und des Kulturbüros der Landeshauptstadt Hannover, durch Spenden von Manfred Willy Jäckel, Prof. Dr. Wolfgang Krüger und Peter Schmehmann sowie durch anonyme Spenden, wofür die Herausgebenden hier ihren herzlichen Dank ausdrücken. Ferner sei Peter Jones für den Satz der Musikbeispiele und dem Team von V&R unipress für die kompetente Betreuung während der Drucklegung herzlich gedankt. Januar 2017   

Claudia Kaufold Nicole K. Strohmann Colin Timms

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Introduction

Steffani was an exceptional figure – an Italian who spent virtually all his life in Germany and rose to prominence in three distinct spheres of activity. Born in 1654 at Castelfranco Veneto, he went on to hold positions of responsibility at three German courts. Trained first as a musician, he became Director of Chamber Music in Munich and later Kapellmeister at Hanover, where he also served for several years as special envoy to the Bavarian court in Brussels. Alongside music he studied theology and pursued a career in the church, becoming Bishop of Spiga and ending his days, in 1728, as Apostolic Vicar of North Germany, one of the most senior representatives of the Catholic church in the region. Because he worked in such diverse fields and in the public eye, Steffani was known throughout Europe during his lifetime and attracted comment after his death. In Germany, on one hand he was praised as a musician by the critic Johann Mattheson and the compiler of the earliest musical dictionary, Johann Gottfried Walther; on the other hand, Johann Heinrich Zedler included two ‘Steffani’ entries in his Universal Lexicon (1744), because he was unable to reconcile the Kapellmeister with the special envoy. In Italy Steffani’s music was admired by the theorists Giovanni Battista Martini and Giordano Riccati. In England, John Hawkins’s Memoirs of the Life of Sig. Agostino Steffani, published in about 1750, reflects British interest in a composer who had worked in Hanover before Georg Ludwig became king of Great Britain and before George Frideric Handel moved to Hanover or London. The origin of current academic interest in Steffani can be traced back to Friedrich Chrysander, who accorded him a suitably prominent position in his pioneering biography of Handel (1858–1867). Chrysander or his work may have prompted W. G. Cusins – Master of the Queen’s Music with access to the Royal Music Library, which holds most of Steffani’s autograph scores – to write the appreciative article on the composer that appeared in the first edition of Grove’s Dictionary of Music (vol. 3, 1883). The decades around 1900 saw the publication of much archive-based research – Franz Wilhelm Woker (between 1885 and 1899) on Steffani’s work for the church, Georg Fischer (1903) on Steffani at Hanover, Alfred Einstein (1910) on Steffani in Munich – and of his correspondence with contemporaries, notably

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Introduction

Sophie Charlotte, Queen of Prussia. After World War II Josef Loschelder (1951, 1952) published extracts from documents relating to music in the Fondo Spiga, in the archives of the Sacra Congregatione de Propaganda Fide (Vatican City); this ‘fondo’ was subsequently inventoried by Michael Feldkamp (1992), a contributor to the present volume. A monograph on Steffani as a Hanoverian diplomat and a life-and-works study of the man – both by editors of this book – appeared in 1997 and 2003, respectively. The growth of scholarship on Steffani has not been matched by a corresponding increase in the number of published editions of his music. The three volumes of works by him in the Denkmäler der Tonkunst in Bayern (1905, 1911 and 1912) are still indispensable. Some of his chamber duets have since appeared in a critical edition, others in facsimile, and there is an edition of the instrumental movements from his operas. The bulk of his sacred output was issued, partly in digital form, as recently as 2011, but his celebrated Stabat mater has never been published in full score. Despite the relative shortage of editions, Steffani’s music has long had admirers and champions. Newell Jenkins directed performances of his operas in Italy and the United States of America in the 1970s, and Lajos Rovatkay conducted his Henrico Leone at Hanover in 1989; extracts from these performances were recorded. In 1982 Alan Curtis made a ground-breaking recording of Steffani chamber duets. Since 2000 there have been further opera productions in England, Germany and the United States, numerous recordings of his duets and several of his Stabat mater. The paucity of readily available editions of his music presumably limits the number of performances and recordings, and the range of works presented; nevertheless, Steffani’s compositions are now being heard increasingly frequently and are beginning to make an impact on the music-loving public – a process recently assisted by Cecilia Bartoli. While Steffani has attracted attention from musicologists, performers  and music-lovers, he has also been studied by political and ecclesiastical historians. It is difficult, however, for any individual to reach a balanced assessment of the man and his work as a whole. If ever there was a case for interdisciplinary study, Steffani is it! This is the premise that led to the foundation of the Forum Agostino Steffani (FAS), the purpose of which is to encourage the study and appreciation of his life, works and influence in all their intriguing variety. The FAS was launched in September 2014 by a number of concerts and by an interdisciplinary symposium at the palace of Herrenhausen. At this, the first conference ever devoted entirely to Steffani, over twenty papers were read by an international line-up of scholars from England, Germany, Italy and the USA. The symposium was promoted under the aegis of the FAS by the ­Musicology Department of the Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover in ­co-operation with the Leibniz-Forschungsstelle der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen beim Leibniz-Archiv der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover and with the Leibniz-Stiftung Hannover, and

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Introduction

was generously supported by the VolkswagenStiftung. The FAS has since mounted a Steffani ‘Festwoche’ with concerts and a conference in September 2015 and another in February 2017. The present volume includes the papers read at the inaugural conference in 2014. The essays illustrate the breadth and depth of Steffani’s interests and achievements. So far as music is concerned, an essay on his sacred works concentrates on his Munich period and his final years; another on his vocal chamber music explores his connections with Rome, while a third sheds new light on one of his Düsseldorf operas. The spotlight is firmly on his operas, especially those for Hanover. Among the subjects discussed are his role in the development of Italian opera in Germany, the influence of Hanoverian power politics on librettos that he set, his relations with singers and instrumentalists at Hanover, and the recruitment and ability of those who took part in his operas for the court. Some contributions draw attention to the distinctive nature of his musical language, especially his assimilation of contemporary French features, or to the importance of his dramaturgy and music as a model for Keiser, Mattheson, Telemann and Handel. Further essays examine his treatise on music theory (and its influence), or the significance of music for Leibniz. A vivid picture of Steffani’s dealings with his contemporaries is painted by an essay on his role as a Hanoverian diplomat and by essays on his work as a representative of the church – his activity as suffragan of Münster, his ambitious plan to reconvert North Germany to the Roman Catholic faith and the scale of his achievement. Given the amount of time and energy that he devoted to all three strands of his varied career, it is not surprising that later generations have found it difficult to make sense of the man: the history of his reception is not a tale of unalloyed success. It is hoped that this book, by its interdisciplinarity, will promote an interest in Steffani and his accomplishments as a whole and demonstrate that the various strands of his career are somewhat interlinked. Steffani had a way with numbers and with words, including a command of several languages (hence this volume’s bilingualism). Anybody who has read one of his musical scores, political memorandums or personal letters will have been struck by his clarity of thought. He was a master of rhetoric, with an outstanding ability to structure an argument in music or prose and deliver it lucidly and powerfully via notation or the written word. In addition he possessed the personal and social skills required of a diplomat in Hanoverian service, a senior representative of the Catholic church in Germany or even a director of opera. He must have had some inner strength to have achieved as much as he did, yet he seems to have got on well with other people. It is probably not unfair to say that, as a result of historical developments, his diplomatic and ecclesiastical achievements were overtaken by events after his death; his musical compositions, however, survive to this day, many of them in his own fine, elegant hand, and they still have power to speak directly to us.

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Introduction

Our thanks are due first to the authors of the essays in this volume, which significantly enlarges and enriches the portrait of Steffani as a whole. The publication of the book was made possible by contributions from the ­Handel Institute in London, the Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover, Manfred Willy Jäckel, Prof. Dr. Wolfgang Krüger and Peter Schmehmann, and by a number of anonymous donations. For all this assistance the editors express their heartfelt gratitude here. Finally, the editors are grateful also to Peter Jones for his meticulous engraving of the music examples and to everybody at V&R unipress who provided such expert assistance during the preparation of this volume for publication. January 2017  

Claudia Kaufold Nicole K. Strohmann Colin Timms

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Agostino Steffani als Komponist / Steffani as Composer

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Colin Timms

Steffani and his Church Music

European composer, Hanoverian diplomat, Catholic bishop: three careers in one. This essay is concerned with the first and the third of these callings. As a composer Steffani cultivated what might be described as a European style and certainly acquired a European reputation, but since his work as a representative of the church in North Germany occupied more of his life than did music (or diplomacy), it would not be unreasonable to assume that he regarded his church music as more valuable or important than his influential Hanover operas or his universally admired chamber duets. Is there any evidence that he did? How did he regard his sacred compositions, and how do they relate to his career in general? In addressing such questions, this essay sheds new light on Steffani’s church music, his beliefs and the workings of his mind. First, it is necessary to look at his career as a whole (see Table 1). This can be divided into five main periods. Steffani was born and spent his early years in the Veneto, excelling as a treble (boy soprano). Between the ages of thirteen and ­thirtyfour he was based in Munich, where he was taught by the Kapellmeister, Johann Caspar Kerll, and served the court as a singer, organist and composer. During this formative 21-year period he spent two years in Rome, studying composition with Ercole Bernabei, director of the Cappella Giulia, and about ten months in Paris, immersing himself in music by Jean-Baptiste Lully and, especially, Marc-Antoine Charpentier; he also became a priest, was appointed Abbot of Löpsingen and was sent to Hanover on a diplomatic mission relating to the possibility of a marriage between Elector Maximilan II Emanuel and Princess Sophie Charlotte. Moving to Hanover in 1688, he was engaged as Kapellmeister and subsequently appointed ‘envoyé extraordinaire’ to the Bavarian court in Brussels; his diplomatic duties became so demanding that he ceased to act as Kapellmeister after 1695, although he retained his title and salary. By 1695, also, he was an apostolic protonotary, while in the early 1700s, at Düsseldorf, he held government positions with responsibility for religious affairs and became titular Bishop of Spiga. Following his success as a negotiator in Rome in 1708–9, he was appointed Apostolic Vicar of North Germany, in which capacity he based himself in Hanover; from 1710 he served also as suffragan

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of Münster and Paderborn.1 His election as president of London’s Academy of Vocal Music, subsequently known as the Academy of Ancient Music, was due partly to Giuseppe Riva, the Modenese diplomatic resident in London: Steffani had met Riva at Hanover in 1719, and corresponded with him until a month before his death.2 Date

Career (outline)

1654–67 1654 1664–67

Early years Born at Castelfranco in the Veneto Sings treble in choir of Basilica del Santo (Padua), in other churches in the area, and in operas in Venice

1667–88 1668

Munich Appointed ‘Hof- und Cammer Musico’; studies organ and composition with Johann Caspar Kerll Psalmodia vespertina Studies composition in Rome with (Rome 1674) Ercole Bernabei 1673–4 Five pieces (MS) Describes himself as ‘musico-­ First of many chamber organista’ to the Bavarian elector cantatas and duets and electress Beatus vir (MS) Spends roughly ten months in Paris Is made a priest Appointed ‘Camer Music Director’ First of five Munich operas Appointed Abbot of Löpsingen (1681–8) Sacer Ianus quadrifrons (Munich 1685)

1672–74

1674

1676 1678–79 c. 1680 1681 1683/4 1685

1688–1703 Hanover Appointed Kapellmeister From 1693 also Hanoverian ‘envoyé extraordinaire’ to the Bavarian court in Brussels by 1695 Appointed Apostolic Protonotary

Compositions (sacred in bold type)

Six full-length and two one-act operas (1689–95); another opera, not performed. Many chamber duets, some revised

1 See the essay by Bettina Braun in this volume, pp. 197–205. 2 The present essay builds on material in my monograph Polymath of the Baroque: Agostino Steffani and His Music, New York 2003, esp. ch. 6.

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Date

Career (outline)

1703–9 1703

Düsseldorf Appointed ‘Kurpfälzischer, auch jülich- und bergischer geistlicher Raths-Präsident’ Consecrated Bishop of Spiga Mediates in Rome between the Emperor and the Pope Appointed Apostolic Vicar ‘ad partes Septentrionales et per Saxoniam’

1707 1708–9 1709

1709–28 1710–18 1722–25 1726 1727 1727–28 1728

Compositions (sacred in bold type)

Arminio (pasticcio) 1709: two operas, including the unperformed Hanoverian work ?Confitebor tibi Domine (MS)

Hanover Apostolic Vicar of North Germany Suffragan of Münster and Paderborn ?Non plus me ligate (MS) Semi-retirement, mainly in Padua Gettano i re dal soglio (MS) Elected first president of Academy Qui diligit Mariam (MS) of Vocal Music (London) Stabat mater (MS) Dies in Frankfurt am Main

Table 1: Steffani’s Sacred Works in the Context of his Career

So far as church music is concerned, the Table indicates that Steffani’s surviving output is relatively small, comprising two printed collections – Psalmodia vespertina and Sacer Ianus quadrifrons – and between eight and ten manuscript pieces. His sacred works are the least well-known portion of his œuvre. Modern editions have not been easy to come by, and presumably for this reason his compositions for the church have been neglected by music historians.3 The Table also suggests that the bulk of Steffani’s sacred music dates from his Munich years. In his Memoirs of the composer John Hawkins wrote:

3 For example, Steffani’s sacred music is given one sentence in Karl Gustav Fellerer, Geschichte der katholischen Kirchenmusik, vol. 2: Vom Tridentinum bis zur Gegenwart, Kassel 1976, but not a word in The Cambridge History of Seventeenth-Century Music, ed. Tim Carter and John Butt, Cambridge 2005. Steffani is not even in the index to John Walter Hill, Baroque Music: Music in Western Europe, 1580–1750, New York 2005.

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‘In the course of his studies he had composed several masses, motets, kyries, magnificats, and other essays in the church style, which he thought proper now to exhibit; and accordingly they were occasionally performed in the chapel at Munich […]’.4

If this statement is true, some works by Steffani must have been lost or remain to be discovered, but as things stand, the sacred output of his Munich period consists of motets, psalm settings and other liturgical items, but no Masses or Mass sections. After moving to Hanover he seems to have composed a maximum of four pieces of church music – the motet Qui diligit Mariam, the Stabat mater and two doubtful attributions. Steffani’s earliest surviving sacred works are probably to be found in his Psalmodia vespertina volans octo plenis vocibus concinenda (Rome 1674).5 Since the dedication of this collection was dated on 1 January, its contents must have been written in 1673, and some of them, at least, must have been composed before three manuscript pieces, discussed below, that originated in late November or December that year. The Psalmodia includes settings of thirteen vesper psalms and of the Magnificat, all for two four-part choirs of Cantus, Altus, Tenor and Bassus voices (CATB), accompanied by organ. Many composers published similar collections in seventeenth-century Rome.6 Steffani’s psalms display a full command of simple choral composition and lend themselves to everyday performance by church choirs of modest ability. For the most part, the word-setting is syllabic, the melodic writing conjunct, the harmony diatonic and the texture chordal; the choirs are treated antiphonally but are brought together for important cadences. The Magnificat is more varied, frequently using melisma and counterpoint and occasionally cantus firmus technique. The final section, from ‘Sicut erat in principio’, was included by Padre Martini in volume 2 (1775) of his Esemplare, ossia Saggio fondamentale pratico di contrappunto fugato.7 Of the contemporaneous manuscript works, five are preserved at Cambridge in what is evidently an autograph score.8 The earliest pieces are set for two choirs and organ but differ from each other in their scoring and approach to composition. 4 [John Hawkins], Memoirs of the Life of Sig. Agostino Steffani, some time Master of the Electoral Chapel at Hanover, and afterwards Bishop of Spiga [London c. 1750], p. ii. The Memoirs were reprinted in The Gentleman’s Magazine 31 (1761), pp. 489–492. 5 An edition by Michele Geremia is published on CD-ROM by Diastema editrice, Treviso 2011 (www.diastemastudiericerhe,org). Steffani’s original is available online at http://bildsuche. digitale-sammlungen.de/index.html?c=viewer&bandnummer=bsb00082319&pimage=2&v= 100&nav=&l=en (accessed 26 June 2016). 6 Rainer Heyink, ‘Al decoro della Chiesa, & à lode del Signore Iddio’: I vespri concertati nella Roma del Seicento, Rome 1999. 7 Giovanni Battista Martini, Esemplare o sia Saggio fondamentale pratico di contrappunto fugato sopra il canto fermo, 2 vols., Bologna 1774–5; facsimile edition, Ridgewood 1965, vol. 2, pp. 311– 315. For fuller discussion of the Magnificat, see Timms, Polymath (as n. 2), pp. 146–148. 8 Cambridge, Fitzwilliam Museum (GB-Cfm), Mu MS 94.

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Triduanas a Domino is a piece of eight-part polyphony in stile antico, of which the first half is contrapuntal and the second antiphonal. The text is an antiphon for Second Vespers on the feast of St Cecilia (22 November), and the setting was completed two days earlier.9 Steffani was a member of the Congregazione dei Musici di Roma, which celebrated the feast every year.10 Laudate pueri Dominum may have been composed for the same occasion, for it is dated ‘Nouembre [1673]’ and followed by the inscription ‘Laus Deo / Beateque Virgini Marie / Sancteque Ceciliae’. Here the psalm verses are set as distinct sections or short movements, characterised by contrasts of scoring, metre and, occasionally, key. Movements for one, two or three solo voices are sung by members of Choir I (CCATB); Choir II (CATB) joins in for full passages. The structure of Laudate Dominum omnes gentes (‘30 Decembre 1673’) for eight ‘Canti’ (actually CCCA / CCCA) is less fragmentary, but there are infeli­ cities in the counterpoint, and sequential modulation leads the composer into dangerous water. In bars 144–149 the music moves from D major to E, but it is not clear whether the chord at the beginning of bar 149 is meant to be minor or major: if it is minor, the G-natural comes as a shock; if major, the next chord is a surprise (see Ex. 1). Sperate in Deo (1674) and Beatus vir (undated) are Steffani’s first sacred settings for a single vocal ensemble rather than antiphonal choirs. These small-scale concertato works were obviously intended for solo singers (with organ) – the former for CCATB, the latter for CCB and two violins. The text of Sperate in Deo, which

  9 It is dated ‘20. 9br. [November] 1673’. 10 Sergio M. Pagano, ‘La Congregazione di S. Cecilia e i Barnabiti: Pagine inedite della prima attività ceciliana’, in: Nuova rivista musicale italiana 15 (1981), pp. 34–49; Remo Giazotto, ‘Da Congregazione ad Accademia: Momenti, aspetti, progetti e personaggi’, in: Studi musicali 14 (1985), pp. 5–23.

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Ex. 1: Steffani, Laudate Dominum (GB-Cfm), bars 144–149

is concerned with St Anacletus (or Cletus), pope and martyr, is set as eight movements – four for the full ensemble, two for the pair of Canti and one each for the Tenore and Basso. The tenor and bass solos begin with the earliest recitatives in Steffani’s sacred works. Beatus vir (CCB, two violins) is the first piece of any kind in which he calls for additional instruments. The violin writing does not test the players’ technique, but by anticipating, accompanying and echoing the voices, the insruments help articulate the musical structure. The last of the early manuscript works is another setting of ‘Beatus vir’, preserved in Assisi.11 The bulk of this score was copied by an unidentified scribe, but the composer wrote the words, most of the organ part and the heading ‘A8 Pieno Agostino Steffani 16 7:bre [September] 1676’. The setting is scored for the same forces as are used in Psalmodia vespertina but is much more resourceful in style and texture. Some insight into Steffani’s approach to composition can be gained from a comparison of his three ‘Beatus vir’ settings. After the intonation, the Psalmodia version remains in common time, moves mainly in crotchets and quavers and consists of chordal antiphony in G major. At the words ‘misericors, et miserator, et justus’ in verse 4, however, the choirs join forces, the note-values are mostly minims and semi­ breves and the music modulates from G to A minor. Steffani thus draws attention to these words, provides a springboard for those that follow (‘Jucundus homo’) and puts down a structural marker (see Ex. 2).

11 Assisi, Biblioteca Comunale (I-Ac), MS N. 322 / 4.

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Ex. 2: Steffani, Beatus vir (from Psalmodia vespertina), bars 7–18

In the Cambridge setting, structural divisions are marked by single voices: verse 1 is set for Canto I, verse 4 (‘Exortum est’) for Basso, and verse 6 (‘In memoria’) for Canto II; the other verses are either for two or for all three of the singers. In this setting Steffani emphasises not the end of verse 4 but the beginning, treating it as the start of a new section. But the most powerful moment occurs at verse 9 (‘Peccator videbit’), which begins, after a cadence in A, with an exposed D# in the bass (see Ex. 3); the effect is strengthened by omission of the violins and by changes of metre and tempo. Further changes of metre, tempo and scoring illustrate the rest of this verse,12 the last before the ‘Gloria Patri’.

12 The words are exceptionally vivid: ‘Peccator videbit, et irascetur, dentibus suis fremet et tabescet: desiderium peccatorum peribit’ (Biblia sacra vulgata, Psalmus 111, v. 10) – ‘The wicked shall see it, and be grieved; he shall gnash with his teeth, and melt away: the desire of the wicked shall perish’ (The Holy Bible […] Authorised King James Version, Psalm 112, v. 10).

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Ex. 3: Steffani, Beatus vir (GB-Cfm), bars 147–159

The Assisi Beatus vir combines the most prominent structural features of the two earlier settings: major divisions occur at the end of both verse 4 and verse 8. Verse 9 is the only one that begins ‘full’ – apart from two exposed notes in the bass, reminiscent of the Cambridge setting: in both compositions the sinner (‘peccator’) is ostracised and laid low (see Ex. 4). The Assisi version also differs from the other two in its preoccupation with the closing words (‘Et in saecula saeculorum. Amen’), to which more than one-fifth of the piece is devoted.

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Ex. 4: Steffani, Beatus vir (I-Ac), bars 61–68

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It seems clear that in each of his settings of ‘Beatus vir’ Steffani tried to do some­ thing different. The contrast in scoring between the Cambridge and the polychoral versions would have obliged him to rethink how to set the text, but not necessarily how to articulate its structure. From this point of view the three works form a progression: that in the Psalmodia takes one approach, the Cambridge setting adopts another, and the Assisi version combines features from the earlier two. Whether this progression reflects different readings of the text is an open question, but Steffani emerges as a thoughtful composer, not content with routine. His mature compositions, both secular and sacred, show that he rarely did anything without a purpose. His other printed collection, Sacer Ianus quadrifrons tribus vocibus vel duabus qualibet praetermissa modulandus (Munich 1685), contains twelve non-liturgical pieces for three solo voices and continuo.13 The preface describes them as motets, but they could have served also as chamber music, akin to cantate spirituali. A context for such a collection is provided by Kerll’s Delectus sacrarum cantionum (Munich 1669) and the posthumous Sacrae modulationes (Munich 1691) of Bernabei, who succeeded Kerll as Kapellmeister. Each of Steffani’s motets comprises one or two trios and a solo movement for each singer; overall structure is defined by repetition of a trio. The works display the technical and stylistic resources encountered in Sperate in Deo (including recitative) and the Cambridge Beatus vir (though without violins), but the counterpoint is more accomplished and polished: the motets possess the elegance characteristic of Steffani’s chamber duets. The collection is also significant for reasons unconnected with musical quality. The first concerns vocal scoring. The volume contains two or three pieces for each of five combinations of voices – CCB (2), CAT (2), CAB (3), CTB (2) and ATB (3). Leaving aside the pieces with two Canti, the collection caters for every possible three-part combination of the four voice-types. Furthermore, as the title of the publication makes clear, every work can be performed by only two of the three voices for which it is scored: a trio may be sung as a duet, and a solo movement may be omitted. It follows that each of the twelve pieces can be performed in four ways: a work for Cantus, Altus and Tenor, for example, can be performed by CAT, or CA, or CT or AT. The collection can therefore be said to contain forty-eight works in twelve: as the preface explains, ‘habes hic 48. Mottecta in 12. coacta’. The verbal texts, too, merit attention. In a trio all the words are given to every voice, so that none of them are lost if the setting is performed by only two singers. However, if a solo movement is omitted, so are the words to which it is set. Never-

13 See Sacer Ianus quadrifrons (= En clara vox 132), ed. Michele Geremia, Padua 2011. The original can be seen at http://stimmbuecher.digitale-sammlungen.de/view?id=bsb00094223 (accessed 26 June 2016). Two of the motets, Reginam nostram formosissimam and Tandem adest clara dies, were included in Agostino Steffani, Ausgewählte Werke […] Erster Theil (= Denkmäler der Tonkunst in Bayern 11), ed. Alfred Einstein and Adolf Sandberger, Leipzig 1905.

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theless, the text of Tandem adest clara dies shows that omission of a solo movement would not materially alter the sense of the whole:14 [C] [CAB] [A] [B] [CAB]

Tandem adest clara dies, tandem fulget fausta lux, qua beatus coronatus coelum scandit noster dux. Eia populi laetantes, tubis, organis cantate, proclamate nostris proceris victoriam, et psallentes, iubilantes, date Deo gloriam. Hic est qui sine macula est inventus, hic post aurum non abiit, hic cursum consummavit, in pecuniae thesauris non speravit. O vir sancte, te laudamus; tibi hilares cantamus hymnum dulcem et iucundum, qui iam laetus triumphasti et feliciter domasti carnem, Satanam et mundum; nostri nunc tu miserere, tu nos precibus adiuva, tuere. O beate caelo nate, gaude, iubila, laetare; et pro nobis suspirantibus, corde humili clamantibus, Deum, qui te elegit, deprecare.

The texts of the motets must therefore have been written or compiled specifically for this collection and with the possibility of an omission in mind. Furthermore, although the texts are not liturgical, Steffani identifies the kind of feast for which each would be appropriate. The only feasts assigned more than one work are those ‘de

14 Text as presented in Sacer Ianus quadrifrons (as n. 13), pp. 96–97.

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Beata Virgine’, but further motets are marked ‘pro Virgin[ibus] Martyr[ibus]’ or ‘pro Virgin[ibus] non Martyr[ibus]’. All these designations reflect the veneration of the Virgin that flourished at the time and which characterises Steffani’s last two works. The road to Qui diligit Mariam and the Stabat mater leads through two isolated pieces – a second setting of the vesper psalm Confitebor tibi Domine and the motet Non plus me ligate. Each survives, ascribed to Steffani, in a single, non-autograph copy.15 Confitebor tibi Domine, dated 1709, is scored for the same forces as the Cambridge Beatus vir but is spoilt by problems in harmony and counterpoint. Either the piece is not by Steffani (although it contains nothing else unworthy of him), or it is unfinished: maybe he started it in Rome after being appointed Apostolic Vicar and left the city before he could solve all the problems.16 Non plus me ligate is a multi-movement motet reminiscent of those in Sacer Ianus quadrifrons. The text is a prayer for Death to come quickly, but it is not known when or for whom the setting was composed. Although it is unique in Steffani’s sacred output in being scored for Canto solo, two violins and continuo, it could be compared to his secular cantatas with instruments17 – and the comparison would support the ascription. Steffani’s last two sacred works are heartfelt settings of Marian texts reflecting the devotion to the Virgin displayed earlier in his Sacer Ianus quadrifrons. He composed Qui diligit Mariam specifically for the Academy of Vocal Music, posted it to them from Hanover on 18 April 1727 and was thanked for it in a letter dated 6 July.18 Since the primary purpose of the Academy was to explore unaccompanied vocal polyphony in four or more parts, he scored the motet for five voices and continuo only, like the madrigal Gettano i re dal soglio that he had sent over in late 1726. It may seem surprising that he composed such a Marian work for London, but as we shall see, Catholics were not excluded from membership of the Academy. Unlike the madrigal, which is divided into two parts, the motet comprises several movements and sections, including a Bass solo, two duets and a trio; in the last movement the opening point returns in the Bass and Cantus I, thus encompassing the new material

15 Confitebor tibi Domine: London, British Library (GB-Lbl), Add. MS 14398; Non plus me ligate: Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Mus. ms. 30095. 16 For further discussion, see Colin Timms, ‘Did Steffani compose a “Confitebor” in 1709?’, in: Georg Friedrich Händel in Rom: Beiträge der Internationalen Tagung am Deutschen Historischen Institut in Rom 17.–20. Oktober 2007 (= Analecta musicologica 44), ed. Sabine Ehrmann-Herfort and Matthias Schnettger, Kassel 2010, pp. 123–138, here: 130–138. 17 ‘Scherzi dell’Abbate Steffani’ (Modena, Biblioteca Estense e Universitaria, MS Mus. F. 1102), in Cantatas by Agostino Steffani 1654–1728 (= The Italian Cantata in the Seventeenth Century 15), selected and introduced by Colin Timms, New York 1985, pp. 1–53. 18 Lowell Lindgren and Colin Timms, ‘The Correspondence of Agostino Steffani and Giuseppe Riva, 1720–1728, and Related Correspondence with J. P. F. von Schönborn and S. B. Pallavicini’, in: Royal Musical Association Research Chronicle 36 (2003), pp. 115–117 and 119–120.

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(see Ex. 5), and later reappears in the other parts, too.19 Mary pervades the texture and frames the whole.

19 John Ernest Galliard praised this feature in a critique of the motet: see Lindgren and Timms, ‘The Correspondence’ (as n. 18), pp. 120–122, and Timms, Polymath (as n. 2), pp. 165–166.

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Colin Timms

Ex. 5: Steffani, Qui diligit Mariam (GB-Lbl, Add MS 31499), bars 148–156

In his final letter to Riva, Steffani described his Stabat mater as his last work and his masterpiece, and offered to send it to the Academy.20 We do not know exactly when he started or finished the composition, but his correspondence implies that he wrote it between 18 April 1727 and 11 January 1728. He may have been prompted to do so by the fact that this sequence, which had been removed from the liturgy by the Council of Trent, was reinstated by Pope Benedict XIII in 1727. That summer Steffani looked forward to renewing his acquaintance with George I of Great Britain, whom he had known for forty-five years. The king left London for Hanover on 3 June but died at Osnabrück eight days later, before reaching his destination. If Steffani was composing his Stabat mater at the time, as seems likely, he may have come to regard it as a kind of hommage to his former patron and friend. This – and the absence (apparently) of a performance in Hanover – may be what gave him the idea of sending the setting to London.21 On the basis of his sacred music Steffani could not be described as a ‘European’ composer. The foundations of his style were laid in the basilica at Padua, on the opera

20 Lindgren and Timms, ‘The Correspondence’ (as n. 18), pp. 125–126. The Stabat mater was edited by Charles Kennedy Scott (London 1938) and Heinrich Sievers (Wolfenbüttel 1956); a new edition is being prepared by the author of this essay. 21 See Colin Timms, ‘Steffani und Händel als Komponisten für Hannover und London’, in: HändelJahrbuch 61 (2015), pp. 13–37, here: 32–36. See also Timms, Polymath (as n. 2), pp. 166–171.

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Steffani and his Church Music

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stages of Venice, and in Rome, where Kerll had been a pupil of Giacomo Carissimi in the 1640s and ’50s and Bernabei had epitomised church music in the following decade. The superstructure of Steffani’s music was strongly influenced by the French style, which he assimilated in 1678–9, at the latest. This influence is unmistakable in his operas, with their French overtures, dance metres, dotted rhythms, ornaments and prominent woodwind instruments. Some of these features appear also in his chamber duets, but they are totally absent from his church music. Unlike French composers, Steffani evidently regarded the French style as unsuitable for sacred works, presumably because of its associations with dance and with opera. In this he was not alone: some Englishmen took a similar view when, after the Restoration of the monarchy in 1660, Charles II ‘order’d the Composers of his Chappell, to add Symphonys &c w(i)th Instruments to their Anthems’.22 Steffani’s church music appears also to have exerted little influence on other composers. Unlike his chamber duets, which were ‘dispersed in manuscript throughout Europe’23 and imitated by George Frideric Handel and others, and his Hanover operas, which were later staged in Hamburg (and elsewhere), partly published and often copied,24 his sacred works seem not to have circulated widely. Few exemplars of his printed collections survive, and most of his manuscript pieces are preserved in single copies. The only sacred works of which there are multiple copies are Qui diligit Mariam and the Stabat mater, and the eighteenth-century sources of these are of English provenance.25 These two pieces may have become collectable because they had been gifts from a distinguished individual who had connections with the Hanoverian court. Qui diligit Mariam was sung in England until the nineteenth century and identified by William Crotch as the source of a movement (‘Non pavescat lethales horrores’) that had been adapted by Handel as ‘Music, spread thy voice around’ in Solomon (1749).26 Even if the extract from Steffani’s Psalmodia vespertina, published by Padre Martini, was widely studied, it did not exert a European influence. At first glance, there appears to be a mismatch between Steffani’s career and his activity as a sacred composer. Since he served the Church for so long, devoting the last third of his life to ecclesiastical matters, one might expect his sacred works to

22 Thomas Tudway, cited in Peter Holman, Purcell, London 1994 (repr. 1996), pp. 125–126. 23 Charles Burney, A General History of Music from the Earliest Ages to the Present Period, 4 vols., London 1776–1789, ed. Frank Mercer, 2 vols., London 1935, vol. 2, p. 424. 24 Colin Timms, ‘The Dissemination of Steffani’s Operas’, in: Relazioni musicali tra Italia e Germania nell’età barocca / Deutsch-italienische Beziehungen in der Musik des Barock (= Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S. – Como 10), ed. Alberto Colzani et al., Como 1997, pp. 323–350. 25 For lists of sources, see Lindgren and Timms, ‘The Correspondence’ (as n. 18), pp. 21–23. 26 George Frideric Handel, The Overture, Sinfonia and Choruses in ‘Solomon’, adapted for the organ or piano forte by Wm. Crotch, London [1830], p. 35.

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Colin Timms

consist mainly of late compositions and to dominate his musical output. This is not the case. Nearly all his church music was composed before he reached his mid-­ thirties, and his output is largely secular. It seems that he regarded composition as a duty associated with some (but not all) of the positions he held, and that the nature of his works was subject to circumstance. As a student in Rome he evidently followed his teacher’s advice and fulfilled commissions for St Cecilia’s day. As an organist and as director of chamber music at the Catholic court of Munich he composed Sacer Ianus quadrifrons and secular works, including, from 1681, operas. At the Lutheran court of Hanover he was employed to write operas and other secular works, not church music. At Düsseldorf he composed very little, because his appointments were in government and administration,27 and as a bishop and as Apostolic Vicar of North Germany he disowned his compositional activity by adopting the pseudo­ nym Gregorio Piva.28 Without the Academy of Vocal Music he would probably not have written Qui diligit Mariam, but he might still have composed his Stabat mater: that the score of this work includes instruments suggests that he did not originally intend it as a gift to the Academy. The Stabat mater may be the only sacred piece that Steffani wrote for purely personal reasons or without a commission. If this is the case, he was presumably free to score the setting for any ensemble he liked. Why he chose the highly unusual combination of six voices and six string instruments, and organ, is a question that seems never to have been asked, let alone answered. A clue to a possible explanation is found in his treatise Quanta certezza habbia da suoi principii la musica (1695), of which about ten of the seventy-two pages (pp. 53–62) are devoted to the theological and musical significance of the number six. Steffani points out that six is a more perfect number than three and that God completed the Creation in six days, ordering all things ‘in measure and number and weight’.29 He also cites examples of phenomena in which the number appears, including the planets (Saturn, Jupiter, Mars, Venus, Mercury, Moon), the surfaces of a cube, the properties of elements and the forms of logical proposition. His principal source on the Senary was St Augustine’s De Genesi ad litteram (‘The Literal Meaning of Genesis’). He does not mention De Trinitate (‘The Trinity’), in which Augustine observes that ‘from the evening of [Christ’s] burial to the dawn of the resurrection are thirty-six hours, which is six

27 The first of his three ‘Düsseldorf ’ operas, Arminio (1707), is a pasticcio, and the second, Amor vien dal Destino (1709), had been composed at Hanover but not performed: see Gerhard Croll, ‘Zur Chronologie der “Düsseldorfer” Opern Agostino Steffanis’, in: Festschrift Karl Gustav Fellerer zum 60. Geburtstag, ed. Heinrich Hüschen, Regensburg 1962, pp. 82–87. 28 Colin Timms, ‘Gregorio Piva and Steffani’s Principal Copyist’, in: Source Materials and the Interpretation of Music: A Memorial Volume to Thurston Dart, ed. Ian Bent, London 1981, pp. 169–190. 29 Apocrypha, Wisdom of Solomon, ch. 11, v. 20.

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Steffani and his Church Music

squared’.30 Nevertheless, this observation could be the reason why Steffani wrote for six voices and six instruments in his Stabat mater, a work concerned with the crucifixion and resurrection, and it helps explain his statement that ‘there is no power of number in sound, nor vigour of harmonic proportion, that is not to be found in abundance in that composition’.31 Furthermore, if Augustine’s observation did inspire Steffani’s scoring, the Stabat mater must be regarded as an unusually powerful expression of the composer’s Christian faith, and this would explain why he described the work as his masterpiece. It is also an example of his interest in playing with numbers and words. That he shared Augustine’s preoccupation with numbers has been seen in Sacer Ianus quadri­frons and Quanta certezza. He also shared Augustine’s name and was well aware of the fact: Riva had informed him in 1726 that Giovanni Bononcini called him ‘quel S. Agostino della Musica’,32 a nickname referring to their common name and comparable careers (from worldly to religious). Claudia Kaufold discusses his use of secret codes in diplomatic correspondence.33 That Steffani also enjoyed wordplay is suggested by books of bons mots in his library,34 jokes in his correspondence with Riva35 and the double acrostic in the Latin stanza that appeared in his Psalmodia vespertina. In each line, reading down, the initial letter of the first word spells out his given name, while that of the last word forms his family name: Augeat Augustine augusta sorte, Ut merito debet praemia, fama, Germine ab Herculeo iam germen germinat. Virtus virtutem; lumen, & inde, Sors tua nunc virtus est; dum fati aemula Tanti operis luci, gloria maior Inclita si peperit iuventus germina; NOmini & augustum firmat, et auget

Suprema Tibi Edit Faces Floret Adest Nomen Opus.

30 Augustine, On the Trinity, trans. Arthur West Haddan (= The Works of Aurelius Augustine, ed. Marcus Dods, vol. 7), Edinburgh 1873, p. 119. 31 ‘[…] non esservi forza di numero sonoro o vigore di proporzione armonica che non si trovi abbondantemente in quel componimento’: Steffani to Riva, 11 January 1728, in: Lindgren and Timms, ‘The Correspondence’ (as n. 18), p. 126. 32 See Lindgren and Timms, ‘The Correspondence’ (as n. 18), p. 109. 33 See below, pp. 162–163. 34 ‘Bon Mots des Orientaux 24.o à la Haye 1694’; ‘Recueil des bons Contes et bons Mots 16.o Amsterdam 1693’; ‘Apophtegmes et bons Mots 12.o à Paris 1694’: Registro De Libri di Monsignor Vescovo di Spiga anno 1718 (Vatican City, Archivio Segreto Vaticano, Archivio della Nunziatura di Colonia 34, fols. 183–338v). 35 See, for example, letters 4, 8, 14 and 15 in Lindgren and Timms, ‘The Correspondence’ (as n. 18), pp. 49–50, 58–59 and 66–70.

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Colin Timms

May your reputation increase, Agostino, with a noble destiny | As it owes you deservedly outstanding rewards. | From a Herculean seed [Ercole Bernabei] now a shoot is sprouting. | Excellence produces excellence, light and then torches. | Your destiny is excellent now; while, a rival of fate, it flourishes, | Greater glory attends the light of such a great work, | If youth has brought forth its celebrated seeds. | Reputation attends a name, establishes it as noble and increases its work.

By means of this acrostic Steffani stamped his name on his Opus 1; by scoring his Stabat mater for six voices and six instruments he stamped his final work with both the name and the ideas of his namesake. That this work is a setting of a Marian text from the Catholic liturgy illustrates the importance of the Church to its composer and says something about his religious beliefs. That it also employs Augustinian numerology lights a path into his mind. Steffani’s interest in numbers was not restricted to theory or symbolism: for him, numbers were the foundation of harmony, and the purpose of harmony was ‘to move, correct, change, and calm the passions of the mind’ (‘animo’).36 It is abundantly clear that he possessed intelligence and erudition, but he also was blessed with humanity, empathy and intuition. In his musical compositions, both sacred and secular, he drew on all these attributes to arouse a very wide range of affections. A synergy between head and heart is a hallmark of the works of this remarkable composer.

36 ‘La Musica dunque è ordinata à muovere, à corregere, à cangiare, à sedare le Passioni dell’Animo; Mà per qual forza? O questo è il Punto! Per forza dell’Harmonia’: Agostino Steffani, Quanta certezza habbia da suoi principii la musica, Amsterdam, 1695, p. 10. For a full discussion of Steffani’s ideas, see the essay by Stephen Rose in this volume, pp. 249–262.

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Berthold Over

Spurensuche. Agostino Steffanis vokale Kammermusik in Rom

„Spurensuche“ hört sich ein wenig abgegriffen an – und könnte nicht besser gewählt sein. Geht es doch in diesem Beitrag um eine Suche nach der Verbreitung der weltlichen Musik, insbesondere der Kammerduette Agostino Steffanis in Rom, dem Zentrum der Christenheit und der im Selbstverständnis um 1700 „Hauptstadt der Welt“ („Caput mundi“, „Capitale del mondo“), wohin Steffani aufgrund seiner musikalischen und diplomatischen Tätigkeit gute Beziehungen hatte, wo er aber auffälligerweise als Komponist so gut wie nicht in Erscheinung trat. Agostino Steffanis Kontakte nach Rom müssen als relativ eng bezeichnet werden. Er wurde auf Kosten des Münchner Hofs von 1672 bis 1674 in die Ewige Stadt zur Ausbildung bei Ercole Bernabei geschickt. Dort hatte er Kontakt zum Kardinalnepoten Clemens’ X., Kardinal Paluzzo Altieri, dem er ein Empfehlungsschreiben überreichte, und seinem Netzwerk.1 Bereits vor seiner Funktion als Apostolischer Vikar des Nordens von 1709 bis zu seinem Tod 1728 pflegte er einen ausführlichen Briefverkehr mit Persönlichkeiten, die auch durch ihre Musikpatronage auffielen, u. a. mit Kardinal Ottoboni sowie seit 1724 mit Bartolomeo Ruspoli, Francesco Maria Ruspolis Sohn und Sekretär der Sacra Congregazione della Propaganda Fide, der 1730 zum Kardinal kreiert wurde.2 Für römische Angelegenheiten nutzte

1 Colin Timms, Polymath of the Baroque. Agostino Steffani and His Music, New York 2003, S. 17–19. 2 Michael F. Feldkamp, „Der Nachlass des Komponisten, Diplomaten und Bischofs Agostino Steffani (1654–1728) im Archiv der Propaganda Fide“, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 72 (1992), S. 230–313; zu Bartolomeo Ruspoli, Josef Metzler, „Die Kongregation im Zeitalter der Aufklärung. Struktur, Missionspläne und Maßnahmen allgemeiner Art (1700–1795)“, in: Sacrae Congregationis de Propaganda Fide Memoria Rerum. 350 anni a servizio delle missioni. 1622–1972, hrsg. von dems., Bd. 2: 1700–1815, Rom u. a. 1973, S. 23–83, hier: S. 33; zum Umfang der Korrespondenz Steffanis allgemein und zu seinen römischen Kontakten vgl. Claudia Kaufold, Ein Musiker als Diplomat. Abbé Agostino Steffani in hannoverschen Diensten (1688–1703) (= Veröffentlichungen des Instituts für historische Landesforschung der Universität Göttingen 36), Bielefeld 1997, S. 131 sowie 254–261. Zu Francesco Maria Ruspoli, Dienstherr Georg Friedrich Händels und Antonio Caldaras, vgl. Ursula Kirkendale, „The Ruspoli Documents on Handel“, in: Journal of the American Musicological Society 20 (1967), S. 222–273; dies., „Händel bei Ruspoli: neue Dokumente aus dem Archivio Segreto Vaticano, Dezember 1706

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Berthold Over

er außerdem den kurpfälzischen und toskanischen Agenten Antonio Maria Fede.3 Weitere römische Kontakte sind aus Steffanis erhaltener Korrespondenz ersichtlich. Ein wichtiger Kontakt Steffanis scheint der genannte Kardinal Pietro Ottoboni gewesen zu sein. Wie es dazu kam, dass im Mai 1693 „Ariette Venute di Bransviche“ („aus Braunschweig gekommene Arietten“) aus Steffanis in Hannover produzierter Oper La libertà contenta für Ottoboni kopiert wurden,4 lässt sich im Einzelnen nicht nachvollziehen. Ein direkter Kontakt Steffanis mit dem Kardinal ist jedoch zu diesem Zeitpunkt auszuschließen. Denn Mittelsmann scheint ein gewisser „Conte Bernardi“ gewesen zu sein,5 sicherlich Conte Bernardo Bernardo, der als Teil des Netzwerks des Hannoveraner Hofs in der Korrespondenz Gottfried Wilhelm Leibniz’ mehrmals erwähnt wird und wohl häufiger zwischen Venedig, Rom und Hannover pendelte. Im Februar 1693 hatte er sich in Hannover aufgehalten.6 Persönliche und musikalische Beziehungen Steffanis zu Kardinal Ottoboni waren bisher nur aus einer Anekdote von John Hawkins bekannt, die sich – sollte sie der Wahrheit entsprechen – 1708/1709 im Rahmen von Steffanis diplomatischer Mission zur Vermittlung im Streit zwischen Kaiser Joseph I. und Papst Clemens XI. abgespielt haben muss.7 Sie lassen sich hingegen inzwischen archivalisch belegen. Während Hawkins nicht nachprüfbare Auftritte Steffanis als Sänger in Ottobonis Akademie erwähnt und außerdem Korrespondenzen Steffanis vom Anfang des bis Dezember 1708“, in: Händel-Jahrbuch 50 (2004), S. 309–374; dies., Antonio Caldara. Life and Venetian-Roman Oratorios (= Historiae musicae cultores 114), rev. und übers. von Warren Kirkendale, Florenz 2007. 3 Feldkamp, „Der Nachlass“ (wie Anm. 2), S. 259. 4 Hans Joachim Marx, „Die Musik am Hofe Pietro Kardinal Ottobonis unter Arcangelo Corelli“, in: Analecta musicologica 5 (1968), S. 104–177, hier: S. 137 (Dok. 47d); zur Identifizierung Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 74. 5 Im Eintrag heißt es: „Ariette Venute di Bransviche / date dal Sig[nor] Conte Bernardi“. 6 Im April 1692 sowie im Februar und April 1695 befand sich Bernardo in Rom. Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften u. a. (= Leibniz-Akademie-Ausgabe i. F. LAA), Berlin u. a. 1923ff., Reihe I, Bd. 8, S. 227 (Alessandro Melani an Leibniz vom 26. April 1692); Bd. 9, S. 281 (Alessandro Melani an Leibniz vom 7. Februar 1693); Bd. 11, S. 284, 393 (Niccolò Bon an Leibniz vom 25. Februar und 15. April 1695). Möglicherweise bestand ein lockeres Verwandtschaftsverhältnis mit dem Kardinal, da Pietro Ottobonis Großmutter Paolina Bernardo war, die sein Großvater Agostino in zweiter Ehe geheiratet hatte. Obwohl keine Blutsverwandtschaft bestand – Pietros Vater Antonio war ein Kind aus Agostinos erster Ehe mit Candida Benzio – mag eine gewisse Verbundenheit bestanden haben. Antonio Menniti Ippolito, Fortuna e sfortune di una famiglia veneziana nel Seicento. Gli Ottoboni al tempo dell’aggregazione al patriziato (= Istituto veneto di scienze, lettere ed arti. Memorie Classe scienze morali, lettere ed arti 64), Venedig 1996, S. 16, 102 und passim; ders., Artikel „Ottoboni, Antonio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 79 (2013), online: http://www.treccani.it/enciclopedia/antonio-ottoboni_(Dizionario_Biografico) / (konsultiert 2. Oktober 2015). 7 Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 99. Zur Mission, die Steffani am 16. Februar 1709 die Ernennung zum Hausprälaten und Thronassistenten des Papstes einbrachte, vgl. Feldkamp, „Der Nachlass“ (wie Anm. 2), S. 238f.

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Spurensuche. Agostino Steffanis vokale Kammermusik in Rom

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18. Jahrhunderts mit dem Kardinal vorliegen,8 die sich indessen auf Angelegenheiten der Sacra Congregazione della Propaganda Fide beschränkt haben dürften, der Ottoboni angehörte,9 und mithin professioneller Natur waren, übernahm Steffani 1714 für den Kardinal einen persönlichen Auftrag. Er fungierte als Kunst-Agent und beschaffte für Ottoboni Gemälde aus den Niederlanden, wie aus einem Brief im Fondo Ottoboni des Archivio del Vicariato in Rom hervorgeht: „Ill[ustrissi]mo Sig[no]re In data di 4. d’Agosto dell’Anno pass[at]o mi commandò benig[amen]te il Sig[no]r Card[ina]l Otthoboni dillecitare in Ollanda certi Quadri che l’E[eminenza] S[ua] desiderava. Sotto li 13. [otto]bre, 9. e 17. [novem]bre dello stesso anno mi ordinò di addrizzarmi à V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma per il rimborso del mio Corrispondente in Amsterdam, che ne ha pagato il prezzo, et hauuta l’incombenza di farli incassare, e spedirli in quá. Io gli hó fatti partire Mercoledí passato, raccommandati al Sig[no]r Baron Wetzel Resid[en] te di S[ua] M[aestà] Ces[are]a à Francfort, il quale haverá la cortese cura di mandarli al Sig[no]r Paolo Meyer Agente di S[ua] M[aes]tá Britannica in Augusta [Augsburg]; d’onde saranno inoltrati à cotesto Sig[no]r Gio[vanni] Paolo Zanoelli,10 col quale prego V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma d’intendersela, e procurare che quando la Cassettina marcata C. O. N: 1 [über C. O. ein +]11 arriverá alli confini, la Protettione dell’Ecc[ellentissi]mo Magistrato della Sanitá la faccia andare à far da contumacia al Lazzaretto di Venezia senza fermarsi à quello di Premolano. In Sequela degli ordini di S[ua] E[ccellenza] trasmetto hoggi al Sig[no]r Aurelio Rezzonico12 un’ordine mio, col quale supplico V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma pagargli p[er] Conto del Sig[no]r Card[ina]le et à dispositione del ­Sig[no] r Cesare Sardi, e Compagnia d’Amsterdam13 la somma di D[uca]ti di banco 281.19. et hó

  8 Feldkamp, „Der Nachlass“ (wie Anm. 2), S. 281, 286, 288. Die Briefe befinden sich in: Vatikan, Archivio storico della Sacra Congregatione de Propaganda Fide, Fondo Spiga, in den Buste 50 (Rückentitel: 1704–1727), 63 (Rückentitel: Lettere 1709–1728) und 66 (Rückentitel: Roma 1723 Tom. I.).   9 Christoph Weber, Die ältesten päpstlichen Staatshandbücher. Elenchus congregationum, tribunalium et collegiorum urbis 1629–1714 (= Römische Quartalsschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte. Supplementheft 45), Rom u. a. 1991, S. 135. 10 Giovanni Battista Zanovello (gest. 1713) war Braunschweig-Lüneburgischer Agent in Venedig gewesen, vgl. die Indices der Leibniz-Korrespondenz, etwa LAA (wie in Anm. 6), Bd. 24, S. 894, online: http://www.gwlb.de/Leibniz/Leibnizarchiv/Veroeffentlichungen/I24.pdf (konsultiert 11. November 2016). Bei Giovanni Paolo handelt es sich möglicherweise um einen Verwandten. 11 Sicherlich aufzulösen in: „Cardinale Ottoboni Numero 1“. 12 Bruder des künftigen Papstes Clemens XIII. (Carlo Rezzonico, 1758–1769). Zum Verwandtschaftsverhältnis vgl. die Beschreibung der Trauerfeiern für Carlos und Aurelios Mutter Vittoria Barbarigo Rezzonico im Ospedale dei Mendicanti in Venedig (1758) in: Berthold Over, Per la Gloria di Dio. Solistische Kirchenmusik an den venezianischen Ospedali im 18. Jahrhundert (= Orpheus-Schriftenreihe zu Grundfragen der Musik 91), Bonn 1998, S. 425; zu Clemens XIII.: Luigi Cajani/Anna Foa, Artikel „Clemente XIII, papa“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 26 (1982), online: http://www.treccani.it/enciclopedia/papa-clemente-xiii_(Dizionario-Biografico)/ (konsultiert 2. Oktober 2015). 13 Bankier in Amsterdam: vgl. Rita Mazzei, La trama nascosta. Storie di mercanti e altro (secoli XVI–XVII), Viterbo 2006, S. 264–269.

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Berthold Over

creduto doverne avvanzare à V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma q[ues]to picciolo avviso, pregandola far capitale della servitú, che da così lungo tempo professo à S[ua] E[ccellenza] in ogni occorrenza di suo servizio, e credermi con tutto Spirito Neuhaus 9. Marzo 1715. Di V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma Devot[issi]mo Serv[ito]re  A[gostino] Steffani Vescovo di Spiga Al Sig[no]r Maffio Maffetti, Venezia“14

Im Brief geht Steffani auf die Umstände des Auftrags ein, der ihm vom Kardinal ohne Zwischenschaltung eines Mittelsmanns persönlich erteilt worden war, klärt dessen Abwicklung und betont am Schluss die langjährigen Kontakte und seine langjährige „servitù“ (was im Sinne der klientelären Netzwerk-Pflege sicherlich auch als „captatio benevolentiae“ verstanden werden kann). Trotz des bestehenden römischen Netzwerks lassen sich Steffanis weltliche Kompositionen in römischen Musiksammlungen jedoch kaum nachweisen: Neben den (nicht erhaltenen) Arien von 1693 lässt sich lediglich eine Kantate aus den Lehrjahren Steffanis in einer römischen Handschrift ausfindig machen.15 Die viel 14 „Hochgeehrter Herr, am 4. August des vergangenen Jahres [1714] befahl mir gütigst der Herr Kardinal Ottoboni, gewisse Bilder in Holland zu ersteigern, die er begehrte. Am 13. Oktober sowie am 9. und 17. November desselben Jahres ordnete er an, dass ich mich an Eure Hochgeehrte Herrschaft bezüglich der Kostenerstattung meines Geschäftspartners in Amsterdam wenden solle, der den Preis bezahlt und die Aufgabe übernommen hat, die Bilder einpacken und hierhin senden zu lassen. Ich habe sie vergangenen Mittwoch an Herrn Baron Wetzel, Resident Seiner Kaiserlichen Hoheit in Frankfurt, weitergesendet, der freundlicherweise Sorge tragen wird, sie an Paolo Meyer, Agent Seiner Majestät des Königs von England in Augsburg, zu schicken. Von dort werden sie an den dasigen Herrn Giovanni Battista Zanovello weitergeleitet, mit dem sich Ihre Hochgeehrte Herrschaft ins Benehmen setzen und Vorkehrungen treffen mögen, dass, wenn die mit C. O. Nr. 1 beschriftete Kiste an die Grenzen gelangen werde, die Protektion des Magistrato alla Sanità sie direkt in die Quarantäne ins Lazzaretto von Venedig gehen lässt, ohne sie zunächst in der in Premolano festzuhalten. Gemäß den Anordnungen Ihrer Exzellenz [Ottoboni] übergebe ich heute Herrn Aurelio Rezzonico eine Anweisung, mit der ich Eure Hochgeehrte Herrschaft bitte, ihm auf Rechnung des Kardinals Ottoboni und zur Verfügung des Herrn Cesare Sardi & Co. in Amsterdam die Summe von 281.19 Ducati nach Bankwert zu bezahlen. Ich glaubte, diesen Avis Ihrer Hochgeehrten Herrschaft im Voraus schicken zu müssen, und bitte Sie, aus der Dienerschaft, die ich seit so langer Zeit Ihrer Exzellenz [Ottoboni] bekunde, wann immer sie meinen Dienst benötige, Kapital schlagen zu wollen, […].“ Rom, Archivio del Vicariato, Fondo Ottoboni, B. HH, Rücken: „N. XIIII / Conti scritture lettere / et altre carte importanti / di Venetia degl’anni / 1714 e qualche / mese del 1715 sino / alla metà d’Aprile“, fol. 21r. Neuhaus war die Residenz der Fürstbischöfe von Osnabrück. Vgl. Feldkamp, „Der Nachlass“ (wie Anm. 2), S. 240. 15 Occhi miei lo miraste (Hannover, Stadtbibliothek, Kestner 76), transkribiert in Theodor Wilhelm Werner und Alfred Einstein, „Die Musikhandschriften des Kestnerschen Nachlasses im Stadtarchiv zu Hannover“, in: Zeitschrift für Musikwissenschaft 1 (1918–1919), S. 441–466, hier: S. 457–466.

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Spurensuche. Agostino Steffanis vokale Kammermusik in Rom

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gesammelten Kammerduette fehlen gänzlich. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da sich bei der Durchsicht der aufgrund von Kopistenabrechnungen und Handschriften teilweise rekonstruierbaren berühmten Musiksammlungen der Kardinäle Pamphilj und Ottoboni sowie des Marchese bzw. Principe Ruspoli der Eindruck einstellt, dass die Gattung des Kammerduetts in Rom ohnehin ein Schattendasein geführt zu haben scheint.16 Aus dem Repertoire Kardinal Pamphiljs sind lediglich zwei regelrechte Kammerduette bekannt, die im Gegensatz zur Dialogkantate einen nicht-dialogischen Text in mehreren Teilen exponieren:17 E ti par poco von Severo de Luca für zwei Soprane und Basso continuo (kopiert 1688),18 und No, non ti voglio, no von Alessandro Scarlatti für Sopran, Alt und Basso continuo (in einer Handschrift von 1705/1706).19 An zweistimmigen Kompositionen finden wir ansonsten im Repertoire Pamphiljs einsätzige Duette (kopiert 1688),20 Dialogkantaten mit dialogisierenden Personen (cantate a due)21 sowie solche Stücke, die aufgrund des unspezifischen Eintrags in den Rechnungsbüchern keiner Gattung zugeordnet werden können. Zu letzteren gehören Onde belle mormorate (1691), „tre esemplari del Bononcini a due voci“ bzw. „un Duetto del Sig.re Bononcini“ (1705)22 und Parlo, e ride (1705), bei denen 16 Vgl. die Kopistenrechnungen – Pamphilj: Hans Joachim Marx, „Die ‚Giustificazioni della Casa Pamphilj‘ als musikgeschichtliche Quelle“, in: Studi musicali 12 (1983), S. 121–187; Alexandra Nigito, Alla corte dei Pamphilj: la musica a Roma tra Sei- e Settecento, Diss. Zürich 2008, S. 129–503; Ottoboni: Marx, „Die Musik am Hofe“ (wie Anm. 4); Ruspoli: Kirkendale, „The Ruspoli Documents on Handel“ (wie Anm. 2); dies., Antonio Caldara (wie Anm. 2), S. 445–478; Franco Piperno, „Francesco Gasparini ‚Virtuoso dell’Eccellentissimo Sig. Principe Ruspoli‘: contributo alla biografia gaspariniana (1716–1718)“, in: Francesco Gasparini (1661–1727). Atti del primo convegno internazionale (= Quaderni della Rivista Italiana di Musicologia 6), hrsg. von Fabrizio Della Seta und dems., Florenz 1981, S. 191–214. 17 Zu den verschiedenen Formen zweistimmiger vokaler Kammermusik der Zeit vgl. Berthold Over, „Die italienische vokale Kammermusik um 1700“, in: Händels Kirchenmusik und vokale Kammermusik (= Das Händel-Handbuch 4), hrsg. von Michele Calella und Hans-Joachim Marx, Laaber 2012, S. 311–324, hier: S. 318–323. 18 Münster, Diözesanbibliothek, Santini-Sammlung (D-MÜs), Sant.Hs.862; Clori. Archivio della cantata italiana, www.cantataitaliana.it, scheda 1864. 19 D-MÜs, Sant.Hs.865; Clori. Archivio della cantata italiana, www.cantataitaliana.it, scheda 1745. 20 D-MÜs, Sant.Hs.862: Flavio Carlo Lanciani, Sì, che in amor si gode (kopiert 1688); ders., O dolce penare nel regno d’amor (kopiert 1688); Severo de Luca, Se incostante è la bellezza (keine Kopistenrechnung nachgewiesen, wahrscheinlich 1688 kopiert). Clori. Archivio della cantata italiana, www.cantataitaliana.it, scheda 1865, 1866, 1867. 21 D-MÜs, Sant.Hs.862: Bernardo Pasquini, Crudel, perché dal core – Alicori, Dorillo (kopiert 1688); Clori. Archivio della cantata italiana, www.cantataitaliana.it, scheda 1863. Auch: D-MÜs, Sant. Hs.866: Alessandro Scarlatti, Qual di lieti concenti – Tirsi, Fileno (Weihnachtskantate), sowie eine „Cantata a 2 Voci con strum.ti“ (kopiert 1691). 22 „Drei Exemplare des Bononcini zu zwei Stimmen“ bzw. „ein Duett des Herrn Bononcini“. Es handelt sich möglicherweise um ein oder mehrere Kammerduette Giovanni Bononcinis, dessen Duetti da camera, op. 8, 1691 in Bologna erschienen (sie enthalten u. a. Vertonungen von Texten in Rom aktiver Dichter wie „Abbate [Francesco Maria] Paglia“ und einem „Abbate Grapelli“, der evtl. in einer verwandtschaftlichen Beziehung zu Giovanni Battista Grappelli stand) und von

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nicht klar ist, ob es sich um Duette, Kammerduette oder Dialogkantaten handelt. Bei Kardinal Ottoboni und Marchese bzw. Principe Ruspoli ergibt sich ein anderes Bild; hier stehen Dialogkantaten klar im Vordergrund. Außer dem schon genannten Parlo e ride (1692/1693) sowie Si vanta primavera, einem Strophenlied für Sopran, Alt und Basso continuo,23 finden sich ausschließlich Dialogkantaten in Ottobonis Repertoire. Bei Marchese / Principe Ruspoli fehlen nicht-dialogische Kompositionen fast völlig. Steffanis Kompositionen finden wir in den drei Sammlungen nicht. Trotzdem zirkulierten Steffanis Kammerduette in der Ewigen Stadt. Colin Timms entdeckte in den siebziger Jahren eine Handschrift mit Steffanis Kammerduetten, die 1706 Georg Friedrich Händel in Rom erworben hatte, wenn auch in einer stark veränderten Fassung: Sämtliche Solosätze wurden entfernt.24 Weitere Handschriften anscheinend römischer Provenienz werden in Rom und Neapel aufbewahrt.25 Trotzdem scheinen bei allen dreien Exponenten des römischen Musiklebens Steffanis Kompositionen nicht auf – oder doch? Hinter der zweistimmigen Komposition Parlo e ride, die 1692 unter diesem Titel und 1693 unter dem Titel Parlo e rido für

dem weitere Kammerduette bekannt sind. Angela Romagnoli, Artikel „Bononcini“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG 2), Personenteil Bd. 3, Kassel u. a. 2000, Sp. 354–376, hier: Sp. 365; Giovanni Bononcini, Duetti da camera consecrati alla Sacra Cesarea Maestà di Leopoldo Primo sempre augusto […]. Opera ottava, Bologna 1691, S. 77, 111, 137. Zu den Dichtungen Paglias vgl. die Einträ ge in Clori. Archivio della cantata italiana, www.cantataitaliana.it; zum dichtenden Juristen Giovanni Battista Grappelli vgl. Giacinto Gimma, Elogj accademici della Società degli Spensierati di Rossano, […], colle memorie storiche della società stessa aggiunte dal medesimo nella seconda parte […], 2 Bde., hrsg. von Gaetano Tremigliozzi, Neapel 1703, Bd. 1, S. 377–386. 23 Cambridge, Fitzwilliam Museum (GB-Cfm), Mu MS 230; Clori. Archivio della cantata italiana, www.cantataitaliana.it, scheda 1613. 24 London, British Library (GB-Lbl), Add. MS 37779. Colin Timms, „Handel and Steffani. A New Handel Signature“, in: The Musical Times 114 (1973), S. 374–377, hier: S. 377. 25 Das Papier weist als Wasserzeichen eine Lilie in einem Doppelkreis auf und ist somit Papieren ähnlich, die häufig in Rom benutzt wurden. Die Handschriften konnten leider nicht näher in Augenschein genommen werden, so dass eine endgültige Klärung der Provenienz offen bleiben muss. Rom, Archivio storico dell’Accademia di Santa Cecilia, Accademico A-Ms-382: http://bibliomediateca.santacecilia.it/bibliomediateca/cms.view?munu_str=0_1_0_4&numDoc=173&physDoc=83604&pflag=personalizationFindBiblioteca; Neapel, Conservatorio di musica „S. Pietro a Majella“, Arie 88 (22.5.15, ca. 1711–1740), Arie 591A (34.5.17, ca. 1701–1710), Arie 591B (34.5.18, ca. 1701–1710), Rari 7.1.13 (34.6.32): http://opac.sbn.it/opacsbn/opac/iccu/ scheda.jsp?bid=IT%5CICCU%5CMSM%5C0079959; http://opac.sbn.it/opacsbn/opac/iccu/ scheda.jsp?bid=IT%5CICCU%5CMSM%5C0078310; http://opac.sbn.it/opacsbn/opac/iccu/ scheda.jsp?bid=IT%5CICCU%5CMSM%5C0078326; http://www.internetculturale.it/opencms/ opencms/it/viewItemMag.jsp?id=IT%5CICCU%5CMSM%5C0085102 (alle konsultiert 11. September 2014).

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Kardinal Ottoboni26 sowie Ende 1705 für Kardinal Pamphilj als Parlo, e ride & 27 kopiert wurde, könnte man Steffanis Parlo e rido con questa e quella vermuten, wobei bei Parlo e ride ein Lesefehler, vielleicht schon des Kopisten, anzunehmen wäre.28 Colin Timms datiert dieses Kammerduett auf die Zeit zwischen 1667 und 1688, denn er geht davon aus, dass „[it was] probably composed during his Munich years“.29 Somit liegt es durchaus im Rahmen des Möglichen, dass die Komposition, will man nicht annehmen, dass sie direkt für Rom entstanden ist, ca. vier Jahre nach dem terminus ante quem nach Rom gelangt ist. Gibt es weitere Indizien, dass Parlo e rido zum Repertoire Ottobonis gehörte? Hinweise könnten im Text gefunden werden. Denn es ist allzu bekannt, dass Kantaten und Duette auf persönliche Situationen bezogen wurden. In Bezug auf Steffani scheinen beispielsweise Max Emanuel von Bayern und Sophie Charlotte von Hannover im Jahre 1700 das Kammerduett Io mi parto in einer Abschiedssituation gesungen zu haben.30 Auch für Kardinal Ottoboni spielten persönliche Bezüge bei seiner Rezeption von Musik eine Rolle und die Applikation musikalischer Kompositionen auf die persönliche Lebenssituation wird in einigen Briefen besonders manifest. Er schreibt beispielsweise in einem zwischen 1691 und 1695 verfassten Brief an Margherita Pio di Savoia Zeno, dass er sein eigenes Leben im Plot einer nicht genannten Oper gespiegelt fand: „Veramente tutta l’Opera è stata per Me una

26 Die erste Abschrift wurde von Giovanni Lorenzo Lulier in Auftrag gegeben. Der Eintrag heißt in der Lesart von Marx: „Una Cantata à 2 / ordinato del Sig[no]r Giovannino del Violone per sua em[inentissi]ma / Parlo e ride.“ („Eine Kantate zu zwei Stimmen, in Auftrag gegeben von Herrn Giovannino del Violone für Seine Eminenz: Parlo e ride.“) Marx, „Die Musik am Hofe“ (wie Anm. 4), S. 133 (Dok. 37d). Eine weitere Kopie wurde 1693 angefertigt. Ebd., S. 136 (Dok. 42 g): „Parlo e rido à 2“. 27 Marx, „Die ‚Giustificazioni della Casa Pamphilj‘“ (wie Anm. 16), S. 172 (Dok. 137), in der Lesart von Marx: „Copiato un Duetto che principia: Parlo, e ride &“ („Ein Duett kopiert, das mit Parlo e ride etc. beginnt“). Die Rechnung wurde am 29. Dezember 1705 gestellt und am 8. Februar 1706 bezahlt. 28 Es ist weniger wahrscheinlich, dass es sich bei Parlo e rido um Pietro Paolo Sabbatinis oder eine anonym überlieferte Komposition handelte, da Ottoboni (mit Ausnahme von Kompositionen Alessandro Stradellas) und Pamphilj (evtl. mit Ausnahme von Kompositionen Antonio Cestis) kein älteres Repertoire kopieren ließen. Sabbatinis Komposition wurde 1652 in der Seconda scelta di villanelle in Rom publiziert; die anonyme Komposition erscheint in einer Handschrift, die anscheinend Repertoire aus den Jahren um 1650 von u. a. Luigi Rossi, Mario Savioni, Marc’ Antonio Pasqualini enthält (Brüssel, Bibliothèque royale Albert Ier, Ms II 3947 Mus Fétis 2422). Rossi starb 1653; Pasqualinis Kompositionen können aufgrund von Konkordanzen auf vor 1654 datiert werden. Vgl. dazu Margaret Murata, Thematic Catalogue of Chamber Cantatas by Marc’Antonio Pasqualini [= Journal of 17th Century Music. Instrumenta 3], Nr. 132, 164, 167, online: http://sscm-jscm.org/instrumenta/instrumenta-volumes/instrumenta-volume-3/ (konsultiert 13. März 2017). Mein herzlicher Dank gilt Colin Timms für die Überlassung einer Transkription von Steffanis Kammerduett. 29 Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 279. 30 Ebd., S. 76.

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viva contemplatione della mia Vita; che non posso esprimervi quanto anco più del solito Bella mi sembraste.“31 Dieser letzte Halbsatz lässt aufhorchen, da es unziemlich erscheinen dürfte, dass ein Kardinal einer Frau schöne Komplimente macht. Doch Kardinal Ottoboni, er war damals Mitte zwanzig, hatte sich in Margherita verliebt. Deshalb setzte er 1692 auch alles daran, dass aus der Oper Gli equivoci in amore, overo La Rosaura von Giovanni Battista Lucini (Text) und Alessandro Scarlatti (Musik) eine Arie entfernt wurde, die man als Anspielung auf seine Liebessituation hätte verstehen können. Es handelt sich um eine kurze Canzonetta des Lesbo: „La bella Margherita / L’è bianca quanto un fior.“ Fatal war für Ottoboni die Ambiguität des Wortes „Margherita“, das einerseits neutral die Blume Margerite bezeichnet und andererseits der bekannte Frauenname ist. Er schreibt: „Nell’Opera di Capranica il Buffone canta un’Aria; che dice La Bella Margherita è bianca & Io provero sotto Mano di farla [levare]; Mà non posso apririmi molto come ben sapete; […].“ Paradoxerweise war die Oper jedoch bereits zwei Jahre zuvor schon einmal gegeben worden, ohne Anstoß zu nehmen – ein Zeichen dafür, dass musikalische Kompositionen in neuen oder veränderten Konstellationen und Kontexten jeweils anders gedeutet werden konnten. Ottoboni schreibt: „è ben vero che quest’Opera fù fatta due anni sono che voi non erivo [eravate] in Roma; in ogni modo vi giuro, che non lascio di far il mio dovere nella forma, che mi permette la nostra secretezza.“32 Auch folgende Briefstelle lässt sich

31 „Wahrhaftig, die ganze Oper ist für mich eine lebhafte Betrachtung meines Lebens gewesen, so dass ich nicht ausdrücken kann, wieviel schöner als gewöhnlich Ihr mir erschient.“ Mailand, Biblioteca Ambrosiana (I-Ma), Archivio Falcò Pio di Savoia, B. V.N.483, Brief Nr. 29 (undatiert). Zur Datierung des Briefwechsels vgl. Pier Giovanni Baroni, Un conformista del secolo diciottesimo. Il cardinale Pietro Ottoboni (= Ambienti e personaggi della vita politica „minore“ del Seicento e del Settecento 1), Bologna 1969, S. 12. 32 „In der im Teatro Capranica gegebenen Oper singt die komische Figur eine Arie, die beginnt: La bella Margherita è bianca und ich werde unter der Hand versuchen, sie entfernen zu lassen. Aber ich kann nicht offen reden, wie Ihr zu gut wisst. Es ist wahr, dass die Oper bereits vor zwei Jahren gegeben wurde, als Ihr nicht in Rom wart; auf jeden Fall schwöre ich Euch, meiner Pflicht in der Form nachzukommen, die unser Zwang zur Geheimhaltung erlaubt.“ I-Ma, Archivio Falcò Pio di Savoia, B. V.N.483, Brief Nr. 21 (undatiert). Aufgrund der Erwähnung der Canzonetta aus Gli equivoci in amore, overo La Rosaura lässt sich dieser Brief indessen auf Januar 1692 datieren. Die Oper wurde 1690 zur Doppelhochzeit Tarquinia Colonnas mit Marco Ottoboni und Cornelia Ottobonis mit Urbano Barberini in der Cancelleria uraufgeführt und 1691 wahrscheinlich ebendort sowie 1692 im Teatro Capranica wiederholt: vgl. Saverio Franchi, Drammaturgia romana. Repertorio cronologico dei testi drammatici pubblicati a Roma e nel Lazio. Secolo XVII […] (= Sussidi eruditi 42), Rom 1988, S. 633, 638, 642. Die Canzonetta des Lesbo, Bestandteil eines Duetts mit Rosaura, befindet sich im Libretto von 1692 im II. Akt, Sz. 1 (S. 27): Ros. Peno, nè son gradita, E non l’intendi ancor? Les. La bella Margherita L’è bianca, quanto un fior.

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auf diese Angelegenheit beziehen. Margherita sah in den Maßnahmen des Kardinals den Verrat ihrer Liebe: „e nel tempo istesso, che voi mi facevate mille disprezzi, io discorrevo con il Corriero, che doppo gl’ultimi sconcerti per l’Arietta di Capranica, non ero più Amante.“33 In einem der Briefe erwähnt Ottoboni Arien nebst einem eher delikaten Duett, das sie in ihrer Situation gemeinsam würden singen können: „Riceverete dall’Arlichino le Canzonette; frà le quali me ne sono scordata [?] una, che vi Mando, che potrete senza osservatione metter frà l’altre, e mi pare un duetto, che potressimo Cantar assieme proprij stimamente.“34 Es ist natürlich sehr spekulativ, hinter diesem „duetto“ Parlo e ride / Parlo e rido zu vermuten. Eine Bestätigung erfährt die These dadurch, dass aus der Zeit um 1690 keine weiteren eigenständigen Duett-Kompositionen, sondern ausschließlich Dialogkantaten bekannt sind, ein Gegenargument dadurch, dass es sich bei dem „duetto“ durchaus auch um ein Duett aus einer Oper gehandelt haben könnte, die in der Zeit häufiger kopiert wurden.35 Außerdem könnte eine in den Kopistenabrechnungen nicht dokumentierte Komposition gemeint sein36 und überdies ist die um 1700 verwendete Terminologie alles andere als eindeutig: „duetto“ kann sowohl ein Duett, ein Kammerduett oder – wenngleich eher selten – eine dialogische Komposition bezeichnen.



Vgl. auch Alessandro Scarlatti, „La Rosaura […]. Mss. auf dem British Museum in London No [d. h. GB-Lbl, Add. MSS] 14167 und 31513“, in: Jean Baptiste Lully’s Armide und Alessandro Scarlatti’s La Rosaura (= Die Oper von ihren ersten Anfängen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts 3), hrsg. von Robert Eitner, Leipzig 1885, S. 105–222, hier: S. 163f. Zur Premiere am 19. Januar 1692 im Teatro Capranica vgl. Luca della Libera/José María Domínguez, „Nuove fonti per la vita musicale romana di fine Seicento: il Giornale e il Diario di Roma del Fondo Bolognetti all’Archivio Segreto Vaticano“, in: La musique à Rome au XVIIe siècle. Études et perspectives de recherche (= Collection de l’École Française de Rome 466), hrsg. von Caroline Giron-Panel und Anne-Madeleine Goulet, Rom 2012, S. 121–185, hier: S. 138 (Doc. 17). Zum Repertoire des Teatro Capranica vgl. Luigia Cannizzo, „Vent’anni di storia di un teatro romano: il Capranica (1678–1698)“, in: Il libro di teatro. Annali del Dipartimento musica e spettacolo dell’Università di Roma 1990, hrsg. von Roberto Ciancarelli, Rom 1991, S. 31–46. 33 „Und zur gleichen Zeit, da Ihr mich tausendfach der Missachtung straft, rede ich mit dem Boten, der mir bedeutet, dass ich nach den Turbulenzen um die Arietta im Teatro Capranico nicht mehr Euer Geliebter sei.“ I-Ma, Archivio Falcò Pio di Savoia, B. V.N.483, Brief Nr. 40 (undatiert). 34 „Ihr erhaltet von Arlecchino die Canzonette, bei der ich eine vergaß, die ich Euch schicke und die Ihr unbemerkt unter die anderen mischen könnt. Mir scheint, es ist ein Duett, das wir selbst mit Erfolg zusammen singen könnten.“ I-Ma, Archivio Falcò Pio di Savoia, B. V.N.483, Brief Nr. 3 (undatiert). 35 Sofern man dies aus den oft unspezifischen Einträgen erschließen kann. Im März 1692 wurden neben zahlreichen Arien auch drei Duette („à 2“) kopiert. Marx, „Die Musik am Hofe“ (wie Anm. 4), S. 131 (Doc. 33c). 36 Es gibt zahlreiche Kompositionen, die zwar zum Repertoire Ottobonis oder Pamphiljs gehörten, aber nicht durch Kopistenabrechnungen nachgewiesen sind, etwa Kantaten in GB-Cfm, Mu MS 230, die mit „Per L’Em[inentissi]mo Ottoboni“ u. ä. bezeichnet sind. Vgl. Clori. Archivio della cantata italiana, www.cantataitaliana.it, scheda 1614, 1616, 1618, 1620, 1623.

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Textlich exponiert Parlo e rido eine Liebessituation, in der der Liebende sich mehreren Frauen zuwendet, Liebe mit ihnen als Spiel betreibt und nur eine Frau wirklich liebt. Seine Geliebte glaubt ihm jedoch seine Liebe nicht. Parlo e rido con questa e quella: brutta o bella, servo tutte con libertà. Cento almeno m’han per amante, ma di tante una sola nel cor mi sta. Molte che non dovrian mi prestan fede: solo l’idolo mio che non mi crede. Ho l’amore per ogni loco: per mio gioco tutto il mondo burlando vo. D’una sola non finto ardore sento al core: ahi, con questa non burlo, no! Son creduto verace ove non ardo: solo l’idolo mio m’ha per bugiardo.

Dieser Text spiegelt perfekt die persönliche Liebessituation Ottobonis wieder. Die Liebesbriefe des Kardinals sind voller Widerlegungen der Vorwürfe, Ottoboni schenke zu sehr anderen Frauen Aufmerksamkeit, sei nicht treu, liebe Margherita nicht wirklich. Paradigmatisch für die Anschuldigungen seien zwei Briefstellen zitiert. Die erste zeigt deutlich die offensichtliche Eifersucht Margheritas, die sich einstellte, wenn der leutselige Kardinal mit anderen Frauen konversierte: „Sono state Numerose le Dame dell’altra sera, e non poche saranno quelle di hoggi ancora; mà potete credermi al certo, che l’Idea della mia Fida come la più perfetta non mi si partiva un momento dal Pensiero come un momento non può star lontana dal Cuore; e vi supplico hor mai à credere, che vi Amo di una forma, che al sicuro non può essere ne più efficace; ne più Fedele.“37

Auch ein Passus aus dem Brief, der das Duett erwähnt, ist ein gutes Beispiel für die Vorwürfe:

37 „Gestern waren zahlreiche Damen anwesend und auch heute Abend werden es nicht wenige sein. Aber Ihr könnt mir wahrhaftig glauben, dass die Vorstellung von meiner Getreuen als Ausbund der Perfektion nicht einen Moment aus meinen Gedanken schwand, wie sie auch nicht einen Moment aus meinem Herzen weicht. Und ich flehe Euch an, endlich zu glauben, dass ich Euch in einer Weise liebe, die ohne jeden Zweifel weder wirkmächtiger noch treuer sein kann.“ I-Ma, Archivio Falcò Pio di Savoia, B. V.N.483, Brief Nr. 32 (undatiert).

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„Havete pure Ingrata mia Gioia, havete pur conosciuto dà chi hora siete servita? e con qual Fede in tutti li generi di riguardi, di Convenienze; e d’Amore? Hora condannate questo Incostante; odiate questo Mensognero [!]; Castigate questo vostro Spergiuro; Ò pure se nel Genio si deve trattar del pari, soffrite la pena, che v’inpongo per la mala vostra Credulità; e nella prima occasione, che havete di scrivermi; disditevi dà tutto ciò, che offende la purità del mio Affetto, ed’il Zelo con cui vi servo, non escludendo all’occasione salvo sempre il vostro, e mio honore; di donar à favor vostro la propria Vita.“38

Dies ist natürlich kein plausibler Beweis für die Identifizierung von Parlo e ride / Parlo e rido mit dem im Brief erwähnten „duetto“, zeigt aber einerseits die enge Verbindung von Liebespoesie und brieflicher Liebessprache auf, die dazu führt, dass vertonte Liebestexte eine auf die persönliche Situation beziehbare Projektions- und Identifikationsfläche anboten. Man bezog Texte auf sich selbst und unterstellte – wie am Beispiel der Arie im Teatro Capranica ablesbar – diese Fähigkeit auch anderen. Andererseits wird zwar die situationsbedingte Passgenauigkeit des Duetts manifest, die sich aber auch für beliebige andere Liebestexte feststellen ließe. Textlich lassen sich somit keine Indizien finden, die eine Zugehörigkeit des Kammerduetts zum Repertoire Ottobonis zwingend machten. Eine andere Frage ist jedoch, wie Parlo e rido con questa e quella, sollte es tatsächlich mit Parlo e ride / Parlo e rido identisch sein, aus dem fernen Deutschland nach Rom gelangt ist. Doch könnte ein Mittelsmann Conte Bernardo gewesen sein, der sich wie erwähnt 1692 in Rom befand und ein Jahr später Ottoboni Arien aus Hannover übergab. Bleibt nun noch die Frage zu klären, warum trotz Steffanis funktionierendem römischen Netzwerk seinen Werken in der „Capitale del mondo“ eine weitergehende Rezeption verwehrt blieb. Dies liegt meines Erachtens einerseits an den musikalischen Präferenzen der genannten Protagonisten des römischen Musiklebens. Solo- und Dialogkantaten entsprachen offenbar weit mehr ihrem Geschmack als Kammerduette – und Händels korrumpierte Steffani-Handschrift deutet gleichfalls in diese Richtung: Die Solosätze, die in den Kammerduetten eine dialogische Struktur suggerieren, aber aufgrund der nicht-dialogischen Textgestalt nicht einlösen (und dies macht die Gattung Kammerduett aus!), wurden eliminiert. Auch Parlo e rido con questa e quella ist nicht-dialogisch angelegt, enthält keine Solosätze und entspricht somit dem römischen Geschmack. Andererseits mag ein Grund für die 38 „Habt Ihr nun, mein undankbarer Liebling, erkannt, wer Euch nun dient? Und mit welcher Treue in allen Arten des Respekts, der Konventionen, der Liebe? Nun verdammt diesen Unbeständigen, hasst diesen Lügner, straft diesen, euren Eidbrüchigen! Oh, wenn man sich im Geiste gleich behandeln müsste, erleidet die Qualen, die ich Euch wegen Eurer Schlechtgläubigkeit auferlege. Und bei der ersten Gelegenheit, mir schreiben zu müssen, widerruft alles, was die Reinheit meiner Zuneigung und den Eifer, mit dem ich Euch diene, beleidigt. Und ich schließe dabei Eure und meine Ehre nicht aus, denn ich bin bereit, mein Leben für Euch zu geben.“ I-Ma, Archivio Falcò Pio di Savoia, B. V.N.483, Brief Nr. 3 (undatiert).

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Berthold Over

Absenz gewesen sein, dass Steffani bekanntermaßen ab einem bestimmten Zeitpunkt kein Interesse mehr hatte, als Komponist zu gelten, sondern seine Diplomatenkarriere in den Vordergrund stellte. Timms datiert die Annahme des Pseudonyms Gregorio Piva, des Namens seines Kopisten, mit dem Steffani ab einem bestimmten Zeitpunkt seine Kompositionen unterzeichnete, auf 1707.39 Also auf die Zeit, in die seine Wahl zum Bischof von Spiga fiel und die durch die Verhandlungen um seine Ernennung zum Apostolischen Vikar des Nordens gekennzeichnet war.40 Während die Übergabe von Musikalien durch den Mittelsmann „Conte Bernardi“ 1693 und das 1692/1693 kopierte Parlo e ride / Parlo e rido möglicherweise in Zusammenhang mit den Bemühungen Hannovers standen, eine Anerkennung der 1692 vom Kaiser verliehenen neunten Kur durch den Papst zu erhalten,41 unterstützte Steffani seine eigenen Ambitionen nicht durch musikalische „Avancen“. Allenfalls die Kopie von Parlo e ride / Parlo e rido für Kardinal Pamphilj Ende 1705 könnte im Kontext der Bemühungen um die Bischofswürde und die Position des Apostolischen Vikars zu sehen sein, da sich Pamphilj anscheinend für ihn interessierte und ihm offenbar zur Bischofsweihe gratulierte.42 Steffanis Abkehr von seiner kompositorischen Tätigkeit wird nur scheinbar von später entstandenen Kompositionen torpediert. Im Gegenteil: Sie wird durch sie unterstützt. Das Pasticcio Arminio wurde zwar in Düsseldorf 1707 aufgeführt, muss aber vor der Konsekration Ende 1706 zusammengestellt worden sein.43 Amor vien dal Destino wurde zwar 1709 ebenfalls in Düsseldorf gegeben, war aber in den 1690er Jahren für Hannover entstanden und dort nicht aufgeführt worden. Eine Partitur (GB-Lbl, R.M. 23.h.2) schreibt die Komposition Piva zu.44 Tassilone, ebenfalls Düsseldorf 1709, ist in Handschriften unter Steffanis ­Pseudonym Piva 39 Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 95f. 40 Die Ernennung erfolgte im November 1706, die Bischofsweihe im Januar 1707, gleichzeitig wurde das Vikariat in Aussicht gestellt. Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 88f.; Kaufold, Ein Musiker als Diplomat (wie Anm. 2), S. 41; Feldkamp, „Der Nachlass“ (wie Anm. 2), S. 237. 41 Vgl. Kaufold, Ein Musiker als Diplomat (wie Anm. 2), S. 256. 42 Seit seiner Ankunft in Düsseldorf 1703 bemühte sich Johann Wilhelm von der Pfalz in Rom um einen Bischofssitz für Steffani (Timms, Polymath [wie Anm. 1], S. 88; Kaufold, Ein Musiker als Diplomat [wie Anm. 2], S. 41; Feldkamp, „Der Nachlass“ [wie Anm. 2], S. 237). Pamphilj schickte wohl wie andere Kardinäle ein Gratulationsschreiben zur Bischofserhebung an Steffani (ebd., S. 281 [B. 50]). 43 Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 97. Zu Steffanis Düsseldorfer Opern vgl. weiterhin Gerhard Croll, „Zur Chronologie der ‚Düsseldorfer‘ Opern Agostino Steffanis“, in: Festschrift Karl Gustav Fellerer zum sechzigsten Geburtstag am 7. Juli 1962, hrsg. von Heinrich Hüschen, Regensburg 1962, S. 82–87; ders., „Musik und Politik. Steffani-Opern in München, Hannover und Düsseldorf “, in: Il melodramma italiano in Italia e in Germania nell’età barocca / Die italienische Barockoper, ihre Verbreitung in Italien und Deutschland (= Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S. – Como 9), hrsg. von Alberto Colzani u. a., Como 1995, S. 31–42. Ich danke Colin Timms für die zahlreichen Anregungen bezüglich der nach 1706 komponierten Werke Steffanis. 44 Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 97.

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Spurensuche. Agostino Steffanis vokale Kammermusik in Rom

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(GB-Lbl, R.M. 23.i.18) oder anonym (Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Mus.ms.21202, Madrid, Biblioteca Nacional, M/2258 V.1, M/2259 V.2) überliefert und muss vor Steffanis Abreise nach Rom im September 1708 komponiert worden sein.45 Zwei oder drei Kammerduette wurden offenbar 1711–1713,46 die fünfstimmigen Madrigale Gettano i re dal soglio und Al rigor d’un bel sembiante 1726 – unter dem Namen Piva – komponiert.47 Diese Werke waren indessen nicht für öffentliche, sondern für Aufführungen in privatem Rahmen vor einem beschränkten Publikum bestimmt und vertrugen sich dadurch eher mit dem Bischofsstand. Schließlich komponierte Steffani nach seiner Ernennung zum Bischof standesgemäß einige geistliche Werke.48 Zudem ist es bezeichnend, dass Steffani auf seiner letzten Reise nach Italien, auf der er 1728 in Frankfurt starb, seine Musikhandschriften nicht mit im Gepäck führte, wohl aber die wichtigsten Dokumente seiner missionarischen Tätigkeit. Die Musikhandschriften hatte er in Hannover zurückgelassen.49 Somit liegen ein musikalischer und ein biographischer Grund vor, der die Spurensuche nach Steffanis weltlichen Kompositionen in Rom mit einem eher mäßigen Ergebnis enden lässt.

45 Ebd. 46 Ebd., S. 125. 47 Ebd., S. 130–132. 48 Confitebor tibi Domine (1709), Qui diligit Mariam (1727), Stabat mater (1727–1728). Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 99, 131–132, 165–166, 171–172. 49 Vgl. ebd., S. 248–251.

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Reinhard Strohm

Agostino Steffani und die Oper in Deutschland

Agostino Steffani wurde 1654 geboren, also in dem Jahr, in dem man am Hof von München die erste italienische Volloper aufführte (La ninfa ritrosa von Pietro Zambonini). Er begann seine Opernkarriere in München im Jahre 1681, also zu der Zeit, als in Hannover die Opern unter Herzog Ernst August gerade begonnen hatten (1679); er wurde 1688 Kapellmeister in Hannover, als in Düsseldorf gerade die erste italienische Volloper (Erminia ne’ boschi von Sebastiano Moratelli) über die Bühne gegangen war (1687).1 Somit ist Steffani keine Gründerfigur der italienischen Hofoper in Deutschland. Sein Beitrag kam jeweils an zweiter Stelle. Allerdings nahm er Anteil an der Konzeption der Hofopern in München zum Regierungsbeginn von Kurfürst Max II. Emanuel (1680), und in Hannover schrieb er die Eröffnungsoper des neu erbauten Opernhauses, Henrico Leone (30. Januar 1689), die ein 500-jähriges Jubiläum der Welfenherrschaft in Norddeutschland zelebrierte, während (der Überlieferung nach) der Theaterbau selbst die zahlreichen Venedigreisen des vergnügungsfreudigen Herzogs unnötig machen sollte. Woran Steffani maßgebend teilnahm, war nicht eine Emanzipation deutscher Operngeschichte, vielmehr ein allgemeiner höfischer Wettlauf in Deutschland um die neue Attraktion italienischen Gesangs. Nicht zufällig wurde 1690 auch das neue Opernhaus in Braunschweig eingeweiht, und schon 1688 war das Schlosstheater in Wolfenbüttel eröffnet worden. Das städtische Opernhaus in Leipzig folgte 1693.2 In Hamburg, wo seit 1678 Oper gespielt worden war, führte man 1693 auch die italienische Oper ein.3 Um 1690 war die Anwesenheit 1 Allgemeine Daten dieser Art, soweit nicht anders angegeben, nach Renate Brockpähler, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland (= Die Schaubühne 62), Emsdetten 1964. 2 Michael Maul, Barockoper in Leipzig (1693–1720), 2 Bde. (= Rombach Wissenschaften / Reihe Voces 12/1–2), Freiburg/Berlin/Wien 2009. 3 Dorothea Schröder, „Die Einführung der italienischen Oper in Deutschland durch Georg Conradi und Johann Sigismund Kusser (1693–1696)“, in: Il melodramma italiano in Italia e in Germania nell’età barocca / Die italienische Barockoper, ihre Verbreitung in Italien und Deutschland (= Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S. – Como 9), hrsg. von Alberto Colzani u. a., Como 1995, S. 43–55.

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Reinhard Strohm

italienischer Musiker und Werke überall bereits so selbstverständlich geworden und bildete eine so anerkannte Bereicherung des höfischen und städtischen Lebens, dass wir gleichsam von einer zweiten Renaissance sprechen können, die nördlich der Alpen eingetreten war.4 Diese zweite Renaissance war nicht auf das deutschsprachige Reichsgebiet beschränkt, und sie war nicht nur italienisch beeinflusst. Französische Einflüsse vermischten sich mit italienischen schon seit der Jahrhundertmitte am habsburgischen Hof zu Brüssel, noch bevor sie aus vor allem dynastischen Gründen in der Kurpfalz, in Hannover, Kassel und Braunschweig, dann in München wirksam wurden. In dieser kulturellen Gesamtbewegung war die Oper außerdem nur ein hervorragendes Schaustück unter vielen künstlerischen Formen des höfischen divertissement, seien es Kantaten, Prologe, dramatische Kammerstücke, öffentliche Turniere, Verkleidungen und „Wirtschaften“, Ballette jeder Art, geistliches Musiktheater. Steffanis vokale Kammermusik hatte den präzisen Zweck, neben der öffentlichen auch die höfische Privatsphäre mit italienischen Gesängen zu bedienen.5 Daneben gab es Sprechtheater nach ausländischen Vorlagen, aufgeführt von Wandertruppen, z. B. in Celle und Hannover von der Pariser Truppe des Auguste Pierre Patissier de Châteauneuf.6 1695 verzeichnet der Wochenkalender des hannoverschen Karnevals zweimal „opera“, zweimal „comedia“, je einmal „maschere e gioie“ und „pastorale“, am Freitag Spielpause.7 Deutschsprachige Varianten des weltlichen Musiktheaters italienischer Herkunft waren mancherorts schon lange gepflegt worden, so z. B. das in deutschen Versen rezitierte Singspiel mit eingebauten Liedern und madrigalischen Chören, das durch Heinrich Schütz’ Torgauer Dafne von 1627 eingeführt war und z. B. am Hofe von Braunschweig-Wolfenbüttel jahrzehntelang geübt wurde. Besonders an kleineren Höfen wie Kassel, Bayreuth8 oder Weißenfels9 war das Opernpersonal funktionell in die Kammermusik, Militärmusik, Kirchenmusik, Ballettmusik usw. absorbierbar;

4 Zum Begriff der „zweiten Renaissance“ vgl. Reinhard Strohm, „Berlin und italienische Oper – eine historische Begegnung“, in: Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz 2013 (2014), S. 9–30, hier: S. 13–15; zur Antikenrezeption in der Oper vgl. ders., „Die klassizistische Vision der Antike. Zur Münchner Hofoper unter den Kurfürsten Maximilian II. Emanuel und Karl Albrecht“, in: Archiv für Musikwissenschaft 64 (2007), S. 1–22 und 77–104. 5 Kompositionen dieser Gattung sind umfassend beschrieben in Colin Timms, Polymath of the Baroque: Agostino Steffani and His Music, New York 2003, S. 250–309. 6 Vgl. Margret Scharrer, Zur Rezeption des französischen Musiktheaters an deutschen Residenzen (= Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft 16), Sinzig 2014, S. 120, 127 und 157–167. 7 Rosemarie Elisabeth Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters an den welfischen Höfen Hannover und Celle, Hildesheim 1974, S. 179. 8 Ludwig Schiedermair, Bayreuther Festspiele im Zeitalter des Absolutismus, Leipzig 1908. 9 Torsten Fuchs, Studien zur Musikpflege in der Stadt Weißenfels und am Hofe der Herzöge von Sachsen-Weißenfels, Lucca 1997.

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Agostino Steffani und die Oper in Deutschland

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echte Opernaufführungen, vielleicht gar in italienischer Sprache, waren immer theoretisch möglich, aber seltener praktisch durchführbar. In der Tat war hier eine zumindest finanzielle Hürde zu überwinden, wozu sich nicht alle Fürsten entschließen konnten. Das einzige „Alleinstellungsmerkmal“, das die italienische Oper und Kantate an deutschen Höfen beanspruchen konnte, war eben dieses, dass hier nicht in der Landessprache musiziert wurde. Aber dass nur italienische Stimmen, womöglich Kastraten, der Gattung performativ gewachsen seien, wurde zu einer allgemeinen Überzeugung, der zuliebe mancher Duodezfürst gern die Kassen leerte.10 Wir wissen bis heute nicht, was es wirklich war, das diese Überzeugung damals trotz zahlreicher Gegenbeweise am Leben erhielt. Protektion und herkunftsorientierte Seilschaften spielten eine große Rolle. Nicht-italienische Sängerinnen und Sänger waren trotzdem überregional erfolgreich, vor allem an protestantischen Höfen. Madame Ursulcar sang 1679 in der hannoverschen Alceste; nur wenig später sangen die Schwestern Döbricht in Leipzig, Kassel, Braunschweig, Giannetta Bernhard in Bayreuth und Dresden, Regina Schoonjans in Berlin und Wien, Pauline Kellner in Ansbach, Hamburg und anderswo. Deutschsprachige Männerstimmen waren auch in der italienischen Oper gesucht; diese Musiker hatten bisweilen auch andere musikalische und administrative Aufgaben, wie z. B. der Bassist Johann Christian Rau, der in Ansbach auch als zweiter Kapellmeister, Hofsekretär und Libretto-Übersetzer wirkte.11 Reisende Theatertruppen, die von Zeit zu Zeit auch Opern herausbrachten, waren mit der Welt des höfischen Musiktheaters verknüpft. Zum Beispiel gibt es in der ehemaligen hannoverschen Hofbibliothek Opernpartituren aus der Zeit Herzog Johann Friedrichs, deren Aufführung außerhalb Italiens nicht nachweisbar ist, nämlich zwei von Antonio Sartorio (L’Adelaide und Antonino e Pompejano)12 und ein Pastor fido von Pietro Paolo Vannini da Palestrina.13 Reinmar Emans vermutete eine mögliche Aufführung der Adelaide zur Hochzeit Johann Friedrichs 1668.14 Jedoch sind diese Partituren damit nicht zufrieden stellend erklärt, zumal Emans für L’Adelaide eine Funktion als Widmungspartitur ausschließt. Die Partituren könnten 10 Allgemein zum Aspekt der „Italianità“ in der Oper der Zeit: Corinna Herr u. a. (Hrsg.), Italian Opera in Central Europe 1614–1780, vol. 2: Italianità: Image and Practice (Musical Life in Europe 1600–1900: Circulation, Institutions, Representation), Berlin 2008. 11 Reinhard Strohm, Die italienische Oper außerhalb Italiens im 17. und 18. Jahrhundert, unveröff. Ms. 1989, Kap. 1. Genaueres zu Döbricht, Kellner und Rau u. a., in: Maul, Barockoper (wie Anm. 2), passim. 12 Vassilis Vavoulis, Antonio Sartorio – Giacomo Francesco Bussani: Two Makers of SeventeenthCentury Venetian Opera, D.Phil. Diss., University of Oxford, 2001 (d. h. 2002). 13 Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek, Ms. IV, 409. Vgl. auch Brockpähler, Handbuch (wie Anm. 1), S. 219–220. 14 Reinmar Emans, „Die beiden Fassungen von Antonio Sartorios Oper L’Adelaide unter besonderer Berücksichtigung des in Hannover verwahrten Autographs“, in: Il melodramma (wie Anm. 3), S. 57–79.

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Reinhard Strohm

von einem reisenden Opernensemble benützt worden sein, das zwar in hannoverschen Diensten stand, jedoch 1680–1682 in Brüssel spielte. Dessen Musikdirektor war anscheinend Pietro Antonio Fiocco, der 1681 einen Prolog zur hannoverschen Alceste komponierte und der 1682 in Brüssel lebte, aber noch nicht im Dienst des dortigen Hofes stand. Brüsseler italienische Aufführungen waren Il pastor fido 1681, L’Adelaide (Sommer 1681), eine „comédie italienne“ 1681 und Medea in Atene 1682. Ein Gastspiel offenbar derselben Truppe, vielleicht ergänzt mit Musikern des Düsseldorfer Hofes, bot 1681–1682 in Amsterdam die Opern Le fatiche d’Ercole per Deianira (Pietro Andrea Ziani) und Helena rapita da Paride (Domenico Freschi 1678), letztere bearbeitet von Fiocco.15 Auch diese Partituren waren vielleicht über Hannover angeschafft worden. Bei der Brüsseler Medea in Atene handelt es sich meines Erachtens um Antonio Gianettinis erfolgreiches venezianisches Werk von 1678, das unter dem Titel Egeo in Atene am 24. Januar 1681 zur Eröffnung des Théatre du Quai au Foin gegeben wurde, mit musikalischen Zusätzen von Angelo Vitali. Agostino Steffani trat in die deutsche Opernlandschaft zwar nicht als Gründer ein, doch ist die Rolle, die er hier spielte, in anderer Weise einzigartig. Ein Anzeichen dafür ist die Pflege seiner Opernmusik innerhalb Deutschlands: ein vor allem von Colin Timms erforschtes Thema,16 dem hier einige weniger bekannte Daten hinzugefügt werden sollen. Die Pflege von Steffanis Opern in Deutschland bewegte sich in mehreren sozialen Sphären gleichzeitig und verband kontrastierende Musiktraditionen: –– Der privaten Sphäre höfischer und adliger Kreise dienten Sammlungen von Arien, Duetten und Kammerkantaten Steffanis, die zum Absingen im Salon geeignet waren und auch im Druck verbreitet wurden. –– Höfische und städtische Theater veranstalteten Wiederaufführungen seiner Opern, sowohl in der Originalsprache als auch in deutscher Übersetzung. –– Professionelle Musiker, vor allem Organisten, fertigten Partiturabschriften und Intavolierungen von Arien und Instrumentalsätzen für ihr eigenes Spiel an. –– Opernbesucher und Musikschriftsteller begannen die Rückschau der Nachwelt zu gestalten. Diese mehrschichtige Steffani-Pflege hatte eine besondere zeitliche Verankerung und Relativität, die sie von einer eigentlichen Komponisten-Rezeption gewaltig unterschied. Wie andere Operisten seiner Zeit (z. B. Ruggiero Fedeli und Pietro 15 Zu Fiocco: Wallbrecht, Das Theater (wie Anm. 7), S. 181 und 220; Rudolf Rasch, „An Italian goes North: Pietro Antonio Fiocco in Amsterdam, Hanover and Brussels“, in: Revue Belge de Musicologie 56 (2002), S. 177–207; vgl. auch Scharrer, Zur Rezeption (wie Anm. 6), S. 119–120, Anm. 115. 16 Timms, Polymath (wie Anm. 5), S. 207–208; ders., „The Dissemination of Steffani’s Operas“, in: Relazioni musicali tra Italia e Germania nell’età barocca / Deutsch-italienische Beziehungen in der Musik des Barock (= Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S. – Como 10), hrsg. von Alberto Colzani u. a., Como 1997, S. 323–349.

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Agostino Steffani und die Oper in Deutschland

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Torri) diente Steffani nacheinander mehreren Höfen; aber seine Münchner und Düsseldorfer Opern wurden nicht weit bekannt, nur die für den hannoverschen Hof entstandenen, diese aber in allen vier genannten Sphären des Musiklebens. Es war das Ansehen dieses Herzogtums, damals auf dem Weg zur Kurwürde, das die Verbreitung von Steffanis Musik begünstigte. Mit dem Tod des Kurfürsten Ernst August und dem Ende der hannoverschen Oper 1698 fiel ein Verbreitungsgrund für Steffanis Musik weg. Jedoch änderte sich auch der musikalische Geschmack selbst, worauf zurückzukommen sein wird. Zwei Beispiele der Verbreitung von Steffanis Opern als Instrumentalmusik verdienen besondere Beachtung, da ihre Quelle in Hannover selbst vermutet werden kann. Johann Christoph Bach, Organist an der St. Michaeliskirche in Ohrdruf bei Erfurt, schrieb um 1703 bis 1707 (Wasserzeichendatierung) für den eigenen Gebrauch ein Klavierbuch in Partitur und Orgeltabulatur, in dem er zahlreiche Ouvertüren mit Tanzsätzen, Präludien, Fugen und Toccaten, Sonaten, Intraden und Partiten deutscher, französischer und italienischer Meister zusammentrug.17 Darunter war auch eine „Ouverture di Stephani“ (siehe Abb. 1). Dieses Klavierbuch, die später so genannte „Möllersche Handschrift“ (Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (D-B), Mus. ms. 40644) ist ein gutes Belegstück des so genannten „vermischten Geschmacks“ bzw. vermischten Stils, wie er nach Johann Matthesons Urteil (1713) damals besonders die deutsche Musikübung zierte.18

Abb. 1: Die „Möllersche Handschrift“ (D-B, Mus. ms. 40644), fol. 65v: Beginn der „Ouverture di Stephani“ zur Oper Briseide, Hannover 1696, von Pietro Torri (?). Mit Genehmigung der Musikabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin.

17 Hans-Joachim Schulze, Studien zur Bach-Überlieferung im 18. Jahrhundert, Leipzig 1984. 18 Johann Mattheson, Das neu-eröffnete Orchestre, Hamburg 1713, S. 219–220.

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Johann Christoph Bach ließ sich mit der Sammlung von seinem jüngsten Bruder helfen, der bei ihm zuhause bis 1700 einquartiert gewesen und dann an das Gymnasium in Lüneburg geschickt worden war. 1702 war der junge Mann – Johann Sebastian Bach – aus Norddeutschland zurückgekehrt. In das neue Klavierbuch trug er auch eigene Kompositionen ein. Mehr noch: Während Johann Christoph Bach, ein Schüler Johann Pachelbels, bis dahin die Werke der süddeutschen Schule kultiviert hatte, nahm in der neuen Sammlung Musik aus Lüneburg, Hannover, Celle, Hamburg und Lübeck den weitaus größten Raum ein. Dies war meines Erachtens Johann Sebastian Bach zu verdanken, der sich inzwischen nicht nur an den Orgelemporen Norddeutschlands, sondern auch in der höfischen Musik jener Region gründlich umgesehen und diese Ernte nun zurück nach Thüringen gebracht hatte. Bach kopierte sich noch um 1730 zum Gebrauch seines Leipziger Collegium musicum wohl aus diesem Fundus die Ouvertüre zu Steffanis Superbia d’Alessandro, die er einigen Suiten seines Verwandten Johann Bernhard Bach anhängte.19 Allerdings hatte er, bzw. ein vermittelnder Schreiber, bei Mus. ms. 40644 mit „Stephani“ möglicherweise auf den falschen Komponisten getippt, da das Stück die Ouvertüre der Oper Briseide (Hannover 1696) war, die heute als Werk Pietro Torris gilt. Trotzdem sei die Zuschreibung im Bach’schen Klavierbuch nicht ignoriert, denn sie könnte bezüglich der Ouvertüre allein zutreffen. Freilich ging es bei dieser Überlieferung nicht so sehr um den Autor als um ein repräsentatives Beispiel hannoverscher Opernmusik. Ich vermute, dass einer der Vermittler dieses Repertoires an den jungen Bach der dortige Hoforganist und Musiklehrer der Herzogsfamilie, Johann Anton Coberg, gewesen sein könnte, der mit Steffani verkehrte und von diesem empfohlen wurde; eine Ouvertüre von Coberg eröffnet das Klavierbuch selbst (siehe Abb. 2).20 Thomas Synofzik verdanken wir die Aufarbeitung der umfangreichen Brüsseler Tabulaturen aus der Nachfolge Heinrich Scheidemanns, die schon Hugo Riemann bemerkt hatte.21 Hier sind Hunderte von geistlichen und weltlichen Sätzen für Tasteninstrumente arrangiert; die weltlichen Sätze stammen weitgehend aus hannoverschen Opern Steffanis und aus Werken Jean-Baptiste Lullys. Die italienischen Arienincipits sind öfters angegeben; manchmal jedoch heißt es nur lakonisch „Marche de L’Opera de Hannover“, oder „Aria de L’Opera de Brounsvic“. Synofzik identifiziert als Herkunftsregion Braunschweig-Hannover; ich vermute auch hier eine Verbindung mit dem eben genannten Johann Anton Coberg. Die Verbreitung von Steffanis Opern an den Bühnen hatte mehrere unterscheidbare Phasen: Die Hamburger deutschsprachigen Wiederaufführungen der 1690er19 Timms, Polymath (wie Anm. 5), S. 331. 20 Zu Coberg vgl. Timms, Polymath (wie Anm. 5), S. 45–46. 21 Thomas Synofzik, „Eine unbeachtete Quelle zur Claviermusik des 17. Jahrhunderts aus der Sammlung Wagener“, in: Revue Belge de Musicologie 53 (1999), S. 53–112.

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Agostino Steffani und die Oper in Deutschland

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Abb. 2: Die „Möllersche Handschrift“ (D-B, Mus. ms. 40644), fol. 1r: „Ouverture“ (Klaviersuite) des hannoverschen Hoforganisten Johann Anton Coberg. Mit Genehmigung der Musikabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin.

Jahre; Wiederaufnahmen in Braunschweig und Wolfenbüttel von 1697 bis um 1720; Aufführungen der Operntruppe Johann Sigismund Kussers um 1698–1702 in Süddeutschland; ein paar auffallend späte Verwendungen von Steffanis Musik in Hamburger Pasticci seit 1720.22 Eine an der Royal Academy of Music in London 1720 geplante Wiederaufnahme von Tassilone kam nicht zustande, offenbar weil zu viel hätte revidiert werden müssen.23 Versteht man Kussers Expedition nach Nürnberg, Augsburg und Stuttgart als eine – bewundernswerte – Einzelunternehmung und berücksichtigt die fast immer entscheidende Initiative Georg Caspar Schürmanns in Braunschweig-Wolfenbütteler Aufführungen, dann verdichtet sich auch die Frage der Hamburger Wiederaufnahmen auf besondere Umstände und wenige Personen.24 Die Hamburger Aufführungen der 1690er-Jahre fanden mehrheitlich unter Mitwirkung Schürmanns als Altisten statt, der auch nach seiner Anstellung in Wolfenbüttel 1698 noch gelegentlich mitgesungen haben dürfte, z. B. in der Festaufführung von Il triumfo [sic] del fato zum Namenstag Kaiser Leopolds am 15. November 1699, eine deutschsprachige Wiederaufnahme von Steffanis I trionfi del Fato, Hannover 1695. Und betrachtet man nun das wieder aufgelebte Steffani-Interesse in Hamburg um 1720, so steht da wieder Schürmann, der nämlich von Sommer 1719 bis Herbst 1722 22 Timms, „The Dissemination“ (wie Anm. 16), S. 328–338. 23 Timms, Polymath (wie Anm. 5), S. 128. 24 Die Textbücher sind beschrieben in Hans Joachim Marx und Dorothea Schröder, Die Hamburger Gänsemarkt-Oper: Katalog der Textbücher (1648–1748), Laaber 1995, passim.

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in Hamburg als Opernkapellmeister gastierte, in Abwesenheit Reinhard Keisers und vor der Ernennung Georg Philipp Telemanns. Schürmann hat damals ein wichtiges Werk Steffanis wiederbelebt: Der großmüthige Roland (29. Januar 1720), mit Arien italienischer Komponisten aus Schürmanns persönlichem Fundus, und den Hamburger Rezitativen Gottlieb Fiedlers von 1695, zum Teil wohl noch in Steffanis originaler Vertonung.25 Fiedlers Vorwort von 1695 hatte bereits hervorgehoben: „Es hat aber die unvergleichliche Musique, die von einem der berühmtesten Virtuosen dieser Zeit gesetzt worden / veruhrsacht / dass die gantze Version durchgehends nach selbiger eingerichtet / und / so viel möglich / auch nicht die geringste Expression übergangen ist.“26

Im Jahre 1726 ließ Telemann noch Der hochmüthige Alexander in Hamburg erscheinen, wobei, wie schon Mattheson 1728 erklärte, die deutsche Fassung von 1695 zugrunde lag. Die Arien stammten aber alle aus Händels Alessandro, dessen Libretto ja ebenfalls auf Ortensio Mauros Original von Hannover 1690 zurückging. Die deutschen Rezitativpassagen 1726 könnten noch teilweise von Steffani gewesen sein.27 Der Londoner Beitrag Georg Friedrich Händels verdient größere Beachtung. Seine Opern Alessandro, Admeto und Riccardo Primo (1726–1727) bilden eine Serie, die an die Hannover-Opern unter den Herzögen Johann Friedrich und Ernst August erinnern sollte. Alessandro ist eine Bearbeitung des emblematischen Werks La superbia d’Alessandro; Admeto ist eine Umgestaltung der Alceste von 1679 und 1681, deren Handlung eine Verlobungsaffäre des hannoverschen Hofes widerspiegelt,28 und Riccardo Primo – mit König Richard von England als Protagonisten – ist thematisch und szenisch mit Henrico Leone verbunden und König Georg II., Enkel von Herzog Ernst August, gewidmet, der ja der Nachfolger der beiden mittelalterlichen Fürsten war.29 Wie bekannt, hatte Händel in der königlichen Bibliothek Zugang zu Steffanis autographen Partituren. Dass er, im Unterschied zu Telemann, noch 25 Zum Anteil Schürmanns und Vivaldis an diesem erfolgreichen Pasticcio vgl. Reinhard Strohm, Italienische Opernarien des frühen Settecento (1720–1730), Köln 1976, Bd. 2, S. 280–281, und Reinhard Strohm, The Operas of Antonio Vivaldi, Florenz 2008, Bd. 1, S. 138–139. Der Titel einer zweiten Auflage des Librettos von 1720 lautet Der rasende Roland; vgl. auch Marx/Schröder, Die Hamburger Gänsemarkt-Oper (wie Anm. 24), S. 210. 26 Zitiert nach dem Hamburger Textbuch von 1707 (Exemplar aus D-B, 18 in Mus T 17 R); die Aussage stammt jedoch bereits aus der Originalfassung von 1695 und bezieht sich dort gleichzeitig auf Fiedlers Hamburger Übersetzung von Steffanis Der hochmüthige Alexander, 1695. Vgl. auch Timms, „The Dissemination“ (wie Anm. 16), S. 329. 27 Vgl. Strohm, Italienische Opernarien (wie Anm. 25), Bd. 2, S. 281. 28 Wendy Heller, „The Beloved’s Image: Handel’s Admeto and the Statue of Alcestis“, in: Journal of the American Musicological Society 58 (2005), S. 559–637. 29 Z. B. beginnt auch Händels Oper bereits mit einem Seesturm, aus dem die Helden nur knapp entkommen. Vgl. Reinhard Strohm, „Darstellung, Aktion und Interesse in der höfischen Opernkunst“, in: Händel-Jahrbuch 49 (2003), S. 13–26; Christian Seebald, Libretti vom „Mittelalter“: Entdeckungen von Historie in der (nord)deutschen und europäischen Oper um 1700, Tübingen 2009, S. 243.

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Agostino Steffani und die Oper in Deutschland

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Musik der Rezitative Steffanis verwendet hätte, muss bezweifelt werden: In der italienischen Oper gab es keine Tradition der musikalischen Nachahmung älterer Rezitative, während sich das deutsche Opernrezitativ noch an italienische Vorbilder anlehnen konnte.30 Der in seiner Freiheit vergnügte Alcibiades (Hamburg 1695) – La libertà contenta von Mauro und Steffani (Hannover 1693) – unternahm auch einen Ausflug ins deutsche Sprechtheater, was bisher kaum bekannt zu sein scheint. Ein Alcibiades mit den Personen „Agis, Artemisia, Alcibiades, Aspasia, Pericles, Lisander, Telemides, Miles des Lisander Diener“ wurde am 1. Juni 1698 am Schloss von Weißenfels aufgeführt und ist bezeugt durch das komplette Manuskript (44 Seiten) einer deutschen Bearbeitung des Fiedler’schen Hamburger Textbuchs von 1697. Die Bearbeitung wird einem mir sonst unbekannten Johann Anton Bonn zugeschrieben.31 Pier Francesco Tosi, der einflussreiche und vielgereiste Gesangslehrer und Komponist, wendet sich in seinen Opinioni de’ cantori antichi e moderni (Bologna 1723) mit großem Eifer gegen die „modernen“ Sänger und Komponisten, wenn immer er die Ästhetik der Tonarten, der Verzierungen, der Tempi usw. beschreibt. Unter den „antichi“, die diesem modernen Stil noch nicht verfallen seien, versteht er die etwas älteren Musiker, auch die seiner eigenen Generation. Der 1654 geborene Tosi war gleichaltrig mit Agostino Steffani, den er zwar nicht beim Namen nennt, aber unter anderen meint. Die Debatte um Alt und Neu in der Kunst, die in der Pariser Querelle des anciens et des modernes ihren Anfang genommen hatte, war ein Anzeichen des beginnenden Historismus und Klassizismus. Sie wurde schon seit etwa 1700 auch auf die Rivalität der Nationen bezogen, besonders in den Schriften von Charles de Saint-Évremont und François Raguenet. Dem entspricht es, wenn Tosi in einer skizzierten Stilgeschichte auch die Nationenproblematik berührt: „[…] la musica a mio tempo cangiò tre volte stile; il primo che piacque su le scene, e in camera, fu quello di Piersimone [Agostini] e di Stradella; il secondo è de’ migliori, che vivono, e lascio giudicare agli altri se sieno giovani, e moderni. Del vostro che non è ancora

30 Dem Phänomen der deutschen Gesangsübersetzungen von Steffanis Rezitativen möchte ich in einem anderen Zusammenhang weiter nachgehen. Vgl. auch den Beitrag von Wolfgang Hirschmann im vorliegenden Band, S. 295–312. 31 Reinhart Meyer, Bibliographia Dramatica et Dramaticorum. Kommentierte Bibliographie der im ehemaligen deutschen Reichsgebiet gedruckten und gespielten Dramen des 18. Jahrhunderts nebst deren Bearbeitungen und Übersetzungen und ihrer Rezeption bis in die Gegenwart, II. Abteilung, Bd. 1, Tübingen 1993, Nr. 35. Die Handschrift befindet sich als Cod. Ch. B. 1632 in der (ehemals) herzoglichen Bibliothek zu Gotha; vgl. Alberto Martino, Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum: Ergänzungen und Berichtigungen zu Frank-Rutger Hausmanns Bibliographie (= Chloe 17), Amsterdam 1994, S. 161. Nach Martino könnte das Stück in Weißenfels von Komödianten der Kompagnie Hauser aufgeführt worden sein.

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stabilito affatto in Italia, e che di là da’ monti non ha credito alcuno, ne parleranno fra poco tempo i posteri giacché le mode non durano“.32 (Hervorhebung R. S.)

Während Tosi also Zuversicht vorgibt, dass die Mode etwa Nicola Porporas, Antonio Vivaldis, Giuseppe Maria Orlandinis in der Oper und vokalen Kammermusik wieder vergehen wird, ruft er die Praxis nördlich der Alpen als Zeugen für die bleibende Qualität seiner eigenen Komponistengeneration an. Tosi trat 1726 der Londoner Academy of Vocal Music bei, die Steffani im folgenden Jahr zum Präsidenten erwählte.33 Eine gewisse Nostalgie oder laudatio temporis acti, wie sie im Programm der Academy impliziert war, kam dem kontrapunktischen Stil von Steffanis Kammerduetten noch für Generationen zugute, wie sich aus der von Colin Timms erläuterten biographischen Literatur unschwer erkennen lässt.34 Versuche, die Musik der Vergangenheit „dem Vergessen zu entreißen“ (wie man damals sagte), waren schon früher von Steffani selbst ermutigt worden. Der Gothaer Hofkapellmeister Gottfried Heinrich Stölzel zitiert in seiner für Johann Matthesons Grundlage einer Ehren-Pforte (1740) geschriebenen Autobiographie neben Schriften von Gioseffo Zarlino und Giovanni Battista Doni auch Steffanis Sendschreiben (1699) zur Befürwortung einer musikalischen Vergangenheitspflege: „Piaccia a dio, che qualche bello spirto si muova a compassione di veder questa bella scienza calcare a gran passi la strada dell’oblio.“35

Mattheson nahm das Steffani-Zitat von Stölzel als Lob seines eigenen Unternehmens entgegen. Die Ehren-Pforte war in der Tat dazu gedacht, die Pflege musikalischen Nachruhms als Literaturgattung zu etablieren. Mattheson hatte zwar gerade in diesem Werk keine Würdigung Steffanis untergebracht; vielleicht plante er aber eine separate biographische Veröffentlichung.36 Doch hatte er ihn andernorts als Vorbild erwähnt, z. B. im Kern melodischer Wissenschaft (1737), wo er behauptete, von dem

32 „Die Musik hat zu meiner Lebenszeit dreimal den Stil geändert: Der erste, der auf der Bühne wie in der Kammer gefiel, war der von Piersimone [Agostini] und Stradella; der zweite gehört den Besten, die noch leben, und ich überlasse es anderen zu beurteilen, ob sie noch jung und modern sind. Von dem eurigen, der in Italien noch überhaupt nicht etabliert ist, und der jenseits der Alpen noch gar keinen Kredit hat, wird in Kürze die Nachwelt sprechen, denn die Moden sind nicht von Dauer.“ Pier Francesco Tosi, Opinioni de’ cantori antichi e moderni, hrsg. von Luigi Leonesi, Neapel 1904, Nachdruck 1985 (Bibliotheca Musica Bononiensis II. 50), S. 92f. 33 Timms, Polymath (wie Anm. 5), S. 130. 34 Ebd., S. 303–305. 35 „Gott gebe, dass irgendein edler Geist Mitleid empfinde mit dieser schönen Wissenschaft, die mit großen Schritten auf das Vergessensein zueilt“. Zitiert nach Johann Mattheson, Grundlage einer Ehren-Pforte (Hamburg 1740), Nachdruck hrsg. von Max Schneider, Berlin 1910, S. 348. 36 Hingegen hat Johann Gottfried Walther in seinem Musicalischen Lexicon (Leipzig 1732) über Steffani wenig zu sagen; er nennt wenigstens einige der in Hamburg aufgeführten hannoverschen Opern des Meisters, nach Matthesons Musicalischem Patrioten von 1728.

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„weltberühmten“ Steffani sei ihm gesagt worden, dass er vor dem Komponieren eines größeren Werkes immer erst das Ganze im Kopf gehabt und geplant habe: „[…] von dem welt-berühmten und Music-gelehrten Steffani habe mir ehmals sagen lassen, dass derselbe ehe er noch eine Feder angesetzet, die Opera, oder das vorhabende Werck, eine Zeitlang beständig bey sich getragen, und gleichsam eine recht ausführliche Abrede mit sich selbst genommen habe, wie und welcher Gestalt die gantze Sache am füglichsten eingerichtet werden möge. Hernach aber hat er seine Sätze zu Papier gebracht. Es ist eine gute Weise; ob gleich zu vermuthen, dass sich heut zu Tage, wo alles auf der Flucht geschehen soll, wenig finden werden, die Gefallen tragen, solche Überlegung anzustellen: es sey nun Unverstand, oder Gemächlichkeit, oder auch ein alberner Hochmuth schuld daran.“37

Hier ging es noch nicht um eine idealistisch-romantische Einheitskonzeption der musikalischen Komposition, sondern um rhetorische dispositio, die sich vom „Werck“ (nämlich dem Operntext) als gegebener Einheit herleitet. Man vergleiche freilich einen wichtigen Passus des frühen Gottfried Wilhelm Leibniz zur künstlerischen Inspiration, die sich über das Studium der elementaren Grammatik erhebe und in der die durch Nachahmung geübte imagination den Vortritt gegenüber der später beurteilenden raison haben müsse.38 Nun wissen wir alle, dass Tosis Hoffnung, der verhasste moderne Stil werde wie eine flüchtige Mode vergehen, bitter enttäuscht worden ist. Zwar hatte ihm noch 1724 Francesco Gasparini einen Dankbrief für den Erhalt der Opinioni geschrieben, in dem er die moderne Mode in deutlichsten Worten verdammte (er nennt sie die „maledetta lusinga di quel preteso gusto moderno“, die „verdammte Verführung jenes angeblich modernen Geschmacks“): Aber Gasparini schrieb damals aus der Defensive von Rom aus, wo soeben Carlo Broschi, genannt Farinelli, Nicola Porpora und Vivaldi debütiert hatten.39 Schon im Karneval 1723 war Benedetta Sorosina, die Steffani nach London empfahl,40 am Teatro S. Angelo in Venedig in Opern des Neapolitaners Leonardo Leo aufgetreten; in Hamburg und Braunschweig waren schon damals Vivaldi und Orlandini an der Tagesordnung, mit kräftiger Unterstützung Matthesons, Schürmanns und Telemanns; bereits 1724 komponierte Porpora auch 37 Johann Mattheson, Kern melodischer Wissenschafft, Hamburg 1737, S. 136; fast gleichlautend in ders., Der vollkommene Capellmeister, Hamburg 1739, S. 240. Vgl. Gerhard Croll, „Musik und Politik. Steffani-Opern in München, Hannover und Düsseldorf “, in: Il melodramma (wie Anm. 3), S. 33–42, hier: S. 35; Timms, Polymath (wie Anm. 5), S. 179. 38 Andrea Luppi, „Steffani e Leibniz ad Hannover: L’universo e la sua ‚armonia musicale‘“, in: Il teatro musicale italiano nel Sacro romano Impero nei secoli XVII e XVIII. (= Contributi ­musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S. – Como 12), hrsg. von Alberto Colzani u. a., Como 1999, S. 179–212, hier: S. 206. 39 Vgl. Strohm, The Operas (wie Anm. 25), S. 326. 40 Vgl. Lowell Lindgren und Colin Timms, „The Correspondence of Agostino Steffani and Giuseppe Riva, 1720–1728, and Related Correspondence with J. P. F. von Schönborn and S. B. Pallavicini“, in: Royal Musical Association Research Chronicle 36 (2003), S. 85–100, hier: S. 85, 98–99.

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für München. Tosi konnte erst recht nicht ahnen, was es bedeutete, dass in Braunschweig 1721 ein gewisser Johann Adolf Hasse als Opernsänger und -komponist debütiert hatte. Im Jahre 1745 stellte Joachim Christoph Nemeitz dann rückblickend fest, die hervorragendsten italienischen Opernautoren seit Jahrhundertbeginn („seit diesem saeculo“) seien „Orlandini, Pollaroli, Porta, Vivaldi, Vinci, Lotti, Chelleri, Porpora, Costanzi, Lalli. etc“.41 Bereits vergessen hatte Nemeitz offenbar Giovanni und Antonio Maria Bononcini, Attilio Ariosti, Ruggiero Fedeli, Luigi Mancia, Antonio Lotti, Antonio Caldara, Francesco Conti, Pietro Torri und andere Nachfolger Steffanis in Zentraleuropa, die Tosi gerühmt hatte. Von dieser Musikergruppe, die in Tosis Historie sicher zur mittleren Stilphase gehörte, sowie ihren deutschsprachigen Kollegen wie Keiser, Händel, Johann Hugo von Wilderer, Christoph Graupner, muss die Rede sein, wenn der Opernstil in Deutschland zwischen 1700 und 1725 erklärt werden soll. Mir scheint, dass das Wirken dieser Musiker in Deutschland und z. T. in London eben jenes Bollwerk gegen den gusto moderno bildete, das Tosi in Italien vermisste. Ihnen und der mit ihnen verbundenen Opern- und Gesangspraxis war meines Erachtens die Chance einer eigentlichen Repertoirebildung der Oper nördlich der Alpen zuzuschreiben, vielleicht mit Agostino Steffani als Vorbildfigur.42 Dieser hatte ja seine gesamte kreative Karriere der deutschen Hofkultur gewidmet – um den Preis, dass er in der späteren Phase nicht mehr vorrangig als Musiker wirken konnte – und damit eine Art regionaler Dynamik in der italienischen Opernpraxis ermöglicht, die sich nicht mehr von Jahr zu Jahr auf italienische Importe rückbeziehen musste. Jedoch warum ist aus alledem offenbar nichts geworden? Die Transformation von der Praxis zur Legende, die Steffanis Musik in diesen zwei Jahrzehnten durchmachte, traf noch einmal die Komponisten von Händels Generation, die nirgendwo mehr aufgeführt wurden, als sie selbst die Feder aus der Hand gelegt hatten. Dafür war man im Zeitalter des beginnenden Historismus und Klassizismus in der Lage, sich an sie als bedeutende Meister der Musik – nicht des Opernrepertoires – zu erinnern. Klassizismus ist eben die Kunst, eine Leistung der Vergangenheit anzuerkennen, auch wenn man sich für sie nicht mehr wirklich interessiert.

41 Joachim Christoph Nemeitz, Von den musicalischen Schauspielen, die man Opern nennet (1745), Faksimile-Ausgabe in: Musiktheatralische Formen in kleinen Residenzen: 7. Arolser Barock-Festspiele 1992, Tagungsbericht, hrsg. von Friedhelm Brusniak, Köln 1993, S. 149–178, hier: S. 167f. Dazu Reinhard Strohm, „Italian Operisti North of the Alps (c.1700–c.1750)“, in: The EighteenthCentury Diaspora of Italian Music and Musicians, hrsg. von Reinhard Strohm, Turnhout 2001, S. 1–59, hier: S. 53. 42 Vgl. Strohm, „Italian Operisti“ (wie Anm. 41), S. 53–57.

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Agostino Steffani and the French Style

As a young man working at the Bavarian court in Munich, Steffani was sent abroad for two extended periods of study. In 1672, when he was still in his late teens, he travelled to Rome; then, as a 24-year-old, he spent about ten months in Paris, some time between the summer of 1678 and the spring of 1679.1 The impact of this contact with French culture is most apparent in Steffani’s operas, mainly in the overtures, ballet music and arias in dance metre, and in certain aspects of instrumentation. The nature of French influence on the youthful Italian composer has already been studied,2 but such studies have generally been made by Steffani specialists looking across the frontier towards the source of influence. The present chapter adopts an inverse approach, being written by an ‘outsider’ looking at Steffani’s music from a French perspective. Rather than attempting a comprehensive survey, it adopts a selective approach, identifying elements of French influence that have hitherto received little attention, among them aspects of performance and notation. It also emphasises ways in which the models and practices that inspired Steffani were adapted in diverse and imaginative ways. The music considered is largely instrumental, since apart from the many brief arias that recycle French-style ballet movements, the idiom of Steffani’s vocal music is essentially Italian. The decision to send Steffani to Paris stems from the predilection in German states, particularly those close to the border with France, for all things French. While the prevailing musical taste at many of these courts was predominantly influenced by Italy, certain aspects of the French musical tradition were of special appeal in Germany. First, there was the newly evolving orchestra, which, in the sense of an ensemble based on a core of multiple strings, had only recently emerged during the mid-seventeenth century at the court of Louis XIV. Steffani would gain first-

1 For biographical details, see Colin Timms, Polymath of the Baroque: Agostino Steffani and His Music, New York 2003; Friedrich Chrysander, G. F. Händel, 3 vols., Leipzig 1858–1867; Alfred Einstein, ‘Agostino Steffani. Biographische Skizze, I: Münchener Zeit, 1654–1688’, in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 23 (1910), pp. 1–36. 2 See, for example, Timms, Polymath (as n. 1), esp. ch. 2 and 7.

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hand experience of the light and airy style of playing developed by the director of the king’s musique de la chambre, Jean-Baptiste Lully, which was highly esteemed throughout Europe; he would also witness the impact of Lully’s legendary orchestral discipline.3 Second, he would hear how the principal French woodwind instruments were evolving, since it was at this time that these were undergoing a period of radi­ cal redesign, to emerge as what we now call ‘Baroque’ flutes, recorders, oboes and bassoons. This development was of special appeal in Germany, with its long-established tradition of wind playing, a tradition that Steffani was eventually to enhance with his own remarkable writing for woodwind. Above all, he would observe the latest developments in ballet. This had long been a national obsession in France, but with Louis XIV’s passion for dancing as the driving force, French ballet music and choreography set new standards, not just in France but throughout Europe. In travelling to Paris, Steffani was following in the footsteps of numerous other musicians from Germany, among them the first of the so-called German Lullistes, including Johann Keiser and Johann Sigismund Kusser (Cousser).4 We know little about Steffani’s activities there. As a representative of the Bavarian court, he certainly had an entrée to the French court: he is known to have performed before Louis XIV and may also have attended services in the Dauphin’s chapel, directed at that time by Marc-Antoine Charpentier.5 There is no evidence that he studied with Lully or with anyone else. He had no need to: a musician of his talent could absorb the essentials of the French style of composition and performance merely by using his ears and eyes.6 As to the music he heard, we can only speculate. During his time in Paris, Lully’s opera Bellérophon was given its first performance at the Académie Royale de Musique (the Paris Opéra) on 31 January 1679 and ran for about nine months.7 This was much the biggest show in town, and we can thus be

3 On the early history of the orchestra in France and Germany, see John Spitzer and Neal Zaslaw, The Birth of the Orchestra: History of an Institution, 1650–1815, Oxford 2004, ch. 2, 3 and 7. 4 See Jérôme de La Gorce, Jean-Baptiste Lully, Paris 2002, p. 296; Michael Robertson, The Courtly Consort Suite in German-Speaking Europe, 1650–1706, Farnham 2009, ch. 2; Timms, Polymath (as n. 1), p. 206. 5 On Charpentier’s music for the Dauphin, see Catherine Cessac, Marc-Antoine Charpentier, 2nd edn, Paris 2004, pp. 143–152 (or 1st edn, trans. E. Thomas Glasow, Portland (OR) 1995, pp. 114–122). It is tempting to link Steffani’s scoring for two treble recorders and bass recorder in Alarico il Baltha (see Denkmäler der Tonkunst in Bayern 21, Leipzig 1911, p. 68) with Charpentier’s use of this distinctive scoring in motets for the Dauphin’s chapel. 6 Kusser, for example, whether or not a pupil of Lully, absorbed his influence by close observation (‘I taught myself to follow his methods and to adopt his refined manners as much as possible’): Composition de musique suivant la méthode françoise, Stuttgart 1682, preface, quoted in Robertson, The Courtly Consort Suite (as n. 4), p. 121. 7 Lois Rosow, article ‘Lully, Jean-Baptiste’, in: The New Grove Dictionary of Opera, ed. Stanley Sadie and Christina Bashford, London 1992, vol. 3, pp. 82–92; La Gorce, Jean-Baptiste Lully (as n. 4), p. 269.

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sure that Steffani saw it, quite possibly more than once.8 He would also have had the opportunity to attend at least two of Lully’s earlier operas: Atys (1676) was revived at the Opéra in the autumn of 1678, while Psyché, which was first performed as a tragédie-ballet in 1671, had reappeared in April 1678 as a tragédie en musique and was still in performance when Steffani arrived later that year.9 In any case, he would have been surrounded throughout his time in Paris and at court by music in the latest French style, particularly that of Lully.10 Steffani’s long period of total immersion in French musical culture made a deep and immediate impression on him, and even after his return to Germany he could keep abreast of the latest developments in French music. From 1679 Lully’s operas began to be published, more or less annually, in full score,11 and the newly fashionable overture-suites culled from these and other French dramatic works circulated widely, issued mainly by Dutch music publishers.12 There were also numerous imitations of these suites, particularly by the German Lullistes, the first of which were issued in 1682. At Munich, moreover, Steffani worked with various Francophone musicians and maîtres de danse. The court dancing master, appointed between 1681 and 1684, was François Rodier, and the orchestra was later strengthened with new players from France. The Hanoverian court, to which Steffani moved in 1688, was even more Franco­ phile: according to the Mercure de France, ‘the court […], which follows all the French fashions, also imitates the French in its entertainments’.13 These included a performance of Lully’s Psyché in 1693 – not coincidentally, perhaps, one of the works performed during Steffani’s time in Paris. The court orchestra when he arrived consisted almost entirely of French players, under Jean-Baptiste Farinel as maître des

  8 Many French opera-goers attended Lully’s Académie Royale de Musique so often that they got to know the music by heart: see Jérôme de La Gorce, ‘L’Opéra et son public au temps de Louis XIV’, in: Bulletin de la Société de l’Histoire de Paris et de l’Île-de-France 108 (1981), pp. 27–46.   9 For a reconstruction of the performance calendar at the Académie Royale de Musique, see the ‘Journal de l’Opéra’ (Paris) at http://gallica.bnf.fra/ark:/12148/cb426079139/date. 10 Unfortunately for Steffani, this was a lean period for music at the Comédie-Française. He had already left Paris by the time Molière’s Le Sicilien was revived with incidental music by Charpentier (9 June 1679), though he may have seen a revival of Scarron’s L’Héritier ridicule (?June 1678). He arrived just too late to see Charpentier’s Les Amours d’Acis et de Galatée, privately performed during Carnival 1678. 11 Herbert Schneider, Chronologisch-thematisches Verzeichnis sämtlicher Werke von Jean-Baptiste Lully, Tutzing 1981. Manuscripts of Lully’s dance movements could also be bought in Hanover: see Heinrich Sievers, Hannoversche Musikgeschichte: Dokumente, Kritiken und Meinungen, Tutzing 1979, vol. 1, p. 11. 12 For details of Dutch editions, see Rudolph Rasch, The Music Publishing House of Estienne Roger and Michel-Charles Le Cène, www.hum.uu.nl/medewerkers/r.a.rasch/Roger/Roger.htm (accessed August 2016). 13 Quoted in Timms, Polymath (as n. 1), p. 45.

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concerts.14 Whereas at Munich, Steffani had normally indicated instrumentation in Italian (trombe, violini, pifferi, etc.), in Hanover he preferred French for this purpose, presumably for the benefit of his Francophone players. In Figure 1, for example, he uses the terms ‘Hautb[ois]’, ‘tous’, ‘violons’, ‘basson’ and, in the vertical labelling of the staves, ‘Hautbois / violons’, ‘violes’ and ‘Basson / basses’.

Fig. 1: Steffani, Henrico Leone (Hanover 1689), Act I, scene 1, aria ‘Tra le braccia de la morte’, bars 1–3: London, British Library (GB-Lbl), R.M. 23.h.7 (autograph), p. 12. By permission of the British Library Board.

Elsewhere, Steffani employs the traditional French terms ‘haute-contre’ and ‘taille’ for the viola parts;15 and whereas he provided Italian dynamics for his singers, he used terms such as doux and fort for his players.16 Some of Steffani’s French labelling must have been intended for the maître de ballet, as in the rubrics ‘Ritt.e à jouer pandant que Henry tüe la beste’ (‘Ritornello to be played while Henrico kills the

14 At court in 1681, ‘the French violinists performed, as usual, really excellently, and through the entire evening meal Farinel had them play the airs of the celebrated Lully, which amazed everyone by their euphonious sound’: ibid., p. 47; see also pp. 57–58. 15 E.g., La libertà contenta, Act III: London, British Library [GB-Lbl], R.M. 23.h.21 (autograph), fol. 163, and Baccanali: R.M. 20.g.23, fol. 289. 16 E.g., Henrico Leone, Act II: GB-Lbl, R.M. 23.h.8 (autograph), fol. 112.

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monster’)17 and ‘Retraite. Pour les Hautbois qui sont sur la scene’ (‘Retreat, for the on-stage oboists’).18 At other times such labelling was for the benefit of the scribes who copied the parts, notably the French wind players Charles Babell and Pierre Guillaume Barré (see Fig. 2).19

Fig. 2: List of suites put into score at Hanover in 1689 by ‘M.r Barre’ (i. e., Pierre Guillaume Barré): Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Mus-Ms-1221 (by permission).

17 Henrico Leone, Act I: GB-Lbl, R.M. 23.h.7 (autograph), scene 16. 18 Le rivali concordi (= Italian Opera 1640–1770 [14]), ed. Howard Mayer Brown, New York 1977, Act III, scene 10 (p. 49). 19 For example, ‘Toute la scene à la 4.e basse’, Le rivali concordi (as n. 18), Act II: scene 6 (p. 21); ‘Le Basson doit commencer dans la note de la cadence’, La superbia d’Alessandro, Act I: GB-Lbl R.M. 23.f.12 (autograph), fol. 28. On Babell, see Bruce Gustafson, ‘The Legacy of Instrumental Music of Charles Babel, Prolific Transcriber of Lully’s Music’, in: Jean-Baptiste Lully: Actes du colloque Saint-Germain-en-Laye, Heidelberg 1987, ed. Jérôme de La Gorce and Herbert Schneider, Laaber 1990, pp. 495–516. On Barré, see Erik Albertyn, ‘The Hanover Orchestral Repertory, 1672–1714: Significant Source Discoveries’, in: Early Music 33 (2005), pp. 449–471.

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Steffani’s orchestras It is instructive to explore the extent to which the orchestras with which Steffani worked relate to his models. Those he encountered in France would have been disposed in one of two configurations: first, the one associated with three royal orchestras, the Vingt-quatre violons du roi, the ‘Petits violons’ and the orchestra of Lully’s Académie Royale de Musique. This comprised a single line for the violins (dessus de violon), written in the so-called French violin clef (G1), three parts for violas of different sizes – haute-contre de violon (C1), taille de violon (C2) and quinte de violon (C3) – and one for basse de violon (F4), an instrument tuned a whole tone lower than the cello.20 The other orchestral set-up with which he would have become familiar was a four-part ensemble with one dessus de violon line (G1), two violas (haute-contre, C1, and taille, usually C2) and basse de violon (F4), which was typical of French orchestras outside the royal orbit. Since the players of all these instruments remained almost entirely in first position, their lines fell within the confines of the chosen clef and required at most a single leger line above the stave. Such configurations had been fairly standard for violin bands in many parts of Europe from the sixteenth century onwards.21 By the end of the seventeenth, however, they became increasingly associated with France, now that other scorings had been developed in Italy, Germany and elsewhere, notably those including two violin lines rather than one. But when the German Lullistes began to adopt the French performing style towards the end of the century, they often specified one or other of these French scorings.22 This being so, it is rather surprising to note that Steffani used neither of these layouts in his Munich operas. His first opera, Marco Aurelio (1681), calls for fivepart strings with two violin parts in treble clef (G2), and two violas in C1 and C3, a disposition common enough in Italy and Germany, yet not in France. His later Munich operas – Servio Tullio (1686), Alarico il Baltha (1687) and Niobe, regina di Tebe (1688) – call for a four-part ensemble, but again, not in the French manner, since it, too, features two violins.23 That Steffani preferred this more modern, ‘string-quartet’ layout is suggested by his first operas when he moved to Hanover. Even before his arrival, the Han20 See Jürgen Eppelsheim, Das Orchester in den Werken Jean-Baptiste Lullys, Tutzing 1961, pp. 40–41; Spitzer and Zaslaw, The Birth of the Orchestra (as n. 3), pp. 91–92. 21 See Peter Holman, ‘From Violin Band to Orchestra’, in: From Renaissance to Baroque: Change in Instruments and Instrumental Music in the Seventeenth Century, ed. Jonathan Wainwright and Peter Holman, Aldershot 2005, pp. 241–257, and Samantha Owens, ‘Upgrading from Consorts to Orchestras at the Württemburg Court’, in: From Renaissance to Baroque (as above), pp. 227–240. 22 See Robertson, The Courtly Consort Suite (as n. 4), pp. 117–148. 23 Excerpts from most of Steffani’s operas appear in his Ausgewählte Werke […] Dritter Theil (= Denkmäler der Tonkunst in Bayern 23), ed. Hugo Riemann, Leipzig 1912.

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over court orchestra was already set up in the four-part French manner, with the parts often labelled in French.24 Yet significantly, Steffani did not adopt this in his first two Hanover operas, Henrico Leone and La lotta d’Hercole con Acheloo, both premièred in 1689. These call for two violins, the first in G1 (presumably reflecting the preference of his French players), the second in G2.25 But then, curiously, all his remaining Hanover operas – La superbia d’Alessandro (1690), Orlando generoso (1691), Le rivali concordi (1692), La libertà contenta (1693), I trionfi del Fato (1695) and Baccanali (1695) – revert to the typical French line-up with two viola parts. We can only guess at the reasons for this decision, but they may well have to do with changes of orchestral personnel. At all events, when he moved to the Düsseldorf court, where French influence was negligible, Steffani occasionally returned to the ‘string-quartet’ scoring.26 While such distinctions of scoring may seem fairly insignificant, it becomes evident that the choice of layout – particularly between one and two violin lines – strongly affects the degree of ‘Frenchness’ perceptible in this music.

Overtures Steffani was one of the first Italian composers to preface his operas with French overtures. In his autograph manuscripts these are invariably labelled ‘sinfonia’, whereas his scribes, especially those in Hanover, often substituted the term ‘ouverture’.27 All are recognisably based on the design developed by Lully in his stage works: a dignified first section in duple metre ending with a cadence in the dominant key and marked to be repeated, and a second section in contrasting metre beginning with imitative entries and similarly repeated. The overture may or may not end with a brief return to the stately duple metre. It is illuminating to place some of Steffani’s overtures alongside characteristic French examples in order to assess the degree to which they follow or depart from their models. Example 1 shows the start of the overture to Lully’s Psyché.28 Several typically Lullian features are worth emphasising: the seamless, largely non-imitative texture, in which the five parts play continuously almost throughout; the charac-

24 Albertyn, ‘The Hanover Orchestral Repertory, 1672–1714’ (as n. 19). For early examples of works with the strings disposed in G1, C1, C3 and F4 clefs, see Clamor Heinrich Abel, Erstlinge musicalischer Blumen, performed at Hanover in 1674. 25 See facsimile of La lotta (= Handel Sources: Materials for the Study of Handel’s Borrowings 9), ed. John H. Roberts, New York 1986. 26 See, for example, Tassilone (1709) (= Denkmäler rheinischer Musik 8), ed. Gerhard Croll, Düsseldorf 1958. 27 Timms, Polymath (as n. 1), p. 201. 28 When a clef in an example differs from that in the source, a note of the original is given above the editorial clef.

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teristic anacrusis figures, often in semiquavers; the dignified, regular harmonic rhythm, with a prominent dissonance on almost every first beat, usually resolved a minim later. The three inner parts, moreover, remain within the ‘envelope’ created by a strong treble-bass duo, as was the norm in Lully’s mature orchestral writing.29

Ex. 1: Jean-Baptiste Lully, Psyche (1671/1678), Ouverture, bars 1–6

Compare the start of the overture to Marco Aurelio. This work was premièred in January 1681, less than two years after Steffani’s return from Paris, so we might expect the French influence to be particularly strong. Yet this is not the case. Instead of emulating Lully’s seamlessness, Steffani prefers to lighten the texture with prominent rests (Ex. 2). There are none of those rapid Lullian anacruses and remarkably few strong dissonances on first beats; indeed, the harmonic rhythm often moves in crotchets rather than at Lully’s stately minim tread. And far from remaining within the ‘envelope’ of the outer parts, Steffani’s second violin and second viola respectively cross the first violin and bass from time to time (as in bars 4, 7 and 8 of Ex. 2). But the feature that sets this passage squarely apart from French practice is its structural basis. In contrast to Lully’s treble-bass duo with three subservient inner parts, Steffani deploys his two violins and bass as a quasi-independent trio sonata texture, the parts – in particular, the duetting violins – sharing occasional points of imitation (bracketed in Ex. 2). The resulting sound-world announces itself as wholly Italian. Oddly enough, the second section of the Marco Aurelio overture is far more Lullian, its initial imitative entries descending in the time-honoured way from treble 29 See Graham Sadler, ‘The Inner String Parts in the Operas of Lully: Authorship, Function and Evolution’, in: Les Cordes de l’orchestre français sous le règne de Louis XIV: Instruments, répertoires et singularités, ed. Jean Duron and Florence Gétreau, Paris 2015, pp. 219–240.

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Ex. 2: Steffani, Marco Aurelio (Munich 1681), Sinfonia, bars 1–8

Ex. 3: Steffani, Marco Aurelio, Sinfonia, bars 45–48

to bass in part-order. Moreover, this section includes a chromatic figure (bracketed in Ex. 3) that is strongly reminiscent of one in the overture to Lully’s fifth opera, Isis (1677), where it is similarly deployed in the lead-up to the main cadences. In fact, many of Steffani’s later overtures betray a far more pronounced French influence. Typical in this respect is the opening sinfonia of La lotta d’Hercole con Acheloo (1689), the first section of which is shown in Example 4. Here we see the Lullian dotted rhythms and up-beat figures, the seamless textures, the stately harmonic rhythm, with strong dissonances on the first beats of bars 2, 6, 7, 8, 10 and 11, almost all resolved a minim later. Yet unlike Lully, who stuck with his winning formula, Steffani continually diversified his overtures in ways not found in his model. In the sinfonia to La libertà

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Ex. 4: Steffani, La lotta d’Hercole con Acheloo (Hanover 1689), Overture (first section)

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contenta, for example, he chooses not to start with the legendary premier coup d’archet, whereby all parts begin simultaneously and thus create an imposing impression (see Ex. 5). Instead, the violins enter on their own, to launch a canon by inversion between treble and bass (something which the French, in this context at least, would have considered an unseemly display of technical prowess), and continue with a further canon (bar 5), this one at the fifth below, while the inner parts remain fairly static. Steffani was indeed fond of beginning his overtures with canonic imitation between treble and bass.30 The sinfonia to I trionfi del Fato starts with a prominent canon at the double octave, and is further notable for the fact that the opening of the first section is marked piano (beneath the bass stave) – a major departure from French tradition, with its emphasis on pomp and splendour. Not until the imitative entries at the start of the second section do we find the corresponding marking, forte.

Ex. 5: Steffani, La libertà contenta (Hanover 1693), Sinfonia, bars 1–7

Ex. 6: Steffani, I trionfi del Fato (Hanover 1695), Sinfonia, bars 1–4 30 For details, see Timms, Polymath (as n. 1), p. 202.

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A further deviation from the Lullian model is found in the sinfonia to Orlando generoso, the first of Steffani’s overtures to include passages for the so-called trio de hautbois – two oboes and bassoon deployed episodically in contrast to the full orchestra (see Ex. 7). This is a texture that he would have heard innumerable times during his stay in France, but not, as it happens, in Lully’s own overtures: surprising though this may seem, none of those performed at Louis XIV’s court or at the Académie Royale de Musique from its establishment to the year of Orlando’s première incorporates a trio de hautbois. While it would be difficult to prove that Steffani was the first composer to introduce this contrasting sonority into a Frenchstyle overture, he was clearly among the earliest to do so. One feature of the first section of the overture to Le rivali concordi that deserves attention is the use of rapid upward scales known as tirades (see Ex. 8). These, according to Georg Muffat, formed part of the repertory of Lullian ornaments and were played with the greatest speed of the bow.31 But although Lully did indeed notate extensive tirades in certain instrumental pieces,32 those in his opera overtures limit themselves to only a few notes rather than exhibiting huge scales of the kind shown in Example 8. It is nevertheless possible, in view of the extempore nature of the tirade as described by Muffat, that the orchestra of the Académie Royale de Musique occasionally improvised such scales, when directed to do so by Lully. This suggestion gains some support from the fact that tirades of an octave or more occur in a significant number of French overtures by German Lullistes, among them composers who had visited Paris, the implication being that these tirades were a feature that such visitors had actually heard there. Particularly noteworthy about the first tirade in Example 8 is the extraordinary precision with which its rhythm is notated as alternating demisemiquavers and semiquavers. Nowadays such tirades are normally executed in even notes, whereas Steffani’s notation unambiguously dictates a lilting inequality. He evidently wished to replicate the convention of notes inégales that would be routinely applied in France to evenly written notes in certain contexts.33 His notation in this example may thus reflect a hitherto unsuspected French interpretation of the tirade. Elsewhere, and particularly in the second sections of his ouvertures à la française, his use of chains of dotted quavers and semiquavers seems likewise intended to reproduce the effect of notes inégales.34 31 See David K. Wilson, Georg Muffat on Performance Practice: A New Translation with Commentary, Bloomington 2001, p. 52. 32 See the ‘Entrée des Songes funestes’ from Atys, Act III, scene 4, quoted in Spitzer and Zaslaw, The Birth of the Orchestra (as n. 3), pp. 451–453. 33 Stephen E. Hefling, Rhythmic Alteration in Seventeenth- and Eighteenth-Century Music, New York 1993. 34 This is a notational feature that Steffani shares with some of the German Lullistes and, indeed, with such English composers as Purcell and Blow in pieces that display French influence.

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Ex. 7: Steffani, Orlando generoso (Hanover 1691), Sinfonia (second section), bars 24–28

Ex. 8: Steffani, Le rivali concordi (Hanover 1692), Sinfonia, bars 3–7, inner parts omitted

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The use of violin mutes In three of his operas – Niobe (Munich, 1688), Henrico Leone (Hanover, 1689) and Amor vien dal Destino (composed for Hanover in the 1690s, first performed at Düsseldorf in 1709) – Steffani directs the violins to apply mutes.35 Could this be a hitherto unexplored area of French influence? After all, the earliest operatic works to call for muted violins are Lully’s Le Triomphe de l’Amour (1681) and Armide (1686), both dating from only a few years earlier than Niobe. In the former, they enhance the air of mystery during a lengthy nocturnal sequence, while in the latter they help characterise the passage in which Renaud is lulled to sleep. Each of these works was published in the year of its première and circulated widely, the movements from Armide gaining particular renown as ‘les sourdines d’Armide’. The early history of violin muting has been incompletely researched. We can discount Claudio Monteverdi’s references to mutes, since these have to do exclusively with wind instruments.36 We can likewise ignore discredited evidence that mutes were used in Domenico Allegri’s Modi quos expositis in choris of 1617: as Antony John has shown, this error dates back to a misconception in the ‘Allegri’ article by Thurston Dart in the 1954 edition of Grove’s Dictionary.37 Similarly, Marin Mersenne’s remarks about muting published in 1636 have nothing to do with contemporary performance practice but merely constitute a scientific observation about what happens if you place a key or similar heavy object on the bridge of a violin.38 It is not until the mid-seventeenth century that specific instances of string muting can be identified: a sonata of 1662 by the Weimar Kapellmeister Adam Dresde includes an alternative scoring for two muted violins and two ‘Posh’ (pochettes, or 35 In Niobe, Act III, scene 12, a recitativo accompagnato with two solo players on each of the four lines is marked: ‘Gli 8 Istromenti che concertano mettino le sordine e suonino concise’ (‘the eight accompanying instruments should apply mutes and play concisely’): see Steffani, Ausgewählte Werke (as n. 23), p. 60. In Amor vien dal Destino, Act III, scene 1, the muted passage is marked ‘con il piombo sopra il ponte’ (‘with the lead on the bridge’). The wording of Steffani’s directions in Henrico Leone is discussed below. 36 Shirley Thompson, ‘A Mute Question: Charpentier and the sourdines’, in: Marc-Antoine Charpentier, un musicien retrouvé, ed. Catherine Cessac, Sprimont 2005, pp. 183–197; see also Janet K. Page, ‘“To soften the Sound of the Hoboy”: The muted Oboe in the 18th and Early 19th Centuries’, in: Early Music 21 (1993), pp. 65–82. 37 See Domenico Allegri, Music for an Academic Defense (Rome, 1617) (= Recent Researches in the Music of the Baroque Era 134), ed. Antony John, Middleton, Wis. 2004). As John observes (n. 3), ‘the only implication that mutes were to be used comes at the beginning of “Mercurius”, where the organ part carries the rubric “cum fidib. P.Q.” The abbreviation “P. Q.” may stand for “per quietes” (lit., quietly)’. How this came to be interpreted as an indication of muting is not clear, especially as there are no other dynamic markings in this publication. 38 ‘Je laisse mille accidens du Violon, par exemple qu’il perd une grande partie de son harmonie quand on met une clef, ou quelque chose semblable sur le chevalet’: Marin Mersenne, Harmonie universelle, contenant la théorie et la pratique de la musique, Paris 1636, Livre Quatriesme des Instrumens à chordes, p. 189.

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dancing masters’ kits), the muting here being designed merely to reduce the volume of the violins to that of the much quieter pochettes.39 In the following decade, Johann Heinrich Schmeltzer’s sepolcro Memorie dolorose (1678) specifies ‘sordini’ in several rubrics, but Deirdre Loughridge suggests that this refers not to violin muting but to the use of a bowed instrument known as the sordino.40 Even so, as Table 1 reveals, Steffani was one of the first composers to avail himself of this expressive sonority, and only the second to do so in an operatic context. 1662 Dresde, Sonata à 6 1678 Schmeltzer, Memorie dolorose (sepolcro)? 1681 Lully, Le Triomphe de l’Amour 1686 Lully, Armide 1688 Steffani, Niobe, regina di Tebe 1689 Steffani, Henrico Leone 1692 Purcell, The Fairy Queen [1693–1697] Steffani, Amor vien dal Destino Table 1: Early instances of violin muting

Whether or not Steffani knew of these German and Austrian precedents, there are several reasons for suspecting that he was aware of the French use of mutes. Like Lully, he uses this device as a way of enhancing the dramatic character – during a sleep scene in Henrico Leone and at the hero’s dying moments in Niobe. It is enlightening to compare the two composers’ rubrics directing that the mutes were to be applied or removed. In Henrico Leone Steffani writes: ‘Les violons joueront l’air avec des sourdines’, then later: ‘Ostez viste [i. e., ôtez vite] les sourdines’.41 Compare Lully in Armide: ‘Il faut joüer cecy avec des sourdines’, and in Le Triomphe de l’Amour: ‘Il faut oster les sourdines’.42 We should not, of course, read any signifi­ cance into the spelling of ‘oster’ with an ‘s’, since this was standard seventeenth-­ century orthography. Even so, the similarity of language in this context is certainly thought-provoking. 39 See Jacob Ludwig’s ‘Partitur-Buch’, now at Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 34.7 Aug 2o, in which Dresde’s Sonata à 6 (no. 102 in this manuscript) is scored for ‘2 Cornetti è 2. Tromb: vel si placet: 2 Posh. 2 Violin gedünphet et 2 Viol: di Gamben’. My thanks to Peter Holman for drawing my attention to the use of mutes by Dresde and others. 40 See Deirdre Loughridge, ‘Muted Violins from Lully to Haydn’, in: Early Music 44 (2016), pp. 427– 447. 41 Act II, scene 18: GB-Lbl, R.M. 23.h.8 (autograph), fols. 64 and 68. 42 Armide (Paris: Christophe Ballard, 1686), p. 80; Le Triomphe de l’Amour (Paris: Christophe Ballard, 1681), p. 110. See also Le Triomphe de l’Amour, p. 86: ‘Tous les instruments doivent avoir des sourdines & joüer doucement, particulièrement quand les voix chantent, et ne pas oster les sourdines que l’on ne l’ait marqué’ (‘All the instruments must have mutes and play quietly, particularly when the voices sing, and remove the mutes only when indicated’).

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More significant, perhaps, is Steffani’s choice of a deliberately low-lying tessitura in the muted passage in Henrico Leone, with violins in C1 rather than G1. This is a highly distinctive texture that Lully had only just developed when Steffani arrived in Paris: all his operas from Bellérophon onwards include one or more dramatically powerful passages in which the strings, instead of playing within their standard ranges, occupy a much lower overall tessitura (see Ex. 9) in order to enhance the sombre atmosphere.43 Thus Lully’s use of this texture during the extensive muted passages in Le Triomphe de l’Amour may well have acted as a spur to Steffani’s imagination. It is nevertheless worth emphasising that the musical style of the muted sections in the Italian composer’s operas betrays no sign of French influence. Rather, the creative stimulus here seems to have been the actual concept of muting. (a)

(b)

Ex. 9: (a) the standard ranges of Lully’s five-part string section; (b) the low-lying tessitura introduced in 1679

Ornaments If Sir John Hawkins is to be believed, Steffani disapproved of spontaneous embellishments. The writer claims that Steffani’s unease about managing a company of opera singers was … ‘[…] very much increased by the exactness he required in the performance of his music, which was remarkably great, that he would never admit of any divisions or graces, even on the most plain and simple passages, except what he wrote himself.’44 43 Sadler, ‘The Inner String Parts’ (as n. 29), pp. 233–235. 44 John Hawkins, Memoirs of the Life of Sig. Agostino Steffani, some time Master of the Electoral Chapel at Hanover, and afterwards Bishop of Spiga [London c. 1750], reprinted in The Gentleman’s Magazine 42 (1772), pp. 443–446, here: p. 444.

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Hawkins’s assertion gains support from the fact that Steffani, in his autograph scores, specifies a very large number of ornaments (indicated by the t sign in Figure 3) – far more than one would expect from an Italian of his generation, and more than were then customary in German operatic scores.

Fig. 3: Steffani, I trionfi del Fato, Act I, scene 11, aria ‘Piangi in van sepolta polve’ (v. 2: ‘Non pensar ad ombra esangue’): GB-Lbl, R.M. 23.i.3 (autograph), p. 64. By permission of the British Library Board.

Could it be that Steffani’s distrust of improvised embellishments was nurtured during his time in France? Hawkins’s observation is remarkably similar to one by Jean Laurent Le Cerf de la Viéville about Lully: ‘the players would never have taken it upon themselves to ornament their parts. He would not have let them do this, any more than he allowed it with his female singers’.45 Michel Pignolet de Montéclair confirms Lully’s abhorrence of the ‘absurdity of doubles and such anomalous musics, whose supposed merit consists only in […] din and confusion’,46 while in 1688, a year after Lully’s death, Bauderon de Sénecé recounted an anecdote in which 45 ‘[…] les instrumens ne s’avisoient gueres de rien broder. Il ne le leur auroit pas plus souffert, qu’il le souffroit aux Chanteuses’: Jean Laurent Le Cerf de la Viéville, Comparaison de la musique italienne et de la musique françoise, Brussels 1704–1706, vol. 2, p. 227. See also pp. 198–201. 46 ‘[…] ridicule des Doubles et des musiques héteroclites dont le mérite prétendu ne consiste que […] dans le fracas, et dans la confusion’: Michel Pignolet de Montéclair, Principes de musique, Paris 1736, pp. 86–87.

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Fig. 4: Lully, Bellérophon (Paris: Christophe Ballard, 1679), Ouverture, p. 2. By permission of the British Library Board.

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the composer unceremoniously dismisses ‘a violinist in the service of the late king [i. e., Louis XIV]’ for adding ‘profuse variations and roulades’.47 Such reports should not, of course, be taken as indicating that Lully disapproved of ornaments per se. Writing from first-hand experience, Muffat stressed that these were essential to the Lullian style, since they ‘decorate what is simple, relieve what is rough and everywhere enliven what is dull with a wondrous liveliness’.48 Rather, it was the random improvised embellishment of the old school that Lully disliked, partly for practical reasons: in his music for the newly developing orchestra, with its multiple players and its neat, disciplined execution, extemporaneous broderies of that kind would be intolerable. Hence the need to control and co-ordinate the ornamentation with some symbol – in his case the t sign, liberally deployed in Figure 4. In Germany, the Lullistes naturally adopted this principle in their own adaptation of the French style. Before about 1675, remarkably few German sources other than keyboard and other music for solo instruments include ornament symbols in any great number. After that date, however, such symbols become increasingly numerous, especially in French-style overture-suites (see Ex. 10), which likewise generally adopt the t sign. Indeed, this symbol seems to have been associated in Germany with the French style, at least initially. Philipp Heinrich Erlebach, for instance, uses the t in his Lullian Ouvertures (1693) but tr in his Italianate trios.49 While this distinction may seem trivial, I believe it to be a significant one, given the

Ex. 10: Johann Sigismund Kusser, La cicala della cetra d’Eunomio (Stuttgart 1700), Ouverture No. 4 (beginning) 47 ‘[…] un violon du feu roi […] avec force variations et roulemens’: Antoine Bauderon de Sénecé, Lettre de Clément Marot à Monsieur de ***, touchant ce qui est passé à l’arrivée de Jean-Baptiste Lully aux Champs-Elysées, Lyon 1825, p. 12. 48 Quoted in Wilson, Georg Muffat on Performance Practice (as n. 31), p. 47. 49 I am grateful to Michael Robertson for this information and for advice on other matters.

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widespread differentiation between different ‘codes’ of ornament symbol in specific repertories at that time.50 Yet although the t seems to have lost this significance by about 1700, there is one piece by Johann Joseph Fux that nicely demonstrates the perceived distinction between ornament signs in the French and Italian styles. In Example 11, the composer juxtaposes an ‘Aria italiana’ and an ‘Aire françoise’. Whereas the French melody is notable for the high incidence of t signs, these are revealingly absent from the Italian aria, except at main cadences. Now, Steffani’s diverse use of the t sign deserves a separate study in itself. In Le rivali concordi, for example, it is deployed repeatedly in the aria ‘Vive stelle, il sol dà loco’,51 the style of which owes nothing to France. Even so, as several of the above music examples demonstrate, the composer tends to use this sign more often and more profusely in French-style pieces, especially in purely instrumental movements such as overtures, ballet movements and arias in dance-metre. For Steffani, then, as for many Francophile composers working in German lands, the Lullian model was not something to be slavishly imitated but a source of inspiration for artistic development. Nor was he content to adapt and enrich the derived stylistic and formal elements in the ways outlined above: he also found creative new uses for French performing conventions and techniques. Few if any of his ‘French’ pieces would be mistaken for the work of a native composer. Rather, they represent a foreign dialect of the borrowed musical language, inflected by an Italian’s unerring sense of harmonic direction and effortless contrapuntal skill – one that anticipated features of François Couperin’s réunion des goûts and formed a bridge between Lully and such composers as Georg Philipp Telemann, Georg Frideric Handel and Johann Sebastian Bach.52

50 See Frederick Neumann, Ornamentation in Baroque and Post-Baroque Music, with Special Emphasis on J. S. Bach, Princeton 1978. 51 Le rivali concordi (as n. 18), Act I, scene 3 (pp. 24–26). 52 See Timms, Polymath (as n. 1), pp. 68 and 208; and John H. Roberts, Introduction to La lotta d’Hercole con Acheloo (as n. 25), pp. 9–16.

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Ex. 11: Johann Joseph Fux, Concentus musico-instrumentalis (Nuremberg 1701), ‘Aire françoise, Aria italiana’ (first section)

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Musik und Musikerpersonal am Hof von Hannover /  Music and Musicians at the Hanover Court

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Nicole K. Strohmann

Simulatio und dissimulatio: Agostino Steffanis La superbia d’Alessandro im Spiegel der höfisch-politischen Klugheitslehren Die bedeutsame Korrelation zwischen Oper und Politik im 17. Jahrhundert ist in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen der Frühneuzeitforschung mittlerweile ein Allgemeinplatz.1 Da die Oper ein wesentliches Moment im komplexen Kontext des Zeremoniells darstellte, welches als normiertes Zeichensystem nicht zuletzt darauf abzielte, politische und soziale Ordnung sinnlich fassbar zu machen, hebt die Forschungsliteratur völlig zu Recht auf die Bedeutung der Oper für repräsentative und sozialdisziplinierende Zwecke ab.2 Mehr noch als bislang geschehen ist es erforderlich, diese an konkreten Exempeln differenziert zu analysieren, wie dies nicht erst Bernhard Jahn eingefordert hat.3 Auch Juliane Riepe und Henrike Rucker postulieren, „nach der Theorie hinter dem Einsatz von Musik als Medium herrscherlicher Repräsentation […], nach den explizit festgelegten oder auch stillschweigend praktizierten zeitgenössischen Normen bei der ‚politischen‘ Verwendung von Hofmusik sowie nach der Funktion einzelner musikalischer Gattungen, Stile oder Besetzungen in diesem Kontext“ zu fragen.4 Dieses Forschungsdesiderat nimmt 1 Lorenzo Bianconi/Thomas Walker, „Production, Consumption and Political Function of 17thCentury Opera“, in: Early Music History 4 (1984), S. 209–296, Nachdruck in: Soziale Horizonte von Musik, hrsg. von Christian Kaden und Karsten Mackensen, Kassel u. a. 2006, S. 60–69; Silke Leopold, „Höfische Oper und feudale Gesellschaft“, in: Der schöne Abglanz. Stationen der Operngeschichte (= Hamburger Beiträge zur öffentlichen Wissenschaft 9), hrsg. von Udo Bermbach und Wulf Konold, Berlin/Hamburg 1992, S. 65–82; Bernhard Jahn, „Die Oper als politisches Medium. Funktionen des Musiktheaters am Hof Max Emanuels“, in: Das Musikleben am Hof von Kurfürst Max Emanuel, hrsg. von Stephan Hörner und Sebastian Werr, Tutzing 2012, S. 27–40. 2 Grundlegend hierzu siehe Jörg Jochen Berns/Thomas Rahn (Hrsg.), Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (= Frühe Neuzeit 25), Tübingen 1995, und Miloš Vec, Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat. Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation, Frankfurt am Main 1998; ferner Hubert Ch. Ehalt, „Zur Funktion des Zeremoniells im Absolutismus“, in: Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 8), hrsg. von August Buck, Georg Kauffmann, Blake Lee Spahr und Conrad Wiedemann, Hamburg, 1981, S. 411–419, und speziell zum hannoverschen Hof: Joachim Lampe, Aristokratie, Hofadel und Staatspatriziat in Kurhannover. Die Lebenskreise der höheren Beamten an den kurhannoverschen Zentral- und Hofbehörden 1714–1760, Göttingen 1963. 3 Vgl. Jahn, „Die Oper als politisches Medium“ (wie Anm. 1), S. 31–32. 4 Juliane Riepe/Henrike Rucker, „Vorwort“, in: Musik der Macht – Macht der Musik. Die Musik an den sächsisch-albertinischen Herzogshöfen Weißenfels, Zeitz und Merseburg (= Schriften zur Mitteldeutschen Musikgeschichte 8), hrsg. von Juliane Riepe, Schneverdingen 2003, S. 7.

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die Autorin des vorliegenden Aufsatzes zum Anlass, am konkreten Beispiel – der Oper La superbia d’Alessandro von Agostino Steffani und dem Librettisten Ortensio Mauro – die politischen Implikationen des hannoverschen Opernrepertoires am Hof von Herzog Ernst August im ausgehenden 17. Jahrhundert herauszuarbeiten: Wie äußert sich das Moment des Politischen in den hannoverschen Opern? Werden Ereignisse der politisch-sozialen, durch europaweite Konflikte und hegemoniale Bestrebungen gekennzeichneten Gegenwart in den Opernaufführungen gespiegelt, visualisiert und kommuniziert? Welche Botschaften sollten verstanden, imaginiert und memoriert werden? Ziel ist es herauszuarbeiten, inwiefern sich die hannoversche Politik der Verweismöglichkeiten des musikalischen Theaters bediente, und welche Rolle dem Librettisten und dem Komponisten in diesem Kontext zukamen. Aufgrund der Tatsache, dass Mauro zudem als Zeremonienmeister, Hofsekretär und Hofdichter und Steffani auch als Diplomat tätig war,5 ist kaum vorstellbar, dass den ab 1689 gemeinsam realisierten Opern nicht auch politische Dimensionen inhärent wären.

Simulatio und dissimulatio in der Frühen Neuzeit Die Kunst der Verstellung (lat. simulatio und dissimulatio) gehört in der Frühen Neuzeit zum Kernbereich des Politischen bzw. des politischen Handelns.6 Bereits dem Lateinischen ist die Differenzierung „in das kluge Verbergen und Verschweigen der wahren Intention (Dissimulation) und das schauspielerische Vortäuschen einer fremden Rolle (Simulation)“ inhärent.7 Johann Heinrich Zedler erörtert in seinem Universal-Lexicon exemplarisch: „Wenn ein Graf sich für einen Studenten ausgiebt, so dissimulirt er, daß er ein Graf ist, und simulirt, als ob er ein Student wäre.“8 Für den politicus am Hofe war die Fertigkeit der simulatio 5 Siehe hierzu Claudia Kaufold, Ein Musiker als Diplomat. Abbé Agostino Steffani in hannoverschen Diensten (1688–1703) (= Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 36), Bielefeld 1997. 6 Siehe August Buck, „Die Kunst der Verstellung im Zeitalter des Barock“, in: Festschrift der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Wiesbaden 1981, S. 85–103; Ursula Geitner, Die Sprache der Verstellung. Studien zum rhetorischen und anthropologischen Wissen im 17. und 18. Jahrhundert, Tübingen 1992; Manfred Beetz, Frühmoderne Höflichkeit. Komplimentierkunst und Gesellschaftsrituale im altdeutschen Sprachraum, Stuttgart 1990, und Jahn, „Die Oper als politisches Medium“ (wie Anm. 1), S. 37. Zahlreiche Anregungen zur Bedeutung und Relevanz der Verstellungskunst für musikhistorische Zusammenhänge erhielt die vorliegende Studie von den Publikationen Bernhard Jahns, insbesondere der in Anm. 1 genannten. 7 Alexander Košenina, Artikel „Verstellung“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, Darmstadt 1976, Sp. 938. 8 Johann Heinrich Zedler, Artikel „Dissimulatio“, in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 7, Halle/Leipzig 1734, Sp. 1072.

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und dissimulatio unabdingbar: Nur wer sich perfekt zu verstellen vermochte, kam politisch ans Ziel. Die Verstellungskunst war indes für alle Menschen am Hofe eine existenzielle Notwendigkeit, denn das gesellschaftliche Ideal sah eine immerwährende Kontrolle der Affekte vor. Ein Verlust der contenance konnte rasch zu einem Abstieg in der streng hierarchischen, durch Hofordnungen und ausgeklügelte Rangreglements organisierten höfischen Gesellschaft führen.9 Wie sehr auch nur minimale Details – eine Geste, ein Augenaufschlag etc. – die Gunst des Herrschers beeinflussen und Auswirkungen auf die Reputation bei Hofe haben konnten, hat Norbert Elias am Beispiel des französischen Hofes eindrucksvoll dargelegt.10 Aus diesem Grunde galt es, sich stets klug und mit Verstand zu verhalten, um einem potenziellen Konkurrenten keine Angriffsflächen zu bieten. Das frühneuzeitliche Höflichkeitsverhalten übernimmt somit gleichzeitig die Funktion der sozialen Distinktion und konsolidiert die sich im Ceremoniel widerspiegelnde und praktizierte höfische Ordnung. Insofern verwundert es kaum, dass das Genre der politisch-pragmatischen Hofund Klugheitsliteratur vor allem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis in die ersten Dezennien des 18. Jahrhunderts florierte.11 Sind die Begriffe simulatio und dissimulatio bereits seit der Antike Gegenstand gesellschaftsethischer und politischer Traktate, so sind sie spätestens, seitdem die „prudentia“ („Lebensklugheit“) im 16. und 17. Jahrhundert zum gesellschaftspolitischen Ideal erklärt wird, im Spannungsfeld von Ehrbarkeit („honestum“), Nützlichkeit („utilitas“) und politischer Notwendigkeit („necessitas“) zu sehen.12 Von den zahlreichen Publikationen sind die Ausführungen von Baldesar Castiglione (1528), Niccolò Machiavelli (1532) und Baltasar Gracián (1647) als besonders einflussreich einzuschätzen: Castiglione hatte mit seinem Libro del Cortegiano die Hofmannstraktatliteratur begründet.13 Tenor seiner Schrift ist die „Kunst der Kunstlosigkeit“, für welche Castiglione u. a. den Begriff „sprezzatura“ („Nachlässigkeit“) einführt. Mit Rekurs auf die Rhetorik, insbesondere der actio-Lehre, sollen vox, vultus und gestus des Hofmanns den   9 Das von Ernst August am 1./11. August 1696 erlassene Rangreglement definierte zehn Klassen in der hannoverschen Hof-Hierarchie. Siehe C. Ernst von Malortie, Der Hannoversche Hof unter dem Kurfürsten Ernst August und der Kurfürstin Sophie, Hannover 1847, S. 230–239, und Georg Schnath, Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674–1714 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 18), Bd. 2: 1693–1698, Hildesheim 1976, S. 384. 10 Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Frankfurt am Main 1969. 11 Geitner, Die Sprache der Verstellung (wie Anm. 6), S. 75, bezeichnet diesen Zeitraum als „Sattelzeit“ für die Verstellungskunst. 12 Košenina, Artikel „Verstellung“ (wie Anm. 7), Sp. 939. 13 Allein im 16. Jahrhundert folgten der Erstausgabe fünfzig weitere, später auch Übersetzungen, z. B., L’Homme de Cour (1684) von Amelot de la Houssaye, sowie eine deutsche Fassung August Friedrich Müller (1715). Siehe auch Das Buch vom Hofmann, übs. von Fritz Baumgart, Bremen 1960.

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Eindruck des ‚Natürlichen‘ und ‚Ungezwungenen‘, einer scheinbaren Mühelosigkeit erwecken. „Die schöne Kunst der sprezzatura ist die Kunst, die Kunst zu verbergen“.14 Die Kunst, natürlich zu wirken, stellt freilich an sich ein Paradoxon dar und beruht auf der dissimulatio artis. Nur vier Jahre später folgt die weit verbreitete und kontrovers rezipierte und diskutierte Veröffentlichung Il Principe von Niccolò Machiavelli. Insbesondere an seinem 18. Kapitel „Auf was Arth ein Fürst sein Wort halten müsse“, welches zentral die Kunst der dissimulatio behandelt, entzündeten sich die Geister, denn Machiavelli erhebt die Verstellung zum Programm: Nur ein Fürst, „der einem Fuchs am klügsten nachzuleben gewusst,“ erreicht seine politischen Ziele. „Diese Beschaffenheit aber des Fuchses muß er durch geschicktes stellen und verstellen, wohl zu verdecken wissen“.15 Die Charakteristik seiner Schrift zeigt sich jedoch auch in dem Postulat, dass allein der Schein dem Fürsten bereits den Ruf eines vir bonus verleihe: „Es ist also nicht nöthig, daß ein Fürst alle obenberührte Qualitäten besitze, wohl aber daß es scheine als hätte er sie“.16 Eine ähnlich breite Rezeption kann dann erst wieder die 1647 erstmals erschienene Aphorismensammlung ­Oráculo manual y Arte de prudencia von Baltasar Gracián17 verzeichnen, welche die Kunst der Verstellung zum Zentralthema macht. Seine Abhandlung versteht sich als allgemeingültige Empfehlung zum höfischen Anstands- und Höflichkeitsverhalten, worin sein ungemeiner Erfolg liegen dürfte. Bemerkenswerterweise kann nun für den Typus der ‚venezianischen Oper‘ und zumal für die Hannoveraner Opern Mauros und Steffanis die Kunst der Verstellung als ein zentrales handlungserzeugendes und konstitutives Moment ausgemacht werden: Die Verstellungskunst der Protagonisten im Drama bewirkt Missverständnisse, Konflikte, schürt Eifersucht, Hass und Intrigen, welche wiederum den Fortgang der Handlung motivieren.18 Für diese adaptiert Mauro mit dem titelgebenden Helden Alexander dem Großen (356–323 v. Chr.) ein historisches Sujet, welches in einer beispiellosen, im Ausmaß vielleicht nur noch mit dem Troja-Stoff zu vergleichenden, bis zur Antike zurückreichenden künstlerischen Rezeptions- und Bearbeitungstradition steht.19 Bis 1689 lag der Stoff mindestens

14 Geitner, Die Sprache der Verstellung (wie Anm. 6), S. 55. 15 Übs.: Lebens- und Regierungsmaximen eines Fürsten […] Aus dem Italiänischen ins Hochteutsche versetzet nebst einer Vorrede und Anmerckungen Herrn Amelot de la Houssaie, Köln 1714, S. 146. 16 Ebd., S. 147. 17 Übs. von Arthur Schopenhauer: Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit, hrsg. von Arthur Hübscher, München 1985. 18 Bernhard Jahn, „L’Adelaide und L’Heraclio in Venedig, Breslau und Hamburg. Transformationen zweier Bühnenwerke im Spannungsverhältnis zwischen Musik- und Sprechtheater“, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 68 (1994), S. 650–694, hier: S. 661. Hellmuth Christian Wolff, Die venezianische Oper in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Berlin 1937, Nachdruck Bologna 1975. 19 Folgerichtig handelt es sich hierbei eher um ein literarisches als ein historisches Sujet.

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elf weiteren Opern zugrunde20 und allein im Uraufführungsjahr von La superbia d’Alessandro (1690) behandelten zwei weitere Drammi per musica jene AlexanderThematik.21 Bekanntlich ist diese Teil eines komplexen Überlieferungsprozesses, welcher gekennzeichnet ist durch kontinuierliches inhaltliches Ausschmücken oder gezieltes Verschweigen oder Kürzen, je nach Epoche, kultureller Herkunft und ethischer, historischer bzw. religiöser Haltung und Zielsetzung des Autors. Auf welche Quellen nunmehr Mauro für die Erstellung seines Alexander-Librettos im Speziellen rekurrierte, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Allerdings darf davon ausgegangen werden, dass er neben dem fälschlich Kallisthenes zugeschriebenen sog. Alexander-Roman Leben und Taten Alexanders des Makedonen (3. Jahrhundert)22 das bedeutendste lateinische Alexanderepos des Mittelalters, die „Alexandreis“ des Walter von Châtillon (1178/1182), sowie die ab dem 12. Jahrhundert auch in deutscher und französischer Sprache publizierten Alexander-Dramen zur Kenntnis nahm. Im ausgehenden 16. und insbesondere im 17. Jahrhundert fand ferner eine thematische Verschiebung statt, welche dazu führte, dass die Alexander-Thematik zunehmend im Kontext von höfischen Intrigen und Liebeskonflikten behandelt wurde.23 Folglich könnten John Lylys Drama Alexander and Campaspe (1581), La Calprenèdes galant-heroischer Roman Cassandre (1642/1645) und Jean Racines Drama Alexandre le Grand (1665) durchaus Vorbildcharakter gehabt haben. Dramatisiert La Calprenèdes und auch Nathaniel Lee in The Rival Queens (1677) den Eifersuchtskonflikt zwischen Roxane und Statira, den beiden Frauen Alexanders, der ebenfalls Modellcharakter für Mauros Libretto gehabt haben könnte (hier sind es Roxane und Lisaura, die um die Gunst Alexanders buhlen), so kaprizieren sich die französischen Dramen – darunter Gilbert Giboin, Alexandre ou les amours du Seigneur (1619); Jean Desmarets de Saint-Sorlin, Roxane (1639); Abbé Claude Boyer, Porus ou la générosité d’Alexandre (1647); Jean Magnon, Le Mariage d’Oroondate et de Statira, ou La conclusion de Cassandre (1647) – auf die Liebesabenteuer des makedonischen Helden. Demgegenüber bemüht man sich in Hannover, wie dem Paratext „Einhalt und Erklärung“, welcher dem eigentlichen Operntext vorangestellt ist, zu entnehmen ist,24 zu einer möglichst wahrheitsgemäßen Inszenierung

20 Eine Liste der Opern befindet sich in Alexander Reischert, Kompendium der musikalischen Sujets. Ein Werkkatalog, Bd. 1, Kassel 2001, S. 61–72, hier: S. 62. 21 Giulio Pancieri (Libretto) und Giuseppe Boniventi (Vertonung), Il gran Macedone (UA Herbst 1690, Venedig, S. Cassiano); Domenico David (Libretto) und Marco Antonio Ziani (Vertonung), L’amante eroe (UA 1691, Venedig, S. Salvatore). 22 Siehe Elisabeth Frenzel, Stoffe der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte, Stuttgart 2005, S. 36. 23 Frenzel, Stoffe der Weltliteratur (wie Anm. 22), S. 38. 24 Jene Erläuterungen zur Oper legen Personenänderungen offen, „weiln die Historien-Schreiber in deren Persohn ziemlich zweifelhafft sind“, oder an anderer Stelle heißt es: „Was die Eigenschafft dieses Schmeichlers [= Cleon] anbetrifft, ist selbige allerdings so, wie die Historie sie abmahlet,

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der Historie zurückzukehren, die auf den wissenschaftlich-kritischen Anregungen Gottfried Wilhelm Leibniz’ basieren dürfte,25 obgleich natürlich der Stoff im Sinne der zeitgenössischen Opernästhetik (z. B. kein Heldentod auf offener Bühne) eingerichtet wurde. Die Dramaturgie der Oper folgt der einer typischen Opernhandlung venezianischen Modells und besteht aus einer Haupt- und mehreren Nebenhandlungen, deren Träger zwei dem Adel angehörende Paare, Alexander und Roxane sowie Taxiles und Lisaura, sind, deren Verbindung während der Oper erst hergestellt werden muss, dabei jedoch durch zahlreiche Verstellungen, Belauschungen, Verwirrungen und Intrigen gestört wird. Die Nebenhandlungen thematisieren Alexanders politische und militärische Ambitionen sowie sein Verhalten als Herrscher und die sich daraus ergebenden Konflikte mit seinen Untertanen. Diese planen einen Mordversuch, der aber misslingt, Alexander kann auf den verbündeten Perser-König Taxiles zählen, wird rechtzeitig gewarnt und kann dem Unglück entgehen. Am Ende finden die beiden rechtmäßigen Paare zueinander, und dem obligatorischen lieto fine steht nichts mehr im Wege. Dass Opern Herrschertugenden kommunizierten, wurde seitens der Musikwissenschaft verschiedentlich schon dargelegt.26 Jedoch erst Bernhard Jahn hat die Bedeutung der Libretti als Medium politischer Botschaften seitens der germanistischen Barockforschung herausgearbeitet und mit Bezug auf Herbert Seiferts Studie zum Wiener Kaiserhof auf die im 17. Jahrhundert weit verbreitete Lektüre von Schlüsselliteratur verwiesen. Nach Seifert enthält das sog. ‚libretto a chiave‘ „Anspielungen auf Aktuelles, und zwar meist in der Form, daß Personen und Handlungselemente der Oper allegorisch für zeitgenössische Personen und Ereignisse stehen“.27 Libretti, so legt dies Jahn an dem 1685 von Nicolò Minato anlässlich der Hochzeitsfeier Max Emanuels von Bayern mit der Erzherzogin Maria Antonia in Wien verfassten Operntext zu Il Palladio in Roma dar, wurden rezipiert wie Schlüsselromane: „Das Lesen eines Romans oder eines Librettos bedeutete für die Zeitgenossen also, die Anspielungen des Textes zu entschlüsseln, um auf diese Weise zur politischen Aussage des Textes zu gelangen“.28 Die Kunst bestand demnach vorgestellet worden.“ Ortensio Mauro, La superbia d’Alessandro. Drama da recitarsi nel Theatro d’Hannover L’Anno MDCXC, Hannover 1690 [ohne Paginierung], Sig. [A1r–A1v]. 25 Eine zunehmende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Alexander dem Großen fand seit dem 16. Jahrhundert statt: siehe Nancy J. Burch, Alexander the Great. A Bibliography, Kent, Ohio 1970. Es ist anzunehmen, dass Leibniz diese zur Kenntnis nahm, zumal er ab August 1685 mit der Erstellung einer Geschichte des Welfenhauses beauftragt war. 26 Siehe hierzu Silke Leopold, „Über die Inszenierung durch Musik. Einige grundsätzliche Überlegungen zur Interaktion von Verhaltensnormen und Personendarstellung in der Barockoper“, in: Basler Jahrbuch für Historische Musikpraxis 23 (1999), S. 9–40. 27 Herbert Seifert, Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (= Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft 25), Tutzing 1985, S. 248. 28 Jahn, „Die Oper als politisches Medium“ (wie Anm. 1), S. 33.

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darin, aus Handlung und Figuren auf aktuelle politische Ereignisse schließen zu können. So explizit, wie dies für die Wiener Libretti realisiert wurde, welche zum Teil sogar die Entschlüsselung gleich mitlieferten, ist dies für die hannoverschen Libretti von Mauro nicht zu konstatieren. Allerdings ist davon auszugehen, dass angesichts der weit verbreiteten Vorliebe für die Rezeption von Schlüsselromanen „jedes Libretto dieser Zeit als Schlüssellibretto gelesen werden konnte, selbst dann, wenn dies vom Librettisten bzw. den Auftraggebern nicht beabsichtigt gewesen sein sollte“.29 Ungeachtet jener allgemeinen Mode dürfte Steffani die Schlüsseltechnik aus München bekannt gewesen sein, denn hier verfasste sein Bruder Ventura Terzago u. a. das Libretto zur Oper Solone, die ebenfalls als Schlüssellibretto zu deuten ist, wie Jahn jüngst dargelegt hat.30

Die Verstellungskunst als dramatisches Agens Die Verstellungskunst stellt im Libretto von La superbia d’Alessandro das dramatische Agens dar: Der Konflikt wird exponiert, wenn sich gleich zu Beginn der Oper im ersten Akt Alexander aus politischem Kalkül verstellt und vorgibt, sowohl die Tochter des Fürsten aus Persien, Roxane, als auch die Tochter des Königs der Skythen, Lisaura, zu lieben. Die Verstellung Alexanders wird freilich falsch verstanden und führt bei Lisaura zur Gegenliebe und bei Roxane, die ihn ebenfalls liebt, zur Eifersucht. Dass aber Alexander Roxane aufrichtig, Lisaura hingegen nur zum Schein liebt, da er in Wahrheit lediglich an ihren Ländereien interessiert ist, erfährt der Zuschauer bereits in Akt I, Roxane selbst jedoch erst in Akt II, Szene 8, und Lisaura gar erst in der 13. Szene desselben Aktes. Noch im ersten Akt beschließen Roxane und Lisaura nicht mehr eifersüchtig aufeinander zu sein und stattdessen Alexanders Hochmut ihrerseits mit Verstellung zu strafen. Sie geben vor, Lisaura liebe Taxiles, den König von Indien, und Roxane liebe Clytus, einen Günstling Alexanders. Das den Konflikt erregende Moment zu Beginn des zweiten Aktes führt zu einem ersten dramatischen Höhepunkt, wenn durch Belauschung und Verstellung erneut Missverständnisse und Eifersüchte geschürt werden: Die schlafende Roxane wird von Alexander aufrichtig bewundert. Just in dem Moment, als er beabsichtigt, sie zu küssen, bemerkt er Lisaura, die ihm gefolgt war. Damit er nun ihre Eifersucht besänftigen kann, sagt er ihr allerlei Schmeicheleien, woraufhin Lisaura ihm dieselben Worte erwidert, die Alexander zuvor Roxane anvertraut hatte. Roxane war zu Beginn des Gesprächs erwacht und hatte, sich schlafend stellend, alles mitgehört, „was Alexander ihrer Rivalen verliebtes gesaget“.31 Sobald 29 Ebd., S. 35. 30 Ebd., S. 36–37. 31 Mauro, La superbia d’Alessandro (wie Anm. 24), Akt II, „2. Aufftritt“, Sig. [F4r].

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Lisaura davongegangen ist, steht Roxane auf und Alexander, der sie wahrhaftig liebt, während er gegen Lisaura nur simulierte, spricht Roxane mit besonderer „tendresse“ an: Sie aber antwortet ihm mit eben den Worten, die er zuvor Lisaura gesagt hatte, und geht ab. Alexander bleibt verstört zurück und klagt über die Liebe/ Verstellung bzw. seine ‚beleidigte‘ Liebe, die schon fast zu Hass wird (Szene 3). Zur vorläufigen Auflösung der Verstellung kommt es bei der nächsten Begegnung von Alexander und Roxane, mit der gleichzeitig die Peripetie des Dramas erreicht ist: Beim Anblick von Roxane vergisst Alexander seine Wut, beteuert seine wahre Liebe und bestätigt, dass seine Liebe zu Lisaura nur fingiert gewesen sei. Roxane vertraut ihm im Gegenzug an, dass ihre Liebe zu Clytus ebenfalls vorgetäuscht gewesen sei. Als sich in der darauf folgenden Szene 9 Lisaura nähert, rät Roxane Alexander, dass er sich weiterhin stelle, als liebe er sie – sie wolle das gleiche mit Clytus tun. Somit wird die Spannung noch einige Szenen lang aufrecht erhalten und die Lösung des Konfliktes verzögert, ehe Taxiles in Szene 13 des zweiten Aktes die Aufgabe zukommt, Lisaura von Alexanders Verstellung in Kenntnis zu setzen. Lisauras Einsicht, dass Alexanders Liebe tatsächlich simuliert war, erfolgt indes erst in Szene 7 des dritten Aktes – so weit erstreckt sich der Spannungsbogen. Das finale glückliche Ende offenbart sich erst mit zwei Vorhaben: einerseits durch Alexanders geglückte Flucht, zu der Roxane ihm verhilft, und andererseits durch Taxiles wirksame Verstellung und somit demonstrierte Freundestreue, mit der er vorgibt, Partei für die Opportunisten zu ergreifen, um diese, als sie Alexander in eine Falle locken wollen, zu überwältigen. Das Konflikt erregende Moment besteht in der Verstellung Alexanders. Seine Kunst der simulatio bzw. dissimulatio kann als Nukleus verstanden werden, von dem aus alle weiteren Verwicklungen, Intrigen, Missverständnisse in Gang gesetzt werden. Der dramatische Konflikt besteht demnach darin, dass simulatio und dissimulatio dazu genutzt werden, um eigene Ziele zu erreichen und wahre Absichten zu verbergen. Dabei dominieren zwei Motivationsformen für die Verstellung: Während bei Roxane und Lisaura stets Liebe und Eifersucht Anlass zur Verstellung geben, verstellen sich Alexander und Taxiles aus politischen Motiven: Strategisch beabsichtigt Alexander, die Ländereien Lisauras einnehmen zu können, weswegen er sich ihr gegenüber verstellt. Taxiles Verstellung nährt sich primär aus Freundestreue, weil er (als Positiv-Held) beabsichtigt, Alexander das Leben zu retten.

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Musik und Verstellung Die aufgezeigten Verstellungen sorgen freilich für allerlei Emotionen bei den handelnden Personen.32 Im Folgenden soll analysiert werden, wie die Musik zur Verstellung beiträgt bzw. diese vertont.33 Hierbei ist die Vertonung im Moment der Verstellung ebenso interessant wie der musikalische Umgang mit der aus der Verstellung resultierenden Affektdarstellung und/oder -beherrschung. Zu Beginn des zweiten Aktes entfaltet sich ein Szenenkomplex, welcher hinsichtlich der Verstellungsthematik zweifelsfrei als Höhepunkt bezeichnet werden kann, da hier in enger zeitlicher Dichte das Verstellungsspiel und seine Folgen einander abwechseln: Das „Adagio“ auszuführende Rezitativ thematisiert die beiden „Gemüthsbewegungen“ Roxanes:34 Einerseits liebt sie Alexander, andererseits weiß sie von Lisaura, ihrer Rivalin („Amo il grand Alessandro e sol mi sembra degno de l’amor mio, ma in quel cor infedel non regno sola“35). Dabei wird die hier das Glück betrübende zentrale Phrase „ma in quel cor infedel“ eine Sekunde tiefer sequenziert. Beim ersten Mal sind die Worte in einem gebrochenen E-Dur-Dreiklang und beim zweiten Mal in D-Dur vertont. Erwartungsgemäß folgt eine Klagearie in a-Moll („Aure fonti, ombre gradite“), welche die ganze Seelenpein Roxanes zum Ausdruck bringt. Hier weint sich Roxane quasi in den Schlaf.36 Konsequent geben die mit Dämpfer spielenden Violinen mit ihren punktierten Halben einen Wiegerhythmus vor, den Roxane in ihrer Gesangslinie anfänglich für vier Takte aufnimmt, ehe ihre Melodie dann in Vierteln und Achteln fortgeführt wird. Von den „wiegenden“ Violinen heben sich die beiden obligaten „Fleuste[s]“ (Blockflöten) ab, die mit ihrer circulatio auf a’’ beginnend eine kleinschrittige, Wellen nachzeichnende Melodie der monoton wirkenden Streicher- und Basso continuo-Begleitung als bewegendes Moment – ganz die Seele Roxanes spiegelnd – entgegensetzen. Dieses Schema wird nur zweimal durch eine kurze, beim ersten Mal viertaktige, beim zweiten Mal zwei­ taktige solistische Einlage Roxanes unterbrochen. Diese Melodielinie „Aure fon … sento il sonno, che getta i papaveri suoi ne gli occhi miei“ entfaltet sich auf einem ostinaten c, die Partitur vermerkt hierzu „Cembalo solo“; damit wird das Einschlafen 32 Zu Formen von Emotionen in Steffanis Henrico Leone siehe Nicole K. Strohmann, „Gefühltes Theater – Theater-Gefühle. Affekt und Emotion im hannoverschen Musiktheater unter Herzog Ernst August“, in: Musik an den Welfenhöfen (= Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 31), hrsg. von Reinmar Emans, Sven Hiemke und Oliver Huck, Frankfurt am Main 2016, S. 175–191. 33 Den Analysen liegt die autografe Partitur von La superbia d’Alessandro zugrunde: London, British Library, R.M. 23.f.12–14. 34 Mauro, La superbia d’Alessandro (wie Anm. 24), Akt II, „1. Aufftritt“, Sig. F3[r]. 35 Steffani, La superbia d’Alessandro (wie Anm. 33), Akt II, Szene 1 (R.M. 23.f.13, S. 2–3). Übs.: Ich liebe den großen Alexander, und er allein scheint meiner Liebe wert zu sein; doch herrsche ich nicht allein in seinem treulosen Herzen. 36 Schlafszenen gehören zum standardisierten Bühnenbildprogramm der Opern jener Zeit, welche auch andere Steffani-Opern, etwa Henrico Leone, aufweisen.

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selbst sinnfällig antizipiert. Das Einschlafen Roxanes vertont Steffani, indem er zwei Temporeduzierungen einbaut: 13 Takte vor Schluss reduziert er das ohnehin schon langsame Metrum auf „Largo“, schreibt vier Takte vor Arienende „Più largo“ vor und durchsetzt Roxanes Melodielinie mit zahlreichen, sich zum Ende mehrenden Pausen. Nur noch Melodiefetzen sind zu hören, Sätze bleiben unvollständig, die Arie findet keinen formalen Abschluss. Mit Beginn eines siebentaktigen Largo-Teils „Aure fonti“ setzen dann auch wieder die Violinen und Blockflöten ein, ehe das Cembalo erneut allein die Gesangslinie begleitet und mit dem liegenden c auf das Einschlafen verweist. Dass sich Roxane bei jenem Gefühlsausbruch allein in einer „Eynöde“ befindet,37 ist ein szenischer Kniff mit dramatischer Aussagekraft, wenn man bedenkt, dass Gracián grundsätzlich empfiehlt, anderen gegenüber möglichst keine Affekte zu zeigen, um potenziellen Widersachern keine Angriffsflächen zu bieten: „Leidenschaftslos sein ist eine Eigenschaft der höchsten Geistesgröße. Keine höhere Herrschaft, als die über sich selbst und über seine Affekte“.38 Ihr Alleinsein jedoch ermöglicht ihr als sozial höher gestellter Person,39 ihrem Affektausbruch freien Lauf zu lassen, ohne in der Gesellschaft Schaden zu nehmen. Roxanes Schlaf motiviert nun die nächste Szene (Akt II, Szene 2), in der es zum Eklat kommt: Alexanders verliebte, an Roxane gerichteten Worte „Permettete ch’io vi baci | Bei rubini, ostri vivaci“ (vgl. Notenbeispiel 1) werden von Lisaura mitgehört.

37 Mauro, La superbia d’Alessandro (wie Anm. 24), Akt II, „1. Aufftritt“, Sig. [F2v]. 38 Gracián, Hand-Orakel (wie Anm. 17), § 8, S. 7. 39 Die These Jahns (siehe „L’Adelaide und L’Heraclio“, wie Anm. 18, S. 662–663), Verkleidung sei ein Privileg sozial höher gestellter Personen, lässt sich mit der Bühnenfigur der Idalba in Henrico Leone ebenso bestätigen wie mit der Figur der Angelica in Orlando generoso (UA 1691). Jenes Privileg lässt sich sinnfällig auch für die Kunst der simulatio bzw. dissimulatio formulieren, zumal die vier Handlungsträger in Alessandro – Alexander, Roxane, Taxiles und Lisaura –, welche von der Verstellung Gebrauch machen (dürfen), ausnahmslos adeliger Herkunft sind.

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Simulatio und dissimulatio

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NB. 1: Steffani, La superbia d’Alessandro, Akt II, Szene 2, Arie „Permettete ch’io vi baci“, T. 1–10

Die Grundstimmung ist positiv-hoffnungsvoll. Generalbassgestützt entfaltet Alexander seine neuntaktige aufsteigende Melodiephrase beginnend auf b'. Wird das zwei­ taktige Anfangsmotiv im ersten Takt durch Sekunden, die bis zum f '' hinaufführen, dominiert, bekräftigt der zweite Takt durch den Quintfall mit der anschließenden aufsteigenden Quart die Grundtonart B-Dur. Das zweitaktige Motiv wird wiederholt, fortgeführt und zu b' zurückgeführt. Obgleich sich Alexander sofort wieder verstellt und Lisaura gegenüber Liebe simuliert, verfehlen seine Besänftigungsversuche ihre Wirkung, denn Lisaura hat Alexanders ‚Stellung‘ längst verstanden und antwortet mit eben denselben Worten, die dieser zuvor an Roxane gerichtet hatte (siehe NB. 1). Dass Steffani Lisaura exakt die gleiche Melodiephrase in den Mund legt, mithin Alexanders Melodie zitiert, ist nur sinnfällig und verweist im Gracián’schen Sinne darauf, dass Lisaura Alexanders Verstellung entlarvt hat. Mehr noch, auch Roxane hält Alexander den Spiegel vor, wenn sie seine an Lisaura gerichteten Worte, die sie – sich schlafend und damit ihrerseits verstellend – mitgehört hatte, melodiegetreu zitiert (vgl. NB. 2):

NB. 2: Steffani, La superbia d’Alessandro, Akt II, Szene 2, Rezitativ „Nel lasciarmi qui sol presso Rosane“, T. 11–14

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Im Gegensatz zur vorher genannten, an Roxane gerichteten Melodie fällt direkt der auf es'' beginnende und von dort über eine Oktave in Terzen abfallende Melodiebeginn auf. Jener über einen großen Ambitus sich erstreckende, gebrochene Es-DurDreiklang verweist im Gegensatz zum aufwärts dringenden, an Roxane gerichteten Melodiebeginn auf die Enttäuschung, die Alexander in diesem Moment empfindet, stört Lisaura doch die Zweisamkeit mit Roxane. Zwar schwingt sich seine Melodiephrase dann auf den Worten „da l’occaso a l’aurora“ wieder nach oben zum es'' und zeichnet somit die Weite des Universums, welches seine Verehrung zu erkennen gebe, durch einen entsprechenden Ambitus nach, so dominiert am Ende der Phrase auf den Worten „e tu resisti ancora“ eine kleinschrittige Melodieführung, die annehmen lässt, dass hier keine aufrichtige Liebe gemeint ist, sondern eine fingierte, durch (kleine) Sekunden vertonte, getrübte Liebe. Eine von Gracián postulierte und im Barock wichtige Fähigkeit war, „[…] Winke zu verstehen wissen. Einst war es die Kunst aller Künste, reden zu können: jetzt reicht das nicht aus; errathen muß man können, vorzüglich wo es auf Zerstörung unserer Täuschung abgesehn ist. Der kann nicht sehr verständig seyn, der nicht leicht versteht. Es giebt hingegen auch Schatzgräber der Herzen und Luchse der Absichten. Grade die Wahrheiten, an welchen uns am meisten gelegen, werden stets nur halb ausgesprochen; allein der Aufmerksame fasse sie im vollen Verstande auf.“40

Demzufolge waren alle Menschen darin geschult, Zeichen, Codes etc. zu deuten. Alexanders Täuschung ist entlarvt und verursacht somit eine neue privatpolitische Konfliktsituation, denn nun haben sich beide Frauen von ihm abgewendet. Privatkluge Personen betreiben Verstellung und versuchen selbst, diese bei anderen zu entdecken.41 Dabei ist die eigene simulatio zentral: Nur mithilfe der eigenen Verstellung gelingt es Roxane, Alexander und Lisaura zu belauschen und deren Verstellungen zu entlarven (Akt II). An dieser für die Verstellung wichtigen Passage arbeitet Steffani nicht mit Da capo-Arien, wie dies Silke Leopold etwa für Händel-Opern zur Affektbeherrschung herausgearbeitet hat,42 sondern mit der Form des Dialogs. Indem sowohl Roxane als auch Lisaura Alexanders Melodiephrase exakt wiederholen, verbergen sie ihren Zorn und laufen nicht Gefahr, die Kontrolle über ihre Affekte zu verlieren. Im Gegenteil: Beide zeigen, wie sehr sie ihre Emotionen im Griff haben. Sie geraten innerlich gewiss in höchsten Ausnahmezustand, wahren aber mit jener Kommunikationsform das höfische Anstandsreglement. Welche Körperbeherrschung muss Roxane, aber auch Lisaura leisten, um quasi ganz nüchtern und schlicht die Aussage Alexanders zu wiederholen ohne eigene Hinzufügungen, ohne im Zorn geäußerte Ausschmückung, was sich in der Musik am Fehlen jeglicher 40 Gracián, Hand-Orakel (wie Anm. 17), § 25, S. 14. 41 Geitner, Die Sprache der Verstellung (wie Anm. 6), S. 12. 42 Siehe Leopold, „Über die Inszenierung durch Musik“ (wie Anm. 26).

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Simulatio und dissimulatio

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decoratio (Verzierungskunst) zeigt. Während demzufolge Roxane und Lisaura alles tun, dem höfischen Verhaltenskodex gerecht zu werden, bemüht sich Alexander in der darauf folgenden Szene (Akt II, Szene 3) erst gar nicht um contenance. Seine Arie im raschen 6/8-Takt, bestehend aus zwei wiederholten Teilen, ist keine typische Wut-Arie in Da capo-Form, die als Versuch, Haltung zu bewahren, hätte gedeutet werden können. Es wird ihm gewahr, dass sich beide Frauen über ihn „mocquiren“, und so sagt er „alles, was ein durch verachtung geregter Hochmuth immer sagen kan, und drohet die beleidigte Liebe in tödtlichen Haß zuverwandeln“.43 Es folgt ein Ritornell, ebenfalls im 6/8-Takt. Bleibt man noch einen Moment bei der Deutung, wie sie Silke Leopold vorschlägt, so wird evident, dass bei Alexander augenscheinlich gar nicht der Wille – oder die Notwendigkeit? – existiert, seine Emotionen wieder unter Kontrolle zu bringen.

La superbia d’Alessandro als instrumentum regni La superbia d’Alessandro war die zweite abendfüllende Oper, die eigens für das neue Schlosstheater in Hannover komponiert und 1690 im Rahmen der alljährlichen Karnevalsfeierlichkeiten aufgeführt wurde. Nun galt es, die dem europäischen Adel im Vorjahr mit der beeindruckend politischen Festoper Henrico Leone44 demonstrierte splendore und Solidität fortzusetzen, womöglich diese gar zu überbieten. Mit Blick auf die von Herzog Ernst August angestrebte Kurwürde zielte der hannoversche Hof auf eine besonders wirkmächtige fürstliche repraesentatio maiestatis. Wie konnte dieses gesteigerte Repräsentationsbedürfnis, welches auf herrschaftliche Magnifizenz und höfische Präzedenz zielte, besser realisiert werden als in einer ausgeprägten Musik- und Vergnügungskultur, welche die Welfen und insbesondere der jüngste unter ihnen, Ernst August, auf den zahlreichen Venedig-Reisen kennen und lieben gelernt hatten.45 Dabei war höfische Repräsentation mehr als das Vorführen prächtiger Inszenierungen, mit denen Hannover freilich ein Zeichen setzte, spiegelten doch die künstlerischen Formen – insbesondere komplexe Gattungen wie die Oper – nicht nur die Modernität eines Hofes wider, sondern auch den „Habitus

43 Mauro, La superbia d’Alessandro (wie Anm. 24), Akt II, „3. Aufftritt“, Sig. G[1r]. 44 Aufgeführt am 30. Januar 1689, dem 500. Jahrestag der Zerstörung Bardowicks: siehe Nicole K. Strohmann, „Von Grenzen und deren Überschreitung: Agostino Steffanis hannoveraner Opern im Kontext der europäischen Hofkultur“, in: Händel-Jahrbuch 61 (2015), S. 95–115. 45 Die venezianisch-hannoverschen Beziehungen nimmt die folgende interdisziplinäre Studie in den Blick: Musik und Vergnügen am Hohen Ufer. Fest- und Kulturtransfer zwischen Hannover und Venedig in der Frühen Neuzeit (= Studi. Schriftenreihe des Deutschen Studienzentrums in Venedig, Neue Folge 15), hrsg. von Sabine Meine, Nicole K. Strohmann und Tobias C. Weißmann, Regensburg 2016.

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[…] einer Statusökonomie“.46 Die Botschaft von La superbia d’Alessandro, die mit Alexanders kühnem Angriff auf die Stadt Oxydraca beginnt, ist unverkennbar: Ernst August sollte mit Alexander dem Großen gleichgesetzt werden. Dabei knüpft Mauro für das Libretto zu Alessandro gleich an zwei für das Sujet von Henrico Leone relevante Parameter an und schreibt diese fort: Zum einen sollte bei Letzterem mit dem Protagonisten und heldenhaften Welfenvorfahren Heinrich dem Löwen (1142–1180) die anciennité des Welfenhauses herausgestellt und zum anderen auf die einstige Größe des Welfenlandes zu Zeiten Heinrichs verwiesen werden,47 um Ernst Augusts aktuelle Zusammenführungspolitik welfischer Fürstentümer zu legitimieren. Wird in Henrico Leone die Historie des Geschlechts der Welfen im Mittelalter thematisiert, so entwirft Mauro mit der Adaption des Alexander-Stoffes eine Kontinuität zwischen Antike und Gegenwart. Mit der Allegorie des antiken Helden Alexanders wird eine Fortführung antiker Größe inszeniert, die zugleich suggeriert, die Macht der gegenwärtigen Fürsten wie Ernst August sei in einer bis zur Antike zurückreichenden Geschichte begründet. Mauros Sujetwahl ist somit nicht zufällig, sondern folgt einer weit verbreiteten absolutistischen Praxis, dergemäß absolutistische Herrscher suchten, „die Hierarchie der höfischen Gesellschaft als biblisch, mythisch, historisch oder natürlich verbürgte zu spiegeln und damit zu festigen“.48 Gleichzeitig wird auf diese Weise eine Zeitlosigkeit höfischer Ideale reklamiert, die im stetig wiederholten performativen Akt der Operaufführungen dem zeitgenössischen Publikum stets aufs Neue vor Augen und Ohren geführt, mithin weiter gefestigt werden. In diesem fortwährend kompetitiven Repräsentations- und Machtgefüge europäischer Eliten spielte die Kunst der Verstellung eine signifikante Rolle, und Opern waren der ideale Ort für die Vermittlung höfisch-politischer Klugheitslehren. Die simulatio bzw. dissimulatio als essenzieller Part dieser Lehren fungiert demnach in La superbia d’Alessandro nicht nur als handlungskonstitutives und damit für die 46 Jörn Steigerwald, „Der venezianische Karneval zwischen höfischer Festkultur und Lachkultur. Eine Problemskizze im Anschluss an den Theaterstreit zwischen Goldoni und Gozzi“, in: Musik und Vergnügen (wie Anm. 45), S. 62, und ausführlicher zur Statusökonomie ders., „Soziale und ästhetische Praxis der höfischen Fest-Kultur“, in: Soziale und ästhetische Praxis der höfischen Fest-Kultur, hrsg. von Kirsten Dickhaut, Jörn Steigerwald und Birgit Wagner, Wiesbaden 2009, S. 17–30. 47 Denn die ehemaligen Landbesitze dienten Leibniz zudem als Argumentationsstütze in „De la grandeur de la sérénissime maison de Bronsvic-Lunebourg“: Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses 1680–1714 (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 7), Hildesheim 1967, S. 5. Das Argument wurde 1687 erneut im Kontext einer Auseinandersetzung mit dem Haus Brandenburg verwendet. Siehe Nora Gädeke, „Die Rolle des Historikers. Gottfried Wilhelm Leibniz und der Aufstieg des Welfenhauses“, in: Hannover und die englische Thronfolge (= Hannoversche Schriften zur Regional- und Lokalgeschichte 19), hrsg. von Heide Barmeyer, Bielefeld 2005, S. 157–178. 48 Jörg Jochen Berns/Thomas Rahn, „Zeremoniell und Ästhetik“, in: Zeremoniell als höfische Ästhetik (wie Anm. 2), S. 650–665, hier: S. 653.

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Simulatio und dissimulatio

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Dramaturgie der Oper wesentliches Moment, sondern auch als didaktischer Appell an die Zuschauer. Das Konzept funktioniert deswegen so gut, weil die Verstellungskunst nahezu ausnahmslos allen Zuschauern im Opernhaus aus ihrem höfischen Alltag bekannt war. Von der Handlung ist der höfisch-gesellschaftliche Verhaltenskodex abzulesen und auf die eigene Situation zu übertragen. Dank der omnipräsenten Schlüsseltechnik ist davon auszugehen, dass selbst versteckte Anspielungen auf Personen oder Situationen verstanden wurden. Die Inszenierungen führten in ihrer didaktischen Funktion sowohl dem Herrscher als auch den Höflingen politisch kluges und weniger schmeichelhaftes Verhalten vor Augen und Ohren. In seiner „Kurtze[n] Methode zu einer galanten Conduite“ empfiehlt Johann Christian Wächtler, Libretti als Vorbild für galante Konversation zu rezipieren.49 Dass Libretti durchaus auch Kritik üben oder den Herrscher in die Pflicht nehmen konnten,50 lässt sich ebenso am Libretto zu Alessandro nachvollziehen: Angesichts der Tatsache, dass in den zahlreichen Alexander-Dramen über die Jahrhunderte hinweg sehr unterschiedliche Facetten des antiken Helden thematisiert wurden, muss man die Frage stellen, warum Mauro seinem Titelhelden das Epitheton „superbo“ („hochmütig“) verlieh, und warum er seinem Alexander einige Verhaltensweisen zuschreibt, die nicht Gegenstand der in den gesellschaftsethischen Traktaten und Fürstenspiegeln postulierten Herrschertugenden waren. Sollte dies etwa eine versteckte Kritik an Ernst Augusts Regierungsstil sein? Schließlich war Ernst Augusts 1683 eingeführte Primogenitur sowie sein gesamtes Hinwirken auf die ersehnte Rangerhöhung äußerst umstritten.51 Insofern ist es ein kluger Schachzug Mauros und Steffanis, einerseits auf die Größe Alexanders zu verweisen und andererseits Ernst August zu ermahnen. Gleichzeitig wird den Höflingen rollenadäquates Verhalten vor Augen geführt. In Cleon sehen wir den klugen Hofmann: Er schmeichelt, ist demütig und huldigt Alexander. Was passiert, wenn die Regeln des Souveräns nicht eingehalten werden, wird u. a. anhand der Figur des Clytus vorgeführt, den Alexander, nachdem der ihm Gehorsamkeit und Ehrerbietung versagt hatte, ins Gefängnis bringen lässt. „[D]er gemeine Mann […] vermag auch nicht zu begreiffen, was die Majestät des Königs ist: aber durch die Dinge, so in die Augen fallen und seine übrige Sinnen rühren,

49 Johann Christian Wächtler, „Kurtze Methode zu einer galanten Conduite, wie auch recommendablen Politesse in zierlichen Reden und wohlanständigen Gebärden zu gelangen“, in: Commodes Manual Oder Hand-Buch, Leipzig 1703, § 43–47, S. 19–20. 50 Jahn, „Die Oper als politisches Medium“ (wie Anm. 1), S. 36–37. 51 Georg Ludwigs jüngere Geschwister fühlten sich ob der Einführung des Erstgeburtsrecht ebenso übergangen, wie sein in Celle regierender älterer Bruder Georg Wilhelm und die Wolfenbütteler mit dem auf Konfrontation zielenden Herzog Anton Ulrich. Nicht zuletzt fürchteten die übrigen Kurfürsten bei Einführung einer 9. Kur, ihre eigene Macht einbüßen zu müssen. Siehe hierzu Anna Wendland (Hrsg.), Prinzenbriefe zum hannoverschen Primogeniturstreit 1685–1701 (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 46), Hildesheim 1937.

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bekommet er einen obzwar undeutlichen, doch klaren Begriff von seiner Majestät oder Macht und Gewalt.“52 Daher ist es auch kein Zufall, dass Alexander nach der Auseinandersetzung mit Clytus ein Fest anordnet: Denn im Fest und Zeremoniell manifestieren sich die Grundwerte der Monarchie. Die – auf der Ebene der Handlung erschütterte und – von Johann Christian Lünig beschriebene höfische (göttliche) Ordnung wird durch das (Fest)Zeremoniell (wieder)hergestellt, die Herrschaft konsolidiert. Die Aufführung von La superbia d’Alessandro ist freilich selbst eingebettet in ein umfängliches Karnevalsfestzeremoniell, in welchem die in der Oper auf Handlungsebene vorgeführte Ordnung performativ in die höfische Lebenswelt Ernst Augusts transformiert wird. Die Oper simuliert Konflikte und Krisen, für die sie indes zugleich eine Lösung bereithält, die hier in der Ästhetisierung der Verstellungskunst als essenziellem Teil des höfischen Verhaltenskodexes offeriert wird. Die Oper avanciert mithin „zum metazeremoniellen Medium, quasi zu einer Zeremoniell-Wissenschaft im Medium Zeremoniell“.53

52 Christian Wolff, Vernünfftige Gedanken Von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen Und insonderheit Dem gemeinen Wesen, Frankfurt/Leipzig 1725, S. 505. 53 Bernhard Jahn, Die Sinne und die Oper. Sinnlichkeit und das Problem ihrer Versprachlichung im Musiktheater des nord- und mitteldeutschen Raumes (1680–1740) (= Theatron. Studien zur Geschichte und Theorie der dramatischen Künste 45), Tübingen 2005, S. 357.

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Opera for the House of Brunswick-Lüneburg: Italian Singers at the Hanover Court

The first performance of Steffani’s Henrico Leone in the new Hanover opera house on 30 January 1689 heralded a period of musical and political ascendancy for the house of Brunswick-Lüneburg. The opera had been especially composed for the reigning duke, Ernst August, by his recently appointed Kapellmeister and was a much-celebrated addition to Hanover’s carnival season, which, in its imitation of the traditional entertainments of Venice, was the highpoint of the court calendar. At the start of each year members of Europe’s social élite would flock to Ernst August’s court to take part in these festivities, which lasted until Easter and included plays, ballets, banquets, masquerades and, eventually, opera.1 Henrico Leone was not the first Italian opera to be performed at Hanover. This had taken place in 1678 under Ernst August’s predecessor, his brother Johann Friedrich, and been followed by further productions in 1679, 1681 and 1687 – all adaptations of works first heard in Venice.2 Steffani’s operas, however, were the first to be written specifically for Hanover and the first to be performed there at regular intervals. A new Steffani opera was staged there every year from 1689 to 1695, except in 1694.3 The productions made quite an impression on those who saw them, through the grandeur of the theatre and staging, the powerful subject-matter of Ortensio Mauro’s librettos and the skilled musicians who performed Steffani’s music in honour of Ernst August and his court.4 1 Carnival was celebrated at Hanover in every year from 1661 to 1733: see Rosenmarie Elisabeth Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters an den welfischen Höfen Hannover und Celle, Hildesheim 1974, pp. 106–115. 2 Colin Timms, Polymath of the Baroque. Agostino Steffani and His Music, New York 2003, pp. 47–48. 3 In 1691, 1692 and 1693 there was also a revival of the previous year’s work, and in 1689 and 1695 a new one-act entertainment. Operas continued to be performed until 1697 (Ernst August died in the following year), but the last two were not by Steffani, who was absent on diplomatic duty: Timms, Polymath (as n. 2), p. 52. 4 See Countess Maria Aurora von Königsmarck’s letter of March 1693 to Queen Ulrika Eleonora of Sweden, quoted in Candace Ann Marles, Music and Drama in the Hanover Operas of Agostino Steffani (1654–1728), Ph.D. diss., Yale University 1991, p. 21.

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Each of these elements – Kapellmeister, librettist and musicians – had been selected by Ernst August so that the operas would clearly convey his musical and political ambitions: in 1692 he achieved his goal of becoming the first Elector of Hanover.5 From the early years of his reign the duke had a skilled orchestra in place under the leadership of the Frenchman Jean-Baptiste Farinel, and by June 1688 he also had an accomplished Kapellmeister in the person of Steffani – a composer whose first operas had been written for the Elector of Bavaria and who was well-prepared for his appointment in Hanover.6 In addition, Ernst August required singers who not only were capable of performing Steffani’s music but also were celebrated virtuosi, worthy of employment at the court of an illustrious duke. To acquire performers of this calibre, Ernst August and Steffani, like the princes and music directors of other German courts, turned naturally to Italy. Every season saw the arrival in Hanover of acclaimed Italian singers who, after performing in the opera, returned to the patrons who had allowed their temporary release. Despite the importance of these singers to the Hanover operas, their identity has long been obscured by the loss of vital sources. This essay presents hitherto unpublished documents that afford new insight into the movement of Italian singers to the court. Focusing on Steffani’s early years in Hanover, from 1689 to 1692, it confirms the participation of certain performers in his productions and shows how links between Hanover and Italy nourished the development of a highly successful court opera.

Ernst August at the Venetian opera Ernst August’s patronage of Italian opera and his use of this patronage to demonstrate his political prestige began many years before such productions were introduced at Hanover. Since the mid-seventeenth century the duke and his brothers had journeyed to Venice to enjoy the annual carnival and attend opera performances – experiences that led to the re-creation of these entertainments at home. Ernst August’s visits to Venice included the carnival seasons of 1655–57, 1664–65, 1669–70, 1671–72, 1680–81, 1685 and finally 1686.7 The Hanoverian princes’ re­cognition of the importance of Venetian opera is represented by the twenty-eight librettos that were dedicated to members of the house of Brunswick-Lüneburg

5 On the political circumstances of Ernst August’s reign, see Timms, Polymath (as n. 2), pp. 38–45. 6 For the court orchestra and Steffani’s arrival from Munich, see ibid., pp. 46 and 50. 7 For details of some of his visits, including attendance at opera, see the correspondence of Francesco Maria Massi, the Venetian secretary of Ernst August’s brother Johann Friedrich, in Vassilis Vavoulis, Nel Theatro di Tutta l’Europa. Venetian-Hanoverian Patronage in 17th-century Europe, Lucca 2010, pp. xxvii and, for example, 6, 10–17, 22–23 and 45–47.

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Opera for the House of Brunswick-Lüneburg: Italian Singers at the Hanover Court

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between 1654 and 1694, eleven to Ernst August himself.8 The long-standing relationship between Hanover and Venice proved advantageous to both parties.9 While theatres, composers, librettists and singers benefited from their association with the duke and his brothers, the Hanoverians took full advantage of the opportunities these provided for the public display of their political power. Their musical patronage was demonstrated not only through libretto dedications but also through their renting of boxes in the city’s theatres and of a palace on the Grand Canal.10 These facilities offered opportunities for interaction between Ernst August and his peers – potential allies – who also visited Venice for carnival. Though the opera boxes entailed considerable expense, the rewards in terms of political gain were large, even if the performance occasionally tried the duke’s patience.11 The importance of the boxes and palace to Ernst August is demonstrated by the fact that he continued to pay for them between his visits. The keys to the boxes, which were administered by an agent in Venice, were frequently loaned to other visiting noblemen or to local Venetian dignitaries, thus maintaining a Hanoverian presence in the city even when the duke himself was not there.12 The retention of the palace and boxes, and the long-standing relationship between Hanover and Venice, continued after Ernst August’s final visit in 1686.13 From June 1689 the rentals were paid via Ernst August’s Venetian agent, Pandolfo Mendlein. Little is known about Mendlein’s background, but he was a partner in the firm of Mendlein and Scherl and remained in Hanoverian service until his death in January 1700.14 It is clear from his correspondence with members of the court that he provided a valuable connection between Hanover and Venice. His letters to the Hanoverian librarian Gottfried Wilhelm Leibniz reveal that he not only was   8 Lorenzo Bianconi and Thomas Walker, ‘Production, Consumption and Political Function of Seventeenth-Century Opera’, in: Early Music History 4 (1984), pp. 209–296, here: p. 269. For operas dedicated to Ernst August, see Eleanor Selfridge-Field, A New Chronology of Venetian Opera and Related Genres, 1660–1760, Stanford 2007. It cannot be assumed that the dedicatee of an opera attended its performance: see below, p. 117.   9 The relationship brought military benefits, as well as cultural. While the Germans provided troops for Venetian campaigns, they also recruited mercenaries through their links with Venice: see Vavoulis, Nel Theatro (as n. 7), p. xxix, and Bianconi and Walker, ‘Production’ (as n. 8), p. 268. 10 See Colin Timms, ‘George I’s Venetian Palace and Theatre Boxes in the 1720s’, in: Music and Theatre: Essays in honour of Winton Dean, ed. Nigel Fortune, Cambridge 1987, pp. 95–130, here: p. 97. For the political importance of the boxes, see Vavoulis, Nel Theatro (as n. 7), p. xxxi. 11 On 25 December 1671 Ernst August wrote to his wife that ‘les opera ont comense et lon men a dedie une qui ne vaut pas gran chause’: see Anna Wendland, ‘Briefe des Kurfürsten Ernst August von Hannover an seine Gemahlin, die Kurfürstin Sophie’, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 7 (1930), pp. 206–264, here: p. 238. Bianconi and Walker (‘Production’ (as n. 8), p. 269) suggest that the disappointing opera may have been Pietro Andrea Ziani’s L’Heraclio. 12 Vavoulis, Nel Theatro (as n. 7), pp. xxxi–xxxii. 13 Timms, ‘George I’s Venetian Palace’ (as n. 10). 14 Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, ed. Preußische Akademie der Wissenschaften et al. (= Leibniz-Akademie-Ausgabe, hereafter: LAA), Berlin 1923 –, ser. I, vol. 5, p. 695.

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responsible for the transportation of items from Venice to Hanover but also acted as a point of contact with other regions of Italy. In spring 1692, in addition to passing on two letters, he updated Leibniz on the expected arrival of a parcel of books from Padua and of packages from Mantua and Florence.15 The link that Mendlein provided between Hanover and the Venetian opera is documented not so much by his correspondence with Leibniz as by records preserved in the Niedersächsisches Landesarchiv in Hanover. Though few in number and confined to the early years of his appointment (from 1689 to 1691: for later years, records are lacking), these sources provide important information on his work as an agent, including his contribution to Ernst August’s patronage of Italian opera during those years. A list of expenses prepared by Mendlein for April to December 1689 includes payment for the carriage of letters, the lease of a palace and opera boxes, and the salary of Dr Giovanni Matteo Alberti, the duke’s physician in Venice, who made arrangements for the use of the palace.16 Similar payments are noted in documents from the following two years. In addition to administering the theatre boxes in Venice, Mendlein helped Ernst August maintain his reputation as an opera patron in Hanover by arranging for the transfer to his court of some of the best singers at the time. The difficulty of establishing the casts of Steffani’s Hanover operas has been acknowledged in previous studies.17 Whereas the salaries of the instrumentalists in the permanent employ of the court are listed in the annual treasury accounts, records of the fees paid to visit­ ing singers for their performances in opera no longer exist.18 Casts for the operas have therefore been suggested on the basis of very little evidence. The records of Mendlein’s work for the court shed new light on this question, identifying several of the singers who performed in Steffani’s operas between 1689 and 1692. The sources both confirm previous theories and suggest other possibilities. In addition, they illustrate some of the practical arrangements for the movement of Italian musicians to German courts during the late seventeenth century.

15 LAA (as n. 14), I, 7, p. 659. 16 Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Hannover (hereafter: NLA HA), Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 2r–v. Mendlein’s list, which begins ‘1689 Adi Aprile In Venetia / Sequono li Danari sborsati p[er] S. A S: D’Hannover’, includes the following payments: ‘P[er] spese di Lettere in questo mese’, ‘P[er] il Stipendio del Portar Le Lettere’, ‘P[er] il Stipendio del S: Dottor Alberti Medico di quest’anno’, ‘P[er] L’Affitto della Casa grande à S: Stae’, and ‘P[er] li Palchi delli Theatri Come il Solito’. More details from this document are given below, on pp. 114 and 117–121. 17 See, for example, Marles, Music and Drama (as n. 4), ch. 2, and Timms, Polymath (as n. 2), pp. 54–66. 18 The costs of the opera were met from Ernst August’s income as Bishop of Osnabrück, and the relevant treasury accounts have been lost: Timms, Polymath (as n. 2), p. 51.

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Henrico Leone (January 1689) When trying to establish the cast for the première of Steffani’s Henrico Leone, scho­ lars have invariably turned to one of the few extant lists of singers who performed at the Hanover court. This list has a pristine appearance in keeping with the treasury accounts of the time and makes reference to the opera season of 1689 (see Fig. 1). In addition to Steffani, the document lists eight Italian singers (seven male, one female), ten musicians (instrumentalists), a copyist and an Italian artist: ‘Wie anno 1689 Die / Italienischen Opern / noch in Hannover ge- / spielet wurden, waren / dazu an Sängers und / Sängerinnen wie folget. / Stephani, Capell Meister / Sänger. Nicol: Paris / Severo francioni / Ant: Coltini / Nicolini / Augustino Granara / Nicolini Grationisi / Mutio Maria Tallaoni / Sängerin Victoria / Francis: Bombardi, Bas-Violiste / Sechs Italienische Musicanten / Magnus Krosmann / Asch: Schwanebeck / Wilh: von der Perre / Christ: Jendes / G. L. Jemmen / Mag: Behusen / Frantzösische Musicante Maillard / Fleuri / Calcante, beÿ der Capelle, Francesco / Allivieri / Copiiste Carolo Viola Valox / Ital: Mahler Thomaio gusti’.19

The participation of these singers in Steffani’s operas seems very likely, as by 1689 many of them had already enjoyed a long association with the Hanover court. The basses Antonio Cottini (‘Coltini’) and Nicola Gratianini (‘Grationisi’), and the tenor Mutio Maria Tallaoni, were at Hanover in the 1660s and 1670s, when they sang in Johann Friedrich’s Hofkapelle, while the sopranos Nicola Paris and Vittoria Tarquini – most probably the ‘Victoria’ listed here – had performed for Ernst August in Venice in the 1680s.20 Some of the singers – Cottini and the soprano Augustino Granara – had also sung for Steffani in Munich.21 Little is known about the alto Severo Frangioni, although he was a member of the choir of St Mark’s, Venice, from 1694 to 1720 and performed with Nicola Paris in Naples in 1699.22 Candace Marles identified ‘Nicolini’, a sobriquet also used for Paris, as Nicola Remolini, who appears on a court expenses list of 1696 and in the treasury accounts for 1697/98, when he was released from Hanoverian service.23 In Francesco Saverio Quadrio’s list of singers who thrived between 1700 and 1721 he is described as ‘Niccola Remolini, d’Hannover, Musico del Marchese Cornelio Bentivoglio’, which indicates the importance of his earlier post at Ernst August’s court.24 19 NLA HA, Dep. 103 IV Nr. 300, ‘Opern und Comödien, deren Einrichtung und Aufwand’, fol. 9r. 20 For discussion of these Venetian performances, see below, p. 116. 21 Timms, Polymath (as n. 2), p. 55. 22 Olga Termini, ‘Singers at San Marco in Venice: The Competition between Church and Theatre c. 1675–c. 1725’, in: Royal Musical Association Research Chronicle 17 (1981), pp. 65–96, here: p. 86; Alfred Wotquenne, Catalogue de la Bibliothèque du Conservatoire Royal de Musique de Bruxelles. Annexe I: Libretti d’opéras et d’oratorios italiens du XVIIe siècle, Brussels 1901, pp. 40 and 86. 23 Marles, Music and Drama (as n. 4), pp. 39–40. 24 Francesco Saverio Quadrio, Della storia e della ragione d’ogni poesia, vol. 3, part 2, Milan 1744, p. 531.

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Fig. 1: Undated list of individuals involved in opera at Hanover (Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Hannover, Dep. 103 IV Nr. 300, fol. 9r). By courtesy of S. K. H. Ernst August, Erbprinz von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lueneburg.

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Both Candace Marles and Colin Timms used the list shown in Figure 1 as the basis of a possible cast for Henrico Leone, allocating the eight singers named there to most of the opera’s nine roles.25 It is doubtful, however, whether this source refers specifically to Steffani’s first Hanover opera. The exact meaning of the phrase that introduces the list (‘When, as in 1689, Italian operas were still performed in ­Hanover […]’) is hard to determine, seeming to refer to events long past. One of the individuals named in the list was definitely not in Hanover by the time of Henrico Leone: the artist Tommaso Giusti, who was to be appointed stage designer, did not arrive until after this first production.26 Marles and Timms also expressed misgivings about the list, because it omits a singer who is known to have performed in this opera – Antonio Borosini, a tenor at the court of Modena since 1686 who had previously sung at St Mark’s.27 Borosini’s appearance in Henrico Leone is confirmed in the correspondence of the Modenese maestro di cappella Antonio Gianettini. In a letter of 5 October 1688 to his duke’s secretary, Giovanni Battista Giardini, Gianettini explained that Borosini, along with another musician, named Galloni, was to travel to Hanover for the forthcoming carnival (both musicians had been invited by Ernst August in September). As Borosini was not in Modena at the time, Galloni would respond immediately to ‘Herr Clengh’ (Wilken von Klencke, Ernst August’s majordomo28), confirming that the Duke of Modena would not oppose their release for the Hanover opera season. Their performance in Henrico Leone is also mentioned by Gianettini in a postscript to another letter to Giardini, dated February 1689: ‘I have just received a letter of 27 January from Borosini, which informs me that they were having to hold the general rehearsal of their opera on the 28th in order then to perform it on the 30th, and that the elector and electress of Brandenburg, the landgrave of ­HesseKassel, the princess of Friesland, and all the other members of the house of Brunswick were present in Hanover for the occasion.’29

25 Timms, Polymath (as n. 2), p. 55; Marles, Music and Drama (as n. 4), pp. 59–60. 26 Details of Giusti’s arrival in Hanover are given below, on pp. 117–118. 27 Termini, ‘Singers at San Marco’ (as n. 22), p. 80. 28 For more references to Klencke see the essay by Reinmar Emans in this volume, pp. 143, 151. 29 Timms, Polymath (as n. 2), p. 53. The original Italian is given in Elisabetta J. Luin, ‘Antonio Giannettini e la musica a Modena alla fine del secolo XVII’, in: Atti e memorie della R. Deputazione di storia patria per le provincie modenesi, series 7, vol. 7 (1931–1932), pp. 145–230, here: p. 175: ‘In questo punto ricevo lettere del Borosini, del 27 gennaro, che mi dà parte come alli 28 dovevano fare la prova generale della loro opera per farla poi alla 30, che in Hannover vi si trovasse per detta funtione l’Elettore di Brandeburgo con l’Elettrice, il principe, l’Angravio di Cassel, la Principessa di Frigia et poi tutti gli altri della casa di Brunswick’. On the identity of the princess of Ostfriesland (‘Frigia’), see the essay by Rashid-S. Pegah in this volume, p. 171.

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Marles and Timms suggest that Borosini may have returned to Hanover for the carnivals of 1692, 1693, 1695 and 1696, following his appearance in five operas in Italy in 1690–1691 and in spite of his appointment at the Viennese court from 1692.30 If Borosini’s participation casts further doubt on the relevance to Henrico Leone of the list of musicians in Figure 1, Gianettini’s letter shows that the tenor was not the only Modenese musician to perform at Hanover in 1689. Giuseppe Galloni also travelled to Hanover with the permission of his patron in the autumn of 1688. This is confirmed by Mendlein’s list of expenses for 1689 (discussed above), which shows that the agent had paid Galloni 20 ‘ talleri’ for his travel to Hanover from Kassel (presumably the last stage of his journey from Modena). This was an exceptional addition to Mendlein’s records for 1689,31 made only because the expenses were incurred too late to be added to the final accounts for the year before. Previous scholars have identified Galloni as a violinist, a conclusion apparently derived from Georg Fischer’s claim that he replaced Ernst August’s concert-­ master Farinel following the latter’s departure from Hanover in 1691.32 Mendlein’s records confirm that Galloni returned to Hanover for the carnival of 1692, when he ­performed, presumably along with Borosini, in Steffani’s Le rivali concordi and Orlando generoso.33 The attempt to re-engage Galloni may have begun in autumn 1690, when, in a list of the musicians travelling to Hanover that year, Mendlein noted a payment for a courier sent to Galloni in Modena and another payment for sickness – all on Steffani’s orders.34 By autumn 1691 Galloni had recovered and was on his way. In a letter of 23 November, from Venice, Mendlein informed Ernst August that, after some delay, Galloni had left Modena, along with a violinist and a servant.35 He also enclosed a list, dated 16 November, of the expenses incurred on the journey: 30 Timms, Polymath (as n. 2), p. 55; Marles, Music and Drama (as n. 4), pp. 56–57. 31 ‘[…] p[er] pagatï l’anno passato in Cassel p[er] il Viaggio del S[ignor] Gioseppe Galloni Musico, di che s’hebbe notitia Solam[en]te dopo li Conti aggiustati l’anno passato: NLA HA, Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 2r. 32 See Georg Fischer, Musik in Hannover, Hanover 1903, p. 23. The court Kammerrechnungen (NLA HA, Hann. 76c) confirm Farinel’s employment there from 1680 to 1691, and again from 1696. There appears to be no evidence that he was in Osnabrück or Denmark between 1691 and 1696: see Louis Delpech, Frantzösische Musicanten: musique et musiciens français en Basse-Saxe et en Saxe (1666–1733), Ph.D. diss., University of Poitiers 2015, vol. 2, pp. 162–163. 33 Timms, Polymath (as n. 2), p. 58; Marles, Music and Drama (as n. 4), p. 58. 34 ‘Erstlich eine Staffetta nacher Modena wegen Sre. Galloni auch P[er] Gnädigsten befehl so von Sre: Abbate Steffani ist beordert worden sampt krancks geldt’: NLA HA, Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 44r. The list is dated 15 October 1690. 35 ‘In dem Endlich der Sre: Galloni Musico, mit einen Violisten, und einen diener vergangene Wochen von Modena alhero kommen, sich excusirende, daß sein verzug daher rühre, weil es ihme an den gnädigsten befehl, anstalt, und mittel zu seiner reise gemangelt, und dahero sich an mich adressire, damit er möge fort kommen, ob nun zwar der H: Abbe Mauro, noch H. Abbe Steffani, wegen des defragirung, nichts expressè, sondern nur die schleunige beruffung und

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‘1691 adi 16 9bre. Venetia Folgt Rechnung über die expedition der 3 personen od[er] Musici, nehmlich Se. Giuseppe Galloni, dann einen andern so die Violin spielet, und einen diener, von Modena aus biß hieher, so dann Spese und Kost hier, und so fort von hier biß Hannover über Augsp[urg] und Nürnb[er]g zu defragiren.’36

Fischer’s belief that Galloni was a violinist may have stemmed from his interpretation of this document, in which those travelling to Hanover are described as ‘Signor Giuseppe Galloni, then another who plays the violin, and a servant’. Was the second person listed here simply a musician who played the violin, rather than ‘another violinist’ (in addition to Galloni)? The evidence certainly seems to suggest as much. Nowhere in the payment-lists of the Modena court is Galloni referred to as a violinist or ‘sonatore’ – the term used to denote an instrumentalist. Instead, like other singers (including Borosini), he is always described as a ‘musico’.37 That he performed on stage is confirmed in several opera librettos: in 1686 he sang the role of Costante in Carlo Ambrogio Lonati’s I due germani rivali in Modena, where, like Borosini, he was described as a ‘Musico di Sua Altezza Serenissima’.38 The following year he performed the title-role of Giovanni Varischino’s L’Odoacre in Reggio, and in 1690 he appeared in Milan as Porsenna in Il Muzio Scevola and as Numa in Numa Pompilio.39 His work as a ‘Virtuoso del Serenissimo di Modena’ was acknowledged by Quadrio, who listed Galloni among the male singers who had garnered success between 1690 and 1700.40 His renown as a singer came also from his appointment at Vienna: in Walther’s Lexicon (1732) he is described as ‘an old, celebrated imperial court and chamber musician, still alive in 1727’.41 He had been appointed there as a soprano from 1677 to 1685 and again between 1695 and 1711, during which time he sang in a number of operas by Giovanni Bononcini.42

expedition dessen eifferig raccommand[ation], so habe nicht ermangeln wollen, ihn so bald müglich, mit einen Vettorino fortzuschaffen, und ihme seine ausgelegte Spesen von Modena her, zu entrichten, weil er anderer gestalt nicht hette können fort kommen’: NLA HA, Cal. Br. 22 Nr. 1071, fol. 2. 36 NLA HA, Cal. Br. 22 Nr. 1071, fol. 4. Galloni’s receipt for the fees received (Cal. Br. 22 Nr. 1071, fol. 3) is also dated 16 November 1691. 37 See, for example, Modena, Archivio di Stato, Bolletta dei Salariati 185 (1687–1688), opening 117. 38 I due germani rivali. Drama per musica da recitarsi nel Teatro Fontanelli l’anno 1686, Modena 1686, p. 9. 39 See Claudio Sartori, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 vols., Cuneo 1990–1994, vol. 7, p. 302. 40 Quadrio, Della storia (as n. 24), p. 530. 41 ‘[…] ein alter Kayserl. Hof- und Cammer-Musicus jubilatus, ist an. 1727 noch am Leben gewesen’: Johann Gottfried Walther, Musicalisches Lexicon oder Musicalische Bibliothec, Leipzig 1732, p. 271. 42 Dagmar Glüxam, ‘Verzeichnis der Sänger in den Wiener Opern- und Oratoriumpartituren 1705–1711’, in: Studien zur Musikwissenschaft 48 (2002), pp. 269–320, here: p. 308.

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While it is not impossible that Galloni was also a talented instrumentalist,43 his reputation as a singer makes it likely that he was employed at Hanover in this capacity rather than as a violinist. His performances there in 1689 and 1692 were not the first occasions on which he had sung for Ernst August, as he had performed for the duke a few years earlier in Venice. Norbert Dubowy has given details of the spectacular entertainments staged in honour of Ernst August during his last trips to Italy in 1685 and 1686. Accounts from March to August 1686 – the only surviving financial records of his Venetian visits – show that the duke appointed a cappella during his stay, led by maestro Gianettini and including the singers Borosini and Galloni (all three of whom would soon move to Modena), as well as Nicola Paris, whom the duke had recruited in Rome before returning to Venice in spring 1686.44 Dubowy suggests that the two indistinct names in the accounts – Clementin and Ferdinando – may be those of Hader and Chiaravalle, who also would perform in Hanover. Hader, a soprano in the Imperial Hofkapelle since 1672, sang for Steffani at Munich in the 1680s and may have been in Hanover by 1692, for the first production of Le rivali concordi; he returned there in 1693, 1695 and 1696.45 Chiaravalle, an alto, served the Duke of Mantua from 1682 to 1705, during which time he also performed in Venice and Modena as well as in Hanover and Berlin. He may have arrived in Hanover as early as 1687, for Luigi Mancia’s Paride in Ida, and returned in 1691, 1692 (possibly), 1693 and 1695.46 One other young singer may also have caught the attention of Ernst August during the previous carnival of 1684/1685: Vittoria Tarquini – the only female listed in Figure 1 – made her Venetian début that season at the Teatro Sant’Angelo and could therefore have met the duke after his arrival in early 1685.47 Ernst August’s plans to replicate these musical experiences in Hanover had obviously begun to take shape by the time he left Venice in August 1686. Towards the end of their stay, his son Georg Ludwig wrote to his mother, Duchess Sophie, confirming that he and his father would soon return and adding, ‘it is said that a number of Italian musicians will come back with us’.48 This statement is not sup-

43 Some singers were also instrumentalists: see John Rosselli, ‘From Princely Service to the Open Market: Singers of Italian Opera and Their Patrons 1600–1850’, in: Cambridge Opera Journal 1 (1989), pp. 1–32. 44 Norbert Dubowy, ‘Ernst August, Gianettini und die Serenata in Venedig (1685/6)’, in: Analecta musicologica 30 (1998), pp. 167–235, here: pp. 183, 185 and 187. According to Dubowy (p. 172), Ernst August was in Venice from February to August 1685 and from January to August 1686. 45 Timms, Polymath (as n. 2), pp. 33 and 60; Marles, Music and Drama (as n. 4), pp. 46–47. 46 Timms, Polymath (as n. 2), p. 57; Marles, Music and Drama (as n. 4), pp. 44–45. 47 Beth Glixon, ‘Supereminet omnes: New Light on the Life and Career of Vittoria Tarquini’, in: Händel-Jahrbuch 62 (2016), pp. 385–398, here: p. 387. Glixon also suggests that Tarquini may first have met Farinel in Venice: according to Fischer (Musik in Hannover (as n. 32), p. 9), Farinel and two other musicians accompanied Ernst August to Venice in 1685. 48 ‘Man saget, das etzliche Italienische musicanten mit uns kommen werden’: Anna Wendland, ‘Prinzenbriefe’, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 2 (1925), pp. 165–207, here: p. 187.

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ported by documentary evidence, but by autumn 1688 Borosini, Galloni, Tarquini and possibly Paris had arrived in Hanover. As Beth Glixon has shown, on 3 June 1688 the Florentine resident in Venice reported that Vittoria had departed for Hanover several weeks previously, escorted by the ‘musico Niccolino’ (‘Vittorietta insieme con la sua sorella Cornelia convogliate dal musico Niccolino partirono le settimane a dietro alla volta di Annover’).49 Glixon suggests that ‘Niccolino’ was Paris (not Remolini), who in winter 1687/1688 had sung in Marc’Antonio Ziani’s L’inganno regnante at the Teatro SS. Giovanni e Paolo; dedicating his work to Ernst August (then in Hanover, not Venice), the librettist described Paris as a ‘famous swan of Your Most Serene Highness’.50 Timms proposed that Steffani himself may have recruited Paris and Tarquini (and other singers) when visiting Venice in summer 1688.51 While it seems certain that these two sopranos, along with Galloni (another soprano) and Borosini (tenor), appeared in Henrico Leone, the other five members of the cast (a soprano, two altos and two basses) cannot be identified with confidence. They may be among those named in Figure 1, but there is no corroborative evidence. However, some of the other singers in this list did perform at Hanover, as can be shown by further examination of Mendlein’s work.

La superbia d’Alessandro (February 1690) Galloni is not the only musician mentioned in Mendlein’s accounts for April to December 1689. Also recorded there are the travel expenses and related costs of the painter Tommaso Giusti in June 1689, and of the female singer Ceccarelli and ‘other musicians’ who travelled to Hanover in September 1689 to prepare for the performance of La superbia d’Alessandro in early 1690: ‘1689 […] Giugno […] Tomaso Giusti Pittore P[er] il suo Viaggio In Hannover et altre spese 120 [Talleri] …’ ‘7bre […] P[er] Dati alla Sa: Ceccarelli P[er] suo Uso e Viaggio P[er] Hannover con suo Marito àpar quittanza e Cossì alli altri Musìci àpar conto 562 [Talleri] 12[Soldi]’.52

49 Glixon, ‘Supereminet omnes’ (as n. 47), p. 389. 50 ‘[…] cigno famoso di V. A. S.’: Giulio Cesare Corradi, L’ inganno regnante, overo L’Atanagilda regina di Gottia, Venice 1688, p. [3]. Paris was also described as ‘di Brunsvic’ in the wordbook of Gianettini’s Artaserse (Teatro Sant’Angelo, January 1705), which was dedicated to Georg Ludwig: see Selfridge-Field, A New Chronology (as n. 8), pp. 265–266. 51 Timms, Polymath (as n. 2), p. 56. Fischer (Musik in Hannover (as n. 32), p. 22) claims that Steffani also visited Venice in April 1690. On Henrico Leone, see also Matthew Gardner (pp. 125–129). 52 NLA HA, Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 2v. On 17 June 1689 Mendlein wrote to Ernst August (Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 6r), confirming that Giusti would soon be on his way. On La superbia d’Alessandro, see the essay by Nicole K. Strohmann in this volume, esp. pp. 97–106.

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Giusti is known to have designed the productions of most of Steffani’s Hanover operas, but the identity of Ceccarelli is difficult to establish: her forename does not appear in the court records. It is possible that she was the singer who in 1694 performed the role of Attilio in a production of Il Vespasiano in Crema (named as ‘Leonora Ceccarelli romana’ in the libretto) and that of Proserpina in L’Arione in Milan (‘Eleonora Chiecarelli romana’).53 Quadrio describes ‘Eleonora Chiecarelli, Romana’ as one of the singers who came to prominence from 1690.54 In his Musik in Hannover Georg Fischer indicated that Ceccarelli had also been at Hanover in the previous year, for Henrico Leone: he referred to a document dated 9 February 1689 that listed sums paid by Mendlein for the travel expenses of singers.55 This document is presumably the ‘Summarischer Extract des von dem Agenten Mendlein angegebenen Vorschußes de Ao. 1689’ that was prepared by the Hanover court councillor Jobst Christoph von Reiche, apparently on 9 February 1689. Here Reiche summarised the costs that Mendlein had quoted for that year, of which the first is expenses for singers who had travelled from Italy ‘for the last opera’. These include payment to Ceccarelli for accommodation and ‘accoutrements’ in Venice: ‘Für die Musicos und Sängerinen, so zu letzter Opera aus Italien kommen. Tllr 562. L.-S.2. NB. Hierunter stehn 42 Duc. Corr. so die Cantatrice Ceccarelli in Venedig zu ihrer ausstaffirung gehoben und ihr an ihrer pension […] Den Mahler Tomaso Giusti für eingekauft nach farten und gehange[nen] kosten 120 [Talleri]’.

It has been assumed that Ceccarelli had come from Italy ‘for the last opera’ before Reiche prepared his summary – that is, for Henrico Leone in January 1689. However, the amounts listed in this document match those quoted in Mendlein’s accounts for April to December 1689, including the payment of 20 ‘talleri’ to Galloni for his travel expenses in 1688, the carriage of letters, the lease of the palace and opera boxes, and the salary of Dr Alberti.56 Reiche’s summary likewise refers to the 120 ‘talleri’ for Giusti’s travel to Hanover, as well as the expenses of Ceccarelli and the other musicians recorded by Mendlein for September 1689, albeit with one discrepancy (Mendlein: 562 talleri 12 soldi; Reiche 562 talleri 2 soldi). Reiche’s document appears 53 See Sartori, I libretti italiani (as n. 39), vol. 1, p. 277 (no. 2641) and vol. 5, p. 472 (no. 24731). 54 Quadrio, Della storia (as n. 24), p. 535. 55 Fischer, Musik in Hannover (as n. 32), p. 22. 56 NLA HA, Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 1r. Reiche’s list includes the following payments: ‘Den Musico Galloni A[nn]o. 1688: in Cassel laut quitung gezahlet worden, so sich erst nachdem die Rechnung von solchen Jahr geschlossen gewesen, hervorgethan 20 [talleri]’, ‘Für briefe-porto von Apr. 1689 bis Dec.’; ‘den briefeträger sein Jahriges salarium’; ‘denen postbedienten nach alter gewonheit zum Newen Jahr’; ‘den D. Alberti sein Jähriges salarium’; ‘Für 6 Monath zu Hausmiethe fur das kleine Palazzo’; ‘Für die Palchi in allen theatris zusammen’.

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therefore to summarise payments that had been or would be made by Mendlein in 1689, including those to musicians who travelled to Hanover for La superbia d’Alessandro. The identity of the other musicians who went to Hanover with Ceccarelli in autumn 1689 is revealed in a document dated 28 September 1689 in which Mendlein mentions Granara, Tallaoni, Gratianini and a certain ‘Signora Poli’ – possibly the Maddalena Poli who performed in Naples in 1708 and 1709.57 The document records payment for their journeys, first to Venice and then to Hanover, and the means of transport. While Gratianini and Granara travelled in a chaise, Ceccarelli and Poli, each with her husband, shared a coach with Tallaoni and a servant: ‘1689 adì 28 7bre: Venetia. Ist mit Paulo Anselmi, und seinen Knecht Andrea Palludi auff folgende personen von hier biß nach Hannover zu führen und zu defragiren bedungen worden – 2 personen alß nehmlich Se: Gratianini und Se: Granara in einer Sedia […] 6 personen in der Kutschen alß. Se: Talleoni – Sa: Ceccarelli mit ihren Ehemann Sa. Poli auch mit dero Eheliebsten welche zusammen 5 personen machen 291 2/3 und vor die 6te person in der Kutschen so ein diener ist – 49: –’.58

Mendlein also noted a payment to Ceccarelli for her initial journey to Venice, and then for a two-month stay there while she and her husband waited for the other singers to arrive.59 The document above thus confirms that some of the singers listed in Figure 1 – Gratianini, Granara and Tallaoni – did indeed go to Hanover in 1689, along with two female singers, Ceccarelli and Poli. Since they travelled in the autumn, this must have been in preparation for the carnival of 1690. The only other singer known to have appeared at Hanover that season was Rosana Santinelli, a soprano whom Glixon identifies as the older sister of Vittoria Tarquini and the wife of Santo Santinelli;60 having performed at Venice in 1682 and 1683, she was currently in the employ of the Dresden court. On 22 February 1690 Ernst August wrote to the Elector of S­ axony  57 In L’amor generoso and L’inganno vinto dalla ragione (both 1708), and in La Rosmene and Teodora Augusta (1709): see Sartori, I libretti italiani (as n. 39), vol. 7, p. 528. 58 NLA HA, Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 10r. Gratianini’s expenses are mentioned also in a letter of 17 June 1689 regarding Giusti’s costs: ‘Zu gehorsamster folge des gnädigsten befehls sollen die S100: – reise geldt, dem Sre. Tomaso Giusti, gleich wie eben so viel dem Sre. Gratianini Musico, gelegt werden’ (Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 5r). 59 ‘[…] dem Se. Granara wegen der Reise uncosten, biß nach Venedig […] dem Se: Talleoni wie oben […] dem Se: Gratianini deßgleich […] der Sa. Ceccarelli deßgleich, und wegen 2 monath nachwarth so sie hier neben ihren Mann ausgehalten, biß die andern angelangt’: NLA HA, Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 10r. 60 Glixon, ‘Supereminet omnes’ (as n. 47), p. 387.

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Helen Coffey

to thank him for the loan of the singer, who was about to return to Dresden.61 The new opera at Hanover in 1690 was Steffani’s La superbia d’Alessandro, in which there are nine roles, none of them for tenor. Although it is now possible to confirm the identity of six available singers – the sopranos Ceccarelli, Granara, Poli and Santinelli, Tallaoni (tenor) and Gratianini (bass) – it is unclear which part, if any, Tallaoni performed or who sang the remaining three roles (for soprano, alto and bass). They may have been taken by singers who had a long association with the court: Marles and Timms suggest the involvement of Paris or Remolini.62

Orlando generoso and Il zelo di Leonato (February 1691) The only other surviving records of Mendlein’s dealings with Italian singers for Hanover concern those recruited for carnival 1691, which saw the first performance of Steffani’s Orlando generoso and a revival of La superbia d’Alessandro, revised as Il zelo di Leonato.63 Mendlein’s list of expenses for the singers who were to journey to Hanover that year is dated 15 October 1690. It includes payments to Cottini, who was to travel first from Ferrara to Venice, and then to Hanover by coach or horse; to the coachman for Francesca Gambara from Bologna, together with her maid and young boy; and for Signora ‘Landina’, along with her mother, brother and servant – two in a chaise and two by horse and coach: ‘1690 Adi 15 8bre In Venedig […]64 Folgen die uncosten so in Expedit[ion] der Musici außgelegt so in dienste ihrer hochfürstl. D[urc]hl[auch]t nach Hannover gangen. […] Den Cottini wegen der Reise von Ferrara hieher und seine uncosten […] Deßgleichen vor die Sa. Francesca Gambara von Bologna […] Vor die Sa: Franc[esc]a Gambara vor einer Sedia sampt ihrer Magd und kleinen Jungen biß nach Hannover zu Defragiren dem Vettorino bezahlet. […] Vor dem Se: Cottini und seiner diener […] zur Kutschen oder zu Pferd nach Hannover zu defragiren. […] Vor die Sa. Landina Neben ihrer Mutter, bruder und diener in 4 Personen; so ist vor 2 Personen in Eine Sedia und 2 Personen zu Pferd und Kutschen biß Hannover accordirt worden’.65

61 Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters (as n. 1), p. 193. 62 Timms, Polymath (as n. 2), p. 57; Marles, Music and Drama (as n. 4), p. 60. 63 Timms, Polymath (as n. 2), p. 57. 64 The first item in this list (not shown here) is the payment of ‘krancks geldt’ to Galloni: see above, n. 34. 65 NLA HA, Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 44. A letter of 3 November 1690 (Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 48r) also refers to the arrangements for Landini’s journey.

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Cottini was the experienced bass at the Modenese court who had performed in the Hanover Hofkapelle in the late 1660s, in opera in Italy from the 1670s and in Steffani’s Munich operas from the early 1680s.66 Details of Gambara’s career are harder to come by, but her imminent arrival in Hanover was confirmed in a letter of 24 November 1689 from Mendlein to the Kabinett-secretary Johann von Hattorf.67 Signora ‘Landina’ was Maria Landini, a soprano who had served Queen Christina of Sweden in Rome until her death in 1689. She again sang at Hanover in 1693, 1695 and 1696, and possibly also in 1692. In mid-1691, following her performance in that season’s operas, she reportedly was loaned, along with Clementino (Hader) and Nicolini (Paris or Remolini), to the neighbouring court of Celle.68 Both Clementino and Nicolini, therefore, may also have sung at Hanover in Orlando generoso and Il zelo di Leonato. The only other singer known to have performed there that year is the alto Ferdinando Chiaravalle: on 1 December 1690 Princess Eberhardine Sophie of Oettingen wrote to Sophie Louise of Brandenburg that ‘this carnival Ferdinando will also sing in Hanover; at the same time two other female singers have arrived who should be extremely good, so that the opera will be much better than it was last year’.69 The two other female singers mentioned in this letter were presumably Gambara and Landini. Thus for the nine roles in each of the 1691 operas six singers can be suggested: Landini, Gambara and perhaps also Nicolini and Clementino (sopranos), Chiaravalle (alto) and Cottini (bass). The identity of the other singers is not known. While the golden age of Italian opera at the Hanover court – defined by Steffani’s works – was short-lived, the splendid opera house, music and musicians were widely acclaimed. From the very first production in January 1689 the theatre hosted performances by some of the best Italian singers of the day. Many of these virtuosi returned in the following years, together with new recruits. Hanoverian patronage was a prestigious endorsement and provided long-lasting benefits to any musician fortunate enough to receive Ernst August’s support. Several of the singers would retain a Hanoverian sobriquet long after performing at the court, while others went on to enjoy illustrious careers at other royal or noble establishments (aided, no doubt, by their previous experience in Hanover). The fame and talent of these singers likewise brought prestige to Ernst August’s opera and court, enhancing his reputation as a leading cultural and political figure. His connections with Venice were obviously key to these developments. Venice was not only the best place for 66 Timms, Polymath (as n. 2), p. 33; Marles, Music and Drama (as n. 4), p. 34–36. 67 NLA HA, Cal. Br. 24 Nr. 7863, fol. 58. 68 Timms, Polymath (as n. 2), pp. 60–61. 69 Timms, Polymath (as n. 2), p. 57. The original German is given in Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters (as n. 1), p. 193: ‘Ihn Hannover würdt Diße carneval Ferdinando auch mitt singen, in gleichem seind noch zwey ander Sängerinen alldar ankommen, welche überauß gutt sein sollen, das allso die opera vill bösser allß verganngenes Jahr sein würdt’.

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Helen Coffey

him and Steffani to encounter prospective singers; it was also the base from which the duke’s agent Mendlein could manage the movement of singers from various regions of Italy. Such widespread recruitment of musicians placed Ernst August amongst the élite of German princes who had established Italian opera of the highest standard at their courts and who also benefited from each other’s patronage: while German nobles visited their peers’ courts to enjoy these lavish entertainments, they also exchanged singers with valuable experience of performing opera in Italy. The pre-eminence of Hanover among German opera houses of the period is clear from the comments of those who attended the performances. The splendour of the theatre, the fine music and the skilled singers and instrumentalists all contributed to the impact of these productions, which Duchess Sophie described as ‘the most beautiful operas in the world’.70

70 Letter of 3 February 1690 to Leibniz, quoted in Marles, Music and Drama (as n. 4), p. 21. I am grateful to the British Academy and the Handel Institute for funding the research for this essay and to H.R.H. Prince Ernst August of Hanover for allowing access to materials in the Niedersächsisches Landesarchiv.

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Matthew Gardner

Steffani’s Italian Opera Singers in Hanover: Recruitment and Vocal Style

When in the summer of 1688 Steffani entered the service of Duke Ernst August of Hanover (1629–1698), he had already acquired several years of experience as an opera composer. Ernst August had become Duke of Brunswick-Lüneburg based in Hanover in 1679, and one of the first changes he introduced was to dissolve the Schlosskapelle of his predecessor Johann Friedrich (1625–1679), which included several Italian singers (he was more interested in Italian opera than in Catholic church music). The duke wanted Hanover to be made an electorate, which he eventually accomplished in 1692; however, in order to do so he needed to reunify the duchy, which had been split first during the Thirty Years’ War (1618–1648) by his father to provide for his sons. Ernst August also needed to show off the wealth and political significance of Hanover; to aid this process he hoped to establish firstrate opera there, for which a new opera house was opened in 1689, replacing an older building.1 To achieve this an outstanding composer as well as a librettist and performers of the highest calibre were required. Ernst August was p ­ repar­ed to invest considerably in opera, and it was therefore possible to attract some outstanding ­Italian singers through large salaries. The court at Hanover, however, also had a strong French inclination, with a tradition of performances of French ‘divertissements’, which was maintained throughout Steffani’s time at the court, and the performance of French music, especially that of Lully, was frequent.2 This was in part almost certainly owing to Ernst August’s appointment of the Frenchman Jean-Baptiste Farinel (1655–c. 1725) as leader of the orchestra; he remained until 1691 and was probably also an instigator in ensuring that a number of other French instrumentalists were employed in Hanover.

1 Before Steffani’s arrival in Hanover six Italian operas had been performed under the rule of Duke Johann Friedrich. For details, see Colin Timms, Polymath of the Baroque: Agostino Steffani and His Music, New York 2003, pp. 46–47. 2 See Candace Ann Marles, Music and Drama in the Hanover Operas of Agostino Steffani (1654– 1728), Ph.D. diss., Yale University 1991, pp. 15–16.

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Matthew Gardner

Steffani, with whom Ernst August was already acquainted, must have been an attractive composer for the post of Kapellmeister. Having already studied and worked in Munich for twenty-one years between 1667 and 1688, he had visited Rome in 1672–1674, and Paris and Turin in 1678–1679, all during his time under Elector Ferdinand Maria of Bavaria. Consequently, he gained experience of Italian opera, making contacts with Italian singers, and also became acquainted with French opera whilst in Paris, where it is likely he heard the first performance of Lully’s Bellérophon in 1679. From 1681 Steffani was director of chamber music in Munich under Maximilian II Emanuel, who had succeeded Ferdinand Maria as elector in 1681.3 His five Italian operas for Munich, of which only four survive, combine the French and Italian styles to create cosmopolitan-styled operas. This would have made Steffani the ideal choice as an opera composer for the court at Hanover at a time when there was little hope of promotion to Kapellmeister in Munich. Steffani’s eight stage works for Hanover – six of them for the new theatre – continue to combine the French and Italian styles. For the performance of these works Steffani selected some of the best Italian singers available, but was also careful to use singers with whom he was already familiar or whose reputation preceded them. His unusual vocal style, stemming from his own background as a competent singer, includes vivid word-painting and precise ornamentation, placing demands on his singers which they may rarely have experienced with other composers. Much remains unknown about the singers who performed in Steffani’s eight stage works for Hanover.4 In some cases only one singer can be confirmed as having actually taken part in a performance, and the remainder of the cast must remain speculative. Both Colin Timms and Candace Ann Marles made detailed assessments of the available documents relating to the singers, but although Marles included additional speculative suggestions, including an attempt to assign singers to specific roles, the basic verifiable facts remain the same.5 The purpose of this essay is not to repeat the documentary details of which singers performed in which operas, but rather to consider why Steffani might have selected these singers – in other words, to establish, on the basis of the limited evidence available, what his recruitment criteria may have been. It is impossible, however, not to revisit some of the background surrounding what is known and what is not known about the singers who performed for Steffani in Hanover. 3 For a detailed biography of Steffani see Timms, Polymath (as n. 1). 4 Some documents relating to Steffani’s operas were lost during the Second World War; however, select details are preserved in such works as Georg Fischer, Musik in Hannover, Hanover 1903, and Theodor Wilhelm Werner, ‘Agostino Steffanis Operntheater in Hannover’, Archiv für Musikforschung, 3 (1938), pp. 65–79, both of which provided evidence for conclusions found in Timms, Polymath (as n. 1) and Marles, Music and Drama (as n. 2). 5 See Timms, Polymath (as n. 1), pp. 45–68, and Marles, Music and Drama (as n. 2), pp. 30–64, esp. 60–64.

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Steffani’s Italian Opera Singers in Hanover: Recruitment and Vocal Style

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Singers of Steffani’s Hanover operas Documentary evidence on singers is lacking for the majority of Steffani’s Hanover operas: the printed wordbooks never identify the performers; as Hanover was a court opera house, there are no press announcements giving the names of the singers, as might be found for opera in eighteenth-century London; funding for opera in Hanover was drawn from Ernst August’s income as secular Bishop of Osnabrück, for which the accounts have only partly survived.6 Evidence of singers at the Hanover court is therefore limited to snippets of information drawn from a range of sources, varying in their reliability. The only two operas for which the full cast can be confirmed with a reasonable amount of certainty are Steffani’s first and last works for Hanover: Henrico Leone and the one-act Baccanali. In the case of Henrico Leone this evidence is drawn from a set of documents in the Niedersächsisches Landesarchiv entitled ‘Opern und Comödien, deren Einrichtung und Aufwand’. A single page within these records bears the title ‘Wie anno 1689 Die Italienischen Opern noch in Hannover gespielet wurden, waren dazu an Sängers und Sängerinnen wie folget’.7 Following Steffani’s name, eight singers are listed, seven of whom are men and one a female soprano: ‘Sänger: Nicol: Paris, Severo Francioni, Ant. Coltini, Nicolini, Augustino Granara, Nicolini Grationisi, Mutio Maria Tallaoni, Sängerin: Victoria’. This list of eight names, as Timms has shown, presents a number of problems, as it does not fit with the nine roles found in Henrico Leone, and the one singer who is known to have performed, Antonio Borosini, is missing.8 It therefore seems likely that Borosini replaced Tallaoni as the tenor in the opera, although, as Helen Coffey has shown, Tallaoni received a payment in late 1689 for travelling to Hanover, so may have been present in 1689 or 1690.9 The missing ninth singer to complete the cast was most likely a woman to cover either the prima or the seconda donna role, and this was probably Signora Cettareli, who in early 1689 was paid 42 ducats by Ernst August’s agent in Venice.10 This would result in the following cast list for Henrico Leone:

  6 Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Hannover (hereafter: NLA HA), Dep. 103 IV A6 Kasten 307/5. See also Rosenmarie Elisabeth Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters and den welfischen Höfen Hannover und Celle (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 83), Hildesheim 1974, pp. 191–192; Marles, Music and Drama (as n. 2), pp. 31–32; Timms, Polymath (as n. 1), pp. 54–55.   7 NLA HA, Dep. 103 IV A6 Kasten 307/5. For a transcription and discussion of the whole page, see the essay by Helen Coffey in this volume, pp. 111–114.  8 Timms, Polymath (as n. 1), p. 55.   9 See above, pp. 119–120. 10 See Timms, Polymath (as n. 1), p. 55, after Fischer, Musik in Hannover (as n. 5), p. 12. Coffey shows that Cettareli did not receive her payment until September 1689 and suggests that it relates to the carnival season of 1690: see pp. 117–119. Marles suggested that Tallaoni did perform in

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Matthew Gardner

Nicola Paris

Soprano castrato

Henrico Leone

Vittoria Tarquini

Soprano

Metilda or Idalba

Signora Cettareli

Soprano

Metilda or Idalba

Antonio Cottini

Bass

Ircano or Demone

Nicola Gratianini

Bass

Ircano or Demone

Nicola Remolini

Soprano castrato

Lindo

Augustino Granara

Alto

Eurillo

Severo Frangioni

Alto

Errea

Antonio Borosini

Tenor

Almaro

Table 1: Cast list for Henrico Leone

The evidence for Steffani’s final Hanover opera, Baccanali, performed in 1695, is drawn from a surviving wordbook held by the Niedersächsische Landesbibliothek, in which the cast has been noted by hand.11 Some of the same singers who performed six years earlier in Henrico Leone are still present (see below, Table 2), leading to the assumption, partially based on snippets of further evidence relating to other operas (examined below), that some of them may have been long-term employees of Hanover or visitors returning to the court. The only other Steffani opera for Hanover for which substantial evidence of the singers who performed it survives is La libertà contenta (1693). The evidence is an undated letter, written probably in February or March 1693, from Maria Aurora, Countess of Königsmarck (1662–1728) to Ulrika Eleonora of Denmark (1656–1693), queen consort of Charles XI of Sweden, which names the singers Clementino [Cle­ ment Hader], Ferdinando [Chiaravalle], Nicolini, Borosini, Salvadore and [Maria] Landini.12 As a result, six singers can be placed in Hanover, some of whom are known to have had or almost certainly had a previous connection to Steffani at this court and in some cases in Munich.13 From the score of La libertà contenta it is possible to establish that Salvadore was probably a tenor, as Steffani wrote the music for Pericle and Lisandro in the tenor clef.14 One of these parts would have

Henrico Leone, but she was unaware of the possibility of Cettareli’s participation and therefore proposed an alternative cast list: see Marles, Music and Drama (as n. 2), p. 60. 11 Hanover, Niedersächsische Landesbibliothek, Op. 3, 14a: Baccanali: Celebrati nel Picciolo Teatro Elettorale d’Hannover (1695), p. 3. 12 See Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters (as n. 6), p. 192. See also Timms, Polymath (as n. 1), p. 60; Werner, ‘Agostino Steffani’s Operntheater’ (as n. 4), p. 70; Marles, Music and Drama (as n. 2), pp. 21–22. 13 See Table 2. For details of Steffani’s operas in Munich see Timms, Polymath (as n. 1), pp. 10–37, and Marles, Music and Drama (as n. 2), pp. 5–11. 14 See the autograph manuscript in London, British Library (GB-Lbl), R.M. 23.h.19–21.

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Steffani’s Italian Opera Singers in Hanover: Recruitment and Vocal Style

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been sung by Borosini and, since it can be confirmed that none of the other singers who performed in the opera was a tenor, Salvadore presumably sang the second tenor role – probably Lisandro, as this is the less prominent part and Borosini was by reputation undoubtedly the better singer. For the operas of 1690, 1691 and 1692 only one singer can be confirmed for each year with any degree of certainty. For the first two years evidence can be found in letters confirming the presence of the soprano Rosane Santinelli in 1690 and the alto Chiaravalle in 1691,15 and for 1692 in changes to the score of Orlando generoso, which was revived that year; these changes allowed Borosini to sing, making it likely that he also appeared in that season’s new opera, Le rivali concordi.16 As Helen Coffey shows from the documents that she recently discovered in the Niedersächsisches Landes­ archiv, the names of three additional singers appear in connection with tra­velling expenses in late 1690, making Cottini, Landini and Anna Francesca Gambara strong possibilities for the carnival of 1691.17 A similar payment in 1689, probably referring to the carnival of 1690, possibly places three further singers (Cettareli, Gratianini and Granara) in Hanover for La superbia d’Alessandro.18 This leaves a number of roles open in the middle period (see below Table 2). It is possible to exclude some singers on the basis that they were performing elsewhere or, in the case of Borosini, because in 1690 there was no tenor role in Steffani’s opera and in 1691 the tenor role is minor, making it unlikely that he took part. The most logical explanation, based on the tendency in Hanover to invite back performers from year to year, is that singers who had appeared there returned to perform again. These deductions result in the speculative overview of Steffani’s singers at Hanover found in Table 2.

Steffani’s recruitment policy From the singers for whom there is evidence, a number of conclusions can be drawn about Steffani’s recruitment policy. For Henrico Leone in 1689 several of the singers selected already had connections with the Hanover court. The basses Nicola Gratianini and Antonio Cottini had both been members of the Schlosskapelle under Johann Friedrich, who employed eight Italian singers in his Catholic chapel before it was dissolved by the protestant Ernst August in 1680.19 Cottini had additionally performed for Steffani in his Munich operas, as had the alto Augustino Granara. Two of the star singers of the 1689 cast also had prior connections with the court 15 Timms, Polymath (as n. 1), p. 57. The relevant parts of the letters are reproduced in Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters (as n. 6), p. 193. 16 GB-Lbl, R.M. 23.i.13–15. 17 See above, pp. 120–121. 18 See above, p. 120. 19 Timms, Polymath (as n. 1), pp. 54–55.

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Nicola Paris (SC) Vittoria Tarquini (S) Signora Cettareli (S) Antonio Cottini (B) Nicola Gratianini (B) Nicola Remolini (SC) Augustino Granara (A) Severo Frangioni (A) Antonio Borosini (T) Rosane Santinelli (S) Maria Landini (S) Ferdinando Chiaravalle (A) Anna Francesca Gambara (?) Clementin Hader (SC) Salvatore (?) Diana Aurelia (S) Hamburghese (S) Ruggiero Fedeli (B) Nicoletto (?)

Matthew Gardner

Previously in Munich

X

X

X

Previously in Hanover

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1689 (Henrico Leone)

X X X X X X X X X

1689 (La lotta d’Hercole con Acheloo)

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1690 (La superbia d’Alessandro)

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1691 (Orlando generoso)

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1692 (Le rivali concordi) 1693 (La libertà contenta)

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X X

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1695 (I trionfi del Fato)

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1695 (Baccanali)

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X X

X

X X X X

Table 2: Steffani’s Opera Singers in Hanover 1689–1695 (‘SC’ means soprano castrato)

or its personnel: the lead castrato Nicola Paris had belonged to Ernst August’s cappella in Venice in 1686 and was described as the ‘famous swan’ of the duke, while Vittoria Tarquini, one of the two female sopranos, had married Farinel, the director of the instrumental ensemble in Hanover, just three weeks before the première of Henrico Leone.20 Paris was to have a further connection to Germany, being hired by Margrave Georg Friedrich of Brandenburg-Ansbach in 1695 as his agent and advisor to establish Italian opera in Ansbach.21 Thus five of the nine singers who 20 Ibid., p. 55. 21 Marles, Music and Drama (as n. 2), p. 32.

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Steffani’s Italian Opera Singers in Hanover: Recruitment and Vocal Style

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were to perform in Steffani’s first Hanover opera already had an association with the court and / or the composer. For Steffani the advantages of using singers with whom he had already had contact or who were readily available in Hanover, rather than employing a completely new cast, would surely have made life simpler, especially as it would have been important that his first opera for Ernst August should fulfil the duke’s expectations. Of the remaining four singers in 1689, only the provenance of Borosini, who came from St Mark’s, Venice, is known.22 Frangioni’s and Remolini’s prior engagements are unknown, although Steffani may have come across these singers in Italy, either on his visit to Venice in May 1688 or when he was at St Mark’s in 1685, where he had heard Borosini perform. Unfortunately, nothing is currently known about the identity of Signora Cettareli; however, Steffani may also have encountered her in Italy.23 While the 1689 cast was recruited directly from Italy or through Steffani’s prior contact with singers, by 1695 there appears to have been a greater tendency to look to other German courts for Italian opera singers. This may have begun slowly as early as 1690, when Rosane Santinelli was recruited from Dresden.24 The German Maria Landini, who was born in Hamburg, served Queen Christina of Sweden in Rome and returned to Germany after the queen’s death in 1689, was also certainly in Hanover from mid-1691, when she was loaned to the court at Celle with Hader and Remolini; whether she sang in Steffani’s opera that year is, however, unknown.25 Of the new arrivals at Hanover after 1690, only one singer, Chiaravalle, was recruited directly from Italy, coming from Venice.26 Hader had sung for Steffani in Munich and was recruited to Hanover from Dresden.27 Diana Aurelia came to Hanover from Berlin, and ‘Hamburghese’, who was probably either ‘Engel.’ Benedikte Direnberg or Sophie Gutjahr, was German. Ruggiero Fedeli had also been working at German courts since 1675, not only as a bass singer but also as a viola player and composer.28 Details of Salvatore and Nicoletto are unknown; they too may have been loaned from other German courts or have come to Hanover directly from Italy. Recruiting from German courts may have had a number of advantages for Steffani: they were geographically closer to Hanover, and an exchange of singers may have been easier for the relatively short period of time that they were required to spend there. A further reason for Steffani’s move towards singers based in Germany may have been that from 1693 there was a shortage of sopranos in Hanover. This affected his 22 Timms, Polymath (as n. 1), p. 55. 23 She may have been the cantatrice Ceccarelli or Chiecarelli identified by Helen Coffey: see above, pp. 117–119. 24 Timms, Polymath (as n. 1), p. 57. 25 Ibid., pp. 60–61. 26 Ibid., p. 57. 27 Ibid., p. 60. 28 Ibid., p. 66.

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compositional process in La libertà contenta, which includes fewer soprano and more alto roles than usual, and also meant transposing the parts of Arianna and Teseo from soprano to alto for the revival of Le rivali concordi in the same season.29 Of the new singers who performed for Steffani in 1695, two were sopranos, one was a bass and the fourth probably a castrato. Having been unsuccessful in obtaining singers from Italy in 1693, the composer may therefore have been looking to German courts, rather than Italy, to obtain sopranos who could perform well in Italian, and this may have been out of necessity rather than pure choice. Some singers, of course, may also have left Hanover after 1693 because there was no Italian opera there in 1694, possibly as a result of the Königsmarck affair, which ended in the hushed-up murder of Count Königsmarck in the palace at Hanover. Königsmarck had been the lover of Sophie Dorothea, wife of Prince Georg Ludwig (the future George I of Great Britain) since 1692, and they had apparently communicated in secret using quotations from Mauro’s librettos for Steffani. A Mauro-Steffani opera might have been inappropriate that year.30 A further reason for Steffani’s decision to look for new Italian or German singers may have been the lack of co-operation from his singers during his early Hanover period. Writing in about 1750, the English music historian John Hawkins, who was to publish his monumental General History of the Science and Practice of Music in 1776, around the same time as Charles Burney’s similar publication, records in his biography of Steffani (which is based partly on information related by Georg Ludwig / George I but mostly on the memories of Handel and Johann Christoph Pepusch) that: ‘[…] Ernestus Augustus, duke of Brunswic, the father of the late king, though a protestant prince, being a passionate lover of music, invited him [Steffani] to the court of Hanover, conferred on him the employment of master of his chapel, and committed to his care the management of the opera, an entertainment which had then but lately found its way into Germany. This latter trust, however agreeable it might be to his inclination, was the occasion of great uneasiness to him; for whether it was owing to the ignorance, or petulance, of the persons employed to sing, it was, frequently, with great difficulty they could be prevailed on to study their parts, so as to do justice to the composer; and, even when their condescension was greatest in this respect, so many feuds and jealousies were continually arising among them, as frequently disappointed an illustrious audience of their entertainment.’31

It is not known when these events took place, but on the grounds that they might refer to Farinel’s wife, Vittoria Tarquini, Timms suggested that it was after the per-

29 See also Marles, Music and Drama (as n. 2), p. 62. 30 For a more detailed account see Timms, Polymath (as n. 1), p. 61. 31 [John Hawkins], Memoirs of the Life of Sig. Agostino Steffani, some time Master of the Electoral Chapel at Hanover, and afterwards Bishop of Spiga [London c. 1750], p. ii. For the date of the Memoirs see Timms, Polymath (as n. 1), p. xvi.

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formances of 1691, when Farinel, the leader of the orchestra, left for Osnabrück and was replaced by Giuseppe Galloni.32 There would also have been additional pressure on all of the singers and instrumentalists in Hanover in 1691, as this was the first year that two operas were presented – the second one being usually a revival of an earlier work.33 Furthermore, in late 1690 Princess Eberhardine Sophie wrote to Margravine Sophie Louise that ‘this carnival Ferdinando also will sing in Hanover; at the same time two other female singers have arrived who should be extremely good, so that the opera will be much better than it was last year’,34 suggesting that some of the singers before 1691 may not have been satisfactory. It is also possible, however, that significant problems occurred with singers in a later season, perhaps 1692 or 1693, after which new singers were recruited. In addition, Hawkins’s statement should be treated with some caution, as the details are impossible to verify and he based his work on the sometimes unreliable memories of Handel, Pepusch and George I. Yet problems with opera singers were relatively common in the seventeenth and eighteenth centuries and there is no reason to doubt that there is some truth in Hawkins’s statement. Hawkins continues as follows, suggesting that some of the problems may have stemmed from Steffani’s vocal style and the demands he made of his singers: ‘His uneasiness on this account was also very much increased by the exactness he required in the performance of his music, which was so remarkably great, that he would never admit of any divisions, or graces, even on the most plain and simple passages, except what he wrote himself: nor would he, with regard to his duets in particular, ever suffer them to be performed by any of those luxuriant singers, who had not sense enough to see the folly of sacrificing to the idle vanity of displaying their extent, or power, of voice, not merely the air, but frequently the very harmony of an author’s compositions.’35

Engaging new singers for his later Hanover operas may, then, have been a result of Steffani searching for performers who would respect his writing style.

32 See Timms, Polymath (as n. 1), p. 58. In fact, as Coffey shows in this volume (pp. 114–116), Galloni was a singer. 33 Ibid., p. 57. 34 Ibid. The original German is in Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters (as n. 6), p. 193: ‘Ihn Hannover würdt Diße carneval Ferdinando auch mitt singen, in gleichen seind noch zwey ander Sänngerinen alldar ankommen, welche überauß gutt sein sollen, das allso die opera vill bösser allß verganngenes Jahr sein würdt’. 35 [Hawkins], Memoirs of the Life of Sig. Agostino Steffani (as n. 31), pp. ii–iii.

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Vocal style Having being trained as a singer himself from an early age, Steffani’s demands on his singers were different from those of his contemporaries, and it is not difficult to see why some Italian singers, who were used to improvising ornamentation, may have found aspects of his writing unusually strict, especially if he required the exact delivery that Hawkins describes. The ornamentation that Hawkins speaks of can frequently be found in Steffani’s arias, which themselves cover a wide spectrum of musical styles and forms, including da capo, binary and abb' forms and ostinato basses.36 Sometimes he uses Italianate ritornello form; on other occasions he reminds the listener of French opera, particularly Lully, who developed aria forms from the strophic air de cour or employed ternary forms such as the rondeau, as well as developing binary form inspired by his own experience of Italian music. An example of an extensively ornamented aria is found in Act I, scene 7, of Orlando generoso (‘Per brevi momenti’), in which Angelica sings to her lover Medoro, suggesting that the short separation they are about to endure will sweeten their joy. Steffani includes carefully placed trills throughout the oboe, violin and vocal parts, and an elegant rising coloratura of triplets on the word ‘lascio’ (I leave): see Ex. 1.37

36 Timms, Polymath (as n. 1), p. 189. 37 On Steffani’s use of the trill, see above, essay by Graham Sadler, esp. pp. 82–86.

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Ex. 1: Steffani, Orlando generoso (1691), Act I, scene 7, aria ‘Per brevi momenti’, bars 6–17

Steffani was equally capable, however, of composing virtuoso arias with extended coloratura, which Italian singers would perhaps have been more accustomed to than the preciseness of his ornamentation. One such example in Orlando generoso, Act I, scene 11, is Orlando’s aria ‘In quest’alma che langue, che geme’, almost certainly conceived for the alto Chiaravalle who, judging by this aria, must have been a singer of high quality. Here Steffani emphasises the word ‘combattono’ (they battle) while Orlando describes the torment within him between glory and love (Ex. 2). Steffani’s approach to recitative, in particular, also employs compositional techniques that might have been seen as unusual by his singers and which perhaps provide the best illustrations of how his vocal style includes embellishments. An especially good example can be found in La libertà contenta (1693), Act I, scene 5, where Alcibiade of Athens sings of his political problems but also declares that they are nothing compared to the torments of his heart at loving two women simul­ taneously. The recitative was probably written originally with the castrato Remolini in mind but could also have been sung by Hader. Steffani demands a number of

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Ex. 2: Steffani, Orlando generoso (1691), Act I, scene 11, aria ‘In quest’alma che langue, che geme’, bars 10–21

dramatic embellishments from his singer, including: a mini-coloratura to highlight the word ‘braccio’ in the phrase ‘the arms of Serse’ (Ex. 3); a descending scale for a repeat of the word ‘barbara’ (barbarous) when describing the cruelty of Athens evident in his political problems (Ex. 4), and two changes of time. The first of these (Ex. 5) allows for a quick rising scale, adding weight to the word ‘portar’ (bring) and depicting movement; the second (Ex. 6) emphasises that Alcibiade’s heart forgets everything and does not realise how bad the political situation is, because he only feels love. Here an extended coloratura passage on the word ‘strali’ describes Cupid’s arrows in the approach to the final cadence.

Ex. 3: Steffani, La libertà contenta (1693), Act I, scene 5, recitative ‘Quanti affetti discordi’, bars 15–18

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Ex. 4: Steffani, La libertà contenta (1693), Act I, scene 5, recitative ‘Quanti affetti discordi’, bars 32–35

Ex. 5: Steffani, La libertà contenta (1693), Act I, scene 5, recitative ‘Quanti affetti discordi’, bars 6–9

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Ex. 6: Steffani, La libertà contenta (1693), Act I, scene 5, recitative ‘Quanti affetti discordi’, bars 40–47

A time change in recitative is a technique often employed by Steffani both to create dramatic effect and also to maintain better word underlay without having to use rests – in other words, to accommodate his characteristic dramatic flourishes, which would otherwise not fit the metre. A further example of how he decorates important words, often at the closing cadence of a recitative, can be found in Orlando generoso, Act II, scene 1, where a long melisma including triplet semiquavers and trills depicts the word ‘ondeggia’ in a phrase describing the ‘swinging’ of Orlando’s soul between different thoughts (see Ex. 7).

Ex. 7: Steffani, Orlando generoso (1691), Act II, scene 1, recitative ‘Attonito confuso’, bars 22–25

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Conclusions While it seems unlikely that any of Steffani’s singers would have had problems in performing these types of dramatic embellishment because of their technical demands, any insistence from the composer that they should be executed exactly as written might have caused difficulty, as it would have relieved them of some of the artistic freedom that they would have been accustomed to and would have learnt as part of their trade. Steffani’s vocal style, nevertheless, is comfortable for singers and often appears to naturally suit the voice types in question. Owing to the lack of specific information (except in the case of Baccanali) on which singers performed which roles in Steffani’s operas, it is impossible to make a reliable connection between vocal style and specific singers. Throughout his time at Hanover the composer endeavoured to recruit singers he knew, whom he had previously heard or who had a connection with the court and / or Ernst August. In his early operas these singers were drawn from his time in Munich, from his connections to Italy, especially Venice, and from performers who were already in Hanover; in his later operas he looked more towards other courts in Germany, with which he had perhaps become more familiar over time. This change came at a stage when Steffani may have been having problems with his singers and with the way in which they performed his ornamentation. Consequently, this may have been a question of a composer telling singers what to do – and of a composer who was a singer himself and may therefore have attempted to assert greater authority over his performers. If Hawkins is to be believed, then the autograph manuscripts of Steffani’s operas are highly valuable documents for performance practice, giving an unusual insight into where a composer wanted singers to place ornaments and embellishments and what form they were to take: other composers left this to the discretion of the singers and / or discussed it during rehearsals, for which documentary evidence rarely survives.

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Die Situation der Musiker an den Welfenhöfen Wolfenbüttel / Braunschweig und Bevern

Sowohl hinsichtlich des Musikerpersonals als auch der Einschätzung der jeweiligen Hofkulturen seien zunächst einige damit verbundene Probleme angesprochen. Auch wenn es in den Wolfenbütteler, Braunschweiger und Hannoveraner Archiven Kilometer über Kilometer Aktenbestände gibt, scheinen ganze Zeitabschnitte nicht mehr rekonstruierbar, weil zu diesen nur sehr wenige oder gar keine Akten nachweisbar sind. Eine Musikgeschichte des Wolfenbütteler Hofes wird deswegen ebenso wie die zum Hannoveraner Hof zwangsläufig mit empfindlichen Lücken zu kämpfen haben. So fehlen Quellen für Wolfenbüttel / Braunschweig aus der uns besonders interessierenden Zeit von 1680–1720, anders als für Hannover,1 fast gänzlich. Die, wenn man so will, „hamburgische Zeit“ des Wolfenbütteler Hofes von 1685 bis zur Amtszeit von Georg Kaspar Schürmann, in der ein reger Austausch mit der Hamburger Oper stattfand, bleibt daher ein Konstrukt, das in der Regel dadurch gefüllt wird, dass man ältere Beschreibungen stets aufs Neue wiederholt. Der Erkenntnisgewinn hält sich dadurch freilich in Grenzen. Im Einzelnen bleiben die Amtszeiten von Johann Rosenmüller (1682–1684), Johann Theile (1685–1689), Johann Sigismund Cousser (Kusser) (1689–1694),2 Reinhard Keiser (1694–1697) dokumentarisch ungesichert; und Clemente Monari (1692 bis möglicherweise 17003) wird nur in den Libretti erwähnt, weswegen seine Amtszeit als Kapellmeister bislang gänzlich unbeachtet 1 Die einschlägigen Quellen zu Hannover sind aufgearbeitet in Georg Fischer, Musik in Hannover, Hannover 1903; Theodor Abbetmeyer, Zur Geschichte der Musik am Hofe in Hannover vor Agostino Steffani 1636–1689, Hannover 1931; Theodor Wilhelm Werner, Von der Hofkapelle zum Opernorchester, Hannover 1937; Heinrich Sievers, Die Musik in Hannover, Hannover 1961, und Colin Timms, Polymath of the Baroque. Agostino Steffani and his Music, New York 2003. 2 Spätestens seit 1692 fungierte Cousser nach Ausweis des Librettos zu Narcissus (4. Oktober 1692) als „Ober=Capellmeister“. Vgl. hierzu neuerdings Reinmar Emans, „Musiker in Wolfenbüttel / Braunschweig. Ein prosopografischer Versuch“, in: Musik an den Welfenhöfen (= Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 31), hrsg. von Reinmar Emans, Sven Hiemke und Oliver Huck, Frankfurt am Main 2016, S. 9–54, hier bes. S. 21–32 (Kapitel „II. Die Zeit zwischen 1680 und 1700“); in dieser Schrift werden u. a. die Libretti der fraglichen Zeit ausgewertet. 3 Da Monari ab 1698 als Spieler der Bassviola in Hannover nachweisbar ist, ließe sich vermuten, dass er, wie Keiser, nur bis 1697 im Amt war. Siehe ebd., S. 22f.

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geblieben ist.4 Lediglich Coussers Dienst am Hof findet seinen Niederschlag in einer Opernrechnung aus dem Jahr 1692, nach der er als „Capellmeister“ 50 Taler sowie als Vermittler von Sängern für eine Reise nach Weißenfels 30 Taler erhielt.5 Außerdem wurden seiner Witwe Hedwig Melusine, geb. von Damm, in den Jahren 1729–1734 jeweils 50 Taler „Begnadigungsgeld“ zugesprochen.6 Das ist aber zugleich sehr ungewöhnlich, hatte Cousser doch bereits 35 Jahre zuvor den Hof verlassen; und es will nicht recht einleuchten, dass Herzog August Wilhelm sich nach einer so langen Zeit etwa bestehender „Altlasten“ erinnerte, die sein Onkel Anton Ulrich zwei Regierungsperioden zuvor verursacht hatte.7 Über die Frage, weshalb der Hof diese gar nicht mal so geringen Extrakosten gleichwohl übernahm, sollte man sich noch einmal Gedanken machen. War Cousser in den 1720er-Jahren vielleicht doch noch einmal in Wolfenbüttel angestellt? Dergleichen dokumentarische Lücken können fast immer nur durch Zufallsfunde ein wenig gefüllt werden, denn weder die Findbücher noch deren digitale Erfassung (Arcinsys Niedersachsen) ermöglichen hier eine gezielte Suche. So wird für die Signatur 100 N Nr. 851 eine Laufzeit von 1801 bis 1871 angegeben, weswegen niemand vermuten würde, in dieser Mappe drei aufschlussreiche Dokumente zu Georg Österreich vorzufinden. Der Wolfenbüttler Archivar Jürgen Diehl, der sich auch mit Heinrich Bokemeyer beschäftigt hat,8 stieß rein zufällig darauf und stellte seinen Fund im Wolfenbütteler Schaufenster vom 16. März 2014 vor.9

4 Ebd., S. 21–24. 5 Siehe Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Wolfenbüttel (i. F. NLA WF), Sig. 4 Alt 5 Nr. 84 (Übertragung in Friedrich Chrysander, „Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle und Oper vom sechzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert“, in: Jahrbücher für musikalische Wissenschaft, hrsg. von Friedrich Chrysander, Bd. 1, Leipzig 1863, S. 193–197). Ergänzende Informationen erbrachte die Auswertung von neu aufgefundenen Opernabrechnungen für die Jahre 1694/1695; siehe hierzu Reinmar Emans, „Braunschweig – Wolfenbüttel – Salzdahlum: Raum- und Opernkonzepte“, in Tagungsbericht: Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa, Gotha 2016 (Druck in Vorbereitung). 6 Vgl. etwa die Kammerausgaben aus dem Jahr 1729/1730 in NLA WF, Sig. 4 Alt 1, Nr. 1401 (ohne Foliierung). Dort heißt es unmissverständlich: „Capellmeister Coussers Witwe“. 7 Typischer wäre eine Ablehnung, wie sie der Schwiegersohn des Hofkantors Heinrich Liequevetus erfahren musste, als er sich vermutlich in den 1650er- oder 1660er-Jahren um die Zahlung der restierenden Besoldung seines Schwiegervaters bemühte. Hier notierte wahrscheinlich Herzog August an den Rand des Briefes: „Mit diesen 40. Järigen Forderungen haben Wir nichtes zu thun, stehet auch auff schlechtem Beweiß“. NLA WF, Sig. 1 Alt 27, Nr. 5, ohne Foliierung. 8 Jürgen Diehl, „Die Conduite des Heinrich Bokemeyer: Neue Einblicke in das Wolfenbütteler Kantorat“, in: Zwischen Schütz und Bach: Georg Österreich und Heinrich Bokemeyer als Notensammler (Gottorf / Wolfenbüttel), hrsg. von Konrad Küster, Stuttgart 2015, S. 303–380. 9 Jürgen Diehl, „Aus dem Landesarchiv: Ein Kantor, ein Fiat und viele offene Fragen“. Inzwischen greifbar unter https://histbrun.hypotheses.org/355 (letzter Aufruf 28.7.2016). Siehe auch Reinmar Emans, „Zur Kapellorganisation in Wolfenbüttel / Braunschweig in den 1720er- und 1730erJahren“, in: Zwischen Schütz und Bach (wie Anm. 8), S. 277–289.

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Die Situation der Musiker an den Welfenhöfen

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Aus den 1680er-Jahren sind nur drei Dokumente aufgetaucht, die Rückschlüsse auf die musikalischen Verhältnisse in Wolfenbüttel ermöglichen. Reichlich versteckt in einer Akte mit der Kammer-Disposition 168410 findet sich ein Hinweis auf die Besetzung der Kapelle unter Johannes Rosenmüller. Demnach handelte es sich um eine absolute Minimalbesetzung, denn neben dem Kapellmeister werden nur „Ein Tantz Meister | Vier frantzösche [sic] Musicanten | Ein Bassiste | Ein Altiste | Ein Hoff Organiste und Cantor | Körner“ geführt. Das Dokument legt zudem die Vermutung nahe, dass die Musiker bis auf den Organisten Andreas Körner erst 1684 angestellt wurden. Ein solche „Sparpolitik“ lässt sich auch weiterhin in den Angaben einer bislang nicht ausgewerteten Kammer-Disposition vom 12. August 1685 erkennen, in der für die fürstliche Kapelle ein Betrag von 2000 Talern ausgewiesen ist,11 womit wohl nur einige wenige Musiker mehr hätten bezahlt werden können. Außerdem erhielten laut „Ausgaben-Verzeichnis bei Kammern und Ämtern“ von 1684/1685 ein „Musico Vincentino“ 200 und ein ungenannter französischer Musiker 40 Taler.12 Wer sich hinter diesen beiden verbirgt, ist bislang ungeklärt. Nicht unwahrscheinlich wäre freilich, dass sich hinter „Vincentino“ Vincenzo Antonini verbirgt, der 1686 nachweislich bei den Aufführungen der wohl auch auf italienisch gegebenen Oper Die wiedergefundene Hermione von [Giovanni] Antonio Gianettini und in Jean-Baptiste Lullys Psyché mitgewirkt hat. Zwei Jahre später singt er dann noch in Gianettinis Medea in Atene und in Giovanni Antonio Borettis L’Ercole in Tebe.13 Zweifellos war, wenn man die Libretti aus der Zeit anschaut, die leider nur selten das Sängerpersonal auflisten, auch während der ansonsten so schlecht dokumentarisch belegbaren Zeit das musikalische Leben in Wolfenbüttel und Braunschweig ausgesprochen lebhaft. Umso bedauerlicher ist, dass sich darüber hinaus bislang keine weiteren einschlägigen Quellen finden ließen.14 Gezielte Recherchen zu Nikolaus Adam Strungk, der an verschiedenen Welfenhöfen angestellt war, lenken den Blick auf einen weiteren Welfenhof: den Hof zu Bevern. Zum dortigen Theaterleben gegen Ende des 17. Jahrhunderts hat Paul

10 NLA WF, Sig. 4 Alt 19, Nr. 4706 (ohne Foliierung). 11 NLA WF, Sig. 4 Alt 19 Nr. 4696, fol. 9r. Zum Vergleich: In den 1730er-Jahren wandte der Herzog, wie die entsprechenden Kammer-Dispositionen ausweisen, für die Kapelle durchgehend 4.000 Taler, ab 1740 dann über 6.000 Taler auf. Aus den Abrechnungen der Kapell-Etats ab 1726/1727 wird allerdings ersichtlich, dass aus der fürstlichen Kammer nur eine Teilfinanzierung erfolgte. Zusätzlich flossen Mittel aus den Klöstern, der herzoglichen Schatulle und der Landrentkasse (Landschaftskasse) ein (siehe etwa NLA WF, Sig. 1 Alt 25, Nr. 306). Möglicherweise ist eine solche Mittelverteilung auch im 17. Jahrhundert üblich gewesen. Jedenfalls lässt sich spätestens ab 1717 nachweisen, dass Subsidien aus den Klöstern in den Unterhalt der Kapelle flossen (NLA WF, Sig. 41 Alt Fb. 1, Nr. 47, fol. 4–6). 12 NLA WF, Sig. 4 Alt 19 Nr. 4696, fol. 6v–7r. 13 Chrysander, „Geschichte“ (wie Anm. 5), S. 200, und Emans, „Musiker in Wolfenbüttel / Braunschweig“ (wie Anm. 2), S. 30. 14 Ebd., S. 21–32.

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Zimmermann 1904 einen umfangreichen Aufsatz vorgelegt und am Rande auch die Situation der dort angestellten Musiker skizziert.15 Im Staatsarchiv Wolfenbüttel sind allerdings noch umfangreiche Materialien erhalten, die bislang nicht vollständig ausgewertet wurden und überwiegend die Situation der in Bevern angestellten Musiker beleuchten.16 Da Herzog Ferdinand Albrecht I. von Bevern seine Musiker über die Vermittlung von Strungk, der zu dieser Zeit in Hannover angestellt war, an die Weser holte, lassen die Dokumente auch einen, wenngleich eingeschränkten, Blick auf den hannoverschen Hof zu. Zugleich bleibt auch Wolfenbüttel stets präsent, weil Ferdinand Albrechts älterer Halbbruder, Rudolf August, als regierender Herzog die Hofführung in Bevern sehr genau beobachtete und zu einzelnen aus seiner Sicht problematischen Entwicklungen zum Teil sehr deutlich Position bezog. Nach heftigen Erbstreitigkeiten war Ferdinand Albrecht 1667 das Schloss Bevern zugesprochen worden, unter gleichzeitigem Verzicht auf Einmischung in die Regierungsgeschäfte des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel. Nicht ganz zufällig dürften seine Brüder für ihn den am weitesten von Wolfenbüttel entfernten Ort auf ihrem Territorium als Allodialsitz ausgewählt haben, denn trotz all seiner dichterischen Begabung und künstlerischen und musikalischen Interessen scheint er schon bald nach dem Tod des Vaters Herzog August als das schwarze Schaf der Familie angesehen worden zu sein. Als Ferdinand Albrecht 1673 Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft wurde, erhielt er bezeichnenderweise den Beinamen „Der Wunderliche“. Für uns interessant ist er vor allem deswegen, weil seine Korrespondenz indirekt auch Einblicke in den Führungsstil in Wolfenbüttel gewährt. Es mag sein, dass Strungk, der nach einer ersten kurzen Station in Braunschweig 1661 nach Celle ging, um dann nach dem Tod des Herzogs Christian Ludwig von Herzog Ernst August in Hannover angestellt zu werden, als Persönlichkeit problematisch war; völlig überzogen charakterisiert wird er aber von Herzog Ferdinand Albrecht I. von Bevern, für dessen Hofkapelle er diverse Musiker anwarb. „Weilen die Hertzoginn von Osnabrüg [= Sophie von der Pfalz] in ihrer angenehmen Compagnie nicht beschweren mag, Sie aber die eigentliche beschaffenheit, was der böse Strunck hin undt wieder spargiret, begierig zuwissen, undt Sie auch gewöhnet, daß Mons.[ieu]r / : wie ich auch daran nie gezweifelt : / alle Zeit meine partheÿ hielte, Als ersuche ich ihn fideliter, folgendes zu referiren: Wie ich vor numehro 2 Jahren mit meiner

15 Paul Zimmermann, „Herzog Ferdinand Albrechts I. zu Braunschw. u. Lüneburg theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern“, in: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig, hrsg. von Paul Zimmermann, 3. Jg., Wolfenbüttel 1904, S. 111–156. Dank seiner Auswertung des fürstlichen Tagebuchs von 1680 (NLA WF, heutige Sig. 95 Alt Nr. 16) sind wir über die Musiksituation dieses Jahres unterrichtet; zudem gibt er einige wenige Informationen zu Musikern, deren Wirken zeitlich vor den in diesem Beitrag geschilderten Ereignissen liegt. 16 Einen allgemeineren Überblick über die Strukturen am bevernschen Hof gibt Frank ZadachBuchmeier, „Der ,Herzog von Zittern und Beben‘ Ferdinand Albrecht I. von BraunschweigLüneburg“, in: Werk­stattGeschichte 6: Männerleben – Lebemänner, Hamburg 1993, S. 12–22.

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Gemahlinn von Luchau durch Hannover kommen, hat sich Strunck selbst angebotten, er wolle mir eine Capell schaffen, wan ich ihm jahrlich 1000 Rhthlr. [Reichstaler] gebe, 200 Rthlr. wolle er vor sich behalten, undt vor die übrige 800 Rthlr. die vocalisten bezahlen; das ging ich ein, undt verhoffte er würde mir gute Leute schaffen, undt Sie auch vergnügen. Ich bekam aber nichts als böse ungezogene Buben, die sich nur auff spioniren, courtoisiren, undt verdechtiges correspondiren legten, Undt Struncken alles was hie passirte eröffneten, behielten auch das Geldt vor Sie, daß ich Sie doppelt bezahlen muste, Hierüber wardt ich ungnädig auff ihn, undt erließ ihn seiner dienste, Zumahln da er nicht einmahl, als er hier wahr mir Zugefallen, eine viole streichen wolte, das chocquirte ihn nun dermaßen, daß er die übrige ferner so verführte, daß die meisten weggelauffen, undt zu Schelmen worden sindt […].“17

So beginnt ein Schreiben Herzog Ferdinand Albrechts an den Drost Klencke18 in Hannover vom 30. Januar 1679. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verhältnisse in Bevern bereits eskaliert, zahlreiche Musiker waren entweder inhaftiert oder gerade noch rechtzeitig entlaufen; Rudolf August, der ältere Bruder in Wolfenbüttel, versuchte händeringend, Ferdinand Albrecht wieder zur Besinnung und Contenance zu bringen, was aber nicht gelang. Im oben herangezogenen Schreiben beurteilt Ferdinand Albrecht wohl zu Recht: „Mein Bruder [gemeint ist Rudolf August] will mir auch in keinem an die handt gehen“, und den anderen Bruder, Anton Ulrich, bezeichnet er nachfolgend als einen, „der mich von Jugendt an gehaßet“.19 Seit spätestens Juni 1677 war die Situation für die bevernschen Bediensteten desolat; zu diesem Zeitpunkt mahnte Ferdinand Albrecht seine Musiker ab und erinnerte sie an ihre Pflichten. Grund dafür war „[…] das neüliche Exempel unserer Musicanten am vergangenen Freitag, dann auch die verzeichnuß der declarirten Schelmen, deren Nahmen in Unserer Gerichts Stuben aufm Galgen Brette am Balcken hengen, welche alle Eÿd und Pflicht vergeßen und gar davon geloffen, undt zwar an der Zahl etliche und Zwantzig.“20

Wie ein Auszug aus einer der üblichen Bestallungsurkunden liest sich der nachfolgende Passus, in dem er die Musiker mahnt: „[…] daß Sie hinfüro den Göttl:[ichen] und Weldlichen Rechten vermög Ihrer Eÿden gehorsamblich sollen nachleben, beÿ vermeidung denen dabeÿ angehenckten Leib und Lebens straffe, Unsere Löbliche Ordnungen beßer alß bißlang beobachten, die Gottes furcht eiferiger spüren laßen, Ihre Obrigkeit und Seelsorger beßer respectiren und Behorsamen, alle Leichtfertigkeiten in worten und wercken hinfüro meiden, und sich so bezeigen, daß

17 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 208–210, Zitat fol. 208r und v. 18 Vgl. auch den Beitrag von Helen Coffey im vorliegenden Band, S. 113. 19 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 208–210, Zitat fol. 210r. 20 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 23, fol. 46.

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Wir unß rühmen können, fromme redliche Bieder Männer zu dienern, und nicht Ruchlose Belials Kinder zu haben […]“.21

Auch die Pflichten der Musiker werden im Einzelnen benannt: „In specie sollen Unsere Musicanten die anitzo Bestellet und noch kunfftig möchten bestellet werden, Mittwochens und Freitages von 2. Biß 4. Uhr Collegium Musicum halten, und darinn waß Sontagß zu Musiciren, fleißig exerciren, damit die viele Sauen [„unanständige Reden führen“22], die sie Beÿ dem Gottesdienst auß faulheit und Bloßem Muhtwillen begehen, vermieten Bleiben, nicht mehr unter dem Schein sie Musiciren, Plaudereÿ treiben, oder zum Frauenzimmer hinschleichen Beÿ vermeidung wilkühriger Leibes Straffe, die ihnen so wohl ohnvermeidlich wiederfahren soll, alß auch Unserm Gerichts diener, wenn er nicht ieder Zeit oben ist, und ohngescheüet anmeldet, sich zu rechter Zeit Beÿ allen Gottesdiensten anfinden, andächtig zuhören, und nach verrichtetem Gottesdienst, und wann Sie beÿ der taffel aufgewartet, sich wieder an ihre Gehörige orten verfügen, und nicht in die Heimbliche Winckel so wohl tagß alß Nachts sich verstecken, viel weniger alß die Fleder mause und Eülen herauß wischend die sundliche Nachtwercke zu treiben, alle Rottirungen, Conventicula in den Krügen: Bier, Wein und Tobackßgelagen meiden, und nicht unter dem schein des ihnen erlaubten spitziren gehens in verdechtige Orter gehen, da man von Ihrer fürstl[ichen] Obrigkeit schimpflich redet, denselben beÿfall geben, noch sich so Lang in die Nacht verspäten, daß sie des Morgens nicht auß den Federn kommen können ihren verrichtungen abzuwartenn. Unsere Musicanten die Nebenbedienungen haben, sollen solche treu und fleißig verrichten, sich umb nichts als das ihrige bekümmern, das Licht und feüer Wohl verwahren, des tobacks schmauchens sich enthalten beÿ vermeidung schwerer Gefängnuß […]“23

Schon wenig später aber setzt Ferdinand Albrecht einen gewissen Borchert Grote in Haft.24 Am 22. August 1677 informiert der Oberamtmann Johann Gabriel Cleve seinen Kollegen Konrad Schwartzkopff, der als Korrespondent dem Wolfenbütteler Hof regelmäßig über die Zustände in Bevern Bericht erstattete und zehn Jahre später in den Adelsstand erhoben wurde, mit der Eilpost, dass die Gerichtsverhandlung dem Vernehmen nach vom Küchenmeister und einigen „musicanten“ geführt worden sei. Dies wird wenig später von Schwartzkopff bestätigt. Zudem hat er in Erfahrung bringen können, dass Ferdinand Albrecht seinen Bediensteten

21 Ebd. 22 Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, I-XVI, Leipzig 1854–1960; Bd. 14, 1893, Sp. 1861. 23 Ebd. 24 Zu diesem Vorgang siehe auch Horst-Rüdiger Jarck, „Herzog Ferdinand Albrecht I. als Gerichtsherr (1677). Herrschaftsanspruch und Duodezfürstenspektakel im Schloß Bevern“, in: Braunschweig-Bevern. ein Fürstenhaus als europäische Dynastie 1667–1884, hrsg. von Christof Römer, Braunschweig 1997, S. 191–208. In diesem Beitrag finden sich auch vollständige Übertragungen der diesbezüglichen Korrespondenz.

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Grote „an Hendten undt füeßen schließen laßen, undt also einige tage in Carcere detiniren laßen“. Das führte dazu, dass „[…] gleich dießem armen Menschen aber die eißen undt Banden, womitt Er bishero gefeßelt geweßen, in die lenge unerträglich fallen wollen, maßen Ihme die Beine albereits der Gestaldt davon geschwollen gewesen, daß er nehrlich [= kaum] mehr fortkommen können, Ist er endtlich gezwungen derjenigen straeffe, wozu seiner meinung nach Ihn zwar kein Recht in die Weldt verbindten können, sich nolens volens zu unterwerffen, Nach beschehung deßen er dann auff freÿen fues hinwieder gestellet wordten.“25

Auf Befehl der Wolfenbütteler Kanzler und Räte versuchte Schwartzkopff, die Gründe der Inhaftierung in Erfahrung zu bringen. Nicht wirklich verwundert teilt er Kanzler und Räten mit, dass es eigentlich nur um ein Stück Speck gegangen sei, das Grote für den Herrendienst erhalten hätte, welches er aber als zu klein befunden habe.26 Nachdem ihm eine weitere Verhaftung zugetragen wurde, muss sich wohl Herzog Rudolf August in das Verfahren eingemischt haben, denn am 18. September 1677 schreibt der jüngere Bruder Ferdinand Albrecht an ihn: „Wir verwundern Unß Billig über des falschen Referenten erkühnen, der Ew: Ldl: [Euer Liebden] mit unwarheit berichtet, alß hetten Wir den Schmid Klencken in hafft, undt ihn laßen durch einen Scharf=Richter, auß Höxter abstraffen, Sie verlangten deßwegen antwort […]“27

Der Ton verschärft sich, der Jüngere wirft dem Älteren vor, er würde nicht genügend auf die Reputation ihres Hauses achten und durch allzu weiches Vorgehen nur dafür sorgen, dass sich die Probleme noch verstärken. Vor allem glaubt Ferdinand Albrecht, seinen Bruder davon überzeugen zu müssen, dass die Untaten seiner Diener nur darauf abzielten, „das freund Brüderliche vernehmen zu verstören“.28 Durch den Korrespondenten Schwartzkopff werde Rudolf August ohnehin nicht richtig informiert: „Wir wißen wohl daß sie [gemeint ist die Wirtin in Bevern] sich auff Schwartzkopff steiffet, in waß großer familiaritet sie aber mit dem selben lebt, wißen nicht allein die Kinder hier auf den Gaßen, besondern des gantzen Weserstromß Einwohneren. Wir erfrewen Unß daß Wir nicht sein Richter sein, sonsten solche Connivens [frz. connivence] Unß schwer verantwortung an Jungsten tage zuziehen würden.“29

25 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 23, fol. 89–90. 26 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 23, fol. 93–96. 27 Ebd., fol. 100–101. 28 Ebd., fol. 100v. 29 Ebd., fol. 100v–101r.

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Ferdinand Albrechts Verfolgungswahn tritt hier wie auch in anderen Dokumenten deutlich zu Tage, wenn er schreibt: „Es haben so wohl geist= alß weldliche hie und in der Nachbarschafft Unß nach Leib undt Leben getrachtet, undt haben Wir Unß noch gnugsam vorzusehen Ursach, so wohl durch verfälsch= undt vergifftung des Getränckß alß Zaubereÿ. Wir dancken aber Gott, der Ihre Rencke zernichtet, der wird sie nicht ungestraffet laßen, Ob weldliche Obrigkeit schon mit ihnen durch die finger siehet.“30

Um dergleichen Ränken zuvorzukommen, veranlasste Ferdinand Albrecht vermutlich im selben Jahr, dass auf dem Landgericht 50 „Gravamina“ verhandelt wurden, wobei es im Wesentlichen um Bestrafungen und gerichtliche Verfolgung von Bediensteten ging.31 So versuchte Ferdinand Albrecht im Sommer 1678 etwa, seinen Musikdirektor Magnus Petrus Henningius durch steckbriefliche Suche einer seiner Ansicht nach notwendigen Bestrafung zuzuführen.32 Flankiert wurde die Suche durch Briefe an die Verwandtschaft in Hannover und Celle sowie durch ein persönliches Schreiben an Herzog August Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf, da dem bevernschen Herzog zu Ohren gekommen war, dass sich Henningius mithilfe des hannoverschen Hofpredigers Johann Wilhelm Petersen offenkundig als Bassist nach Norddeutschland abgesetzt hatte. Gewiss zog ein Brief des Musikers, in dem er seine Freude zeigte, dass „Er nun aus den Ketten der dinstbahrkeit und Striken der Sclavereÿ entkommen“33 sei, besonderen Zorn auf sich. Am folgenreichsten gestaltete sich freilich die Auseinandersetzung mit Friedrich Johann Meister, der von Nikolaus Adam Strungk empfohlen und am 20. Januar 1677 als Musikdirektor der Hofkapelle in Bevern angestellt worden war.34 Erstmalig berichtet Busso von Münchhausen am 13. Oktober 1678 Herzog Rudolf August von den neuesten Verwicklungen. Von Münchhausen hatte auf des Herzogs Befehl in Bevern aufgewartet, um einige Erbschaftsstreitigkeiten zwischen den Brüdern zu regeln, und erfuhr dabei, dass Ferdinand Albrecht den Rat seines älteren Bruders 30 Ebd., fol. 100v. Eine zuvor, am 29. und 30. August durchgeführte Befragung der Wirtsleute, die angeblich die Musiker versteckt gehalten und die auch einige Bediente zum Ungehorsam verleitet hätten, zeigt ebenso den Verfolgungswahn des Herzogs wie das zugleich erfolgte Verhör von Klaus Brinkmann, der verdächtigt wurde, den Bevern´schen Brunnen vergiftet zu haben (NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 23, fol. 117–125). 31 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 67–70. 32 Ebd., fol. 75. Inwieweit die zusätzlich im Steckbrief erhobenen Vorwürfe, Henningius habe 20 Reichstaler entwendet, verschiedene Frauen geschwängert und selbst seinem Musikerkollegen in Hamburg, Franz Ernst Schlüsselburg, ein Halstuch gestohlen, der Wirklichkeit oder der Fantasie entspringen, mag jeder für sich beurteilen. 33 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 72r. 34 Knapp zwanzig Jahre später legte Meister eine Sammlung mit Triosonaten Il giardino del piacere im Druck vor, die mit zwölf originellen und handwerklich gut gearbeiteten Sonaten hinreichend belegt, dass die Empfehlung Strungks berechtigt und Meister durchaus zu den wirklich ernstzunehmenden Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit zu rechnen war.

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wegen einer Sache suchte, „die Sie [= Ferdinand Albrecht] nicht wohl schreiben könten“, die er Münchhausen aber im Vertrauen mitteilte. Als der Herzog das Gemach seiner Frau, Herzogin Christine, betreten hätte, sei diese in einen „chiffrierten“ Brief versunken gewesen, den sie ihm aber nicht habe zeigen wollen. Sie habe sich „[…] deßen geweigert, und ihn zerreißen wollen, worunter [?] Sie [Ferdinand Albrecht] Ihr aber zuvorkommen, und den brieff Ihr aus der handt genommen, da [?] sie gesehen, daß es des Capelldirectors nahms Meisters / welcher, als er schon vor disem mit disgrace von Ihr kommen, und hernach zu Goltern Organist worden, vor 2 jahren wieder zu Ihr gezogen / handt gewesen, und wie gleich der hoffprediger ins gemach getreten, hätten Sie selbigem den brieff zugestellet, umb den kerl darüber zubefragen, welcher auch zuvor gestehen müßen, daß es seine handt wäre, aber von dem inhalt nicht anders bekennen wollen, als daß Er G [?] der hertzogin dl [Durchlaucht] gesuchet Ihr seinen abschiedt zuwege [?] zubringen. Weil dieses aber nicht wohl seÿn können, durchl [Durchlaucht] solchen falls dero Gemahlinn nicht wurde nötig gehabt haben, des briefes halbers sich so sehr zusperren [?], so käme Ihr solches über die maße verdächtig vor, bevorab da Ihr schon ein brieff zu handen kommen, worin Ihre Gemahlinn an bemelten Musicum geschrieben, daß er ja seinen abscheidt nicht fodern möchte, denn er nirgendts so eine getreue seele finden würde.“35

Dies war Anlass genug, den Musiker zu inhaftieren, wodurch die Angelegenheit freilich zwangsläufig mehr eskaliert war, „als Ihr [Ferdinand Albrecht] lieb wäre, und wüsten Sie fast nicht was Sie thun solten.“36 Den Rest des Briefes macht die Beschreibung der Versuche Münchhausens aus, den Herzog von dem im Raume stehenden Verdacht abzubringen, doch bestand Ferdinand Albrecht auf Vermittlung durch den Bruder, da „die sache so sensibel“ sei, dass er das vorgeschlagene aufklärende Gespräch mit Christine nicht glaubte führen zu können. Von Münchhausen befürchtete daraufhin, dass der „Musicus eine tortur ausstehen müßen“,37 zumal der Scharfrichter aus dem Stift Corvey bereits bestellt sei. Bereits einen Tag später berichtet von Münchhausen erneut, wobei erste Zweifel an der Beschreibung des Sachverhalts durch den Herzog laut werden. Dem Vernehmen nach werde nämlich die Herzogin „gantz eingesperret gehalten“, so „daß niemandt zu Ihr kommen kan“. Und so bleibt die Frage im Raum „wie Sie dieses schreiben herunter gebracht“. Jedenfalls seien zahlreiche Geschichten im Umlauf, „welche der feder zu trauen billich bedencken trage.“38 35 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 87–88; Zitat fol. 87v–88r. 36 Ebd., fol. 88r. 37 Ebd., fol. 88v. 38 Zitate aus NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 89r. Dagegen liest sich dieser Konflikt bei Zimmermann, „Herzog Ferdinand Albrechts I.“ (wie Anm. 15), S. 113, ausgesprochen harmlos: „Auch sie [Herzogin Christine] hatte nicht wenig unter seinen Launen zu leiden; indem er ihr ein strafbares Einverständnis mit einem Pagen vorwarf, plagte er sie mit seiner Eifersucht in einer Weise, dass es zu ernstlichen Zwistigkeiten zwischen beiden Gatten kam.“

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Zwei Monate später, am 11. Dezember 1678, macht Ferdinand Albrecht durch einen Steckbrief öffentlich bekannt,39 dass Meister ein Ausbruchversuch gelungen ist. Zuvor hatte jener an verschiedenen Stellen um juristischen Rat nachgesucht,40 wohl vor allem, um seinem älteren Bruder die gewiss befürchteten Argumente gegen die Bestrafung zu nehmen. Mit drastischen Worten berichtet Ferdinand Albrecht auch in weiteren Schreiben von dem Ausbruch: „WIr fügen hiemit jedermänniglich zu wissen; Demnach Friedrich Johann Meister eines Schulmeisters Sohn aus der Stadt Peina im Stifft Hildesheim bürtig41 / unser gewesener Discantist / wegen einiger boßhafften Ubelthat in die 9. Wochen auf den Hals gefänglich eingesessen / und in Ketten und Banden gelegen / und man eben im Begriff gewesen / nach unterschiedlichen Examinibus die Sentenz zu publiciren / daß er heunt in dieser Nacht eine Complotte gemacht mit unserm Organisten Henrich Johann Engerten / des Kornschreibers zu Burgwedel Christoph Engertens ältisten Sohn / und Nicolaus Hanns Peter aus Eldaßen unserm Thürmergesellen / welche zusammen sich unterstanden durch die Mauer ein Loch in unsere Gerichtstuben zu brechen / gedachtem Meister die Ketten und Bande helffen ablösen / ein Fenster auszuheben / die eiserne Gegitter mit einer Axt voneinander zu treiben / und sich endlich alle drey nacheinander mit einem dicken Strick / (dessen sich vor längst schon ein Schelm zum Ausreissen gebrauchet / und eben in unserer Gerichtstuben zum Exempel aufgehenckt gewesen) in den Graben / der mit Eiß gantz zugefrohren / hinunter zu lassen / und heilloser Weise davon zu lauffen.“42

Für die Erfassung dieser „[…] drey undanckbare[n] strickwürdige[n] Vögel / als Friederich Johann Meistern / einen langen Kerlen / von länglichten Gesichte / und kurtz weiß=braunen Haaren / in grauem alten Kleid und rauhen Bart. Henrich Johann Engerten / einen schmahl=länglichten Kerlen / mit langem braunen Haaren und Kleidern. Nicolaus Hanns Petern / einen langen hageren Kerlen / eines runden dürren bleichen Gesichts mit kurtzen grausen schwartzen Haaren / in einem braunen Kleide […]“43

schreibt Ferdinand Albrecht einen „ansehnlichen Recompens“ aus. Dass der Organist Heinrich Johann Engerten bei Meisters Flucht half, wundert kaum. Der Herzog belegte ihn nämlich wiederholt mit nicht unbeträchtlichen finanziellen Strafen, die 39 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 155–156. 40 Siehe etwa das Antwortschreiben in NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 146. 41 Abweichend von dieser Angabe des Geburtsortes vermutet Andreas Waczkat, Artikel „Meister, Johann Friedrich“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG 2), Personenteil Bd. 11, Kassel u. a. 2004, Sp. 1487, Ebstorf; zugleich weist er aber darauf hin, dass das Ebstorfer Taufverzeichnis nicht zwingend die gleiche Person meint. Auch die Reihenfolge der Vornamen ist in allen für diesen Beitrag konsultierten Quellen eindeutig abweichend Friedrich Johann. 42 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 143a bzw. fol. 144–145; hier zitiert nach dem Druck auf fol.  156f. 43 Ebd.

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sein Salär massiv schmälerten.44 Ebenso wenig wundert es, dass Konrad Schwartzkopf Herzog Rudolf August am 25. Dezember 1678 berichten muss: „Die Musicanten daselbst haben nach, undt nach so sehr abgenommen, daß man gegen dießes fest [wohl das Weihnachtsfest] den Eschersheusischen Organisten dahin verschrieben“.45 Aber egal, an welchen Fürsten Ferdinand Albrecht sich in der Ausbruchsache wendet: Unterstützt wird er von niemandem. Vielmehr geraten die Dinge zusätzlich noch stärker aus den Fugen, weil er zeitgleich die Tochter seines ehemaligen Türmers Georg Ahle, der wahrscheinlich in den frühen 1670-Jahren „Zweÿ jahr mit der Music zu Bevern in der Kirch, und auf den thurm aufgewartet“ hatte,46 inhaftieren ließ; er verdächtigte diese, sie sei ebenfalls in den Ausbruchversuch verwickelt und habe mit Meister eine Liaison unterhalten.47 Ihr Vater nämlich versucht intensiv, sich gegen die Inhaftierung seiner Tochter zur Wehr zu setzen, und schreibt seinerseits nicht nur an die bevernsche Herrschaft (dabei mehrfach an Herzogin Christine) und einige Bekannte, von denen er sich Hilfe verspricht, partiell sehr anrührende Briefe, sondern will sich auch nach Wolfenbüttel, Hannover, Kassel und gar an das kaiserliche Kammergericht wenden, um die aus seiner Sicht große Ungerechtigkeit anzuprangern. Vor allem greift er den Hofprediger und Scharfrichter Samuel Baldovius heftig an, der als Inquisitor für die Situation der Tochter hauptsächlich verantwortlich sei („Solche Tyranney rechne ich alle dem hoffprediger zu“ 48).

44 So betrug sein Salär vom 20. Januar 1677 (Bestallung) bis zum 2. Juli 1677 annähernd 36 Taler, von denen er allerdings nur 4 Taler bis dahin erhalten hatte. Abgezogen wurden ihm an Strafen („weil er die Orgel nicht gespilt u. zu langsam kommen“ – „weil Er unter dem gebeth die Orgel geschlagen“ – „wegen der spitzigen Antwort“ – „wegen seines Zettuls“ – „wegen der schw. C. [schwarzen Kammer] u. arrestuben [sic]“ – „Laut Zettuls“) 16 Reichstaler und 22 Groschen (NLA WF, Sig. 95 Alt, Nr. 9, fol. 36). In derselben Akte finden sich noch weitere Strafquittungen aus dem zweiten Halbjahr seiner Beschäftigung. Zweimal war Engerten nach Ausweis der Quittungen „nicht zu rechter Zeit in die Kirche kommen“, mal wurde er bestraft „wegen Einer Gläsern Flasche so ich entzweÿ gebrochen“ oder „wegen deßen daß ich die Leute so auß der Kirchen geblieben nicht angemeldet“ oder „wegen deßen daß im Orgellschlagen waß versehen undt mich nicht an meinem Gewöhnlichen orth in der Kirchen gesetzt“. Doch immerhin scheint er nun regelmäßiger zumindest Teile seines Gehalts empfangen zu haben. 45 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 147–148. 46 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 177v. In einem Brief vom 31. Dezember 1678 an Herzogin Christine schreibt Ahle, er sei inzwischen mittellos, „denn ich durch die Bevers[ch]en dienste von haus und hoff ja umb alle das meine kommen“; zugleich geht er sie um Rat an, wie er sich in der Sache am besten verhalten solle und ob er Hilfe bei seinem Landesherrn in Hannover und, wenn dies nicht zum gewünschten Erfolg führen würde, „bey Ihr hochf. durchl. hohen anverwanten“ erbitten könne (NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 169). 47 Siehe etwa NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 154r. Hier heißt es, Ahles Tochter habe sich dadurch „sehr suspect gemacht“ „daß sie sich beÿ inhafftirung der ausgewichenen sehr ­sel[t-] sam angestelt, In ohnmacht gefallen, geseufzet, Lamentiret und dergleichen.“ 48 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 169v.

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Da niemand die Tochter besuchen könne, wisse er nicht einmal, „ob sie lebendig oder todt ist“.49 Angeklagt sei sie zunächst wegen übler Nachrede gegenüber Herzog Ferdinand Albrecht, obwohl über diesen doch nach Meinung des Vaters „kein Mensch gefunden werden wirt der Mit Rechten gutten gewißen ihr furstl[.] durchl[.], anderß nach Reden könen wirt alß alle hohe furstl. Rumliche thugent“.50 Entscheidender aber dürfte gewesen sein, dass, wie am 3. Januar 1679 der von Ahle verbal angegriffene Samuel Baldovius mitteilt, „sie in Verdacht der weggelauffenen 3. schelmen halber mit denen sie sich allezeit gezogen, und ihnen die amour abgewinnen wollen“.51 Der Vorwurf der üblen Nachrede hingegen sei gegen sie laut Baldovius gar nicht erhoben worden. Als Baldovius auch Georg Ahle nach Bevern zitiert, um ihn ebenfalls zu inhaftieren, und zudem von fürstlicher Seite der Versuch unternommen wurde, angebliche Unterstützer der Flucht ebenfalls ins Gefängnis zu bringen, ergeht von Herzog Rudolf August am 11. Januar 1679 ein Schreiben an seinen jüngeren Bruder, in dem er seine Sicht ausgesprochen deutlich werden lässt: „Gleich wie wir nun vorhin E. lbd. [Euer Liebden] öfters freundbrüderlich zuvernehmen gegeben, dass wir nicht gewohnet auf blossen Verdacht ehrliche Leute zubestrafen, oder auch ohne genugsahme indicia auf selbige inquiriren zulassen, Also werden Sie auch vorietzo von selbsten hochvernünftig ermessen, dass wir diesem ihren auf blossen argwohn [hier schreibt Ferdinand Albrecht an den Rand: noch zue zeigen] begründeten ansuchen also schlechter dinge nicht deferiren können.“52

Doch damit lässt es Rudolf August nicht bewenden; für alle Anschuldigungen der angeblichen Fluchthelfer sieht er keine hinreichenden Beweise, und auch gegen Georg Ahle will er nichts weiter unternehmen, zumal dieser Untertan des Hannoveraner Verwandten Herzog Johann Friedrich sei. Was die Inhaftierung der Tochter Ahles betrifft, so hoffe er, „es werden E. lbdl. [Euer Liebden] zu einer so schwehren inhaftirung satsahme und in rechten begründete Uhrsache gehabt haben“.53 Seine eigene Geisteshaltung bekundet Herzog Rudolf August dann weiterhin in der Ermahnung des jüngeren Bruders, „in derogleichen fällen nicht auf blossen argwohn, sondern, wie sichs zu rechte gebühret, zuverfahren.“54 Zugleich verbittet er sich, dass seine eigenen Diener deswegen beschimpft würden, weil sie zu Recht den Wünschen von Ferdinand Albrecht nicht Folge leisteten. Der Hofprediger Baldovius solle sich nicht weiterhin in weltliche Dinge einmischen. Das stehe ihm nicht zu, und er werde sich auch dafür verantworten müssen. 49 Ebd. 50 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 182r. 51 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 180v. 52 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 186–187, hier fol. 186r. 53 Ebd., fol. 187r. 54 Ebd., fol. 187r.

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Die Situation der Musiker an den Welfenhöfen

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Da nutzt es nichts, wenn Ferdinand Albrecht in dem zu Beginn zitierten Schreiben an den Drost Klencke glaubt, weiterhin Strungk für alle diese Missstände verantwortlich machen zu können. „Wie [?] dieser Schelm Meister war eingezogen, fängt der boßhaffte Strunck zu Hannover eine plaudereÿ an, als wen ich ihn, Meister hätte mit gifft vergeben wollen, Ihn ins ärgste Gefängniß an eÿsern Banden schließen, den Kopff vor die füße legen, undt meine Gemahlinn in die schwartze Cammer setzen laßen, dies geschreÿ breitet sich so weit aus, daß es auch meiner Schwiegermutter [= Eleonore Katharine von Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg] hinterbracht undt an die Handt gegeben worden, hieher zureisen, die es aber viel anders befunden, undt approbirt hat, daß man ihn so tractiren müßen; dieser Schelm Meister begiebet sich, als er ausgebrochen gleich nach Hannover zu Struncken, sprenget neue Lügen aus, undt dieses alles so frech, undt verwegener weise, ohn geachtet er vor dem sich schon ver reversirt gehabt, derogleichen sich zuenthalten, niemahlen an meiner Gemahlinn zu schreiben, auch noch kurtz vorher ein juramentum purgatorium abgelegt, daß er nichts umb des Witvogels Unsers vorigen Organisten des Pastoren zu Osen sohn so böses Pulver damit er mein Getränck vergiftet hatte, wiße, darüber sich gedl.r [gedachter] Witvogel auch in praesentz seines Vaters jurato purgiren müßen, undt einen Uhrphedt [Urfehde, im Sinne von eidesstattlicher Erklärung] abgelegt, numehr aber, wie verlautet, auch viele ungegründete Lügen spargiret, welches alles mich dan sehr schmertzet.“55

Dass alle diese Vorwürfe verknüpft werden mit der Bitte, Bescheid zu geben, welche Opern in diesem Karneval in Hannover gegeben werden und zuvor so bald wie möglich die Libretti ihm zukommen zu lassen, zeigt dann die andere Seite des problematischen Welfenherzogs, der die gesamte Angelegenheit auch ganz opernhaft beendet. Konrad Schwartzkopf berichtet am 14. Januar 1679 an Herzog Rudolf August über das in Bevern gefeierte Dankfest für die Errettung des bevernschen Herzogs aus dem Wasser. Zwar habe Ferdinand Albrecht am Tag zuvor den Leibkutscher zu dem „höltzerm pferdt“56 und seinen „Cammerade“ zu „halß Eisen“ verurteilt, zugleich habe er allerdings einige Inhaftierte eigens zu diesem Fest entlassen. Geradezu an Gemälde von Hieronymus Bosch oder auch Pieter Bruegel den Älteren gemahnt Schwarzkopfs Beschreibung des offenkundigen „Höhepunktes“ des Festes: „Des entwichenen Musicanten Meisters zerstückete Kleidter, so seither der letzt an ihme verhangeten execution in der Arrestkammer verwahrlich enthalten gewesen, sindt an vohrwähnten feste unter die armen vertheilet, da denn deren einer mit einem halben Ermel, ein andter mit einem halben Schoße, Schiebesocke [?], undt so fortan, erfrewet wordten, Der Schuhe aber haben sie nicht theilhaftig werdten mögen, maßen dieselbe,

55 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 209r-v. 56 Gemeint ist wohl ein auch als „Spanischer Bock“ oder „Spanisches Pferd“ bezeichnetes Folterinstrument.

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Reinmar Emans

denen annoch in den halßeisen befindtlichen häten [?] beygefüget, u. ein Zettel mit einer schrift dabey angeheftet wordten …“57

Das letzte Wort soll nun aber Herzog Rudolf August haben, der am 20. November 1678 deutliche Worte findet, wie Regenten ihre Bediensteten behandeln sollten. Man wird wohl davon ausgehen können, dass er sich selbst, ebenso wie seine Hannoveraner Verwandten, einer seinen Worten gemäß recht liberalen Personalführung befleißigte und fürstliche Willkür wie die seines Bruders von ganzem Herzen ablehnte: „Nun Bedauren Wir zuforderst, dass E. lbdl. [Euer Liebden] darunter so unglücklich, dass Sie so ofte sich über die entlaufung dero Bediente Beklagen müssen, und so Wenig derselben in gutem Willen Beÿbehalten können, da Wir sonst nicht leicht dergleichen Beschwehrungen von iemand anders hören, und stellen demnach E. lbdl. selbst eigenem hochvernünftigem nachsinnen anheim, woher eben ihr alleine solch misvergnügen ieder Zeit erwachsen möge, Und Wie Wir denen Unserigen nicht anmuhten können noch mögen, auf E. lbdl. Bediente stets acht zuhaben, und selbige anzuhalten, zumahlen auch solches so Woll Unserm als E. lbdl. selbsteigenem Fürstl. respecte verkleinerlich fallen dürfte, Also sehen Wir auch Unsers ohnvorgreiflichen orts kein Besser mittell, die ihrige in ihrem devoir zuerhalten, als dass E. lbdl. dero hohen Begabnis nach sich einer solchen manier gegen dieselbe annehmen, wodurch Sie E. lbdl. gleich Unsere Leute Uns thun, E lbdl. mit liebe und Furcht zugleich, treu und beständig zudienen Lust und belieben tragen mögen.“58

Die in Hannover, Braunschweig und Wolfenbüttel angestellten Musiker werden es ihnen gedankt haben.

57 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 189–190, hier fol. 189v. 58 NLA WF, Sig. 1 Alt 20, Nr. 26, fol. 123–124.

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Steffani als Diplomat und Bischof / Steffani as Diplomat and Bishop

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Claudia Kaufold

„Unser Envoyé extraordinaire am kurbayerischen Hofe“: der Diplomat Agostino Steffani

„Unserm Envoyé extraordinaire am churbayerischen Hoffe, Bruxelles“ – dieser Abschnitt aus seiner Dienstadresse1 sagt schon das Wesentliche über den Diplomaten Steffani: Er war Gesandter am Hof des Kurfürsten von Bayern, der in Brüssel Statthalter der Spanischen Niederlande war. Steffanis Bedeutung als Diplomat scheint jedoch umstritten zu sein: „Man sagte, dass Ernst August die Kurwürde überhaupt erst erlangt hatte durch die Unterstützung dieses umtriebigen Hofmusikers, Diplomaten und kirchlichen Würdenträgers“,2

so war zum einen Anfang des Jahres (2014) in einer Radiosendung zu hören. Zum anderen ist in Standardwerken im Zusammenhang mit denjenigen hannoverschen Diplomaten und Staatsmännern, die dem Haus Hannover zur Kurwürde verhalfen, gar keine Rede von Steffani.3 Im Folgenden soll gefragt werden, was genau er als Diplomat für Hannover getan hat4 und wie wichtig er dort in dieser Funktion war. Speziell die Musikwissenschaftler wird interessieren, wofür Steffani das Komponieren aufgegeben hat. Um zu einer Einschätzung zu gelangen, sollen mehrere Parameter überprüft werden, zum Beispiel durch einen Vergleich zwischen Abbé Steffani und den anderen han1 Vgl. z. B. Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Hannover (NLA HA, ehem. HStA Hannover), Calenberger Briefschaftsarchiv (i. F. „Cal. Br.“) 24, Nr. 246 passim. 2 Musikstunde mit Antonie von Schönfeld, (Südwestrundfunk) SWR 2, Mittwoch, 22. Januar 2014, 9.05–10.00 Uhr: Das Haus Hannover – Streifzüge durch eine Dynastie und zwei Städte. Teil 3. „Boten in alle Himmelsrichtungen“ – von der Leine an die Themse. 3 Z. B.: „Mit H. K. v. Bothmer, Bodo v. Oberg, den beiden Freiherren v. Schütz und einigen anderen gehört Ilten zu den befähigten Diplomaten, die neben den leitenden Staatsmännern Bernstorff, Grote und Platen den Weg des Hauses Hannover zum Kurhut und zur englischen Krone bahnen halfen.“ Georg Schnath, Artikel „Ilten, Jobst Hermann von“, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Berlin 1974, S. 143; außerdem ders., Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession, 1674–1714, Bd. I, Hildesheim 1977 (Nachdruck der Erstauflage von 1938), Bde. II, III, IV, Hildesheim 1976–1982; jeweils passim. 4 Dazu vgl. im Wesentlichen Claudia Kaufold, Ein Musiker als Diplomat: Abbé Agostino Steffani in hannoverschen Diensten (1688–1703) (= Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 36), Bielefeld 1997.

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Claudia Kaufold

noverschen Diplomaten hinsichtlich Herkunft und Karriere, um festzustellen, was diese als Gruppe einte und was Steffani möglicherweise ausgrenzte. Es wird nachgezeichnet, wie er überhaupt Diplomat wurde, mit welchen Aufgaben er betraut wurde und mit welchen nicht. Den Schluss wird die Frage bilden, wie wichtig ihm selbst das Diplomatsein war. Vor einer Einordnung Steffanis in die diplomatische Hierarchie der Welfenhöfe müsste der Referenzrahmen abgesteckt werden, nämlich, wie wichtig überhaupt das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg (so die offizielle Bezeichnung) war und was entsprechend ein Diplomat in hannoverschen Diensten galt. Dafür sei auf Arnd Reitemeier verwiesen, der die Bedeutung Hannovers zur Zeit des Erwerbs der Kurwürde und am Vorabend der Personalunion mit England dargelegt hat.5

Die hannoversche Diplomatie Die Frage, ob die hannoversche Diplomatie als „auf der Höhe der Zeit“ gelten konnte, hat Arnd Reitemeier ganz klar mit Ja beantwortet. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Hannover formal weniger an Frankreich orientiert war, das in der Forschung gemeinhin als das Vorbild für Diplomatie gilt, sondern eher am Kaiserhof und an England. Diese waren schließlich die Bündnispartner, mit denen man eng zusammenarbeitete. So war die diplomatische Korrespondenz Hannovers ähnlich wie die des Kaiserhofes organisiert, und zwar hinsichtlich Häufigkeit, Form, Übermittlung oder damit befasster Personen.6 Ein Unterschied zu Frankreich war die Rekrutierung der Sekretäre: Die hannoversche Regierung machte sich nach englischem oder schwedischem Muster die Mühe, selbst geeignete Männer auszusuchen und auch zu bezahlen. Für Steffanis Sekretäre kann man sagen, dass offenbar gute Wahlen getroffen wurden, denn der Gesandte und seine Sekretäre arbeiteten effizient und harmonisch zusammen.7 Die Struktur der hannoverschen Berufsdiplomatie unterschied sich nicht von der anderer Höfe. Die unterste Ebene bestand aus den reinen Korrespondenten, die meistens für mehrere Auftraggeber arbeiteten, ebenso wie die über ihnen stehenden Agenten und Residenten. Diese wurden neben der Informationsbeschaffung für 5 Arnd Reitemeier, „Die Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover 1714–1837“, in: Neues Archiv für Niedersachsen 1 (2014), S. 6–21; ders., „Hannover und Großbritannien. Die Personalunion 1714–1837“, in: Als die Royals aus Hannover kamen. The Hanoverians on Britain’s Throne 1714–1837, hrsg. von Katja Lembke, Dresden 2014, S. 18–46. Grundlegend dazu außerdem: Schnath, Geschichte Hannovers (wie Anm. 3). Außerdem Carl-Hans Hauptmeyer, Hannover und sein Umland in der frühen Neuzeit. Beiträge zur Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (= Hannoversche Schriften zur Regional- und Lokalgeschichte 8), Bielefeld 1995, S. 215–230. 6 Vgl. dazu Kaufold, Ein Musiker als Diplomat (wie Anm. 4), S. 128. 7 Ebd., S. 96–99.

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„Unser Envoyé extraordinaire am kurbayerischen Hofe“

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allerhand Geschäfte und Besorgungen eingesetzt; sie waren aber weder für irgendwelche Aufgaben bevollmächtigt noch am fremden Hof akkreditiert. Dies war einem Envoyé extraordinaire vorbehalten, wörtlich einem „außerordentlichen Gesandten“, denn ursprünglich wurden diese befristet abgesandt. Um 1700 bedeutete es allerdings soviel wie „ständiger Gesandter“8, was gleichzeitig der höchstmögliche Rang eines kurfürstlichen Gesandten war. Botschafter oder Ambassadeurs wurden nur von Königen und Kaisern entsandt. Für die Einordnung Steffanis in die diplomatische Hierarchie Hannovers bedeutet das: Sobald er Envoyé extraordinaire geworden war, befand er sich auf der höchstmöglichen Ebene. Nun stellt sich die Frage: Was einigte die wichtigen hannoverschen Diplomaten als Gruppe, und wo stand Steffani? Aus der Gruppe derjenigen Politiker und Diplomaten, die gleichzeitig mit Steffani an solchen Themen wie der Erreichung der Kurwürde, dem Friedensschluss von Rijswijk oder der Sachsen-Lauenburger Erbfolge9 oder aber zeitweise an denselben Orten wie er arbeiteten, nämlich an den Höfen von Brüssel, Köln, Düsseldorf, Trier, Den Haag oder Wien, wurden für den Vergleich diejenigen ausgewählt, die mindestens im selben diplomatischen Rang standen: zehn Personen10, mit denen Steffani teils intensiv, teils nur am Rande zu tun hatte. Hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – das Ergebnis. –– Herkunft (sozial und geographisch) Die Kollegen stammten sämtlich aus adligen, Land besitzenden Familien – mit einer Ausnahme: Daniel Erasmus (von) Huldenberg, der Sohn eines brandenburgischen Pastors, der 1698 vom Kaiser in den Adelsstand erhoben wurde11.

  8 Arno Strohmeyer, „Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert. Forschungsstand – Erträge – Perspektiven“, in: Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert (= Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 31), hrsg. von Michael Rohrschneider und Arno Strohmeyer, Münster 2007, S. 1–50.   9 Nach dem Tod des letzten askanischen Herzogs, der keine männlichen Erben hinterlassen hatte, nahmen die Welfen das Erbmannlehen zunächst durch Besetzung an sich. Auseinandersetzungen mit Dänemark und Verhandlungen u. a. mit dem Kaiser folgten, auch über die Auszahlung der weiblichen Erben. Siehe auch unten, S. 165. 10 Diese sind: Andreas Gottlieb von Bernstorff, Johann Kaspar von Bothmer-Lauenbrück, Cuno Josua von Bülow, Otto Grote zu Schauen, Daniel Erasmus von Huldenberg, Jobst Hermann von Ilten, Bodo von Oberg, Franz Ernst Graf Platen-Hallermund, Friedrich Wilhelm Freiherr von Schlitz, genannt von Görtz, und Ludwig Justus Sinold, genannt von Schütz (d. Ä.). Zu den einzelnen Personen (auch i. F.) siehe Schnath, Geschichte Hannovers (wie Anm. 3), passim; Kaufold, Ein Musiker als Diplomat (wie Anm. 4), passim; jeweilige Artikel in der Neuen Deutschen Biographie von Georg Schnath und Dieter Brosius. 11 Hannoverscher Gesandter in Wien seit 1693, Nachfolger Otto Grotes. Er trug zur Erlangung der Kurwürde bei; nach der Sukzession war er Gesandter des Königs von England in Wien.

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Die meisten waren welfische Landeskinder; die übrigen kamen im weiteren Sinne aus Norddeutschland, wenn man Hessen, die Heimat des Kammerpräsidenten Friedrich Wilhelm Freiherr von Schlitz, genannt von Görtz12, und die Altmark mit dazuzählt, woher der Hofmarschall und Premierminister Franz Ernst Graf Platen-Hallermund13 kam, dessen Familie eigentlich von Rügen stammte. Alle waren ausnahmslos protestantisch. Steffani war somit einer von zwei Nichtadligen, der einzige Katholik und der einzige wirkliche Ausländer (wohlgemerkt: zu seiner Zeit und in seinem Rang14). Der einheimische Adel wurde natürlich bevorzugt – anderswo war es genauso –, aber das allein reichte nicht, Gesandte mussten Bildung aufweisen. –– Ausbildung / Beruf In der Vergleichsgruppe gab es vier Akademiker, meist Juristen, nämlich den Pastorensohn Huldenberg, den Grafen Platen, den Finanzexperten Görtz und den Kammerpräsidenten, Reichsfreiherr Otto Grote zu Schauen15. Fast alle aus dieser Gruppe hatten Bildungs- und sonstige längere Reisen gemacht, natürlich auch die beiden, die beim Militär gedient hatten: Generalmajor Cuno Josua von Bülow16 12 Hannoverscher Gesandter bei den Kurfürsten von Köln, der Pfalz und Bayern (in Brüssel). Er war schon Steffanis Vorgesetzter bei dessen Eheverhandlungen in Brüssel 1693. Der Kammerpräsident koordinierte später die Einsätze des Abbé an den Residenzen von Köln, Trier und der Pfalz, wo sie teilweise auch gleichzeitig anwesend waren. Mit Görtz arbeitete Steffani harmonisch zusammen. Das Diarium von Görtz erweckt keinesfalls den Eindruck, dass der Geheime Rat den Musiker als Diplomaten nicht ernst genommen hätte. 13 Schon in der Osnabrücker Zeit war er mit diplomatischen Missionen betraut. Im Oktober 1689 vertrat er Ernst August auf dem Augsburger Kurfürstentag. Er war als Direktor des Geheimen Rates der wichtigste Leiter der herzoglichen Politik und an der Durchsetzung der Primogenitur und dem Erwerb der Kurwürde wesentlich beteiligt. Da er die Verhandlungen in der Kursache koordinierte, war er Steffanis direkter Vorgesetzter. Die beiden kannten sich seit Steffanis erster Reise nach Herrenhausen 1682/1683. 14 Als Beispiele gerade für Italiener, die an den welfischen Höfen einen gewissen Einfluss gewannen, seien nur der Erbgeneralpostmeister Francesco Maria Capellini („Stecchinelli“) genannt oder der Florentiner Abbé Luigi Ballati, ein erfolgreicher Agent, mit dem Steffani als ebensolcher bereits von München aus zu tun hatte. Ballati war aber niemals Envoyé extraordinaire. Rolf-Joachim Sattler, „Celle unter Herzog Georg Wilhelm“, in: 1000 Jahre deutsch-italienische Beziehungen. Die Ergebnisse der deutsch-italienischen Historikertagungen in Braunschweig (1953), Goslar (1956), Siena (1957), Bamberg (1958) und Erice (1959), hrsg. von Georg Eckert und Otto-Ernst Schüddekopf, Braunschweig 1960, S. 188–204, hier: S. 198, Anm. 26, und 200f. Schnath, Geschichte Hannovers (wie Anm. 3), passim, bes. II, S. 410. Weiteres bei Kaufold, Ein Musiker als Diplomat (wie Anm. 4), S. 84–86. 15 Hannoverscher Gesandter in Hamburg, wo er mit den Dänen über Sachsen-Lauenburg verhandelte, womit später auch Steffani befasst war. Hauptsächlich Gesandter in Wien; die Anbahnung der hannoverschen Kurwürde war sein Hauptverdienst. Er starb schon 1693, sodass er mit Steffani hinsichtlich der Kursache nichts zu tun hatte. 16 Auf Anregung von Steffani wurde er 1698 für Hannover zum englischen König nach Het Loo gesandt. NLA HA Celler Briefschaftsarchiv (i. F. „Celle Br.“) 18/159, Hannoversche Geheime Räte durch Platen an Celler Geheime Räte, 20. Oktober 1698, S. 148–160v (desgl. Cal. Br. 11/1243,

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und der Offizier Jobst Hermann von Ilten, der als Flügeladjutant Herzog Ernst August seit 1682 auf allen Reisen und Feldzügen begleitet hatte17. Alle hatten zum Teil von früher Jugend an Hofämter inne. So war Johann Kaspar von BothmerLauenbrück Hofjunker bei der Kurprinzessin Sophie Dorothea gewesen18, Graf Platen hatte Ernst August bereits, als dieser noch Bischof von Osnabrück war, als Kammerherr gedient. Fünf erhielten noch während ihrer aktiven Diplomatenzeit den Titel eines Geheimen Rates oder etwas Entsprechendes. In dieser Rubrik konnte Steffani mithalten, wenngleich sein Studium zweifelhaft war19 und er sich seine juristischen Kenntnisse eher autodidaktisch angeeignet hatte. Seine musikalischen Studien sowie seine Fremdsprachenkenntnisse waren aber über jeden Zweifel erhaben. Auch seine beiden mehrjährigen Studienreisen nach Italien und Frankreich schlugen zu Buche. Ein angesehenes Hofamt bekleidete er ebenfalls, das hatte er auch schon in seiner Jugend getan, allerdings nicht an einem der Welfenhöfe. Was ihn unterschied: Er war sowohl der einzige Musiker als auch der einzige Geistliche in der Gruppe. –– Verwandtschaft Ein Großteil von Steffanis Kollegen war durch Heirat mit einander verwandt, außerdem natürlich noch mit anderen adligen Familien des Landes. Kriegsrat von Ilten war verschwägert mit dem Minister Otto Grote; Bodo von Oberg20 war der Schwiegersohn von Kammerpräsident Görtz; der Sohn des Generalmajors von Bülow heiratete die Tochter von Graf Platen; Freiherr Ludwig Justus Sinold, S. 12rf); Instruktion für Generalmajor Cuno Josua von Bülow vom selben Tag; Extrakt aus Steffanis Relation vom 14./24. Oktober 1698. – Die Umstellung vom julianischen auf den gregorianischen Kalender wurde in Hannover im Jahre 1700 vollzogen: Auf den 18. Februar folgte der 1. März. Bis dahin datierte Steffani doppelt; wenn er nur ein Datum nannte, bezog es sich auf den Neuen Stil. In Hannover hingegen datierte man bis zur Kalenderreform nur einfach und nach dem Alten Stil. 17 Er hatte bereits im Morea-Krieg Verhandlungsgeschick bewiesen und war 1691–1696 Gesandter in Dresden mit den Aufgaben Elektorat und Beschwichtigung des sächsischen Kurfürsten in der Königsmarck-Affäre sowie wegen der Annexion von Sachsen-Lauenburg. Als Gesandter in Berlin 1697–1707 war er mit der Ehestiftung Friedrich Wilhelms (I.) mit Georg Ludwigs Tochter Sophie Dorothea beschäftigt. Von 1708 an war er als Geh. Kriegsrat in der Kriegskanzlei und ab 1714 Mitglied des in Hannover verbliebenen Geheimen Rates. 18 Nach kurzen diplomatischen Missionen in Dänemark und Schweden (1683–1684) war der Celler Geheime Rat seit 1685 Vertreter am Berliner, seit 1690 am Wiener Hof. Als Gesandter in Den Haag, bei den Generalstaaten (1696–1698), nahm er für Hannover als kurfürstlicher Gesandter am Friedenskongress von Rijswijk teil. Weitere Missionen: 1698 in Paris und Berlin, 1699 in Wien, 1700–1711 abermals in Den Haag wegen der englischen Sukzession, 1711 in London. Steffani und er schrieben sich regelmäßig und trafen sich in Brüssel, wo ihn Steffani mit einigen aus seinem Freundeskreis bekannt machte. 19 Vgl. den Beitrag von Hans-Georg Aschoff im vorliegenden Band, S. 208 (bei Anm. 6). 20 1693 bis 1705 Gesandter am Kaiserhof. Steffani schrieb ihm unregelmäßig und schickte ihm öfter selbstständig Kopien seiner Relationen. Sie trafen sich 1702 in Wien.

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genannt von Schütz (d.Ä.)21, cellescher Titular-Geheimrat, war verschwägert mit Andreas Gottlieb von Bernstorff, Platens Nachfolger mit dem Titel eines Premierministers von Celle und Hannover (mit ihm hatte Steffani erst während seiner Amtszeit als Apostolischer Vikar zu tun). Bei diesem festen Block blieb Steffani natürlich außen vor. Bis hierhin kann man von „unterschiedlichen Voraussetzungen“ sprechen. Aber was passierte während oder nach dem Ende der diplomatischen Dienstzeit? –– Nach der letzten diplomatischen Mission Nach der jeweils letzten Abschiedsaudienz war der einzige andere Nichtadlige geadelt worden – Huldenberg wurde erst Baron, dann Graf –, und die Hälfte stieg auf der Adelsleiter noch weiter auf, wofür allerdings jeweils der Kaiser zuständig war. Der hannoversche Gesandte in Rijswijk, Bothmer, wurde 1713 Reichsgraf, ebenso wie Platen und Bülow vor und Görtz nach ihm. Steffani passierte das nicht, für einen Geistlichen war das schließlich auch wenig sinnvoll. Der Abbé hat das offenbar auch nie in Erwägung gezogen, wofür es in der Familie bereits ein Vorbild gab: Schon sein Onkel Terzago hatte auf einen venezianischen Adelstitel keinen großen Wert gelegt.22 Die anderen an den Heimathof Zurückgekehrten erhielten im Anschluss verschiedene interessante Ämter. Die beiden Militärs, Bülow und Ilten, wurden Geheimer Kriegsrat und Chef der Kriegskanzlei, letzterer befand sich damit auf Ministerebene. Alle anderen wurden zu Geheimen Räten erhoben, sofern sie es vorher noch nicht gewesen waren. Steffani wurde nicht Geheimer Rat, wie er es sich gewünscht hatte, und erhielt auch kein Kanonikat oder sonst ein einträgliches Amt. Zugegebenermaßen wäre die Beschaffung eines solchen für Hannover schwierig, aber nicht unmöglich gewesen. In diesem Punkt wurde der Kapellmeister anders behandelt als die Kollegen. Die mikrohistorische Forschung befasst sich aktuell mit Patronage- oder Klientelsystemen. Demnach müsste das Ergebnis lauten: Steffani genoss zwar die Gunst des Fürsten, hatte aber keinen Patron am Hof, keinen langjährigen Fürsprecher auf „Staatssekretärsebene“, was wegen seiner langen Abwesenheit in Brüssel wichtig gewesen wäre. 21 1682 Gesandter in Paris. Er besorgte schon seit 1689 die Geschäfte des Herzogs Georg Wilhelm in London. Gesandter beim englischen König von 1693 bis 1710, 1695 in Brüssel. Steffani und er schrieben sich unregelmäßig. Auf Anregung von Steffani bewegte er 1698 den englischen König in Het Loo dazu, sich beim bayerischen Kurfürsten in Brüssel für die Wiederzulassung Böhmens im Kurkolleg einzusetzen. Georg Wilhelm an Schütz, 27. Oktober 1698; sowie Celler Geheime Räte an hannoversche Geheime Räte, 29. Oktober 1698 (desgl. Cal. Br. 11/1243, S. 13rf). 22 Alfred Einstein, „Agostino Steffani. Biographische Skizze, I: Münchener Zeit, 1654–1688“, in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 23 (1910), S. 1–36, hier: S. 34.

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Es ist eine interessante Frage, mit Personen welcher hierarchischen Ebenen Vernetzungen erreicht wurden23. Für den Brüsseler Hof ist Steffani das viel besser gelungen als für den hannoverschen; dafür gibt es sehr viele Beispiele. In Brüssel verkehrte er mit flämischen, spanischen und bayerischen Adligen, wurde übers Wochenende in Schlösser auf dem Lande eingeladen24; war dort kurz gesagt sehr gut integriert. Für Hannover sind solche Einladungen – außer einem Arbeitstreffen bei Graf Platen in Linden25 – nicht bekannt. Ein Vergleich zwischen dem Abbé und Gesandten anderer Mächte am Empfangshof ergäbe ein ähnliches Ergebnis: Steffani traf dort fast nur Grafen und einige Barone. Der hannoversche Kapellmeister kann als singuläre Erscheinung gelten, sowohl unter den hannoverschen Diplomaten als auch in Brüssel.

Die Transformation des Kapellmeisters in einen Gesandten Damit zurück zu Steffanis Anfängen in Hannover, als er gerade aus München abgeworben worden war. Der Kapellmeister komponierte, probte, dirigierte, inspizierte, weihte Ende Januar 1689 das neue Opernhaus mit Henrico Leone ein; danach musste er für den Sommer schon die nächste Oper vorbereiten. Man sollte meinen, damit wäre er ausgelastet gewesen. Überraschenderweise aber verfasste er daneben eine Schrift über die Verdienste des Herzogs Ernst August um die katholische Konfession; das hat er kaum in der Zeit zwischen zwei Orchesterproben getan. Graf Platen übergab sie im Oktober 1689 beim Augsburger Kurfürstentag einem päpstlichen Gesandten, um den Papst für die Anerkennung der Kurwürde zu gewinnen. Kurz darauf, Mitte November, überreichte Graf Platen einem kaiserlichen Gesandten eine andere Denkschrift aus Steffanis Feder, diesmal über Ernst Augusts Verdienste um das Reich26. Es folgten weitere Ausarbeitungen. Im Januar 1692 verfasste der Abbé eine Denkschrift über den Einfall Ludwigs XIV. in Italien. Er korrespondierte mit römischen Kardinälen, womöglich alten Bekannten aus Rom, über die Kurfrage. Das ging eindeutig über das Kapellmeisteramt hinaus.

23 Katrin Losleben, Musik – Macht – Patronage: Kulturförderung als politisches Handeln im Rom der Frühen Neuzeit am Beispiel der Christina von Schweden (1626–1689), Köln 2012, S. 65f. 24 Im Juli 1700 hielt er sich z. B. für zwei bis drei Tage in Enghien nahe Brüssel auf, weil die Landluft der Unordnung in seinem Kopf abhelfen sollte. Cal. Br. 24/260, Steffani aus Enghien an Platen, 28. Juli 1700, S. 5r. Dort lag das Schloss der Herzogin von Arenberg, die zu seinem Freundeskreis gehörte. Kaufold, Ein Musiker als Diplomat (wie Anm. 4), S. 64. Die folgenden Ausführungen beruhen auf meiner Dissertation (siehe Anm. 4). Auf detaillierte Nachweise wird deshalb verzichtet. 25 Cal. Br. 24/260, Steffani aus Bonn an Platen, 21. Juli 1701, S. 12r. 26 Cal. Br. / 1091 und Cal. Br. 22/634. Kaufold, Ein Musiker als Diplomat (wie Anm. 4), S. 29.

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Sofort nach seiner Ankunft in Hannover wurde Steffani offenbar planmäßig in die Politik eingearbeitet, im Wesentlichen von Graf Platen. Man hatte von Anfang an vor, den Neuankömmling politisch zu verwenden. Multifunktionell sozusagen: als katholischen Abbé, der überzeugend für die neue protestantische Kur eintreten konnte und der gleichzeitig mit seiner Musik deutlich machen sollte, dass in Hannover ein neues Machtzentrum entstanden war. Der Kurkontrakt im März 1692 war ein großer Erfolg für Hannover. Aber bislang sagte der Vertrag nur, dass Hannover ins Kurkolleg eingeführt werden sollte – die sog. Introduktion ließ noch auf sich warten. Und reichsrechtlich war völlig unklar, wer noch alles zustimmen musste – bis auf die Kurfürsten natürlich. Deswegen wurden ausgiebige diplomatische Verhandlungen um die Anerkennung der Kurwürde geführt, wobei sich Ernst August an die einzelnen Kurfürsten wandte. Seine Gesandten wurden darin von denen des Kaisers unterstützt. Leopold I. hatte nämlich selbst ein gewisses Interesse an der Anerkennung der Kur für Hannover, weil diese per Abmachung an die Wiederzulassung der böhmischen, also habsburgischen, Kur gekoppelt war. Wie wurde Abbé Steffani nun Diplomat? Bisher war er nur im Hintergrund für die Kursache tätig gewesen. Steffani war als Kammermusikdirektor bereits in diskreten Missionen für den Kurfürsten von Bayern unterwegs gewesen, also noch nicht als Berufsdiplomat, sondern als „ausgeliehener Musiker“, der ohne jegliche diplomatische Formalitäten von Fürst zu Fürst übermittelte. Es ging vornehmlich um Heiratspläne des jungen Fürsten Maximilian (oder Max) Emanuel. Und mit einem solchen Auftrag war Steffani ja auch 1683 zum ersten Mal nach Hannover gekommen. Dabei war es um Sophie Charlotte gegangen, die einzige Tochter von Ernst August und Sophie von der Pfalz. Die Bemühungen blieben ergebnislos, aber man hatte den Italiener in Hannover als Unterhändler kennen gelernt. Nun stand für die Welfen wieder ein Eheprojekt mit Bayern an, und zwar mit dem mittlerweile verwitweten Max Emanuel (die Festoper zu dessen erster Hochzeit, Servio Tullio, hatte bekanntlich Steffani geschrieben27). Um ihn für eine Nichte von Ernst August zu interessieren, sollte jemand nach Brüssel reisen, wo der Bayer inzwischen als Statthalter der Spanischen Niederlande residierte. Es war nahe liegend, Steffani zu schicken, als „Privatmann“, wie bisher auch. Die Sache war von Anfang an verloren, aber diese wenigen Wochen in Brüssel hat der Kapellmeister gut genutzt, um das diplomatische Handwerkszeug zu erlernen. Dazu gehörte beispielsweise die Korrespondenz. Er berichtete dem hannoverschen Hof zwei- bis dreimal pro Woche über den Verlauf seiner Bemühungen und 27 Dem Textbuch nach war die Oper bereits 1685 fertig, kam aber erst anfangs Januar 1686 zur Aufführung. Max Zenger, Geschichte der Münchner Oper, nachgelassenes Werk, hrsg. von Theodor Kroyer, München 1923, S. 27.

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wurde seinerseits instruiert, was jeweils zu unternehmen sei. Zu den erforderlichen Fertigkeiten gehörten auch das Chiffrieren und Dechiffrieren der Texte, was Steffani mangels eines Sekretärs eigenhändig tun musste. Die ersten verschlüsselten Anweisungen, die er erhielt, dechiffrierte er nicht wie die hannoverschen Kanzlisten, die über die lang gestreckten Ziffernblöcke zusammenhängende aufgelöste Wörter schrieben. Er „ent-zifferte“ stattdessen Zahlenblock für Zahlenblock, die jeweils einen Buchstaben bedeuteten. Die Lücken zwischen den gedeuteten Buchstaben füllte er mit Querstrichen, sodass auseinander gerissener, unübersichtlicher Text entstand. Zudem benutzte er dazu Tinte, die dieselbe Farbe hatte wie die des verschlüsselten Textes und nicht andersfarbige wie die Kanzlisten. Aber schon nach kurzer Zeit fiel ihm wohl beim Durchsehen der gesammelten Post selbst auf, wie schlecht sie zu lesen war, sodass er sein System umstellte und zusammenhängend entzifferte. Auch seine Chiffriermethode war anfangs nicht sehr ausgeklügelt. Er verschlüsselte zum Beispiel in einem Satz nur die Namen, die man aus dem Zusammenhang jedoch leicht erschließen kann28. Während dieses ersten Besuches in Brüssel baute Steffani außerdem ein Netz von Kontakten auf, das er später souverän nutzte. Doch zunächst kehrte er wieder zurück nach Hannover. Dort blieb er ein Jahr und widmete sich seinem Kapellmeisteramt. Aber dann passierte Folgendes: Ein kaiserlicher Diplomat führte Verhandlungen über die Kursache am Brüsseler Hof. Er kam damit nicht weiter und forderte Unterstützung aus Hannover an. Dort überlegte man, wen man schicken könnte. Im Grunde bot sich Steffani an. Es ging nun aber nicht mehr um geheime Agentenreisen, sondern gefordert wurde – vom kaiserlichen Vertreter – ein offizieller Bevollmächtigter, ein Stellvertreter seines Fürsten. Und das konnte nur ein Adliger sein – außer im Theater29. Ein Kompromiss fand sich: Der Abbé reiste zunächst als Privatmann. Diese Episode markiert den ersten Hinweis auf Steffanis diplomatischen Rang bzw. Nichtrang. – Wie hielt sich der Musiker nun auf dem diplomatischen Parkett? Der bayerische Kurfürst verlangte wie alle katholischen Kurfürsten die sog. Disjunctiva: Jede einzelne aussterbende Kurlinie sollte durch eine neue, katholische Kur ersetzt werden. Steffani hatte auch ohne diplomatischen Rang gleich am Anfang einen großen Erfolg: Max Emanuel verzichtete auf diese Disjunctiva (man sieht, der Abbé hatte sich tief ins Reichsrecht eingearbeitet). Die Bayern hatten dann weitere Pläne mit Hannover: Sie dachten an ein Verteidigungsbündnis. Daran sollte Steffani ein paar Jahre arbeiten, es kam immer wieder auf ’s Tapis. Eine andere Aufgabe war, im Vorfeld auf alles zu achten, was den Friedenskongress in Rijswijk betraf – dieser sollte 1697 den Pfälzer Erbfolgekrieg beenden. 28 Zu Steffanis Umgang mit Ziffern und Buchstaben siehe auch den Beitrag von Colin Timms im vorliegenden Band, S. 32 und 38–40. 29 Abraham de Wicquefort, L’ambassadeur et ses fonctions, La Haye 1680/81, S. 107.

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Die Hannoveraner befürchteten einen geheimen Friedensschluss zwischen Frankreich und den einzelnen Krieg führenden Parteien. Steffani war hervorragend über die französischen Geheimverhandlungen mit den Generalstaaten und mit England informiert; dies zeigt der Schriftwechsel der französischen Gesandten mit Ludwig XIV. im Vergleich.30 Friedenskongresse stellten für Diplomaten natürlich die Krönung ihrer Laufbahn dar. Steffani war zwar in der Nähe des Tagungsortes stationiert, nur war er trotz allen Einarbeitens, trotz aller Bildung für die Teilnahme nicht standesgemäß. Jeder Staat entsandte seine repräsentativsten Diplomaten, und das war für Hannover der spätere Graf Bothmer. Sobald dieser aus Hannover gekommen war, endete Steffanis Beteiligung im Wesentlichen. Ende Januar 1696 reiste Steffani unter dem Vorwand einer Karnevalskomposition nach Hannover zur mündlichen Berichterstattung. Wie sich zeigte, hatte er seine Aufgabe zur vollen Zufriedenheit von Ernst August erledigt, was sich auch in einer Gehaltserhöhung ausdrückte. Ende März kehrte Steffani nach Brüssel zurück – im Rang eines Envoyé extraordinaire. Aber dies war nicht nur eine Belohnung, sondern entsprach der Forderung des Kaiserhofes. Damit war der Wechsel zur Diplomatie endgültig vollzogen. Von jetzt an hieß es meistens: volles Zeremoniell mit allen Formalitäten – Ersuch- und Beglaubigungsschreiben, Instruktion, Antrittsaudienz, Commissaires als zugewiesene Verhandlungspartner etc. –, mit allen äußeren Zeichen wie einer standesgemäßen Kutsche, allerhand Personal, einem Sekretär. Steffani, nun also ein ernst zu nehmender Diplomat, berichtete weiter regelmäßig über die Kurverhandlungen mit Bayern und machte Vorschläge für das weitere Vorgehen, die meistens auch angenommen wurden.

Steffani als Envoyé extraordinaire In Brüssel war Steffani sozusagen zuständig für alles, vornehmlich für die Kursache und sämtliche aktuellen Vorfälle. So hatte er 1698 den Tod von Ernst August zu notifizieren, sein Empfangsgemach, seine Kutsche sowie seine Kleidung auf Trauer umzurüsten und Kondolenzbesuche zu empfangen. Weitere Aufgaben waren eine Reise zum jungen Herzog von Lothringen sowie mehrfach zu den katholischen Kurfürsten von Trier, Köln und der Pfalz. Dabei bestand Steffani weisungsgemäß immer auf kurfürstlichem Zeremoniell – der Sinn war, die hannoversche Kurwürde sichtbar zu machen. Dazu gehörte beispielsweise, sechsspännig vorzufahren mit Heiducken als Begleitung. Der Abbé prüfte: Stehen genügend Lakaien bereit? Welches Geschirr und welchen Sessel bietet man ihm an, 30 Anna Sinkoli, Frankreich, das Reich und die Reichsstände 1697–1702, Frankfurt am Main u. a., 1995, bes. S. 238–276 und 344–359.

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wer kommt ihm wie weit entgegen, wie viele Personen sind dabei noch zugelassen? Jedes Detail war wichtig und wurde nach Hannover berichtet. Ließ der Empfang zu wünschen übrig, so fand Steffani geschmeidig Möglichkeiten, daran noch etwas zu ändern: Er suchte sich mit Charme einen vorteilhafteren Standort auf dem Empfangspodest oder einen ehrenhafteren Sitzplatz an der Tafel, veranlasste oder verzögerte das Hutabnehmen – mit Choreographien kannte er sich schließlich aus. Seit der „kulturalistischen Wende“ werden die sog. symbolische Kommunikation, das Zeremoniell oder die Repräsentation als politische Äußerungen verstanden. Präzedenzfragen werden nicht mehr als skurril betrachtet, sondern man hat verstanden, dass der Rang im Zeremoniell nicht nur sichtbar gemacht wurde; er bestand geradezu darin31. Auf der Lothringen-Reise war dies sinnlich erfahrbar; durch Steffanis Bericht steht es dem heutigen Leser bildlich vor Augen. Bei seinen Aufträgen ging es indessen sehr oft um Geld, das war wenig glamourös, sondern ein ziemliches Geschacher. Dabei hatte er finanziellen Ermessensspielraum. So erzielte er beispielsweise zwischen Hannover und der Pfalz eine (Teil-)Einigung im Sachsen-Lauenburger Erbfolgestreit, indem er nämlich eine für beide Seiten akzeptable Geldsumme aushandelte. Ende des 17. Jahrhunderts war die spanische Erbfolge ein wichtiges Thema, denn König Karl II. hatte keinen Erben, was letztendlich auch zu einem Krieg führen sollte. Der Abbé fand alles Wesentliche heraus über die verschiedenen Teilungsverträge des spanischen Erbes. In den Spanischen Niederlanden saß er dafür sozusagen an der Quelle. Außerdem erledigte Steffani in Brüssel Aufgaben, die üblicherweise ein hannoverscher Gesandter am spanischen Hof ausgeführt hätte (den es nicht gab); desgleichen kümmerte er sich um die Korrespondenz und sonstige Angelegenheiten mit Portugal, die allerdings noch spärlicher waren.32 Und er war Mittelsmann für den Vatikan. Noch nicht einmal der Kaiser hatte bis 1691 einen eigenen Gesandten in Rom, sondern überließ die Vertretung seiner Interessen dem spanischen Botschafter.33 Hannover erledigte das über seinen Gesandten in den Spanischen Niederlanden. Ebenso wichtig wie die Beschreibung seiner Aufgaben ist die Frage, mit welchen Aufgaben der Envoyé nicht betraut wurde.

31 Michael Rohrschneider, „Friedensvermittlung und Kongresswesen: Strukturen – Träger – Perzeption (1643–1697)“, in: L’ art de la paix: Kongresswesen und Friedensstiftung im Zeitalter des Westfälischen Friedens (= Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V. 34), hrsg. von Christoph Kampmann, Münster 2011, S. 139–165. 32 Kaufold, Ein Musiker als Diplomat (wie Anm. 4), S. 247–254. Dazu gehörte z. B. auch die Erledigung einer Rechtssache für den Rat und Intendanten bei der Kriegskasse Schultze gegen einen portugiesischen Kaufmann. NLA HA Hann. 93/994, 1699. 33 Klaus Malettke, Hegemonie – multipolares System. Internationale Beziehungen 1648/1659– 1713/1714 (= Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen 3), hrsg. von Heinz Duchhardt und Franz Knipping, Paderborn 2012, S. 53ff.

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Vom Friedenskongress von Rijswijk hielt man den Kapellmeister aus Prestigegründen fern (s. o.). Das Einzige, was er jemals mit der englischen Sukzession zu tun hatte, war deren Notifikation am Münchner Hof.34 Alles, was im Norden und Osten stattfand und auf den Hauskonferenzen der Hannoveraner und Celler Räte in Engensen breiten Raum einnahm, lag außerhalb seiner Sphäre: Angelegenheiten mit Holstein-Gottorf, Brandenburg, Sachsen, Polen und mit Dänemark oder die Allianz mit Schweden. In welfische Innenpolitik bezog man den Italiener ebenfalls nicht ein, etwa was die Vettern in Wolfenbüttel anging oder die Kreistage.35 Gern hätte er die Verhandlungen um die hannoverschen Truppen übernommen, die die kaiserliche Armee am Rhein verstärken sollten. Schließlich hatte er während der drei Jahre, die er mit Bayern über eine Defensivallianz verhandelt hatte, Erfahrungen mit Truppenstärken, ihrer Zusammensetzung, Feldlagern usw. gesammelt. Der mehrfache Brautwerber hatte auch nichts mit der Heirat des zukünftigen Kaisers Joseph I. mit Ernst Augusts Nichte Wilhelmine Amalie zu tun. Steffanis diplomatischer Einsatzbereich lag demzufolge klar umrissen im katholischen Südwesten des Reiches und Europas: Bayern, Köln, Trier, Pfalz, Lothringen, Spanien, Portugal und der Vatikan. Dort für die Anerkennung der Kurwürde zu werben, war neben dem diplomatischen Alltagsgeschäft seine Aufgabe. Sein Einsatz in Brüssel endete, als der bayerische Kurfürst auf Befehl Spaniens das Land für die französische Armee räumte und 1701 wieder zurück nach München ging. Dorthin wurde der Abbé auf Wunsch des Kaisers noch einmal für ein Jahr abgesandt: Steffani sollte Max Emanuels Übertritt auf die Seite Frankreichs verhindern. Das misslang fast erwartungsgemäß, was ihn nach einer ebenfalls fehlgeschlagenen geheimen Reise nach Wien im Sommer 1702 in eine echte Lebenskrise stürzte. Der drohende Spanische Erbfolgekrieg beendete sein Wirken als Diplomat in hannoverschen Diensten. Steffani war mittlerweile Ende 40. Offiziell stand er immer noch als Kapellmeister in der Gehaltsliste. Diplomaten seines Ranges wurden nach dem Ende ihrer diplomatischen Laufbahn gewöhnlich hohe Hofbeamte. Dort war üblicherweise der einheimische Adel unter sich, und so war es auch in Hannover (s. o.). Und während der Kurfürst seine Bedenken, Steffani zum Envoyé extraordinaire zu ernennen, auf Verlangen des kaiserlichen Gesandten überwunden hatte – eine Stelle als Geheimer Rat, die Steffani gern erhalten hätte, gewährte man ihm nicht.

34 Cal. Br. 24/259, Relation vom 14. September 1701, S. 141r –144r. 35 Das zeigen die Protokolle der Hauskonferenzen in Engensen, z. B. Cal. Br. 22/529, im Vergleich mit Steffanis Schriftwechsel.

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So endete dann auch seine Dienstzeit in Hannover. Nicht im Streit, die Kontakte blieben bestehen, aber es gab keine Aufgabe mehr für ihn, und so wurde er woanders Geheimer Rat, nämlich in Düsseldorf, der kurpfälzischen Residenz.

Wie wichtig war Steffani selbst das Diplomatsein? Dezidiert äußerte sich der Komponist nicht über sein Selbstverständnis als Diplomat. Man kann jedoch konstatieren, dass er mit Leidenschaft dabei war, das zeigt sich auf beinah jeder Seite, die er geschrieben hat. Der Italiener äußerte Freude und tiefe Befriedigung über ein Gelingen, zum Beispiel, wenn ihm in allen Punkten ein kurfürstlicher Empfang zuteil wurde. Sätze wie „Je parts content d’icy“36 sind jedoch vergleichsweise selten. Sein seelisches Befinden, wie er es darstellte, hing in ganz besonderem Maße vom Erfolg seiner Tätigkeit ab, wobei er Fehlschläge schwerer gewichtete als Siege. Im Falle des Scheiterns drückte er lebhaft seine Enttäuschung aus: „Ich bin abgereist, mit Tränen in den Augen, Zorn und Verzweiflung im Herzen. So gern ich auch sonst nach Hannover reise – diesmal komme ich voller Bestürzung, mit Bedauern, mit Kummer, mit Schmerz, mit Verzweiflung ohnegleichen.“37 Fehlschläge in seinen Geschäften stürzten den Abbé überhaupt jedes Mal in eine Krise. „J’ayme mieux souffrir tout seul“38, schrieb er einmal, und er ging tatsächlich mitunter tagelang nicht aus dem Haus.39 Am bezeichnendsten sind Textstellen, in denen es um den diplomatischen Alltag geht und in denen sein emotionales Engagement zu Tage tritt. Dies ist vor allem leidenschaftliche Unruhe, mit der er zum Beispiel Entscheidungen erwartete; er schrieb, das verdunkle ihm zeitweise den Verstand. Er finde keine Ruhe mehr, habe den Appetit verloren und im Kopf nichts mehr außer diesem Geschäft.40 Ein andermal geht es um die bevorstehende Aushändigung einer großen Geldsumme. Er weiß nicht, ob er es richtig macht, und verbringt die Nacht voller Unruhe. Man sieht ihn förmlich nächtens auf und ab gehen, mit seinen Instruktionen in der Hand, hin und her überlegend: „Je pris mes instructions à la main. Je les consideray

36 „Ich reise zufrieden von hier ab.“ Cal. Br. 1206, Relation Steffanis vom 24. Mai / 3. Juni 1699, S. 55r. 37 „Je suis party, Monsieur, je suis party les larmes aux yeux, la rage, et le desespoir au Coeur. […] Tout agreable que le sejour d’Hannover me soit au dessus de tout ce qu’il y a au Monde, J’y viens cette fois avec une aprehension, un regret, un chagrin, un douleur, un desespoir sans pareilles.“ Cal. Br. 24/238, Relation aus Antwerpen vom 8./18. Februar 1694, S. 153r und S. 157r. 38 „Ich ziehe es vor, ganz allein zu leiden.“ Celle Br. 104b / 88. Relation aus Düsseldorf vom 25. Mai 1700. 39 Schnath, Geschichte Hannovers (wie Anm. 3), III, S. 159. 40 Hann. Des. 91 Abbé Ballati Nr. 14, Steffani aus München an Ballati, 4. August 1683, S. 150r.

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attentivement. Je trouveray que Je n’aurois rien fait de contraires aux ordres sacrez […]. Je voyois pourtant l’affaire rompue.“41 „Steffani besorgte Hannover die Kurwürde“ wäre übertrieben, ihn aber unter den hannoverschen Diplomaten gar nicht zu nennen, wird ihm auch nicht gerecht. „Dass Ernst August die Kurwürde überhaupt erst erlangt hatte durch Steffanis Unterstützung“ – das könnte man so stehen lassen. In der Tat war Steffanis Aufgabengebiet präzise umgrenzt: Sein vornehmlicher Auftrag war, die katholischen Kurfürstentümer – besonders Bayern und Köln – für die neunte Kur zu gewinnen, was ihm zwischenzeitlich gelang. Als seine Bemühungen wegen des Spanischen Erbfolgekrieges einen Rückschlag erlitten, war auch seine diplomatische Laufbahn in Hannover beendet. Hannovers Introduktion ins Kurfürstentumkolleg erfolgte erst 1708, lange nach seinem Weggang.

41 „Ich nahm meine Instruktionen in die Hand. Ich betrachtete sie aufmerksam. Ich fand, dass ich nichts entgegen den heiligen Anweisungen getan hatte. […] Ich sah die Angelegenheit trotzdem ruiniert.“ Cal. Br. 24/1206, Journaleintrag Steffanis vom 11./21. Juni 1699, S. 113r.

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Zwei Steffani-Studien. Ergänzungen zu Biographie und Werk von Agostino Steffani Herrn Christoph Kalz freundschaftlich zugeeignet

Von den Nöten eines Fürsten bei der Vergabe einer Pfarrpfründe Vermutlich im Sommer 1680 war Agostino Steffani in München zum Priester geweiht worden.1 Ein halbes Jahr später ernannte Kurfürst Maximilian II. Emanuel (1662–1726, reg. seit 1679/1680) ihn zum „Director der Cammer-Music“. Max Emanuel, sein damaliger Dienstherr, hatte dieses Amt anscheinend eigens für Steffani geschaffen. Es war ein bemerkenswertes Zeichen der Wertschätzung des Kurfürsten gegenüber seinem Hofmusiker. Und ebenso, dass er sich darum kümmerte, seinen Kammermusikdirektor mit kirchlichen Gütern zu versorgen. Zu diesem Zweck sollten Steffani die Einkünfte (Pfründe) sine cure aus der Pfarrei Löpsingen übertragen werden. Löpsingen gehört heute als Gemeinde zu Nördlingen und liegt etwa in der Mitte eines gedachten Dreiecks zwischen Augsburg im Süden, Stuttgart im Westen und Nürnberg im Nordosten. Zum Dorf Löpsingen gehörige Güter waren seinerzeit zwischen dem Augsburger Domkapitel und den Fürsten (bis 1674 Grafen) von Oettingen-Oettingen geteilt; infolge historischer Entwicklungen, deren Anfänge bis ins Mittelalter zurückreichten.2 Im Laufe der Zeit gewannen die Grafen, dann Fürsten von Oettingen an Macht gegenüber dem Augsburger Domkapitel. Schließlich gingen ihre Befugnisse so weit, dass sie die Vergabe der Propstei bestimmten. Offiziell stand den Oettinger Fürsten das Vergaberecht indessen nur während der ungeraden Monate nach dem alten julianischen Kalender zu, und das Augsburger Domkapitel durfte während der geraden Monate einen Kandidaten einsetzen. Zudem war die vollkommen freie Verfügungsgewalt der Fürsten insofern weiterhin eingeschränkt, als das Kirchspiel selbst zwar wie die Fürsten von Oettingen-Oettingen protestantisch war, die Pfarrpfründe jedoch nach wie vor katholisch.

1 Colin Timms, Polymath of the Baroque. Agostino Steffani and His Music, New York 2003, S. 26. Zum Anschließenden siehe ebd., S. 24–37, bes. S. 24. 2 Dieter Kudorfer, Nördlingen (= Historischer Atlas von Bayern – Teil Schwaben 8), München 1974, S. 338f; Marco Wunder und Johann Martin, Löpsingen. Die Geschichte eines Rieser Dorfes, Löpsingen 2013, S. 149–151 und 159–167.

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Somit gehörte die Pfründe Löpsingen zum katholischen Kirchenbesitz und konnte an einen Kleriker der katholischen Kirche vergeben werden. Anfang Dezember 1682 hatte Kurfürst Max Emanuel unmittelbar vom Papst die Einsetzung von Steffani in die sine cure Löpsingen erwirkt.3 Die Pfarrpfründe wurde ihm ein halbes Jahr später übertragen. Weder das Augsburger Domkapitel noch Fürst Albrecht Ernst I. von Oettingen-Oettingen (1642–1683, reg. Graf seit 1659/1660, Fürst seit 1674) zeigten sich ob dieses Alleinganges des Papstes erfreut. Steffani musste sich folglich dem Fürsten von Oettingen gegenüber verpflichten, in Zukunft die Pfarrpfründe während „den sechs ungeraden Monaten alten Kalenders“ ihm als oberstem Kirchenherrn in seinem Fürstentum zu überlassen.4 Seitens des Domkapitels erhielt Max Emanuel aus Augsburg sogar die unverblümte Bitte, Steffani eine andere Pfründe andernorts zu finden. Denn die Einkünfte aus Löpsingen, welche zuvor das Domkapitel genoss, gingen nunmehr in Steffanis Taschen. Sieben Monate nach seiner Investitur mit Löpsingen unternahm Steffani eine Reise in den bayerischen Teil Schwabens, um sein Kirchspiel zu besichtigen.5 Mitte September 1692, mithin ein Jahrzehnt nachdem Max Emanuel die Zustimmung des Papstes erhalten hatte, wandte sich Fürst Albrecht Ernst II. von Oettingen-Oettingen (1669–1731, reg. seit 1683/1688), Sohn des genannten Albrecht Ernst I., an den Kurfürsten von Bayern: Er bat, Steffani möge auf die Pfründe verzichten, denn, so begründete er sein Ansuchen, üblicherweise würde diese an jemanden vergeben, der in jener Gegend fest ansässig sei.6 Angesichts solcher wiederholter Anwürfe, mal vom Domkapitel zu Augsburg, mal seitens des Fürsten von OettingenOettingen, muss sich Steffani in dieser Ungelegenheit tatsächlich verfolgt gefühlt haben. Nachdem Albrecht Ernst II. außerdem Mitte September 1692 an Steffani selbst ein entsprechendes Schreiben gerichtet hatte, versuchte Steffani, seine guten Beziehungen am herzoglichen Hof in Hannover zu nutzen – wo er seit 1688/1689 als Kapellmeister mit jeder Karnevalsoper aufs Neue europaweit Aufsehen erregte.7 3 Grundlegend zu Steffanis Pfründe Löpsingen: Alfred Einstein, „Agostino Steffani. Biographische Skizze, I: Münchener Zeit (1654–1688)“, in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 23 (1910), S. 1–36, hier: S. 26–28; zusammenfassend: Gerhard Croll, Agostino Steffani. Studien zur Biographie. Bibliographie der Opern und Turnierspiele (Agostino Steffani (1654–1728). Sein Leben und seine Opern), Habil.-Schr., Westfälische Wilhelms-Univ., Münster (Westfalen), 1961 [1960], S. 47–48; Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 26–27. Durchschnittlich dürfte die Pfründe Steffani 1.500 Reichsthaler im Jahr eingebracht haben (vgl. Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 27: „[…] in 1718–22 it brought him a total of 7,355 thalers – out of which, however, he had to pay a pastor for providing religious services.“). 4 Einstein, „Agostino Steffani“ (wie Anm. 3), S. 26. Ebd., S. 27, das Anschließende. 5 Claudia Kaufold, Ein Musiker als Diplomat. Abbé Agostino Steffani in hannoverschen Diensten (1688–1703) (= Veröffentlichungen des Instituts für historische Landesforschung der Universität Göttingen 36), Bielefeld 1997, S. 16–17. 6 Einstein, „Agostino Steffani“ (wie Anm. 3), S. 27. 7 Rosenmarie Elisabeth Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters an den welfischen Höfen Hannover und Celle (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 83), Hildesheim

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Es ist anzunehmen, dass er sich an Herzogin Sophie zu Braunschweig-Lüneburg, geb. Prinzessin von der Pfalz-Simmern (1630–1714, Herzogin seit 1658, Kurfürstin ab 1692), wandte. Zum engsten Kreis um Sophie gehörte Fürstin-Witwe Christine Charlotte von Ostfriesland, geb. Prinzessin von Württemberg-Stuttgart (1645–1699, Fürstin seit 1662).8 Christine Charlotte von Ostfriesland war eine Schwester von Albrecht Ernsts II. verstorbener Mutter. Vermutlich bat Kurfürstin Sophie jene Freundin um ihre Fürsprache bei ihrem Neffen in Oettingen. Und so erreichte Albrecht Ernst II. ein Brief, in dem Christine Charlotte ihren Neffen offenbar bat, Steffani im ungehinderten Besitz und Genuss der Löpsinger Pfründe zu belassen.9 Albrecht Ernst II. hatte diese Pfründe allerdings einem Anderen zugedacht: einem Mitglied der freiherrlichen Familie von Ow, eines alteingesessenen, württembergischen Adelsgeschlechts.10 Hatte der Fürst von Oettingen-Oettingen gehofft, Steffani würde nach einem Jahrzehnt mehr oder minder freiwillig auf seine Pfründe verzichten? Nun saß der Fürst zwischen den Stühlen: Denn wie könnte er sowohl der Fürstin von Ostfriesland, einer nahen Verwandten, als auch seinem eigenen Kandidaten für die Löpsinger Pfründe gerecht werden? In dieser prekären Situation schrieb Albrecht Ernst II. an einen Verwandten. Von diesem erhoffte er sich einen hilfreichen Rat, als er ihm im Januar 1693 den Stand der Dinge schilderte. Jener Verwandte hieß Philipp Florinus, Pfalzgraf von Sulzbach 1974, S. 45–60, speziell: S. 52–59, sowie S. 182–190 und 192–195; Candace Ann Marles, Music and Drama in the Hanover Operas of Agostino Steffani (1654–1728), Ph.D. Diss., Yale University, 1991; Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 50–66.   8 Georg Schnath, Ostfriesische Fürstenbriefe aus dem 17. Jahrhundert (= Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands 25), Aurich 1929; Sabine Heißler, „Christine Charlotte “, in: Biographisches Lexikon für Ostfriesland, hrsg. im Auftrag der Ostfriesischen Landschaft von Martin Tielke, Bd. 1, Aurich 1993, S. 75–77; dies., „Christine Charlotte von Ostfriesland (1645–1699) und ihre Bücher oder lesen Frauen anders?“, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 27/2–3 (1998), S. 335–418; Gerhard Raff, Hie gut Wirtemberg allewege. Das Haus Württemberg, I–III, Stuttgart/Leipzig 1988–2002, III: Das Haus Württemberg von Herzog Wilhelm Ludwig bis Herzog Friedrich Carl. Mit den Linien Stuttgart, Winnental, Neuenstadt am Kocher, Neuenbürg, Mömpelgard, Oels, Bernstadt und Juliusburg in Schlesien und Weiltingen, S. 70–133 (Christina Charlotta 1645–1699 Herzogin von Württemberg, Fürstin von Ostfriesland); Georg Eggersglüs, „‚Sie ließ aber nicht über sich herrschen‘. Die Regentschaft der Fürstin Christine Charlotte“, in: Heimatkunde und Heimatgeschichte. Beilage zu Ostfriesische Nachrichten 2003, Folge 6 (Juni), S. 23–24, Folge 7 (Juli), S. 27–28, Folge 8 (August), S. 32. Vgl. auch den Beitrag von Helen Coffey im vorliegenden Band, S. 113.   9 Die voranstehenden sowie die folgenden Angaben und Zitate nach dem französischsprachigen Brief von Pfalzgraf Philipp Florinus von Sulzbach an Fürst Albrecht Ernst II. von OettingenOettingen, A nurnberg ce 20/30 [janvier] de l’an 1693 (Fürstlich-Öttingen-Wallerstein’sches Archiv, Schloss Harburg, Harburg (Schwaben): VII. 4. 5a, Fasz. 101 [nicht foliiert]). 10 Just welcher Freiherr (Baron) von Ow (Au) der Wunschkandidat des Fürsten Albrecht Ernst II. war, ist ungewiss. In Betracht käme beispielsweise Franz Carl von Ow (Wachendorf) (1637–1726), „bayerischer Kämmerer und Obristjägermeister“, oder einer von dessen Söhnen (vgl. Theodor Schön, Geschichte der Familie von Ow, ergänzt und hrsg. von den Freiherren Hans Otto von Ow-Wachendorf und Anton von Ow-Felldorf, München 1910, S. 429–440).

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(1630–1703). Dessen älteste Schwester Anna Sophie von Pfalz-Sulzbach (1621–1675) hatte 1647 Graf Joachim Ernst von Oettingen-Oettingen (1612–1658) geheiratet, beide waren die Großeltern von Albrecht Ernst II.11 Dessen Großonkel Philipp Florinus von Pfalz-Sulzbach hatte mit wechselndem Erfolg auf verschiedenen Kriegsschauplätzen im Dienst verschiedener Herren gedient.12 Aus Nürnberg antwortete er am 30. Januar 1693 auf Albrecht Ernsts Anfrage. Pfalzgraf Philipp Florinus meinte, Albrecht Ernst II. könne sowohl dem Freiherrn von Ow als auch der Fürstin von Ostfriesland und Steffani gerecht werden. Seine Antwort an die Fürstin-Witwe von Ostfriesland solle er hinauszögern oder ihr einstweilen schreiben, er sei in dieser Angelegenheit, mit seiner Zusage an Freiherrn von Ow, bereits derartig weit vorangeschritten, dass er sich kaum davon lossagen könnte, ohne sich eine Blöße zu geben: „aber dass Euere Hoheit“, so riet Philipp Florinus, „an eine Abhilfe denken wird, damit“ die „Fürsprache“ der Fürstin-Witwe von Ostfriesland „nicht ganz und gar fruchtlos sein wird, und womit der Herr Steffani getröstet werden kann; dass Euere Hoheit sie um etwas Zeit bitten, um dies auf Abhilfen hin zu bedenken. Die Dame kann nicht abschlagen, Ihnen diese Bedenkzeit zu gewähren, und folglich sollte sie beruhigt sein.“ Weiterhin empfahl Philipp Florinus, der Fürst solle die Antwort auf sein Schreiben an Kurfürst Maximilian II. Emanuel abwarten,13 bevor er seine Entscheidung ändere. „An zweiter Stelle,“ fuhr Philipp fort, „wenn der Herr Steffani seine Unpässlichkeit eingesteht, weswegen er sich kein langes Leben verspricht, steht es nicht in seiner Macht, die Stunde seines Abgangs zu beobachten, genau in den [ungeraden] Monaten Ihrer Verfügung. Womit Sie das Wagnis eingehen, dass sein Tod so ungelegen kommt, dass Sie lange Zeit werden verschieben , bevor Sie einem Anderen mit dieser Pfründe einen Gefallen tun können.“

Dennoch solle Albrecht Ernst II. auf Steffanis Verzicht bestehen, gemäß jener Verpflichtung, welche dieser am 15. Mai 1683, bei Annahme der Pfründe von Löpsingen, eingegangen war.14 Um Steffani eine Abfindung anbieten zu können, möge Freiherr von Ow ihm ein für alle Mal eine angemessene Summe zahlen, die Steffanis Lebensunterhalt unterstützen würde, oder ihm auf Lebenszeit einen Teil der Einkünfte aus den Gütern der Pfründe Löpsingen zubilligen. „Dergestalt“, so beschloss Philipp Florinus diesen Abschnitt seines Briefes, „kann Euere Hoheit den Freiherrn von Ow zufrieden stellen, ihn in den Besitz einsetzend, und der Herr Steffani wird auch nichts 11 Detlev Schwennicke, Europäische Stammtafeln, Neue Folge I.1: Die fränkischen Könige und Kaiser, Stammesherzoge, Kurfürsten, Markgrafen und Herzoge des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Frankfurt am Main 1998, Tafel 98. Als Todesjahr von Graf Joachim Ernst gibt Schwennicke irrtümlich 1659 an. 12 Georg Christian Joannis (Hrsg.), Danielis Parei Historia Bavarico-Palatina, Frankfurt am Main 1717, Bd. I, S. 510. 13 Siehe oben bei Anm. 6. 14 Siehe oben bei Anm. 4.

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zu sagen haben, diese neue Pfründe aus Ihren Händen empfangend, und Sie vergeben diese Pfründe zweimal hintereinander.“ In einigen Tagen würde Philipp Florinus den Freiherrn von Ow in Ellwangen sehen und ihm dementsprechende Vorschläge unterbreiten. Sicherlich leitete Pragmatismus Philipp Florinus, als er – um seinem Großneffen mit Rat beizustehen – sogar abwog, was Steffanis Unpässlichkeit für Folgen haben könnte. Dass gleichwohl auch das Soufflieren eines advocatus diaboli Albrecht Ernst II. letztlich nichts nutzte, zeigte der weitere Verlauf. Anscheinend befolgte Fürst Albrecht Ernst II. zumindest den Ratschlag des Pfalzgrafen, sich einer Hinhaltetaktik zu bedienen. Ebenso taktierte vermutlich die Gegenseite. Denn erst neun Monate später, am 4. November 1693, ließ der Kurfürst von Bayern an den Fürsten von Oettingen-Oettingen schreiben, er möge Steffani die Pfründe auf Lebenszeit zusichern.15 Geschah es so? Von Claudia Kaufold in ihrer Dissertation geschilderte Vorgänge aus der zweiten Jahreshälfte 1701 lassen darauf schließen, dass Albrecht Ernst II. einen erneuten Vorstoß wagte, Steffani aus Löpsingen zu verdrängen.16 Dabei grenzte das Verhalten des Fürsten anscheinend zunehmend an Schikane. Und solchem Gebaren begegnete Abbate Agostino Steffani von Löpsingen, dank seiner einflussreicheren Bekannten, dauerhaft mit mehr Erfolg. Selbstsicher konnte Steffani Fürst Albrecht Ernst II. von Oettingen-Oettingen im Jahre 1709 vorhalten: Er habe die Pfründe Löpsingen seit 25–26 Jahren inne – „ein bisschen lange für Leute, die mir gerne nachfolgen möchten. Unfähig, es mir wegzunehmen, versuchen sie, mich zu bekümmern.“17 Im Jahr darauf, am 26. Februar 1710, sprach Steffani beim Fürsten von Oettingen-Oettingen vor, als dieser in Hannover Station machte.18 Schade, dass sich nur spekulieren ließe, wie die Unterhaltung wohl verlaufen sein mag.

Sänger und Textbuch der Oper Arminio von Steffani und Pallavicini Im Jahre 1707 war es fast ein halbes Jahrzehnt her, dass Steffani sich in Düsseldorf, am Hof des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz-Neuburg (1658–1716; reg. seit 1690) niedergelassen hatte.19 An diesem katholischen Hof wurde Steffani mehr 15 Einstein, „Agostino Steffani“ (wie Anm. 3), S. 28. 16 Kaufold, Musiker (wie Anm. 5), S. 90. 17 Franz Wilhelm Woker, „Der Tondichter Agostino Steffani, Bischof von Spiga i. p. i. und Apostolischer Vicar von Norddeutschland (1655–1728), in: Der Katholik – Zeitschrift für katholische Wissenschaft und kirchliches Leben 67/1,3 (Neue Folge 57) (1887), S. 312–329, hier: S. 316, Anm. 1. 18 „Hannover[,] d[en]. 26 febr[uarii]: 1710: […] So kahmen Sie [Fürst Albrecht Ernst II. von Oettingen-Oettingen] bald Jn Jhr Zimmer, Eß kahm Zu Erst der Bischoff von spyga[,] hier nechst die [Polnische] gesandtinne Mad[ame]: Nostitz, wie die weck wahren[,] kleydeten Sie Sich, E ­­ ß kah[m] Jn d[en]. langen Rohten türcken Rock […]“: Fürstlich-Öttingen-Wallerstein’sches Archiv (wie Anm. 9), VII. 3. 19a, Fasz. 58 [nicht foliiert]. 19 Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 83, 86–87.

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und mehr mit kirchenpolitischen Aufgaben betraut. Als Musiker trat er umso weniger in Erscheinung. Zumindest gelangten dort bis 1709 drei Opern von ihm zur Aufführung: Während des Karnevals 1707 hatte Arminio Premiere, eine Oper, für die Stefano Benedetto Pallavicini (1672–1742), kurpfälzischer Sekretär für die italienische Korrespondenz und Hofpoet, das Libretto gedichtet hatte.20 Während des Karnevals 1709 wurden Amor vien dal Destino (Liebe kommt vom Schicksal) und Tassilone dargeboten. Amor vien dal Destino entstand noch in Hannover, als Il Turno. Dort jedoch ersetzte – offenbar recht kurzfristig – I trionfi del Fato o Le glorie d’Enea die ursprünglich geplante Opernproduktion mit einem Sujet aus der Aeneis von Vergil.21 Das Libretto zu Il Turno / Amor vien dal Destino hatte wohl Ortensio Mauro (1632/33?–1725) verfasst, Sekretär für die italienische Korrespondenz und Hofpoet in Hannover. Ebenso wie für Arminio schuf Pallavicini auch das Libretto für Tassilone, Steffanis letzte Opernkomposition überhaupt.22 Von den drei Düsseldorfer Opern Steffanis geht es im Folgenden um die erste, um Arminio. In seinem Opernschaffen nimmt dieses Werk eine Sonderstellung ein, denn es ist sein einziges Pasticcio. Dafür griff der Komponist bei der Vertonung auf ältere, in München und Hannover entstandene eigene Opern zurück. Zudem war es die einzige seiner Opern, zu der bislang kein Textdruck von der Erstaufführung greifbar gewesen ist.23

20 Gerhard Croll, „Musikgeschichtliches aus Rapparinis Johann-Wilhelm-Manuskript (1709)“, in: Die Musikforschung 11/3 (1958), S. 257–264, hier: S. 263; ders., „Zur Chronologie der ‚Düsseldorfer‘ Opern Agostino Steffanis“, in: Festschrift Karl Gustav Fellerer zum sechzigsten Geburtstag am 7. Juli 1962 überreicht von Freunden und Schülern, hrsg. von Heinrich Hüschen, Regensburg 1962, S. 82–87. Zu Stefano Benedetto Pallavicini siehe: Francesco Algarotti, „Notizie pertinenti alla vita, ed alle opere del sig[nor]. Stefano Benedetto Pallavicini“, in: Delle opere del signor Stefano Benedetto Pallavicini, 4 Bde., Venedig 1744, Bd. 1 [ohne Seitenzählung]; Gerhard Croll, Artikel „Pallavicini, Stefano Benedetto“, in: Rheinische Musiker, 2. Folge, hrsg. von Karl Gustav Fellerer (= Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte 53), Köln 1962, S. 71–73 (Herrn Prof. em. Dr. Gerhard Croll (Salzburg) danke ich vielmals für seinen freundlichen Hinweis auf diesen Beitrag); Fabio Marri, „Ein italienischer Dichter an den Ufern der Elbe: Stefano Benedetto ­Pallavicini“, in: Elbflorenz. Italienische Präsenz in Dresden 16.–19. Jahrhundert, hrsg. von Barbara Marx, Dresden 2000, S. 159–175. 21 Zur Entstehung dieser Oper siehe: Colin Timms, „The Fate of Steffani’s I trionfi del fato“, in: Sundry Sorts of Music Books. Essays on The British Library Collections – Presented to O. W. Neighbour on his 70th birthday, hrsg. von Chris Banks, Arthur Searle und Malcolm Turner, London 1993, S. 201–214. 22 Agostino Steffani. Tassilone. Tragedia per Musica (in 5 atti), Rappresentata alla Corte Elettorale Palatina, l’anno 1709, Jubiläumsausgabe der Stadt Düsseldorf und des Landes Nordrhein-Westfalen zum 300. Geburtstag des Kurfürsten Johann Wilhelm, hrsg. von Gerhard Croll (= Denkmäler rheinischer Musik 8), Düsseldorf 1958. 23 Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 96–97, 240–245 und 396, 380–381.

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Während des Winters 2006/2007 wurde vom Verfasser eine – bereits in einem 1912 veröffentlichten Katalog nachgewiesene24 – Partiturabschrift identifiziert, welche die Sängerbesetzung von 1707 nennt. Und 2012 fand sich ein rares Exemplar, offenbar ein Unikat, des Düsseldorfer Textdrucks. Die in der Staatsbibliothek Bamberg überlieferte Partitur zählte einst zum Bücherbesitz von Fürst Carl II. August von Pfalz-Zweibrücken (1746–1795; reg. seit 1775). Geschrieben hat sie Gregorio Piva (ca. 1670/1675?–1740).25 Piva ist vor allem als Kopist und vorgeblicher Urheber Steffanis späterer Werke bekannt. Außerdem kopierte er während seiner Tätigkeiten an den kursächsischen, kurbraunschweigischen, kurpfälzischen und kurkölnischen Höfen weitere Musikalien und Schriftstücke. Im Vorspann der vorliegenden Partitur schrieb Piva das Vorwort aus Pallavicinis Libretto sowie die Besetzungsliste ab.26 Laut dieser Liste sang ein Bassist namens Giovanni Francesco Benedetti den Segeste. Zwei Jahre später würde Benedetti in Pallavicinis und Steffanis Tassilone als Carlo Magno auftreten.27 Angeblich stammte er aus Lucca. In Macerata wirkte er 1695 und 1702 in Opern und einem Oratorium mit, in Bologna 1719 in zwei Opern.28 Seit der Karnevalssaison 1718/1719 bis vermutlich 1721 stand er in Mantua in Diensten von Prinz Philipp von Hessen-Darmstadt (1671–1736), kaiserlicher Statthalter des Herzogtums. Dort und in Verona wirkte Benedetti bei Aufführungen von Opern von Antonio Vivaldi (1678–1741), Kammerkapellmeister des Prinzen, mit: Il Teuzzone, RV 736, Tito Manlio, RV 738 (beide Mantua, Karneval 1719), Gli inganni per vendetta, RV 699-C (Verona, Mai 1720).29 Steffani vermittelte Benedetti im Herbst 1721 ein Engagement am Hofe des musikvernarrten Fürstbischofs von

24 Katalog der Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Bamberg, Bd. III, bearbeitet von Hans Fischer, Bamberg 1912, S. 123: Bipontina, Msc. 17 (Herrn Prof. Dr. Werner Taegert, Leiter der Staatsbibliothek Bamberg, danke ich für diesen Hinweis). 25 Zur Bibliothek von Fürst Carl II. August von Pfalz-Zweibrücken und ihrem Weg nach Bamberg siehe: Werner Taegert, „Zur Geschichte einer fürstlichen Büchersammlung“, in: Kunstschätze aus Schloss Carlsberg. Die Sammlungen der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken, hrsg. von Ernst-Gerhard Güse, Saarbrücken 1989, S. 247–279. Zu Gregorio Piva siehe: Colin Timms, „Gregorio Piva and Steffani’s Principal Copyist“, in: Source Materials and the Interpretation of Music: A Memorial Volume to Thurston Dart, hrsg. von Ian Bent, London 1981, S. 169–190, hier: S. 172–175. 26 Staatsbibliothek Bamberg: Bipontina, Msc. 17, fol. 2r–2v (Vorwort) und 3r „Persone.“. Nach dieser Liste die folgenden Angaben zur Besetzung. 27 London, British Library, R.M. 23.i.18. [nicht paginiert], Persone; Andreas Freitäger, Die Barockoper unter Jan Wellem (1679–1716). Studien zur Düsseldorfer Hofoper als Verherrlichung des Fürsten (= Düsseldorfer Familienkunde, Sonderheft Juni 1990), [Düsseldorf 1990], S. 35, nennt ihn „Christian Franziscus Benedetti“; Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 98. 28 Claudio Sartori, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde., Cuneo 1990–1994, Bd. I, Nr. 1840; Bd. V, Nr. 20912 und 21898; Bd. IV, Nr. 18765. 29 Reinhard Strohm, The Operas of Antonio Vivaldi (= Studi di musica veneta – Quaderni vivaldiani 13), 2 Bde., Florenz 2008, I, S. 59, 225, 240, 248.

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Würzburg, Graf Johann Philipp Franz von Schönborn (1673–1724; reg. seit 1719).30 Doch musste dieser den Bassisten im Februar oder März 1722 wieder entlassen, aufgrund von dessen Dreistigkeit gegenüber dem Markgrafen von BrandenburgAnsbach, einem guten Freund des Würzburger Fürstbischofs.31 Antonio Maria Tosi († 1712), ein Altkastrat, interpretierte Segestes Tochter Tusnelda. Er ist – nach gegenwärtigem Kenntnisstand – erstmals während des Karnevals 1697 am Düsseldorfer Hof nachweisbar. Damals war ihm die Partie einer Königstochter in der Oper Telegono von Pallavicini und Carlo Luigi Pietragrua (ca. 1665–1726) zugedacht.32 Zur weiteren Vervollkommnung des jungen vielversprechenden Sängers schickte ihn vermutlich das pfälzische Kurfürstenpaar ca. 1699 nach Wien, zu Giovanni Bononcini (1670–1747). Bononcini brachte einige Musiker, darunter Tosi, an den Berliner Hof mit. Hier fiel Tosi mit seinen Auftritten in musikalisch-szenischen Werken seines Lehrers auf, so dass Königin Sophie Charlotte in Preußen (1668–1705; Königin seit 1701), Kurfürstin von Brandenburg (seit 1688), ihn in Dienst nehmen wollte.33 Doch er blieb bis zu seinem frühen Tod am kurpfälzischen Hof in Düsseldorf, abgesehen von einem Aufsehen erregenden Gastspiel in Venedig, während des Karnevals 1707/1708.34 In Tassilone interpretierte er Gismonda, eine langobardische Königstochter.35 Die Titelpartie des Arminio übernahm Valeriano Pellegrini (ca. 1663–1746), ein Soprankastrat.36 Er war in Bologna und Verona aufgewachsen und wurde Mitglied

30 Lowell Lindgren and Colin Timms, The Correspondence of Agostino Steffani and Giuseppe Riva, 1720–1728, and Related Correspondence with J. P. F. von Schönborn and S. B. Pallavicini (= Royal Musical Association Research Chronicle 36), London 2003, S. 28–33; zusammenfassend: Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 127. Hier nennt Timms zwar auch Benedettis Mitwirkung in Tassilone, doch entsteht in beiden Publikationen der Eindruck, „Benedetto“ sei ein Vorname des Sängers. Das mag dem seinerzeitigen Usus entsprechen, allerdings ließ v. Schönborn in seinen (diktierten) Briefen an Steffani den Bassisten stets mit dessen Nachnamen Benedetti nennen (siehe Città del Vaticano, Congregazione per l’Evangelizzazione dei Popoli, Archivio storico de Propaganda Fide, Fondo Spiga (i. F. FS), Bd. 29 [nicht foliiert]). 31 Francesco Ludovico (Franz Ludwig) Fichtl an Agostino Steffani, Erbipoli (Würzburg) li 25. marzo 1722 (FS, Bd. 29). Lindgren and Timms, The Correspondence (wie Anm. 30), S. 33, schreiben diesen Brief Fürstbischof Johann Philipp Franz zu. 32 Wien, Österreichische Nationalbibliothek (A-Wn), Musiksammlung: Mus. Hs. 18976, 1–2, Bd. 1, fol. 3r; Freitäger, Die Barockoper (wie Anm. 27), S. 32. 33 Lowell Edwin Lindgren, A Bibliographic Scrutiny of Dramatic Works Set by Giovanni and His Brother Antonio Maria Bononcini, Ph.D. Diss., Harvard University, Cambridge, Mass., 1972, S. 96. Tosis Mitwirkung in Telegono (Düsseldorf, Karneval 1697) spricht gegen Lindgrens Annahme, dass Tosi „was probably brought by GB [Giovanni Bononcini] from Italy to Vienna in 1698“ (ebd.). 34 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München: Kasten blau (perditum). 35 Wie Anm. 27. 36 Zu Valeriano Pellegrini – außer wenn anders angegeben – siehe: Hans Joachim Marx, Händel und seine Zeitgenossen. Eine biographische Enzyklopädie (= Das Händel-Handbuch 1), Laaber 2008, Teilbd. 2, S. 762–764.

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der Cappella Sistina in Rom. Von dort aus ging er nach Wien (1699) und München (1702). Am kurbayerischen Hof erhielt er ein Jahresgehalt von 1000 Gulden. Wegen der kriegsbedingten drastischen Reduzierung des Münchener Hofstaates wechselte Pellegrini 1705 an den kurpfälzischen Hof nach Düsseldorf. Hier sang er auch während des Karnevals 1709 die Partie des Schwabenprinzen Gheroldo in der Oper Tassilone.37 Ende desselben Jahres trat er in Venedig als Nerone in Agrippina, HWV 6, von Georg Friedrich Händel (1685–1759) auf.38 Erneut konnte Händel Pellegrini für Opernrollen gewinnen, als er in London Il pastor fido, HWV 8a (November 1712), und Teseo, HWV 9 (Januar 1713), auf die Bühne brachte. In beiden Opern übernahm Pellegrini jeweils die Titelrolle. Vermutlich komponierte Händel noch die Partie des Lepido in L. C. Silla, HWV 10 (Juni 1713), für ihn.39 Während der 1720er-Jahre kehrte Pellegrini nach Italien zurück und trat in den geistlichen Stand ein. Vincenzo Giardi, ein Altist, trat als Inguimero, Onkel Arminios, auf. Er wirkte ein Jahrzehnt zuvor (1696–1697) in drei Opern am Düsseldorfer Hof mit: anlässlich des Namenstages von Kurfürst Johann Wilhelm in der einaktigen Oper La monarchia risoluta (1696) von Giorgio Maria Rapparini (1660–1726), kurpfälzischem Sekretär für die französische Korrespondenz und Hofpoet, und Johann Hugo (von) Wilderer (1670/1671?–1724), Hoforganisten, wohl als Faustina;40 als Venilia, Rutuler-Prinzessin, in der Oper Telegono von Pallavicini und Pietragrua;41 und als Irene in Il giorno di salute ouvero Demetrio in Athene (Der Tag des Heils) von Rapparini und Wilderer.42

37 Wie Anm. 27. 38 In George Frideric Handel: Collected Documents, Bd. 1: 1609–1725, hrsg. von Donald Burrows, Helen Coffey, John Greenacombe and Anthony Hicks, Cambridge 2013, S. 248, ist unzutreffend zu lesen: „Valentini [Urbani] had sung the role of Nerone in Agrippina in 1709.“. Rashid-S. Pegah, „‚anno 1707‘. Neue Forschungsergebnisse zur Tätigkeit von G. F. Händel in Rom und Florenz“, in: Die Musikforschung 62/1 (Januar–März 2009), S. 2–13, hier: S. 8–9 und 13, verlegt eine Begegnung von Prinz Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen (1687–1763) mit Valeriano Pellegrini in Düsseldorf irrig ins Jahr 1709. Tatsächlich begegneten sich der Prinz und der Kastrat im Jahre 1710 (siehe: Jürgen Rainer Wolf, „Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen in Düsseldorf. Unbekannte Nachrichten zum Guss des Reiterdenkmals und Kurfürst Johann Wilhelms Hofhaltung“, in: Düsseldorfer Jahrbuch 85 (2015), S. 167–194, hier: S. 188, sowie den Nachdruck in: Anton Ulrich 1687–1763 Herzog von Sachsen-Meiningen. Ein Leben zwischen Eigensinn und Leidenschaft (= Südthüringer Forschungen 34), [Red.: Andrea Jakob], Meiningen 2015, S. 177–204, hier: S. 198 (verwechselt allerdings den Titel der Oper und die von Pellegrini gesungene Partie miteinander; siehe jeweils Anm. 115). 39 Handel: Collected Documents (wie Anm. 38), S. 273. 40 Freitäger, Die Barockoper (wie Anm. 27), S. 33. Der ebd. vorgeschlagenen Zuordnung als Opernproduktion anlässlich der in Düsseldorf veranstalteten Hochzeit eines Bruders der Kurfürstin von der Pfalz widerspricht die Anspielung auf den Namenstag des Kurfürsten in der Licenza (siehe die Partitur, wohl ein Teilautograph: A-Wn, Musiksammlung: Mus. Hs. 17929 (Leopoldina) sowie den Textdruck). 41 Wie Anm. 32. 42 A-Wn, Musiksammlung: Mus. Hs. 17930 (Leopoldina) 1–3, Bd. 1 [ohne Seitenzählung].

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Als Sigardo, Mitglied des Herzogshauses von Aquitanien, war er in Düsseldorf 1709 auch in Tassilone zu hören und zu sehen.43 Benedett(in)o Baldassar(r)i († 1739), ein Soprankastrat, stellte Inguimeros Tochter Ermude dar. Baldassaris Engagement am Düsseldorfer Hofe soll die Kurfürstin vermittelt haben.44 Allerdings bereits 1706, während bisher das Jahr 1708 angenommen wurde. Als Teodata, Tochter Kaiser Karls des Großen, konnte das Publikum Baldassari in Tassilone erleben.45 Steffani versuchte um 1710/1711 mittels Baldassari, das preußische Thronfolgerpaar zur Konversion zum Katholizismus zu bewegen.46 Ebenso wie Pellegrini gastierte Baldassari von Düsseldorf aus 1712 in London. Nach Opernauftritten in Italien kehrte er 1719 nach London zurück. Bis 1722 sang er hier in Opern von Händel, Giovanni Porta (ca. 1677–1755) und Bononcini. In Dublin veranstaltete er im Oktober 1725 eine Konzertreihe und 1732 konzertierte er in Edinburgh. Ebenso wie Pellegrini machte er neben seiner Virtuosität auch mit seinem divenhaften Gebaren von sich reden.47 Lorenzo Santorini (ca. 1672–1764), ein Tenor, interpretierte in Arminio dessen römischen Gegenspieler Quintilio Varo. Erstmals ist er als Mitwirkender bei einer Opernproduktion in Mantua 1697 nachweisbar.48 Auftritte in Venedig folgten 1705/1706. Er sang 1709 in Düsseldorf in Tassilone die Partie des Adalgiso, Langobardenprinz.49 In Rom trat er während des Karnevals 1718 und 1719 auf.50 Unter Kurfürst Carl III. Philipp von der Pfalz (1661–1742; reg. seit 1716) war Santorini noch in Mannheim als Sänger, Librettist und Komponist tätig.51 Ein anderer Soprankastrat, Alessandro Mori, übernahm in Arminio die Partie des Servilio. Während des Karnevals 1697 war Mori in Telegono als Telemaco, Sohn des Odysseus, und in Il giorno di salute ouvero Demetrio in Athene als Euridice 43 Wie Anm. 27. 44 Siehe zu Benedetto Baldassari (außer wenn anders angegeben): Marx, Händel (wie Anm. 36), Teilbd. 1, S. 152–154. 45 Wie Anm. 27. 46 Zu Steffanis „gran negotio di Berlino“ vgl. den Beitrag von Margherita Palumbo im vorliegenden Band, S. 223, 225, 228–230. 47 So musste Händel seine bereits fertige Oper Radamisto, HWV 12 (London 1720), wesentlich ändern, weil Benedetto Baldassari darauf bestand, dass seine Opernfigur, zuerst als Minister eingeführt, zu einem souveränen Herrscher umgestaltet werde (Handel: Collected Documents [wie Anm. 38], S. 474–476). 48 Sartori, I libretti (wie Anm. 28), I, Nr. 1633. Zum Anschließenden die Textdrucke: [Apostolo Zeno] Antioco (Drama per musica), Teatro Tron di S. Cassiano, Venezia 1705, S. 11; [Pietro Pariati] Ambleto (Drama per musica), Teatro Tron di S. Cassiano, Venezia 1705 [1706], S. 11. 49 Wie Anm. 27. 50 Sartori, I libretti (wie Anm. 28), I, Nr. 858; V, Nr. 21897 (das ebd., Nr. 21892, registrierte Textdruckexemplar bezieht sich auf dieselbe Produktion, ist allerding irrig mit „1713“ datiert); I, Nr. 3271; IV, Nr. 14501. 51 Bärbel Pelker, „The Palatine Court in Mannheim“, in: Music at German Courts, 1715–1760. Changing Artistic Priorities, hrsg. von Samantha Owens, Barbara M. Reul und Janice B. Stockigt, Woodbridge 2011, S. 131–162, hier: S. 159 und 161.

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beziehungsweise Cirene aufgetreten.52 Vermutlich im Jahr zuvor, anlässlich des Namenstages des Kurfürsten Johann Wilhelm, wirkte Mori in der Oper La monarchia risoluta wohl als Giulia mit.53 In Tassilone interpretierte er die Titelrolle.54 Noch 1723 war er Mitglied der kurpfälzischen Hofkapelle in Mannheim.55 Schließlich trat 1707 in Arminio in der Partie eines Priesters, nämlich Libisso, Giuseppe Olzi (Olci) († 1716) auf. Er dürfte im Veneto – vielleicht in der Lagunenstadt selbst? – zur Welt gekommen sein. Sein erstes – bislang bekanntes – Lebenszeichen datiert vom 18. Oktober 1700: Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz (1664–1718; reg. seit 1682/1685), Administrator des Stifts Naumburg an der Saale, empfahl „Joseppo Olzi Virtuoso Venetiano“ am genannten Tag an die Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Eisenach (vielleicht auch an den von Sachsen-Weimar).56 Olzi war zuvor von Bayreuth aus nach Zeitz empfohlen worden. Doch anscheinend fand er damals auf keines der Empfehlungsschreiben hin ein festes Engagement und reiste nach Italien zurück. So suchte er sein Glück offenbar in England: Für Montagabend, den 29. November 1703, kündigte eine Zeitungsmeldung an, „Seignior Olsii lately come from Italy“ würde zwischen den Akten einer Komödienaufführung in einem Londoner Theater Musik darbieten.57 Ein halbes Jahr später veranstaltete Giuseppe Olzi zusammen mit anderen namhaften Musikern und Komponisten der damaligen Londoner Musik- und Theaterszene – auch solchen aus Frankreich und Italien gebürtigen – ein Benefizkonzert für sich selbst.58 Vielleicht fand er ein Unterkommen am kurpfälzischen Hofe in Düsseldorf

52 Wie Anm. 32 und Anm. 42. 53 Wie Anm. 40. 54 Wie Anm. 27. 55 Bayerische Staatsbibliothek München, Abteilung Handschriften und Alte Drucke: Cgm 1665, pag. 46; Pelker, „The Palatine Court“ (wie Anm. 51), S. 159. 56 Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz, Administrator des Stifts Naumburg an der Saale, an Herzog Friederich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg sowie an Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach, M[oritz]b[urg an der Elster]. d[en]. 18. 8br[is]: 1700 [Konzept] (Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden: 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 8589/4, fol. 173r); Arno Werner, Städtische und fürstliche Musikpflege in Zeitz – bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen des Fürstlichen Institutes für musikwissenschaftliche Forschung zu Bückeburg, Vierte Reihe: 2), Bückeburg/Leipzig 1922, S. 92; Ausfertigung (nur Courtoisie und Unterschrift eigenhändig) an Herzog Friederich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, mit Vermerk der Friedensteinischen Kanzlei: „in Simili nach Eisenach“ (Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha: Geheimes Archiv, AAA, IV, Nr. 23 [nicht foliiert]). 57 The Daily Courant 405 (Monday, 29 November 1703), [ohne Seitenzählung]; Kathryn Lowerre, Music and Musicians on the London Stage, 1695–1705 (= Performance in the Long Eighteenth Century: Studies in Theatre, Music, Dance), Farnham/Burlington, Vt. 2009, S. 334 und 351. Zwar ist die Formulierung der Zeitungsankündigung in dieser Hinsicht mehrdeutig, doch ist eher anzunehmen, Olzi habe die Musik (fremder Komponisten) dargeboten, keine von ihm selbst komponierte. 58 The Daily Courant 652 (Thursday, 18 May 1704) (Herrn Prof. em. Dr. Michael Talbot (Liverpool) danke ich vielmals für seine Mitteilung der originalen Annonce); The London Stage 1660–1800.

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im Zuge seiner Rückreise von der Insel auf den Kontinent? Pivas Besetzungsliste des Arminio vom Karneval 1707 ist anscheinend der früheste Beleg für Olzis Tätigkeit in Diensten des Kurfürsten Johann Wilhelm und dokumentiert den einzigen gesicherten Opernauftritt dieses venezianischen Tenorsängers. Er dürfte bis an sein Lebensende in Düsseldorf geblieben sein. Von hier aus meldete Pallavicini am 24. April 1716 Steffani, dass „der berühmte“ Olzi an einem Blutsturz gestorben sei.59 Bisher ist Arminio auch die einzige Oper von Steffani gewesen, zu der kein Exemplar des für die Aufführungen in Düsseldorf 1707 angefertigten Textdruckes erhalten zu sein schien. Gerhard Croll äußerte zum anspielungsreichen Sujet des Arminio zwar: „Daß die Wahl des Stoffes – das Textbuch schrieb Stefano Benedetto Pallavicini – auf den Landesherrn, seine ‚virtù‘ gemünzt ist und daß damit zugleich dessen unbedingte Treue zu Kaiser und Reich hervorgehoben werden sollte, versteht sich von selbst; man findet diese Verdienste und Haltung aber auch dick unterstrichen in Pallavicinis Vorwort: Man sollte den ‚Serenissime Maître‘, Johann Wilhelm also, mit dem Helden auf der Bühne identifizieren, der sein Land von der Fremdherrschaft befreit.“60

Doch sowohl Colin Timms als auch Roger Christian Skarsten suchten vergebens nach der Quelle von Crolls Wiedergabe von „Pallavicinis Vorwort“.61 Croll hatte selbst in seiner Habilitationsschrift zu Arminio bemerkt: „(A) Text Ein Textbuch zu dieser Oper hat sich bisher nicht gefunden.“62 Tatsächlich gehen seine oben zitierten Angaben zum Sujet des Arminio auch auf eine Bemerkung von Rapparini zurück, nicht auf „Pallavicinis Vorwort“: A Calendar of Plays, Entertainments and Afterpieces Together with Casts, Box-Receipts and contemporary Comment, Part 2: 1700–1729, hrsg. von Emmett L. Avery, Carbondale, IL, 1960, S. 49 und 67. 59 Stefano Benedetto Pallavicini an Agostino Steffani, Bischof von Spiga i. p. i., Dusseldorf 24 Ap[ri].le 1716, FS, Vol. 6 [nicht foliiert]). Das Epitheton „il famoso“ ist augenscheinlich ironisch aufzufassen. Vgl. auch den Brief von Ortensio Mauro an Freiherrn Friedrich Wilhelm von Schlitz, gen. Görtz, [s. l. (Hannovre?)] 22 May [s. a. (1716)] (Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: F 23 A Nr. 144/26 [nicht foliiert]). 60 Gerhard Croll, „Musik und Politik. Steffani-Opern in München, Hannover und Düsseldorf “, in: Il melodramma italiano in Italia e in Germania nell’età barocca / Die italienische Barockoper, ihre Verbreitung in Italien und Deutschland (= Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S. – Como 9), hrsg. von Alberto Colzani u. a., Como 1995, S. 31–42, hier: S. 34 (Frau PD Dr. Dorothea Schröder (Cuxhaven) danke ich vielmals für ihren Hinweis auf diese Publikation). 61 Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 96 und 369, Anm. 53; Roger Christian Skarsten, Singing Arminius, Imagining a German Nation: Narratives of the liberator Germaniae in Early Modern Europe, Diss., University of Minnesota, 2012, S. 116, Anm. 69 (Herrn Dr. Skarsten [Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim] danke ich vielmals für seinen freundlichen Hinweis auf seine Dissertation). Beide Autoren beziehen sich jeweils auf das Zitat Crolls (siehe bei Anm. 60). 62 Croll, Agostino Steffani (wie Anm. 3), S. 267.

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Zwei Steffani-Studien. Ergänzungen zu Biographie und Werk von Agostino Steffani

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„[…] puis Le Arminius, où il [Pallavicini] a fait revivre Les anciens Sentimens d’honneur de ce grand Zéle de la Patrie, par rapport aux genéreuses maximes de notre Serenissime Maitre pour Le bien de l’Empire du quél il est mémbre si distingué, si fedel et si passionné.“63

Folglich konnte Skarsten auch keine wörtliche Übereinstimmung zwischen dem von Croll Mitgeteilten und dem von Piva abgeschriebenen Vorwort (argomento) feststellen.64 Indessen übertrug Rapparini, kaum den originalen italienischsprachigen Wortlaut variierend, aus dem argomento. Dass Piva das argomento wortgetreu aus Pallavicinis Libretto wiedergab, lässt sich nunmehr bestätigen. Denn innerhalb des weniger beachteten Librettibestandes der Kungliga biblioteket – Sveriges nationalbibliotek Stockholm konnte ich das gegenwärtig einzige bekannte Exemplar des Düsseldorfer Textdrucks von Arminio von Pallavicini auffinden.65 Lediglich der im Textdruck befindliche Verweis auf die „Annales“ (ca. 110–120) von Publius Cornelius Tacitus (ca. 55–120), einem römischen Historiker, als Quelle für die Bearbeitung des vorgegebenen Sujets, fehlt in Pivas Niederschrift.

63 Giorgio Maria Rapparini, Le portrait du vrai mérite dans la personne serenissime de Monseigneur l’Electeur Palatin. Ebauché par George Marie Raparini et exposé le Jour du Nom de son Altesse Elect[orale] l’An 1709 (Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf: Inv. Nr. Aut. 20.781), pag. 96 ([…] dann der Arminio, worin er [S. B. Pallavicini] die alten Ehrgefühle dieses großen Eiferers für das Vaterland wiederaufleben ließ, entsprechend den großherzigen Verhaltensregeln unseres Durchlauchtigsten Herrn und Meisters für das Wohl des Reiches, dessen so ausgezeichnetes, treues und leidenschaftliches Mitglied er ist.). Ein Faksimile erschien in Neusäß und Augsburg 1988; siehe auch Die Rapparini-Handschrift der Landes- und Stadt-Bibliothek Düsseldorf, hrsg. und komm. von Hermine Kühn-Steinhausen (= Veröffentlichungen der Landes- und Stadt-Bibliothek Düsseldorf 4), Düsseldorf 1958, S. 44–46, hier: S. 45. Siehe ferner: Croll, „Musikgeschichtliches“ (wie Anm. 20), und Croll, Agostino Steffani (wie Anm. 3), S. 176. 64 Skarsten, Singing Arminius (wie Anm. 61), S. 117, Anm. 71. Allerdings ist es unzutreffend, wenn er ebd. Pallavicinis Vorbemerkung oder argomento als „dedication“ bezeichnet. 65 Stockholm, Kungliga biblioteket – Sveriges nationalbibliotek: Litt. Ital. Librett. (Br.) RAR 137 Gd B Arminio.

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Rashid-S. Pegah

Abb. 1: Stefano Benedetto Pallavicini, Arminio, Düsseldorf 1707, Titelseite des Textdrucks.

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Michael F. Feldkamp

Agostino Steffani – Priester und Bischof

In der Geschichte der Geschichtswissenschaft gibt es ein Beispiel von internationalem Ausmaß, in dem ein Dichter für Historiker zum „Fallensteller“ geworden ist.1 Der Schriftsteller Rolf Hochhuth (*1931) hat mit seinem 1963 publizierten und uraufgeführten Theaterstück Der Stellvertreter eine einzigartige Debatte über die Rolle von Papst Pius XII. während des Zweiten Weltkrieges losgetreten. Nachhaltig hat Hochhuth mit seinem Theaterstück das bis dahin bestehende positive Bild des Papstes ins Gegenteil verkehrt und darüber hinaus Heerscharen von Historikern motiviert, die sich bemühten, Hochhuth zu widerlegen oder zu bestätigen. Bis heute dauert die Debatte an. Erfreulicherweise hat der Sänger, Komponist, Diplomat, katholische Priester und Bischof Agostino Steffani keine solch große und / oder kontroverse Aufmerksamkeit bekommen, als die amerikanische Krimiautorin Donna Leon (*1942) mit ihrem Roman Himmlische Juwelen (September 2012) eine ungewöhnliche Annäherung an die historische Persönlichkeit Steffanis wagte. Vermutlich liegt es unter anderem auch daran, dass die gleichzeitig veröffentlichten Neuaufnahmen der Arien Steffanis durch die berühmte italienische Opernsängerin Cecilia Bartoli (*1966) das größere Interesse erreichten als die schwer vermittelbare und zu wenig spektakuläre Biographie, die trotzdem als Roman präsentiert wurde. Dabei bietet auch Steffanis Biographie einige Besonderheiten, von denen hier einer nachgegangen werden soll: Wie passen ein bewegtes Musiker- und Theaterleben, das heute dem Showgeschäft zugerechnet würde, und ein frommes Dasein als katholischer Priester und Bischof zusammen? Zur Beantwortung der Frage muss wenigstens in groben Zügen seine Biographie vergegenwärtigt werden.2 1 Thomas Brechenmacher, „Der Dichter als Fallensteller: Hochhuths ‚Stellvertreter‘ und die Ohnmacht des Faktischen – Versuch über die Mechanismen einer Geschichtsdebatte“, in: Geschichte als Falle. Deutschland und die jüdische Welt. Für die Forschungsstelle deutsch-jüdische Zeitgeschichte, hrsg. von Michael Wolffsohn und Thomas Brechenmacher, Neuried 2001, S. 217–257. 2 Für die Biographie Steffanis folge ich in Teilen meiner Skizze: Michael F. Feldkamp, „Der Nachlaß des Komponisten, Diplomaten und Bischofs Agostino Steffani (1654–1728) im Archiv der Propaganda Fide“, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 72 (1992),

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Michael F. Feldkamp

Sänger und Musiker Agostino Steffanis Familie stammte ursprünglich aus Padua und war um 1570 nach Castelfranco Veneto eingewandert, wo Agostino am 25. Juli 1654 als fünftes von sieben Kindern des Camillo Steffani und der Paolina Terzago geboren wurde. Während seines Italienaufenthaltes im Jahre 1667 lernte Ferdinand Maria von Bayern (1636–1679; 1651 Kurfürst) den begabten Sänger in Padua kennen und übergab ihn der Obhut des Grafen Tattenbach, der Obriststallmeister am kurfürstlichen Hof in München war. Seit 1668 übernahm der bayerische Kurfürst selbst die Kosten für Steffanis Ausbildung. Steffanis Familie hätte dafür nicht die Möglichkeiten gehabt; Zeit seines Lebens sollte der begabte Steffani auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein. Zu seiner Ausbildung gehörte aber nicht nur eine musikalische Erziehung, sondern auch die Beschäftigung mit Theologie. Die Ausbildung zu einem Kirchenmusiker gab es damals nicht und war vermutlich auch gar nicht angestrebt. Vielmehr hatten Steffanis Gönner schon sehr früh in gewisser Hinsicht eine kirchliche Laufbahn – um nicht zu sagen: Karriere – im Blick. Für den Kurfürsten war klar, S. 230–313. Weitere zentrale Veröffentlichungen zu Steffanis Leben und Wirken als Bischof und Apostolischer Vikar sind: Friedrich Chrysander, Georg Friedrich Händel, Bd. 1, Leipzig 1858, S. 309–377; Alfred Einstein, „Notiz über den Nachlaß Agostino Steffani’s im Propaganda-Archiv zu Rom“, in: Zeitschrift der internationalen Musikgesellschaft 10 (1909), S. 172–174; Franz Wilhelm Woker, Aus norddeutschen Missionen des 17. und 18. Jahrhunderts. Franciscaner, Dominikaner und andere Missionare. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte Norddeutschlands nach der Reformation (= Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft 1), Köln 1884; ders., Aus den Papieren des kurpfälzischen Ministers Agostino Steffani, Bischofs von Spiga, spätern apostolischen Vicars von Norddeutschland. Deutsche Angelegenheiten, Friedens-Verhandlungen zwischen Papst und Kaiser 1703–1709 (= Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft 1) Köln 1885; ders., Agostino Steffani, Bischof von Spiga i. p. i., apostolischer Vicar von Norddeutschland 1709–1728 (= Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft 3), Köln 1886; ders., Geschichte der katholischen Kirche und Gemeinde in Hannover und Celle: Ein weiterer Beitrag zur Kirchengeschichte Norddeutschlands nach der Reformation, Paderborn 1889; ders., „Der Apostolische Vikar des deutschen Nordens Agostino Steffani, Bischof von Spiga, und die Abtei Selz“, in: Der katholische Seelsorger 11 (1899), S. 425–436, 468–479, 514–524; Johannes Metzler, Die Apostolischen Vikariate des Nordens. Ihre Entstehung, ihre Entwicklung und ihre Verwalter, Paderborn 1919; Josef Loschelder, „Agostino Steffani und das Musikleben seiner Zeit. Nach römischen Quellen dargestellt“, in: Niederrheinisches Musikfest in Düsseldorf 106, Düsseldorf 1951, S. 33–48; ders., „Aus Düsseldorfs italienischer Zeit. Römische Quellen zu Agostino Steffanis Leben“, in: Beiträge zur Musikgeschichte der Stadt Düsseldorf (= Beiträge zur Rheinischen Musikgeschichte 1), hrsg. von Karl Gustav Fellerer, Köln u. a. 1952, S. 17–53; Hermann Tüchle, „Mitarbeiter und Probleme in Deutschland und in Skandinavien“, in: Sacrae Congregationis de Propaganda Fide, Memoria Rerum, hrsg. von Josef Metzler, Bd. 2, Rom/Frei­ burg/Wien 1973, S. 647–679; Colin Timms, „George I’s Venetian palace and theatre boxes in the 1720s“, in: Music and Theatre. Essays in honour of Winton Dean, hrsg. von Nigel Fortune, Cambridge 1987, S. 95–130; Claudia Kaufold, Ein Musiker als Diplomat. Abbé Agostino Steffani in hannoverschen Diensten (1688–1703) (= Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 36), Bielefeld 1997; Colin Timms, Polymath of the Baroque: Agostino Steffani and his Music, New York 2003.

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Agostino Steffani – Priester und Bischof

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dass ihm Agostino nicht dauerhaft auf der Tasche liegen konnte. Er bedurfte einer finanziellen Grundversorgung. Mit dem Erhalt einer kirchlichen Pfründe wäre diese zu jener Zeit erreicht gewesen. Dazu benötigte Steffani aber ein theologisches Studium.3 Ein Beleg für ein Studium ist nicht zu finden; so ist nur zu vermuten, dass er im Zusammenhang mit seinem Studium der Kirchenmusik auch ein theologisches Studium erhielt. Mit den niederen Weihen war Steffani der Weg zu einer kirchlichen Laufbahn gesichert. Solche Grundüberlegungen waren in der Frühen Neuzeit keineswegs unüblich. Sie sind allenfalls aus heutiger Sicht unverständlich. Von Oktober 1672 bis Juli 1674 verweilte Steffani auch in Rom. Unter Anleitung des italienischen Organisten und Komponisten sowie Kapellmeisters der päpstlichen Cappella Giulia, Ercole Bernabei (ca. 1622–1687), schrieb er seine ersten Kompositionen. Im Sommer 1674 nahm Bernabei seinen Musterschüler Steffani mit nach München. Steffani wurde unter der Leitung des Münchener Kapellmeisters Bernabei spätestens im März 1675 zum Hoforganisten in München bestellt.4 1678/1679 war Steffani in Paris und führte in Anwesenheit des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. (1638–1715; reg. 1643) eigene Werke auf. Steffani selbst besuchte wiederum Opernaufführungen des Komponisten und Balletttänzers Jean-Baptiste Lully (1632–1687) in Paris, die ihn für seine eigenen späteren Opern inspiriert haben. Ferner ist ein Aufenthalt Steffanis in Turin für Mai 1679 belegt.

Priester – ohne kirchliche Aufgaben Im Jahre 1680, nach Erreichen des erforderlichen Mindestalters, wurde Steffani zum Priester geweiht. Die Priesterweihe war Voraussetzung, um kirchliche Pfründen zu erhalten. Knapp drei Jahre später wurde Steffani die Pfarre Löpsingen bei Wallerstein in der katholischen Grafschaft Oettingen-Wallerstein übertragen;5 seitdem führte er den kirchlichen Titel eines Abbé (bzw. eines Abbate), verfügte aber erst seit 1683 über erste, sehr geringe Einnahmen. Währenddessen ging Steffanis Karriere als Musiker weiter. Beim bayerischen Kurfürsten Maximilian II. Emanuel stand er in so hoher Gunst, dass dieser für ihn zum 1. Januar 1681 eigens das Amt des Kammermusikdirektors schuf. Wenige Monate später wurde seine erste Oper, Marco Aurelio, uraufgeführt, für die sein Bruder Ventura Terzago das Libretto geschrieben hatte.

3 Vgl. auch den Beitrag von Hans-Georg Aschoff im vorliegenden Band, S. 208 (bei Anm. 6). 4 Vgl. Timms, Polymath (wie Anm. 2), S. 20. 5 Vgl. den Beitrag von Rashid-S. Pegah im vorliegenden Band, S. 169–173.

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Der Musiker als Diplomat In die Jahre 1682 bis 1684 fiel – nach ersten Agententätigkeiten 1679 bis 1681 – seine eigentliche Tätigkeit als Diplomat. Für Kurfürst Maximilian II. Emanuel sollte er eine mögliche Heirat mit Prinzessin Sophie Charlotte von Braunschweig-Lüneburg (1668–1705), Tochter des Herzogs Ernst August I. von Braunschweig-Calenberg (1629–1698) und dessen Frau Sophie von der Pfalz (1630–1714), ausloten. Die Heiratspläne schlugen fehl: Sophie Charlotte wurde 1684 mit dem Sohn des Großen Kurfürsten, Friedrich III., dem späteren ersten König Friedrich I. in Preußen (1701), vermählt. Doch verschaffte die diplomatische Mission dem ambitionierten Steffani bedeutende Kontakte an den Höfen von Hannover und Düsseldorf mit der Folge, dass er im Sommer 1688 in die Dienste des protestantischen Herzogs Ernst August I. von Braunschweig-Lüneburg in Hannover wechselte. In den darauf folgenden Jahren konnte sich Steffani in Hannover überwiegend der Musik und seinen Aufgaben als Kapellmeister bzw. Operndirektor widmen.6 Nichts deutet darauf hin, dass Steffani in irgendeiner Weise als Priester tätig war. Auch entsprach – übrigens bis heute – der Lebenswandel eines erfolgreichen Musikers keineswegs dem Lebensstil eines frommen Priesters, zu dessen Pflichten die tägliche Feier der Heiligen Messe gehörte, Gemeindearbeit oder Seelsorge. Dass er spätestens 1695 den päpstlichen Ehrentitel eines Apostolischen Protonotars trug, bedeutet lediglich, dass Steffani einflussreiche Fürsprecher hatte, die am päpstlichen Hof seine kirchliche Karriere beschleunigten. 1695 wurde Steffani zum hannoverschen Gesandten beim bayerischen Kurfürsten Maximilian II. Emanuel in Brüssel berufen. Nicht selten wurden auch in jener Zeit Kulturschaffende zu diplomatischen Zwecken eingesetzt. Schon für einen Musiker war das Geschäft der Diplomatie eine zusätzliche Einnahmequelle, so dass der Wechsel in die Diplomatie als Hauptberuf nur ein kleiner Schritt war. Ein Musiker von dem Format Steffanis kam am Hofe herum, erhielt Einladungen in höchste Kreise und erhielt nicht nur Zugang zu einschlägigen Informanten und Informationen, sondern war auch ein bedeutender Multiplikator. Der bayerische Kurfürst residierte damals in seiner Eigenschaft als Generalstatthalter der Spanischen Niederlande in Brüssel. Mit seinem Wechsel nach München 1701 kehrte schließlich auch Steffani nach München zurück. Eine der Hauptaufgaben Steffanis war es in den folgenden Jahren, beim Kurfürsten von Bayern den Weg Hannovers zur Kurwürde zu ebnen und ein Zusammengehen von Bayern und Frankreich gegen habsburgische Interessen im Vorfeld des späteren Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714) zu verhindern.

6 Sofort nach seiner Ankunft in Hannover 1688 wurde Steffani in die hannoversche Politik eingearbeitet. Vgl. den Beitrag von Claudia Kaufold im vorliegenden Band, S. 161–162.

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Staatsmann in Düsseldorf 1703 wechselte Steffani an den Düsseldorfer Hof in den Dienst des Kurfürsten Johann Wilhelm („Jan Wellem“) von der Pfalz (1658–1716, 1679 Herzog von Jülich und Berg, 1690 Kurfürst), wo er zunächst als Großalmosenier, dann Präsident des Geistlichen Rates (2. März 1703) und schließlich Präsident der Regierung (30. November 1703) mit höchsten administrativen und politischen Aufgaben betraut wurde. Zu seinen spektakulärsten Aufgaben in Deutschland gehörte die Vermittlung zwischen der päpstlichen Kurie bzw. dem in Köln residierenden päpstlichen Nuntius, Giovanni Battista Bussi (1706–1712), und dem Kurfürsten von der Pfalz in der Auseinandersetzung um die Erhebung von Kontributionen vom Klerus zur Sanierung der Kriegskasse (1707) und um die Frage der Aufhebung des Geistlichen Rates, der Jurisdiktionsrechte über den Klerus des Landes ausübte, auch wenn dieser kirchenrechtlich den Bischöfen von Köln oder Lüttich unterstand (1708).

Universitätskurator – Ehrenamt ohne Bezahlung Am 19. Dezember 1704 wurde Steffani von Johann Wilhelm von der Pfalz zum Kurator der Heidelberger Universität ernannt, damit das Studium an der Universität „wiederumb in seine vorige Consistenz, Flor und Lustre herstellet werde und empor kommen möge.“7 Es handelte sich hierbei um ein unbesoldetes Ehrenamt, dessen Aufgabe von wenigen Kuratoren wirklich voll erfüllt wurde. Steffani konnte immerhin von Papst Clemens XI. (1700–1721) ein Breve erwirken, in dem verfügt worden war, dass die durch die Kriegswirren im Spanischen Erbfolgekrieg verlustig gegangenen Güter der Universität, welche nun in Kirchenbesitz geraten waren, wieder der Universität zurück übertragen würden. Damit trug Steffani wesentlich dazu bei, die finanziellen Voraussetzungen für ein späteres Aufblühen der Universität geschaffen zu haben.8

Hofbischof – Das gescheiterte Projekt Seit Steffani Präsident der Regierung in Düsseldorf war, bemühte sich Kurfürst Johann Wilhelm, dass Steffani vom Papst zum Hofbischof über alle im deutschsprachigen Raum verteilten Territorien der Pfalz-Neuburger bestellt werden würde. 7 Johann Friedrich Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg, hrsg. von Karl Alexander von Reichlin-Meldegg, Bd. 2, Mannheim 1864, S. 305. 8 Eduard Winkelmann, Urkundenbuch der Universität Heidelberg, Bd. 2: Regesten, Heidelberg 1886, S. 240.

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Jene Pfalz-Neuburger Territorien, die zum Beispiel der kirchlichen Jurisdiktion der Kölner Erzbischöfe oder der Lütticher Bischöfe unterstanden, wären zu diesem neuen Bistum zusammengefasst worden. An der Existenz solcher Hofbistümer war der päpstlichen Kurie aus mehreren Gründen nicht gelegen. Die Neuzuschneidung eines Bistums auf Kosten bereits bestehender Bistümer erforderte immer diplomatische Auseinandersetzungen. Wenn eine Bistumsneugründung vollzogen worden wäre, hätte die Gefahr bestanden, dass es eher zu landesherrlichen Übergriffen auf die Ortskirche gekommen wäre, wie sie etwa aus dem Eigenkirchenwesen des Mittelalters bekannt ist oder später im Staatskirchentum des Josephinismus ausgeprägt war.

Bischof ohne Bistum Obwohl die Pläne für ein Pfalz-Neuburger Hofbistum gescheitert waren, wurde Steffani überraschend am 13. September 1706 zum Titularbischof von Spiga ernannt und am 2. Januar 1707 vom Mainzer Erzbischof Lothar Franz von Schönborn in Bamberg zum Bischof konsekriert. Aus zweierlei Gründen ist dieses ein sehr ungewöhnliches Verfahren. Erstens: Im Normalfall wurde noch vor Ausfertigung des päpstlichen Ernennungsschreibens für einen Bischof der so genannte Informativprozess geführt. Für diesen Prozess wurden Zeugen und Wegbegleiter des Bischofskandidaten von einem durch den päpstlichen Nuntius ernannten Prozessbevollmächtigten einbestellt und mussten über den Kandidaten einen zuletzt von Papst Urban VIII. (1623–1644) festgelegten Fragenkatalog beantworten. Darin wurde unter anderem nach Lebenswandel und Würdigkeit des Kandidaten für das Bischofsamt gefragt. Hierauf aber verzichtete die päpstliche Kurie bei Agostino Steffani. Über die Gründe zu spekulieren, ist müßig. Zweifelsfrei steht aber fest, dass diese Schritte mit Billigung des Papstes erfolgten. Ob Steffani dem Papst selbst in irgendeiner Weise präsent war und ob sie sich persönlich kannten, ist unerheblich. Steffanis Gönner und Förderer, insbesondere der Kurfürst von der Pfalz, werden dessen Ernennung zum Bischof betrieben und sicherlich auch die Kosten dafür übernommen haben. Nicht auszuschließen ist, dass es bei einem an den europäischen Höfen durchaus bekannten Mann bei der Durchführung eines Informativprozesses nur wenige gab, die hätten bezeugen können, dass Steffani ein priesterwürdiges Leben führte. Der Verzicht auf die Durchführung des Prozesses deutet sicherlich auch auf eine große Eile hin, wonach zügig die Bischofserhebung erfolgen sollte. Zweitens wurden einem neuen Bischof üblicherweise schon mit seiner Ernennung zum Titularbischof auch eine konkrete Aufgabe bzw. ein kirchliches Amt zugewiesen. Die meisten Titularbischöfe wurden zu Weihbischöfen ernannt; sie sollten einen Ortsbischof unterstützen und waren berechtigt, Weihehandlungen

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und Firmungen vorzunehmen. Bei Agostino Steffani aber wurde auf die Berufung in ein Amt ausdrücklich verzichtet. Diese näheren Umstände waren manchen bekannt geworden und so kamen Kritik, Gerüchte sowie Gespött auf. Dagegen verwahrte sich Steffani. In einem Brief an den Großpropst von Würzburg vom Februar 1707 bemerkt er über seine Kritiker: „Glauben dieselben [Kritiker], dass man mit Lügen den Bischof von Spiga fangen könne? Oder glauben sie, dass sie mit dem Ansehen, dass sie in der Welt besitzen, das meinige vernichten können? Da müssten sie sehr lange arbeiten, bis sie dahin kämen; ihr Leben wird wohl nicht lang genug sein. Es wäre ein Akt der christlichen Nächstenliebe, ihnen das begreiflich zu machen. Die Verleumdungen dieser Ministerchen verdienen es nicht, dass man einen Augenblick auf sie reflektiert.“9

Apostolischer Vikar für Ober- und Niedersachsen Es ist nicht auszuschließen, dass die offenkundige Eile, mit der Steffani zum Bischof ernannt und geweiht wurde, auch im Zusammenhang mit der beabsichtigten Teilung des Apostolischen Vikariats des Nordens stand. Vor allem der Kölner Nuntius Giulio Piazza (1702–1706), mit dem Steffani seit 1703 in engem Briefkontakt stand, machte sich beim päpstlichen Staatssekretariat und der zuständigen päpstlichen Missionskongregation „de Propaganda Fide“ für eine Teilung des Apostolischen Vikariates stark.10 Alles deutet darauf hin, dass diese Teilung von Anfang an dazu diente, nachdem die Gründungspläne für das Hofbistum gescheitert waren, Steffani nun mit einem der beiden Teile des Vikariates zu versorgen. Es gab ja bereits einen Apostolischen Vikar des Nordens; es war der Osnabrücker Weihbischof Otto Wilhelm von Bronck­ horst-Gronsfeld (1640–1713; 1693 Weihbischof),11 der sich wie der Bischof von Worms, Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1664–1732; [Erz-]Bischof von Breslau, Trier, Mainz und Worms), gegen eine Teilung des Vikariates aussprach. Dennoch befürwortete die Propagandakongregation am 26. März 1709 die Teilung, die am 3. April 1709 auch vom Papst genehmigt worden war. Der Osnabrücker Weihbischof behielt die Zuständigkeit für die katholischen Gemeinden und Missionsstationen in den dänischen und schwedischen Gebieten einschließlich der Städte Bremen, Hamburg, Altona und Schwerin, während dem mit Breve vom 6. April 1709 ernannten Apostolischen Vikar Steffani die Missionen in den Ländern des Kurfürsten von Pfalz-Neuburg, des Herzogs von Braunschweig und des Markgrafen von Brandenburg zugewiesen wurden.  9 Woker, Agostino Steffani (wie Anm. 2), S. 1. 10 Vgl. auch den Beitrag von Hans-Georg Aschoff im vorliegenden Band, S. 208–209. 11 Vgl. dessen Gutachten von 1706, ediert bei Metzler, Apostolische Vikariate (wie Anm. 2), S. 198–302.

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Interimistisch hatte Steffani von 1713 bis 1715 und erneut von 1717 bis 1718, als das Amt des Weihbischofs in Osnabrück vakant war, auch jenen Teil des Apostolischen Vikariates des Nordens mitverwaltet, der von 1702 bis 1761 den Osnabrücker Weihbischöfen unterstand.12 Sachsen wurde 1715 dem Vikariat Steffanis zugeordnet. Wegen der territorialen Veränderungen auch in Folge des Großen Nordischen Kriegs (1700–1721) wurden die Grenzen der Apostolischen Vikariate des Nordens ebenfalls 1721 neu umschrieben und den politischen Gegebenheiten angepasst. In die Verhandlungen um seine Berufung zum Apostolischen Vikar hätte Steffani theoretisch sehr einfach selbst eingreifen können, als er von 1708 bis 1709 im Streit zwischen Kaiser Joseph I. (1705–1711) und Papst Clemens XI. vermittelte. Diese diplomatische Mission Steffanis wurde in Deutschland streng geheim gehalten; seine Abreise nach Italien begründete der Kurfürst von der Pfalz mit einer angeblichen Erholungsbedürftigkeit Steffanis. Für seine Vermittlung dankte ihm der Papst mit der Ernennung zum Hausprälaten und Thronassistenten am 16. Februar 1709. Als Apostolischer Vikar für ein Missionsgebiet unterstand Steffani der päpstlichen Propagandakongregation und arbeitete mit ihr nur über den zuständigen Apostolischen Nuntius in Köln zusammen13, der auf diese Weise über alles informiert war und die Informationen an die Propagandakongregation kommentiert und ggf. auch gefiltert weiterleiten konnte. Dieses Verfahren war Steffani viel zu umständlich und zeitintensiv. Vergeblich bemühte er sich, in allen Angelegenheiten sich direkt an die römische Kongregation zu wenden; diese bestand darauf, den Nuntius zwischenzuschalten.14 Für Brandenburg und Sachsen war sogar der Nuntius in Polen zuständig.15 Steffani hatte also je nach regionaler Zuständigkeit zwei päpstliche Gesandte, die zwischen ihm und der römischen Missionskongregation standen. 12 Michael F. Feldkamp, „Die Ernennung der Osnabrücker Weihbischöfe und Generalvikare in der Zeit der ‚successio alternativa‘ nach römischen Quellen“, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 81 (1986) S. 229–247; ders., „Die Weihbischöfe in Osnabrück“, in: Handbuch des Bistums Osnabrück, hrsg. von Hermann Stieglitz, Osnabrück 1991, S. 16–29, hier: S. 17. 13 Zur Kölner Nuntiatur und ihrem Verhältnis zum Apostolischen Vikariat vgl. zuletzt Michael F. Feldkamp, Studien und Texte zur Geschichte der Kölner Nuntiatur, 4 Bde. (= Collectanea Archivi Vaticani 30–33), Città del Vaticano, 1993–2008. 14 Woker, Agostino Steffani (wie Anm. 2), S. 19. 15 Rudolf Joppen weist darauf hin, dass die römische Kurie Steffani nur die Mark Brandenburg und nicht das Territorium Preußens zuweisen konnte, weil sich die Päpste weigerten, den Königstitel der protestantischen Preußen anzuerkennen. Rudolf Joppen, Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg; Teil: 1/2. Vorgeschichte des Kommissariats: Die Errichtung des mitteldeutschen Kommissariats 1811 (= Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 7), Leipzig 1965, S. 117. Vgl. auch die Ernennungsurkunde Steffanis in: Archivio Segreto Vaticano (ASV), Secretaria Brevium 2251, f. 25r–28v. Zur Geschichte der Kölner Nuntiatur vgl. Heinricus Damianus Wojtyska, De fontibus eorumque investigatione et editionibus. Instructio ad editionem. Nuntiorum series chronologica, Acta Nuntiaturae Polonae, Bd. 1, Rom 1990.

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Da viele Missionsstationen von Regularklerikern betreut wurden, galt es auch im Einverständnis mit den jeweiligen Ordensoberen zu handeln. Eine erfolgreiche Tätigkeit als Apostolischer Vikar hing also keineswegs allein vom diplomatischen Geschick im Umgang mit den protestantischen Mächten ab. Trotz der neuen Funktion als Apostolischer Vikar übte Steffani, der seit dem 5. November 1709 in Hannover residierte, weiterhin einen Teil seiner Ämter am Hofe von Düsseldorf aus, ohne dass Interessenkonflikte bekannt geworden sind. Er widmete sich aber gleichzeitig ambitioniert seiner neuen Aufgaben als Apostolischer Vikar, nachdem er sich vorher gründlich beim Kölner Nuntius Bussi und beim Weihbischof von Osnabrück, Bronckhorst, informiert hatte. Steffani beabsichtigte, neue Missionen zu gründen, die preußische Anerkennung als Apostolischer Vikar in den brandenburgischen Ländern zu bekommen, Kirchen zu bauen und die Reunion der Konfessionen zu betreiben. Doch waren es überwiegend „stille“ Aufgaben, die den Vikar in Anspruch nahmen. Zu ihnen gehörte neben dem einfachen priesterlichen Dienst auch die Ausübung der Pontifikalgewalt, die aber wegen der konfessionellen Verhältnisse nicht immer lautlos erfolgte, da man protestantischerseits glaubte, dass an die Ausübung der Spiritualia und Pontificalia auch jurisdiktionelle Eingriffe geknüpft seien. Während seiner 14 Amtsjahre hat Steffani an insgesamt 141 Tagen mehreren hundert Männern – meist Ordensangehörigen, aber auch weltlichen Missionaren aus den norddeutschen Diözesen – die Weihen (Tonsur, Quatuor Minores, Subdiakonatsweihe, Diakonatsweihe und Priesterweihe) gespendet.16 Er nahm die Weihehandlungen in seiner Hauskapelle in Hannover vor, doch später auch in Neuhaus, der Residenz des Fürstbischofs von Paderborn, oder wenn er auf Reisen war, so etwa 1712 in der Kirche St. Georg in Münster und im dortigen Jesuitenkolleg.17 Die Anzahl der Firmungen, die Steffani – wenn möglich – in den Missionsstationen erteilt hat, ist schwer zu ermitteln, da sie in den Pfarrmatrikeln der jeweiligen Kirchengemeinden festgehalten wurden und nicht in den Akten Steffanis Niederschlag fanden; doch hält sich ihre Zahl vermutlich in Grenzen, da er etwa in Sachsen gar keine Pontifikalien ausüben durfte. Im Brandenburgischen konnte er seit 1711 mit Erlaubnis Berlins das Sakrament der Firmung spenden; die Ausübung von geistlichen Jurisdiktionsrechten blieb ihm aber auch hier versagt.18 Der von 1710 bis 1714 andauernde Jurisdiktionsstreit mit dem Hildesheimer Offi-

16 Vgl. auch den Beitrag von Bettina Braun im vorliegenden Band, S. 204–205. 17 Eine erste Auswertung der Weiheregister Steffanis von 1710 bis 1726 in: Feldkamp, „Nachlaß“ (wie Anm. 2), S. 240f. 18 Vgl. die Finalrelationen von Nuntius Bussi von 1712 in: Feldkamp, Studien und Texte (wie Anm. 13), Bd. 4, S. 327.

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zialat um die ehemalige Diözese Halberstadt (politisch zu Braunschweig gehörig) behinderte zusätzlich sein Engagement für die Katholiken in dieser Region.19 Steffanis Lebensstil war finanziell sehr aufwendig; vielleicht glaubte er, sich mit dem Auftreten eines Fürstbischofs die nötige Geltung und Achtung an den protestantischen Höfen verschaffen zu müssen. Vor allem der Vergleich mit Weihbischof Niels Stensen, einem seiner Vorgänger im Apostolischen Vikariat, demonstrierte den Unterschied zwischen dem einfachen Seelsorger und nun dem mit fürstlichem Gepränge und großem Hofstaat auftretenden Steffani. Krasser hätte der Unterschied kaum sein können. Steffanis famiglia, die ihn ständig begleitete, zählte etwa neun Personen, was für einen Apostolischen Vikar und Weihbischof ausgesprochen hoch war. Regelmäßige Zahlungen von der Propaganda Fide und die Übernahme diplomatischer Aufgaben verschafften ihm neben der Präbende in Löpsingen und der Abtei S. Stefano in Carrara bei Padua wesentliche Einnahmen, die jedoch bei weitem nicht ausreichten. Umso schmerzlicher empfand Steffani den Ausfall von Einnahmen aus der Propstei Selz im Unterelsass, um deren Einkünfte er seit der päpstlichen Provision 1708 in ständigem Streit mit den Straßburger Jesuiten lag. Die Bilanz seiner kirchlichen Tätigkeit im Apostolischen Vikariat war für Steffani, der ständig um die Gunst der protestantischen Höfe bemüht war, enttäuschend. Lediglich in Halle an der Saale und in Dessau kam es zur Neugründung von Missionen, und 1718 konnte der Bau der St. Clemens-Kirche in Hannover fertig gestellt werden. An der Aufhebung der Jesuitenmission in Hannover 1711 war Steffani nicht ganz unbeteiligt. Zwar sah das hannoversche Religionsstatut die Entlassung der Jesuiten ohnehin vor. Doch geriet auch Steffani zwischen die Fronten bei den Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Gruppierungen unter den Gläubigen und den einzelnen Patres, die wenigstens durchweg den Rückhalt des Provinzials in Köln und des Generals in Rom erhielten. Aufgrund dieser Streitigkeiten war Steffani auch nicht stark genug, sich für den Erhalt der Jesuitenmission in Hannover einzusetzen. Die Aufhebung wog umso schwerer, weil nur mit größten Anstrengungen Weltgeistliche zu bewegen waren, im protestantischen Norden Dienst zu tun. Die Gelder, die bisher der Hannovermission zugute gekommen waren, flossen nun auch nicht mehr, weil sie dem Willen des Stifters Ferdinand von Fürstenberg (1626–1683)20

19 Leo Mergentheim, Die Quinquennalfakultäten pro foro externo. Ihre Entstehung und Einführung in deutschen Bistümern, 2 Bde. (= Kirchenrechtliche Abhandlungen 54–55), Stuttgart 1908, Bd. 2, S. 130. Vgl. dazu auch die Akten der Kölner Nuntiatur in ASV, Archivio della Nunziatura di Colonia (ANC) 209, f. 7r–23v. 20 Ferdinand von Fürstenberg, 1661 Bischof von Paderborn, 1678 Bischof von Münster, 1680 Apostolischer Vikar des Nordens. In der so genannten „Ferdinandeischen Stiftung“ vom 25. März 1682 stellte er zur Unterhaltung von 36 Jesuitenmissionaren in 15 Stationen (14 in Deutschland und eine in Japan / China) ein Kapital von 101.740 Reichstalern zur Verfügung. Vgl. Bernhard Duhr, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge, 4 Bde., Freiburg/München/Regensburg 1907–1928, hier: Bd. 3, S. 682f.

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entsprechend nur an Jesuiten gehen sollten; somit waren zum Unterhalt der Mission andere Mittel nötig.21 Steffani vermochte bei der Durchführung des hannoverschen Religionsstatuts von 1713 nur zu verhindern, dass die katholischen Geistlichen einen Eid auf die Statuten ablegen mussten.22 Den diplomatischen Möglichkeiten Steffanis waren im kirchlich-konfessionell zerstrittenen Norden also deutliche Grenzen gesetzt, auch bei denen, die ihn vorher als Musiker hofiert hatten. Vor allem am preußischen Königshof bereitete die Nichtanerkennung des im Jahre 1701 angenommenen Königstitels durch die römische Kurie zusätzliche Schwierigkeiten. Erfolglos blieben auch die von Steffani angestrengten Reunionsverhandlungen in Hannover. Schon vorher scheiterten derartige Initiativen, an denen sogar der bedeutende Universalgelehrte der Frühaufklärung Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) beteiligt war.23 Warum sich Steffani in dieser Frage erneut engagierte, lag vielleicht an seiner Selbstüberschätzung und einer gewissen Blauäugigkeit über seine eigenen Möglichkeiten als Apostolischer Vikar. Aufgrund seiner finanziellen Probleme und angesichts seiner Erfolglosigkeit resignierte Steffani im Juli 1722 das Vikariat und zog sich, ohne einen Nachfolger in Hannover bestimmt zu haben, nach Carrara zurück. In Italien fand er in König Vittorio Amedeo II. von Savoyen (1666–1732; 1675 Herzog von Savoyen, 1713–1720 König von Sizilien und 1720–1730 von Sardinien) einen Förderer. In dessen Auftrag bereitete Steffani als Vermittler die Heirat zwischen der Prinzessin von Modena und dem Prinzen von Piemont vor. Die Pläne des Königs, Steffani als Rektor oder Präsident der Universität Turin berufen zu lassen, was den latenten Geldschwierigkeiten Steffanis sehr entgegengekommen wäre, scheiterten.24 Seit der Resignation Steffanis als Apostolischer Vikar traten erhebliche Schwierigkeiten auf. Dem Apostolischen Nuntius in Köln war es nicht gelungen, geeignete – und sei es nur interimistische – Nachfolger zu benennen. Die hannoversche Regierung lehnte jegliche Personalvorschläge des Nuntius ab und drohte schließlich, alle katholischen Geistlichen auszuweisen, wenn Steffani nicht nach Hannover 21 Zur personellen und finanziellen Abwicklung bei Aufhebung der Jesuitenmission Hannover vgl. auch die Akten der Kölner Nuntiatur: ASV, ANC 34, f. 14r–23v. Zu dem damit verknüpften Bau der Kirche in Hannover vgl. ASV, SS Colonia 325, und ASV, Benedetto XIV, Bolle e Costituzioni 10, f. 291r–297v. 22 Eine Druckfassung der Religionsstatuten und des Eides: Verordnungen wegen des Römisch– Katholischen Religionsexercitii in der Stadt Hannover, Hannover (Kurfürstliche Hofdruckerei J. D. Ammon) 1713, S. 57–69. Exemplare in ASV, ANC 34, f. 64r–95v sowie in ASV, SS Colonia 98, f. 585r–616v. An der Kölner Nuntiatur wurde für die Zwecke der römischen Kurie eine lateinische Übersetzung angefertigt: ASV, ANC 34, f. 98r–110r. 23 Philipp Hiltebrandt, Preußen und die römische Kurie, Bd. 1: Die vorfriderizianische Zeit (1625– 1740), Berlin 1910 (mehr nicht erschienen). 24 Città del Vaticano, Sacra Congregazione de Propaganda Fide, Archivio storico, Fondo Spiga, Bd. 3 und 21; vgl. auch Feldkamp, „Nachlaß“ (wie Anm. 2), S. 264 und 270.

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zurückkehre.25 Die Propaganda Fide reagierte darauf mit der Bewilligung der von Steffani geforderten Geldzahlungen, und Steffani entschied sich – nachdem die Versorgungspläne als Rektor der Universität Turin gescheitert waren – für eine Rückkehr nach Hannover. Am 25. Oktober 1725 traf er in Hannover ein; mit Breve vom 27. Mai 1726 wurde er zum zweiten Mal zum Apostolischen Vikar ernannt. Die Verwendung der hannoverschen Regierung für die persönlichen Ziele Steffanis grenzt fast an Erpressungsversuche. Sie macht deutlich, dass in Norddeutschland nicht mehr vorrangig konfessionelle Fragen eine Rolle spielten wie noch einige Jahrzehnte zuvor, sondern dass persönliche Sympathien oder Antipathien zwischen den Hauptrepräsentanten von Kirche und Regierungen die Situation der Katholiken entscheidend beeinflussen konnten. Als Apostolischer Vikar komponierte Steffani nur noch wenig. Seine Werke versah er mit dem Namen seines Schreibers Gregorio Piva.26 Ob Piva selbst komponiert hat, ist nicht bekannt. Ein Indiz für eine möglicherweise anhaltende musikalische Tätigkeit Steffanis während seiner Zeit als Bischof könnten seine Verbindungen zu Giuseppe Costajoli sein, der als Kanzler Steffanis für das Jahr 1714 belegt ist, später als maestro di camera in den Dienst des Hugo Franz von Königsegg und Rothenfels27 wechselte und mit diesem am Kurfürstenhof in Bonn weilte. Durch ein Opernlibretto war Costajoli auch an der Kölner Nuntiatur bekannt geworden.28 Am 1. Juni 1727 erhielt der hoch angesehene Kammerduett- und Opernkomponist Steffani durch die Berufung zum „President of the Academy of Vocal Music“ (später: Academy of Ancient Music) in London eine letzte bedeutende Anerkennung als Musiker. Erst im Oktober 1727 verließ Steffani die Stadt Hannover erneut, in der Absicht, endgültig nach Italien zurückzukehren, nicht ohne den Fortbestand der katholischen Gemeinde zu sichern, sich in einem ausführlichen Hirtenschreiben ein letztes Mal an seine Missionare zu wenden und – jedoch vergeblich – seine Nachfolge im Amt des Apostolischen Vikars selbst zu regeln. Erneut sprang der Kölner Nuntius als Verwalter des Vikariates ein. Die schnelle Abfolge der Berufungen und die Probleme um die Anerkennung der Apostolischen Vikare Johann Heinrich Naendorf (1728–1730) und Leopold Heinrich Wilhelm von Schorror (1730–1745) sowie das 25 Vgl. zu den Details den Beitrag von Hans-Georg Aschoff im vorliegenden Band, S. 218–219. 26 Loschelder, „Musikleben“ (wie Anm. 2), S. 36f. Ferner Colin Timms, „Gregorio Piva and Steffani’s Principal Copyist“, in: Source Materials and the Interpretation of Music: A Memorial Volume to Thurston Dart, hrsg. von Ian Bent, London 1981, S. 169–190. 27 Königsegg hielt sich als Oberhofmeister überwiegend am Hof des Kurfürsten von Köln, Joseph Clemens von Bayern (1688–1723), in Bonn auf, auch nach seiner Nominierung zum Bischof von Leitmeritz (1711–1720). 28 Zu Costajolis Libretto für eine Aufführung anlässlich der Vermählung von Ferdinand Maria Innozenz (1699–l738), Sohn des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, mit der pfälzischen Prinzessin Maria Anna Caroline, Tochter des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm August von Neuburg, im Jahre 1719 in Reichstadt in Böhmen, vgl. Feldkamp, „Nachlaß“ (wie Anm. 2), S. 246, Anm. 55.

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Scheitern einer nochmaligen Teilung des Vikariates durch die Abtrennung der Mark Brandenburg, Magdeburgs und Halberstadts unter der geistlichen Führung von Martin, Abt des Zisterzienserklosters Neuzell, im Jahre 1732 sprechen für die kirchenpolitisch instabile Situation im Nordosten des deutschen Reiches. Steffani begab sich zunächst an den Hof des Kurfürsten von Mainz, Lothar Franz von Schönborn. Seit dem 28. Oktober hielt er sich überwiegend in Frankfurt auf29, wo er am 12. Februar 1728 im Alter von 73 Jahren an einem Schlaganfall starb. In seinem Bericht vom 15. Februar 1728 an das päpstliche Staatssekretariat schrieb Nuntius de’ Cavalieri: „[…] che monsignor vescovo di Spiga essendo stato sorpresso qualche giorno prima da un fiero attacco di apoples[s]ia, aveva reso l’anima al Signor Iddio il di 12 di questo mese [febbraio] nonostante la cura de’ medici più accreditati di quella cittä, i quali avendo messo in opera i medicamenti anche più forti per sollevarlo, non avevano punto profittato, ma gli e convenuto cedere alla vehemenza del male.“30

Die Beisetzung Steffanis fand am 14. Februar 1728 in der Kapelle St. Maria Magdalena der Kollegiatskirche St. Bartholomäus (heute: Dom zu Frankfurt) statt.

Versuch einer Würdigung Hatte Agostino Steffani als Musiker bis zu seiner Präsidentschaft der Academy of Vocal Music höchste Anerkennung als Musiker erfahren, so war er in seiner letzten bedeutenden kirchlichen Funktion als Bischof des Apostolischen Vikariats kläglich gescheitert. Das Musikerleben passte nicht zum Dasein eines Priesters und Bischofs. Steffanis musikalische Begabungen reichten aber offensichtlich irgendwann nicht mehr aus, seinen Lebensstil zu finanzieren, weswegen seine Gönner zielstrebig die kirchliche Karriere für ihn bevorzugten. Donna Leon hat in ihrem eingangs zitierten Roman gemutmaßt, dass Steffani als Kastrat nach München gekommen sein könnte. Kastraten waren aber von kirchlichen Weihen und Ämtern ausgeschlossen. Hierin vermutet Leon den Skandalon. Nun gibt es aber Abbildungen von Agostino Steffani, vor allem das Portrait von

29 Die Datierung ergibt sich aufgrund der Ortsangaben in der einschlägigen Korrespondenz Steffanis. Vgl. auch Timms, Polymath (wie Anm. 2), S. 132. 30 „[…] dass der Herr Bischof von Spiga, nachdem er vor einigen Tagen überraschenderweise einen schweren Schlaganfall erlitten hatte, am 12. Tag dieses Monats [Februar] gestorben ist; trotz der Bemühungen der angesehensten Ärzte dieser Stadt, die erfolglos die stärksten Medikamente angewendet hatten, um ihm Erleichterung zu verschaffen, musste er vor der Heftigkeit der Krankheit kapitulieren.“ Feldkamp, „Nachlaß“ (wie Anm. 2), S. 247f.

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Heinrich Eduard Winter (1788–1829) aus dem Jahre 181631, die Steffani ausdrücklich mit einem Kinnbart zeigen, wie er durchaus zeitgemäß war. Kastraten aber hatten keinen Bartwuchs, weshalb möglicherweise auch derlei Abbildungen eher ein idealtypisches als ein realistisches Bild von Agostino Steffani zeigten. Unabhängig von der Bewertung seiner Persönlichkeit gibt es vor allem zwei Dinge, die mit Steffanis Namen verbunden bleiben: Das ist aus kirchlicher Sicht der Bau der St. Clemens-Kirche in Hannover und das sind seine Kompositionen, soweit sie erhalten sind.

31 Heinrich Eduard Winter, Portraite der berühmtesten Compositeurs der Tonkunst, 22 Hefte [München 1813–1821], Nr. 49 (http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/ausgaben/thumbnailseite. html?fip=193.174.98.30&id=00010207&seite=96, letzter Zugriff 15.11.2016).

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Bettina Braun

Die Reichskirche im Nordwesten um 1700: Bedingungen für die Tätigkeit Agostino Steffanis als Weihbischof in Münster und Paderborn

Im ausgehenden 16. Jahrhundert schien der Siegeszug der Reformation im Norden und Nordwesten des Reichs unaufhaltsam zu sein. Schleswig und Holstein, die braunschweigischen Fürstentümer, das Erzstift Bremen, die westlich davon gelegenen Grafschaften Ostfriesland, Oldenburg und Hoya konnten allesamt als protestantisch gelten, d. h. der Landesherr und der Großteil der Bevölkerung bekannten sich zur reformatorischen Lehre. Im Süden schloss mit der Landgrafschaft Hessen eines der Kernterritorien der Reformation an, das galt für die Gebiete im Nordosten erst recht.1 Nur im äußersten Nordwesten gab es noch nennenswerte katholische Gebiete, aber auch hier hingen teilweise erhebliche Teile der Bevölkerung der Reformation an. Diese Territorien drohten der katholischen Kirche also als nächste verloren zu gehen, zumal als sich nach dem Aufstand der Niederlande im Westen ein Gemeinwesen etablierte, in dem der Protestantismus Teil der Staatsräson war. Aus Sicht der katholischen Kirche stellte sich die Situation also als recht bedrohlich dar. Dass die ausgangs des 16. Jahrhunderts befürchteten Katastrophenszenarien für die katholische Kirche dann aber doch nicht eintraten, zeigt schon die Tatsache, dass Agostino Steffani hier um 1700 als Weihbischof tätig sein konnte. Es muss also in größerer Zahl Katholiken gegeben haben, die der bischöflichen Handlungen bedurften, und eine kirchliche Struktur, innerhalb derer er seine Funktionen ausüben konnte. Diese Struktur der katholischen Kirche in Nordwestdeutschland soll zunächst knapp skizziert werden, um damit die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit Steffanis als Weihbischof zu umreißen. Anschließend wird dann Steffanis Wirken als Weihbischof vorgestellt. Im Augsburger Religionsfrieden 1555 war festgelegt worden, dass die Landesherren die Konfession ihres Territoriums bestimmen sollten. Nur in einem Punkt hatte dieses ius reformandi der Landesherren 1555 eine Einschränkung erfahren: Geistliche Fürsten konnten sich zwar persönlich für die neue Lehre entscheiden, verloren damit aber automatisch ihr Amt, sodass ein neuer, und d. h. katholischer 1 Siehe die Karte „Konfessionen in Deutschland um 1546“, in: Großer Historischer Weltatlas, Teil 3: Neuzeit, hrsg. vom Bayerischen Schulbuchverlag, 4. Aufl., München 1981, S. 10.

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Nachfolger gewählt werden konnte.2 Auf diese Weise sollte der Bestand der Reichskirche gesichert werden, nachdem es in den protestantisch gewordenen Gebieten Ostdeutschlands zu zahlreichen Säkularisationen und praktisch zum Zusammenbruch der katholischen Hierarchie gekommen war. Für den Nordwesten mit seinen großen geistlichen Territorien war dieser so genannte Geistliche Vorbehalt von immenser Bedeutung, schien es doch – angesichts der oben geschilderten Entwicklung – nur so möglich zu sein, den Bestand des Katholizismus in dieser Region zu sichern. Doch ganz so einfach war es nicht. Trotz der klaren rechtlichen Regelung wurde die Zugehörigkeit der Bistümer zur katholischen Kirche und damit die Katholizität der großen Stiftsterritorien auf zwei Wegen in Frage gestellt: So trat der Kölner Erzbischof Gebhard Truchseß von Waldburg bald nach seiner Wahl 1577 zum Protestantismus über und wollte das Erzstift Köln, zu dem mit dem Herzogtum Westfalen ja auch ein großes nordwestdeutsches Gebiet gehörte, in ein evangelisches weltliches Fürstentum umwandeln. Das hatte in den 1540er Jahren bereits einer seiner Vorgänger, Hermann von Wied, versucht und war damit am gesammelten Widerstand des Kaisers und der katholischen Stände gescheitert. Der Geistliche Vorbehalt stellte nicht zuletzt eine Reaktion auf diesen Kölner Reformationsversuch dar. Gebhard sollte nicht mehr Erfolg haben, auch er unterlag und musste sein Bischofsamt aufgeben.3 Für die katholische Kirche schwieriger zu parieren war eine andere Variante, nämlich die Wahl mehr oder weniger eindeutig evangelischer Kandidaten zu Bischöfen. So wurde Heinrich von Sachsen-Lauenburg 1567 zum Erzbischof von Bremen und 1574 bzw. 1577 zum Bischof von Osnabrück und Paderborn gewählt, obwohl an seinem Bekenntnis zum Protestantismus kaum Zweifel bestanden. Zwar verweigerte ihm die Kurie deshalb die Konfirmation, aber die Domkapitel ließen sich ganz offensichtlich von anderen Überlegungen leiten und Kaiser Maximilian II. erteilte ihm die Regalien in Form eines Administrationsindults, sodass er die Regierung antreten konnte.4 Da der Adel und damit auch die Domkapitel in den betreffenden Staaten inzwischen zu erheblichen Teilen evangelisch waren, war die Katholizität dieser Bistümer durch solche Vorgänge stark gefährdet.

2 Der Geistliche Vorbehalt des Augsburger Religionsfriedens, gedr. in: Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten, Teil 1: Vom Wormser Konkordat 1122 bis zum Augsburger Reichsabschied von 1555, hrsg. von Arno Buschmann, 2. Aufl., Baden-Baden 1994, § 18, S. 225f. 3 Zu den Vorgängen in Köln siehe Hansgeorg Molitor, Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe (1515–1688) (= Geschichte des Erzbistums Köln 3), Köln 2008, v. a. S. 358–387 und S. 403–414. 4 Michael Reimann, Artikel „Heinrich, Herzog von Sachsen-Lauenburg“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648, hrsg. von Erwin Gatz, Berlin 1996, S. 270–272.

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Die Reichskirche im Nordwesten um 1700

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Aus katholischer Sicht war diese Entwicklung, trotz des vorläufigen Erfolgs in Köln, aufs Höchste alarmierend und sie führte zu Reaktionen, die die Struktur der katholischen Kirche im Nordwesten für die nächsten zwei Jahrhunderte entscheidend prägten. Im Jahre 1583 wurde Ernst von Bayern zum Nachfolger Gebhards in Köln gewählt. Entscheidend für die Wahl des Wittelsbachers waren nicht dessen persönliche Qualitäten und damit seine Eignung für das Bischofsamt – diese sprachen vielmehr deutlich gegen seine Wahl. Gewählt wurde er einzig und allein als Vertreter einer großen katholischen Dynastie. Denn die bayerischen Wittelsbacher verstanden es damals und in der Folgezeit, der Kurie glaubhaft zu vermitteln, dass allein von ihrem Engagement, und das heißt von der Besetzung der Bischofsstühle mit einem Angehörigen ihrer Familie, der Bestand der katholischen Kirche im Nordwesten des Reichs abhänge. Dahinter musste alles andere zurückstehen: die nicht selten mangelnde persönliche Eignung der Kandidaten ebenso wie die kirchenrechtlichen Vorschriften über das Mindestalter von Bischöfen oder das Verbot der Bistumskumulation. So gelang es, Ernst von Bayern innerhalb weniger Jahre neben dem Erzbistum Köln noch die Bischofsstühle von Lüttich, Münster und Hildesheim zu verschaffen.5 Das war der Beginn der so genannten wittelsbachischen geistlichen Sekundogenitur. Bis 1761 waren von nun an stets mehrere der nordwestdeutschen Bistümer in der Hand eines Wittelsbachers. Unter Ernsts Nachfolger Ferdinand von Bayern waren dies neben Köln noch Lüttich, Hildesheim, Münster und Paderborn, insgesamt also fünf Bischofsstühle.6 Diese Zahl wurde dann noch einmal erreicht unter Clemens August von Bayern, dem letzten der bayerischen Fürstbischöfe. Der deshalb auch als „Herr Fünfkirchen“ apostrophierte Herzog war von 1723 bis 1761 Erzbischof von Köln und außerdem Bischof von Münster, Paderborn, Osnabrück und Hildesheim.7 Während die Reihe der wittelsbachischen Erzbischöfe in Köln von 1583 bis 1761 lückenlos ist, setzten sich in den anderen nordwestdeutschen Bistümern immer wieder einmal auch Vertreter des regionalen Adels durch. Denn die in den Domkapiteln vertretenen Familien des landsässigen Adels betrachteten die Bischofsstühle als Versorgungsposten für Mitglieder ihres Standes. Deshalb waren sie eigentlich nur in Ausnahmefällen bereit, einen Fürstensohn zu wählen. Auch bei diesen Wahlen von landsässigen Adligen spielten politische Überlegungen im weitesten Sinne die entscheidende Rolle. Auch hier ging es also bestenfalls nachrangig um die Qualifikation des Kandidaten für das Bischofsamt. Die niederadligen Bischöfe waren demzufolge auch nicht von vornherein die „besseren“ Bischöfe, nahmen ihr bischöfliches Amt nicht in jedem Fall ernster als ihre Kollegen, die einer fürstlichen

5 Grundlegend zur bayerischen Politik mit dem Ziel der Etablierung einer geistlichen Sekundogenitur: Günther von Lojewski, Bayerns Weg nach Köln. Geschichte der bayerischen Bistumspolitik in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (= Bonner Historische Forschungen 21), Bonn 1962. 6 Dazu hatte er noch die Fürstpropstei Berchtesgaden und die Abtei Stablo-Malmedy inne. 7 Zudem war er noch Hoch- und Deutschmeister sowie Fürstprobst von Berchtesgaden.

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Familie entstammten. So strebten auch die niederadligen Bischöfe danach, mehrere Bistümer auf sich zu vereinigen. Allerdings besaßen sie nicht die Ressourcen, um hier in dem Umfang wie die Wittelsbacher zu reüssieren. Keiner der niederadligen Bischöfe in Nordwestdeutschland brachte es auf mehr als zwei Bischofsstühle. Die Kumulation von zwei Bistümern allerdings war eher die Regel als die Ausnahme. So war Ferdinand von Fürstenberg ab 1678 ebenso Bischof von Paderborn und Münster wie Franz Arnold von Wolff-Metternich zur Gracht in den Jahren von 1707 bis 1718. Noch immer wurden diese Bistumskumulationen der Kurie gegenüber damit begründet, dass nur ein mächtiger Bischof den Bestand der katholischen Kirche in der Region sichern könne, obwohl diese Gefahr jedenfalls für die geistlichen Fürstentümer längst nicht mehr bestand. Bischöfe wie der Paderborner Dietrich von Fürstenberg8 oder Ferdinand von Bayern hatten vielmehr mit großer Energie und aus tiefer Überzeugung die Kirche in ihren Sprengeln im Geist des Tridentinums reformiert.9 Dem Adel wurde das Bekenntnis zur katholischen Kirche durch die Versorgungsoptionen in den katholischen Stiften zudem erleichtert. Die für das ausgehende 16. Jahrhundert skizzierten Gefahren für die katholische Kirche bestanden ein halbes Jahrhundert später also nicht mehr. Was freilich fortbestand, waren die aus dieser Gefahrensituation erwachsenen Bistumskumulationen. Diese aber – und das ist in unserem Zusammenhang entscheidend – führten zu Problemen bei der Ausübung der bischöflichen Gewalt. Denn die Bischöfe konnten selbstverständlich jeweils nur in einem Bistum persönlich anwesend sein. Für die weltliche Regierung ihrer verschiedenen Hochstifte konnten sie Ratsgremien einsetzen, zudem beanspruchten die Domkapitel ohnehin eine Beteiligung an der Regierung. Die geistlichen Aufgaben der Bischöfe aber ließen sich nicht so ohne weiteres delegieren. Denn zumindest für die Durchführung der Pontifikalhandlungen wie Weihen oder Firmungen bedurfte es der Bischofsweihe. Da die Fürstbischöfe im Reich im 15. und 16. Jahrhundert vielfach nicht geweiht gewesen waren, hatte es sich eingebürgert, dass diese Aufgaben von Weihbischöfen übernommen wurden.10 Das waren Bischöfe, die auf ein Titularbistum irgendwo in der nichtchristlichen Welt ernannt11 und dann einem Bischof zur Übernahme der   8 Bischof von Paderborn 1585–1618. Zu den von ihm angestoßenen Reformen: Karl Hengst, Kirchliche Reformen im Fürstbistum Paderborn unter Dietrich von Fürstenberg (1585–1688) (= Paderborner Theologische Studien 2), München/Paderborn/Wien 1974.   9 August Franzen, Der Wiederaufbau des kirchlichen Lebens im Erzbistum Köln unter Ferdinand von Bayern, Erzbischof von Köln, 1612–1650 (= Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 69/71), Münster 1941. 10 Zu den Weihbischöfen in der Reichskirche in der Frühen Neuzeit allgemein: Weihbischöfe und Stifte. Beiträge zu reichskirchlichen Funktionsträgern der Frühen Neuzeit (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 4), hrsg. von Friedhelm Jürgensmeier, Frankfurt am Main 1995. 11 Der Ortsbezeichnung wurde die Abkürzung „i. p. i.“ = „in partibus infidelium“ hinzugefügt. Heribert Schmitz, Artikel „Titularbischof “, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 10: Thomaschristen – Žitomir, 3. Aufl., Freiburg im Breisgau 2001, Sp. 57.

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Weihen zugeordnet wurden. Den Vätern des Konzils von Trient war diese Praxis freilich ein Dorn im Auge gewesen, und sie hatten deshalb die Residenzpflicht für die Bischöfe in ihrem Bistum vorgeschrieben und die Bischöfe verpflichtet, die Weihen selbst vorzunehmen.12 Damit hätte sich das Problem der Weihbischöfe eigentlich von selbst erledigen müssen. Da aber Bistumskumulationen im ausgehenden 16. Jahrhundert nicht weniger, sondern eher zahlreicher wurden und dabei, wie gesehen, zumeist kirchenpolitisch begründet wurden, bestand das Problem weiter. Die Umstände hatten sich nur insofern geändert, als die Ursache für den Einsatz von Weihbischöfen nicht länger in der fehlenden Weihe der Diözesanbischöfe lag, sondern allein in der Bistumskumulation. Denn zum Bischof geweiht waren fast alle Fürstbischöfe im Reich im 17. und 18. Jahrhundert.13 Sie brachten damit die kirchenrechtlichen Voraussetzungen mit, um die Weihen selbst vorzunehmen. Eine andere Schwierigkeit für die Weihetätigkeit der Bischöfe im Reich hatten die Trienter Konzilsväter allerdings nicht bedacht. Die Bistümer im Reich waren teilweise sehr groß,14 und in Sprengeln wie Köln oder Münster wäre ein einzelner Bischof selbst beim besten Willen überfordert gewesen, alle Weihehandlungen persönlich zu vollziehen. Schon deshalb gab es kaum eine andere Möglichkeit, als an der Institution der Weihbischöfe festzuhalten. Nur in eher kleineren Bistümern konnte ein Bischof ernsthaft daran denken, die Pontifikalhandlungen allesamt in eigener Person zu bewältigen. So haben beispielsweise die Paderborner Bischöfe Dietrich Adolf von der Recke und Hermann Werner von Wolff-Metternich zur Gracht darauf verzichtet, einen Weihbischof zu erbitten.15 Ebenfalls versucht hatte dies auch Christoph Bernhard von Galen in Münster und ist daran wenigstens in Teilen gescheitert, wenn man die Versorgung der Gesamtdiözese mit Pontifikalhandlungen zum Maßstab nimmt.16 So klagte Niels Stensen, der Weihbischof von Galens Nachfolger Ferdinand von Fürstenberg, dass in manchen Pfarreien des 12 Zu den in Trient festgelegten Pflichten eines Bischofs siehe Bettina Braun, „Das tridentinische Bischofsideal in der Reichskirche: Schimäre oder wirksames Leitbild? Einige Bemerkungen zu seiner Rezeption“, in: Exemplaris imago. Ideale in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Tradition – Reform – Innovation 15), hrsg. von Nikolaus Staubach, Frankfurt am Main 2012, S. 309–319, v. A. S. 310. 13 Stephan Kremer, Herkunft und Werdegang geistlicher Führungsschichten in den Reichsbistümern zwischen Westfälischem Frieden und Säkularisation. Fürstbischöfe – Weihbischöfe – Generalvikare (= Römische Quartalschrift Suppl. 47), Freiburg im Breisgau 1992, S. 313–315. 14 In Italien hingegen, dessen Verhältnisse den meisten Konzilsvätern deutlicher vor Augen gestanden hatten als die Verhältnisse nördlich der Alpen, waren die Bistümer wesentlich kleiner und umfassten durchschnittlich 30 bis 40 Pfarreien. Martin Papenheim, Karrieren in der Kirche. Bischöfe in Nord- und Süditalien 1676–1903 (= Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 93), Tübingen 2001, S. 12. 15 Bettina Braun, Princeps et episcopus. Studien zur Funktion und zum Selbstverständnis der nordwestdeutschen Fürstbischöfe nach dem Westfälischen Frieden (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte 230), Göttingen 2013, S. 291f. und S. 296f. 16 Zur Weihetätigkeit Galens ebd., S. 285–291.

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Bistums 30 Jahre lang keine Firmung stattgefunden habe.17 Der gute Willen des Bischofs traf hier auf die Realität eines Bistums mit über 200 Pfarreien.18 Gerade dieses Beispiel zeigt, dass ein Bischof, der seine geistlichen Pflichten ernst nahm, entweder durch die schiere Größe seines Bistums oder aber durch die Übernahme eines zweiten Bistums geradezu gezwungen war, die Unterstützung durch einen Weihbischof zu beantragen. Deshalb hatte Ferdinand von Fürstenberg, solange er nur Bischof des zudem eher kleinen Bistums Paderborn gewesen war, auf einen Weihbischof verzichtet. Als er 1678 dann auch noch Bischof von Münster geworden war, erbat er sich Stensen als Weihbischof.19 Die hier natürlich nur knapp skizzierten Strukturen bestimmten die Reichskirche auch noch in der Zeit kurz nach 1700, in den Jahren also, in denen Agostino Steffani als Weihbischof wirkte. In Köln war es 1688 nach harten Kämpfen gelungen, mit Joseph Clemens von Bayern wiederum einen Wittelsbacher auf dem Erzstuhl zu platzieren. 1694 wurde er zudem in Lüttich zum Bischof gewählt, 1714 folgte er auch noch in Hildesheim nach. Sein Herrschaftsgebiet war also nicht ganz so imposant wie das seines Großonkels Ferdinand oder das seines Neffen Clemens August, aber auch in jenen Jahren spielten die Wittelsbacher im katholischen Nordwestdeutschland eine entscheidende Rolle. Allerdings hatten die Bistümer im Dreißigjährigen Krieg und danach auch erfahren müssen, dass die bayerische Herrschaft nicht nur Schutz bedeutet, sondern eben auch zur Folge haben konnte, in die großen Auseinandersetzungen der Zeit hineingezogen zu werden. Dies hatte neben den eigenen Versorgungsinteressen etliche Domkapitel in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bewogen, verstärkt Kandidaten aus den eigenen Reihen zu wählen. Als Ferdinand von Bayern 1650 gestorben war, wählten die Domkapitel von Münster und Paderborn deshalb regionale Kandidaten, nämlich Christoph Bernhard von Galen bzw. Dietrich Adolf von der Recke. Und nach dem Tod Ferdinands von Fürstenberg 1683 folgte ihm in Münster zwar für wenige Jahre Max Heinrich von Bayern nach, bevor sich das Domkapitel 1688 dann mit Friedrich Christian von Plettenberg wieder für einen einheimischen Adligen entschied. In Paderborn hingegen folgte auf Fürstenberg Hermann Werner von Wolff-Metternich zur Gracht, der dann wiederum die Wahl seines Neffen Franz Arnold durchsetzen konnte. Franz Arnold aber war nicht nur ab 1704 Bischof von Paderborn, sondern wurde 1707 auch in Münster gewählt. Solange Franz Arnold nur Bischof von Paderborn gewesen war, 17 Niels Stensen an Papst Innozenz XI., Münster, 20. Juli 1683, gedruckt in: Nicolai Stenonis Epistolae et Epistolae ad eum datae, Bd. 2, hrsg. von Gustav Scherz und Johannes Raeder, Kopen­hagen/ Freiburg 1957, S. 593–598. 18 Nach dem Statusbericht Galens von 1660 umfasste das Bistum Münster 215 Pfarreien. Statusbericht Christoph Bernhards von Galen vom 3. November 1660, in: Die Pastoralbriefe des Münsterer Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen (1650–1678), hrsg. von Alois Schröer, Münster 1978, Nr. 13, S. 161–182, hier: S. 162. 19 Braun, Princeps et episcopus (wie Anm. 15), S. 300–303.

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hatte er alle Weihen selbst vorgenommen.20 Das war nun nach dem Amtsantritt im großen Bistum Münster nicht mehr möglich. Deshalb übertrug er die Weihen in Münster zunächst dem bisherigen Münsteraner Weihbischof Johann Peter von Quentell. Nach dessen Tod im Jahre 1710 teilte er sich die Weihetätigkeit in seinen beiden Bistümern Münster und Paderborn mit Agostino Steffani. Diese Weihetätigkeit Steffanis soll nun im Folgenden etwas genauer beleuchtet werden.21 Die Erteilung von Weihen, die Konsekration von Kirchen und Altären sowie von sakralen Gegenständen und das Austeilen des Firmsakraments bildeten den Kern der oberhirtlichen Tätigkeit eines Bischofs. Diese Akte durfte nur ein zum Bischof geweihter Geistlicher vornehmen. Die bloße Ernennung zum Bischof genügte also nicht, erforderlich war die Bischofsweihe. Die Erteilung der höheren Weihen, also der Subdiakon-, Diakon- und Priesterweihe und die Bereitung der Heiligen Öle, konnte der Bischof nur an einen Weihbischof delegieren, während die anderen Weiheakte auch von einem mit besonderer Vollmacht versehenen Priester vorgenommen werden konnten.22 Auf Dauer konnte also kirchliches Leben, konnte insbesondere die Versorgung mit Geistlichen nur sichergestellt werden, wenn solche Weihen vorgenommen wurden. Das erklärt die Bedeutung der Weihbischöfe. In der Frühen Neuzeit hatte sich deshalb im Reich die Praxis eingebürgert, dass ein Bischof an der Kurie für jemanden die Erhebung zum Weihbischof beantragen konnte, der dann auf ein Titularbistum ernannt wurde und die Bischofsweihe erhielt. Der Weihbischof stand dabei in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zum jeweiligen Ordinarius: Denn dieser hatte ihn nicht nur vorgeschlagen, er musste ihn auch bezahlen. Der Weihbischof übernahm dann ganz oder teilweise die Weihen in dem jeweiligen Bistum, sodass sich auch die Bezeichnung Weihbischof von Münster, Paderborn etc. einbürgerte, was kirchenrechtlich freilich nicht ganz korrekt war. Stand ein Fürstbischof mehreren Bistümern vor, so nahm auch sein Weihbischof meist in all diesen Bistümern Weihen vor. Im Zentrum der Weihetätigkeit standen die regelmäßig stattfindenden Weihen. Einmal im Quartal, an den so genannten Quatembertagen, wurden in der Bischofskirche üblicherweise die Weihen erteilt, und zwar meist an einem Tag die niederen Weihen und am nächsten die höheren Weihen. Häufig wurde im Anschluss an diese Generalordinationen noch das Firmsakrament gespendet. Um die Versorgung des gesamten Diözesangebiets mit Firmungen zu gewährleisten, führten die Bischöfe außerdem Firmreisen durch, indem sie zumeist an einigen aufeinander folgenden

20 Ebd., S. 304. 21 Die folgenden Ausführungen beruhen auf meiner Habilitationsschrift Princeps et episcopus (wie Anm. 15). Auf detaillierte Nachweise wird deshalb verzichtet. 22 Paul Hinschius, System des katholischen Kirchenrechts mit besonderer Rücksicht auf Deutschland, Bd. 2, Berlin 1878, S. 40.

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Tagen mehrere Pfarreien aufsuchten. Fallweise kam noch die Konsekration von Kirchen und Altären oder auch die Weihe von Äbten hinzu. Alle diese Weihen wurden in so genannte Weiheprotokolle oder Weiheregister eingetragen, die in unterschiedlicher Dichte und Zuverlässigkeit Auskunft über die Weihetätigkeit geben. Diese Aufgaben eines Weihbischofs übernahm nun Agostino Steffani von 1710 bis 1718 in Münster und Paderborn, also in den beiden Bistümern, denen Franz Arnold von Wolff-Metternich zur Gracht vorstand. Dabei war die rechtliche Konstruktion der weihbischöflichen Tätigkeit Steffanis ungewöhnlich. Üblich wäre es gewesen, dass Franz Arnold nach dem Tod des bisherigen Münsteraner Weihbischofs im April 1710 beim Papst um die Ernennung eines Weihbischofs nachgesucht hätte. Eine solche Anfrage erfolgte jedoch nicht. Stattdessen machte sich Franz Arnold die Tatsache zunutze, dass mit Agostino Steffani ein geweihter Bischof in der weiteren Region anwesend war.23 Da Steffanis Position in Hannover zunehmend schwierig geworden war, dürfte es Franz Arnold nicht allzu schwer gefallen sein, Steffani für die neue Aufgabe zu gewinnen. Auch Franz Arnold profitierte von dieser Lösung: Denn offensichtlich zahlte er Steffani kein festes Gehalt, wie er es bei einem „richtigen“ Weihbischof hätte tun müssen. Steffani wohnte vielmehr in der bischöflichen Residenz in Schloss Neuhaus vor den Toren Paderborns. Er übernahm also die Weihen quasi gegen „Kost und Logis“. Praktisch sah die Verteilung der Weihen zwischen den beiden Bischöfen so aus, dass grundsätzlich versucht wurde, dass beide ungefähr gleichmäßig in beiden Bistümern weihten. Wenn Franz Arnold in einem Quartal also die Weihen in Münster erteilte, beauftragte er Steffani mit der Weihe in Paderborn und umgekehrt. Auf diese Weise wurde eine regelmäßige Weihefrequenz in beiden Bistümern sichergestellt. Den größeren Teil der Termine nahm freilich Steffani wahr, der an insgesamt 40 Terminen Weihen vornahm, während für denselben Zeitraum für Franz Arnold nur 22 Weihetermine aufgeführt sind. Dem Paderborner Weiheregister ist die ungewöhnliche rechtliche Konstruktion der Weihetätigkeit insofern zu entnehmen, als im Protokoll jeweils eigens vermerkt wurde, dass Steffani diese Weihen im Auftrag Franz Arnolds durchgeführt habe. Das war notwendig, da er eben nicht wie ein normaler Weihbischof über eine Generalvollmacht verfügte24. Mit dem Tod Franz Arnolds am 25. Dezember 1718 endete dann auch die weihbischöfliche Tätigkeit Steffanis. Der letzte Weihetermin, den Steffani wahrnahm, war derjenige am 17. Dezember 1718 in Paderborn. Insgesamt hatte Steffani in den acht Jahren seiner weihbischöflichen Tätigkeit 480 Männern die Tonsur erteilt, 422 die 23 Steffani war im Zusammenhang mit seiner Ernennung zum Apostolischen Vikar zum Bischof von Spiga ernannt worden und hatte am 2. Januar 1707 in Bamberg vom Mainzer Erzbischof und Bischof von Bamberg Lothar Franz von Schönborn die Bischofsweihe erhalten. Franz Wilhelm Woker, Agostino Steffani, Bischof von Spiga i. p. i., apostolischer Vikar von Norddeutschland 1709–1728 (= Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft 3), Köln 1886, S. 1. 24 Braun, Princeps et episcopus (wie Anm. 15), S. 305.

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niederen Weihen gespendet sowie 382 zum Subdiakon, 367 zum Diakon und 356 zum Priester geweiht.25 Dennoch finden sich in der Literatur zu den Weihbischöfen von Münster und Paderborn kaum Angaben zu ihm,26 und in den biographischen Skizzen wird auf seine Weihetätigkeit nicht oder kaum eingegangen.27 Für Steffani brachte der Tod Franz Arnolds nicht nur das Ende seiner Weihetätigkeit, es bedeutete für ihn vor allem, dass er sich eine neue Bleibe suchen musste. Denn der neue Bischof von Münster und Paderborn, Clemens August von Bayern, bedurfte seiner nicht, sondern betraute andere Männer mit der Aufgabe eines Weihbischofs. Nachdem Steffani sich eine Zeitlang beim Kölner Nuntius aufgehalten hatte, kehrte er im Frühjahr 1720 nach Hannover zurück.

25 Diese Zahlen nach den Weiheregistern von Paderborn (Erzbistumsarchiv Paderborn, Hs. XXVII/3) und Münster (Bistumsarchiv Münster, GV Hs 2). 26 Die Informationen bei Hans Jürgen Brandt/Karl Hengst, Die Bischöfe und Weihbischöfe von Paderborn (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Mitteldeutschen Kirchenprovinz 1), Paderborn 1984 sind widersprüchlich. In der Liste der Weihbischöfe (S. 356) ist Steffani mit den Jahresangaben 1710–1718 aufgeführt. Hingegen heißt es in dem Artikel über Franz Arnold von Wolff-Metternich: „Das tiefe Verantwortungsgefühl gegenüber seinem geistlichen Hirtenamt belegen die Pfarrvisitationen und Pontifikalhandlungen, die er persönlich vornahm. Wie sein Oheim benötigte er keinen Weihbischof.“ (S. 264). Adolf Tibus, Geschichtliche Nachrichten über die Weihbischöfe von Münster, Münster 1862, enthält einen Beitrag zu „Augustinus, Episcopus Spigacensis“, kennt aber nicht einmal dessen Nachnamen und ist insgesamt sehr unzuverlässig. Danach habe sich die Weihetätigkeit Steffanis in Münster auf den Zeitraum von September 1714 bis Dezember 1718 erstreckt. Immerhin erwähnt er, dass Steffani am 15. März 1718 die Unterwasserkirche in Münster rekonziliiert habe (S. 219). 27 Hans Stephan, Artikel „Agostino Stephani“, in: Niedersächsische Lebensbilder, Bd. 6, hrsg. von Edgar Kalthoff, Hildesheim 1969, schreibt nur lapidar: „Steffani lebte ab 1714 meist bei Fürstbischof Franz Arnold von Münster und fungierte als dessen Weihbischof “ (S. 309). Kurz erwähnt wird Steffanis Weihetätigkeit hingegen bei Hans-Georg Aschoff, Artikel „Steffani, Agostino“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1803, hrsg. von Erwin Gatz, Berlin 1990, S. 483–485.

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Hans-Georg Aschoff

Agostino Steffani als Apostolischer Vikar des Nordens: Grenzen und Möglichkeiten seines Amtes

Die Übertragung des Apostolischen Vikariates an Agostino Steffani 1703 war Agostino Steffani1 in den Dienst des in Düsseldorf residierenden Kurfürsten Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg (geb. 1658, reg. 1690–1716) getreten. Dessen energische Bemühungen, ihn zu seinem Hofbischof zu bestellen, scheiterten am Widerstand der römischen Kurie, die die Ernennung eines Bischofs ohne festen Amtsbereich ablehnte und keine Möglichkeit zur Errichtung eines neuen Bistums sah. Deshalb leitete man Verhandlungen über Steffanis Bestellung zum Apostolischen Vikar ein. Sein Jurisdiktionsgebiet sollte einen Teil des zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstandenen Apostolischen Vikariates der Nordischen Missionen umfassen. Anfangs lag die geistliche Aufsicht über die wenigen Katholiken in den seit der Reformation protestantischen Territorien Norddeutschlands und Skandinaviens bei den Kölner Nuntien. 1667 wurde die Jurisdiktion für die welfischen Fürstentümer Calenberg, Grubenhagen und Göttingen einem in Hannover residierenden Apostolischen Vikar und Titularbischof übertragen, der seinen

1 Hans-Georg Aschoff, Artikel „Steffani, Agostino“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1803, hrsg. von Erwin Gatz, Berlin 1990, S. 483–485; Franz Wilhelm Woker, Aus den Papieren des kurpfälzischen Ministers Agostino Steffani, Bischofs von Spiga, spätern apostolischen Vicars von Norddeutschland (= Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft 1), Köln 1885; ders., Agostino Steffani, Bischof von Spiga i. p. i., apostolischer Vicar von Norddeutschland, 1709–1728 (= Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft 3), Köln 1886; Johannes Metzler, Die Apostolischen Vikariate des Nordens: Ihre Entstehung, ihre Entwicklung und ihre Verwalter. Ein Beitrag zur Geschichte der Nordischen Missionen, Paderborn 1919, S. 80–120; Michael F. Feldkamp, „Der Nachlass des Komponisten, Diplomaten und Bischofs Agostino Steffani (1654–1728) im Archiv der Propaganda fide“, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 72 (1992), S. 230–313; Claudia Kaufold, Ein Musiker als Diplomat: Abbé Agostino Steffani in hannoverschen Diensten (1688–1703) (= Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 36), Bielefeld 1997.

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Zuständigkeitsbereich in den folgenden Jahren auf alle norddeutschen Territorien und Skandinavien ausgeweitete.2 In einem Gutachten für die römischen Behörden aus dem Jahr 1706, das vermutlich auf Steffanis Initiative zurückging, wurde wegen der Größe des Vikariates, die eine effektive bischöfliche Aufsicht verhindere und der Ausbreitung von Missständen Vorschub leiste, seine Teilung und die Ernennung eines an den protestantischen Höfen wohlgelittenen Vikars empfohlen.3 Die Ausführungen liefen auf eine Berufung Steffanis hinaus, der wie kaum ein anderer Prälat Kenntnisse über die norddeutschen protestantischen Höfe besaß, wo er generell als persona grata galt. Zusammen mit dem Kölner Nuntius Giulio Piazza (1703–1706) nutzte Steffani alle ihm zustehenden Einflussmöglichkeiten, um die Teilung des Vikariates zu erreichen. So teilte Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1633; 1685–1714), dessen Neigung, zum Katholizismus zu konvertieren, immer deutlicher hervortrat, im Mai 1706 dem Präfekten der Propagandakongregation, Kardinal Giuseppe Sacripante, mit, wie angenehm den welfischen Höfen die Person Steffanis sei, falls eine Veränderung in der Verwaltung des Nordischen Vikariates eintreten sollte.4 Unter dem Einfluss dieser Vorstellungen wies Papst Clemens XI. (1649; 1700– 1721) den Kölner Nuntius an, die Teilung des Vikariates in die Wege zu leiten, und ernannte Steffani am 13. September 1706 zum Titularbischof von Spiga in Kleinasien. Am 2. Januar 1707 erteilte ihm der Mainzer Erzbischof Lothar Franz von Schönborn (1655; 1695–1729) im Dom zu Bamberg „mit allem Pomp und Aufwand der damaligen Zeit“5 die Bischofsweihe. Die Schaffung des auf Steffani zugeschnittenen Vikariates verzögerte sich nicht zuletzt wegen der Vorbehalte des derzeitigen Apostolischen Vikars Otto Wilhelm Bronckhorst zu Gronsfeld. Dieser trat in einem Schreiben an Papst Clemens XI. vom 16. September 1706 vehement gegen die Abtrennung eines Teils des Vikariates und dessen Übertragung an Steffani auf, dem er Mangel an theologischer Gelehrsamkeit und pastoraler Erfahrung nachsagte.6 Erst nachdem Bronckhorst-Gronsfeld seinen Widerstand aufgegeben hatte, nahm die Propagandakongregation während der Anwesenheit Steffanis in Rom im März 1709 die Teilung des Apostolischen Vikariats der Nor2 Metzler, Vikariate (wie Anm. 1); Hans-Georg Aschoff, Artikel „Das Apostolische Vikariat der Nordischen Missionen“, in: Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches (wie Anm. 1), S. 498–502; ders., „Eliten in der katholischen Diaspora – Führungsgestalten in den Nordischen Missionen im 17. und 18. Jahrhundert“, in: Geheime Eliten? Bensheimer Gespräche 2010/11 (= Bensheimer Forschungen zur Personengeschichte 1), hrsg. von Volkhard Huth, Frankfurt am Main 2014, S. 311–343. 3 Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 81f.; Paul Wittichen, „Zur Geschichte des Apostolischen Vikariats des Nordens zu Beginn des 18. Jahrhunderts“, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 6 (1904), S. 343–367, hier: S. 344–346. 4 Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 1–3. 5 Woker, Aus den Papieren (wie Anm. 1), S. 15. 6 Text: Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 298–303.

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Agostino Steffani als Apostolischer Vikar des Nordens

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dischen Missionen vor. Die dänischen und schwedischen Gebiete einschließlich der ehemaligen Diözesen Bremen, Lübeck und Schwerin verblieben unter der Verwaltung Bronckhorst-Gronsfelds; sein Jurisdiktionsbezirk wurde weiterhin als „Apostolisches Vikariat des Nordens“ bezeichnet und in den folgenden Jahren von Osnabrücker bzw. Paderborner Weihbischöfen, ab 1775 vom Bischof von Hildesheim geleitet. Die Territorien des Kurfürsten von Pfalz-Neuburg, des „Markgrafen“ von Brandenburg sowie der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg wurden, soweit sie nicht der Jurisdiktion anderer Bischöfe unterstanden, unter der Bezeichnung „Vikariat von Ober- und Niedersachsen“ zusammengefasst und am 6. April 1709 Steffani übertragen.7 Sein Vikariat umschloss u. a. das Kurfürstentum Hannover, die Herzogtümer Braunschweig-Wolfenbüttel und Lauenburg, die seit dem Westfälischen Frieden brandenburgischen Bistümer Magdeburg, Halberstadt und Minden, die Markgrafschaft Brandenburg, Pommern und große Teile Preußens.8 Clemens XI. erwartete „von Steffanis glänzenden Eigenschaften, seinen ausgedehnten Verbindungen, seiner genauen Kenntnis der Verhältnisse und seinem Ansehen an den Höfen von Hannover, Berlin und Düsseldorf viele Vorteile für die Missionen“.9 Nach dem Tod Bronckhorst-Gronsfelds und seines Nachfolgers Johann Hugo von Gärtz verwaltete Steffani von 1713 bis 1715 bzw. 1717/1718 interimistisch auch das Apostolische Vikariat des Nordens.10 1721 kamen die Herzogtümer Bremen und Verden nach deren Eingliederung in das Kurfürstentum Hannover zum Vikariat von Ober- und Niedersachsen hinzu.11

Das Apostolische Vikariat von Ober- und Niedersachsen Bei Steffanis Amtsantritt bestanden im Kurfürstentum Hannover katholische Gemeinden in Hannover und Celle.12 In einem Separatartikel zum Kurkontrakt von 1692, in dem Kaiser Leopold I. Herzog Ernst August (1629; 1680–1698) die Kurwürde verlieh, musste dieser den Katholiken in der Stadt Hannover die freie Übung   7 Text: Franz Wilhelm Woker, Geschichte der Norddeutschen Franziskaner-Missionen der Sächsischen Ordens-Provinz vom hl. Kreuz, Freiburg 1880, S. 429–431. Nach Feldkamp, „Nachlass“ (wie Anm. 1), S. 237, nahm die Kongregation die Teilung am 26. März 1709 vor. Vgl. auch den Beitrag dess. im vorliegenden Band, S. 189.   8 Wittichen, „Geschichte“ (wie Anm. 3), S. 344; Otto Mejer, Die Propaganda, ihre Provinzen und ihr Recht, Bd. 2, Göttingen 1853, S. 278.  9 Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 84. 10 Feldkamp, „Nachlass“ (wie Anm. 1), S. 238. 11 Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 101. 12 Franz Wilhelm Woker, Geschichte der katholischen Kirche und Gemeinde in Hannover und Celle: Ein weiterer Beitrag zur Kirchengeschichte Norddeutschlands nach der Reformation, Paderborn 1889; Hans-Georg Aschoff, Um des Menschen willen: Die Entwicklung der katholischen Kirche in der Region Hannover, Hildesheim [1983], S. 11–39.

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ihrer Religion und den Bau einer Kirche zugestehen. Ähnliche Bestimmungen trafen auf Celle zu. Priester aus beiden Gemeinden oder aus den benachbarten katholischen Gebieten hielten periodisch Gottesdienst und spendeten die Sakramente den wenigen Katholiken in Orten wie Hameln, Göttingen oder Lüneburg. Im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel betreute das reichsunmittelbare und mit Werden in Personalunion verbundene Benediktinerkloster St. Ludgeri in Helmstedt die Katholiken der Klosterfreiheit, der Stadt und Umgebung. Die Einrichtung von Handelsmessen führte gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Braunschweig zur Entstehung einer katholischen Gemeinde, während in Wolfenbüttel der Hof und die 1687 gegründete Ritterakademie Katholiken anzogen. Beiden Gemeinden, in denen Franziskaner aus dem Halberstädter Konvent tätig waren, erteilte Herzog Anton Ulrich 1708 das Recht der öffentlichen Religionsausübung.13 Zu Steffanis Jurisdiktionsbezirk gehörten auch die katholischen Restbestände in den ehemaligen Bistümern Magdeburg und Halberstadt. Dabei handelte es sich um zehn Männer- und sechs Frauenklöster (1711), mit denen Pfarreien verbunden waren. Außerdem gab es im Halberstädtischen noch eine Reihe von Benefizien an den gemischt konfessionellen Stiften, die im Besitz der Katholiken waren.14 In Berlin bestand seit 1719 eine katholische Missionsstation, von wo aus anfangs auch die Katholiken in Potsdam und Spandau betreut wurden, bis hier in den 1720er-Jahren ebenso wie in Stettin eigenständige katholische Gemeinden entstanden.15 Neben diesen vier selbstständigen Seelsorgestationen fand während der Regierungszeit König Friedrich Wilhelms I. (1688; 1713–1740) noch in 70 bis 80 Orten Brandenburgs und Pommerns periodisch katholischer Gottesdienst statt.16 Zu Steffanis Jurisdiktionsbezirk zählte darüber hinaus das ehemalige Hochstift Minden, wo in der Stadt Minden der Dom dem katholischen Gottesdienst vorbehalten war, das Domkapitel eine katholische Mehrheit von Kapitularen besaß und das Benediktinerkloster St. Mauritius erhalten geblieben war.17

13 Franz Frese, 250 Jahre Katholische Kirchengemeinde Braunschweig 1708–1958, Braunschweig [1958]. 14 Rudolf Joppen, Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg: Geschichte und Rechtsstellung bis zur Eingliederung in den Diözesanverband Paderborn, Teil 1, Leipzig [1964], S. 117–120. 15 Leo Jablonski, Geschichte des fürstbischöflichen Delegaturbezirkes Brandenburg und Pommern, Bd. 1, Breslau 1929, S. 60–206. 16 Jablonski, Geschichte (wie Anm. 15), S. 105f. 17 Hans-Georg Aschoff, „Simultaneen im Reich zwischen Reformation und dem Westfälischen Frieden“, in: Römische Quartalschrift 103 (2008), S. 113–146, hier: S. 138f.

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Agostino Steffani als Apostolischer Vikar des Nordens

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Die Lebensumstände Steffanis Steffani trat sein Amt mit hohen Erwartungen und weit ausgreifenden Zielsetzungen an. Er beabsichtigte, neue Missionsstationen zu gründen, die Anerkennung als Apostolischer Vikar in den brandenburgischen Ländern zu erlangen, Konvertiten unter dem hohen Adel zu gewinnen18 und einen Beitrag zur Wiedervereinigung der Konfessionen zu leisten. Wie mehrere seiner Vorgänger wählte er Hannover als Residenz, wo er im November 1709 eintraf und am ersten Adventssonntag nach einer Unterbrechung von dreißig Jahren wieder das Sakrament der Firmung spendete. Er wohnte zunächst in einem Haus in der Nähe des kurfürstlichen Schlosses, dann neben der später erbauten Kirche St. Clemens.19 Auch als Vikar behielt Steffani zunächst einen Teil seiner kurpfälzischen Ämter und Würden bei, wovon man einen leichteren Zugang zu den protestantischen Höfen erwartete. Wegen des großen Umfangs der Vikariatsgeschäfte bat er Kurfürst Johann Wilhelm im März 1710 um Befreiung von seinen staatlichen Dienstobliegenheiten unter Beibehaltung des Charakters eines kurpfälzischen Ministers und um Gewährung eines Gehaltes für die nächsten acht Jahre. Der Kurfürst gestand alles zu und ließ ihm die Summe von 15.840 Talern im Voraus ausbezahlen.20 Außer diesem Gehalt und den Einkünften aus der Pfarre Löpsingen in der Grafschaft Oettingen-Wallerstein, eine Pfründe sine cura, verfügte Steffani über die Einnahmen als Abt von St. Stephan zu Carrara sowie über zwei kleine Benefizien in Lüttich und Hildesheim.21 Diese Einkünfte sicherten anfangs seinen recht aufwendigen Lebensstil. Um sich bei den Protestanten und den protestantischen Höfen Geltung zu verschaffen, glaubte er, dass er mit der Würde und dem Gepränge eines Kirchenfürsten auftreten musste. Seine für einen Apostolischen Vikar oder Weihbischof recht umfangreiche „famiglia“ zählte etwa neun Personen, darunter einen deutschen und einen italienischen Kaplan.22 Zwischen 1709 und 1713 sollen die Ausgaben für seine Hofhaltung nicht weniger als 30.000 Taler betragen haben. Die Sorge um die Sicherung und Vermehrung der Einkünfte, die Steffani für seinen Lebensstil, aber auch für die Förderung kirchlicher Projekte benötigte und zu denen Zuwendungen der Propagandakongregation und Zahlungen für diplomatische Missionen gehörten, sollte ihn ständig begleiten. So kämpfte er seit Beginn seiner Amtszeit als Apostolischer Vikar um die Einkünfte der ihm verliehenen Abtei Selz, konnte sich aber gegen die Ansprüche der Straßburger Jesuiten nicht durchsetzen.23

18 Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 26–38, 71–76. 19 Ebd., S. 9f. 20 Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 86f. 21 Vgl. ebd., S. 95, Anm. 51. 22 Kaufold, Musiker (wie Anm. 1), S. 55f.; Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 9. 23 Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 102–104.

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Nach 1713 hielt sich Steffani, z. T. bedingt durch finanzielle Probleme, nur noch sporadisch in Hannover auf. Zeitweise wirkte er als Gesandter des ihm freundschaftlich verbundenen Fürstbischofs von Münster und Paderborn, Franz Arnold von Wolff-Metternich zur Gracht (1658–1718). Dessen Residenz, Schloss Neuhaus bei Paderborn, wurde sein Wohnsitz. Als Gegenleistung nahm er im Auftrag WolffMetternichs weihbischöfliche Aufgaben wahr.24

Staatskirchenrechtliche Probleme Die Anerkennung als Jurisdiktionsträger und die Erweiterung und Sicherung des Freiheitsraumes der Katholiken waren zentrale Anliegen Steffanis. Dem standen das Souveränitätsbewusstsein und die Forderungen der protestantischen Landesherren nach alleiniger Führung des Kirchenregimentes entgegen. Diplomatische Unterstützung erbat und erhielt Steffani in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen vornehmlich von den Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz und Lothar Franz von Schönborn sowie von Fürstbischof Wolff-Metternich. Durch sein Verhandlungsgeschick konnte er in den ersten Monaten seiner Vikarstätigkeit einige rechtliche Verbesserungen für die Katholiken in Hannover erreichen.25 Trotz seiner guten Beziehungen zum Hof war er allerdings nicht imstande, einige Jahre später (1713) ein kurfürstliches Dekret abzuwenden, das die rechtliche Lage der katholischen Einwohner umfassend regelte, den Freiheitsraum der katholischen Kirche in Hannover aber erheblich einengte und empfindliche Eingriffe in die freie Religionsausübung vornahm. Dazu gehörten das Verbot oder die Einschränkung verschiedener Kulthandlungen, wie Glockengeläut, Prozessionen und Beerdigungen, die eindeutige Bevorzugung der evangelischen Seite hinsichtlich der Kindererziehung in konfessionsverschiedenen Ehen, die Zuweisung aller Ehesachen der Katholiken an das evangelische Konsistorium, die Bestrafung von „Proselytenmacherei“, die Untersagung jeglicher geistlicher Jurisdiktion durch auswärtige kirchliche Obere, die landesherrliche Genehmigung bei der Anstellung von Geistlichen sowie die Beschränkung der den Katholiken eingeräumten Rechte auf das Stadtgebiet. Steffani erreichte lediglich, dass die eidliche Verpflichtung der Geistlichen auf das Edikt abgewandt wurde. Die Leistung des Eides wäre einer Verleugnung katholischer Grundsätze gleichgekommen und hätte zum Abzug der Geistlichen und damit möglicherweise zum Niedergang der Gemeinde geführt.26

24 Vgl. Adolf Tibus, Geschichtliche Nachrichten über die Weihbischöfe von Münster, Münster 1862, S. 214–220. Vgl. außerdem den Beitrag von Bettina Braun
im vorliegenden Band, S. 197–205. 25 Woker, Geschichte Hannover (wie Anm. 12), S. 64–68. 26 Ebd., S. 100–146.

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Agostino Steffani als Apostolischer Vikar des Nordens

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Noch komplizierter als in Hannover gestaltete sich die Lage für Steffani in Brandenburg-Preußen.27 Die Landesherren duldeten Aktivitäten der katholischen Kirche nur dort, wo diese sich auf das Normaljahr des Westfälischen Friedens berufen konnte, oder wenn Zugeständnisse es als opportun erscheinen ließen. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm und seine Nachfolger erkannten keinen vom Papst bestellten Apostolischen Vikar an und unternahmen mehrere erfolglose Versuche, einen einheimischen katholischen Priester als ihren „Suffragan“ oder Generalvikar zu ernennen. Dem widersprach die Kurie, die sich nicht zur Anerkennung des landesherrlichen Kirchenregimentes durchringen konnte. Mit Hilfe Kurfürst Johann Wilhelms bemühte sich Steffani als Vikar um Zugang zum Berliner Hof, wo er 1707 als pfälzischer Gesandter bereits einmal gewirkt hatte.28 Zur Sicherung des Katholizismus war er zu erheblichen Konzessionen an den protestantischen Landesherrn bereit. Es gelang ihm, „mit einer Zähigkeit ohnegleichen, die seinem Optimismus ebenmäßig war“,29 im September 1711 dem zuständigen Minister in Berlin eine Denkschrift über die Notwendigkeit eines Ordinarius für die brandenburgischen Territorien zu überreichen. Das Ergebnis seiner Bemühungen, zu denen auch eine Audienz bei König Friedrich I. (1657; 1688–1713) gehörte, war enttäuschend. Sogar sein Ersuchen, Sakramente spenden zu dürfen, wurde offiziell abgelehnt; jedoch signalisierte man ihm, dass die Regierung seine Tätigkeit ignorieren würde, wenn er rein geistliche Akte vornehme und sich kirchenobrigkeitlicher Handlungen enthalte. Steffani spendete daraufhin in Berlin die Firmung und visitierte auf seiner Rückreise nach Hannover einige Klöster in den ehemaligen Bistümern Magdeburg und Halberstadt; im Magdeburger Agnetenkloster nahm er die Benedizierung der Äbtissin vor und firmte in Hadmersleben, Ammensleben und Huysburg.30 In seinem Bericht vom 27. November über seine Reise nach Berlin empfahl Steffani der Propagandakongregation zu dissimulieren, es also nicht zur Kenntnis zu nehmen, wenn er die Vollmacht für alle kirchenobrigkeitlichen Handlungen vom

27 Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 57–116; Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 88–98. Einschlägige Dokumente in: Preußen und die katholische Kirche seit 1640, Bd. 1: Von 1640–1740, hrsg. von Max Lehmann, Leipzig 1878; Preußen und die römische Kurie, Bd. 1: Die vorfriderizianische Zeit (1625–1740), hrsg. von Philipp Hiltebrandt, Berlin 1910. 28 Franz Wilhelm Woker, Aus norddeutschen Missionen des 17. und 18. Jahrhunderts: Franciscaner, Dominikaner und andere Missionare (= Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft 1), Köln 1884, S. 33. 29 Hermann Tüchle, „Mitarbeiter und Probleme in Deutschland und Skandinavien“, in: Sacrae Congregationis de Propaganda Fide memoria rerum 1622–1972, Bd. 2, hrsg. von Josef Metzler, Rom u. a. 1973, S. 647–680, hier: S. 667. 30 Der Bericht über seinen Besuch in Berlin und anschließend in Magdeburg und Halberstadt bei Wittichen, „Geschichte“ (wie Anm. 3), S. 359–362; Woker, Aus norddeutschen Missionen (wie Anm. 28), S. 333f.; ders., Steffani (wie Anm. 1), S. 87–94.

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Berliner Hof nehme.31 Trotz der Interzession Kurfürst Johann Wilhelms konnte die Kongregation seinen Empfehlungen nicht entsprechen und erklärte sich lediglich mit dem Vorschlag des Kölner Nuntius einverstanden, nach dem der Apostolische Vikar mit „Erlaubnis“ der Regierung seine Vollmachten ausübe, diese aber nicht von ihr verliehen bekam. Da die preußischen Minister die Zulassung des Vikars noch an weitere Bedingungen knüpften, erschien dessen Wirken als ausgeschlossen. Geistliche Amtshandlungen des Apostolischen Vikars wurden in der Folgezeit grundsätzlich nicht mehr geduldet; die Politik des Dissimulierens hatte in Preußen ein Ende gefunden, dies umso mehr, nachdem Steffani 1725 in Minden, wo ihn das Domkapitel als „ordinarius loci“ bezeichnete,32 ohne Erlaubnis des Berliner Hofes gefirmt hatte. Steffanis wiederholte Versuche, in Preußen Fuß zu fassen, blieben erfolglos.33 Weitgehend ergebnislos blieben auch Steffanis Bemühungen, von der Regierung des Kurfürstentums Sachsen als Apostolischer Vikar anerkannt zu werden. Die Konversion Kurfürst Friedrich Augusts I. (1670; 1694–1733) 1697 und des Kurprinzen Friedrich August (1696; 1733–1763) 1712 hatte die Bildung katholischer Gemeinden in Dresden, Hubertusburg, Moritzburg und Leipzig begünstigt. Diese Gottesdienststationen galten als landesherrliches Eigentum, die die Seelsorge ausübenden Jesuiten als landesherrliche Kapläne. 1715 erhielt Steffani von der Propagandakongregation die entsprechenden Fakultäten für Sachsen, wo die Jesuiten und die häufig am Dresdener Hofe weilenden polnischen Bischöfe seine Jurisdiktion anerkannten und von ihm die notwendigen Vollmachten und Dispensen erbaten. Dennoch durfte Steffani das Kurfürstentum nicht betreten, so dass Pontifikalhandlungen von polnischen Bischöfen oder vom Warschauer Nuntius vorgenommen wurden, wenn dieser sich in Dresden aufhielt.34

Steffanis innerkirchliche Tätigkeit Steffanis Tätigkeit beinhaltete vornehmlich den regulären bischöflichen Dienst, insbesondere Visitationsreisen, die Einstellung von Missionaren, die Erteilung von Fakultäten und die Vornahme von Weihehandlungen. Während seiner fast zwanzigjährigen Amtszeit erteilte er an insgesamt 141 Tagen mehreren hundert 31 Wittichen, „Geschichte“ (wie Anm. 3), S. 365; Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 82–84. 32 Hans Jürgen Brandt, Artikel „Minden. Domstift St. Petrus und Gorgonius“, in: Westfälisches Klosterbuch: Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, Bd. 1, hrsg. von Karl Hengst, Münster 1992, S. 593–606, hier: S. 597. 33 Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 110–119. 34 Tüchle, „Mitarbeiter“ (wie Anm. 29), S. 662–665; Paul Franz Saft, Der Neuaufbau der katholischen Kirche in Sachsen im 18. Jahrhundert, Leipzig [1961], S. 91–101; Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 99–101.

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Personen – meist Ordensangehörigen – die verschiedenen Weihen35. Dies geschah in seiner Hauskapelle in Hannover, in Schloss Neuhaus oder auf Reisen. Die Anzahl der Firmungen hielt sich vermutlich in Grenzen, da ihm deren Spendung in einigen Territorien untersagt war.36 In unzähligen Schreiben wandte er sich an die Kurie, den Kaiser und die katholischen Fürsten, um für die Missionsstationen, insbesondere für die Errichtung von Kirchen und die Fundierung geistlicher Stellen, finanzielle und rechtliche Unterstützung zu erhalten. Er bezeichnete sich als den „berühmtesten infulierten Bettler-Bischof “ des Jahrhunderts.37 Die Konsekration von Kirchen, die er für den Bestand der Gemeinde für unabdingbar hielt und deren Errichtung sein tatkräftiges Engagement z. T. erst ermöglichte, nahm er in Celle (29. Juni 1711), Braunschweig (3. Dezember 1712) und Hannover (4. November 1718) vor, wobei die Errichtung der St. Clemens-Kirche in Hannover,38 mit der er sich möglicherweise „selbst ein Denkmal setzen“ wollte,39 ein Herzensanliegen Steffanis war. „Nichts war damals schwerer, als die Gründung einer Mission“,40 worunter die Vorform einer Pfarrei zu verstehen war. Während seiner Amtszeit konnte Steffani lediglich in Halle und in Dessau Missionsstationen einrichten. Für beide erwirkte er eine dauernde Unterstützung durch die Propagandakongregation.41 In Halle42 beauftragte er 1710 den Halberstädter Franziskaner Markus Verkühlen mit der Errichtung einer Gottesdienststation für die katholischen Studenten und Soldaten. Als es unter Friedrich Wilhelm I. zum Verbot des katholischen Gottesdienstes kam, bat Steffani u. a. Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn-Buchheim und Fürstbischof Wolff-Metternich um Verwendung beim preußischen König. 1718 wurde der katholische Gottesdienst wieder geduldet. Aufgrund der Empfehlung des kommandierenden Generals Fürst Leopold von Anhalt-Dessau erhielten die Katholiken 1723 das Recht der Religionsausübung und die Genehmigung, einen Saal in der ehemaligen erzbischöflichen Residenz als Kultraum zu benutzen. Die Mission war primär für die Militärseelsorge gedacht, „nur sekundär wurden Zivilisten mit einbezogen“.43 In Dessau44 nahm 1723 ein Franziskaner seinen ständigen Wohnsitz; Fürst Leopold räumte den wenigen Katholiken die devotio domestica qualificata ein.

35 Vgl. auch den Beitrag von Bettina Braun im vorliegenden Band, S. 203–205. 36 Feldkamp, „Nachlass“ (wie Anm. 1), S. 240f. 37 Woker, Geschichte Hannover (wie Anm. 12), S. 155. 38 Ebd., S. 147–171; Aschoff, Um des Menschen willen (wie Anm. 12), S. 32–35. 39 Kaufold, Musiker (wie Anm. 1), S. 52. 40 Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 24. 41 Woker, Franziskaner-Missionen (wie Anm. 7), S. 170f. 42 Joppen, Kommissariat (wie Anm. 14), S. 267–274; Woker, Aus norddeutschen Missionen (wie Anm. 28), S. 1–30; Woker, Franziskanermissionen (wie Anm. 7), S. 111–295. 43 Joppen, Kommissariat (wie Anm. 14), S. 271. 44 Ebd., S. 293–297; Woker, Franziskaner-Missionen (wie Anm. 7), S. 296–321.

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„Die Missionen selbst waren mehr Exposituren und Filialen der betreffenden Klöster, als selbständige Pfarrsysteme.“45 Steffanis Haltung gegenüber den hier tätigen Ordensklerikern war zwiespältig. Da die Regularkleriker primär ihren Ordensverbänden und -oberen unterstanden, war seine Verfügungsgewalt über sie auf der einen Seite eingeschränkter als über Säkularkleriker. Auf der anderen Seite konnten bei der Ersetzung von Ordensgeistlichen durch Weltgeistliche finanzielle Schwierigkeiten eintreten. Möglicherweise waren derartige Probleme der Grund für Steffanis Bemühungen, die Ausweisung der Jesuiten in Hannover und Celle hinauszuzögern. Nach dem Kurvertrag sollten die Missionare in beiden Städten Säkularkleriker sein; trotzdem hatte man die Jesuiten einstweilen gewähren lassen. Erst nach Steffanis Amtsantritt als Apostolischer Vikar drang die Regierung auf ihre Ersetzung durch Weltgeistliche. Ostern 1711 verließen die Patres Hannover und Ostern 1718 Celle. Damit entfielen auch die Mittel aus der Stiftung des Paderborner Fürstbischofs Ferdinand von Fürstenberg (1626–1683), die dieser zur Unterhaltung der von Jesuiten geleiteten Missionen eingerichtet hatte. Nachdem verschiedene Vorschläge Steffanis über die Besoldung der neuen Missionare in Rom abgelehnt worden waren, erhielten die hannoverschen Priester ihr Gehalt vorerst aus dem für den Kirchenbau angesammelten Fonds.46 Die unsichere Finanzlage erschwerte die Gewinnung geeigneter Priester und trug zum häufigen Wechsel der Geistlichen bei. Möglicherweise veranlassten diese Vorgänge Steffani, zur Sicherung der Braunschweiger Mission auch hier einen Ersatz der Franziskaner durch Weltgeistliche in Betracht zu ziehen. Dies scheiterte jedoch an dem vehementen Einsatz des Ordensprovinzials, Fürstbischof Wolff-Metternichs, des Hildesheimer Weihbischofs Maximilian Heinrich von Weichs und Kaiserin Elisabeth Christines für ein Verbleiben der Patres.47 Die weiten Entfernungen vom Sitz des Apostolischen Vikars und seine Abwesenheit führten in den Missionsgemeinden zu einem ausgeprägten Eigenständigkeitsbewusstsein; die soziale und nationale Heterogenität förderte innergemeindliche Konflikte, was häufig bei der Verwaltung des Kirchenvermögens seinen Ausdruck fand. Besonders in Hannover bemühte sich Steffani um die Ordnung der inneren Angelegenheiten der Gemeinde durch mehrere Verordnungen. Die Instruktion für die Kirchenprovisoren von 171648 regelte u. a. die Armenfürsorge und die Wahl der Kirchenvorsteher, die vom Vikar bestätigt werden und ihm gegenüber einen Amtseid ablegen sowie die Rechnungslegung vornehmen mussten. Die Verordnungen vom

45 Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 8. 46 Tüchle, „Mitarbeiter“ (wie Anm. 29), S. 660. 47 Frese, 250 Jahre (wie Anm. 13), S. 55; Julius Reinhold, „Verhandlungen in Rom über die Missionsstation in Braunschweig“, in: Vita Seraphica 20 (1939), S. 195–209; Woker, Franziskaner-Missionen (wie Anm. 7), S. 462f. 48 Woker, Geschichte Hannover (wie Anm. 12), S. 92f.

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22. Juli 1719 und 17. April 172049 führten weitere Details über die Wahl der Kirchenvorsteher und ihre Aufgaben auf. Die 1727 erlassene „Instructio pro Missionariis Hannoverae“ ordnete das Zusammenleben der Missionare, ihre Arbeitsbereiche und die Feier des Gottesdienstes, schärfte das tridentinische Ehedekret ein und enthielt Hinweise über den Umgang mit der protestantischen Bevölkerung.50

Die Reduzierung des Apostolischen Vikariates von Ober- und Niedersachsen Seit seinem Amtsantritt als Apostolischer Vikar musste sich Steffani mit dem Hildesheimer Ordinariat über die Jurisdiktion im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel auseinandersetzen. Im Mittelalter gehörte das Herzogtum den Diözesen Hildesheim und Halberstadt an, wobei die Oker die Grenze zwischen beiden Jurisdiktionsbezirken bildete. Dies hatte zur Folge, dass die Stadt Braunschweig, durch die die Oker floss, in ihrem östlichen Teil dem Bischof von Halberstadt, im westlichen dem Bischof von Hildesheim unterstand. Da der Bauplatz der katholischen Kirche östlich der Oker lag, glaubte Steffani, dass ihm als Jurisdiktionsträger im ehemaligen Bistum Halberstadt die Mission unterstellt sei, auch wenn die Franziskaner auf Hildesheimer Diözesangebiet in Wolfenbüttel wohnten. Die Vornahme von Pontifikalhandlungen durch ihn in Wolfenbüttel rief den Protest des Hildesheimer Domkapitels hervor.51 Eine Einigung zwischen dem Vikar und dem Domkapitel kam nicht zustande. Möglicherweise sah Herzog Anton Ulrich eine Lösung des Konfliktes in der Erhebung seines Beichtvaters, des schottischen Theatinerpaters Amadeus Hamilton, zum Titularbischof. Gegen diesen Plan sprachen sich der Kölner Nuntius und Steffani aus, der die Einschränkung seiner Jurisdiktion befürchtete, aber auch Vorbehalte gegen die Person Hamiltons vorbrachte; in dessen Ernennung zum „Hofbischof “ sah er eine Herausforderung der Protestanten. Nach der Ablehnung Clemens’ XI., Hamilton zum Bischof zu ernennen, setzte sich Anton Ulrich für die Eingliederung der braunschweigischen Missionen in die Diözese Hildesheim ein, wovon er deren Bestandssicherung über seinen Tod hinaus erwartete.52 Auch gegen diesen Plan wehrte sich Steffani entschieden. Als der Hildesheimer Weihbischof von Weichs im September 1713 einigen Corveyer Benediktinern in der Kapelle des Schlosses 49 Ebd., S. 95f. 50 Ebd., S. 83–85. 51 Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 48–57; Woker, Franziskaner-Missionen (wie Anm. 7), S. 412–443; Frese, 250 Jahre (wie Anm. 13), S. 54f. 52 Hans-Georg Aschoff, „[…] daß ich anitzo eben so wenig ein grober katholischer Orthodoxe sei, als ich vorhin ein lutherischer bin gewesen“. „Herzog Anton Ulrichs Stellung zur Religion und seine Konversion zum Katholizismus“, in: Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte 96 (2015), S. 27–55, hier: S. 48–51.

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Salzdahlum die Mönchsweihe erteilte und die Firmung spendete, beschwerte sich der Vikar beim Kölner Nuntius über diesen Eingriff in seine Jurisdiktionsrechte, der seinem Ansehen schade und Unsicherheit bei den Katholiken über den zuständigen Ordinarius hervorrufe.53 Mit Rücksicht auf Herzog Anton Ulrich, der die Sicherung der Jurisdiktionsrechte des Hildesheimer Ordinarius hinsichtlich Braunschweigs und Wolfenbüttels verlangte, entschied die Propagandakongregation gegen Steffani. Am 9. Januar 1714 forderte Kardinal Sacripante ihn auf, sich entsprechend seinem Ernennungsbreve der Jurisdiktion über die braunschweigischen Missionen zu enthalten und diese dem Hildesheimer Ordinariat zu überlassen. Durch päpstliches Breve vom 14. Juni 1714 erfolgte dann die förmliche Übergabe der Missionen in Braunschweig und Wolfenbüttel an den Bischof von Hildesheim.54

Steffanis Resignation Nach dem Tod Fürstbischof Wolff-Metternichs siedelte Steffani nach einem kurzen Aufenthalt bei Nuntius Girolamo Archinto in Köln 1720 wieder nach Hannover über. Bereits 1719 hatte er sich mit dem Nuntius darüber vereinbart, dass „er nur eine günstige Gelegenheit abwarten wolle, um in Ehren und in Uebereinstimmung mit dem apostolischen Stuhle von dem Vicariat sich zurückzuziehen“.55 Neben den finanziellen Schwierigkeiten lag ein wichtiger Grund für seine Resignationsabsichten in der Enttäuschung über seine Arbeit als Apostolischer Vikar. Die Erwartungen, die die Kurie und er selbst an seine Ernennung geknüpft hatten, blieben im großen Ganzen unerfüllt. Zeitweise war man in Rom mit seiner Tätigkeit sogar unzufrieden; Papst Clemens XI. soll geäußert haben, dass Steffani zwar viel geschrieben, aber wenig vollbracht habe.56 Ohne Erlaubnis der Propagandakongregation verließ Steffani im Juli 1722 Hannover und begab sich nach Carrara, um auch dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen zu sein.57 Als seinen Stellvertreter und Nachfolger bestellte die Propagandakongregation mittels Breve vom 18. Oktober 1722 den Hildesheimer Kanoniker Ludolf Wilhelm Majus. Steffani hatte versucht, diesem in Hannover die Wege zu ebnen; die Regierung untersagte Majus als Konvertiten und Hildesheimer Untertan jegliche Amtstätigkeit. Daraufhin verlieh die Propagandakongregation 1723 dem Kölner Nuntius Gaetano de’ Cavalieri interimistisch die einschlägigen Fakultäten, während Steffani und Majus in aller Form von der Verwaltung des Vikariates ent-

53 Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 52f. 54 Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 99. 55 Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 117. 56 Ebd., S. 89. 57 Kaufold, Musiker (wie Anm. 1), S. 58.

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Agostino Steffani als Apostolischer Vikar des Nordens

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bunden wurden. Als die hannoversche Regierung die Anstellung neuer Missionare untersagte, wieder auf der Eidesleistung der Geistlichen bestand und im folgenden Jahr mit der Ausweisung der Eidesverweigerer drohte, falls Steffani nicht nach Hannover zurückkomme, bewilligte die Propagandakongregation die von ihm verlangte Geldsumme in Höhe von 1600 Scudi zur Erledigung seiner Amtsgeschäfte. Steffani traf im Oktober 1725 in Hannover ein und wurde am 27. Mai des folgenden Jahres wieder zum Apostolischen Vikar bestellt. Es gelang ihm, neue Missionare zu berufen und die Eidesformel in einer Weise zu ändern, die die Bedenken der Geistlichen ausräumte.58 Das ungelöste Problem der Selzer Einkünfte und die damit verbundene finanzielle Notlage, Gebrechlichkeit und Alter sowie die Sehnsucht nach Italien bewogen Steffani, im Oktober 1727 Hannover erneut zu verlassen, nicht ohne zuvor den erfolglosen Versuch unternommen zu haben, für einen Nachfolger bei der hannoverschen Regierung zu werben. Er begab sich zuerst zu seinem letzten noch lebenden Freund, dem Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn; dann hielt er sich in Frankfurt auf. Hier starb er am 12. Februar 1728 im Dompfarrhaus im Alter von 73 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls und wurde zwei Tage später in der Kapelle St. Maria Magdalena der dortigen Kollegiatkirche St. Bartholomäus beigesetzt.59 Da er ohne Testament gestorben war, beantragte der Sekretär der Propagandakongregation, von der ihm nur halb ausgezahlten letzten Unterstützung die andere Hälfte für Seelenmessen zu verwenden; denn „er habe dies doch mit seiner Leitung des Vikariats zwanzig Jahre hindurch verdient“.60

58 Woker, Steffani (wie Anm. 1), S. 118–126; Woker, Geschichte Hannover (wie Anm. 12), S. 183–205; Metzler, Vikariate (wie Anm. 1), S. 106–110. 59 Die Grabstelle wurde 1867 während der Feuersbrunst im Frankfurter Dom zerstört. Bei Bauarbeiten fand man 1953 im Südschiff, nicht in der Magdalenenkapelle, einen Steinsarkophag, in dem sich ein Bischofsstab sowie ein Kelch aus Holz und Silberbeschläge befanden. Daneben lagen die sterblichen Überreste des Bischofs von Spiga (Kaufold, Musiker, wie Anm. 1, S. 74). 60 Tüchle, „Mitarbeiter“ (wie Anm. 29), S. 651.

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„Il gran negotio“. Die theatralischen Konversionsprojekte von Agostino Steffani

Nach einer brillanten Karriere als Kapellmeister und Komponist wie als Diplomat und Berater verschiedener deutscher Höfe äußerte Agostino Steffani im März 1704 in einem Brief1 an seinen vertrauten Freund Antonio Maria Fede – Vertreter des Hauses Medici in Rom – seinen Wunsch nach einer stabilen Charge, „ich will offenherzig sprechen […], ich strebe kein Episkopat an […], ich möchte eine Kirche haben, die mir nur Ruhe und keine Mühe bringt“2. Und noch im April stellte er sich als Untertan der Republik Venedig dar: „In diesem Territorium sind manchmal Abteien und Priorate vakant“, ruhige und finanziell stabile Ämter, die für einen Ehrenmann sehr geeignet seien.3 Sein Wunsch, wieder nach Italien zu gehen, sollte unerfüllt bleiben, und höchstwahrscheinlich nur vorgespielt waren seine Widerstände gegen eine eventuelle Bischofswürde. Schon im Dezember 1704 sollte nämlich für ihn eine neue, sicherlich nicht Ruhe bringende Aufgabe folgen: Von seinem Patron, dem Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, wurde Steffani mit der Reorganisation der Universität Heidelberg beauftragt, weil – wie er wieder an Conte Fede schreibt – „ich unter einer Konstellation geboren bin, die mich dafür bestimmt hat, immer das Unmögliche zu wollen“. Im Oktober 1706 wurde er durch

1 Folgende Abkürzungen für Archive werden verwendet: ACDF (Città del Vaticano, Archivio della Congregazione per la Dottrina della Fede); APF (Città del Vaticano, Archivio Storico „de Propaganda Fide“, Congregazione per l’Evangelizzazione dei Popoli); NLA HA (Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Hannover, ehem. HStA Hannover). 2 Steffani an Antonio Maria Fede, Düsseldorf, 2. März 1704, APF, Fondo Spiga, 59 [ohne Blattzählung]: „Io gli dirò schiettamente, già che così V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma me lo commanda, che non ambisco, nè cerco Vescovati; prima perche mi basta haver à render conto di me; e poi perche doppo haver faticato quanto dureranno le mie deboli forze, per la Chiesa; vorrei havere una Chiesa che mi dasse riposo, e non fatica“. Über Steffanis Nachlass im Archiv der Propagandakongregation vgl. Michael F. Feldkamp, „Der Nachlass des Komponisten, Diplomaten und Bischofs Agostino Steffani (1654–1728) im Archiv der Propaganda Fide“, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 72 (1992), bes. S. 230–261. 3 Steffani an A. M. Fede, Düsseldorf, 20. April 1704, APF, Fondo Spiga, 59: „Per quello che riguarda poi l’Italia, come io sono Suddito della Republica di Venezia, e che ne di Lei territorio vacano alcune volte delle Abbadie, ò Priorati capaci di accommodare un galantuomo“.

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geschickte Manöver Johann Wilhelms in Rom zum Bischof von Spiga ernannt, und 1709 schloss sich an die bischöfliche Würde die Ernennung zum Apostolischen Vikar für die Missioni Settentrionali, die so genannten nördlichen Missionsgebiete, an.4 In den Dienst der römischen Kurie und der katholischen Religion stellte er vor allem seine langjährige, genaue und anerkannte Kenntnis der deutschen Höfe. Wie er oft schreibt: „[…] um in ähnlichen Fällen richtig zu urteilen, ist es notwendig, Deutschland zu kennen, seine grundlegenden Gesetze, die Interessen der Fürsten, die Gemüter der Minister, die Statuten der Kapitel, die Politik des Kopfes, die Rivalität der Glieder und die Ökonomie des Körpers: Dann geht man recht, ansonsten stolpert man.“5 Und weiter, mit einem Bild, das Steffani in einem Brief als „halbguicciardinisch“ bezeichnet: „Deutschland ist wie ein schreckliches und ungeheuerliches Tier, und seit vierzig Jahren beobachte ich seine geringsten Bewegungen“.6 Allerdings hatte Steffani drei deutschen Höfen gedient. „Dem kurbayerischen Hof für 22 [recte 21] Jahre, dem hannoverschen für 15 Jahre“, und seit 1703 war er im Dienst des pfälzischen Kurfürsten. Selbst in Hannover, d. h. an einem protestantischen Hofe, wurde er sehr geschätzt: „Die Fürsten haben mich mit diplomatischen Missionen beauftragt und mir die Arcana des Hofes anvertraut“7. Neben diesen Fähigkeiten, Begabungen und Kenntnissen konnte er auch über die hervorragende 4 Zur Geschichte solcher Missionsgebiete vgl. Paul Wittichen, „Zur Geschichte des Apostolischen Vikariats des Nordens zu Beginn des 18. Jahrhunderts“, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 6 (1904), S. 343–367; Johannes Metzler, Die Apostolischen Vikariate des Nordens. Ihre Entstehung, ihre Entwicklung und ihre Verwalter. Ein Beitrag zur Geschichte der Nordischen Missionen, Paderborn 1919. Vgl. auch den Beitrag von Hans-Georg Aschoff im vorliegenden Band, S. 207–219. 5 Steffani an A. M. Fede, Bamberg, Mai 1707, APF, Fondo Spiga, 39 [ohne Blattzählung]: „Ciò che le posso dire è, che per giudicare di simili casi è neccessario conoscer la Germania, le sue Leggi Fondamentali, gl’Interessi de’ Principi, il Genio di Ministri, li Statuti de’ Capitoli, la Politica del Capo, la Gelosia de’ membri, e l’Economia del Corpo: all’hora si cammina giusto; e senza di questi s’Inciampa“. 6 Ein Beispiel: Steffani an A. M. Fede, Düsseldorf, 31. Mai 1705, APF, Fondo Spiga, 59: „E’ la Germania un terribile, e mostruoso animale. Sono hormai 40. anni, che io hò largo campo di esaminarne per minuto li movimenti: Hora le une, hora le altre di queste innumerabili Teste conducono questo Corpo spessissimo dove il Cuore repugna d’andare. E se si neglige di prevedere à qual meta aspirino le sud[ett]e teste, e non se le chiude di buon hora la strada, si espone tutto il Corpo à precipitij che fanno horrore sino à gli occhi dell’Intelletto. S[ua] S[ignoria] Ill[ustrissi] ma mi perdoni questa Semi-Guicciardinica digressione“. 7 Steffani an A. M. Fede, Düsseldorf, 11. Juli 1706, APF, Fondo Spiga, 59: „Quella di Baviera 22. anni; Quella di Hannovera, 15; e questa dal 1703 in quà. […] Attaccatomi poi alla Corte d’Hannovera, tutto il Mondo hà veduto come vi sono stato; e lo hà veduto da due circostanze; la prima che dove era qualche cosa d’Importante da fare, ero veduto correre io: e la 2:da che que’ Principi mi hanno confidati li loro più Secreti Arcani senza esiger mai da me ne per ombra il minimo giuramento come solito in tutte le Corti della Germania“. Dazu vgl. Claudia Kaufold, Ein Musiker als Diplomat. Abbé Agostino Steffani in hannoverschen Diensten (1688–1703) (= Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 36), Bielefeld 1997 sowie den Beitrag von Claudia Kaufold im vorliegenden Band, S. 155–168.

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Patronage des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz verfügen, der einflussreiche und unermüdliche Paladin der römischen Kirche in den deutschen Territorien. Das war für Rom genügend, um einige Stimmen an der Kurie zu vertuschen. Stimmen, die mit etwas Ironie, die sicherlich einen Tropfen Boshaftigkeit verhüllt, nebenbei daran erinnert haben, dass Steffani letztlich nur ein Musiker war. Anscheinend war daher Steffani zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und als Vikar konnte er nach einer entscheidenden Titelrolle in der Kirchenpolitik der Propagandakongregation im Deutschland des 18. Jahrhunderts streben, Fürsten und kleinere Herren zur Konversion zu bewegen, hervorragenden Konversionen, die aus der Perspektive von Rom ein wichtiges Instrument für die Rekatholisierung der protestantischen Territorien waren. Von vornherein betrat Steffani als Apostolischer Vikar des Nordens die Bühne mit einem sehr ambitionierten Programm: neben der Gründung neuer Missionen und dem Bau von katholischen Kirchen die Konversion von Völkern, die Rom noch mit dem Makel der Häresie kennzeichnete, bis zum Erreichen der Anerkennung seines Vikariats in den brandenburg-preußischen Landen. Hannover, Braunschweig, Wolfenbüttel und Salzdahlum, Düsseldorf, und weiterhin Darmstadt, Meiningen und schließlich Berlin: Diese Orte sind die Schauplätze der zahlreichen Konversionspläne und Verhandlungen, die Steffani während der ersten Jahren seiner Amtsführung mit Ausdauer und Unermüdlichkeit ausgedacht, vorbereitet und durchgeführt hat. Das war, nach seinen Worten, sein „gran negotio“: die Rückkehr in den Schoß der römischen Kirche des Großteils, oder geradezu der Gesamtheit aller protestantischen deutschen Fürsten. Und nicht zufällig hatte er in seiner Korrespondenz mit Rom kurz vor der Ernennung zum Vikariat – quasi um einen adäquaten Lebenslauf einzureichen – nicht nur auf seine Kenntnisse der deutschen Höfe, sondern auch auf seine aktive Beteiligung an früheren Konversionsbemühungen und in der Ehepolitik angespielt.8 Wie Hermann Tüchle in Bezug auf die Nordischen Missionen bemerkt, war Steffani nicht „der Typ der bisherigen Vikare, kein Asket wie Steno, kein Seelsorger wie der Bischof von Joppe, sondern in erster Linie ein Künstler […], der ein finanziell sorgloses Leben gewohnt war, mit der entsprechenden, beinahe fürstlichen

8 Ein interessantes Beispiel dafür ist Steffanis Hinweis auf den möglichen Glaubenswechsel Sophie Charlottes von Hannover, angesichts ihrer projektierten, von Rom sehr befürworteten Heirat mit dem bayerischen Kurfürsten, ein Plan, der leider nicht zu einem guten Abschluss gebracht werden konnte. Sie konnte daher „zu ihren mannigfaltigen Geistesgaben die Kenntnis der wahren Religion nicht hinzufügen“ (vgl. Steffani an A. M. Fede, Düsseldorf, 2. Februar 1705, APF, Fondo Spiga, 59: „A questa Principessa […] non mancava altra dote, che quella che porge la conoscenza della Vera religione. Come io ne conoscevo l’Interno, potevo sperar un sì gran bene s’ella havesse sopravissuto al Rè suo Marito; e n’ero sicuro se potevo dargli ne’ sui teneri anni l’Elettor di Baviera in isposo, negotio che hò havuto in mano, può dirsi, concluso“).

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Begleitung auch viele kostspielige Reisen an die Höfe unternahm“9. Und auch wenn Steffani in den Augen der Propagandakongregation Konversionskandidaten auch in anderen Bevölkerungsschichten der protestantischen Territorien auffinden sollte, hat er zweifellos die Durchführung von Konversionen von Fürsten – Vorbilder waren der Glaubenswechsel von Johann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg und von August dem Starken – bevorzugt. Es ist schlechterdings sein Feld gewesen und zugleich die Chance, nicht nur um der Kurie seine Fähigkeit als „Konversionsagent“ zu beweisen, sondern auch um in prächtigen, glänzenden Milieus zu verkehren. Steffani liebte Luxus, Köstlichkeiten und gute Weine, feine Kleidung, komfortable Kutschen. Schon der Bericht über seine Bischofskonsekration im Januar 1707 in Bamberg ist in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich: die Inszenierung eines bloß weltlichen Ereignisses, in dem der geistliche, spirituelle Aspekt von der Beschreibung des Prunks der Paramente, der Kunststickerei seiner Kasel und der Edelsteine auf seiner Mitra völlig verdunkelt ist10. Übrigens – bemerkt der neu gewählte Bischof – spielt in deutschen Landen der Prunk der katholischen Würdenträger eine wichtige Rolle: Anfangs betreten die Protestanten unsere Kirchen nur aus reiner Neugier, nur um eine prachtvolle Vorstellung zu besuchen. Aber danach „gebiert“ die Neugier das Nachdenken, und beim Nachdenken kann die Konversion herauskommen. So sind in Deutschland viele Konversionen entstanden, und „wenn Eure Exzellenz die liturgischen Gewänder der Prälaten dieser Lande sehen könnte, würden Sie sich totlachen und damit meinen Gedankengang besser verstehen“11. In den folgenden Jahren, als die römische Kurie die übertriebenen Kosten seiner aufwendigen Lebenshaltung und seiner Reisen rügte – Steffanis Hofhaltung belief sich auf bis zu vierzehn Diener –, hat er oft zu diesen Argumenten gegriffen, um seine Spesen – und folglich seine Schulden – zu rechtfertigen. Luxus und Pracht waren daher nicht nur ein Zeichen seiner persönlichen Dignität, sondern vielmehr das kohärente Bild, die öffentliche Darstellung einer Kirche, die den protestantischen Adligen – oft Herren von kleinen und wegen der dauernden Kriege verarmten Territorien des Heiligen

  9 Hermann Tüchle, „Mitarbeiter und Probleme in Deutschland und Skandinavien“, in: Sacrae Congregationis De Propaganda Fide Memoria Rerum 1622–1972, hrsg. Johannes Metzler, Bd. 2: 1700–1815, Rom/Freiburg/Wien 1973, S. 651. 10 Dazu vgl. Steffani an A. M. Fede, Düsseldorf, 22. August 1706, APF, Fondo Spiga, 59: „Si stupirebbe V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma e s’intenerirebbe il N[ostr]o Sant[issi]mo Pontefice se vedesse con’ quale asiduità quest’ottimo pijssimo Principe s’applica egli medesimo ad ordinare li paramenti Pontificali, quanti disegni, senza sodisfarsi, habbia già fatti fare per il ricamo della Mitra pretiosa, che vuol ripiena di pietre orientali al dispetto di quanto gli si può dire“. 11 Steffani an A. M. Fede, Düsseldorf, 31. Januar 1707, APF, Fondo Spiga, 39: „questo farà un grand[issi]mo bene alla Religione, prima perché li Protestanti verranno alle funzioni Pontificali per curiosità, e questa curiosità poi partorisce à poco à poco la compuntione, e questa la Conversione. Io ne hò vedute nascer di molte per questa strada […] perché se V[ostra] S[ignoria] Ill[ustrissi]ma vedesse come in questi paesi è trattato, come li Prelati si vestono, e come Pontificano, morirebbe dalle risa“.

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Römischen Reiches – nicht nur das ewige Heil und die geistliche Ruhe, sondern als Gegenforderung reiche Präbenden, Bistümer, Abteien und andere kirchliche Güter sowie Karrieremöglichkeiten sichern konnte. Von vornherein nahm Steffani seine Tätigkeit als Apostolischer Vikar sehr ernst und besonders seine schwierige und zugleich „heilige“ Aufgabe der Rekatholisierung der deutschen Territorien. Um sein „gran negotio“ realisieren zu können, war er ständig auf Reisen und ständig mit Schreiben beschäftigt. Seine Briefe und Berichte hat er immer in einer sehr lebhaften, sogar theatralischen Sprache verfasst. In seiner „Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur“ hat Georg Schnath Steffani als einen „zungen- und federfertigen Italiener“ richtig bezeichnet.12 Besonders „zungenfertig“ ist sein Italienisch, gekennzeichnet durch die Verwendung von Sprichwörtern und volkssprachlichen Redensarten. In allen Sprachen, die er schriftlich beherrschte – neben seiner Muttersprache Deutsch und Französisch –, erwähnt er kaum Stellen aus theologischen Werken oder aus der Bibel; viel häufiger sind Zitate aus Klassikern, von Historikern und Dichtern. Steffani hat einen besonderen Sinn für witzige und schlagfertige Sätze, und besonders spannend ist die Dialogform, die er auch für Berichte über heikle Affären wie fürstliche Konversionsverhandlungen verwendet hat. So landeten in den ehrwürdigen Räumen der Propaganda sowie des Heiligen Offiziums keine trockenen, formellen, unpersönlichen Darlegungen der Gespräche mit deutschen Fürsten, sondern die Gespräche selbst, mit den üblichen Redewendungen „Ich sagte zu ihm“ oder „Er antwortete mir“, und dank Steffanis genauer und vielfarbiger Wiedergabe von Klängen, Mienen und Gesten sind wir im Stande – als ob uns ein Drehbuch zur Verfügung stünde –, uns das Schauspiel, die Aktion vorzustellen. Es handelt sich aber nicht um eine bloße Frage von Schreibstil oder von Farbigkeit: Aus seinen Worten können wir wertvolle Informationen über den Bühnenhintergrund einiger Konversionspläne ziehen, z. B. über die oft unverdächtige Identität von Agenten, über zynische Unterhandlungen, über brennende Skandale, dornige Intrigen, feine Schwindeleien und selbst Geheimnisse. Schließlich lernen wir durch diese umfangreiche Korrespondenz seine Konversionspraktik kennen, die er grundsätzlich gemäß den von Rom erhaltenen Instruktionen umgesetzt hat: nur eine Prise von theologischen Argumenten, dagegen politische und materielle Vorteile in Hülle und Fülle. Seine Praktik zeigt sich sehr trefflich bei den Konversionsgesprächen mit Ernst Ludwig Herzog von Sachsen-Meiningen. Davon hat Steffani ausführlich im Sommer 1710 in dialogischer Form Kurfürst Johann Wilhelm berichtet.13 In seinen Augen war

12 Georg Schnath, Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674–1714, Bd. 2, Hildesheim 1976, S. 477. 13 Vgl. Copia [für den Konsultor des Heiligen Offiziums Giovanni Damasceno Bragaldi] di P.S. di Mons[igno]r Vescovo di Spiga al Ser[enissi]mo Elettor Palatino, Wolfenbüttel, 21. August 1710, ACDF, SO, St.St. Q3o, 2, Bl. 47r–51v.

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der Herzog der Kandidat zum Glaubenwechsel schlechthin: der Herr eines kleinen und nicht so florierenden Territoriums, Vater schon von zwei Söhnen, und – laut Steffanis Worten – im Stand, noch ein Dutzend zu zeugen.14 Das Treffen wurde in allen Einzelheiten vorbereitet, und das Gespräch entwickelte sich nach einem wohl geprüften – und vom Heiligen Offizium genehmigten – Regiebuch: erstens, einige einführende und minimale Sätze über die Einheit der Kirche, das ewige Heil und die tatsächliche Macht der protestantischen Geistlichen, ohne das geringste Streben nach Kontroversen; zweitens, die breiten und detaillierten Einsätze – und damit stoßen wir zum Kern der Verhandlungen vor – über politische Umstände und materielle Angebote. Denn – so sagt er dem Herzog von Sachsen-Meiningen – in Bezug auf ein Bekehrungserlebnis muss man nicht unbedingt an „Petrus auf dem Schiff “ oder an „Augustinus im Garten“ denken. Gott kann nicht jeden Tag ein sichtbares Wunder geschehen lassen: und eben auch Fürstentum, Bistum oder Kloster können mirakulöse Effekte haben: und im spezifischen Falle des Herzogs Ernst Ludwig hat sich der Heilige Geist entschlossen, sich des Fürstbistums Fulda zu bedienen.15 Steffanis Manövern war, ebenfalls im Sommer 1710, auch Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt zum Opfer gefallen. Der Vikar hatte den Fall schon lange studiert und Gemüt und gute Inklination des Landgrafen analysiert. Gemäß Steffanis detaillierten Instruktionen wurden in Darmstadt die Vorgespräche von Andreas Kaspar de Nomis geführt, der zugleich Vertrauensmann am Hannoveraner Hof war und von Gottfried Wilhelm Leibniz mit gelehrten Kommissionen an den römischen Bibliotheken und Archiven beauftragt wurde.16 Auch bei dieser Angelegenheit wurden zunächst die üblichen knappen theologischen Argumente – oder wie Steffani in seinem Bericht schreibt – „i motivi della anima“, d. h. die Gründe der Seele dargestellt, und folglich, als Hauptpunkt, „i motivi del corpo“, wörtlich die Gründe des Körpers, d. h. die materiellen Vorteile, die Rom in die Waagschale wirft: die Gegenforderung von Pfründen- und Karrieremöglichkeiten.17 Die Weichen dafür waren daher gestellt, und Steffani konnte sein Treffen mit dem Landgrafen organisieren, mit direkter Hilfe oder „Mittäterschaft“ von Kurfürst Johann Wilhelm. Als Theater des Konversionsgespräches wurde Düsseldorf ausgewählt, und dieses Mal ist das Wort „Theater“ im eigentlichen Sinne verwendet. Bekannt war Ernst Ludwigs

14 Ebd., Bl. 48r: „Mi dica un poco l’A[tezza] V[ostra] ella hà due Fratelli, due Figli, et è in stato d’haverne una dozzina; che ne farà? Si hà da continuare ciò che hà fatto il suo Avo, che d’un grand[issi]mo Stato hà fatto 7. picciol[issi]mi Principati per accommodar 7. Figlioli?“. 15 Ebd., Bl. 48r. 16 Über de Nomis, ein Verwandter von Steffani, der ihn 1695 am Hannoveraner Hof eingeführt hatte, vgl. Franz Wilhelm Woker, Geschichte der katholischen Kirche und Gemeinde in Hannover und Celle, Paderborn 1889, S. 186–191; Kaufold, Ein Musiker als Diplomat (wie Anm. 7), S. 258, bes. Anm. 768. 17 Vgl. Copia [für G. D. Bragaldi] di P.S. di Mons[igno]r. Vescovo di Spiga al Ser[enissi]mo. Elettor Palatino, Hannover, 11. Juli 1710, ACDF, SO, St.St., Q3o, 2, Bl. 34r.

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Leidenschaft für Musik, und Steffani bittet den Kurfürsten, im Winter zwei Opern inszenieren zu lassen und zu den Aufführungen den Landgrafen einzuladen.18 Bei der Gelegenheit – als ob er ein reiner, selbstloser Liebhaber der Oper wäre, absolut plausibel im Falle eines ehemaligen Komponisten – konnte Steffani in Düsseldorf ankommen und dann seine geschickte Konversionspraktik in Szene setzen. Und neben der Musik konnte das Herz des Landgrafen auch von etwas anderem bewegt und besänftigt werden: dem Versprechen einer für sein Haus sehr profitablen Heirat, z. B. mit einer Erzherzogin von Neapel. Darüber kann man verhandeln, aber mit absoluter Diskretion, und vor allem ohne explizit die Namen der möglichen Hauptdarsteller zu nennen: weil – so schließt der Vikar – frische Beispiele uns leider gezeigt haben, dass „il dire guasta il fare“, d. h. das Sprechen das Machen verdirbt.19 Als „frisches Beispiel“ ist natürlich die unerwartete und unbedachte Veröffentlichung des 1709 im Geheimen geschehenen Übertritts zum Katholizismus des Wolfenbütteler Herzogs Anton Ulrich in holländischen und deutschen Gazetten gemeint, ein Durchsickern von Nachrichten, die den Herzog in ernsthafte Schwierigkeiten brachten, auch wenn Steffani noch nicht vermuten konnte, wie ernsthaft und sogar schicksalsträchtig die Folgen dieser Veröffentlichung für ihn und sein Vikariat sein sollten. Noch im Februar 1710 hatte Steffani eine erste und sehr positive Bilanz seiner Tätigkeit für Rom gezogen: „Mein Nachfolger wird das Vikariat in gutem Zustande finden. Frei sind die Religionsausübung und das Pontifikalamt in Hannover, Celle und Wolfenbüttel […]. Bald wird der versprochene Bau zweier Kirchen in Hannover und Braunschweig anfangen, und sogar der preußische König zeigt seine gute, günstige Disposition gegen das Apostolische Vikariat […] Außergewöhnliche, unglaubliche Dinge. In einem Wort: reine Wunder.“20

Als die Nachricht der Publikation von Anton Ulrichs Bekehrung im April 1710 – nur zwei Monaten nach diesem triumphierenden Bericht – Hannover erreichte, verlor sogar Steffani, mindestens momentan, seinen üblichen Optimismus: er sandte unmittelbar Briefe nach Rom, an die Propaganda, an das Heilige Offizium, an seinen 18 Ebd., Bl. 34v: „Egli ama la Musica con passione V[ostra] A[ltezza] E[lettorale] lo sà. Ella vuol fare le due opere à quel che si dice. Procuri l’A[ltezza] V[ostra] E[lettorale] che siano all’ordine un poco di buon hora, e v’inviti il Landgravio, à fine ch’egli possa da Düsseldorff venire à Hannovera […] Se il prencipe accetta l’invito come io non dubito, A. V. E. haverà la bontà di avvertirmene“. 19 Ebd., Bl. 34r. 20 Steffani an den Sekretär der Propaganda Fide Silvio de’ Cavalieri, Braunschweig, 13. Februar 1710, APF, Fondo Spiga, 48 [ohne Blattzählung]: „Chi lo [das Vikariat] haverà doppo di me, si troverà In possesso di esercitar gli Atti Pontificali In Hannovera, in Celle, in Wolfenbütel, Insomma per tutto il paese. Troverà un sito amplissimo in Hannovera per fabbricar una Chiesa. Ne troverà qui un altro per Fabbricarne un altra […] Troverà delle ottime dispositioni per far ammettere un Vicario Apostolico nelle paesi di Brandeburgo […] tutte queste cose sono chiamate […] Cose Insolite, Inaudite, in una parola Miracoli“.

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getreuen Freund Antonio Maria Fede, und selbstverständlich an Johann Wilhelm von der Pfalz. Der Vikar ist sich wohl bewusst, dass seine Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit in Frage stehen: Wie können nunmehr die deutschen Fürsten mir trauen und vertrauen? Die protestantischen Fürsten – so schreibt er– halten mich für „mysteriös“, d. h. im Stande, eine eventuelle Konversion für die nötige Zeit geheim zu halten. Die Nachricht wurde – was in Steffanis Augen noch schlimmer war – in allen geheimsten Details aus Wien verbreitet, d. h. aus einem katholischen Milieu. „Ich verzage nicht, aber in Rom müsst ihr für mich intensiv beten“21. Erste Folgen dieses bedauerlichen Vorfalls sind schon in Steffanis Gesprächen mit dem Herzog von Sachsen-Meiningen zu spüren, als der Herzog einwendet, dass er bestimmt nicht will, wie der Herzog Anton Ulrich zu enden – ein katholischer Herr in einem protestantischen Nest – und sogar das Fürstbistum Fulda sollte nicht ausreichen, um ihn zu überzeugen. Aber – so versucht Steffani im August 1710 die römische Kurie einigermaßen zu beruhigen – man soll nicht verlangen, dass ein Fürst sich kurzerhand dazu entschließt. Sowohl der Herzog von Sachsen-Meiningen als auch der Landgraf von Hessen-Darmstadt sollten nicht vom Luthertum zum Katholizismus konvertieren. Was in Wolfenbüttel geschehen war, konnte leider nicht wie ein Randereignis beiseite geschoben werden. Unter diesen ungünstigen und erschwerenden Umständen entschloss sich Steffani, seinen ehrgeizigsten und zugleich unrealistischsten Plan trotz alledem weiterzuführen: der Übertritt des preußischen Königs Friedrich zur römischen Konfession, sein „gran negotio“, das Wunder par excellence. Die Verhandlungen hatten schon im Jahre 1709 angefangen, selbstverständlich im Geheimen. Nur der Papst und die Kongregation des Heiligen Offiziums hatten vollständige Kenntnis davon. Wie Steffani schreibt, weiß der Kölner Nuntius von dieser großen Affäre nichts, und selbst der pfälzische Kurfürst kennt nur die Hälfte davon.22 Auch in dieser so gravierenden Angelegenheit verwendet Steffani für seine Berichte die beliebte Dialogform, wie in einer spektakulären und sehr kostspieligen Opernaufführung, in der mehrere Figuren gemäß seiner Regie aus Hannover inkognito an den Berliner Hof gereist sind: eine Schar von verdeckten Predigern, maskierten Beichtvätern, falschen Sekretären und camouflierten Agenten, die im Laufe zweier Jahre den 21 Steffani an G. D. Bragaldi, Düsseldorf 6. April 1710, APF, Fondo Spiga, 48: „Qual perdita di confidenza per me con altri Prencipi Protestanti che mi credono misterioso in una cosa che da tutte le parti si publica? Sit nomen Domini benedictu[m]. Gli autori di questo eccessivo disordine, mi è stato supposto […] esser li Gesuiti di Vienna. Certo è che di là è venuta la nuova à Hannovera, e vi è venuta con tutte le Circostanze le più secrete, e capaci di dar la maggiore apparenza alla verità della Cosa. Comunque sia, il male è fatto. […] Io non mi perdo d’Animo: mà hò gran bisogno che si faccian delle orazioni per me“. 22 Steffani an G. D. Bragaldi, Hannover, 5. September 1710, ACDF, SO, St.St., Q3o, 2, Bl. 10r: „devo dirle due altre cose; una che di tutto quello ch’ella troverà nella Relazione Latina, il Ser[renissi-] mo El[ettore] V[ostr]o Palatino non sà la metà, ne lo puol sapere à causa del pericolo che alcuna di quelle particolarità non traspiri, con che tutto sarebbe perso“.

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„Il gran negotio“. Die theatralischen Konversionsprojekte von Agostino Steffani

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Weg für Steffanis Einreise in Berlin vorbereiten sollten. Auf dieser lebhaften und wechselvollen Schaubühne spielte im Vorfeld eine Berliner Hofdame, Madame von Reden, eine große Rolle als Informantin, die wertvolle private Details über die königliche Familie herbeischaffte.23 Von dieser verlässlichen Dame wurde Steffani über die ehelichen Probleme der Königin in allen Einzelheiten informiert sowie über ihre potenzielle Neigung zum Glaubenswechsel, aber zugleich über ihr, und in dieser Hinsicht „konkurrenzfähiges“, Interesse am Pietismus, für Rom eine noch einigermaßen unbekannte häretische Sekte24. Wie Steffani erklärt, sind die pietistischen Grundsätze „sottilissimi, secretissimi, e per conseguenza difficilissimi“, d. h. außerordentlich subtil, geheim und schwierig.25 Hieraus folgt die Notwendigkeit, eine neue Figur in der gesamten Inszenierung einzuführen: Ein getarnter Geistlicher wurde nach Köln gesandt, „um die pietistischen Prinzipien gründlich zu lernen und erforschen und sie damit besser aus dem Geist der Preußischen Königin zu verjagen“26. Anscheinend wurde nichts dem Zufall überlassen. Seine so gut organisierte Einreise in Berlin fand im September 1711 statt, aber das „gran negotio di Berlino“ war nicht unter einem besonderen Glücksstern geboren. Der Vikar hatte sich schon im Frühling 1711 auf den Weg machen wollen, aber der unerwartete Tod des Kaisers im April hatte den politischen Horizont verändert, und so – wie aus Düsseldorf geraten – wurde die Reise verschoben.27 Als er, nach zweijährigem, unermüdlichen und geheimen Manöver, am 21. September seinen Einzug in die Stadt nahm, sollte aber etwas noch Unvorhersehbareres geschehen. Um einen von Steffanis Lieblingsausdrücken zu verwenden: „Tutti i diavoli si sono messi di traverso“, da musste der Teufel seine Hand im Spiel haben! Der Hof war leer: Alle – der König, der Kronprinz und die Minister – waren auf Hirschjagd. Er entschloss sich aber dazu, dem preußischen Minister Johann Moritz von Blaspiel zu schreiben, weil in Berlin das Gerücht kursierte, dass die Abwesenheit des Hofes sich über zehn oder zwölf Tage oder sogar fünf oder sechs Wochen hinziehen könnte, solange das Wetter schön bleiben würde.28 Schließlich kam der Hof zurück, und

23 Steffani am Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz, Hannover, 18. September 1710, NLA HA, Cal.Br. 23c, 65, Bl. 38v: „Che in questo tempo è neccessario haver qualcheduno à Berlino che non lasci raffreddare le bone dispositioni, e che perciò sarà neccessario che l’A[ltezza] V[o­ stra] E[lettorale] si degni disporre Wichenstein à condur seco un huomo, che gli darà il Padre Amministratore per servirlo di Secretario, e col quale possa senza dar ombra, parlare Madame de Reden ch’è la nostra Cinosura [‚Leitstern‘] in questo gran negotio“. 24 Vgl. Status Religionis in Aula Berolini, ACDF, SO, St.St. Q3o, 2, Bl. 8r–v. 25 Steffani an Johann Wilhelm, Hannover, 18. September 1710, NLA HA, Cal.Br. 23c, 65, Bl. 38r–v. 26 Ebd., Bl. 38r: „Intanto il P. Amministratore potrà studiare li Principij de’ Pietisti per combatterli nel cuore della Regina“. 27 Vgl. Steffani an Johann Wilhelm, Hannover, 1. Mai 1711, NLA HA, Cal.Br. 23c, 65, Bl. 36r. 28 Steffani an Johann Wilhelm, Berlin, 28. September 1711, NLA HA, Cal.Br. 23c, 65, Bl. 239r: „Io hò scritto martedì scorso à Blaspiel per pregarlo di dirmi confidentemente se il ritorno del Rè si differirà soli 10. ò 12. giorni come vogliono alcuni; ò pure cinque, è 6. settimane come credono altri“.

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Steffani konnte endlich Friedrich von Preußen treffen. Sein Bericht ist ein Muster seines Schreibstils. „Ich ging nach Landsberg, und der König empfing mich höflich, in der Antichambre sagte er zu mir mit hintersinniger Miene: ‚Haben Sie schon wieder jemanden konvertiert‘?“29 Steffani hatte sofort verstanden, warum er ihm den Seitenhieb versetzte – gemeint war natürlich Anton Ulrich –, und antwortete, dass er Fürsten von diesem Haus nicht mehr getroffen hatte. „Ich wurde zu seinem Tisch geladen und der König stieß mit einem Glas Wein mit mir an: ‚Auf die Reunion der Kirche. […] Das ist mein größerer Wunsch.‘ ‚Das ist auch mein Wunsch – erwiderte ich – und ich werde dazu beitragen‘. ‚Gut – antwortete [Friedrich] – aber die Autorität des Papstes ist zu groß‘. Und ich bemerkte: ‚Das ist vielleicht nur ein Schreckbild, dessen die Gegner der Reunion sich bedienen.‘ Er äußerte kein Wort mehr, trank seinen Wein“30, und nach einer Viertelstunde ging er weg. Steffani blieb zurück mit den Ministern Ludwig von Printzen und Heinrich Rüdiger von Ilgen, und er wurde von ihren wütenden Argumenten einfach überfallen: Der König benötigt keinen Bischof in seinem Land; die schon hier befindlichen Priester genügen, um den katholischen Untertanen Sakramente zu spenden; der König – dessen königliche Würde vom Papst nicht anerkannt ist, und der in den offiziellen Akten nur als Homo Achatolicus bezeichnet wird – verwahrt sich fest gegen die päpstliche Autorität; schließlich ist es notwendig, mit den Katholiken nichts zu tun zu haben, weil die Katholiken in ihren Gesprächen nur mentale Restriktionen – d. h. eine widrige Form der Dissimulation – anwenden.31 Vergeblich versuchte Steffani etwas dagegen einzuwenden: Die Vorstellung, die eben angefangen hatte, ging – wie er schreibt – gleich zu Ende, und „vor einer ähnlichen Gewalt wurde mir kaum die Gelegenheit geboten, meine Argumente auf den Tisch zu legen, und vor allem von politischen Vorteilen und kirchlichen Gütern zu sprechen“32. Steffanis Berliner Reise wurde ein Scheitern, und im Laufe des Jahres 1712 ließ Rom den Plan definitiv fallen. Der Berliner Vorfall bedeutet aber nicht nur das Scheitern seiner wichtigsten und ambitioniertesten Verhandlung, sondern auch

29 Steffani an Johann Wilhelm, Hannover, 13. November 1711, NLA HA, Cal.Br. 23c, 65, Bl. 244r: „Andai à Landsperg, e feci riverenza al rè, che mi ricevè cortesem[ent]e; mà doppo li primi complimenti nell’Anticamera oue lo trovai, mi disse con un viso alquanto equiuoco ‚Havete voi convertito ancora qualcheduno?‘“. 30 Ebd., Bl. 244v: „mi ritenne à pranzo, e preso un bicchiere mi portò una Salute ‚Alla buona Reunione delle Religioni‘. Poi fermatosi alquanto, lo non saprei, disse, portarmi ‚salute più bella‘. Et Io, Sire, risposi, per ringratiarne degnamente la M[aes]tà V[ost]ra vi contribuirò, quanto mai potrò. ‚Bene‘, replicò, ‚mà l’Auttorità del Papa è troppo grande‘. Mà, soggiunsi Io, questo forse non è che un spaventacchio di cui si servono quelli che non vorrebbero che il brindisi di V[ostra] M[aestà] havesse effetto. Più non replicò, e bevve“. 31 Ebd., Bl. 245r–v. 32 Ebd., Bl. 245v: „mi trouavo in istato d’Incominciar un negotio che credevo già terminato […] non trovavo il mio conto à parlar de’ beni Ecclesiastici con un huomo la di cui violenza appariva con tanta fiamma“.

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seiner Strategie und politischen Einschätzung. Berlin symbolisiert zugleich das Ende der Illusionen – sowie den Anfang der Ungnade eines Menschen, der den Blick für die realen Möglichkeiten nicht hatte und der für einige Jahre auch einen bedeutenden Kreis der römischen Kurie – laut den Quellen hat eben Papst Clemens XI. das Berliner Negotium gebilligt – mit seinen Illusionen bezaubert hatte. Auch die folgenden Jahre waren reich an Misserfolgen und Enttäuschungen: Sein Verhältnis zu Anton Ulrich kam in immer größere Schwierigkeiten, und nach 1712 spannte der Wolfenbütteler Herzog den Vikar recht auf die Folter, immer bereit, seinen Übertritt zu widerrufen. Die Kirche in Braunschweig begann ein Fass ohne Boden zu werden, und nicht besser war die Lage in Hannover, wo der Spielraum des Hauses Braunschweig-Lüneburg bereits von der englischen Sukzession bestimmt war. Trotz seiner angeblichen Wertschätzung am Hofe konnte er 1713 die Bekanntmachung eines Reglements nicht vermeiden, das ziemlich implizite Drosselungen einer freien Religionsübung enthielt, wie z. B. den Eid der katholischen Geistlichen und Lehrer. Der bereits versprochene Bau einer Kirche in Hannover kam trotz großer Spenden der römischen Kurie, des Kaisers, der Bischöfe und der Domkapitel in Mainz und Würzburg, nicht recht voran, und die Listen der Konvertiten, die Steffani regelmäßig an die Propaganda senden sollten, sind sehr enttäuschend, fast entmutigend, und oft lamentiert er über die Missionare und allgemein über die katholische Gemeinde in Hannover, „eine Schar von Komödianten, kleinen Kaufleuten und ähnlichem Gesindel“33. Alles war genügend, um daran zu denken, „die Segel zu streichen und das Schiff dem Schicksal zu überlassen“34. Auch wenn er sein Amt als Vikar des Nordens noch lange bekleiden sollte, ist die Bilanz seiner Tätigkeit schon in einem Brief an das Heilige Offizium vom Dezember 1712 gezogen, als auch letzte und leise Berliner Hoffnungen definitiv schwanden: „Da ich diese Territorien altgewohnt war, habe ich andersartige – und sehr günstige – Horoskope gestellt, und an andersartige Sachen geglaubt. Was soll ich jetzt tun? Für verborgene Einsichten führt der Motor des Universums uns jetzt auf unbekannte Wege, und wenn wir glauben, dass wir nach rechts gehen, gehen wir hingegen nach links, und umgekehrt.“35

33 Steffani an Silvio de’ Cavalieri, Hannover, 27. Juni 1710, APF, Germania. Missioni Settentrionali, III, Bl. 493r, in Bezug auf eine „Communità, se pur Communità si può dire una truppa di Comedianti, Mercantucci, et altra simile plebaglia“. 34 Steffani an den Präfekt der Propagandakongregation Giuseppe Sacripante, Hannover, 27. Juni 1710, APF, Germania. Missioni Settentrionali, III, Bl. 496v: „se nò, si puonno ammainar le vele, et abbandonar la Nave alla Fortuna“. 35 Steffani an den Assessor des Heiligen Offiziums Antonio Banchieri, Neuhaus, 31. Dezember 1712, APF, Fondo Spiga, 39: „Ma Io ch’ero sui luoghi, e familiare à segno che da me la gente non si guarda con tanta attenzione, giudicavo dover formar Oroscopi differenti, e creder cose diverse. Che si può fare? Il Motore dell’Universo per suoi occulti giudizij ci fà andare pe’ istrade à noi Ignote à sinistra quando crediamo andare à dritta, et à Dritta quando pensiamo andare à Sinistra“.

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Musiktheorie, Rezeption und Nachwirkung / Music Theory, Reception and Influence

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Michael Kempe

„Auch der Zitherspieler wird verlacht, wenn er immer auf derselben Saite spielt.“ Zur Bedeutung von Musik und Musikmetaphorik bei G. W. Leibniz

Agostino Steffani gehört zu den Korrespondenten von Gottfried Wilhelm Leibniz.1 Der überlieferte Briefwechsel zwischen beiden berührt vorrangig diplomatische und hofpolitische Themen.2 Über Musik haben sich beide wahrscheinlich auch ausgetauscht, wohl aber im mündlichen Gespräch vor Ort, was deshalb in schriftlichen Quellen keinen Niederschlag gefunden hat. Dass Steffani weniger als Diplomat, sondern vor allem als Musiker und Komponist bekannt geworden ist, lässt die Frage aufwerfen, welche Bedeutung Musik im Werk und Leben von Leibniz eingenommen hat. Wenn dieser Frage im Folgenden nachgegangen wird, steht vor allem die Vielschichtigkeit der Bedeutung der Musik für Leibniz im Vordergrund. Das breit gefächerte Thema soll dabei nicht erschöpfend, sondern lediglich in einigen Aspekten ausschnitthaft behandelt werden. Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven umkreist und schlaglichtartig beleuchtet. Gezeigt werden soll hierbei vor allem zweierlei; zum einen, dass Musik nicht einen Randbereich der gelehrten Aktivitäten von Leibniz darstellt, sondern uns geradewegs ins Zentrum seiner Philosophie führt. Zum anderen gilt es zu verdeutlichen, dass Leibniz mit seinen Ausführungen zur Musik auf überraschende Weise modern gewesen ist; seine Darlegungen sind heute noch anregend und anschlussfähig, wenn es darum geht,

1 Für wertvolle, hilfreiche Hinweise danke ich Jürgen Stolzenberg und Stephan Meier. Ebenfalls gilt mein Dank für zahlreiche Anregungen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der LeibnizForschungsstelle (Leibniz-Archiv) Hannover sowie den Diskutanten des Vortragsabends am 10. September 2014 (Doppelvortrag mit Claudia Kaufold) in der Neustädter Hof- und Stadtkirche. 2 Die Korrespondenz zwischen Steffani und Leibniz liegt in der Leibniz-Akademie-Ausgabe der Leibniz-Edition in den Bänden 5–23 der Reihe I gedruckt vor. Sie umfasst 21 Briefe, davon 15 von Steffani an Leibniz und 6 von Leibniz an Steffani. Der Zeitraum des Briefwechsels reicht vom 4. April 1688 bis zum 29. Januar 1704. Die intensivste Phase der Korrespondenz erfolgte in den Jahren 1695 bis 1698. Zu den historisch-kritisch edierten Briefen mit den Fundstellen, Direktverweisen zu den Briefen (der digitalen Bände) und weiteren Hintergrundinformationen gelangt man am einfachsten über die Datenbank „Leibniz-Connection. Personen- und Korrespondenzregister der Leibniz-Edition“ unter dem Internet-Link https://leibniz.uni-goettingen.de/, wenn man dort in der Such-Maske z. B. unter Personen „Steffani“ eingibt.

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zu beschreiben, was musikalische Tätigkeit und Wahrnehmung sind und wie man diese Phänomene in ihrer Komplexität philosophisch informiert beschreiben kann.

Genuss und Geschichte Beginnen lässt sich mit der Beobachtung, dass Leibniz selbst ein Liebhaber von Musik gewesen ist.3 Er genoss den Klang von Harfe, Violine, Cembalo oder Spinett, wenn er als Gast im Schloss von Herrenhausen oder in Lietzenburg (dem heutigen Charlottenburg) weilte. In Anwesenheit von Sophie, Sophie Charlotte und vermutlich auch von Steffani nahm er gelegentlich an höfischen Musikstunden teil. Ob Leibniz auch Georg Friedrich Händel, etwa seine Oboenkonzerte oder Kammerduette, gehört hat, lässt sich aus den Quellen – bislang jedenfalls – nicht belegen. Am Lietzenburger Hof bei Berlin wurde er mehrmals zu musikalischen Darbietungen von Königin Sophie Charlotte eingeladen und wusste aus eigener Erfahrung zu berichten, wie er im März 1703 an (Bartolomeo) Ortensio Mauro schrieb, „[…] que la Musique est un des principaux plaisirs de la Reine […].“4 In diesem Jahr war Leibniz am Berliner Hof sogar in eine politische Musikaffäre verwickelt worden. Dort hatte man den Hofmusiker Attilio Ariosti, den Leibniz und Sophie Charlotte als Komponisten, Sänger und Multiinstrumentalisten hoch schätzten, in sein heimatliches Kloster in der Toskana zurückberufen. Im Auftrag der Königin bemühte sich Leibniz intensiv darum, den vielseitigen Musiker am Lietzenburger Hof zu halten, und reaktivierte dafür sogar über Mauro noch einmal seine Kontakte zu Steffani, der inzwischen aus Hannover an den pfalz-neuburgischen Hof in Düsseldorf gewechselt war.5 Leibniz war nicht nur ein begeisterter Musikhörer, sondern auch ein leidenschaftlicher Sammler von Musikliteratur. Nachweisen lassen sich in seinen Hannoveraner Bibliotheksbeständen – darauf hat der Musikhistoriker Ulrich Leisinger verwiesen – zahlreiche Kirchengesangbücher, Textbücher, Schriften und Notenbände zur Oper sowie deutsche, lateinische, italienische, französische und englische Musiktraktate seit dem späten 16. Jahrhundert.6 Als Konstrukteur technischer Maschi3 Hin und wieder wird behauptet, Leibniz habe selbst ein Instrument gespielt, das lässt sich aber quellenmäßig nicht bestätigen. 4 „[…] dass die Musik eines der vorrangigen Vergnügungen der Königin ist […]“. Gottfried Wilhelm Leibniz an Bartolomeo Ortensio Mauro, Berlin, 27. März 1703, in: Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften u. a. (= Leibniz-Akademie-Ausgabe), Berlin u. a. 1923ff., Reihe I, Bd. 22, N. 196, S. 309–310. Die Leibniz-Akademie-Ausgabe wird im Folgenden zitiert als LAA, gefolgt von der Reihennummer (römisch) und Bandnummer (arabisch). 5 Siehe Steffani an Leibniz, Düsseldorf, 29. Januar 1704, in: LAA I, 23, N. 48, S. 70. 6 Ulrich Leisinger, Leibniz-Reflexe in der deutschen Musiktheorie des 18. Jahrhunderts, Würzburg 1994.

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„Auch der Zitherspieler wird verlacht, wenn er immer auf derselben Saite spielt.“

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nen interessierte sich Leibniz auch für Musikinstrumente; über sein verzweigtes Korrespondentennetz erfuhr er vom Bau verschiedenster Musikinstrumente, vom Spinett über diverse Orgeltypen, Nachbauten der griechischen Kithara bis hin zu skandinavischen Saiteninstrumenten oder dem Zink, einem trompetenartigen Horn. Der Instrumentenbau inspirierte ihn auch für seine Maschinenkonstruktionen. Kaiser Leopold I. erklärte er 1688 in Wien, dass er für den Bau seiner Chiffriermaschine eine Tastatur nach dem Vorbild eines Clavichords geplant habe. Musik und Musikinstrumente durften auch nicht fehlen, wenn es um die Einrichtung einer öffentlichen Schau-Akademie ging. Für die Drôle de Pensée, seinem 1676 in Paris zu Papier gebrachten schrulligen Einfall zur Einrichtung einer Akademie der Repräsentationen, die Wissenschaft und Technik als effektvolles Spektakel mit allerlei Belustigungen und Unterhaltungen der Öffentlichkeit vermitteln sollte, hatte er ebenfalls außergewöhnliche Konzerte, die Präsentation seltener Musikinstrumente und die Vorführung sprechender Trompeten fest eingeplant.7 Leibniz’ Interesse für Musik beschränkte sich indes nicht nur auf die europäische Tradition. Im Briefwechsel mit dem Jesuitenmissionar Joachim Bouvet wurde ebenso die Musik der alten Chinesen ausführlich thematisiert. Von Bouvet erfuhr Leibniz von den Jing, den so genannten fünf bzw. sechs kanonischen Büchern aus dem alten China. Diese Bücher, so schrieb Bouvet aus Peking enthusiastisch an Leibniz, würden nicht nur zur Rekonstruktion der alten chinesischen Musik, die seit mindestens anderthalb- oder zweitausend Jahren verloren sei, beitragen.8 Vielmehr könnten sie auch zur Wiedergewinnung dessen mithelfen, was von der alten griechischen Musik verloren gegangen sei. Denn das heute kaum mehr bekannte Tonsystem der Griechen mit den diatonischen, chromatischen und enharmonischen Tongeschlechtern sei in den Büchern des Jing erhalten geblieben. Bouvet und Leibniz waren fasziniert von dieser alten Überlieferung aus China, die sie für die vielleicht älteste der Welt hielten und von der sie sich auch eine Rekonstruktion der Musikgeschichte der Menschheit erhofften.

Ethik und Politik Kann also unbestritten ein lebhaftes Interesse von Leibniz für Musik konstatiert werden, so schließt sich daran die Frage an, welchen Stellenwert Leibniz der Musik beimaß. Die Frage lässt sich zunächst auf deren Bedeutung für das praktische Leben beantworten. Musik zählte Leibniz zu den sinnvollen Übungen, den „exercitia“, 7 Leibniz, „Drôle de Pensée“, touchant une nouvelle sorte de Representations […], September 1675, in: LAA IV, 1, N. 49, S. 562–568, hier: S. 563. 8 Joachim Bouvet an Charles Le Gobien S.J. für Leibniz, Peking, 8. November 1700, in: LAA I, 20, N. 329, S. 571–576, hier: S. 573.

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mit denen der Mensch Körper, Seele und Geist trainieren könne, um eine gute Lebensführung zu erreichen. „Die Music“, so schrieb Leibniz 1679, „kan man zu den exercitiis rechnen [.] Vors erste ist nöthig aus den noten ein lied singen und wiederumb ein bekandtes lied in noten sezen, und sich also deßen gedachtnüß erhalten können. Es were auch nöthig einige der angenehmsten air, samt den worthen in ein büchlein zusammen bringen, damit man sich und andere damit bey gelegenheit erlustigen oder erlustigen laßen könne. Die violin ist ein angenehmes und nicht so gar schwehres instrument, wiewohl es etwas in mißcredit und nicht so ansehnlich als die laute und harffe, so ist es doch annehmlich wenn es wohl gespielet wird, solte billig auff einer kleinen zierlichen geige gelernet werden.“9

Musikalische Ausbildung betrachtete Leibniz als elementaren Bestandteil der Erziehung. Im Oktober 1702 schrieb Leibniz an Kurfürstin Sophie, dass er für die Mädchenerziehung am Hofe vor allem den Gesang als sinnvoll erachte, und nannte sogleich den seiner Meinung nach entscheidenden Grund dafür. Denn die Musik sei eine wunderbare Beschäftigung, um die Seele erheben zu lassen als „imitation de cette harmonie universelle que Dieu a mise dans le monde.“10 Musikalische Harmonie als Nachahmung göttlicher Universalharmonie – hier fällt also bereits das zentrale Stichwort zur philosophischen Bedeutung von Musik bei Leibniz, auf die später noch zurückzukommen sein wird. Musik, so können wir sagen, hat also für Leibniz vor allem eine ethische und lebenspraktische Funktion. Doch damit nicht genug. Leibniz’ Beschäftigung mit Musik hat darüber hinaus ebenso eine musikästhetische und eine musikpolitische Dimension. Beides wird deutlich anhand des so genannten ersten Hamburgischen Theaterstreits, in den Leibniz direkt involviert gewesen war. Als im Januar 1678 am Hamburger Gänsemarkt das neu erbaute Opernhaus seine Türen öffnete, war zum ersten Mal in Deutschland ein Opernbetrieb errichtet worden, der sich dem direkten Zugriff durch die herrschende Obrigkeit entzogen hatte. Aus den Reihen der pietistischen Geistlichkeit regte sich Widerstand. Pastor Anton Reiser verdammte alle Arten des Schauspiels als Werke des Wahns und Erzeugnisse der Finsternis. Der von Reiser angegriffene Librettist Polycarp Marci, der das Textbuch zur Oper Vespasian geschrieben hatte, wandte sich 1681 an Leibniz. Dieser kam der Bitte Marcis um Unterstützung nach und antworte ihm mit einer Verteidigung von Singschauspielen und Opernaufführungen. Das Singschauspiel sei, so schrieb Leibniz zurück,

  9 Leibniz, Agenda [1679?], in: LAA IV, 3, N. 136, S. 901–902. 10 Leibniz an Kurfürstin Sophie [Berlin, Mitte Oktober 1702], in: LAA I, 21, N. 68, S. 87–88, hier: S. 87.

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„Auch der Zitherspieler wird verlacht, wenn er immer auf derselben Saite spielt.“

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„[…] ein sehr wohl erfundenes Mittel das menschliche gemüth aufs aller kräfftigste zu bewegen und zu rühren, dieweil darinn die nachdrückliche einfälle, die zierliche worth, die artige reimbindung, die herrliche music, die schöhnen gemelde und künstliche bewegungen zusammen kommen; und sowohl die innerliche als auch die beyden obern eüßerlichen Sinne, so dem gemüth vornehmlich dienen vergnüget werden.“11

Wenn Leibniz anschließend unter Verweis auf Passionshistorien ausführt, die Oper habe, so wörtlich, „ihren ursprung von der Kirchen Music genommen“,12 kann man annehmen, dass Leibniz hier vor allem aus politischen Gründen argumentiert, um der kirchlichen Kritik an der Oper den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sein Interesse an der Oper hielt an. In seinen Briefen kommt Leibniz immer wieder auf Opernaufführungen zu sprechen. Möglich ist auch, dass Steffani bei der Auswahl des Sujets für die erste hannoversche Oper von 1689, Henrico Leone, von Leibniz, der sich zu dieser Zeit mit Heinrich dem Löwen im Rahmen seines geplanten Geschichtswerkes zum Welfenhaus beschäftigte, beraten wurde.13 Und auch an der Eröffnung der Leipziger Oper im Jahre 1694 nahm Leibniz durch den Briefwechsel mit seinem Stiefbruder Johann Friedrich regen Anteil.14 Spricht Leibniz im Streit um die Hamburger Oper vom Zweck der Musik als Rührung und Bewegung des menschlichen Gemüts, dann lässt sich der Hannoveraner Universalgelehrte eindeutig dem seit der Antike vorherrschenden Verständnis von Musik als Erregung und Nachahmung von Affekten zuordnen – im Unterschied zum Verständnis von Musik als expressivem, gestalterischen Akt eines inneren Potenzials, das sich erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts herauszubilden beginnt.15 Jedoch werden wir am Schluss des Aufsatzes sehen, dass Leibniz sich mit seinem philosophischen Musikbegriff zugleich bereits von diesem klassischen Verständnis entfernte, dass dieser Begriff eine komplexere, differenziertere Vorstellung von Musik als bloße Mimesis von Affekten voraussetzte, die ihn in die Nähe von Musikmodellen rücken lassen, die zu modernen Subjektvorstellungen passen und noch für aktuelle Debatten anregend und diskusssionswürdig sind. Doch zuvor ein Blick auf Leibniz’ Ausführungen zur Musiktheorie.

11 Leibniz an Marci, 13./23. Januar 1682, in: LAA I, 3, N. 444, S. 513–514, hier: S. 513. 12 Ebd. 13 Siehe Colin Timms, Polymath of the Baroque. Agostino Steffani and His Music, New York 2003, S. 53–54 und 362–363. 14 Siehe z. B. LAA I, 10, N. 466, S. 673f. und I, 11, N. 135, S. 186f. 15 Siehe zu den beiden Musik-Modellen Jürgen Stolzenberg, „Seine Ichheit auch in der Musik heraustreiben.“ Formen expressiver Subjektivität in der Musik der Moderne, München 2011.

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„Natürliche“ Töne Es ist im 18. und 19. Jahrhundert oft bedauert worden, dass Leibniz sich nicht in einem zusammenhängenden Werk eingehend zur Theorie von Musik geäußert hat. Wir sind daher auf verstreute Äußerungen angewiesen, die zusammengenommen zeigen, dass Leibniz bemüht war, auch auf diesem Wissensgebiet einen eigenen Beitrag zu leisten. So hat sich Leibniz beispielsweise – das belegen die einschlägigen musikhistorischen Forschungen von Rudolf Haase, Andrea Luppi, Patrice ­Bailhache, Giorgio Erle und Walter Bühler – intensiv mit den zeitgenössischen Diskussionen um Fragen der musikalischen Temperatur befasst.16 Nachweisen läßt sich diese Beschäftigung vor allem im Briefwechsel mit dem Mathematiker und Musiktheoretiker Conrad Henfling seit 1707. Leibniz sorgte schließlich dafür, dass ­Henflings Intervallsystem 1710 in den „Miscellanea Berolinensia“ publiziert wurde.17 Während die gerade erwähnten Musikhistoriker unterschiedlicher Auffassung darüber sind, inwieweit Leibniz noch der Tradition eines pythagoreisch-harmonikalen Denkens verhaftet war, herrscht Einigkeit darüber, dass Leibniz zwar einerseits das so genannte „natürliche Tonsystem“ mathematisch-naturwissenschaftlich zu untermauern suchte, andererseits aber bereits erkannt hatte, dass die Zukunft dem wesentlich einfacheren gleichmäßigen Zwölfersystem, also der gleichschwebenden Temperatur, gehörte, weil es bei der Instrumentenstimmung durch die geringfügige Abweichung von der akustischen Reinheit die Möglichkeit schuf, möglichst viele Tonarten spielbar zu machen.

Klang, Geräusche und Gehör Einer wissenschaftlichen Analyse von Musik, diese Ansicht vertritt Leibniz schon seit seiner Zeit in Paris, musste eine physikalische Untersuchung dessen, was Geräusche und Klänge sind und wodurch sie verursacht werden, vorausgehen. Im Briefwechsel mit dem Physiologen und Helmstedter Medizinprofessor Günther Christoph Schelhammer geht Leibniz 1681 detailliert diesen Fragen nach. Schelhammers Mitteilung, 16 Giorgio Erle, „Trägheit und circulation harmonica. Formen der Subjektivität im ‚Tentamen‘ von 1689 und in der ‚Theodizee‘“, in: Natur und Subjekt. IX. Internationaler Leibniz-Kongress (26.9.–1.10.2011), hrsg. von Herbert Breger u. a., Hannover 2011, Tl. 1, S. 292–299; Walter Bühler, „Musikalische Skalen und Intervalle bei Leibniz unter Einbeziehung bisher nicht veröffentlichter Texte“, Tl. 1, in: Studia Leibnitiana 42/2 (2010), S. 129–161; sowie Tl. 2, in: ebd. 44 (2012), S. 134–165; Patrice Bailhache, Leibniz et la théorie de musique, Paris 1992; Andrea Luppi, Lo specchio dell’armonia universale. Estetica e musica in Leibniz, Mailand 1989; Rudolf Haase, Der Briefwechsel zwischen Leibniz und Conrad Henfling. Ein Beitrag zur Musiktheorie des 17. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1982. 17 Conrad Henfling, „Epistola de suo novo systemate intervallorum“, in: Miscellanea Berolinensia 1 (1710), S. 265–294.

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dass er an einem Buch über das Gehör arbeite, nutzt Leibniz als Gelegenheit, um ausführlich seine Gedanken zur Akustik zu entwickeln.18 Er unterstreicht dabei den Gedanken der Elastizität der Luft, mittels derer die Tonhöhe so exakt wie möglich fortgepflanzt werden könne. Die Entstehung des Schalls führt Leibniz auf die Schwingung eines Körpers zurück, der, durch einen Stoß in Bewegung gebracht, danach in seine urprüngliche Lage wieder zurückschwinge. Leibniz teilt mit Schelhammer die in dessen Buch De auditu liber unus (Leiden 1680) geäußerte Auffassung, dass der Klang urprünglich auf vibrierende Körper zurückgehe und sich elastisch auf andere Körper übertrage, wobei Ohr und vibrierender Körper miteinander – in homotoner Isochronie – schwingen würden. Dabei geht Leibniz noch über Schelhammers Thesen hinaus, indem er behauptet, dass Ohren Vibrationen nicht nur aufnehmen, sondern sie zugleich auch perzeptiv ausdrücken würden, was Leibniz zufolge nicht nur rein physikalisch (bzw. anatomisch) erklärt werden könne, da eine umfassende, vollständige Theorie des Klanges ebenfalls metaphysische Erörterungen erfordere, weil die Wahrnehmung von Klang das parallele Verhältnis von Körper und Seele miteinschließe. Dabei ist zu beachten, dass Perzeption für Leibniz nicht einfach mit Wahrnehmung gleichzusetzen ist, vielmehr bezeichnet der Begriff Perzeption den Zustand (einer Monade), was dem Umstand entspricht, dass in der Leibniz’schen Auffassung Vibration nicht nur ein Zustand des den Klang verursachenden Körpers ist, sondern ebenso dem Zustand des den Klang rezipierenden Gehörs zukommt. Obwohl Leibniz dabei indirekt auf seine philosophische Perzeptionstheorie und seinen psychophysischen Parallelismus verweist, sucht man eine eigentliche Diskussion der Metaphysik des Klanges in seinen Briefen und Schriften vergeblich. Ebenso bleibt uns Leibniz eine Erklärung schuldig, auf welche Weise eigentlich Musik aus solchen Klängen und Geräusche entstehe und worin sich musikalische Klänge und Geräusche von nichtmusikalischen unterschieden.

Universalharmonie und Musikmetaphorik Wendet man sich der Frage nach der Bedeutung von Musik in der Philosophie von Leibniz zu, kommt einem sofort die zentrale Bedeutung des Harmonie-Begriffs in den Sinn, welcher der Leibniz’schen Metaphysik von der besten aller möglichen Welten offenkundig zugrundeliegt. Spricht Leibniz von prästabilierter Harmonie oder einer Universalharmonie, so scheint die Vermutung naheliegend, dass im philosophischen Harmonie-Begriff auch der musikalische Begriff von Harmonie eine Rolle spielen muss. Doch wie weit reicht der Bezug zwischen Musik und Philo-

18 Siehe LAA III, 3, N. 182, N. 206 und N. 311.

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sophie? Dient der Verweis auf musikalische Harmonie nur als oberflächliche Veranschaulichung von philosophischer Harmonie? Oder führt die Versinnbildlichung der Leibniz’schen Weltauffassung durch Musik doch noch weiter, ja, womöglich sogar tief hinein in den Kernbereich der Leibniz’schen Philosophie selbst? Wenn Leibniz von einer universalen Harmonie spricht, scheint der Rekurs auf Musik als Metapher, um den Begriff der harmonia universalis zu erläutern, nahe liegend. Rufen wir uns dazu noch einmal Leibniz’ Ausführungen zur besten aller möglichen Welten in Erinnerung: Nach der mundus optimus-These von Leibniz gibt es eine unendliche Anzahl möglicher Welten.19 Unter diesen gleichermaßen zur Existenz drängenden Welten hat Gott die beste ausgewählt.20 Dabei sichern die drei göttlichen Prädikate die Existenz des Besten: Gott erkennt in seiner Weisheit die vollkommene Welt, seine Güte wählt diese aus, und seine Allmacht bringt diese zur Existenz.21 Hierbei ist Gott jedoch an das Gebot der inneren Angemessenheit gebunden. Denn nicht jede denkbar mögliche Welt ist auch eine wirklich mögliche Welt. Sie ist es nur, wenn sie in sich stimmig ist, ihre Teile miteinander vereinbar, kompossibel, sind.22 Der mundus optimus besteht dabei aus nichts anderem als aus unendlich vielen einfachen und unteilbaren Substanzen, die Leibniz als Monaden bezeichnet.23 Obgleich keine Monade aufgrund ihrer jeweiligen „Fensterlosigkeit“24 mit einer anderen in direktem Kontakt steht, besteht eine von Gott zu Beginn der Schöpfung eingerichtete universale Harmonie zwischen ihnen. Dies nennt Leibniz die prästabilierte Harmonie. Als eine Sonderform derselben kennzeichnet er das

19 Siehe zum Folgenden auch Heinrich Schepers, Leibniz. Wege zu einer reifen Metaphysik, Berlin 2014, S. 18–41; Donald Rutherford, Leibniz and the rational order of nature, Cambridge 1995; Alexander Wiehart-Howaldt, Essenz. Zur Rationalität und dem systematischen Ort der Leibnizschen Theologia Naturalis (= Studia Leibnitiana Sonderheft 25), Stuttgart 1996; La Notion de Nature chez Leibniz (= Studia Leibnitiana Sonderheft 24), hrsg. von Martine de Gaudemar, Stuttgart 1995. Aus der älteren Literatur seien hier hervorgehoben: Aron Gurwitsch, Leibniz. Philosophie des Panlogismus, Berlin/New York 1974, S. 454–484; Wolfgang Janke, „Theodizee oder über die Freiheit des Individuums und das Verhängnis der Welt“, in: Philosophische Perspektiven 5 (1973), S. 57–77; Albert Heinekamp, Das Problem des Guten bei Leibniz (= Kantstudien Ergänzungshefte 98), Bonn 1969; Herbert Herring, „Über den Weltbegriff bei Leibniz“, in: Kant-Studien 57 (1966), S. 142–154; und Morris Stockhammer, „Leibnizens Theodizee“, in: Kant-Studien 51 (1959/60), S. 322–337. 20 Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie (1714). Französisch / Deutsch, übers. u. hrsg. von Hartmut Hecht, Stuttgart 1998, §§ 53–54, S. 41. 21 Ebd., § 55, S. 41. 22 Ebd., § 54, S. 41. 23 Ders., Die Theodizee von der Güte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des Übels (1710), 2 Bde., Französisch / Deutsch, übers. und hrsg. von Herbert Herring, Darmstadt 1985, Tl. 2, § 119, in: Bd. 1, S. 385–393; und ders., Monadologie (wie Anm. 20), § 54, S. 41. 24 Leibniz, Monadologie (wie Anm. 20), § 7, S. 13: „Die Monaden haben keine Fenster, durch die irgend etwas ein- oder austreten könnte.“

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Verhältnis von Körper und Seele, das er mit zwei voneinander unabhängigen, aber absolut gleichgehenden Uhren vergleicht.25 In der besten aller möglichen Welten richtet sich das Gute auf das Gute im Ganzen der Welt. Daraus folgt, dass Gott auch das Übel – im Falle nämlich, dass nur dieses kompossibel ist – hinnehmen muss.26 Wie aber rechtfertigen sich die Übel in der Welt angesichts der Allmacht, Weisheit und Güte Gottes? Bekanntlich hat Leibniz im Rahmen seiner Lösung des Theodizee-Problems – und hier stoßen wir auf die zentrale Verwendung eines Musik-Begriffes als Harmonie-Metapher – die Übel der Welt teleologisiert, d. h. für zweckmäßig erklärt, weil durch sie das eigentlich Gute und Erwünschte hervorgebracht werde. Gäbe es keine Übel auf der Welt, so wäre alles gleich und eintönig. Eine zu große Ausgeglichenheit in der Welt würde nur, so formuliert Leibniz 1710 in der Theodizee, „gegen die Regeln der Harmonie verstoßen. Auch der Zitherspieler wird verlacht, wenn er immer auf derselben Saite spielt [Et citharoedus ridetur chorda qui semper oberrat eadem].“27 So wie die Harmonie erst durch richtig platzierte Dissonanzen hervorgehoben werde, so sei auch die Unvollkommenheit im Einzelnen notwendig für die Vollkommenheit im Ganzen.28 Malerei und Musik dienen Leibniz immer wieder als Beispiel, um seine Vorstellung von universaler Harmonie zu veranschaulichen. In der „Confessio philosophi“ von 1673 führt er aus, es gehöre zum Wesen der am besten ausgewählten Harmonie, dass – so heißt es in deutscher Übersetzung – „ein äußerst verworrenes Durcheinander gleichsam unverhofft in eine Ordnung gebracht wird, Malerei sich durch Schatten abhebt, die aus Dissonanzen sich zusammensetzende Harmonie die Dissonanzen zu einem Einklang ausgleicht […].“29 Leibniz vergleicht die im Universum bestehenden Unzulänglichkeiten mit Dissonanzen in einer musikalischen Komposition, die durch diese erst vervollkommnet werde.

25 Siehe auch mit weiterführenden Quellenangaben Michael Kempe, Wissenschaft, Theologie, Aufklärung. Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733) und die Sintfluttheorie, Epfendorf (bei Tübingen) 2003, S. 244–249. 26 Siehe ebenso Michael Latzer, „Leibniz’s Conception of Evil“, in: Journal of the History of Ideas 55 (1994), S. 1–15. 27 Leibniz, Theodizee (wie Anm. 23), Tl. 2, § 211, in: Bd. 1, S. 579–581; deutsche Übersetzung des lateinischen Originals von Horaz in Anm. 290, S. 658. Siehe hierzu Horaz, De arte poetica, Zeile 355f. 28 Ebd., Tl. 1, § 12, in: Bd. 1, S. 225. 29 Gottfried Wilhelm Leibniz, Confessio philosophi. Ein Dialog, übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Otto Saame, Frankfurt am Main 1967, S. 61.

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Konsonanz und Dissonanz Indem Leibniz Harmonie als Einheit in der Vielheit definiert und einheitliche Vielfalt von ihm als Zusammenschluss von Verschiedenheiten und Differenzen verstanden wird,30 gewinnt der Begriff der musikalischen Dissonanz eine besondere Bedeutung. Unterschieden werden zwei mögliche Relationen zwischen Tönen: erstens ein Verhältnis der Konsonanz, das zwischen kommensurablen Tönen herrsche, und zweitens das Verhältnis der Dissonanz, welches zwischen inkommensurablen Töne hervortrete.31 Zugleich wird Dissonanz keineswegs gefasst als Abwesenheit von Harmonie, sondern als inhärenter Teil derselben, die ein geordnetes Zusammenspiel von Konsonanzen und Dissonanzen bilde. Bestünde eine Melodie nur aus konsonanten Klängen, wäre sie wenig ansprechend, ja geradezu langweilig. Erst durch das Hinzutreten von Dissonanzen formen sich Wohlklänge, wenn sie mit diesen in ein ausgewogenes Verhältnis treten, zu einer musikalischen Harmonie. Je mehr Dissonanzen in einer Komposition mit Konsonanzen in Einklang gebracht würden (im Sinne der Einheit der Vielheit), desto größer sei die Harmonie, die der Zuhörer wahrnehme, und das Vergnügen, welches der Hörer empfinde.32 Nichts weniger als eine philosophische Rehabilitation von Dissonanz – das ist musikgeschichtlich äußerst bemerkenswert – als integraler, ja unverzichtbarer Bestandteil musikalischer Harmonie lässt sich hier beobachten.

Unbewusstes und Unschärfe Die Leibniz’sche Musikmetaphorik gipfelt schließlich in der Versinnbildlichung seiner Theorie der prästabilierten Harmonie zwischen Körper und Seele in einer großartigen Passage, die es wert ist, hier in deutscher Übersetzung in voller Länge anzuführen: „Um mich schließlich […] eines Vergleiches zu bedienen, so würde ich folgendes sagen: Es verhält sich damit etwa wie mit mehreren Musikergruppen oder Chören, die voneinander getrennt ihre Partien spielen [bzw. singen] und die so plaziert sind, daß sie einander nicht sehen, ja nicht einmal hören können, die aber nichtsdestotrotz, indem sie ihren Noten folgen, ein jeder den seinen, imstande sind, sich so vollkommen aufeinander abzustimmen, daß derjenige, der ihnen allen zusammen zuhört, darin eine wunderbare und viel überraschendere Harmonie feststellt, als wenn es eine Verknüpfung unter ihnen 30 Siehe auch Hans Poser, Leibniz’ Philosophie. Über die Einheit von Metaphysik und Wissenschaft, Hamburg 2016, S. 272–279. 31 Siehe ebenso Lorenzo Vitale, „Music in Leibniz’s Metaphysics“, in: „Für unser Glück oder das Glück anderer“. Vorträge des X. Internationalen Leibniz-Kongresses, hrsg. von Wenchao Li u. a., Hildesheim u. a. 2016, Bd. V, S. 301–313, hier: S. 307–308. 32 Siehe ebd., S. 308.

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gäbe. Es könnte sogar vorkommen, daß jemand, der sich auf der Seite des einen dieser beiden Chöre befände, von dem einen ausgehend schließen würde, was der andere täte. Das nun könnte ihm so zur Gewohnheit werden (insbesondere wenn man annimmt, er könne den seinen hören, ohne ihn zu sehen, und den anderen sehen, aber ohne ihn zu hören), daß er mit Unterstützung seiner Einbildungskraft nicht mehr an den Chor dächte, bei dem er steht, sondern an den anderen, oder den seinen nur für das Echo des anderen hielte und diesem, den er vor sich hat, nur gewisse Zwischenspiele zuschriebe, bei denen symphonische Regeln, durch die er den anderen beurteilte, nicht in Erscheinung träten, oder daß er dem seinen gewisse musikalische Bewegungen zuschriebe, die er seinerseits nach gewissen Plänen machen läßt, welche er von den anderen nachgeahmt glaubte aufgrund der Beziehung zu dem, das er in der Folge der Melodie feststellte, denn er weiß nicht, daß die von der anderen Seite dabei auch Entsprechendes gemäß ihren eigenen Plänen machen.“33

Doch bei Leibniz ist die Musik mehr als ein bloßer Vergleich, mehr als eine reine Metapher, sie ist selbst Ausdruck realer Verhältnisse göttlicher Ordnung und Vollkommenheit, die im Menschen Glück und Wohlbefinden hervorrufen. Leibniz zählt sie zu den angenehmen Dingen, deren Vollkommenheit wir nicht durch den Verstand, sondern durch das Gemüt empfänden. Die „schläge auff der trummel“, „der tact und die cadenz im danzen“, schreibt Leibniz, „die zitternden oder bebenden seiten, pfeiffen oder klocken“, welche die Luft in „gleichmäßige regung“ brächten, erzeugten „vermittels des gehörs einen mitstimmenden wiederhall“, „nach welchem sich auch unsere lebensgeister“ regten.34 Vom Menschen erzeugt, ist die Musik zugleich Teil der göttlichen Schöpfung und die Freude daran, führt Leibniz aus, „eine lust so die Seele an ihr selbst empfindet.“35 So wie fast nichts den „menschlichen Sinnen“ angenehmer ist, heißt es an anderer Stelle, „als die Einstimmung der Musick, so ist nichts dem verstand angenehmer als die wunderbare einstimmung der Natur, davon die Musick nur ein vorgeschmack und eine kleine Probe.“36 Ist Musik für Leibniz nicht nur die bildhafte Übertragung einer Seinsmetaphysik der Harmonie, sondern ihrerseits bereits Bestandteil einer gottgewollten harmonischen Weltverfassung, dann schließt sich daran die Frage an, in welchen Zusammenhang musikalische und metaphysische Harmonie bei Leibniz gestellt wurden. Um sich dieser Frage zu nähern, lohnt es sich, einen Blick auf eine moderne Interpretation des Leibniz’schen Musikverständnisses zu werfen, die der französische Philosoph Gilles Deleuze entfaltet hat. Deleuze deutet diesen Zusammenhang als ein Ver33 Leibniz an Antoine Arnauld, 30. April 1687, in: Gottfried Wilhelm Leibniz. Philosophische Schriften und Briefe 1683–1687, hrsg. von Ursula Goldenbaum, Berlin 1992, S. 313–329, hier: S. 319–320. 34 Gottfried Wilhelm Leibniz, „Initia et Specimina novae Generalis pro Instauratione et Augmentis Scientiarum ad publicam felicitatem (um 1680)“, in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, Bd. VII, hrsg. von Carl Immanuel Gerhardt, Berlin 1890, S. 86–87. 35 Ebd., S. 86. 36 Ebd., S. 122.

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hältnis struktureller Analogie zwischen Barockmusik und Monadentheorie, und zwar in doppelter Begrifflichkeit: zum einen in Bezug auf Spontaneität – Deleuze verweist hier auf Leibniz’ Diktum von der Seele, die von selbst singe; zum anderen hinsichtlich einer Konzertierung, wonach zwei Monaden sängen, ohne einander zu kennen, dabei jedoch vollkommen zusammenstimmten. Deleuze zufolge fügen sich die zwei Aspekte der Harmonie vollkommen ineinander: „Die Spontaneität ist die Hervorbringung innerer Zusammenklänge auf der absoluten Oberfläche jeder Monade. Die Konzertierung ist die Entsprechung, nach der es in einer Monade keinen vollkommenen Zusammenklang in Dur gibt, ohne daß es einen dissonanten oder einen Zusammenklang in Moll in einer anderen gibt, und umgekehrt. Alle Kombinationen sind möglich, ohne daß es in zwei Monaden jemals denselben Zusammenklang gibt: Jede Monade bringt ihre Zusammenklänge spontan hervor, allerdings in Entsprechung mit denen der anderen. Die Spontaneität ist die Anwendung des innerlichen oder zureichenden Grundes auf die Monade. Und die Konzertierung ist die Anwendung desselben Grundes auf die raum-zeitlichen Verhältnisse, die sich aus den Monaden ergeben: Wenn die Raum-Zeit kein leeres Milieu ist, sondern die Ordnung der Koexistenz und der Abfolge der Monaden selbst, dann muß diese Ordnung eine gezielte, orientierte, vektorisierte sein, und man muß in jedem Fall von der relativ klareren Monade zur relativ weniger klaren Monade gehen oder vom vollkommeneren Zusammenklang zum weniger vollkommenen, denn das Klarere oder Vollkommenere ist der Grund selbst.“37

Die wiedergegeben Worte lassen unschwer erkennen, dass es sich hier nicht mehr nur um einen bloßen historischen Rekonstruktionsversuch der Gedanken von Leibniz handelt, sondern bereits um eine Vermischung dieser Gedanken mit Deleuze’ eigenen musikphilosophischen Ansichten. Dass Leibniz’ Musikauffassung auch gegenwärtig noch philosophisch diskussionswürdig and anregend ist, wird noch an einem weiteren Aspekt deutlich. Wie oben gesehen, setzt Leibniz dem Geist seiner Zeit entsprechend an einer Affektentheorie der Musikwahrnehmung an.38 Im Gegensatz aber zu René Descartes und anderen Anhängern eines mechanistischen Menschenbildes geht Leibniz nicht von einer einfachen Stimulierung dieser Affekte durch Musik in Form einer Anregung subtiler, sich schnell bewegender Materieteilchen aus. Vielmehr erweitert er die herkömmliche Affektenlehre um eine neuartige Analyse der musikalischen Wahrnehmung. Wenn die musikalische Botschaft den Bereich der physikalischen Sphäre (Luft, Gehör, Gehirn) durchlaufen hat, wird sie Leibniz zufolge in der Seele verarbeitet, und zwar zuerst von den „petites perceptions“, den kleinen Perzeptionen, die den unbewussten Seelenteil ausmachen. Expliziert wird dieser Gedanke vom Zusammenspiel der kleinen Per37 Gilles Deleuze, Die Falte. Leibniz und der Barock, Paris 1988, Übs. von Ulrich Johannes Schneider, Frankfurt am Main 1995, S. 220 (Hervorhebung im Original). 38 Vgl. dazu den Beitrag von Stephen Rose im vorliegenden Band, bes. S. 258–261 (Matthesons Affekten­theorie).

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zeptionen anhand einer Akustiktheorie des Meeresrauschens, die heute vor allem als berühmte frühe Thematisierung des Unbewussten gelesen wird: „Um diese kleinen Perzeptionen, die wir in der Menge nicht unterscheiden können, noch besser zu erfassen, bediene ich mich gewöhnlich des Beispiels vom Getöse oder Geräusch des Meeres, welches man vom Ufer aus vernimmt. Um dieses Geräusch, wie tatsächlich geschieht, zu hören, muß man sicherlich die Teile, aus denen sich das Ganze zusammensetzt, d. h. das Geräusch einer jeden Welle hören, obgleich jedes dieser geringen Geräusche nur in der verworrenen Gemeinschaft mit allen übrigen zusammen, d. h. eben im Meeresbrausen selbst, erfaßbar ist, und man es nicht bemerken würde, wenn die Welle, von der es herrührt, die einzige wäre. Denn die Bewegung dieser Welle muß doch auf uns irgendeinen Eindruck machen und jedes Einzelgeräusch muß, so gering es auch sein mag, von uns irgendwie aufgefaßt werden, sonst würde man auch von hunderttausend Wellen keinen Eindruck haben, da hunderttausend Nichtse zusammen nicht Etwas ausmachen.“39

Wozu diese destinkten, aber irreduzibel verworrenen Perzeptionen imstande seien, dazu zählte Leibniz auch das Auswendigkönnen eines Cembalokonzertes, das wir performativ darbieten, aber nicht erklären könnten. Leibniz verbindet nun seine Überlegungen zu den unbewussten Perzeptionen mit der an der Mathematik orientierten Aussage einer unbewusst zählenden Seele und kommt damit zu seiner bekannten Definition von Musik, die er in einem Brief an Christian Goldbach vom 17. April 1712 auf die prägnante Formel bringt: „Musica est exercitium arithmeticae occultum nescientis se numerare animae“40: Musik ist eine verborgene arithmetische Tätigkeit der Seele, die dabei nicht weiß, dass sie zählt. In einer frühen Fassung lautete diese Definition: Musik ist eine unmerkliche Berechnung, die wir machen, ohne es zu wissen: „Musica est computus insensibilis quem facimus nescientes.“ Und noch einmal heißt es in den „Principes de la nature et de la grâce“ von 1714: „Die Musik gefällt uns, obwohl ihre Schönheit nur in Übereinstimmungen von Zahlen und im Abzählen von Takten oder Schwingungen der tönenden Körper besteht, die sich in gewissen Intervallen folgen; welches Zählen uns nicht bewußt wird, ohne daß die Seele es doch unterlassen kann.“41

Der Vorgang des Zählens verweist darauf, dass für Leibniz das Vergnügen, das wir beim Musizieren und beim Hören von Musik empfinden, untrennbar mit Ordnung, Ebenmaß und Proportion verbunden ist und uns Musik (neben Malerei) als Probe 39 Gottfried Wilhelm Leibniz, Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand (Nouveaux Essais sur l’entendement humain, 1765), übersetzt, eingeleitet und erläutert von Ernst Cassirer (1915), Hamburg 1971, Vorrede, S. 11. 40 Gottfried Wilhelm Leibniz, Opera mathematica (= Opera omnia Bd. 3), hrsg. von Louis Dutens, Genf 1768 (Nachdruck Hildesheim 1989), S. 437–438. 41 Gottfried Wilhelm Leibniz, „Prinzipien der Natur und Gnade (1714)“, § 17, in: Gottfried Wilhelm Leibniz. Kleine Schriften zur Metaphysik (= Philosophische Schriften Bd. 1), hrsg. und übersetzt von Hans Heinz Holz, Frankfurt am Main 1996, S. 414–438, hier: S. 437.

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der göttlichen Ordnung und Harmonie zu gelten habe.42 Zugleich gehört das Empfinden musikalischer Harmonie zum Bereich sinnlicher Wahrnehmung unterhalb der Ebene von Bewusstsein und Reflexion („Apperzeption“ in der Terminologie von Leibniz), wobei die kleinen Perzeptionen eine Schlüsselrolle spielen. Wer erklären möchte, was Musik ist und was sie beim Menschen auslöst, darf diese Erklärung nicht auf den Bereich bewusster Wahrnehmung beschränken. Dieser von Leibniz präsentierte Deutungsansatz von Musik, der auch das Unbewusste mit einbezieht, öffnet sich damit gleichsam Argumentationsmustern, die wir heute im Bereich der Psychologie verorten würden. Hinzu kommt, dass Leibniz dieses dem Bewusstsein verborgene Zählen als unmittelbares Erfassen einfacher musikalischer Schwingungsverhältnisse deutet, das im Bewusstsein nicht nur mit einem Affekt verbunden wird, sondern mit einer gewissen Unschärfe der Klangwahrnehmung erfolgt. Die Relevanz der kleinen Perzeptionen bei der sinnlichen Wahrnehmung verdeutlicht, warum musikalische Intervalle stets bloß mit einer gewissen Unschärfe wahrgenommen und registriert werden können. Und mit dieser Unschärfe lässt sich kein einfaches Wirkungsverhältnis beschreiben, wenn zum Beispiel der Cembalo spielende Körper ausdrückt, was in der Seele geschieht. Mit dieser ausdrücklichen Bezugnahme von Unbewusstheit auf die Ausübung und Wahrnehmung von Musik, die unterschiedlich klare bzw. verworrene Empfindungen zulassen, erscheint uns Leibniz unerhört modern, da er auf überraschend differenzierte Weise zu explizieren versucht, wie komplex das Verhältnis zwischen Außenwelt, Körper, Seele und Geist auch für die Musik gedacht werden muss. So erweisen sich beispielsweise Leibniz’ Einlassungen zum musikalischen Begriff der Harmonie als inspirierend für Ambitionen der „Neuen Musik“ (im Rahmen eines internationalen Kompositionswettbewerbs).43 Isomorphe Homotonie zwischen Körper, Schwingung und Gehör, Apologie der Dissonanz sowie unbewusstes Empfinden und unscharfe Wahrnehmung, so kann resümiert werden, lassen sich als drei zentrale Momente Leibniz’scher Musikreflexion festhalten, die ungebrochen innovativ scheinen und auch für heutige Diskussionen zur Frage, was Musik ist und warum sie den Menschen erfreut, ungemein stimulierend wirken können.

42 Siehe auch Leibniz, Theodizee (wie Anm. 23), Vorwort, S. 9. 43 Stephan Meier, „Leibniz’ Harmonien“, in: „Für unser Glück oder das Glück anderer“ (wie Anm. 31), Bd. V, S. 292–300.

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The Contest of Reason versus the Senses: Steffani’s Quanta certezza and German Musical Thought

In the decades around 1700 a debate raged in German-speaking lands about whether music was ruled by reason or the senses. In his Musicalische Discurse (written in 1690), Johann Beer explained that whether music was judged more by rules or by the ear was one of the greatest questions aired among musicians: ‘In general one calls those who follow rules fundamentalists, but those who seek to content the listener are ear-ticklers’.1 The older view, upheld by Andreas Werckmeister among others, was that music was an unchanging art, ordained by God and echoing the harmonies of heaven; its powers derived from the arithmetic proportions of intervals and could be summarised in contrapuntal rules. The newer view, upheld by figures such as Beer and Johann David Heinichen, was that music was a relativistic art that appealed to the ear and hence should be updated as human tastes changed. The debate whether reason or the senses should be arbiters of musical judgement dated back to the dispute between Pythagoras and Aristoxenus. Around 1700 this argument resumed with particular intensity, partly because of anxieties among German musicians caused by the rise of opera and of church music in a theatrical style. Underlying the debate were changing philosophical currents, as an older attitude of deference to intellectual authority was increasingly challenged by empiricists who followed the evidence of their senses. In Lutheran lands the contest of reason versus the senses reached a climax in the polemic between the Hamburg writer Johann Mattheson, who advocated an empiricist response to music, and the Erfurt organist Johann Heinrich Buttstett, who defended older views of music as a mathematical art. Steffani contributed to this ongoing debate in 1695 with his treatise Quanta certezza habbia da suoi principii la musica et in qual pregio fosse perciò presso gli Antichi (‘How much certainty does music have from its principles and how highly

1 ‘[…] Insgemein heisset man diese / die nach denen Grundlagen oder Reguln gehen / fundamentalisten / die aber das Gehör zu contentiren suchen / Ohren-Kützler’: Johann Beer, Musicalische Discurse, Nuremberg 1719, pp. 32–33. The work was published posthumously. According to his manuscript autobiography, Beer wrote it in November 1690: see Johann Beer, Sein Leben, von ihm selbst erzählt, ed. Adolf Schmiedecke, Göttingen 1965, p. 31.

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was it valued, for this reason, amongst the Ancients’). Here Steffani argued that music was a mathematical science that moved the emotions through its numerical basis. Although the treatise is highly speculative, it had a significant influence on German musical thought of the early eighteenth century. At the Hanover court, the composer’s concerns with universal harmony and the affective power of music were echoed in the views of the court librarian, Gottfried Wilhelm Leibniz.2 More widely, Steffani’s treatise was made available to German speakers through a 1699 translation by Werckmeister, and it was cited extensively by Mattheson and Buttstett to support their opposing views of music. This essay analyses the main arguments of Steffani’s treatise, placing them in their intellectual context and showing how they were appropriated by German musicians ranging from Werckmeister to Mattheson. Quanta certezza achieved its high profile not only because its arguments resonated with the preoccupations of musicians in the early eighteenth century, but also because of Steffani’s status as an ecclesiastical and musical authority.

Steffani’s Quanta certezza Steffani’s Quanta certezza is a slim duodecimo volume, published in Amsterdam in 1695 (Fig. 1).3 According to the preliminaries, it was written in response to a letter by ‘S[igno]r March[es]e. A. G.’, who asked whether music was a science and whether it had stronger powers in ancient times than in the present day. Colin Timms has suggested that ‘A. G.’ may be identified as Marquis Angelo Gabrielli,4 whose letters to Steffani between 1713 and 1718 survive.5 The preliminary page of the treatise states that Steffani discussed this proposition at an ‘assemblea’ in Hanover in September 1694. Possibly this was an informal academy held at the court, reflecting the atmosphere of intellectual enquiry fostered by Electress Sophie and courtiers such as Leibniz. The publication of the treatise in Amsterdam presumably resulted from Steffani’s presence in the Low Countries during his posting (from 1693) as envoy to the Brussels court of Maximilian II Emanuel of Bavaria. The treatise discusses music via the method of Aristotelian scientific reasoning as taught in many European universities until the late seventeenth century. For Aristotelians, ‘science’ did not denote modern scientific enquiry; instead, it indicated certain or infallible knowledge, as opposed to conjecture. An Aristotelian scientific 2 See the essay by Michael Kempe in this volume, pp. 235–248. 3 A modern edition on CD-ROM, by Michele Geremia, was published by Diastema (Treviso) in 2011: see www.diastemastudiericerche.org. 4 Colin Timms, Polymath of the Baroque: Agostino Steffani and His Music, New York 2003, p. 62. 5 Michael F. Feldkamp, ‘Der Nachlass des Komponisten, Diplomaten und Bischofs Agostino Steffani (1654–1728) im Archiv der Propaganda Fide’, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 72 (1992), pp. 230–313, here: p. 265.

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Fig. 1: Steffani, Quanta certezza, Amsterdam 1695, title-page (with signature of Alfred Einstein). London, British Library, Hirsch IV.1545. By permission of the British Library Board.

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demonstration typically proceeded via a syllogism, in which a general statement was combined with a specific statement in order to deduce a conclusion.6 Steffani adhered closely to this method, structuring his main argument as a syllogism and citing many classical and early Christian authorities such as Aristotle, Aristoxenus, Augustine, Euclid, Galen, Plutarch, Boethius and Thomas Aquinas. He quoted the Greek authors in Latin, implying that he consulted them via intermediary texts such as the writings of Renaissance Aristotelians. Even the title of the treatise, with its reference to ‘certainty’ (certezza) about music, indicates an Aristotelian search for non-conjectural knowledge. In response to his interlocutor’s challenge as to whether music is a science, Stef­ fani answered with Aristotle’s definition of science as infallible, non-contestable knowledge: ‘We have scientific knowledge of a thing only when we know its cause, for the sake of which a thing is so and cannot be otherwise’.7 Steffani then subdivided ‘science’ into various categories such as actualis, habitualis, practica, speculativa, totalis, particularis, separata and subalternans. He attributed this taxonomy to Aristotle’s Ethics, but no such statement can be found in Aristotle’s Nicomachean Ethics or Eudemian Ethics; it may derive instead from medieval or Renaissance discussions of the nature of science. (Later he quoted Aristoxenus and Aristotle to claim that music is a subaltern branch of mathematics, because it follows the same principles.8) Switching to the second part of his syllogistic argument, Steffani addressed his interlocutor’s enquiry: ‘What is it that pleases or displeases the listener in the music he hears?’9 Explaining that harmony causes a listener’s emotional reactions, Steffani stated that ‘music is ordained to move, heighten, modify and quell the passions of the soul […] through the power of harmony’.10 After explaining harmony in general terms as the combination of musical tones to create intervals, he expounded at length on the properties of intervals. He quoted Euclid’s views on motion as the physical cause of sounds,11 noted that the proportions of intervals indicate that ‘all principles of music are taken from those of arithmetic as its subalternating [science]’,12 and

  6 On the characteristics of Aristotelian science, see William A. Wallace, Galileo and his Sources: The Heritage of the Collegio Romano in Galileo’s Science, Princeton 1984, pp. 99–148.   7 ‘Cognitio rei per causam, propter quam ita Res est, ut non possit aliter se habere’: Steffani, Quanta certezza habbia da suoi principii la musica et in qual pregio fosse perciò presso gli Antichi, Amsterdam 1695, p. 6, quoting Latin version of Aristotle, Posterior Analytics I.71b. 10–12.  8 Steffani, Quanta certezza (as n. 7), pp. 24–26.   9 ‘Che cosa sia quella, che piace, ò che non piace nella Musica, che si ode?’: ibid., p. 9. 10 ‘La Musica dunque è ordinata à muovere, à corregere, à cangiare, à sedare le Passioni dell’Animo […] Per forza dell’Harmonia’: ibid., p. 10. 11 Ibid., pp. 18–19. 12 ‘Tutti i Principii della Musica sono presi da quelli dell’Aritmetica sua Subalternante’: ibid., pp. 25–26.

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asserted that harmonic intervals and their progressions activate the passions and move the emotions.13 Steffani then reached the final stage of his syllogism. To prove that music is a mathematical science with known causes, he pointed to its sensual effect: ‘I have promised to show you that music is a science, and indeed a mathematical and quantifiable science, because it is based on principles which are known and evident and which affect the senses, which are the only true judge of all infallible proofs’.14

Having shown that music satisfied the Aristotelian definition of a science, Steffani moved to other topics. In the rest of the treatise, he discussed properties of musical intervals such as the fifth (referring to divisions of the monochord), quoted Biblical and mythological stories about music’s power over humans and animals, and discussed the symbolism of intervals such as the sixth.15 The treatise is written with the same rhetorical skill that Steffani used when assembling arguments in his role as a diplomat. Claudia Kaufold notes that Steffani’s diplomatic documents show his zest for logical argumentation and for incorporating classical quotations.16 Yet the treatise also shows sprezzatura (nonchalance): Steffani does not labour points, sometimes saying it is unnecessary to give further details: ‘What a large, small or equal interval is, that is not necessary to clarify.’17 Such characteristics make the treatise a persuasive treatment of some of the most hotly debated musical issues of the day. In many ways, Quanta certezza presented a highly antiquated view of music. By emphasising Aristotelian certainties and the numerical basis of harmony, Steffani aligned himself with writers who argued that music was subject to reason. He made no reference to his experience as an opera composer, and did not cite any music theory more recent than Gioseffo Zarlino’s Dimostrazioni armoniche (1571). Unlike other musicians of the 1690s (such as Johann Kuhnau) who wrote about the affective power of music,18 he did not acknowledge that the emotional impact of harmony

13 Ibid., p. 26. 14 ‘Io hò promesso dirgli, che la Musica è Scienza, e che è Scienza Matematica, certa, perche fondata sù principii per se noti, sogetti al Senso, che è il solo, e vero Giudice delle sue infallibili Dimonstrazioni’: ibid., p. 29. 15 For Steffani’s use of the number six, see the essay by Colin Timms above, esp. pp. 38–39. 16 Claudia Kaufold, Ein Musiker als Diplomat: Abbé Agostino Steffani in hannoverschen Diensten (1688–1703) (= Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 36), Bielefeld 1997, p. 34. 17 ‘Che cosa sia Intervallo grande, piccolo, ò eguale, non ha bisogno d’esser spiegato’: Steffani, Quanta certezza (as n. 7), p. 16. 18 Kuhnau noted that the emotional power of music depended on the balance of humours in each listener: Musicalische Vorstellung einiger Biblischer Historien, Leipzig 1700, sig. B1v–B2r. An edition of 1710 is available at http://ks.imslp.info/files/imglnks/usimg/f/f0/IMSLP284432-PMLP13320Kuhnau_-_Musicalische_Vorstellung_einiger_biblischer_Historien__Leipzig__1710_.pdf.

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depended on the temperament of individual listeners. Yet Steffani’s position was not wholly Pythagorean. Through his central claim that the mathematical basis of music was verified by its emotional impact, he sought to reconcile the rationalist and sensualist views of music; and his treatise would subsequently appeal to adversaries on both sides of the contest between reason and the senses.

The German reception of Quanta certezza It is not known how widely Steffani’s Quanta certezza was read in the Low Countries (its place of publication) or in Italy. But the treatise had a lasting influence in German-speaking lands, especially in two of the social spheres identified by Reinhard Strohm as cultivating Steffani’s music.19 In courtly circles Steffani’s treatise arguably shaped the view of music developed by Leibniz at Hanover, and within the networks of professional musicians (particularly organists) across northern and central Germany it was given prominence via Werckmeister’s annotated translation; Buttstett and Mattheson then used passages from this translation or Steffani’s original in their polemics. At the Hanover court Steffani’s treatise was known to Leibniz, who mentioned it in a letter of 3 October 1695 to the Florentine librarian Antonio Magliabechi: ‘With us Lord Abbot Steffani, who leads the musicians of the Elector of Brunswick, recently published a pamphlet on the certainty of music, so that he could display knowledge against those ignorant of such things’.20 Leibniz’s own views on music survive in no single statement but in a variety of passages in his letters and other writings. His best known formulation, in a letter of 17 April 1712 to Christian Goldbach, describes music as ‘a hidden arithmetic exercise of the soul, which does not know that it is counting’.21As Andrea Luppi notes, such statements by Leibniz have an originality and an avoidance of theoretical elaboration, in contrast to Steffani’s

For a modern edition see Denkmäler Deutscher Tonkunst (hereafter: DDT), 1. Folge, Bd. IV, Leipzig 1901, pp. 117–177. 19 See the essay by Reinhard Strohm in this volume, p. 58. 20 ‘Apud nos Dn. Abbas Stephanus, qui Musicae Electoris Brunsvicensis praeest, nuper della certezza della Musica libellum edidit, ut scientiam esse contra quosdam rerum ignaros ostenderet’: Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, ed. Preußische Akademie der Wissenschaften et al. (= Leibniz-Akademie-Ausgabe), Berlin 1923ff., series I, vol. 11, p. 735. 21 ‘Musica est exercitium arithmeticae occultum nescientis se numerare animae’: cited in A. P. Juschkewitsch and J. C. Kopelewitsch, ‘La correspondance de Leibniz avec Goldbach’, in: Studia Leibnitiana 20 (1988), pp. 175–189, here: p. 182. For further discussion of this statement, see the essay by Michael Kempe in this volume, pp. 247–248. On the later substitution of animi for animae, see Ulrich Leisinger, Leibniz-Reflexe in der deutschen Musiktheorie des 18. Jahrhunderts (= Pommersfeldener Beiträge 7), Würzburg 1994, p. 43.

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diligent citation of antique authorities.22 Yet several of Leibniz’s comments can be read as critical responses to Steffani’s assertions. For instance, Steffani argued that the proper judgement of a musical interval requires not just listening but also an understanding of its acoustic derivation and emotional effect,23 whereas Leibniz’s formulation acknowledges the unconscious element of music perception. Steffani wrote that the harshness of dissonance is as necessary to moving the affections as the sweetness of consonance;24 somewhat similarly, Leibniz remarked to Goldbach that dissonance intensifies the pleasure of the sweetness of consonance.25 Leibniz made no further known references to Steffani’s treatise, but the writings of both men suggest a shared preoccupation with the notion of universal harmony and with music’s emotional power. These common interests may have been fostered by discussions at the Hanover court, for instance in the ‘assemblea’ mentioned at the start of Quanta certezza. Easier to document is the impact of Quanta certezza on published works of music theory. In 1699 a German translation by Andreas Werckmeister of Steffani’s treatise was published in Quedlinburg, with the title Send-Schreiben darinn enthalten wie grosse Gewißheit die Music aus ihren Principiis […] habe; a second edition appeared in the following year. Werckmeister became organist at the Martinikirche in Halberstadt in 1696, and thereafter until his death in 1706 he regularly issued treatises on aspects of speculative and practical music. In his preface to the Send-Schreiben, Werckmeister outlined his patriotic desire to benefit ‘der lieben deutschen Nation’ by making an Italian treatise accessible to German speakers. He further explained that without altering the coherence of Steffani’s text, he had nonetheless added his own annotations to aid ‘the simple-minded’.26 He claimed that the annotations were printed in small type so that they could easily be distinguished from Steffani’s thoughts. However, this typographic distinction was not consistently applied: on p. 34 Steffani’s words are in the small font, whereas Werckmeister’s annotation uses the large font supposedly reserved for the original author’s words (Fig. 2). Such typographic muddles led to confusion among readers such as Buttstett.

22 Andrea Luppi, ‘Steffani e Leibniz ad Hannover: L’universo e la sua armonia “musicale”’, in: Il teatro musicale italiano nel Sacro Romano Impero nei secoli XVII e XVIII (= Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S. – Como 12), ed. Alberto Colzani et al., Como 1999, pp. 179–212, here: pp. 183–184. 23 Steffani, Quanta certezza (as n. 7), pp. 14–15. 24 Ibid., pp. 16–17. 25 Juschkewitsch and Kopelewitsch, ‘La correspondance’ (as n. 21), p. 182. 26 ‘Ich habe in dem Contextu des Hn. Autoris nichts verändert / allein wegen der Einfältigen habe ich an etlichen Orten meine einfältige Meinung hinzugethan / welche absonderlich mit kleinen Buchstaben gedrücket ist / daß also ein jedes kan unterschieden werden’: Agostino Steffani, Send-Schreiben darinn enthalten wie grosse Gewißheit die Music aus ihren Principiis […] habe, trans. Andreas Werckmeister, Quedlinburg/Aschersleben, 1699, sig. A3v.

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Fig. 2: Steffani, Send-Schreiben darinn enthalten wie grosse Gewißheit die Music aus ihren Principiiis […] habe, trans. Andreas Werckmeister, 2nd edn, Quedlinburg/Aschersleben 1700, p. 34. The large font intended for Steffani’s words is mistakenly used for Werckmeister’s annotation beginning ‘Wir wollen’. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Mus.ant.theor. S 186 (by permission).

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It might seem strange that Werckmeister, an orthodox Lutheran organist who spent his career in small towns of central Germany, should take interest in the treatise of a cosmopolitan Roman Catholic opera composer. George Buelow has suggested that ‘[…] the single-mindedness of [Werckmeister’s] view of music within the framework of his musical and spiritual world did not, of course, embrace the Germany of the large secular courts or the major northern cities, where music was frequently an amalgam of the French and Italian styles.’27

Indeed, Werckmeister rarely cited musicians or writers of Steffani’s generation in his treatises, preferring instead to focus on authorities from the first half of the seventeenth century or earlier. We should not underestimate, however, the strong awareness that central German organists had of musical developments further afield. Werckmeister’s translation of Quanta certezza may be the counterpart of the keyboard arrangements of Hanover opera overtures copied by members of the Bach family in the Möller manuscript.28 Moreover, the topic and tone of Quanta certezza coincided closely with Werckmeister’s Pythagorean mindset. In his first published work of speculative theory, Musicae mathematicae hodegus curiosus (1686), Werckmeister declared that: ‘Music is a mathematical science, which shows us through numbers the correct differences and divisions of sounds from which we can make a skilled and natural harmony’.29 His last publication, Musicalische Paradoxal-Discourse (1707), includes chapters describing mankind’s inherent harmony with God, the characteristics of harmonic numbers, and how to pray to God using the numbers of musical proportions.30 Steffani’s treatise thus provided strong support for Werckmeister’s belief that music is part of the numerically ordered cosmos created by God. Werckmeister added extensive annotations to his translation, aligning Steffani’s treatise even more closely with his own convictions. These annotations are primarily in the second stage of the argument, on the numerical nature of intervals and harmony. When Steffani stated (with typical sprezzatura) that it was unnecessary to give more detail on how the fundaments of music are derived from mathematical principles,31 Werckmeister added a 26-page annotation discussing the arithmetic

27 George J. Buelow, article ‘Werckmeister, Andreas’, in: Grove Music Online, accessed 28 July 2016. 28 See the essay by Reinhard Strohm in this volume, pp. 59–60. 29 ‘Die Musica ist eine Mathematische Wissenschafft / welche uns durch die Zahlen zeiget den rechten Unterschied und Abtheilung des Klanges / woraus wir eine geschickte und natürliche Harmoniam setzen können’: Andreas Werckmeister, Musicae mathematicae hodegus curiosus, Frankfurt am Main/Leipzig 1686, pp. 9–10. 30 Andreas Werckmeister, Musicalische Paradoxal-Discourse, Quedlinburg 1707, ch. 5, 18, 20, 26. 31 ‘[…] senza che Io m’affatichi à farne qui un’Infilata’: Steffani, Quanta certezza (as n. 7), p. 26.

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nature of music with reference to Biblical and classical authorities.32 Here he also related changes in musical styles (Manieren) to the movements of the stars: ‘As the constellations themselves mutate from time to time […] so the humours and customs of mankind are altered’.33 Such external changes did not affect the fundamental harmonies of the cosmos: ‘The consonances stay unchanged, but the constellations transform the styles’.34 Thus Werckmeister reinforced Steffani’s argument that music is a fixed entity, able to be comprehended with the certainty required by an Aristotelian sense of science. Above all, Werckmeister’s annotations adapt Steffani’s ideas to Lutheran orthodoxy by emphasising the divine nature of music. Whereas Steffani’s original made little mention of God, Werckmeister explained that music originates with God, music arouses divine pleasure, and harmony’s numerical basis reflects a divine love of order.35 About fifteen years after its publication, Werckmeister’s Send-Schreiben became embroiled in the dispute between Mattheson and Buttstett. The dispute sprang from Mattheson’s Neu-eröffnete Orchestre (1713), which aimed to make music intelligible to a galant homme by abandoning many traditional theoretical tenets such as solmisation. Indeed, the opening of the book – mocking writers who promulgated ‘learned delusions’ (‘gelehrte Grillen’) about universal harmony and music as a ‘scientia mathematica subalterna’ – could be read as an attack on the likes of Steffani and Werckmeister.36 In his Ut, mi, sol, re, fa, la, tota musica et harmonia aeterna (c. 1716) Buttstett rebutted Mattheson’s treatise point by point, defending a mathematical view of music and the system of solmisation. Buttstett supported his arguments with many citations from the Send-Schreiben. On the need to understand the fundamentals of music, he quoted what he thought were Steffani’s words on music as a mathematical science.37 He also quoted from the Send-Schreiben on the value of the monochord and the immutability of musical principles.38 Alas for Buttstett, almost all his quotations were actually from Werckmeister’s annotations: he had been misled by the lack of typographical clarity in the 1699 and 1700 editions. In Das beschützte Orchestre (1717) Mattheson mercilessly pointed out Buttstett’s mistakes. He sarcastically praised his adversary for showing such discernment ‘when he ascribes words to the great Steffani that this prelate had never dreamed

32 Steffani, Send-Schreiben (as n. 26), pp. 34–60. 33 ‘[…] wie die Constellationes sich von Zeit zu Zeiten verwechseln / also […] das von einer Zeit zur andern die humores und mores der Menschen verändert werden’: ibid., p. 51. 34 ‘[…] die consonantien bleiben zwar / aber die constellationes verändern die Manieren’: ibid., p. 52. 35 Ibid., pp. 43–47. 36 Johann Mattheson, Das neu-eröffnete Orchestre, Hamburg 1713, pp. 3, 5. 37 Johann Heinrich Buttstett, Ut, mi, sol, re, fa, la, tota musica et harmonia aeterna, Erfurt n. d., p. 6 (quoting Steffani, Send-Schreiben, p. 34). 38 Buttstett, Ut, mi, sol (as n. 37) pp. 18, 53–55 (quoting Steffani, Send-Schreiben, pp. 39, 49–51).

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of ’.39 Initially Mattheson attributed the annotations to ‘einen kleinen Joh. Balhorn’ (‘a small Johann Balhorn’ – a term for someone who emends a text for the worse, derived from a sixteenth-century Lübeck printer of that name40), perhaps because he did not want to besmirch ‘der gute Werckmeister’. Later in the treatise, however, Mattheson admitted that the annotations were the work of Werckmeister.41 In the final instalment of his Orchestre trilogy, Das forschende Orchestre (1721), Mattheson justified at length his empiricism, especially concerning the vexed question of whether the interval of the fourth should be regarded as a consonance or a dissonance. He cited Steffani’s treatise fourteen times, more than other texts pivotal to his argument such as John Locke’s Essay concerning Human Understanding. He quoted Steffani’s words in Italian, with his own German translations to avoid the corruptions of Werckmeister’s edition. On the question of whether the senses affect the body or the soul, Mattheson quoted Steffani’s words (themselves paraphrased from Thomas Aquinas): ‘The senses are the true origin of all sciences’.42 Mattheson also quoted the crux of Steffani’s argument, namely his claim that music’s scientific nature is demonstrated by its effect on the senses (quoted above, p. 253).43 Remarking that Pythagoreans should underline these words in red ink, Mattheson here found support for his empiricist viewpoint that musicians should be guided by their senses rather than by existing authorities. The clash between Buttstett and Mattheson encouraged continuing interest in Stef­fani’s treatise, both in its original Italian and in Werckmeister’s translation. In 1716 the German expatriate Johann Sigismund Kusser, resident in Dublin but planning a return trip to his homeland, put ‘Steffanis Syndschreiben in Italianisch’ on a list of items to obtain on his journey.44 Johann Bartholomäus Hausmann (born 1678), notary and music teacher in Schafstädt, near Halle (Saale), owned the Send-Schreiben, along with Buttstett’s Ut, mi, sol and Mattheson’s riposte in Das beschützte Orchestre.45 Despite Mattheson’s warning about the authorship of the annotations in the Send-Schreiben, confusion was perpetuated by the Benedictine musician Mein-

39 ‘[…] wenn er dem grossen Steffani Worte zuschreibet / daran dieser Praelat sein Tage wohl nicht gedacht hat’: Johann Mattheson, Das beschützte Orchestre, Hamburg 1717, p. 40. 40 Hans-Bernd Spies, ‘“Verbessert durch Johann Balhorn”. Neues zu einer alten Redensart’, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 62 (1982), pp. 285–292. 41 Mattheson, Das beschützte Orchestre (as n. 39), pp. 300, 302. 42 ‘Il Senso, il che é la vera origine d’ogni Scienza’: Quanta certezza (as n. 7), p. 26, cited in Mat­ theson, Das forschende Orchestre, Hamburg 1721, p. 44. 43 Mattheson, Das forschende Orchestre (as n. 42), pp. 180–181. 44 Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, James Marshall and Marie-Louise Osborn Collection, Music Ms. 16, pp. 205 and 209. I am grateful to Samantha Owens for this observation. 45 See the list of Hausmann’s library of music treatises, in Johann Mattheson, Grundlage einer Ehren-Pforte, Hamburg 1740, pp. 107–108.

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rad Spieß, whose Tractatus musicus compositorio-practicus (1745) again attributed Werckmeister’s words on the mathematical basis of music to Steffani.46 In 1760 a further version of Werckmeister’s translation of the Send-Schreiben was published, edited by Johann Lorenz Albrecht (1732–1773), then cantor at the Marienkirche in Mühlhausen. Albrecht was one of the last theorists of the eighteenth century to adhere to the old theocentric view of music;47 he praised Steffani’s treatise as ‘one of that genre of musical treatises from previous years, which demonstrates that music is a science that rests on certain and irreversible principles and takes its worth from the time of the ancients’.48 Albrecht augmented Werckmeister’s edition with his own annotations, referring to theorists of the mid-eighteenth century such as Johann Joseph Fux, Friedrich Wilhelm Marpurg, Lorenz Christoph Mizler and Georg Andreas Sorge; he emphasised that his edition presented Werckmeister’s translation in corrected form, with all annotations printed in a smaller font to avoid confusion. Aware that his readers might not be familiar with Steffani, he introduced the treatise with a short biography of the author, gleaned from Mattheson’s Der musicalische Patriot (1728) and Johann Gottfried Walther’s Musicalisches Lexicon (1732). Albrecht’s edition was reviewed in Marpurg’s Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik, which used the book as a platform to lament the lack of respect for music among the current generation.49 More than six decades after the publication of Quanta certezza, the issues debated by Steffani still struck a chord with some German organists and music theorists.

Steffani as musical authority Another reason for the ongoing interest in Quanta certezza was Steffani’s status as an ecclesiastical and musical authority. Despite the growing importance given to the evidence of the senses, many music theorists still followed the older convention of deferring to intellectual authority. Buttstett reinforced his quotations from the Send-Schreiben by reminding readers of Steffani’s ecclesiastical status, adding such comments as ‘according to the words of Abbot Steffani’ or ‘this is the opinion of

46 Meinrad Spiess, Tractatus musicus compositorio-practicus, Augsburg 1745, p. 3. 47 Karl-Ernst Bergunder, article ‘Albrecht, Johann Lorenz’, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, vol. 15 (Supplement), Kassel 1973, cols. 108–109. 48 ‘[…] eins von derjenigen Gattung musikalischer Schriften der vorigen Jahre, welche darthun, daß die Musik eine solche Wissenschaft sey, die auf sichern und unumstößlichen Grundsätzen beruhe, und von denen Alten jederzeit sey werth gehalten worden’: Agostino Steffani, Sendschreiben darinnen enthalten, wie grosse Gewißheit die Musik aus ihren Principiis […] habe, ed. Johann Lorenz Albrecht, Mühlhausen 1760, sig.)(2r. 49 Friedrich Wilhelm Marpurg, Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik 5 (1761), 247–249.

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Abbot Steffani’.50 Mattheson went further, ascribing greatness and fame to Steffani with such phrases as ‘the great Steffani’51 and ‘the great theoretico-practical musician, the famous bishop Steffani’.52 Indeed in 1713 Mattheson had listed Steffani (along with Jean-Baptiste Lully) as an example of a musician who had gained social elevation and skill in worldly affairs.53 Steffani was arguably best known as a churchman and diplomat, and his ecclesiastical and courtly status may have been one reason why music theorists were so keen to quote from Quanta certezza. Musicians also respected Steffani for the affective power of his vocal works. In his Biblische Historien (1700), Johann Kuhnau referred to ‘the masters in the expression of the affections and other things’, singling out ‘a certain composer among them who has in my judgement shown himself particularly worthy of admiration’.54 Kuhnau did not state Steffani’s name outright, instead encoding it in a number puzzle.55 According to an article in a Hamburg newspaper of 28 June 1701, this puzzle was solved by Heinrich Meißner, a mathematician of that city.56 Meißner might have been aware of Steffani’s music from the Hamburg performances of his operas in the 1690s; Kuhnau, based in Leipzig, may have obtained manuscripts of Steffani’s music via an intermediary such as Nicolaus Adam Strungk. The episode is revealing of Steffani’s musical status: he was admired by a circle of connoisseurs, but was not necessarily accessible or known to all. Such exclusivity may have increased his kudos as a musical exemplar. Mattheson’s respect for Steffani as a compositional authority stemmed not only from the operas (which he had presumably heard in Hamburg as a boy) but also from the chamber duets. As Mattheson famously said of Steffani’s duos: ‘The said Steffani was incomparably prominent in this genre before all others whom I know, and to this hour deserves to serve as a model. For such things do not easily become obsolete’.57 For Mattheson the chamber duet was a genre that gave ‘a great pleasure’ to ‘the musically learned ears’;58 it demonstrated Steffani’s musical skill and again contributed towards his musical canonisation. 50 ‘[…] so weit Herrn Abts Steffani Worte’ or ‘Dieses ist des Herrn Abts Steffani Meinung’: Buttstett, Ut, mi, sol (as n. 37), pp. 8 and 55, respectively. 51 ‘[…] der grosse Steffani’: Mattheson, Das beschützte Orchestre (as n. 39), p. 40. 52 ‘[…] der grosse Musicus Theoretico-Practicus, der berühmte Bischoff Steffani’: Mattheson, Das forschende Orchestre (as n. 42), p. 43. 53 Mattheson, Das neu-eröffnete Orchestre (as n. 36), p. 40. 54 ‘[…] die Meister in der Expression der Affecten und anderer Dinge […] Unter andern hat / meinem Judicio nach / ein gewisser Autor was sonderliches und admirables gewiesen’: Kuhnau, Musicalische Vorstellung (as n. 18), sig. B2r. 55 Ibid., sig. B2r–v; see also DDT, 1. Folge, Bd. IV, p. 121. 56 Historische Remarques über die neuesten Sachen in Europa, 28 June 1701, p. 207. 57 ‘Besagter Steffani hat sich in dieser Gattung vor allen andern, die ich kenne, unvergleichlich hervor gethan, und verdient bis diese Stunde ein Muster zu seyn. Denn solche Sachen veralten nicht leicht’: Johann Mattheson, Der vollkommene Capellmeister, Hamburg 1739, p. 215. 58 ‘… den musicalisch-gelehrten Ohren eine grosse Lust’: ibid.

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Stephen Rose

Further research is required to elucidate the processes whereby Steffani was canonised as a musical authority. As he became less active as a composer with the increase in his diplomatic and episcopal duties, so too did his reputation grow among musicians with aspirations to learning. The German reception of Quanta certezza was symbiotically linked with this growth in his musical authority. Steffani’s fame undoubtedly encouraged musicians to consult his Aristotelian demonstration that music should be regarded as a science. And although his Aristotelian method aligned Quanta certezza with those who believed music was an instrument of reason, his references to the senses earned the respect of empiricists such as Mattheson. Originating in the learned discussions at the Hanover court, Steffani’s treatise thus became one of the most-cited books among German music theorists of the first half of the eighteenth century.

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Hansjörg Drauschke

Agostino Steffanis Hannoveraner Opern als dramaturgische Modelle für deutsche Komponisten. Zwei Fallbeispiele

Die musikwissenschaftliche Forschung ist sich seit langem darüber einig, dass Ago­ stino Steffani erheblichen Einfluss auf deutsche Komponisten um 1700 ausübte und dass dafür vor allem seine sechs dreiaktigen, zwischen 1689 und 1695 für Hannover entstandenen und ab 1695 besonders in Hamburg und Braunschweig in deutschen Übersetzungen auf die Bühne gebrachten Opern maßgeblich waren.1 Einigkeit herrscht auch darüber, worin dieser Einfluss auf so unterschiedlich zu verortende Komponisten wie etwa Johann Georg Conradi, Johann Sigismund Cousser (Kusser), Johann Hugo von Wilderer, Georg Caspar Schürmann, Reinhard Keiser, Johann Mattheson, Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bach oder Georg Philipp Telemann2 konkret bestand: Zum einen gilt Steffani als wichtiger Vermittler der italienischen Oper im nord- und mitteldeutschen Raum; und zum anderen gelten seine Opern als zentrale Modelle für den spätestens ab den 1690erJahren von den genannten Komponisten entwickelten Mischstil, der sich – zunächst

1 Die deutschen Fassungen wurden auch in Stuttgart und Augsburg produziert. Mit Die außerlesensten Und vornehmsten Arien Aus der Opera Roland […], Lübeck 1699, erschien ein Auswahldruck der deutschen Orlando-Bearbeitung, 1706 kamen in Amsterdam Suiten aus allen sechs Opern heraus; siehe die Übersicht bei Colin Timms, Polymath of the Baroque. Agostino Steffani and His Music, New York 2003, S. 328–332; zur Datierung der Suiten siehe Rudolf Rasch, The Music Publishing House of Estienne Roger and Michel-Charles Le Cène 1696–1743, Teil 4: The Catalogue. Saint-Hélène–Swain, S. 77f. (http://www.hum.uu.nl/medewerkers/r.a.rasch/Roger/ Catalogue-Saint-Helene-Swaen.pdf). In Braunschweig und Hamburg blieben einzelne Opern Steffanis, freilich in zunehmend bearbeiteten Fassungen, bis Ende der 1720er- bzw. sogar bis in die 1730er-Jahre hinein auf den Spielplänen; siehe Timms, Polymath, S. 330–332. 2 Diese Namen tauchen, jeweils in unterschiedlicher Auswahl, in der Steffani-Literatur auf. Exemplarisch zu Steffani / Händel siehe Friedrich Chrysander, G. F. Händel, 3 Bde., Leipzig 1858, 1860 und 1867, Bd. 1, S. 327–337; Colin Timms, „Steffani’s Influence on Handel’s Chamber Duets“, in: Handel. Tercentenary Collection, hrsg. von Stanley Sadie und Anthony Hicks, London 1987, S. 222–245; Wolfgang Hirschmann, „Zwei Kapellmeister im Dienste des Hauses Hannover: Agostino Steffani und Georg Friedrich Händel“, in: Göttinger Händel-Beiträge 14 (2012), S. 3–21, besonders S. 8–11, 17–19. Zu Steffani / Telemann siehe den Beitrag von Wolfgang Hirschmann im vorliegenden Band, S. 295–312.

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kombinierend, später zunehmend assimilierend – italienischer und französischer Stilelemente bediente.3 Spezialstudien zur Beeinflussung deutscher Musiker um 1700 bestätigen das. So hat Steffen Voss die Holzbläserverwendung in Hamburger Opern Keisers und Matthesons – insbesondere Kombinationen von verschiedenen solistischen Holzbläsern und von Holzbläsern mit Streichern – auf Steffanis Einfluss zurückgeführt.4 Colin Timms hatte bereits vorher und unter weiter gefasster Perspektive die große Schnittmenge insbesondere zwischen Keisers Opernpartituren um 1700 und denen Steffanis dargelegt.5 Das betrifft, neben dem spezifischen Einsatz der Holzbläser, die französische Ouvertüre, die große Zahl an instrumentalen und vokalen Tanznummern und die Verwendung französischer Instrumentenbezeichnungen. Zugleich sieht Timms eine nahe Verwandtschaft in den Arienformen und deren spezifischen Ausprägungen (Kontrastanlage, Affektzuordnung bestimmter Typen usw.), in den Besetzungs- und Instrumentationstypen der Arien, in der Virtuosität der Gesangsstimmen und auch in gewissen Prinzipien der Rezitativgestaltung.6 Mit dieser Orientierung an der für Steffani typischen Mischung nationalstilistischer Elemente wurde Keiser, so Timms, zum wichtigen Vermittler zwischen Steffanis und Händels Opern.7 Zugleich räumt Timms allerdings ein: „That the operas of Keiser display so many similarities to those of Steffani does not ne­cessarily mean that he picked up those traits directly from him.“8

Das lässt sich, auch über Keiser hinaus, dahingehend zuspitzen, dass die genannten Eigenschaften überhaupt nicht selbstverständlich über Steffani vermittelt worden sein müssen. Italienische Oper konnte man auch anhand der Werke anderer Ita-

3 Vgl. etwa Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper und die musikdramatische Kunst Georg Caspar Schürmann’s, 2 Bde., Regensburg 1933 und 1934, Bd. 1, passim; Gerhard Croll, Artikel „Steffani, Agostino“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Bd. 12, Sp. 1206–1215, hier: Sp. 1213; Silke Leopold, Artikel „Steffani, Agostino“, in: MGG 2, Personenteil 15 (2006), Sp. 1364–1371, hier: Sp. 1368; Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 208. Das seiner italianità an die Seite tretende französische Idiom und die entsprechenden Satzmuster hatte Steffani während eines Parisaufenthaltes 1678/1679 vor Ort studieren können; siehe den Beitrag von Graham Sadler im vorliegenden Band, S. 67–87. 4 Steffen Voss, „Die Verwendung der Holzblasinstrumente in Werken Hamburger Opernkomponisten der Barockzeit“, in: Studien zur Kirchenmusik und weltlichen Vokalmusik im Hamburg der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Promotionsschrift, Utrecht: Universiteit Utrecht 2014 (http://dspace.library.uu.nl/handle/1874/300809; Download: Mai 2015), S. 145–173. 5 Colin Timms, „What did Handel learn from Steffani’s operas?“, in: Göttinger Händel-Beiträge 9 (2002), S. 55–72. Zur Modellfunktion von Steffanis Opernrezitativen und ‑arien siehe die Beiträge von Wolfgang Hirschmann und John H. Roberts im vorliegenden Band, S. 295–312 und S. 313–339. 6 Timms, „What did Handel learn“ (wie Anm. 5), S. 62–68. 7 Ebd., S. 68. 8 Ebd.

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liener studieren, sowohl über Aufführungen9 als auch über Partituren und Drucke. Ebenso waren die Werke Jean-Baptiste Lullys allgemein zugänglich. Der italienischfranzösische Mischstil wurde von zahlreichen Komponisten gepflegt, deren Opern zum Teil vor denen Steffanis an den öffentlichen Häusern in Braunschweig und Hamburg erklangen. Das betrifft namentlich den Lully-Schüler Cousser10 (Braunschweig ab 1690) sowie Conradi (Hamburg ab 1691).11 Nach Matthesons Zeugnis richtete Cousser in Hamburg „alles […] nach dem ächten welschen Geschmack“ ein, wobei er „der frantzösischen Manier zugleich sehr zugethan“ war.12 Auf dem Gebiet der Aufführungspraxis legte er also den Grund für das Nebeneinander der Stile. Unter den von ihm in Hamburg aufgeführten Werken befanden sich Alessandro / Alexander und Orlando / Roland von Steffani (1695 und 169613), aber auch etliche eigene Opern. Sind die Opern Steffanis und verschiedener anderer Italiener sowie diejenigen Lullys auch heute noch greifbar, so fehlen für die 1690er-Jahre die meisten Werke Coussers, Conradis, Schürmanns und selbst Keisers; auch Telemanns frühe Opern (Leipzig ab 1702) sind nahezu vollständig verloren. Händel, das wissen wir, nahm sich die Kammerduette des Italieners als Vorbilder, entlehnte aus einigen seiner Opern und griff für Alessandro auf Steffanis La superbia d’Alessandro zurück.14 Ob aber z. B. Keisers Tänze und Tanzformen auf Steffani, Cousser oder direkt auf Lully zurückgehen oder ob Schürmanns ausgedehnte dreiteilige Ouvertüren vielleicht eher in einer bereits deutschen Tradition stehen,15 wäre anhand der musikalischen Quellen noch zu untersuchen. Auch Schriftzeugnisse helfen nur bedingt weiter. Telemann studierte während seiner Zeit in Hildesheim (1697–1701) „[d]ie Sätze von Steffani und Rosenmüller, von Corelli und Caldara“ als Muster für seine „künfftige Kirchen= und Instrumen  9 Für Hamburg siehe Hans Joachim Marx und Dorothea Schröder (Hrsg.), Die Hamburger Gänsemarkt-Oper. Katalog der Textbücher (1678–1748), Laaber 1995, bes. S. 471f. Für Braunschweig siehe Gustav Friedrich Schmidt, Neue Beiträge zur Geschichte der Musik und des Theaters am Herzoglichen Hofe zu Braunschweig-Wolfenbüttel, Erste Folge: Chronologisches Verzeichnis, München 1929. 10 Coussers Aufenthalt in Paris dauerte offenbar sechs Jahre (1674–1680) und entsprach damit einer vollgültigen Ausbildung; Bernhard Moosbauer (Heinz Becker), Artikel „Kusser, Johann Sigismund“, in: MGG 2, Personenteil 10 (2003), Sp. 907–910, hier: Sp. 907. 11 Siehe die Werkverzeichnisse bei Moosbauer (Becker), „Kusser“ (wie Anm. 10), Sp. 908f., und bei Steffen Voss (Hans Rudolf Jung), Artikel „Conradi, Johann Georg“, in: MGG 2, Personenteil 4 (2000), Sp. 1479–1481, hier: Sp. 1480. 12 Artikel „Mattheson“, in: ders., Grundlage einer Ehren-Pforte, Hamburg 1740; als originalgetreuer Nachdruck, hrsg. von Max Schneider, Berlin 1910, S. 189. 13 Daten nach Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 331; das Hamburger Roland-Libretto wurde 1695 gedruckt. 14 Timms, „What did Handel learn“ (wie Anm. 5), S. 56–60; siehe auch die Beiträge von John H. Roberts (S. 318–324) und Nicole K. Strohmann (S. 97–106) im vorliegenden Band. 15 Schmidt, der in Steffani grundsätzlich eines der wichtigsten Vorbilder für Schürmann sieht, kommt bei der Untersuchung formaler und kompositionstechnischer Details in Schürmanns Ouvertüren diesbezüglich zu unterschiedlichen Ergebnissen; Schmidt, Die frühdeutsche Oper (wie Anm. 3), Bd. 2, ab S. 142.

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tal=Music“.16 Seine Orientierung an Steffani ist damit verbrieft, es bleibt jedoch offen, was genau er von ihm übernahm.17 In Matthesons Schriften wird Steffani als Autorität aufgeführt: als Zeuge dafür, dass eine gelungene dramatische Komposition von einem vorab anhand des Librettos entwickelten musikalisch-dramaturgischen Gesamtkonzept ausgehen müsse,18 als Musterautor für das Kammer- und das Opernduett,19 und im Forschenden Orchestre schließlich wird seine Quanta certezza zum immer wieder zitierten Beleg für Matthesons sensualistische Argumente.20 Als konkretes Vorbild nennt Mattheson den Italiener nicht. Ausgehend von dem bisher Dargestellten möchte ich im Folgenden versuchen, Einflüsse Steffanis noch eindeutiger greifbar zu machen. Ich gehe dabei von der Annahme aus, dass eine Autorität wie Steffani über den Bereich einzelner Formen, Instrumentationsmuster usw. hinaus auch, und vielleicht sogar vorrangig, im Bereich des Dramaturgischen als Vorbild gewirkt hat. Wenn dem so ist, dann müssten sich besondere szenische Lösungen in Opern Steffanis mit solchen in Opern deutscher Komponisten in Zusammenhang bringen lassen. Solche Beobachtungen würden die genannten Studien (Timms, Voss u. a.) durch konkrete Einzelbeispiele bestätigen, und sie würden zugleich deren Perspektive erweitern. Zwei derartige Beispiele sollen hier nun vorgestellt und diskutiert werden. Bei dem ersten Beispiel handelt es sich um die zweistrophige Arie „Mein Herze lebt getrennet“ / „Das Schmerzen-volle Scheiden“ aus Keisers Adonis (1697) und deren Muster „Se t’eclissi“ / „Vive stelle“ aus Steffanis Orlando generoso (1691, Hamburg 1696). Zunächst zu Orlando. Ruggiero, der Geliebte Bradamantes, hat Angelica, die Geliebte Medoros, gerettet. Zu Beginn des zweiten Aktes begegnen sich die beiden jeweils von ihren Liebsten getrennten Protagonisten und bringen ihre Gefühle in je einer Strophe einer Arie zum Ausdruck, wobei der Satz für das da 16 Artikel „Telemann“, in: Mattheson, Ehren-Pforte (wie Anm. 12), S. 357. 17 Vgl. den Beitrag von Wolfgang Hirschmann im vorliegenden Band, S. 297–298, 308–312. 18 Johann Mattheson, Kern melodischer Wißenschafft, Hamburg 1737; 2. Nachdruck Hildesheim 1995, S. 136, § 28, bestätigend bezogen auf Matthesons eigenes Verfahren, „[b]ey Verfertigung grosser Oratorien […] den Schluß des gantzen Wercks zuerst vorzunehmen, und denselben, bey noch frischer und unermüdeter Krafft der Geister, iedoch mit einer gewissen Absicht auf das übrige, also einzurichten, daß er was rechtes sagen mögte.“; ebd., § 27. 19 Ders., Critica Musica, Pars I–IV, Hamburg 1724; Nachdruck, mit einer Einleitung von Sven Hiemke, Laaber 2003, Bd. 1, S. 305/LXIV und S. 360/367; ders., Der vollkommene Capellmeister, Hamburg 1739; Faksimile-Nachdruck (= Documenta musicologica, Erste Reihe: DruckschriftenFaksimiles 5), hrsg. von Margarete Reimann, Kassel 1954, S. 345, § 10 und S. 215, § 33. In dem Zusammenhang ist auch Matthesons Komposition eines retrospektiven „Duetto alla Steffani“ 1746 zu sehen; Artikel „Mattheson“, in: ders., Ehren-Pforte (wie Anm. 12), Anhang, S. 24, Anm. * (Musik und Text unbekannt). 20 Johann Mattheson, Das forschende Orchestre, Hamburg [1721]; Nachdruck in Mattheson, Die drei Orchestre-Schriften, mit einer Einleitung von Dietrich Bartel, Laaber 2002, III, S. 44, 161, 165, 180f., 356, 390, 392, 396, 398f., 612f.; vgl. Agostino Steffani, Quanta certezza habbia da suoi principii la musica […], Amsterdam [ohne Verlag] 1695.

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capo der zweiten Strophe in ein Duett übergeht. Die Szene wird von Orlando, der Angelica bis zum Wahnsinn liebt, von ihr aber in der Szene zuvor zurückgewiesen wurde, belauscht. Der Text der gesamten Szene, deren Zentrum die zweistrophige Arie mit zwischengeschaltetem Rezitativ bildet, lautet in Ortensio Mauros Original und in Gottlieb Fiedlers Übersetzung wie folgt:2122 Mauro, Orlando generoso (Hannover 1691), II,321

Fiedler, Der großmüthige Roland (Hamburg 1695), II,322

Angelica, e poi Ruggiero, Orlando in disparte.

Angelica. Kurtz darauff Roger. Roland auff der Seiten.

Angelica Libera al fin mi ueggo Dà un’ assedio molesto: Mà non ueggo il mio Bene, E questo é d’ogni mal il più funesto.

Angelica Und ich bin endlich nun von dem   Verdruß befreyt: Wo aber bleibt mein Leben / Ohn ihn muß ich in Seuffzen schweben.

Orlando Che tristi annunzi ad ascoltar m’appresto?

Roland (Was hör’ ich noch zu meinem höchsten  Leyd.)

[Aria] Angelica Se t’ecclissi ò bella face, Jo rimango in cieco horror: Senza te più non han pace Le tempeste del mio Cor. [da capo]

Aria. Angelica Wenn dein Licht sich zeucht zurücke So verbleib’ ich stets gequähl[t]: weil mein Hertz ohn dessen Blicke Anders nicht ist als entseelt. Wenn dein etc.

Orlando Mi da la gelosia nouo dolor. Ruggiero Ninfa prouo ancor’ io quanto sia duro Il perder ciò che s’ama; E prattico del mal che tu risenti Vnisco le mie doglie à tuoi lamenti.

Roger Ich fühl auch selbst / O Nymphe / was es  sey / Zu meiden das man liebt; Ich bin nebst dir in diese[m] Stück geübt / D[i]r stimmt daher auch dies mein   Klagen bey. Roland (Die Eyversucht ists / so mich stets betrübt.)

21 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek (D-W), Textb. 319. Die Orthographie folgt hier wie auch in den übrigen Librettoauszügen dem Druck. 22 Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky (D-Hs), M A / 403.

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[Aria] Ruggiero Viue stelle à me splendete[,] Non mi fate più penar: Sole uoi sole potete L’alma mia rasserenar. Angelica, Ruggiero à 2 Viue stelle &c.

Aria. Roger Scheinet angenehmste Sternen Laß[t] mein Seuffzen hören auff: Ihr allein ihr könnt entfernen / Meines Unglücks steten Lauff. Angelica, Roger Schein[e]t etc.

Orlando Fia meglio dire al Ré questi accidenti: Ei scoprirà le uerità segrete.

Roland Ich werde diß dem König’ hinterbringen / Damit er auff die Wahrheit möge dringen.

Angelicas Arientext ist auf Medoro gerichtet, derjenige Ruggieros auf Bradamante. Gleichwohl lässt die Situation reichlich Spielraum für Fehldeutungen, was den Wahn Orlandos nochmals steigert.23 Steffani komponierte den Komplex Aria-RecitativoAria / Duetto als große, die Szene dominierende Struktur:24

23 Der deutsche Text verschärft den Effekt, indem er Orlandos Einwurf nach Ruggieros Anrede an Angelica setzt. Da Die außerlesensten Arien Aus Roland (wie Anm. 1) das Rezitativ nicht enthalten und keine Partitur der deutschen Fassung überliefert ist, muss offen bleiben, wie der Bearbeiter hier vorging. 24 Die Übertragung und die Instrumentalbezeichnungen folgen den außerlesensten Arien Aus Roland (wie Anm. 1) (Kopenhagen, Kongelige Bibliotek, mu 6607.2135). Das Arienpaar mit Rezitativ in der Abschrift der Stadtbibliothek Hannover (ohne Sign.) ist vollständig faksimiliert bei Reinmar Emans, „Vermischter Stil“, in: Schütz-Jahrbuch 34 (2012), S. 49–63, hier: S. 55–63. In der Einspielung mit Musica Alta Ripa unter Bernward Lohr, Dabringhaus und Grimm MDG 3091566–2, 2009, dauert die Arie mit Binnenrezitativ (aber ohne das da capo der ersten Strophe) zehn Minuten.

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NB. 1: Steffani, Orlando generoso/Der großmüthige Roland, II. Akt, 3. Szene, Arie (1. Strophe) „Se t’eclissi“, T. 1–23; Arie-Duett (2. Strophe) „Vive stelle“, T. 1–23 u. 67–79

Einem tiefen steht jeweils ein hohes Soloinstrument gegenüber, jeweils in der Kombination Holzbläser / Streicher: Violine und Fagott in Angelicas, Oboe und Cello in Ruggieros Strophe. Über langsam schreitendem Continuo entfaltet das tiefe Soloinstrument eine ostinatoartige, melodisch weitgespannte Bewegung, deren gleichmäßige Viertel den Puls festlegen. Das hohe Soloinstrument und der Gesang werden imitatorisch (oft kanonisch) geführt, wiederum in langen Werten, in die im Verlauf des Satzes raschere Passagen integriert sind (es handelt sich um die für Steffani, auch für seine dramatischen Rezitative, typischen rhythmisch ausgefeilten Skalenläufe) und die später in Vorhaltsketten aufgelöst werden. Im B-Teil greift das hohe Soloinstrument die Bewegung seines Bass-Partners auf. Der Satz entfaltet mit dem „schmeichlerisch“ kreisenden Spiel des Fagotts bzw. Cellos und dem kontrapunktisch eng damit verschlungenen Konzertieren zwischen Gesang und Violine bzw. Oboe eine große sinnliche Wirkung. Die ausgreifende, intensive Melodik – lange Spitzentöne, eruptive Skalenläufe, große Intervallsprünge, Sekundvorhalte – eröffnet den Gesangs- und Instrumentalsolisten ein weites Spektrum an gestalterischen Möglichkeiten. Und – das ist ein wesentlicher Faktor – sie entfaltet sich weitgehend unabhängig von der Umsetzung einzelner Affektwörter; das Evozieren starker Affekte beruht auf autonom-musikalischen Gestaltungsmitteln. Im abschließenden Duettteil werden die Gesangsstimmen mit allen vier Soloinstrumenten, denen nun durchweg die ostinate Bewegung übertragen ist, in ein nochmals verdichtetes kontrapunktisches Geflecht überführt. Durch die motorische Anbindung an den B-Teil der Arie werden zugleich eine Schlusssteigerung erreicht und das Gesamtgebilde formal geschlossen. Die Musik

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dieser Szene lässt sich ebenso als Ausdruck von Schmerz wie von erotischem Begehren hören. Dass Orlando hier eine Liebesszene zu belauschen meint, verwundert nicht. Keiser hat die Disposition dieses Arienpaares für eine unter dramaturgischem Aspekt vergleichbare Situation in Adonis übernommen.25 Der Titelheld wird von Venus, Eumene und Dryante geliebt, erwidert aber nur die Liebe der Venus. Während sich Dryante mit Venus’ gehörntem Ehemann Mars zur Rache vereinigt, bleibt Eumene ihrem Angebeteten auch im Scheiden treu. Als sich Adonis Ende des zweiten Aktes, ungeachtet eines warnenden Orakels, auf die Jagd begibt, verleihen Venus und Eumene in einer zweistrophigen Arie mit duettierendem Schluss-da capo ihren Gefühlen Ausdruck. Christian Heinrich Postel, Adonis (Hamburg 1697), III,526 Aria. 1. Venus Mein Hertze lebt getrennet Von der geliebten Brust / Mir ist nur Leyd bewust / Biß mir die Schickung gönnet / Die vorgenoßne Lust. Mein Hertze lebt getrennet Von der geliebten Brust. 2. Eumene Das Schmertzen=volle Scheiden Läst keine Wonne zu. Du Brunne meiner Freuden / Mein Trost wo bleibestu; Venus, Eumene à 2. Das Schmertzen=volle Scheiden Läst keine Wonne zu.

Strukturell liegt die gleiche Anlage vor wie in Orlando, allerdings ohne zwischengeschaltetes Rezitativ. Das korrespondiert mit Analogien in den dramatischen Situationen. Die Protagonistinnen singen jede für sich, pflichten sich aber zugleich bei. Sie sind Freundinnen und lieben denselben Mann, sind also ebenfalls eng im Leiden verbunden. Erotische Schwingungen sind hier auszuschließen. Dafür ist die Szene noch schmerzlicher als diejenige in Orlando, da Venus und Eumene gleichermaßen

25 Abschriftliche Partitur in Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Mus. ms. 11480; Faksimile in Reinhard Keiser, Adonis and Janus (= Handel Sources 1), hrsg. von John H. Roberts, New York 1986 (das Arienpaar dort S. 149–153). 26 D-Hs, MS 639/3:5, Nr. 72; siehe auch Keiser, Adonis and Janus (wie Anm. 25), S. 348.

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die Ahnung einer endgültigen Trennung von ihrem Geliebten bedrückt: Eumene, weil sie fühlt, dass sie Adonis an Venus verlieren wird, und Venus, weil sie fürchtet, dass sich das Orakel erfüllt (was auch geschieht: Mars in Ebergestalt tötet Adonis). Keiser hat dafür folgende Musik komponiert:

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NB. 2: Keiser, Adonis, III. Akt, 5. Szene, Arie (1. Strophe) „Mein Herze lebt getrennet“, T. 1–19; Arie-Duett (2. Strophe) „Das schmerzenvolle Scheiden“, T. 1–19 u. 50–67

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Er übernahm die Taktart und das Tongeschlecht, die Instrumentierung der beiden Strophen und des Duetts und wies den einzelnen Stimmen auch dieselben Bewegungsparameter zu: dem Continuo ein Schreiten in langen Werten, den tiefen Soloinstrumenten ein motorisch gleichförmiges, melodisch prägnantes Ostinato, Gesang und hohen Melodieinstrumenten das ruhigere Metrum. Die beiden hohen Stimmen konzertieren genau wie bei Steffani (teilweise kanonisch). Für die B-Teile bleibt Keiser allerdings bei dieser Verteilung von Motorik und Motivik. Im DuettTeil verfährt er wieder analog zu Steffani, im Detail bei den Instrumenten allerdings etwas anders: Die Ostinato-Bewegung ist in einer Stimme notiert (ob sie von Fagott, Cello oder von beiden im Unisono gespielt werden soll, lässt die erhaltene Partitur offen), zu der die beiden Melodieinstrumente später im gemessenen Bewegungsduktus des Anfangs hinzutreten.27 So evident die Verwandtschaft der beiden Satzpaare ist, so deutlich treten grundsätzliche Unterschiede zutage. Der wichtigste resultiert aus der für Keiser typischen Knappheit der Form, die zugleich stets den Text als Aussage und als rhythmische Komponente in den Blick nimmt. Keiser lässt dem Ostinato nur einen Takt Vorlauf, dann setzt das Melodieinstrument mit einer Vorwegnahme des Gesangsmotivs ein, die zu einem eigenständigen instrumentalen Vorspiel ausgebaut wird. Durch den frühen Einsatz des mit dem Text metrisch verknüpften Motivmaterials richtet Keiser seine Arie also von vornherein auf den Textvortrag aus, während Steffani durch das lange Ostinato-Vorspiel und auch noch mit dem ersten Gesangseinsatz und dessen instrumentaler Imitation eine auf Klang und Harmonik basierende Grundstimmung aufbaut, für die er zunächst einen rhythmisch unspezifischen und vom Textvortrag unabhängigen Melodiebogen entwirft. Erst später wird nach und nach eine dem Text angepasste Rhythmik entfaltet. Keiser verzichtet auf Steffanis delikaten Wechsel der Bewegung in den B-Teilen und auf die darin gründende formale Verklammerung der Szene. Er bewahrt über das gesamte Stück hinweg denselben Bewegungsduktus, darin ebenfalls dem Text entsprechend, der im wohlartikulierten Vortrag durchgehend präsent bleibt. Dieses Prinzip prägt auch den Schluss, bei dem Keiser das Duett nicht in ein dichtes kontrapunktisches Geflecht einwebt, sondern Violine und Oboe erst im Anschluss an den Gesang einsetzen und den Satz beenden lässt. Komponierte Steffani eine Musik, die den Text in ein sinnliches Gewand kleidet, ihn darin verhüllt und damit neue Interpretationsräume öffnet, so ist Keisers Komposition in jedem Moment sprechend, der Text bildet die oberste Wahrnehmungsschicht und ist auch im Duett-Abschnitt stets klar vernehmbar. Dass Keiser mit seinem Arienpaar auf Steffani Bezug nimmt, ist offenkundig und wird zusätzlich unterstrichen durch die Benutzung eines charakteristischen melodisch-harmonischen Moments vom Beginn der Steffani’schen Arie: des melo-

27 Einspielung mit Capella Orlandi Bremen unter Thomas Ihlenfeldt, cpo 999636–2, 2001.

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dischen Ganges von der Quinte über die Oktave der Moll-Tonika zur Terz der Dominante (bei Steffani T. 1/3 zu T. 2/1, bei Keiser, in gewissermaßen unverzierter Form, T. 2 zu T. 3/1).28 Hier von einem (verdeckten) „borrowing“ zu sprechen, würde Keisers Vorgehen aber nicht gerecht. Vielmehr liegt der Verwandtschaft beider Satzpaare ein Parodieverfahren zugrunde, das an die Praxis des 16. Jahrhunderts gemahnt: Mit der Überführung von Satzmustern eines vorbildhaften Komponisten in die eigene Tonsprache wird die produktive Auseinandersetzung mit dem Vorbild expliziert. Genau das tut Keiser mit Steffanis Vorlage. Das bedeutet mehr als die Aufprägung eines individuellen Stempels, und entsprechend griffe es zu kurz, etwa Steffanis ausgefeiltere Kontrapunktik oder großflächigere Melodiebildung gegen Keisers Satz auszuspielen. Indem Keiser Steffanis Muster in einem von anderen Traditionszusammenhängen geprägten Produktionskontext neu aufruft, unterzieht er es zugleich einer massiven Transformation. Keisers Musiksprache speist sich aus der protestantischen mitteldeutschen Tradition des 17. Jahrhunderts, für die der Text den zentralen Bedeutungsträger bildet. Diese Tradition prägt die deutsche Oper von Beginn an, die Orientierung an italienischen Mustern tritt als sekundäres Moment hinzu. Steffanis italianità – das Klangsinnliche ebenso wie die kunstvolle Kontrapunktik – ist in dem Kontext und damit auch für Keiser von untergeordnetem Interesse. In diesen Parametern ist sein Satz zurückhaltender; seine Musik ist in erster Linie und sehr direkt dem Text dienstbar. Das Beispiel bestätigt die Vermittlerrolle Keisers zwischen Steffani und einer jüngeren deutschen Komponistengeneration, die Timms mit Blick auf Händel beobachtete. Ergänzend zu den von Timms ins Auge gefassten Parametern zeigt sich hier, wie wichtig gelungene dramaturgische Lösungen für die Vorbildwirkung und damit für die mögliche Modellfunktion eines Komponisten waren.29 Keiser erkannte die dramaturgische Qualität der Steffani’schen Szenendisposition, für die die außergewöhnliche Instrumentation nur eine von mehreren Komponenten ist.30 Wie genau er Steffanis Lösung verstanden hatte, zeigt sich in der Souveränität

28 Timms hat auf die Ähnlichkeit in der Disposition beider Satzpaare ebenfalls verwiesen, deren Beziehungen aber nicht weitergehend untersucht. Er kam insgesamt zu dem Ergebnis, dass Adonis – „rather less Steffanian“ als Keisers folgende Opern – entstand, bevor Keiser mit Steffanis Bühnenwerken in Berührung kam; Timms, „What did Handel learn“ (wie Anm. 5), S. 68. Diese These lässt sich m. E. nicht aufrecht erhalten. 29 Diesen Befund bestätigen auch zahlreiche Händel’sche Keiser-borrowings, bei denen es um eine bestimmte kompositorische Gestaltung für eine bestimmte dramatische Situation geht. 30 In der dramaturgischen Lösung insgesamt sehe ich das Wesentliche des Steffani’schen Arienpaares. Reinmar Emans deutete es als auskomponiertes Zeugnis der Stilsynthese in einem Dreischritt italienisch–französisch–deutsch; Emans, „Vermischter Stil“ (wie Anm. 24), S. 55–60. Dass Steffani allerdings eine solcherart programmatische Komposition, deren abschließendes Duett den „gearbeiteten“ Stil der Deutschen im Mattheson’schen Sinne repräsentiert (ebd., S. 60), verfertigt haben sollte, halte ich für unwahrscheinlich aus zwei Gründen: Erstens entstand das Stück in einem ganz anderen Kontext als demjenigen, auf den sich Mattheson bezieht, nämlich

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und Eigenständigkeit, mit der er sie auf eine vergleichbare Situation in Adonis anpasste. Möglicherweise geschah das sogar im Rahmen eines engeren Kontaktes zwischen den beiden Komponisten. Das lässt sich zumindest anhand einer in dem Zusammenhang bisher noch nicht beachteten Aussage des Hamburger Librettisten Barthold Feind diskutieren.31 In einer Keisers Componimenti musicali (1706) vorangestellten 16-strophigen „Lob=Schrifft“ erhebt Feind den Komponisten, bezogen auf den Bereich der Oper, weit über die „Welschen“ und über die älteren Deutschen (vertreten hier durch Nikolaus Adam Strungk). Diese Vorrangstellung Keisers wird in der 13. Strophe, die den langen Abschnitt zu den Opern beendet, durch einen Verweis auf Steffani besiegelt: That je ein Teutscher das / was Käyser hat gethan? Belebt ein gleicher Geist auch wol der Welschen Seelen? Was zeigestu in mehr als dreyßig Opern an / Da die Erfindung schon dem Polarol muß fehlen / Wenn er nur zwantzig Stück dem Schau=Platz liefern soll. Wenn [Wen] will man dir doch gleich im *Madrigal erkiesen / In welchem du sehr weit vor Strunck die Bahn gewiesen. Spricht Stefani nicht / dir geraht’ es alles woll?32

* Recitativ

Steffani erscheint hier – wie bei Mattheson – als Autorität. Darüber hinaus suggeriert Feinds Aussage jedoch, dass der Hannoveraner Kapellmeister eine Art Mentor Keisers war, dass sich die beiden Komponisten gegenseitig wahrnahmen und dass sie sich auch persönlich kannten.33 Dazu würde die oben vorgeschlagene Interpretation des Keiser’schen Duetts als Parodie der Vorlage eines ›Meisters‹ passen. Vor diesem Hintergrund rückt nun noch ein Aspekt in den Blick. Steffanis Orlando lief als Roland seit 1696 in Hamburg und gehörte (mit einer letzten Produktion 1735) zu den populärsten Steffani-Opern am Gänsemarkt. In den 1690er-Jahren dürfte er regelmäßig gegeben worden sein, sodass das Erscheinen des Ariendrucks 1699 finanziellen Erfolg versprach. Dem Publikum dürfte das Werk gut bekannt für die Hannoveraner Hofoper; und zweitens ist die Kontrapunktik des Duettabschnitts, vor allem im Rahmen der Oper, ein Steffani’sches viel eher als ein deutsches Spezifikum. 31 Zu Feind siehe Bernhard Jahn, Artikel „Feind, Barthold“, in: MGG 2, Personenteil 6 (2001), Sp. 879–881, sowie W. Gordon Marigold, „Leben und Werke Barthold Feinds“, in: Feind, Das verwirrte Haus Jacob, Faksimiledruck der Ausgabe von 1703 (= Arbeiten zur mittleren deutschen Literatur und Sprache 11), hrsg. von dems., Frankfurt am Main 1983, S. 11–25. 32 Reinhard Keiser, Componimenti Musicali. Oder: Teutsche und Italiänische Arien, nebst unterschiedlichen Recitativen aus Almira und Octavia […], Hamburg 1706, hier im Stimmheft für Gesang und Basso continuo: „B. Feindes Lob=Schrifft Auff den berühmten Virtuosen Herrn Reinhard Keysern“, ohne Seitenzahlen. Die außer Steffani angeführten italienischen Komponisten sind Carlo Francesco Pollarolo, Ruggiero Fedeli und Giovanni Bononcini. 33 Biographisch lässt sich das bisher nicht nachweisen.

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gewesen sein, als 1697 Adonis herauskam. Die Szene zwischen Angelica und Ruggiero gehört zu den dramatischen und musikalischen Höhepunkten in Orlando. Keiser muss also einkalkuliert haben, dass seine Bezugnahme vom Publikum wahrgenommen werden würde (ein entscheidender Unterschied zum borrowingVerfahren Händels). Das legt die Frage nahe, ob er damit einen bestimmten Zweck verfolgte. Ich möchte diese Frage wie folgt bejahen: Über das Arienpaar machte Keiser seine Auseinandersetzung mit Steffani anhand eines konkreten Beispiels publik und stellte sie damit dem öffentlichen Diskurs anheim. Wir haben es hier mit einem Beispiel für eine nur schwer greifbare Form des Diskurses über Musik zu tun: nicht über begleitende Texte,34 sondern über die Wahrnehmung der Werke selbst. Dabei geht es um einen wichtigen Punkt: die Auseinandersetzung deutscher Komponisten mit ihren italienischen Vorbildern. Der Diskurs war facettenreich, er scheint beispielsweise anhand von Neuvertonungen italienischer Kantatentexte durch Keiser und Mattheson auf, die als Kompositionen „da camera“ in den aristokratisch-bürgerlichen Liebhaberkreisen Hamburgs aufgeführt und mit großer Wahrscheinlichkeit mit ihren Vorlagen verglichen wurden.35 An eine breitere Öffentlichkeit wurde dieser Diskurs aber nur ausnahmsweise herangetragen, z. B. mit Keisers Kammermusiksammlung Divertimenti serenissimi (1713).36 Angesichts von Steffanis Autoritätsstellung lässt sich das Adonis-Duett als sehr frühe öffentliche Positionierung Keisers deuten, mit dem Anspruch der Gleichrangigkeit und Eigenständigkeit gegenüber dem Vorbild. Vielleicht ist eine solche Interpretation zu hoch gegriffen. Bedenkt man aber die Rolle, die Steffani in Feinds „Lob=Schrifft“ auf Keiser noch 1706 für den Bereich Oper spielte, erscheint sie, zumindest als Arbeitsthese mit Blick auf Steffanis Einfluss, dennoch berechtigt.

34 Zu textgebundenen Öffentlichkeits- und damit Diskursformen siehe neuerdings Wolfgang Hirschmann und Bernhard Jahn, „Oper und Öffentlichkeit. Formen implizierten Aufklärens an der Hamburger Gänsemarktoper um 1700“, in: Um 1700: Die Formierung der europäischen Aufklärung. Zwischen Öffnung und neuerlicher Schließung, hrsg. von Daniel Fulda und Jörn Steigerwald, Berlin 2016, S. 184–197. 35 Für Mattheson siehe Hansjörg Drauschke, „Johann Matthesons Kantatenproduktion. Zur Auseinandersetzung Hamburger Komponisten mit einem italienischen Modell“, in: Studien zum 250. Todestag Johann Matthesons. Musikschriftstellerei und -journalismus in Hamburg (= Musik und. [sic] Neue Folge 12), hrsg. von Simon Kannenberg, Berlin 2017, S. 141–189; außerdem ders., „Die weltliche Kantate in Hamburg zwischen 1700 und 1715. Thesen zu Produktionsund Rezeptionsmodi eines aristokratischen Modells im urbanen Raum“, in: Die Kantate als Katalysator. Zur Karriere eines musikalisch-literarischen Strukturtypus um und nach 1700, hrsg. von Wolfgang Hirschmann und Dirk Rose (Druck in Vorbereitung). 36 Siehe Reinhard Keiser, Weltliche Kantaten und Arien, 2 Bde., hrsg. von Hansjörg Drauschke und Thomas Ihlenfeldt, Bd. 1: Werke aus gedruckter Überlieferung (= Musik zwischen Elbe und Oder 30), Beeskow 2012, S. Xf. Hansjörg Drauschke, „Die weltliche Kantate in Hamburg zwischen 1700 und 1715. Thesen zu Produktions- und Rezeptionsmodi eines aristokratischen Modells im urbanen Raum“, in: Die Kantate als Katalysator (wie Anm. 35).

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Zurück zu der These, dass dramaturgische Lösungen in Opern Steffanis für Zeitgenossen von Interesse waren. Bevor ich ein zweites Beispiel dafür zur Diskussion stelle, sei zunächst nochmals eine Aussage Feinds zitiert. Dieser stellte 1708 in „Gedancken von der Opera“ kritisch fest, dass sich auf der ansonsten hervorragend ausgestatteten Hamburger Bühne das Meer nicht gut darstellen ließe, und bemerkte in dem Zusammenhang: „[…] ein See=Sturm würde anitzo sehr einfältig ausfallen / der doch bey Leb=Zeiten des seligen Herrn Schotts […] in Heinrich der Leu fast surprenant heraus kam.“37

Noch 1708 konnte Feind offenbar damit rechnen, dass sich ein Großteil seiner Leserschaft an den spektakulären Beginn von Mauros / Steffanis Henrico Leone, seit 1696 als Hertzog Heinrich der Löwe (Fiedler) auf der Hamburger Bühne, erinnerte. Feind geht es jedoch nicht um die außergewöhnliche musikalische Gestaltung der Szene,38 sondern um einen anspruchsvollen Bühneneffekt, der natürlich nicht ohne die Musik rezipiert worden war und ohne diese ja auch gar nicht realisiert worden wäre. Steffanis Opern setzten also offenbar Standards für szenische Lösungen, auch wenn deren musikalische Gestaltung dabei nicht im Vordergrund stand. Streng genommen würde ein Einfluss dann eher vom Librettisten ausgehen. Die Rezeption erfolgte aber über die Kompositionen; und welchen Stellenwert Steffani dabei hatte, geht nicht zuletzt aus den Vorreden zu den für Hamburg und Braunschweig relevanten Fiedler-Fassungen hervor, in denen von der „vortrefflichen Composition des Herrn Stephani“39 bzw. von der „unvergleichliche[n] Musique […] von einem der berühmtesten Virtuosen dieser Zeit“ die Rede ist, die „veruhrsacht / daß die ganzte Version [also die deutsche Textfassung] durchgehends nach selbiger eingerichtet / und / so viel möglich / auch nicht die geringste Expression übergangen“ wurde.40 Angesichts dessen erscheint es lohnend, nach Einflüssen von Steffanis Opern auch jenseits des Musikalischen zu suchen. Hier rückt nun Mattheson näher in den Blick. Zu seinem Boris Goudenow (1710) schrieb Mattheson auch das Libretto. Die Oper ist außergewöhnlich reich an Chören und beinhaltet unter anderem auch mehrere Arien mit Chor. Mit einer solchen Arie beklagt im ersten Auftritt der Oper der alte Zar Theodorus im Beisein seiner Hofgesellschaft die seelischen Lasten, 37 Barthold Feind, Deutsche Gedichte […]. Sammt einer Vorrede Von dem Temperament und Gemüths-Beschaffenheit eines Poeten und Gedancken von der Opera, Stade 1708, S. 110. – „fast“: sehr, recht, ganz. 38 In den zweiten Teil der bei geschlossenem Vorhang gespielten französischen Ouvertüre ist am Ende ein Chor der verzweifelten Seeleute einkomponiert, während dessen sich der Vorhang hebt und den Blick auf die vom Sturm zerstörte Flotte Heinrichs freigibt. 39 Der in seiner Freyheit vergnügte Alcibiades, 1697 (deutsche Fassung von La libertà contenta, 1693): D-Hs, Ms 639/3:5, Nr. 7, NB-Vermerk unter der Personenliste auf Bl. [)(1v]. 40 Der Großmüthige Roland, 1695 (deutsche Fassung von Orlando generoso, 1691): D-Hs, Ms 639/3:4, Nr. 65, „Geneigter Leser“, Bl. (A)2r. Die Aussage bezieht sich auf Der Hochmüthige Alexander, 1695 (deutsche Fassung von La superbia d’Alessandro, 1690) und Orlando / Roland.

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die sich hinter den „Steine[n], die die Krone zieren“ verbergen (der Text ist unten zusammen mit seinem mutmaßlichen Vorbild wiedergegeben). Man ist zunächst geneigt, für den Solo-Chor-Wechsel in dieser Arie ein allgemeines französisches Modell anzunehmen, wie es etwa in den Prologen zu Lullys Opern zu finden ist; das umso mehr, als der Auftritt bereits mit einer Arie mit Chor eröffnet wird, in der Großfürstin Irina und die Hofgesellschaft die „hochbeglückten Zeiten“ der aktuellen Regierung preisen. Die Eröffnungsszene ließe sich als französisch geprägtes Tableau interpretieren. Eine auffällige textliche Analogie der Zarenarie zur Arie „Tra le guerre e le vittorie“ („Meiner Waffen kühnes Siegen“) in Mauros (Fiedlers) / Steffanis Alessandro / Alexander weist aber in eine andere Richtung. Mattheson scheint für Theodorus’ Chorarie auf genau diesen Text zurückgegriffen zu haben: 4

1

4

2

4

Mattheson, Boris Goudenow, I,141

Mauro, La superbia d’ Alessandro (Hannover 1690), I,842

Fiedler, Der hochmüthige Alexander (Hamburg 1695), I,843

Theodorus Steine, die die Krone zieren,

Alessandro Tra le Guerre e le Vittorie,

Decken innerlichen Brand.

Fama eterna il Ciel mi da,

Chor Hände, die den Szepter  führen, Halten ein gefährlichs  Pfand.

Choro Chi s’ agguali à le tue  Glorie, L’universo ancor non hà,

Chor Dein Gerüchte kan jetzt  fliegen Höher / als der  ­Sonnen=Licht.

Theodorus Perlen Haufen?

Alessandro Lauri, e Palme,

Alexander Lorber=Cronen

Chor Machen Tränen Quellen  laufen.

Choro Fregi son dele Grand’Alme

Chor Pflegen Helden zu  belohnen.

Theodorus Güld und Seiden?

Alessandro Stati, e Regni,

Alexander Land und Leute

Chor Hüllen viel verborgnes  Leiden.

Choro Premi son’ de’ cor’ più  degni,

Chor Fallen tapfren Muht zur  Beute.

Theodorus Auf dem Thron, der hoch  erhaben?

Alessandro L’Ampio Gange, il mar  profondo,

Alexander Ganges nebst der Thetis  Gründen

3

Alexander MEiner Waffen kühnes  Siegen Scheut den Todt nun selber  nicht.

41 Text nach dem Partiturautograf (D-Hs, ND VI 114) in normalisierter Orthographie; kein Librettodruck. 42 D-W, Textb. 359. 43 D-Hs, MS 639/3:4, Nr. 63. © 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847107095 – ISBN E-Book: 9783847007098

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Chor Ist ein Fallbrett zugericht.

Choro Tutto cede al tuo valor,

Chor Müssen dir Gehorsahm  seyn.

Theodorus Will man sich am Purpur  laben?

Alessandro Se vi fosse vn altro mondo,

Alexander Wär’ ein’ and’re Welt zu  finden

Chor Der verblendet das Gesicht.

Choro Fora angusto al tuo gran  cor[.]

Chor Ist sie dir doch viel zu klein.

Matthesons Arie entspricht bis ins metrische Detail derjenigen von Mauro bzw. Fiedler. Das ist umso bemerkenswerter, als es zwar auch einige strukturelle Analogien in der Arienkomposition gibt, diese Analogien aber die metrische Identität der beiden Texte keineswegs voraussetzen würden (siehe Notenbeispiele 3 und 4).44

44 Für Alessandro wurde das Autograf (London, British Library, R.M. 23.f.12–14) benutzt; einspielung von „Tra le guerre“ mit I Barocchisti unter Diego Fasolis auf Mission, DECCA 4784732, 2012. Einspielung des Boris Goudenow mit Cythara-Ensemble und Kantorei St. Jacobi Hamburg unter Rudolf Kelber, edition jacobi RP 15287.

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NB. 3: Steffani, La superbia d’Alessandro, I. Akt, 8. Szene, Arie „Tra le guerre e le vittorie“, T. 1–10

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NB. 4: Mattheson, Boris Goudenow, I. Akt, 1. Szene, Arie (Theodoro col coro) „Steine, die die Krone zieren“, T. 1–8

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Ebenso wie Steffani beginnt Mattheson mit einem Solo über zwei Takte, wobei der Gesang jeweils einen langen Auftakt hat. Es folgen jeweils ein homophoner Chorblock (bei Steffani reichlich, bei Mattheson genau zwei Takte lang), ein knapper Einwurf des Solisten und dann der nächste Chorabschnitt, dessen Satz polyphon aufgelockert wird, bei Mattheson erwartungsgemäß viel zurückhaltender als bei Steffani, der außerdem den Solisten ausdrücklich in das Ensemble einbezieht. Dem stehen freilich gravierende Unterschiede gegenüber: verschiedene Taktarten, nicht miteinander verwandte Melodiebildungen, unterschiedliche Textverteilungen auf die Abschnitte. Mattheson komponierte seinen Text ohne Phrasenwiederholungen, wir haben es hier also formal mit einer direkten Umsetzung der Dialogsituation zu tun. Steffani dagegen benutzte „Tra le guerre“ als Grundlage für einen reichhaltig ausgestalteten Satz und wiederholte einzelne Phrasen ausführlich; auf diese Weise wird vor allem die „fama eterna“ des Herrschers in ein prachtvolles klangliches Gewand gehüllt. Die Arien unterscheiden sich auch in der Großform. Steffani komponierte den Text in einer einteiligen Anlage durch, während Mattheson seine Arie als zweiteilige Tanzform mit jeweils wiederholten Teilen gestaltete, die auf dem Rhythmus der italienischen Giga basiert, der allerdings langsamer gemeint sein dürfte als für diesen Tanz normalerweise üblich.45 Akzeptiert man die These, dass Mattheson den Fiedler- bzw. den Mauro-Text nachgestaltete, dann erhebt sich, zumal angesichts der musikalischen Parameter, auch hier die Frage, warum er das tat. Er muss Alessandro gut gekannt haben, vermutlich war er an Aufführungen in den 1690er-Jahren selbst beteiligt. Der dramaturgische Effekt der Hochmutsarie Alessandros könnte einen nachhaltigen Eindruck auf ihn hinterlassen haben: Die Charakterisierung einer Person wird hier mit dem Solo dieser Person und dem antwortenden Chor auf zwei einander ergänzende Ebenen verteilt, sie konstituiert sich also, ausgesprochen klangmächtig, in der Wechselrede. Analog zu dem für Keiser diskutierten Beispiel sind nun auch hier die dramatischen Situationen bei Mauro / Steffani und Mattheson vergleichbar. Wie in Alessandro, hält auch in Boris Goudenow ein Herrscher mit Vertretern seines Hofstaates Wechselrede, dabei wird eine spezifische Eigenschaft dieses Herrschers zum Ausdruck gebracht. Matthesons Nachbildung stellt aber, auch das ist dem oben diskutierten Keiser-Beispiel vergleichbar, von vornherein eine kreative Anverwandlung der Vorlage dar, ungeachtet der strukturellen Gleichheit der Texte. Bei Mauro / Steffani repräsentiert der Chor die Hofgesellschaft, die eine Alessandros „superbia“ entsprechende Reaktion zeigt: „ALexander lobet sich selbst; seine Bediente rühmen Ihn deßgleichen“, wie es in der deutschen Szenenbeschreibung

45 Zu den verschiedenen Ausprägungen der Gigue / Giga / Jig siehe Mattheson, Capellmeister (wie Anm. 19), S. 227f., § 102; Carol G. Marsh, Artikel „Gigue“, in: MGG 2, Sachteil 3 (1995), Sp. 1324–1329.

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im Hannoveraner Libretto heißt.46 Anders bei Mattheson. Zwar entspricht der Chor auch hier von der Szene her der Hofgesellschaft, der Zar tritt aber gar nicht mit dieser Gesellschaft in einen Dialog, sondern hält Wechselrede mit sich selbst. Die Antworten auf seine jeweils ausdrücklich gekennzeichneten Fragen sind Antworten, die er sich aus seiner Erfahrung als Herrscher selbst gibt. Der Chor repräsentiert die innere Stimme des Zaren. Die Wechselrede zwischen Solist und Chor entspricht damit einer Selbstreflexion, in der Theodorus’ Resignation angesichts der Last der Regierung zum Ausdruck kommt, ebenfalls eine herrscherliche Schwäche also, wie bei Alessandro, die in der Folge dazu führt, dass der Zar seine Nachfolge nicht klärt und so dem listigen Boris die Möglichkeit zur Machtergreifung schafft. Eine solche inhaltliche Gestaltung einer Chorarie ist möglicherweise in der Hamburger Oper einmalig (jedenfalls ist mir kein analoger Fall bekannt). Sie ist auch nicht typisch für die französischen Opern bzw. Divertissements. Eher könnte hier die Vorstellung vom antiken Chorus Pate gestanden haben, das wäre allerdings näher zu untersuchen.47 Die Form und ihre Verwendung für eine den Herrscher charakterisierende Solo-Chor-Anlage gehen aber mit großer Wahrscheinlichkeit auf Mauros Alessandro zurück, den Mattheson über die Aufführung von Steffanis Komposition kennenlernte. Das dramaturgische Modell übernahm er unabhängig von der musikalischen Gestaltung Steffanis. In den vorstehenden Ausführungen habe ich Sätze in Steffanis Opern, die über rein musikalische Parameter hinausgehend spezielle dramaturgische Lösungen bieten, Sätzen deutscher Komponisten gegenübergestellt, für die Steffani als Modell gedient haben dürfte. In einem Falle (Keiser) ist der Nachweis der Modellfunktion meines Erachtens eindeutig, mit dem zweiten Fall (Mattheson) habe ich die Perspektive auf das „Modell Steffani’sche Oper“ auch auf den textlichen Bereich ausgeweitet. Hinter diesem Ansatz steht die These, dass ein Komponist wie Steffani, der von Zeitgenossen immer wieder als Autorität zitiert wird, seinen Status nicht zuletzt durch individuelle dramaturgische Lösungen konstituierte und dass sich eine Modellfunktion gerade auch auf solche Lösungen gründen müsste. Das umso mehr, als Steffani in Braunschweig und Hamburg – zwei entscheidenden Zentren der deutschen Opernentwicklung in den Jahrzehnten um 1700 – ab 1695 über einen langen Zeitraum mit mehreren Werken auf der Bühne präsent war und damit eine auf intensiver Kenntnis seiner Opern basierende nachhaltige Wirkung entfalten konnte. Selbstverständlich können zwei, zumal recht unterschiedliche Beispiele nicht zum Beweis dieser These ausreichen. Sie können aber, und das ist das Ziel dieses Aufsatzes, den Blick für die Parameter einer Breitenwirkung Steffanis (und natürlich auch anderer Komponisten) weiten. Besonders spannend erscheint mir 46 Ortensio Mauro, La superbia d’Alessandro, Hannover 1690, Bl. [C4]r. 47 Ausführlicher wird das Thema in meiner Dissertation Die Opern Johann Matthesons 1699–1711 behandelt (erscheint 2017 bei Georg Olms, Hildesheim).

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dabei der Versuch, Beobachtungen am textlichen oder / und musikalischen Material mit zeitgenössischen Aussagen in Beziehung zu setzen, auch wenn diese sich nicht direkt auf die untersuchten Szenen beziehen. An den hier einbezogenen Zitaten Telemanns, Matthesons und Feinds wird das weite Spektrum an Bezügen auf Steffani deutlich, in das sich auch die beiden diskutierten Beispiele einfügen lassen. Ob Keisers Auseinandersetzung mit Steffani auf einem Lehrer-Schüler-Verhältnis basiert, bleibt Forschungsdesiderat. Keisers Publikmachen dieser Auseinandersetzung vor dem Hamburger Opernpublikum über die gut identifizierbare Parodie einer Steffani’schen Arie bzw. Szene lässt sich aber in die vor allem anhand der Hamburger Kantatenproduktion nachweisbaren Profilierungsstrategien deutscher Komponisten gegenüber ihren italienischen Vorbildern einordnen. Weiterführende Forschungen zu Steffani selbst und zu seinem Umfeld versprechen hier noch intensivere Einblicke in die faszinierenden Produktions- und Rezeptionsprozesse in einer urbanen Metropole um 1700, in einen Bereich der europäischen Musikgeschichte also, der nach wie vor weitgehend im Dunkeln liegt.

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Wolfgang Hirschmann

Steffanis Rezitativ – ein Modell für deutsche Komponisten?

Das Fragezeichen im Titel meines Beitrags ist kein rhetorisches, sondern in mehr als einer Hinsicht ernst gemeint: zum einen, weil ich keine eindeutige Antwort auf die gestellte Frage werde geben können, zum anderen, weil ich die nachfolgenden Ausführungen eher als eine erste Problemskizze verstehe, die sich an alle wendet, die sich genauer bei Steffani einerseits und der deutschsprachigen Opernkomposition um und nach 1700 andererseits auskennen als ich. Ich hoffe, kurz gesagt, sehr auf eine weiterführende Diskussion der gestellten Frage und möchte zu deren ‚Befeuerung‘ einige Gedanken und Materialien ausbreiten. Für die Annahme, dass Steffanis Opernrezitativ auf Bühnen mit deutschsprachigem Musiktheater intensiv rezipiert wurde, spricht zunächst die Überlieferungssituation: Die in Hamburg, Braunschweig und andernorts zwischen 1695 und 1735 gespielten deutsch- und gemischtsprachigen Aufführungen der Hannoveraner Opern Steffanis bieten nicht nur die Musik der Arien, sondern auch die der Rezitative in ihrer ursprünglichen Form.1 Dies geschieht zwar mit Modifikationen und Kürzungen; aber anders etwa als es die Praxis bei den späteren Hamburger Händel-Bearbeitungen war, in denen die deutschsprachigen Rezitative neu komponiert wurden, wurde bei Steffanis Opern – wie übrigens auch bei der ersten Hamburger Bearbeitung einer Händel-Oper, des Rinaldo, durch Barthold Feind,2 und der Adaption der Tragédie en musique Achille & Polixene von Lully / Colasse3 – die kompositorische Substanz der Rezitative erhalten und der deutsche Text auf Kontra-

1 Musikalisches Quellenmaterial, das diese Feststellung stützen kann, ist überliefert zu folgenden Bearbeitungen: Heinrich, der Löwe (Braunschweig 1716), Der in seiner Freyheit vergnügte Alcibiades (Hamburg 1697) sowie Il triumfo del fato oder Das mechtige Geschick bei Lavinia und Dido (Hamburg 1699). Zur Aufführungsgeschichte und Überlieferungssituation vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque. Agostino Steffani and His Music, New York 2003, S. 207f. und S. 328–332. Zu Bezugnahmen auf dramaturgische Modelle Steffanis in Opern Reinhard Keisers und Johann Matthesons vgl. den Beitrag von Hansjörg Drauschke im vorliegenden Band, S. 263–294. 2 Vgl. Hans Joachim Marx/Dorothea Schröder, Die Hamburger Gänsemarkt-Oper. Katalog der Textbücher (1678–1748), Laaber 1995, S. 325. 3 Ebd., S. 27.

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fakturbasis an die vorgegebenen Rezitativkompositionen angepasst. Feind hat seine Entscheidung, Händels Musik zum Rinaldo vollständig zu übernehmen, u. a. damit begründet, es sei ihm wichtig, dass „kein eintziger Thon von diesem vortrefflichen Mann verlohren gehen möchte“;4 einen ähnlichen Anspruch wird man bei Steffani annehmen können. Man darf davon ausgehen, dass seine Rezitativgestaltung in solchem Maße als dramaturgisch konstitutiv und effektvoll, zugleich kompositorisch wertvoll angesehen wurde, dass man nicht auf sie verzichten wollte. Das heißt freilich noch lange nicht, dass sich deutsche Komponisten für ihre eigenen musiktheatralischen Produktionen Steffanis Rezitativstil als Vorbild, Muster oder Modell nahmen. Es ist genauso denkbar, dass man seine Rezitative als gelungene Realisationen eines kunstvollen und anrührenden Gesangs zwischen Singen und Sprechen angesehen oder gar angestaunt hat, ohne nun gleich seine Art und Weise, Rezitative zu komponieren, zu kopieren oder Elemente daraus in die eigene Rezitativkomposition zu integrieren. Der im Titel des Vortrags verwendete Modellbegriff schließt beide Möglichkeiten ein: die mehr oder minder getreue Stilkopie wie auch die selektive Aneignung einzelner Elemente. Für den letztgenannten Fall könnte man Athanasius Kircher als Kronzeugen aufrufen, der 1650 in seiner Musurgia universalis seinen komponierenden Zeitgenossen empfiehlt, sich jenes Imitationsverfahrens zu bedienen, dass bei den Dichtern und Rednern üblich sei, nämlich die Methode eines „multae lectionis studium“5 – übertragen auf die Musik eines intensiven Partiturstudiums. Bemerkenswerterweise liefert Kircher eine nähere Bestimmung, wie diese Nachahmung auf der Grundlage eines genauen Studiums der Musikliteratur auszusehen habe: „Voco imitationem, dum quis varios praeclarissimorum symphonetarum stylos minutim discutit, singula studiosè examinat, & singularia in ijs occurrentia in proprios vsus convertit“6 – ich nenne Nachahmung, wenn jemand die verschiedenen Schreibarten der bedeutendsten Komponisten genauestens betrachtet, deren Besonderheiten fleißig studiert und die dabei zu Tage tretenden Einzelheiten in den eigenen Gebrauch übernimmt. Dem „minutim discutere“ der verschiedenen Schreibarten folgte also das „studiose examinare“ einzelner Stilmomente, diesem schließlich das „singularia

4 [Barthold Feind], Kurtzer Vor-Bericht, in: RINALDO, Musicalisches Schau-Spiel / Auf dem grossen Hamburgischen Theatro / Im Monath Novembr. 1715. HAMBURG, gedruckt bey Friderich Conrad Greflingern, ohne Paginierung. Zu ähnlichen Stellungnahmen in den Vorreden Fiedlers zu seinen Steffani-Bearbeitungen vgl. den Beitrag von Hansjörg Drauschke im vorliegenden Band, S. 283 sowie Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 207 und 378. Zur Bearbeitungspraxis bei Feind, auch im Vergleich mit Bearbeitungen Steffani’scher Opernrezitative, vgl. Hansjörg Drauschke, Händels Opern in Hamburg: Aspekte der Bearbeitung und Anverwandlung, in: Händel-Jahrbuch 57 (2011), S. 147–173. 5 Athanasius Kircher, Musurgia universalis, Rom 1650, Nachdruck Hildesheim 1970, 7. Buch, S. 564. 6 Ebd.

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in proprios usus convertere“, die abschließende Integration ausgewählter Elemente in den eigenen Stil und ihre Funktionalisierung für die eigene Gestaltungsabsicht.7 Man sieht, wie komplex sich unter diesen Voraussetzungen kompositorische Prozesse vollziehen. Hinter den mehr oder minder offensichtlichen borrowings liegt eine wesentlich grundsätzlichere Schicht von Bezugnahmen, bei denen einzelne extrahierte satztechnische Elemente aus verschiedenen Kompositionen neu kombiniert und amalgamiert werden. Derartige Vorgänge auf analytischem Wege aus der Distanz von mehreren hundert Jahren und angesichts dramatischer Überlieferungslücken rekonstruieren zu wollen, erscheint mir fast als ein Ding der Unmöglichkeit. Denn letztlich müsste man, um hier auf einer soliden analytischen Basis arbeiten zu können, wissen, über welchen aktuellen Werkhorizont und welches Elementtableau ein Komponist in dem Moment verfügte, in dem er eine neue Opernpartitur gestaltete. Die Überlieferung der frühen Hamburger Opernmusik vor 1700 ist gerade im Bereich des Rezitativs so spärlich, dass wir nicht einmal den Standard rekonstruieren können, der, sagen wir, um 1690 dort üblich war. Wir können die vielgestaltige und satztechnische reiche Rezitativgestaltung in Conradis Ariadne8 von 1691 bewundern, können aber letztlich nicht entscheiden, ob wir es dabei mit einem Sonderfall oder dem Normalfall Hamburger Opernmusik dieser Zeit zu tun haben – ja, wir können nicht einmal sagen, ob es so etwas wie eine ‚kompositorische Norm‘ gab. Und auch die Frage nach dem Modellbezug des in der Oper greifbaren vielgestaltigen Rezitativstils bleibt offen: Wo liegen etwa die aktuellen italienischen Modelle für ein Accompagnato wie das der erwachenden und von Theseus verlassenen Ariadne9 gegen Ende der Oper? Ähnliche Probleme werden bei den Opernkompositionen Georg Philipp Telemanns greifbar. Telemann hatte eigenen Aussagen zufolge in seiner Zeit als Schüler in Hildesheim die Kapellen in Braunschweig und Hannover besucht und hebt in seiner Autobiographie 1740 hervor, dass er „dort die frantzösische, und hier die theatralische; bey beiden aber überhaupt die italiänische näher kennen, und unterscheiden zu lernen“10 Gelegenheit hatte. Es waren dies die Jahre 1697 bis 1701;   7 Vgl. vom Verfasser: „Polemik und Adaption. Zur Kircher-Rezeption in den frühen Schriften Johann Matthesons“, in: Neues Musikwissenschaftliches Jahrbuch 5 (1996), S. 77–91; „Eklektischer Imitationsbegriff und konzertantes Gestalten bei Telemann und Bach“, in: Bachs Orchesterwerke. Bericht über das 1. Dortmunder Bach-Symposium 1996, hrsg. von Martin Geck, Witten 1997, S. 305–319.   8 Johann Georg Conradi, Die schöne und getreue Ariadne (Boston Early Music Festival Opera Series 1), hrsg. von Paul O’Dette, Stephen Stubbs und Jörg Jacobi, Bremen 2006.   9 Ebd., S. 220–226. 10 Autobiographe 1740, zitiert nach: Georg Philipp Telemann, Singen ist das Fundament zur Music in allen Dingen. Eine Dokumentensammlung (= Taschenbücher zur Musikwissenschaft 80), Wilhelmshaven 1981, S. 198. In seiner Autobiographie von 1718 schreibt Telemann, er habe bei der Hannoveraner Hofkapelle „Licht im Frantzösischen“, bei der Wolfenbüttelischen „im Italiänischen und Theatralischen Goût“ bekommen, „bey beyden aber […] die diversen Naturen verschiedener Instrumente“ kennengelernt (Singen ist das Fundament, S. 94).

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Opern Steffanis dürfte er in dieser Zeit in Hannover nicht gehört haben, führt aber an gleicher Stelle Steffani, Rosenmüller, Corelli und Caldara als diejenigen Komponisten an, die er sich in Hildesheim „zu Mustern“ gewählt habe, „um meine künfftige Kirchen- und Instrumental-Music darnach einzurichten“.11 Zu gerne würde man Rezitativkompositionen aus Opern seiner Leipziger Zeit (1701–1705) kennen, um sie auf mögliche Bezüge abzuklopfen, aber die Überlieferung beschränkt sich auf Arien.12 Das nach heutigen Kenntnissen früheste vollständig erhaltene musikdramatische Werk Telemanns stammt aus der Zeit zwischen 1713 und 1716, und es ist auch keine Volloper, sondern ein einaktiges Schäferspiel, die „Pastorelle en musique oder Musikalisches Hirtenspiel“.13 Aber was macht eigentlich die Eigenart von Steffanis Rezitativkomposition aus? Welche spezifischen Elemente konnte man aus seinen Rezitativen entnehmen, die nicht auch bei anderen Meistern zu finden waren? Was konnten Komponisten anhand seiner Rezitative lernen, was sie bei anderen Komponisten nicht lernen konnten? Eine allgemeine Antwort läge darin, dass sie lernen konnten, wie man sein Rezitativ musikalisch vielgestaltig und abwechslungsreich gestaltet und den satztechnischen Reichtum zugleich in den Dienst der dramatischen Aussage stellt. Man wird sofort einwenden, dass das ein viel zu allgemeines Merkmal sei, das doch wohl für jeden guten Opernkomponisten der Zeit gelten solle. Das ist aber, soweit ich sehe, keineswegs so. Das Rezitativ muss nicht immer mit solcher satztechnischen Opulenz, musikalischen Abundanz, sängerischen Expressivität und dramatischen Wucht daherkommen wie bei Steffani, damit eine Oper in der Zeit um 1700 ‚gelingen‘ kann. Die Unterschiede zwischen Steffanis breiter Palette und dem engeren Gestaltungsradius bei anderen Komponisten der Zeit lassen sich an den Extremausprägungen verdeutlichen. Natürlich gibt es bei Steffani auch Rezitative in einem schlicht syllabischen Parlando-Stil. Wenn aber höchste Expression gefragt ist, dann greift Steffani mit einer Intensität und musikalischen Sensibilität auf ältere und neuere Gestaltungsmittel zu, die außergewöhnlich und eigentümlich ist. Es sei in diesem Zusammenhang das Rezitativ der Timea aus der 7. Szene des II. Aktes von La libertà contenta näher betrachtet (Notenbeispiel 1).14 Folgende Stilmerkmale sind auffällig: 11 Ebd. 12 Vgl. Michael Maul, Barockoper in Leipzig (1693–1720), Textband, Freiburg i. Br. u. a. 2009, S. 617–817. 13 Vgl. Georg Philipp Telemann, Pastorelle en musique oder Musikalisches Hirtenspiel (= Georg Philipp Telemann, Musikalische Werke 64), hrsg. von Christin Wollmann, Kassel u. a. 2014, Vorwort, S. IX–XIII. 14 Übertragung der Szene nach dem Autograph der British Library, London, R.M. 23.h.19–21, hier: 23.h.20, S. 34–38. Colin Timms und Hansjörg Drauschke danke ich in diesem Zusammenhang für freundliche Unterstützung bei der Ausarbeitung und Herstellung der Notenbeispiele.

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1. die überaus reiche Durchsetzung des Rezitativs mit unterschiedlichsten melismatischen Prägungen; jedes Melisma ist etwas anders gearbeitet  – dieses Differenzierungsprinzip ist vom Text nicht vorgegeben, es ist, wie mir scheint, in erster Linie ein rein musikalisches Verfahren, in dem sich sängerische Virtuosität frei und vielgestaltig entfalten kann (und soll). Das zeigt sich besonders am Ende des Rezitativs in der ausgedehnten fünftaktigen Schlusskadenz über „le nostre doglie“ (T. 37–41). Hier ist ein kompositorisches Denken am Werk, das autonom-musikalische Gestaltungsverfahren in einer eigentlich hochgradig textbestimmten Kompositionsform zur Geltung bringt. In diesen Zusammenhang gehört auch die Beobachtung von Colin Timms, dass die Melismen „usually employ intricate syncopation, often at the level of the semiquaver, demanding exceptional energy in performance“.15 Diese extravagante Synkopierungspraxis kommt in T. 20 und T. 36 besonders zum Tragen. 2. Auf einer zweiten Ebene sind diese Melismen Bestandteile einer detaillierten musikalisch-rhetorischen Exegese des Textes. Affekt- oder Bewegungswörter werden durch sie hervorgehoben, etwa kurz vor der Schlusskadenz „feroci assai“ (sehr wild, T. 36) oder zuvor „squarcia“ (zerreißt, T. 27) und „stacca“ (trennt, T. 20). Sie sind auch Teil von Steigerungsfiguren, so etwa bei der Wiederholung von „non son io più“ (T. 12f.), die durch Ambitusausweitung und erhöhte Melismatik intensiviert wird, treten genauso aber bei kleineren nuancierenden Betonungen auf, etwa bei „abbandoni“ (T. 5). 3. Aber auch die syllabischen Partien dieses Rezitativs zeigen Besonderheiten: Tonwiederholungen sind selten, Sprünge häufig, was sich nicht nur aus der extrem angespannten seelischen Situation der Timea erklärt in ihrer Enttäuschung über gleich zwei untreue und wankelmütige Männer, sondern dem auch ein autonom musikalisches Kalkül inhärent ist – denn ähnlich wie bei den vielgestaltigen Melismen ermöglicht die breite Palette von Intervallkonstellationen eine Differenzierung der Rezitativmelodik bis an den Rand der Integration und formalen Balance. Wenn solch ein Rezitativ nicht extrem gut gesungen wird, zerbricht es in seine heterogenen Elemente. 4. Konsequenz und Komplement dieses Verfahrens sind die reichen Registerwechsel, sei es als Neuansätze in unterschiedlichen Lagen (etwa ab „infelici bellezze“, T. 8–10), sei es innerhalb einer Linie, wie etwa gleich zu Beginn (T. 1f.), wo in dem eigentümlichen Rahmenintervall einer Non rasch zwischen tieferer, mittlerer und hoher Lage changiert wird. Auch hier geht es um rhetorische Textgestaltung (etwa zur Verdeutlichung von adversativen Prägungen), aber eben nicht nur – die Komposition zielt auch darauf ab, die melodisch-gesanglichen Gestaltungsmöglichkeiten bis an ihre Grenzen auszuloten.

15 Timms, Polymath (wie Anm. 1), S. 182.

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5. Die satztechnische Basis dieses sich ebenso frei wie artifiziell entfaltenden Gesanges stellt der Haltetonsatz im Generalbass dar, der nur selten von schnelleren Ton- und Harmoniewechseln oder motivischen Prägungen (im Sinne eines Arioso) abgelöst wird.

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NB. 1: Steffani, La libertà contenta, II. Akt, 7. Szene, Rezitativ „Alcibiade infedel, Agi incostante“ und Arie „Le mie prede mi son care“ (1. Strophe)

Eine solche musikalische Opulenz verbunden mit hoher rhetorischer Expressivität macht den Charakter des Steffani’schen Rezitativs aus; die Verfahren, die er dabei anwendet, gemahnen an das ältere monodische Rezitativ – wenn Sie so wollen, lässt hier Monteverdi von ferne grüßen. In der Freiheit und Vielgestaltigkeit der melodischen Bewegung – in dem musikalisch autonomen Anteil – geht Steffani indes über ältere Modelle hinaus; hier wirkt diese Rezitativtechnik dann wieder sehr modern, vor allem aber sehr eigen, ja hochgradig individuell.16 Die Recherche nach einem Einfluss Steffanis auf die deutsche Rezitativkomposition könnte auf der Basis dieses Befunds in zwei Richtungen gehen, eine allgemeinere und eine speziellere: Die speziellere würde nach Rezitativen deutscher Komponisten suchen, welche die eben dargestellte Art des artifiziell-expressiven Rezitativs nachahmen; die allgemeinere nach Rezitativkompositionen Ausschau halten, die wie Steffani vielgestaltige melismatische und syllabische Gestaltungselemente in eine prekäre und gerade deshalb ästhetisch so reizvolle Balance bringen. Bevor ich auf diese beiden Möglichkeiten zu sprechen komme, würde ich gerne noch eine weitere Frage anschneiden, die nach der nationalstilistischen Orientierung des Steffani’schen Rezitativstils. Silke Leopold hat mit anderen darauf hingewiesen, dass Steffani eine „zwischen französischer und italienischer Musik changierende Schreibart“ kultiviert und dadurch Komponisten „im protestantischen Norden des 16 Ob Steffani tatsächlich nicht über Cavallis Vorgaben hinausgeht, wie dies die Formulierung von Timms nahelegt, „the melodic quality of his ‚secco’ recitative‘“ sei „clearly related to the style of Cavalli“ (ebd.), sei an dieser Stelle zur Diskussion gestellt. In dem hohen Anteil autonommusikalischer Formungsverfahren scheint mir auch – bei aller Ähnlichkeit in der textbezogenrhetorischen Vorgehensweise – der entscheidende Unterschied zu dem Rezitativ von Giovanni Legrenzi zu liegen, das Reinhard Strohm hellsichtig analysiert hat (Artikel „Rezitativ“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG 2), Sachteil, Bd. 8, Kassel u. a. 1998, Sp. 231f.).

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deutschen Reiches“ beeinflusst habe.17 Gilt dies auch für das Rezitativ? Komponiert Steffani ein gemischt italienisch-französisches Rezitativ? Ich würde diese Frage dezidiert verneinen, denn ich kann mir kaum ein stärker ‚italienisch‘ geprägtes Rezitativ denken als das gerade analysierte Beispiel. Tatsächlich ereignet sich die Stilmischung bei Steffani im vorliegenden Beispiel nicht innerhalb des Rezitativs, sondern in der Kontrastierung mit der nachfolgenden Arie18 (siehe Notenbeispiel 1): Pointiert gesagt, wird in dieser Szene ein ausgeprägt italienisches Rezitativ mit einem zweiteiligen Air kombiniert – einer gesungenen Bourrée. Und die französische Prägung dieser Arie wird fast programmatisch dadurch verdeutlicht, dass im Ritornell das typisch französische Bläsertrio (zwei Oboen und Fagott) zum Einsatz kommt. Steffanis italienisch-französische Stilmischung zielt in vielen Fällen nicht auf eine Synthese, die die verschiedenen Elemente wie in einem Amalgam ineinander führt und dadurch gleichsam unsichtbar macht, dissimuliert, sondern auf einen großflächigen Wechsel, ein ‚Changieren‘, bei dem die Provenienz der einzelnen Zutaten offensichtlich war und wohl auch sein sollte.19 Wie gesagt – das Publikum wie die Musiker an den deutschsprachigen Opernbühnen der Zeit konnten diese großartigen Rezitative auch mit deutschen Texten erleben, und zwar von den 1690er- bis in die 1730er-Jahre. Wie aber wurden sie gehört, wie wurden sie aufgenommen, als wie mustergültig wurden sie angesehen? Notenbeispiel 2 zeigt ein Rezitativ aus der Braunschweiger Bearbeitung von Steffanis Henrico Leone,20 die 1716, also über 25 Jahre nach der Hannoveraner Uraufführung, gespielt wurde. Die kompositorische Substanz der Musik Steffanis ist weitestgehend übernommen worden, der Text deutsche Kontrafaktur.

17 Silke Leopold, Artikel „Steffani“, in: MGG 2, Personenteil Bd. 15, Kassel u. a. 2006, Sp. 1368. Vgl. dazu neuerdings Reinmar Emans, Die Welfenhöfe als Impulsgeber? Deutschland und der vermischte Geschmack in der Musik, in: Schauplatz der Verwandlungen. Variationen über Inszenierung und Hybridität, hrsg. von Kazuhiko Tamura, München 2011, S. 172–184; ders., Vermischter Stil, in: Schütz-Jahrbuch 34 (2012), S. 49–63. 18 Diese Arie wurde später von Händel adaptiert, vgl. den Beitrag von John H. Roberts im vorliegenden Band, S. 329–330. 19 Darin sehe ich einen Unterschied zu der Stilmischung in der nach 1680 geborenen deutschen Komponistengeneration, die nicht nur auf ein Changieren zwischen den Stilen, sondern in weitaus stärkerem Maße und mit nachgerade programmatischer Intensität auf Synthesen ausgerichtet ist. Es geht dabei nicht mehr nur um einen vermischten Stil, sondern mehr noch um einen vermischten Geschmack. 20 Edition: Agostino Steffani. Oper. Enrico Leone (Heinrich der Löwe) (= Musikalische Denkwürdigkeiten 1), hrsg. von Theodor Wilhelm Werner, Hannover 1926, S. 34f. Der Notentext wurde revidiert nach dem Braunschweiger Libretto und der in Schwerin an der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern aufbewahrten Partitur, Mus. 5261, S. 32. Es steht außer Frage, dass die deutschsprachigen Steffani-Bearbeitungen rezeptions- und kulturgeschichtliche Dokumente ersten Ranges sind; auch sie müssen Teil einer nach wie vor dringend benötigten Gesamtausgabe der Opern Steffanis sein.

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NB. 2: Steffani, [Henrico Leone] Heinrich der Loewe, I. Akt, 9. Szene, Rezitativ „Du Gegend, die mich sonst gespeist mit tausend Lüsten“

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Die eben exponierten Eigenarten von Steffanis Rezitativgestaltung finden wir hier allesamt wieder, und die deutsche Übersetzung ist so gearbeitet, dass sie die Affektund Bewegungswörter analog zur italienischen Vorlage setzt; so folgt etwa der bildhaften Ausdeutung von „ihr Lüffte“ durch eine pendelnde, gleichsam schwebende Koloratur (T. 11) die kompositorische Umsetzung des „Seufzens“ durch eine scharf kontrastierende Reduktion der Bewegung sowie Chromatik, Tritonus und fallende Intervallik (T. 12f.). Ich muss gestehen, dass ich kein neu komponiertes deutschsprachiges Rezitativ kenne, das exakt diesen Stil aufgegriffen hätte. Um 1716 war auch in Deutschland in der Opernkomposition ein weitestgehend syllabischer Rezitativstil nach neuerem italienischem Vorbild mit stark konventionalisierten Kadenzformeln üblich. Die fein ziselierte Melismatik eines Rezitativs wie des vorliegenden wurde wohl im Jahr 1716 in Braunschweig eher als Besonderheit, als preziöser Anachronismus, als eine Art der Rezitativkomposition rezipiert, die gleichsam aus der Zeit gefallen war und vor allem mit ihrem Schöpfer identifiziert wurde, ohne dass sie als Muster dienen konnte oder sollte. So erscheint mir also die gerade genannte Möglichkeit einer speziellen Modellwirkung eher unwahrscheinlich. Bliebe der zweite Weg einer eher allgemeinen Adaption von Gestaltungsprinzipien, die im Rezitativ auf die prekäre Balance von heterogenen Elementen im Rahmen einer verstärkt autonom-musikalischen Gestaltungsabsicht setzen. Und hier kommt abschließend noch einmal Telemann ins Spiel. Das Notenbeispiel 3 zeigt das erste Rezitativ aus der bereits erwähnten Pastorelle en musique,21 1713 oder etwas später entstanden. Wir sehen hier, wie auf engem Raum gleich drei verschiedene Gestaltungsverfahren aufeinander bezogen werden: ein syllabischer Beginn, der mit einer typisch italienischen Kadenz abgeschlossen wird (T. 1–5); ein kurzer melismatischer Teil (T. 6–8), der durch Koloraturen Einzelausdeutungen vornimmt: „lacht“, „schertzen“; ein duettierender dritter Teil (T. 8–11), der mit der Wiederholung des Wortes „erquickt“ in beiden Stimmen und differenzierenden Zweitongruppen sowie einer reicheren Bassbewegung als Arioso ausgearbeitet ist; die Kadenz ist hier arienhaft. Was diese Rezitativgestaltung mit Steffanis Beispielen verbindet, ist die Tendenz, unterschiedliche, heterogene Elemente in eine Einheit gleichsam zu ‚zwingen‘ und so eine einerseits musikalisch reiche, andererseits detailliert exegetische Textumsetzung zu erzielen.

21 Telemann, Pastorelle en musique (wie Anm. 13), S. 39.

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NB. 3: Telemann, Pastorelle en musique, Rezitativ „O zuckersüße Lust!“

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Solche Verfahren finden wir auch in Telemanns theatralischer, opernhafter Kirchenmusik der gleichen Zeit, also vor und um 1716. Das Notenbeispiel 4 bringt einen Ausschnitt aus einem Rezitativ in einer Kirchenmusik, die für das Kirchenjahr 1716/1717 komponiert worden ist.22 Auch wenn sicherlich gilt, dass „der Hörer […] das dramatische Rezitativ als scheinbar spontane Äußerung“ erlebt, „während in Kammer- und Kirchenmusik eher vorgeformte Inhalte vermittelt werden können“,23 so müssen wir doch gerade bei Telemann von deutlichen kompositorischen Zusammenhängen zwischen Opern- und Kantatenrezitativ ausgehen.24 Wie im vorangehenden Beispiel kann man den schnellen Wechsel zwischen syllabischer und arioser Gestaltung beobachten und wie dabei nuancierende kleine Melismen (T. 2f.) eingeführt werden, die sich dann aber auch zu größeren Koloraturen (T. 3f.) auswachsen können, wie bei Steffani als Wort-Einzelausdeutung („Kämpfen“). Ist es zu weit hergeholt, diese artifizielle Technik der Rezitativgestaltung auf einen Einfluss Steffanis zurückzuführen?

22 „Gott der Hoffnung erfülle euch“ (TVWV 1:634) zum 1. Pfingsttag, nach: Georg Philipp Telemann, Concerten-Jahrgang. Zwölf Kirchenmusiken von Rogate bis zum 6. Sonntag nach Trinitatis nach Texten von Erdmann Neumeister (= Georg Philipp Telemann, Musikalische Werke 51), hrsg. von Maik Richter, Kassel u. a. 2015, S. 100. 23 Strohm, Artikel „Rezitativ“ (wie Anm. 16), Sp. 231. 24 Der Verfasser hat dies anhand der Adaption von Elementen des französischen Opernrezitativs in Telemanns Passionsmusiken gezeigt: „Französische Elemente in Telemanns Passionsrezitativ“, in: Französische Einflüsse auf deutsche Musiker im 18. Jahrhundert. Tagungsbericht Arolsen 1995 (= Arolser Beiträge zur Musikforschung 4), hrsg. von Friedhelm Brusniak und Annemarie Clostermann, Sinzig 1993, S. 149–170. Zu den Rezitativen in Telemanns Kirchenmusik vgl. jetzt die grundlegende Arbeit von Kota Sato: Telemanns Rezitativgestaltung in seinen Kirchenkantaten, Diss. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2016 (Veröffentlichung in Vorbereitung).

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NB. 4: Telemann, Kirchenmusik Gott der Hoffnung erfülle euch, Rezitativ „Weil wir nichts ohne dich vermögen“, T. 1–16

Resümierend kann festgehalten werden: Eine unmittelbare Modellfunktion im Sinne eines satztechnisches Musters scheinen Steffanis Rezitative bei den Opernkomponisten des deutschen protestantischen Nordens nicht besessen zu haben; wenn es überhaupt eine solche Modellfunktion gab, dann eher im Sinne der Adaption eines Gestaltungsprinzips, das heterogene Elemente in den Dienst einer intensiven Detailexegese des Textes stellt und dabei eine prekäre Balance etabliert, die durch autonom-musikalische Gestaltungsverfahren hergestellt wird und so als ästhetischer ‚Überschuss‘ wirken kann. Vielen Hörern und Musikern dürfte Steffanis Rezitativ eher wie die Ausprägung eines hoch individuellen, solitären Stils erschienen sein

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denn als Muster oder Modell. Was dies alles nun für den kompositionsgeschichtlichen Ort dieses Komponisten heißen könnte, gehört zu den grundsätzlichen Fragen, die der weiteren Überlegung sehr wohl wert sind.

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John H. Roberts

Steffani’s Hanover Operas as Handel Sources

Anthony Hicks, the eminent British Handel scholar who died in 2010, had an enormous fund of knowledge about his chosen composer and everything relating to him, knowledge that he generously shared with anyone of like interests. During the tercentenary Handel conference in London in 1985, following a paper by Colin Timms about relationships between Steffani’s and Handel’s chamber duets,1 Tony asked me if I had ever looked at the article on Steffani by W. G. Cusins in the first edition of Grove’s Dictionary of Music and Musicians, which he said contained references to several purported Handel borrowings from Steffani’s operas.2 I had not but I soon did. As Master of the Queen’s Music with oversight of the Royal Music Library in Buckingham Palace, which included the world’s greatest collection of Steffani manuscripts, Cusins was exceptionally well positioned for this assignment. Most of the relationships he mentioned were questionable, but one was obviously authentic: the close resemblance between the famous air ‘Angels, ever bright and fair’ in Handel’s oratorio Theodora and an aria in Steffani’s one-act ‘divertimento drammatico’ La lotta d’Hercole con Acheloo, first performed at Hanover in 1689, could hardly be either coincidental or unconscious. Further investigation revealed that Handel had borrowed from no fewer than ten movements in La lotta d’Hercole in the period 1749–1750. A facsimile of one of the manuscript copies in the British Library, R.M. 23.h.15, was published in the Garland series ‘Handel Sources’ in 1986.3 To date, a few more Handel borrowings from Steffani operas have come to light. Long before Cusins wrote his Grove article, one significant parallel had been noted by the redoubtable William Crotch, though in a publication sufficiently obscure that the information never entered the larger literature on either composer. Again, I learned of it from Anthony Hicks. Crotch, professor of music at Oxford from 1797 1 Later published as Colin Timms, ‘Steffani’s Influence on Handel’s Chamber Duets’, in: Handel Tercentenary Collection, ed. Stanley Sadie and Anthony Hicks, London 1987, pp. 222–245. 2 William George Cusins, article ‘Steffani, Agostino’, in: A Dictionary of Music and Musicians, ed. George Grove, vol. 3, London 1883, pp. 693–699. 3 Agostino Steffani, La lotta d’Hercole con Acheloo; Miscellaneous Manuscript Sources (= Handel Sources 9), ed. John H. Roberts, New York 1986.

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until his death fifty years later, had a particular fascination with Handel’s habit of borrowing from other composers, and his many keyboard arrangements of Handel contain frequent annotations identifying the sources of particular movements. In his arrangement of the Concerti Grossi, Op. 6, which came out in 1826, he called attention to the derivation of the fourth movement of the Concerto No. 7 in B-flat major (1739) from Steffani’s opera La libertà contenta (Hanover, 1693).4 Richard King, in his 1991 dissertation on Handel’s Alessandro, pointed to possible echoes of Steffani’s original setting of the source libretto, La superbia d’Alessandro (Hanover, 1690).5 Most importantly, in 2002 Timms published an article entitled ‘What Did Handel Learn from Steffani’s Operas?’, in which, in addition to the relationships already mentioned, he discussed one borrowing from Henrico Leone (Hanover, 1689) and another from La libertà contenta.6 The question naturally arises whether these correspondences are isolated cases or indications that Handel systematically exploited some of Steffani’s other operas in the same way he did La lotta d’Hercole. This essay gives a preliminary answer regarding Steffani’s operas for Hanover, the ones that Handel is most likely to have known. Between 1689 and 1695 Steffani composed six full-length operas for Hanover together with two one-act dramatic entertainments. Performances of all but La lotta d’Hercole followed in Hamburg, Brunswick and Stuttgart – the six operas being heard in Hamburg in German translation between 1695 and 1699 – and excerpts in both Italian and German circulated widely in manuscript, particularly in North Germany. There were also two contemporary publications of music from Steffani’s Hanover operas: a selection of arias and duets from Orlando generoso (1691) appeared in 16997 and a Roger collection of instrumental music, including the ritornellos of many vocal pieces, in 1706.8 We can fairly assume that Handel became acquainted with at least portions of these operas during his years in Hamburg if not previously in Halle, where Friedrich Wilhelm Zachow is said by John Mainwaring to have owned ‘a large collection of Italian as well as German music’, which he used in teaching his promising

4 George Frideric Handel, Twelve Grand Concertos, adapted for the organ or piano forte by Wm. Crotch, London [1826], Book 2, p. 65: ‘The Subjects of this movement are taken from Steffani’s Alcibiades’. Crotch apparently regarded the passage quoted by Handel in bars 1–4 as consisting of two distinct ideas, the second beginning on the third beat of bar 3; see below, Ex. 11. 5 Richard G. King, The Composition and Reception of Handel’s ‘Alessandro’ (1726), Ph.D. diss., Stanford University 1991, pp. 36–45. 6 Colin Timms, ‘What Did Handel Learn from Steffani’s Operas?’, in: Göttinger Händel-Beiträge 9 (2002), pp. 55–72. 7 Agostino Steffani, Die außerlesensten und vornehmsten Arien aus der Opera Roland, mit unterschiedlichen Instrumenten, Lübeck 1699. 8 Agostino Steffani, Sonate da camera à tre, due violini, alto e basso, Amsterdam [1706]. For the date of publication, see Rudolf Rasch, The Music Publishing House of Estienne Roger and Michel-Charles Le Cène 1696–1743, Part 4: The Catalogue, Saint-Hélène–Swaen, pp. 75–76: http://www.hum.uu.nl/ medewerkers/r.a.rasch/Roger/Catalogue-Saint-Helene-Swaen.pdf (accessed 31 July 2016).

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pupil.9 Handel would also have had plenty of opportunity to study the complete scores, among them many of the composer’s autographs, while serving as Kapellmeister at Hanover in 1710–1712, and later in England he would probably have had access to at least part of the same collection, brought over by the royal family in or after 1714. That Handel was exposed to some of this music prior to his employment at ­Hanover is clearly shown by several Steffanian references in works composed during his years in Italy. Already in the Roman oratorio Il trionfo del Tempo e del Disinganno, dating from the spring of 1707, we see him looking back to the aria ‘Non resiste la bellezza’ in La libertà contenta (Ex. 1). The beginning of Handel’s vocal line in his aria ‘Venga il Tempo con l’ali funeste’ is almost identical with Steffani’s, though he replaced the original common-time bass line with a more energetic one in 12/8, redolent of the fleeting wings of Time mentioned in the text. Yet the borrowed melo­dy fits the new words somewhat awkwardly, since Handel breaks at the end of the short second line although the sense is completed only in the third line: ‘tolga queste’ (may take away these) should lead directly to ‘care gioie’ (dear joys), as it eventually does in the phrase that follows after a three-beat rest. This lapse betrays not only that Handel’s mastery of Italian was still limited but also that he was quoting from an existing source. He may have been reminded of Steffani’s aria by its initial words, ‘Non resiste la bellezza’, since the singer in the allegorical Trionfo is Bellezza herself. Another notable reminiscence of Steffani occurs in the cantata with instruments Dunque sarà pur vero, HWV 110, also known as Agrippina condotta a morire. As the autograph shares an unusual paper type with that of the opera Agrippina, the cantata was probably likewise composed in Venice in late 1709, a date consistent with the handwriting. In the aria ‘Se infelice al mondo vissi’ the tortured opening idea, presented in canon between the violins and the basso continuo, is a transformation of the

Ex. 1a: Steffani, La libertà contenta, Act II, scene 4, aria ‘Non resiste la bellezza’, bars 3–5

Ex. 1b: Handel, Il trionfo del Tempo e del Disinganno, Part I, aria ‘Venga il Tempo’, bars 12–14

9 John Mainwaring, Memoirs of the Life of the Late George Frederic Handel, London 1760, p. 14.

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incipit of the aria ‘Non è già la lontananza’ in Orlando generoso (Ex. 2), an aria found in the Orlando edition of 1699 as well as in manuscript sources. Handel was probably attracted above all by Steffani’s canon; he was always intrigued by contrapuntal artifice, if increasingly mistrustful of strict contrapuntal forms. But he expanded the subject by interpolating additional notes, while retaining fourteen of the first fifteen tones of the model, as indicated by the numbers added to the violin line in Example 2b.

Ex. 2a: Steffani, Orlando generoso, Act I, scene 14, aria ‘Non è già la lontananza’, bars 1–5

Ex. 2b: Handel, cantata Dunque sarà pur vero, HWV 110, aria ‘Se infelice al mondo vissi’, bars 1–5

Perhaps the most remarkable of these early Italian borrowings from Steffani appears in the Roman cantata Dietro l’orme fugaci, or Armida abbandonata, HWV 105 (1707). Although this is a cantata with instruments, the first aria of deserted, despairing Armida, ‘Ah! crudele, e pur ten’ vai’, is one of Handel’s exquisitely expressive vocal effusions accompanied by continuo alone. It comes as something of a surprise that the opening period seamlessly combines elements from two unrelated sources, the arias ‘Se riveggo il bell’ ond’ ardo’ from Steffani’s La libertà contenta and ‘Mit einem schönen Ende’ from Reinhard Keiser’s Hamburg opera La forza della virtù of 1700 (Ex. 3). Steffani’s aria unfolds over a constant ostinato bass, a descending scale articulated by a repeating five-note motive, but all traces of this structure have vanished in Handel’s version, which mainly recalls Steffani’s vocal line in bars 2–3. Then, beginning with the fourth beat of bar 3, the quotation from Steffani merges

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with one from Keiser’s aria, also in F major. ‘Mit einem schönen Ende’ would long remain one of Handel’s favourite models, spawning an extraordinary number of different descendants, including ‘I know that my redeemer liveth’ in Messiah.10 Scattered over the next thirty years of Handel’s life one finds borrowings from several Steffani operas, usually brief passages and usually not in close proximity to each other. For his Cannons anthem As pants the hart, HWV 251b (1717), Handel wrote a largely different setting of the text ‘Why so full of grief, O my soul’ to replace

Ex. 3a: Steffani, La libertà contenta, Act I, scene 2, aria ‘Se riveggo il bell’ ond’ ardo’, bars 4–8

Ex. 3b: Reinhard Keiser, La forza della virtù, Act III, scene 2, aria ‘Mit einem schönen Ende’, bars 1–8 (reduced) 10 Some of these arias are quoted in John H. Roberts, ‘Handel’s Borrowings from Keiser’, in: Göttinger Händel-Beiträge 2 (1986), pp. 51–76, here: pp. 62–64.

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Ex. 3c: Handel, Dietro l’orme fugaci, HWV 105, aria ‘Ah! crudele, e pur ten’ vai’, bars 1–7

the one in his previous (Chapel Royal) version of the anthem, HWV 251a, which is based on the last movement of his Italian chamber duet ‘Troppo cruda, troppo fiera’, HWV 198. Though the first phrase of the Cannons setting, for soprano and tenor, may owe something to the aria ‘Solo ad anima tiranna’ in Steffani’s La superbia d’Alessandro, it is the second phrase carrying the words ‘O my soul’ that makes it apparent that Handel was thinking of this source (Ex. 4). Particularly noteworthy is how in both pieces the vocal repetition of the motive a third higher is prepared by harmonic manipulation of the intervening instrumental echo. If this parallel might be deemed the result of casual recollection, Handel’s adaptation of the fugue subject from the overture to Orlando generoso for the overture

Ex. 4a: Steffani, La superbia d’Alessandro, Act III, scene 6, aria ‘Solo ad anima tiranna’, bars 17–19

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Ex. 4b: Handel, anthem As pants the hart, HWV 251b, duet ‘Why so full of grief, O my soul’, bars 24–28

to his opera Ariodante in 1734 certainly could not (Ex. 5). Somewhat as he had in the cantata aria in Example 2b, Handel adopted most of the notes in Steffani’s subject but added others. Technically he did little except replace the second bar with two new ones, but in the process he radically altered the effect, so that instead of being characterised primarily by a turning figure the subject is dominated by falling thirds.

Ex. 5a: Steffani, Orlando generoso, Overture, bars 13–18

Ex. 5b: Handel, Ariodante, Overture, bars 18–24

La superbia d’Alessandro (1690) is a special case, because in 1726 Handel set Paolo Rolli’s reworking of the same libretto under the title Alessandro. Steffani himself had made two versions of the opera, the second performed in Hanover a year after the first and called Il zelo di Leonato, and Rolli’s adaptation incorporates some of the 1691 changes. We know that Handel sometimes used a previous setting of an opera libretto as a source for his own, most conspicuously in Serse (1738) and Imeneo

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(1740).11 From this point of view, however, Steffani’s Alessandro differed significantly from Il Xerse of Giovanni Bononcini or the Imeneo of Nicola Porpora, because Rolli, as was his habit in dealing with old librettos by other authors, retained only a small fraction of Ortensio Mauro’s verse. Steffani’s influence is clearly evident in Alessandro’s opening aria ‘Tra le stragi e tra le morti’ and in his aria with chorus ‘Fra le guerre e le vittorie’, but this is more a matter of vague imitation than anything approaching quotation. More telling is a short passage that Handel eventually cut. In Steffani’s Act II, scene 13, Lisaura and Tassile sing a duet, ‘Amo / Spero, né so perché’, a through-composed movement of twenty-four bars in 6/2 time (Ex. 6a). Rolli drastically recast this entire scene as Act II, scene 3, but kept the duet in place with only slight alteration. Handel set the first line as recitative and treated the three remaining lines lyrically in four common-time bars specifically marked ‘arioso’ (Ex. 6b) – before cancelling the duet altogether along with the preceding line of recitative. Remarkably, his first two arioso bars are readily recognisable as deriving from Steffani’s setting of line 2, despite the change of metre and consequent obliteration of the original hemiola. This correspondence, precisely because it involves a brief internal idea, confirms that Handel was familiar with Steffani’s Alessandro and strongly implies that he consulted a full score while composing his own opera.

Ex. 6a: Steffani, La superbia d’Alessandro, Act II, scene 13, duet ‘Amo / Spero, né so perché’, bars 7–10

11 On the borrowings in Serse, see Harold S. Powers, ‘“Il Serse trasformato”’, in: Musical Quarterly 47 (1961), pp. 481–492 and 48 (1962), pp. 73–92, and Giovanni Bononcini, Il Xerse (= Handel Sources 8), ed. John H. Roberts, New York 1986; on those in Imeneo, see John H. Roberts, ‘The Story of Handel’s Imeneo’, in: Händel-Jahrbuch 47 (2001), 337–384.

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Ex. 6b: Handel, Alessandro, Act I, scene 3, duet ‘Amo / Spero, né so perché’ (excised)

This score may have been one that was in Queen Caroline’s library at the time of her death in 1737, now British Library, R.M. 23.h.13.12 Caroline could also have provided the source libretto for Handel’s Alessandro, since her library contained copies of both Hanover versions.13 These were apparently not common in England. The voluminous libretto collection of Nicola Francesco Haym, who as secretary of the Royal Academy must have commissioned Rolli to produce the text of Handel’s Alessandro, did not include either La superbia d’Alessandro or Il zelo di Leonato.14 Rolli, apparently prevented from writing a dedication for Alessandro or for his other Royal Academy opera of the season, Scipione, proceeded to publish his own Italian-only editions adorned with fulsome tributes to his patrons. It may be signifi­ cant that he dedicated Alessandro to Caroline, Princess of Wales, reminding her of its Hanoverian origins: ‘Questo è quell’ ALESSANDRO che già la R[eale] V[ostra] A[ltezza] trovò su le Scene d’Hanover, quando v’andò a render felice il Regal suo Consorte: Ridotto a nuova forma, egli apparisce di nuovo su l’Anglica Scena a riavere il gran pregio di dare gradito spettacolo al perfetto suo Gusto.’15

12 Peggy Daub, ‘Queen Caroline of England’s Music Library’, in: Music Publishing & Collecting: Essays in Honor of Donald W. Krummel, ed. David Hunter, Urbana, Ill. 1994, pp. 131–165, here: p. 160. On the origins of this manuscript, see also Colin Timms, ‘Gregorio Piva and Steffani’s Principal Copyist’, in: Source Materials and the Interpretation of Music: A Memorial Volume to Thurston Dart, ed. Ian Bent, London 1981, pp. 169–190, here: pp. 181–182. As Daub explains (p. 145, n. 48), some of the Steffani manuscripts now in the Royal Music Library were not then in Caroline’s collection but were either held separately or still in Hanover. 13 Daub, ‘Queen Caroline’ (as n. 12), p. 154. 14 The contents of Haym’s libretto collection as it was auctioned after his death are listed in Elizabeth Gibson, The Royal Academy of Music, 1719–1728: The Institution and Its Directors, New York 1989, pp. 439–465. 15 Paolo Rolli, Alessandro: Drama, London (Thomas Edlin) 1726, Dedication. (‘This is the same Alessandro that your Royal Highness already found on the stage of Hanover when you went there to make happy your royal consort: arranged in a new form, it appears again on the English stage to have once more the great honour of giving a pleasing entertainment to your perfect taste.’)

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Yet it was not only in Alessandro that Handel turned to this opera of Steffani. In addition to the borrowing in the Cannons anthem As pants the hart shown in ­Example 3, there are others no less far removed from the Royal Academy period. For example, the aria ‘Verdi prati’ in Alcina (1735) recalls a Menuet that directly follows Alessandro’s ‘Fra le stragi’ in Steffani’s Act I, scene 1 (Ex. 7). Handel’s first eight bars may be read as a transformation of the first strain of Steffani’s tune with certain crucial changes. In his third bar of 6/4 (the equivalent of Handel’s bar 5) Steffani had inserted three extra beats before exactly repeating his two phrases to end on the dominant. This was unsatisfactory for Handel’s purposes because he needed a balanced, self-contained eight-bar period that could serve as the refrain in a rondo structure within the A section of his da capo aria. He thus excised Steffani’s extra bars – which created an irregularity that would probably not have been to

Ex. 7a: Steffani, La superbia d’Alessandro, Act I, scene 1, Menuet, bars 1–5 (reduced)

Ex. 7b: Handel, Alcina, Act II, scene 12, aria ‘Verdi prati’, bars 13–20 (reduced)

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Handel’s taste under any circumstances – and replaced the repetition of the second phrase with one ending on the tonic. Relationships such as this could hardly have arisen if Handel had known Steffani’s Alessandro only from studying a royal score on one occasion in the mid-1720s. The possibility that Handel possessed his own copy of the whole opera appears more likely in light of two movements in a manuscript collection of music from Hanover operas that is divided between the Schlossmuseum in Sondershausen (D-SHs) and the library of the Conservatoire Royal in Brussels (B-Bc). There are three main volumes (D-SHs, Mus B13:1 (1–2) and B-Bc, 15177), representing ten Hanover operas, and a separate volume labelled ‘Haute-Contre’ (D-SHs, Mus B13:1 (3)) containing supplementary inner parts.16 Within operas, the numbers are grouped in suites by key, hence out of order from a dramatic standpoint. At the head of the D-major suite from La superbia d’Alessandro stand four instrumental movements – Entrée, Marche, Air and Bou[r]rée; the outer parts are in D-SHs, Mus B13:1 (1), pp. 114–115, a second treble in Mus B13:1 (3), pp. 47–48. I believe that these four movements constitute the music for the ‘Ballo de’ Guerrieri’ called for at the end of Act II in the Hanover librettos but not preserved in any other musical source.17 This music need not be by Steffani, and Timms believes it is not, but that

Ex. 8a: Steffani, La superbia d’Alessandro,?Act II, scene 17, Entrée (D-SHs), bars 1–8 16 The manuscripts are inventoried in detail in the RISM database (https://opac.rism). Unfortunately the records for D-SHs use folio numbers that are not in the manuscripts, which contain only page numbers. 17 The 1690 libretto elaborates in French, ‘Jcy les Guerriers dansent, et font de jeux d’armes et finissent le 2me. Acte’ (Here the warriors dance and perform martial exercises and conclude the second Act). The Hamburg libretto says simply ‘Entrée von Kriegs-Leuten’. The Air and Gigue in the preceding suite in G major may be the ballet for the end of Act I (D-SHs, Mus B13:1 (1), p. 113, and Mus B13:1 (3), p. 46).

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Ex. 8b: Handel, Il pastor fido (May 1734), Overture, bars 1–13 (reduced)

Ex. 9a: Steffani, La superbia d’Alessandro,?Act II, scene 17, Marche (D-SHs), bars 1–4 (reduced)

Ex. 9b: Handel, Rinaldo, Act III, scene 6, March, bars 1–5 (reduced)

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Ex. 9c: Handel, Rinaldo, Act III, scene 6, March, first version, bars 16–18 (reduced)

does not mean that Handel would necessarily have passed over it in his search for serviceable material. The Entrée and Marche seem to have been put to good use. Especially strong is the connection between the Entrée and the Largo of the overture newly composed for the revival of Il pastor fido in May 1734 (Ex. 8). For the first five bars Handel followed the outline of the melody in the original bars 1–4. He then diverged but returned to the model in bar 9, tracing a similar downward sequence in both treble and bass for a further four bars (the passages bracketed in Ex. 8b). Adding contrapuntal enrichment, he had the bass imitate the melody in bar 2 and bring back the same idea in bar 7. The first two bars of the March in Rinaldo (1711) also look suspiciously like bars 2–3 of the Sondershausen Marche (Exx. 9a and 9b). Handel’s continuation comes from the second half of his earlier version of the same March (Ex. 9c).18 In theory, he could have picked up copies of this Entrée and Marche during his Hamburg period. More probably he knew them from a score of the entire opera that happened to include them, and this cannot have been either of the royal copies. Besides such palpable borrowings from Steffani’s Hanover operas, we can occasionally recognise numbers that Handel clearly employed as models in a more generalised way. One such piece is the aria ‘Notte, amica al cieco dio’ from La libertà contenta (Ex. 10a), a splendid exhibition of Steffani’s technical and expressive skills. Constructed over a relentless two-bar ostinato, sometimes transposed but rarely interrupted, it beautifully evokes the stillness and serenity of night. A scalar motive, treated imitatively by the upper parts in the ritornello, is then taken up by the voice in extraordinarily slow motion, its first phrase spanning ten bars of 6/4 time. It was Colin Timms who first called attention to the striking resemblance between Steffani’s aria and the Sinfonia that opens Act II of Handel’s Ariodante (Ex. 10b).19 Handel chose a different metre, common time rather than 6/4, and extended the rising scale to cover more than two octaves, but the total effect is very similar. He evidently intended to evoke the prescribed stage picture, ‘Notte con lume di luna’ (Night with moonlight), which must have made him think of Steffani’s nocturnal 18 The entire second half of the earlier version, including the bars quoted in Example 9c, was incorporated unchanged in the final version. 19 Timms, ‘What Did Handel Learn’ (as n. 6), pp. 57–59.

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Ex. 10a: Steffani, La libertà contenta, Act II, scene 13, aria ‘Notte, amica’, bars 1–14

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Ex. 10b: Handel, Ariodante, Sinfonia, Act II, scene 1

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Ex. 10c: Handel, Semele, Act III, scene 1, air ‘Leave me, loathsome light’, bars 1–14

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tone-painting. There is no need to assume, as Winton Dean once suggested, that he meant to depict ‘the rising of the moon over the palace garden’.20 Still closer to Steffani is the air ‘Leave me, loathsome light’, sung by Somnus, god of sleep, in Act III of Semele (Ex. 10c). Roused from slumber by Juno and Iris, Somnus begs to return to his beloved night. While emulating the rich texture of Steffani’s orchestral accompaniment, Handel almost completely eschewed the ostinato structure of his model in favour of characteristically free development of the musical material. No better example could be found to illustrate the different approaches of these two master composers.21 During the 1730s Handel gradually grew more inclined to borrow substantially and literally from other composers, and this trend can be seen in his borrowings from Steffani’s operas. Example 11 shows the relationship between La libertà contenta and the concerto Op. 6, No. 7, cited by Crotch and Timms. Steffani’s aria ‘Le mie prede mi son care’ begins with a pair of eight-syllable lines, one piano, the other tronco. ‘Le mie prede mi son care, ch’io le lasci, o questo no.’22

Ex. 11a: Steffani, La libertà contenta, Act II, scene 7, aria ‘Le mie prede’, bars 1–8 20 Winton Dean, Handel and the Opera Seria, Berkeley/Los Angeles 1969, pp. 103–104. 21 For another example of generalised imitation, compare the aria ‘Morirò fra strazi e scempi’ in Steffani’s Henrico Leone with ‘Ah! spietato! e non ti muove’ in Handel’s Amadigi (1715) and with ‘Die ihr Gottes Gnad’ versäumet’ in his Brockes Passion (1716). Steffani’s aria is quoted in full in Candace Marles, ‘Opera as Instrumentum regni: Agostino Steffani’s Enrico Leone’, in: Opera Quarterly 11 (1994), pp. 43–78, here: pp. 68–73. 22 ‘My prey are dear to me, | that I should abandon them, oh this, no.’ For further discussion of this aria, see above, Wolfgang Hirschmann, pp. 298–305.

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Ex. 11b: Handel, Concerto Grosso in B-flat major, Op. 6, No. 7, Andante, bars 1–4 (reduced)

Instead of setting these lines to phrases of equal length, Steffani carried his first phrase into the middle of the second line, raising the question ‘ch’io le lasci’, and then repeated and extended the phrase to accommodate not only all of both poetic lines but an emphatic reiteration of Timea’s answer, ‘questo no, no, no’. The irregular shape of his melody (a three-bar phrase plus a five-bar phrase) was thus determined by the particular way he chose to set the aria text for dramatic reasons. Yet this shape was faithfully reproduced by Handel in his purely instrumental version. Sometimes Handel refers rather inexactly to a Steffani piece in a comparatively early work, so inexactly that we may be inclined to question whether he was thinking of it at all, and then, much later, quotes from it unmistakably. Orlando generoso ends with an ensemble, ‘Amanti fortunati’, consisting of solos and duets for the main characters with an instrumental Entrée in the middle, all using the same dance tune (Ex. 12a). Handel seems to have had this melody in mind when he composed the Rigaudon in the ballet that concludes the April 1720 version of Radamisto (Ex. 12b), but the differences almost outweigh the similarities. Only twenty years on, in the final chorus of Act II of Imeneo (‘È troppo bel trofeo’), does the ancestry of this Rigaudon become fully apparent (Exx. 12c and 12d). If the key and the bass line of the first phrase suggest that Handel thought first of Radamisto, the melody more closely matches that in Steffani; furthermore, Handel’s second phrase emulates the lower vocal part in the first duet section of the Orlando finale. In Act II of the oratorio Solomon (1749), the ‘wisest of the wise’, after famously resolving a custody battle between two women by threatening to cut the disputed baby in two, sings a duet with the true mother (First Woman), she praising the king for his virtue and wisdom, he rendering all credit to the Lord. This duet, ‘Thrice

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Ex. 12a: Steffani, Orlando generoso, Act III, scene 14, final ensemble ‘Amanti fortunati’, bars 1–4

Ex. 12b: Handel, Radamisto (April 1720), Act III, scene 11, Rigaudon, bars 1–4 (reduced)

Ex. 12c: Handel, Imeneo, Act II, scene 6, coro ‘È troppo bel trofeo’, bars 16–20 (reduced)

Ex. 12d: Steffani, Orlando generoso, ‘Amanti fortunati’, bars 4–8

bless’d be the king’, owes a substantial debt to the aria ‘Sospetto, speranza, affanni, desir’ in Steffani’s La superbia d’Alessandro (Ex. 13). Steffani built his aria around a short ostinato, a descending four-note scale preceded by an upbeat from the fourth below. It is an exceptionally migratory ostinato that comes to rest for the first time, no doubt with expressive intent, in conjunction with the third line of text, ‘o datemi costanza’ (or give me constancy: Ex. 13a). Handel used this ostinato to generate the opening idea for the First Woman

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Ex. Act III, III, scene scene 11, 11, aria aria ‘Sospetto, ‘Sospetto, speranza, speranza, affanni, affanni, desir’, desir’, Ex. 13a: 13a: Steffani, Steffani, La La superbia superbia d’Alessandro, d’Alessandro, Act bars 9–12 bars 9–12

Ex. 13b: Handel, Solomon, Act II, scene 3, duet ‘Thrice bless’d be the king’, bars 23–36

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Ex. 13c: Handel, anthem I will magnify thee, HWV 250a, air ‘Ev’ry day will I give thanks’, bars 29–40

Ex. 13d: Handel, Solomon, ‘Thrice bless’d be the king’, bars 39–50

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(voice and bass) and turned Steffani’s setting of his third line into Solomon’s principal theme (Ex. 13b). The same ostinato underlies much of the remainder of the duet, including bars 39–50, which Handel took almost unaltered from the air ‘Ev’ry day will I give thanks’ in his Cannons anthem I will magnify thee, HWV 250a (1717?), perhaps also descended from Steffani’s aria (Exx. 13c and 13d). In both pieces he surely saw the ostinato as symbolizing eternity, just as it had represented constancy in Steffani. The anthem associates it with the words ‘and praise thy name for ever and ever’; the duet eventually couples Solomon’s Steffanian motto with the refrain from Psalm 136, ‘For his mercy endureth forever’. So far as I have been able to determine, the movement in Steffani’s Hanover operas most heavily exploited by Handel is the aria ‘Mi promette la speranza’ from Orlando generoso (Ex. 14a). It may have been something of a popular favourite, since an arrangement is found in Lord Danby’s lute book, copied at Hamburg in 1710–1711.23 Handel quoted at length from this aria in the air ‘If God be for us’ in Messiah, composed in 1741 (Ex. 14b, which reproduces Handel’s original idiosyncratic setting of the text). Altogether he took a total of twelve bars from Steffani, stretching them out by repetition to seventeen. His interest in Steffani’s aria did not end there.

23 Tim Crawford, ‘Lord Danby’s Lute Book: A New Source of Handel’s Hamburg Music’, in: Göttinger Händel-Beiträge 2 (1986), pp. 19–50, here: p. 46.

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Ex. 14a: Steffani, Orlando generoso, Act I, scene 1, aria ‘Mi promette la speranza’, bars 15–34 (reduced)

Ex. 14b: Handel, Messiah, Part III, air ‘If God be for us’, bars 25–41

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Ex. 14c: Handel, Theodora, Part II, scene 4, air ‘Defend her, Heav’n’, bars 15–24

Ex. 14d: Handel, cantata Spande ancor, HWV 165, opening aria, bars 4–6

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Eight years later, in Theodora, he turned to it again for the air ‘Defend her, Heav’n’ (Ex. 14c). Here, he picked up where he had broken off in Messiah, quoting Steffani’s long melisma in its entirety. This was in fact a secondary borrowing, his primary model, his starting point, being the opening aria of the Italian cantata Spande ancor a mio dispetto, HWV 165, of c. 1707 (Ex. 14d). The highly transformative relationship can be discerned in the outline of the vocal incipit (see the numbered notes in Exx. 14c and 14d) and in the wispy instrumental figure that serves the same illustrative purpose as it had in the model: in the preceding recitative, Irene observes that ‘the clouds begin to veil the hemisphere’, while in the cantata aria the text of the A section runs: Spande ancor a mio dispetto nube densa, oscura e bruno, fiero nembo in faccia al sole.24

The common key of E minor provides further evidence of this connection.25 Handel must also have known Briseide (1696), a Hanover opera sometimes attributed to Steffani but probably composed by Pietro Torri, who was then standing in for Steffani as Kapellmeister at the court. He certainly was acquainted with at least one aria, ‘Onde chiare, imparate a non amare’, from which he borrowed twice in music composed for Cannons. ‘Onde chiare’ is addressed to the fountains in a royal garden, and the flow and play of their water are reflected in Torri’s ritornello (Ex. 15a).26 Oboes without strings present two imitative ideas (a and b), the latter

Ex. 15a: Pietro Torri, Briseide, Act II, scene 5, aria ‘Onde chiare’, bars 1–4

24 ‘To spite me, a violent squall again spreads a thick, gloomy, black cloud across the face of the sun’: translation by Terence Best in Georg Friedrich Händel, Kantaten mit Instrumenten III (= Hallische Händel-Ausgabe V/5), ed. Hans Joachim Marx, Kassel 1999, p. xxiv. 25 The cantata parallel was first cited in Winton Dean, Handel’s Dramatic Oratorios and Masques, London 1959, p. 568, n. 1. Handel had previously made use of this passage from Steffani’s aria in the solo and chorus ‘Ye servants of th’eternal king’ in Alexander Balus (1748), bars 13–16. 26 This aria was published in Agostino Steffani, Ausgewählte Werke [...] Dritter Theil, ed. Hugo Riemann (= Denkmäler der Tonkunst in Bayern 23), Leipzig 1912, pp. ­140–142.

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Ex. 15b: Handel, Acis and Galatea, chorus ‘O the pleasure of the plains’, bars 1–3

Ex. 15c: Handel, anthem Let God arise, HWV 256a, air ‘Let the righteous be glad’, bars 12–14

comprising two parts joined by a pivot tone (b1 and b2). Appropriately enough, Handel first made use of this model in the pastoral Acis and Galatea, for the chorus ‘O the pleasure of the plains’ (Ex. 15b). There figure a, quoted almost exactly, is juxtaposed with a greatly transformed version of figure b2. Figures b1 and b2 are reunited in the air ‘Let the righteous be glad’ in the Cannons anthem Let God arise, HWV 256a (Ex. 15c), where they play a prominent role, as they do in its descendent, the aria ‘Date serta, date flores’ in the solo motet Silete venti (c. 1724).27 The close proximity of the borrowings in the anthem and Acis, dating from autumn 1717 and spring 1718 respectively, suggests that Handel had a manuscript copy of this aria. In sum, Handel borrowed from three of Steffani’s full-length Hanover operas, La superbia d’Alessandro, Orlando generoso and La libertà contenta, perhaps more, and from Torri’s Briseide, but always in a very different manner than he did from La lotta d’Hercole con Acheloo. The extensiveness and intricacy of many of the 27 An idea from bars 24–25 and 32–33 of Torri’s aria also appears in ‘Let the righteous be glad’, bars 20–21 and 30–31, as well as in ‘Date serta’, bars 28–29.

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Lotta borrowings demonstrate beyond question that the composer worked from a manuscript copy of this opera. Since there are no traces of La lotta d’Hercole in Handel’s music before 1749, he presumably obtained it around that date. I once speculated that he might have availed himself of one of the copies belonging to the royal family,28 but it seems unlikely that he would have singled out for attention this comparatively minor work from among all the Steffani operas they possessed. More probably he acquired a score from some other source. Possibly this manuscript was British Library, Add. MS 31495, produced by a German copyist resident in England as early as 1706.29 The chronological spread of the borrowings from the other Steffani operas seemingly indicates that these did not come from royal volumes either. Nor do I imagine that Handel generally relied on memory alone, especially with the substantial late borrowings. He must either have had his own copies or miscellaneous excerpts gathered in one or more collections. The majority of the pieces from which he borrowed were not present in the two contemporary printed editions. It would not be surprising if he owned full scores of some of these operas for many years without ever systematically mining them for material. This is apparently what happened, for example, with Francesco Gasparini’s Il Bajazet (Reggio, 1719), into which he dipped occasionally from 1724 until 1743, when he adapted one aria quite baldly for the oratorio Joseph and His Brethren.30 If his library had long contained scores of several other Steffani operas, however, we must wonder why he reacted as he did to La lotta d’Hercole when it unexpectedly came into his hands around 1749. Could this have been because, unlike Steffani’s full-length Hanover operas, it had never been performed in Hamburg and thus was entirely new to him? We may never know. What is clear is that he encountered a goodly amount of Steffani’s Hanover dramatic music early in his career and that it made an impression on him that lasted for the rest of his creative life.

28 Steffani, La lotta d’Hercole (as n. 3), pp. ix–x. 29 Colin Timms, ‘The Dissemination of Steffani’s Operas’, in: Relazioni musicali tra Italia e Germania nell’età barocca / Deutsch-italienische Beziehungen in der Musik des Barock (= Contributi musicologici del Centro Ricerche dell’A.M.I.S. – Como 10), ed. Alberto Colzani et al., Como 1997, pp. 325–349, here: p. 336. For further information about the activities of this scribe, see Lowell Lindgren, ‘J. S. Cousser, Copyist of the Cantata Manuscript in the Truman Presidential Library, and Other Cantata Copyists of 1697–1707, Who Prepared the Way for Italian Opera in London’, in: ‘Et facciam dolçi canti’: Studi in onore di Agostino Ziino in occasione del suo 65o compleanno, ed. Bianca Maria Antolini, Teresa M. Gialdroni and Annunziato Pugliese, Lucca 2003, vol. 1, pp. 737–782, here: pp. 764–766. 30 ‘Un aura placida’ in Il Bajazet, Act III, scene 14, and ‘I feel a spreading flame’ in Joseph, Act I, scene 4.

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Autoren / Authors

Prof. Dr. Hans-Georg Aschoff studier­te Geschichte, Anglistik, Philosophie und Pädagogik in Hannover und Clinton (N.Y.). Es folgten 1971 das Staatsexamen, 1974 die Promotion in Hannover und 1986 die Habilitation. Seit 1972 lehrt er am Historischen Seminar der Leibniz Uni­versität Hannover, seit 1994 als Hochschuldozent für das Fachgebiet Neuere Geschichte und Kirchengeschichte. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen zur Parteien- und neuzeitlichen Landes- und Kirchengeschichte vorgelegt.

Prof. Dr Hans-Georg Aschoff read history, English studies, philosophy and pedagogy at Hanover and Clinton (NY), taking the Staatsexamen in 1971. He completed his doctorate at Hanover in 1974 and his Habilitation (dissertation) in 1986. Since 1972 he has been a member of the History Seminar at the Leibniz University in Hanover and since 1994 a lecturer in modern history and church history. He has published extensively on regional, party and church history in the modern period.

Prof. Dr. Bettina Braun studierte die Fächer Geschichte, Russisch und Politik an der Universität Konstanz und schloss dort 1995 ihre Promotion ab (Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V.). Von 1994 bis 2004 lehrte sie an der Universität P ­ aderborn und war von 2005 bis 2010 am Institut für Europäische Geschichte in Mainz tätig. 2007 folgte die Habilitation an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Princeps et episcopus. Studien zur Funktion und zum Selbstverständnis der nordwestdeutschen Fürstbischöfe nach dem Westfälischen Frieden), wo sie bis heute lehrt.

Prof. Dr Bettina Braun is a lecturer who studied history, Russian and politics at the University of Constance and in 1995 completed her doctorate there on ‘Die Eid­genossen, das Reich und das politische System Karls V.’ From 1994 to 2004 she taught at the University of Paderborn, and from 2005 to 2010 at the Institute for European History in Mainz. In 2007 she completed her Habilitation (dissertation) (‘Princeps et episcopus. Studien zur Funktion und zum Selbstverständnis der nordwestdeutschen Fürstbischöfe nach dem Westfälischen Frieden’) at the Johannes Gutenberg University, Mainz, where she remains to this day.

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Autoren / Authors

Dr. Helen Coffey ist Assistentin am Fachbereich Musik an der Open University in Milton Keynes und Sekretärin und Ratsmitglied am Handel Institute, London. Thema ihrer Dissertation an der Universität Oxford 2006 war die Patronage von Hof- und Stadtmusikern in Deutschland um 1500. Sie ist Mitherausgeberin der fünfbändigen Ausgabe „George Frideric Handel: Collected Documents“ (Cambridge University Press 2013–). Ihre aktuelle Forschung konzentriert sich auf Musik und Musiker am Hof von Hannover, ein Projekt ursprünglich mit Fördermitteln der British Academy.

Dr Helen Coffey is Lecturer in Music at the Open University, UK, and secretary and a Council member of the Handel Institute, London. Her doctorate (Oxford University, 2006) was concerned with the patronage of civic and court instrumentalists in ­Germany around 1500. She is a co-editor of George Fride­ric Handel: Collected Documents, 5 vols. (­Cambridge University Press 2013–). Her recent research has focused on music and musicians at the court of Hanover, a project initially funded by a ­research grant from the British ­Academy.

Dr. Hansjörg Drauschke war nach dem Studium der Musikwissenschaft und Slavistik freier Wissenschaftler, Lektor und Notensetzer. Seit 2005 betreut er gemeinsam mit Thomas Ihlenfeldt (Bremen) die Auswahlausgabe weltlicher Werke Reinhard Keisers. Seit November 2007 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Musik, Abteilung Musikwissenschaft, der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg. Er arbeitet u. a. am Forschungs- und Editionsprojekt „Urbane Musikkultur um 1700“. 2016 legte er seine Promotion vor zum Thema „Die Opern Johann Mat­ thesons 1699–1711“.

Since reading musicology and ­Slavic studies Dr Hansjörg Drauschke has worked as an independent scholar, lecturer and music engraver. From 2005 he collaborated with Thomas Ihlenfeldt (Bremen) on an edition of secular works by Reinhard Keiser. In November 2007 he was appointed research assistant in the Department of Music at the University of Halle, with a teaching position in historical musicology. He gained his doctorate in 2016 with a dissertation on the operas of Johann Mattheson, 1699 to 1711, and he is currently engaged in a research and editorial project entitled Urban Musical Culture in c. 1700.

Dr. Reinmar Emans studierte in Bonn die Fächer Musikwissenschaft, Germanistik und Italianistik. 1982 folgte die Promotion. Von 1983–2006 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Johann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen tätig. In Bochum, Marburg, Detmold, Köln und Hamburg nahm er Lehraufträ-

Dr Reinmar Emans read musicology, German studies and Italian studies in Bonn, gaining his doctorate in 1982. He was a research assistant at the Johann Sebastian Bach Institute in Göttingen from 1983 to 2006. He accepted teaching contracts in Bochum, Marburg, Detmold, Cologne and Hamburg, and in 2000

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ge wahr. Im Jahre 2000 konzipierte und organisierte er in Erfurt die 1. Thüringer Landesausstellung „Der junge Bach: weil er nicht aufzuhalten …“. 2010–2011 war er Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität des Saarlandes, seit 2014 Mitarbeiter an einem Projekt zur Musikorganisation an den Welfenhöfen, ab 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Oper und Kantate in Italien (17. Jahrhundert); Stilentwicklung bei Johann Sebastian Bach; Editionsphilologie; Deutsche Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts.

was the organiser of the 1st Thuringia regional exhibition, ‘The Young Bach: because he could not be detained …’. In 2010–11 he was a specialist teacher at the University of the Saarland, and since 2014 he has been working on a project concerned with musical organisation at the Guelph courts. His research interests include opera and cantata in seventeenth-century Italy, stylistic development in J. S. Bach, philology and editing, and the history of German music in the eighteenth century.

Dr. Michael F. Feldkamp ist ­Historiker und arbeitet in der Verwaltung des Deutschen Bundestages. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die Papst- sowie Kirchengeschichte Norddeutschlands des 17. und 18. Jahrhunderts. Während eines Archivaufenthaltes in Rom hat er den im Archiv der Congregatio de Propaganda Fide aufbewahrten Nachlass von Agostino Steffani inventarisiert.

Dr Michael F. Feldkamp, who holds a permanent civil service appointment of the German parliament, has a doctorate in history. His research specialisms include papal history and ecclesiastical history in north Germany during the seventeenth and eighteenth centuries. During a research period in Rome he made an inventory of that portion of Steffani’s estate that is preserved in the archives of the Congregatio de Propaganda Fide.

Dr. Matthew Gardner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt OPERA – Spektrum des europäischen Musiktheaters in Einzeleditionen an der Goethe Universität Frankfurt, wo er auch lehrt. Er hat umfassend über Händel und seine englischen Zeitgenossen publiziert, und seine aktuelle Forschung wird in eine Monographie über Londoner Sänger der Händelzeit einfließen. Außerdem wirkt er als Herausgeber bei der Hallischen Händel-Ausgabe mit: Nachdem er 2014 den Internationalen Händel-

Dr Matthew Gardner is a senior research fellow in the project OPERA – Spektrum des europäischen Musikthea­ ters in Einzeleditionen, based at the Goethe University Frankfurt, where he also teaches. He has published widely on Handel and his English contemporaries, and his current research is being channelled into a book on singers in Handel’s London. He is also an editor for the Hallische Händel-Ausgabe: having received the 2014 International Handel Research Prize for his edition of the Wedding An-

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Forschungspreis für seine Edition der ­Wedding Anthems erhalten hatte, bereitet er nun eine Ausgabe der Deborah vor.

thems, he is now preparing an edition of Deborah.

Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann ist Professor für Historische Musikwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Musikgeschichte des 17. und 18.  Jahrhunderts, Telemannund Händelforschung, Editionspraxis sowie Geschichte der Musiktheorie. Er ist Editionsleiter der Hallischen Händel-Ausgabe und der Telemann-Auswahlausgabe, Präsident der GeorgFriedrich-Händel-Gesellschaft  e. V., Internationale Vereinigung, und des Vereins Mitteldeutsche Barockmusik (MBM).

Prof. Dr Wolfgang Hirschmann is Professor of Historical Musicology at the Martin Luther University of Halle-­ Wittenberg. His research specialisms are: seventeenth- and eighteenth-­cen­ tury music history; Telemann and Han­del; editorial practice, and history of music theory. He is director of the Hallische Händel-Ausgabe and of the Telemann-Auswahlausgabe (edi­tion of selected works), president of the GeorgFriedrich-Händel-Gesell­schaft e.  V. (International Society) and president of the Society for Central-German Baroque Music (MBM).

Dr. Claudia Kaufold studierte Mittlere und Neuere Geschichte, Romanistik (Italienisch) und Germanistik in Göttingen und Venedig. Sie arbeitete währenddessen mit an der Edition des Blumenbach-Briefwechsels am Institut für Geschichte der Medizin. 1995 folgte die Promotion am Institut für Historische Landesforschung der Universität Göttingen über Steffanis Leben und seine Tätigkeit als Diplomat in hannoverschen Diensten. Im Anschluss war sie 16 Jahre lang Lektorin und Redaktionsleiterin in einem medizinischen Buch- und Zeitschriftenverlag. Sie ist Kuratorin des FORUM AGOSTINO STEFFANI.

Dr Claudia Kaufold read medieval and modern history, Romance studies (Italian) and German studies in Göttingen and Venice. She collaborated on the edition of the Blumenbach correspon­ dence in the Department for the History of Medicine at Göttingen University, before completing her doctorate in the Department for Regional History Research on Steffani‘s life and his diplomatic acti­vities for the court of Hanover. From 1995 to 2011 she was a reader and ­editor-in-chief for a publisher of medical books and magazines. She is a curator of the FORUM AGOSTINO STEFFANI.

Prof. Dr. Michael Kempe schrieb Promotion und Habilitation im Fach Geschichte (Frühe Neuzeit). Von 2000

Prof. Dr Michael Kempe wrote his doctoral and Habilitation dissertations in the field of early modern history. Be-

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bis 2011 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am DFG-Sonderforschungs­ bereich Literatur und Anthropologie, am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main, an den Universitäten Lecce (Italien) und St. Gallen (Schweiz) und am Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ an der Universität Konstanz. Seit November 2011 leitet er die Leibniz-Forschungsstelle (Akademie der Wissenschaften zu Göttingen) und das Leibniz-Archiv in Hannover. Seine Forschungsschwerpunkte sind Leibniz, die europäische Expansion, die Geschichte der Piraterie und transnationaler Rechtsbeziehungen sowie Wissenschaftsgeschichte. Zuletzt veröffentlichte er den Aufsatzband 1716 – Leibniz’ letztes Lebensjahr.

tween 2000 and 2011 he worked in the collaborative research centre ‘Literature and Anthropology’ at the Max Planck Institute for European Legal History (Frankfurt am Main), and at the universities of Lecce, St Gallen and Constance (in an ‘excellence cluster’ on ‘The Cultural Bases of Integration’). Since November 2011 he has been director of the Leibniz Research Centre of the Göttingen Academy of Sciences and of the ­Leibniz Archive in Hanover. His research specialisms are: Leibniz and historical epistemology; militaria in Leibniz; Leibniz as a global ­thinker; European expansion; the history of piracy and of transnational legal relationships, and the history of science. His most recent publication is a volume of essays entitled 1716  – Leibniz’ letztes Lebensjahr.

Dr. Berthold Over war Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IKM  – Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, Abteilung Musikwissenschaft, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Von 2010 bis 2013 arbeitete er im von der Fritz Thyssen Stiftung finanzierten Forschungsprojekt „Die Kantate als aristokratisches Ausdrucksmedium im Rom der Händelzeit (ca. 1695–1715)“, dessen Ergebnisse im Tagungsband La Fortuna di Roma. Italienische Kantaten und römische Aristokratie um 1700 in Kassel publiziert wurden (2016). Von 2013 bis 2016 war er im internationalen H ­ ERA-Projekt „MusMig. – Music ­Migrations in the Early Modern Age: the Meeting of the European East, West and South“ tätig, das von der EU und dem

Dr Berthold Over is an academic researcher in the Musicology section of the Department of Art History and Musicology (IKM) at the Johannes Gutenberg University, Mainz. From 2010 to 2013 he worked on a research project entitled ‘The Cantata as an Aristocratic Medium in Rome during the Period of Handel (c. 1695–1715)’, funded by the Fritz Thyssen Institute. Since 2013 he has been working on the international HERA project “MusMig”, which is supported by the European Union and the German Ministry of ­Education and Research; a volume of conference papers (Musicians’ Mobilities and Music Migrations), edited by Over with Gesa zur Nieden, was published at Mainz in 2016.

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Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wurde. Ein Tagungsband (Musicians’ Mobilities and Music Migrations), von Over gemeinsam mit Gesa zur Nieden herausgegeben, wurde 2016 in Mainz veröffentlicht. Dr. Margherita Palumbo promovierte 1981 in Philosophie und habilitierte sich 2013 in Buch- und Archivwissenschaft. Von 1983 bis 2015 war sie Bibliothekarin an der Biblioteca Casanatense Rom. Themengebiete ihrer Publikationen (Monographien, Herausgabe und Aufsätze) sind die Geschichte der Bibliotheken, Buchzensur, Gottfried Wilhelm Leibniz und Fürstenkonversionen in der Frühen Neuzeit. Sie ist Mitglied der G. W. Leibniz Gesellschaft und der Renaissance Society of America sowie Mitbegründerin der Sodalitas Leib­ nitiana.

Dr Margherita Palumbo completed her doctorate in 1981 and her ‘Habilitation’ (dissertation) (on book and archive science) in 2013. She has been librarian at the Biblioteca Casanatense, Rome, from 1983 to 2015. Her publications (monographs, essays and an edition) are concerned with the history of libraries, book censorship, Gottfried Wilhelm Leibniz and the conversion of princes in early modern times. She is a member of the G. W. Leibniz Gesellschaft and of the Renaissance Society of America, and cofounder of the Sodalitas Leib­ nitiana.

Rashid-S. Pegah studierte neuere und neueste Geschichte, europäische Ethnologie, italoromanische Philologie und historische Hilfswissenschaften an der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 1993 bis 2003 war er freier Mitarbeiter des ehemaligen SFB sowie bei zwei Ausstellungen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. 2007 bis 2011 folgte freie Mitarbeit am Forschungsprojekt „Expedition Bach“, durchgeführt vom Bach-Archiv Leipzig, gefördert von der Alfried Krupp von Bohlen und Hal­ bach-Stiftung. 2013 arbeitete er mit an einem Editionsprojekt zur Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts.

Rashid-S. Pegah studied modern and recent history, European ethnology, Italo-Romance philology and historical auxiliary sciences at Julius Maximilian University in Würzburg. Between 1993 and 2003 he worked on a freelance basis for the former broadcaster Freies Berlin and on two exhibitions for the Prussian Palaces and Gardens Foundation Berlin-Brandenburg. From 2007 to 2011 he was employed on the research project ‘Expedition Bach’, undertaken by the Bach-Archiv Leipizg with support from the Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. In 2013 he collaborated on an editorial project concerned with the history of art in the nineteenth century.

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Autoren / Authors

Prof. Dr. John H. Roberts ist emeritierter Professor für Musik an der University of California, Berkeley, wo er 20 Jahre der Hargrove Music Library vorstand. Er hat eingehend über Händel geforscht, besonders über seine Anleihen bei anderen Komponisten, und die neunbändige Händel-Quellenreihe herausgegeben. Seine Rekonstruktion von Händels Giove in Argo für die Hallische Händel-Ausgabe wurde von Alan Curtis mit Il Complesso Barocco bei Virgin Classics eingespielt. Er gehört derzeit zu den Redaktionen der Hallischen Händel-­Ausgabe, des RISM und bei Grove Music Online.

Prof. Dr John H. Roberts is Professor of Music Emeritus at the University of California, Berkeley, where he headed the Hargrove Music Library for twenty years. He has published extensively on Handel, particularly his borrowings from other composers, and edited the nine-volume series Handel Sources (1986). His reconstruction of Handel’s Giove in Argo for the Hallische Händel-Ausgabe was recorded by Alan Curtis and Il Complesso Barocco on Virgin Classics. He currently serves on the boards of the Hallische Händel-Ausgabe, RISM, and Grove Music Online.

Dr. Stephen Rose ist Dozent für Musik am Royal Holloway, University of London. Seine Forschungen behandeln deutsche und englische Musik des 17. und 18. Jahrhunderts. Zu seinen Veröffentlichungen zählen „The Musician in Literature in the Age of Bach“ (Cambridge University Press, 2011) und „Leipzig Church Music from the Sherard Collection: Eight Compositions by Sebastian Knüpfer, Johann Schelle, and Johann Kuhnau“ (A-R Editions, 2014). Er ist Mitherausgeber von Early Music und leitete zwei Forschungsprojekte mit der British Library, „Early Music Online“ und „A Big Data History of Music“.

Dr Stephen Rose is Reader in Music at Royal Holloway, University of London. His research concerns German and English music of the seventeenth and eighteenth centuries. His publications include The Musician in Literature in the Age of Bach (Cambridge University Press, 2011) and Leipzig Church Music from the Sherard Collection: Eight Compositions by Sebastian Knüpfer, Johann Schelle, and Johann Kuhnau (A-R Editions, 2014). He is co-editor of Early Music and has directed two collaborative projects with the British Library, ‘Early Music Online’ and ‘A Big Data History of Music’.

Prof. Dr. Graham Sadler ist emeritierter Professor für Musik der Universität Hull und hat eine Forschungsprofessur am Konservatorium von Birmingham inne. Seine zahlreichen Veröffentlichungen über die französische Musik des 17. und 18. Jahrhunderts umfassen French Baroque Opera: A Reader (Ash-

Prof. Dr Graham Sadler is Emeritus Professor of Music at the University of Hull and Research Professor at Birmingham Conservatoire. His many publications on seventeenth- and eighteenth-century French music include French Baroque Opera: A Reader (Ashgate, 2000, with Caroline Wood), The Rameau Compen-

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Autoren / Authors

gate, 2000, mit Caroline Wood), The Rameau Compendium (Boydell Press, 2014) und kritische Editionen von drei Opern Rameaus für die Opera Omnia Rameau (Bärenreiter). Er ist Mitherausgeber (mit Sylvie Bouissou und Solveig Serre) von Rameau, entre art et science (École nationale des Chartes, 2016).

dium (Boydell Press, 2014) and critical editions of three Rameau operas for the Opera Omnia Rameau (Bärenreiter). He is co-editor (with Sylvie Bouissou and Solveig Serre) of Rameau, entre art et science (École nationale des Chartes, 2016).

Prof. Dr. Reinhard Strohm. Nach dem Studium der Musikwissenschaft, Romanistik und Violine in München, Pisa, Mailand und Berlin promovierte er 1971 an der TU Berlin. Er war Mitarbeiter der Richard-Wagner-Gesamtausgabe von 1970 bis 1982 und lehrte seit 1975 Musikgeschichte (University of London King’s College, Yale University, Oxford University). 2010 emeritierte er. Er erhielt den Balzan-Preis in Musikwissenschaft 2012. Seine Interessen gelten u. a. der Geschichte europäischer Vokalmusik vom 14. bis 19. Jahrhundert, Musikhistoriographie, italienischer Oper (The Operas of Antonio Vivaldi, Olschki, 2008), der Musik des Spämittelalters in Österreich (online-Projekt Universität Wien: www. musical-life.net) und globaler Musikgeschichte (Balzan Musicology Research Projekt 2013–2017: www.balzan.org/en/ prizewinners/reinhard-strohm).

Prof. Dr Reinhard Strohm read musicology and Romance studies, and studied violin, in Munich, Pisa, Milan and Berlin, completing his doctorate at the Technical University in 1971. From 1970 to 1982 he worked on the Wagner complete edition, and from 1975 taught music history at the universities of London (King’s College), Yale and Oxford. He retired in 2010 and won the Balzan Prize for Musicology in 2012. His research interests include the history of European vocal music from the fourteenth to the nineteenth century, music historiography, Italian opera (The Operas of Antono Vivaldi, Olschki, 2008), Austrian music in the late Middle Ages (an online project at the University of Vienna: www.musical-life.net) and global music history (Balzan Musicology Research Project, 2013–2017: www.balzan. org/en/prizewinners/­reinhard-strohm).

Dr. Nicole K. Strohmann absolvierte ein Lehramtsstudium der Musik (Schwerpunkt Gesang), Musikwissenschaft, Musikpädagogik und Erziehungswissenschaft an der Folkwang Universität der Künste Essen und Deutsch an der Universität Duisburg-Essen, anschließend studierte sie dort Betriebswirtschaftslehre. Von 2005 bis 2008 war sie

Dr Nicole K. Strohmann undertook teacher-training in music (major in Singing), musicology, music pedagogy and education at the Folkwang University of the Arts in Essen and studied German – and later business adminis­ tration – at the Duisburg-Essen University. In 2005–2008 she was a lecturer at the Hamburg Hochschule for Music

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Autoren / Authors

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University, Cambridge MA, USA, promovierte sie 2010 in Musikwissenschaft an der Folkwang Universität der Künste Essen. Seit März 2012 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Historische Musikwissenschaft  / Gender Studies im Forschungszentrum Musik und Gender an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Musikgeschichte im deutschsprachigen Raum des 17. und 18. Jahrhundert, Musik am Hof von Hannover, französische Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, musikwissenschaftliche Genderforschung, Kultur- und Rezeptionsgeschichte.

and Theatre. After a period of research at Harvard University, she completed her doctorate in 2010 at the Folkwang University of the Arts, Essen. Since March 2012 she has been a lecturer in historical musicology (Gender Studies) in the ‘Music and Gender’ Research Centre at the Hanover Hochschule for Music, Theatre and Media. Her research specialisms are: music history in German-speaking lands during the seventeenth and eighteenth centuries; music at the Hanoverian court; the history of nineteenth-century French music; gender studies in musicology; the history of culture and reception.

Prof. Dr. Colin Timms ist emeritierter Professor für Musik der Universität Birmingham, wo er den Peyton and BarberLehrstuhl von 1992 bis 2012 innehatte. Seine Forschung kreist um Steffani: Er schrieb seine Dissertation über dessen Kammerduette, gab zwei Bände seiner Duette und Kantaten heraus, war Mitherausgeber seiner Korrespondenz, schrieb eine Monographie über Leben und Werk des Komponisten und dirigierte zwei seiner Opern. Er hat außerdem zwei Bände der opera omnia von Alessandro Stradella, das Oratorium Theodora für die Hallische Händel-Ausgabe und Comus für die Novello-Händel-Edition herausgegeben. Er ist Kurator des Handel Institute und der Gerald Coke Handel Foundation sowie Ehrenpräsident und Kurator des ­FORUM AGOSTINO STEFFANI.

Prof. Dr Colin Timms is Emeritus Professor of Music at the University of Birmingham, where he held the Peyton and Barber chair from 1992 to 2012. His research is centred on Steffani: he wrote his PhD dissertation on his chamber duets, has edited two volumes of his duets and cantatas, co-edited some of his correspondence, authored a life-and-works study of the composer (which won a British Academy prize) and conducted two of his operas. He has also edited two volumes for the opera omnia of Alessandro Stradella, Theodora for the Halli­sche Händel-Ausgabe and Comus for the Novello Handel Edition. A trustee of the Handel Institute and of the Gerald Coke Handel Foundation, he is also the honorary president and a curator of the FORUM AGOSTINO STEFFANI.

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Register / Index

Personen und Werke / Persons and Works Abbetmeyer, Theodor  139 Abel, Clamor Heinrich 73 – Erstlinge musicalischer Blumen 73 Achille et Polixène, siehe Colasse, Lully Adelaide, siehe Sartorio Admeto, siehe Händel Adonis, siehe Keiser, Postel Agostini, Pietro Simone  63f. Agrippina, siehe Händel Ahle, Georg  149f. Al rigor d’un bel sembiante, siehe Steffani Alberti, Giovanni Matteo  110, 118 Albertyn, Erik  71, 73 Albrecht Ernst siehe Oettingen-Oettingen Albrecht, Johann Lorenz  260 Alceste  57f., 62 Alcibiades, siehe Steffani, libertà contenta, La Alessandro, siehe Händel, Steffani, superbia d’Alessandro, La Alexander, siehe Steffani, superbia d’Alessandro, La Alexander der Große  94, 96, 104 Algarotti, Francesco  174 Allegri, Domenico  80 – Modi quos expositis in choris  80 Allivieri, Francesco  111 Altieri, Paluzzo, Kardinal  41 Amalia Giuseppina D’Este, Prinzessin von Modena 193 Ambleto, siehe Pariati Amor generoso, L’  119 Amor vien dal Destino, siehe Steffani Anna Sophie von Pfalz-Sulzbach siehe Oettingen-Oettingen Anselmi, Paulo  119 Antioco, siehe Zeno

Antolini, Bianca Maria  339 Anton Ulrich siehe Braunschweig-Wolfenbüttel Anton Ulrich siehe Sachsen Antonini, Vincenzo (Vincentino)  141 Antonino e Pompejano, siehe Sartorio Aquin(as), Thomas (von –)  252, 259 Archinto, Girolamo  218 Arenberg, Maria Enrietta Teresa del Carretto di Grana, Herzogin von –  161 Ariadne, siehe Conradi Arione, L’  118 Ariosti, Attilio  66, 236 Aristoteles  250, 252f., 258, 262 Aristoxenus  249, 252 Arminio, siehe Pallavicini, Steffani Aschoff, Hans-Georg  159, 185, 189, 194, 205, 207–210, 215, 217, 222 August der Starke siehe Sachsen August Friedrich, Herzog von SchleswigHolstein-Gottorf 146 August Wilhelm siehe Braunschweig-Wolfenbüttel Augustinus, St.  38–40, 226, 252 Aurelia, Diana  128f. Avery, Emmett L.  180 Babel(l), Charles  71 Bach, Johann Bernhard  60, 257 Bach, Johann Christoph  59f. Bach, Johann Sebastian  60, 86, 140, 257, 263, 297 Bailhache, Patrice  240 Baldassar(r)i, Benedett(in)o  178 Baldovius, Samuel  149f. Balhorn, Johann  259

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Register / Index

Ballati, Luigi  158, 167 Banks, Chris  174 Barberini, Urbano  48 Barnabiten / Barnabiti  25 Baroni, Pier Giovanni  48 Barré, Pierre Guillaume  71 Bartel, Dietrich  266 Bartoli, Cecilia  12, 16, 183 Bashford, Christina  68 Bauderon de Sénecé, Antoine  83, 85 Bayern – Clemens August von –, Bischof von Münster und Paderborn  199, 202, 205 – Ernst von –, Erzbischof von Köln  199 – Ferdinand von –, Erzbischof von Köln  199f., 202 – Ferdinand Maria, Kurfürst von –  124, 184, 194 – Joseph Clemens von  –, Kurfürst und Erzbischof von Köln  194, 202 – Maria Antonia, Kurfürstin von –  96 – Max Heinrich von  –, Bischof von Münster 202 – Max(imilian) II. Em(m)anuel, Kurfürst von – 47, 56, 91, 96, 162f., 166, 169f., 172, 185f., 194 Beer, Johannes  249 Beetz, Manfred 92 Behusen, ‘Mag:’  111 Benedetti, Giovanni Francesco  175f. Benedikt XIII., Papst  36 Bent, Ian  38, 175, 194, 321 Bentivoglio, Cornelio, Marquis  111 Benzio, Candida  42 Bergunder, Karl-Ernst  260 Bernabei, Ercole  21f., 32, 37, 40f., 185 Bernardo, Bernardo, Graf  42, 51 Bernardo, Paolina  42 Bernhard, Giannetta  57 Berns, Jörg Jochen  91 Bernstorff, Andreas Gottlieb von –  155, 157, 160 Best, Terence  337 Bianconi, Lorenzo  91, 109 Blaspiel, Johann Moritz von –  229 Blow, John  78 Boethius, Anicius Manlius Severinus  252 Bokemeyer, Heinrich  140 Bombardi, ‘Francis:’  111 Boniventi, Giuseppe  95 – Il gran Macedone  95 Bonn, Johann Anton  63 Bononcini, Antonio Maria  66, 176 Bononcini, Giovanni  39, 45f., 66, 115, 176, 178, 281, 320

– Duetti da camera, op. 8  45f. – Xerse, Il  320 Boretti, Giovanni Antonio  141 – Ercole in Tebe  141 Boris Goudenow, siehe Mattheson Borosini, Antonio  113–117, 125–129 Bosch, Hieronymus  151 Bothmer-Lauenbrück, Johann Kaspar von  – 157, 159, 160, 164 Bouvet, Joachim  237 Boyer, Claude    95 Brandenburg und Nebenlinien – Friedrich III., Kurfürst von  –, später (als ­Friedrich I.) König in Preußen  186, 213 – Friedrich Wilhelm, „Großer Kurfürst“  186, 213 – Georg Friedrich II., Markgraf von Brandenburg-Ansbach  128, 176 – Sophie Charlotte von Braunschweig-Lüneburg, Kurfürstin von –, Königin in Preußen  12, 16, 21, 47, 162, 176, 186, 223, 236 – Sophie Luise von Württemberg, Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth  121, 131 Braun, Bettina  22, 191, 201f., 204, 212, 215 Braunschweig-Lüneburg – (Wilhelmina Charlotte) Caroline von Brandenburg-Ansbach, verh. mit Georg August von –, später Königin von Großbritannien  321 – Christian Ludwig, Herzog von Celle  142 – Ernst August I., Herzog von – (Calenberg), später Kurfürst von Hannover  55, 59, 62, 92f., 99, 103–106, 107–111, 113f., 116f., 119, 121f., 123–125, 127–129, 138, 142, 155, 158f., 161f., 164, 166, 168, 186, 209 – Ernst August, Erbprinz von Hannover, Herzog zu – 112 – Georg Ludwig von –, / Hannover, später (als George I.) König von Großbritannien  11, 15, 36, 105, 116f., 130f., 159 – Johann Friedrich, Herzog von –  57, 62, 107f., 111, 123, 127, 150, 224 – Sophie Dorothea von Celle, später von –  130, 159 – Sophie von der Pfalz, Herzogin zu –, später Kurfürstin von Hannover  93, 109, 116, 122, 142, 162, 171, 186, 238, 250 Braunschweig-Wolfenbüttel – Anton Ulrich, Herzog von –  105, 140, 143, 208, 210, 217f., 227, 230f. – August Wilhelm, Herzog von –  140 – Christine von Hessen-Eschwege, Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern 147, 149

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Personen und Werke / Persons and Works

– Ferdinand Albrecht I., Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern 142–151 – Georg Wilhelm, Herzog von Celle  105, 158, 160 – Rudolf August, Herzog von –  142f., 145f., 149–152 Brinkmann, Klaus  146 Briseide, siehe Torri Brockpähler, Renate  55, 57 Bronckhorst-Gronsfeld siehe Otto Wilhelm von – Broschi, Carlo, genannt Farinelli  65 Brown, Howard Mayer  71 Bruegel, Pieter  151 Brusniak, Friedhelm  66, 310 Buck, August  91f. Buelow, George  257 Bühler, Walter  240 Bülow, Cuno Josua von –  157–160 Burney, Charles  37, 130 Burrows, Donald  177 Bussi, Giovanni Battista  187, 191 Butt, John  23 Buttstett, Johann Heinrich  249f., 254f., 258– 261 – Ut, mi, sol, re, fa, la 258 Cajani, Luigi  43 Caldara, Antonio  41f., 45, 66, 265, 298 Calella, Michele  45 Cannizzo, Luigia  49 Capellini, Francesco Maria siehe Stecchinelli Carissimi, Giacomo  37 Carl II. August siehe Pfalz Carl III. Philipp siehe Pfalz Carlo Emmanuele, Prinz von Piemont  193 Caroline von Brandenburg-Ansbach siehe Braunschweig-Lüneburg Carolo, ‘Copiste’  111 Carter, Tim  23 Castiglione, Baldesar 93 – Libro del Cortegiano 93 Cavalieri, Gaetano de’ –  195, 218 Cavalieri, Silvio de’ –  227, 231 Cavalli, Francesco  304 Ceccarelli, (E)Leonora  117–120, 125–129 Cessac, Catherine  68, 80 Cesti, Antonio  47 Cettareli siehe Ceccarelli Charles II, König von Großbritannien  37 Charles XI siehe Karl XI. Charpentier, Marc-Antoine  21, 68f., 80 – Les Amours d’Acis et de Galatée 69 Châteauneuf, Auguste Pierre Patissier de –  56

Châtillon, Walter von  95 Chelleri, Fortunato  66 Chiaravalle, Ferdinando  116, 121, 126–129, 133 Chiecarelli siehe Ceccarelli Christian Ludwig siehe Braunschweig-Lüneburg Christina, Königin von Schweden  121, 129, 161 Christine Charlotte von Württemberg-Stuttgart, Fürstin von Ostfriesland  113, 171 Christine von Hessen-Eschwege siehe Braunschweig-Wolfenbüttel Christoph Bernhard von Galen, Bischof von Münster 201f. Chrysander, Friedrich  11, 15, 67, 140f., 184, 263 Ciancarelli, Roberto  49 Clemens August siehe Bayern Clemens X., Papst (Emilio Altieri)  41 Clemens XI., Papst (Giovanni Francesco Albani)  42, 187, 190, 208f., 217f., 231 Clemens XIII., Papst (Carlo (della Torre) Rezzonico) 43 Clementino siehe Hader Cleve, Johann Gabriel  144 Clostermann, Annemarie  310 Coberg, Johann Anton  60f. Coffey, Helen  125, 127, 129, 131, 143, 171, 177 Colasse (Collasse), Pascal  295 – Achille et Polixène  295 Colonna, Tarquinia  48 Coltini siehe Cottini Colzani, Alberto  37, 52, 55, 58, 65, 180, 255, 339 Componimenti musicali, siehe Keiser Confitebor tibi Domine, siehe Steffani Conradi, Johann Georg  55, 263, 265, 297 – Ariadne 297 Conti, Francesco  66 Corelli, Arcangelo  42, 265, 298 Corradi, Giulio Cesare  117 Costajoli, Giuseppe  194 Costanzi, Giovanni Battista  66 Cottini, Antonio  111, 120f., 125–128 Couperin, François  86 Cousser siehe Kusser Crawford, Tim  334 Critica Musica, siehe Mattheson Croll, Gerhard  38, 52, 65, 73, 170, 174, 180f., 264 Crotch, William  37, 313f., 329 Crudel, perché dal core, siehe Pasquini

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Register / Index

Curtis, Alan  12, 16 Cusins, William George  11, 15, 313 Dafne, siehe Schütz Daily Courant 179 Damm, Hedwig Melusine von – siehe Kusser Danby siehe Osborne Dart, Thurston  38, 80, 175, 194, 321 Daub, Peggy  321 De Luca, Severo  45 – E ti par poco 45 – Se incostante è la bellezza 45 Dean, Winton  109, 184, 329, 337 Deleuze, Gilles  245f. della Libera, Luca  49 Della Seta, Fabrizio  45 Delpech, Louis  114 Descartes, René  246 Desmarets de Saint-Sorlin, Jean  95 – Roxane 95 Diehl, Jürgen  140 Dietrich von Fürstenberg siehe Fürstenberg Dietrich Adolf von der Recke, Bischof von Paderborn 201f. Direnberg, ‘Engel.’  129 Divertimenti serenissimi, siehe Keiser Döbricht, Sängerinnen  57 Dods, Marcus  39 Dominguez, José Maria  49 Doni, Giovanni Battista  64 Drauschke, Hansjörg  282, 295f., 298 Dresde, Adam  80f. Dubowy, Norbert  116 Duetti da camera, op. 8, siehe Bononcini Duron, Jean  74 E ti par poco, siehe De Luca Eberhardine Sophie Juliana siehe OettingenOettingen Egeo in Atene, siehe Gianettini Eggerglüs, Georg  171 Ehalt, Hubert Ch.  91 Ehren-Pforte, siehe Mattheson, Grundlage Ehrmann-Herfort, Sabine  34 Einstein, Alfred  12, 15, 32, 44, 67, 160, 170, 173, 184, 251 Eitner, Robert  49 Eleonore Katharine siehe Pfalz Elias, Norbert  93 Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, verh. mit Kaiser Karl VI.  216 Emans, Reinmar  57, 99, 113, 139–141, 268, 280, 305

Engerten, Christoph  148 Engerten, He(i)nrich Johann  148f. Eppelsheim, Jürgen  72 equivoci in amore, Gli, siehe Lucini, Scarlatti Ercole in Tebe, siehe Boretti Erle, Giorgio  240 Erlebach, Philipp Heinrich  85 – VI Ouvertures 85 Erminia ne’ boschi, siehe Moratelli Ernst siehe Bayern Ernst August siehe Braunschweig-Lüneburg Ernst Ludwig siehe Sachsen Ernst Ludwig, Landgraf von Hessen-Darmstadt 226–228 Euklid 252 Farinel, Jean-Baptiste  69f., 108, 114, 116, 123, 128, 130f. Farinelli siehe Broschi Fasolis, Diego  285 fatiche d’Hercole per Deianira, Le, siehe Ziani, Pietro Andrea Fede, Antonio Maria, Graf  42, 221–224, 228 Fedeli, Ruggiero  58, 66, 128f., 281 Feind, Barthold  281–283, 294–296 – Deutsche Gedichte 283 – Gedancken von der Opera 283 – Rinaldo  295, 296 – verwirrte Haus Jacob, Das 281 Feldkamp, Michael F.  12, 16, 41–44, 52, 183, 190f., 193–195, 207, 209, 215, 221, 250 Fellerer, Karl Gustav  23, 38, 52, 174, 184 Ferdinand Albrecht I. siehe BraunschweigWolfenbüttel Ferdinand siehe Bayern Ferdinand Maria siehe Bayern Ferdinand siehe Bayern Ferdinand siehe Fürstenberg, Ferdinand von – Ferdinando siehe Chiaravalle Fichtl, Franz Ludwig  176 Fiedler, Gottlieb  62, 63, 267, 283–285, 292, 296 Fiocco, Pietro Antonio  58 – Helena rapita da Paride  58 Fischer, Georg  12, 15, 114–118, 124f., 139 Fischer, Hans  175 Fleuri, frz. Musiker  111 Foa, Anna  43 forschende Orchestre, Das, siehe Mattheson Fortune, Nigel  109, 184 Francesco II., Herzog von Modena  113 Franchi, Saverio  48 Frangioni (‘Francioni’), Severo  111, 125f., 128f.

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Personen und Werke / Persons and Works

Franz Arnold siehe Wolff-Metternich zur Gracht Franz Ludwig siehe Pfalz und Nebenlinien Freitäger, Andreas  175–177 Freschi, Domenico  58 – Helena rapita da Paride  58 Friedrich siehe Brandenburg Friederich II. siehe Sachsen Friedrich August siehe Sachsen Friedrich Christian von Plettenberg, Bischof von Münster 202 Friedrich Karl siehe Schönborn Friedrich Wilhelm siehe Brandenburg Fuchs, Torsten  56 Fulda, Daniel  282 Fürstenberg, Dietrich von –, Bischof von Paderborn 200 Fürstenberg, Ferdinand von  –, Bischof von Paderborn und Münster  192, 200–202, 216 Fux, Johann Joseph  86f., 260 Gabrielli, Angelo, Marquis  250 Galen siehe Christoph Bernhard von – Galen (Claudius Galenus)  252 Galilei, Galileo  252 Galliard, John Ernest  35 Galloni, Giuseppe  113–118, 120, 131 Gambara, Anna Francesca  120f., 127f. Gardner, Matthew  117 Gädeke, Nora    104 Gärtz, Johann Hugo von –  209 Gasparini, Francesco  45, 65, 339 Gebhard Truchseß siehe Waldburg Geck, Martin  297 Gedancken von der Opera, siehe Feind Geitner, Ursula  92 Georg Friedrich II. siehe Brandenburg Georg Ludwig siehe Braunschweig-Lüneburg Georg(e) I., König von Großbritannien siehe Braunschweig-Lüneburg Georg(e) II., König von Großbritannien  62 Geremia, Michele  24, 32, 250 Gétreau, Florence  74 Gialdroni, Teresa M.  339 Gian(n)ettini, (Giovanni) Antonio  58, 113f., 116f., 141 – Artaserse 17 – Egeo in Atene 58 – Medea in Atene  58, 141 – wiedergefundene Hermione, Die 141 Giardi, Vincenzo  177 Giardini, Giovanni Battista  113 Giazotto, Remo  25 Giboin, Gilbert  95

– Alexandre ou les amours du Seigneur 94 Gibson, Elizabeth  321 Gimma, Giacinto  46 giorno di salute, Il, siehe Rapparini, Wilderer Giovannino del Violone  47 Giron-Panel, Caroline  49 Giusti, Tommaso  113, 117–119 Glasow, E. Thomas  68 Glixon, Beth  116f., 119 Glüxam, Dagmar  115 Goldbach, Christian  247, 254f. Görtz siehe Schlitz Gott der Hoffnung, siehe Telemann Goulet, Anne-Madeleine  49 Graciań, Baltasar  93, 101 – Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit 94, 100, 102 Granara, Augustino  111, 119f., 125–128 Grappelli, Giovanni Battista  45f. Gratianini (‘Grationisi’), Nicola  111, 119f., 125–128 Graupner, Christoph  66 Greenacombe, John  177 Grimm, Jacob und Wilhelm  144 großmüthige Roland, Der, siehe Steffani, Orlando generoso Grote zu Schauen, Otto, Reichsfreiherr  155, 157–159 Grote, Borchert  144f. Grove, George  11, 15, 68, 80, 257, 313 Grundlage einer Ehren-Pforte, siehe Mattheson Güse, Ernst-Gerhard  175 Gustafson, Bruce  71 Gutjahr, Sophie  129 Haase, Rudolf  240 Haddan, Arthur West  39 Hader (später von Hadersberg), Clementin  116, 121, 126, 128f., 133 ‘Hamburghese’ 128f. Hamilton, Amadeus  217 Händel, Georg Friedrich  11, 13–15, 17f., 34, 36f., 41–43, 45f., 51, 62, 66f., 73, 86, 102f., 116, 122, 130f., 176–178, 184, 236, 263–265, 274, 280, 282, 295f., 305, 313–325, 327–339, 342–345, 347, 349 – Acis and Galatea  338 – Admeto  62 – Agrippina  177, 315 – Agrippina condotta a morire, siehe Händel, Dunque sarà pur vero – Alcina 322 – Alessandro  62, 265, 314, 319, 321f.

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Register / Index

– Amadigi 329 – Alexander Balus 337 – Armida abbandonata, siehe Händel, Dietro l’orme fugaci – Ariodante  319, 325, 327 – As pants the hart  317, 319, 322 – Brockes Passion  329 – Concerto grosso, op. 6 no. 7  330 – Dietro l’orme fugaci  316, 318 – Dunque sarà pur vero 315f. – I will magnify thee  333f. – Imeneo  319f., 330f. – Joseph and his Brethren  339 – Let God arise  338 – Messiah  317, 334f., 337 – pastor fido, Il  177, 324f. – Radamisto  178, 330f. – Riccardo I  62 – Rinaldo  295f., 324f. – Scipione  321 – Semele  328f. – Serse  319f. – Silete venti  338 – Silla (Lucio Cornelio Silla)  177 – Solomon  37, 330, 332–334 – Spande ancor  336f. – Teseo  177 – Theodora  313, 336f., 349 – trionfo del Tempo e del Disinganno, Il  315 – Troppo cruda, troppo fiera  318 Hasse, Johann Adolf  66 Hattorf, Johann von –  121 Hausmann, Johann Bartholomäus  259 Hawkins, John  11, 15, 23f., 42, 82f., 130–132, 138 Haym, Nicola Francesco  321 Hefling, Stephen E.  78 Heinichen, Johann David  249 Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern  104, 239 Heinrich der Löwe, siehe Steffani, Henrico Leone Heinrich von Sachsen-Lauenburg siehe Sachsen Heißler, Sabine  171 Helena rapita da Paride, siehe Freschi, Fiocco Heller, Wendy  62 Henfling, Conrad  240 Henningius, Magnus Petrus  146 Henrico Leone, siehe Steffani Hermann von Wied, Erzbischof von Köln  198 Hermann Werner siehe Wolff-Metternich zur Gracht Herr, Corinna  57 Heyink, Rainer  24

Hicks, Anthony  177, 263, 313 Hiemke, Sven  99, 139, 266 Hill, John Walter  23 Hiltebrandt, Philipp  193, 213 Hirschmann, Wolfgang  63, 263f., 266, 282, 329 Hochhuth, Rolf  183 hochmüthige Alexander, Der, siehe Steffani Holman, Peter  37, 72, 81 Huck, Oliver  99, 139 Huldenberg, Daniel Erasmus (von –)  157f., 160 Hunter, David  321 Hüschen, Heinrich  38, 52, 174 Ihlenfeldt, Thomas  279, 282, 342 Ilgen, Heinrich Rüdiger von –  230 Ilten, Jobst Hermann von –  155, 157, 159f. inganni per vendetta, Gli, siehe Vivaldi inganno vinto dalla ragione, L’  119 Innozenz XI., Papst (Antonio Pignatelli)  202 Io mi parto, siehe Steffani Ippolito, Antonio Menniti  42 Jacobi, Jörg  297 Jahn, Bernhard  91f., 94, 96f., 100, 105f., 281f. Janus, siehe Keiser Jarck, Horst-Rüdiger  144 Jemmen, G. L.  111 Jendes, ‘Christ:’  111 Jenkins, Newell  12, 16 Joachim Ernst siehe Oettingen-Oettingen Joannis, Georg Christian  172 Johann Friedrich siehe Braunschweig-Lüneburg Johann Georg III. siehe Sachsen Johann Philipp Franz siehe Schönborn Johann Wilhelm siehe Pfalz Johann Wilhelm siehe Sachsen John, Antony  80 Joseph Clemens siehe Bayern Joseph I., Kaiser  42, 166, 190 Juschkewitsch, Adolf Pawlowitsch  254f. Kallisthenes 95 Kannenberg, Simon  282 Karl II., König von Spanien  165 Karl XI., König von Schweden  126 Karl siehe auch Charles Kaufold, Claudia  39, 41, 52, 92, 155–158, 161, 165, 170, 173, 184, 186, 207, 211, 215, 218f., 222, 226, 235, 253 Keiser, Johann  68 Keiser, Reinhard  13, 17, 66, 139, 263–266, 274f., 278–282, 292–295, 316f., 342

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Personen und Werke / Persons and Works

– Adonis  266, 274, 278, 280–282 – Componimenti musicali 281 – Divertimenti serenissimi 282 – Janus 274 Kelber, Rudolf  285 Kellner, Pauline  57 Kempe, Michael  243, 250, 254 Kerll, Johann Caspar  21f., 32, 37 Kern melodischer Wissenschaft, siehe Mattheson King, Richard G.  314 Kircher, Athanasius  296f. – Musurgia universalis 296 Kirkendale, Ursula  41, 45 Kirkendale, Warren  42 Klencke, Wilhelm von –  113, 143, 151 Königsegg-Rothenfels, Hugo Franz, Graf von – 194 Königsmarck, Maria Aurora, Gräfin von  107, 126 Königsmarck, Philipp Christoph, Graf von – 130 Kopelewitsch, Ju. Ch.  254f. Körner, Organist  141 Košenina, Alexander  92 Krosmann, Magnus  111 Krummel, Donald W.  321 Kudorfer, Dieter  169 Kuhnau, Johann  253, 261, 347 – Biblische Historien 261 Kühn-Steinhausen, Hermine  181 Kusser, Hedwig Melusine  140 Kusser, Johann Sigismund  55, 61, 68, 85, 139f., 259, 263, 265, 339 – Composition de musique 68 – Narcissus 139 Küster, Konrad  140 La Gorce, Jérôme de –  68f., 71 Lalli, (Benedetto) Domenico  66 Lampe, Joachim  91 Lanciani, Flavio Carlo  45 – O dolce penare nel regno d’amor  45 – Sì, che in amor si gode  45 Landini (‘Landina’), Maria  120f., 126–129 Le Cène, Michel-Charles  69, 263, 314 Le Cerf de la Viéville, Jean Laurent  83 Le Gobien, Charles  237 Legrenzi, Giovanni  304 Leibniz, Gottfried Wilhelm  7, 9, 13, 16f., 42f., 65, 96, 104, 109f., 122, 193, 226, 235–248, 250, 254f., 345f. Leibniz, Johann Friedrich  239 Leisinger, Ulrich  236, 254

Leo, Leonardo  65 Leon, Donna  183, 195 Leonesi, Luigi  64 Leopold I., Kaiser  61, 162, 209, 237 Leopold von Anhalt-Dessau  215 Leopold, Silke  91, 96, 102f., 264, 304f. libertà contenta, La, siehe Steffani Liequevetus, Heinrich  140 Lindgren, Lowell  34–37, 39, 65, 176, 339 Locke, John  259 Lohr, Bernward  268 Lonati, Carlo Ambrogio  115 – I due germani rivali  115 Loschelder, Josef  12, 16, 184, 194 Lothar Franz siehe Schönborn Lotti, Antonio  66 Louis siehe Ludwig Lowerre, Kathryn  179 Lucini, Giovanni Battista  48 – equivoci in amore, Gli, overo La Rosaura 48 Ludwig, Dauphin von Frankreich  68 Ludwig XIV., König von Frankreich  67–69, 74, 78, 85, 161, 164, 185 Ludwig, Jacob  81 Lulier, Giovanni Lorenzo  47 Lullistes  68f., 72, 78, 85 Lully, Jean-Baptiste  21, 49, 60, 68–75, 78, 80–86, 123f., 132, 141, 185, 261, 265, 284, 295 – Achille et Polixène  295 – Armide  49, 80f. – Atys  69, 78 – Bellérophon  68, 82, 84, 124 – Isis  75 – Psyché  69, 73f., 141 – Triomphe de l’Amour, Le  80–82 Luppi, Andrea  65, 240, 254f. Lyly, John 95 – Alexander and Campaspe 95 Machiavelli, Niccolò  93f. – Il Principe 94 Maffetti, Maffio  44 Magliabechi, Antonio  254 Magnon, Jean 95 – Le Mariage d’Oroondate et de Statira, ou La conclusion de Cassandre 95 Maillard, Musiker  111 Mainwaring, John  314f. Majus, Ludolf Wilhelm  218 Mancia, Luigi  66, 116 – Paride in Ida  116 Marci, Polycarp  238f. Margherita Pio di Savoia Zeno  47–50

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Register / Index

Maria Antonia, Erzherzogin von Österreich siehe Bayern Marigold, W. Gordon  281 Marles, Candace Ann  107, 110f., 113f., 116, 120–126, 128, 130, 171, 329 Marot, Clément  85 Marpurg, Friedrich Wilhelm  260 – Historisch-kritische Beyträge 260 Marri, Fabio  174 Marsh, Carol G.  292 Martin, Abt des Zisterzienserklosters ­Neuzell  195 Martin, Johann  169 Martini, Giovanni Battista (Padre Martini)  11, 15, 24, 37 – Esemplare, ossia Saggio fondamentale 24 Martino, Alberto  63 Marx, Barbara  174 Marx, Hans Joachim  42, 45, 47, 49, 61f., 176, 178, 265, 295, 337 Massi, Francesco Maria  108 Mattheson, Johann  11, 13, 15, 17, 59, 62, 64f., 246, 249f., 254, 258–266, 280–285, 291–295, 297, 342 – beschützte Orchestre, Das  258f., 261 – Boris Goudenow  283–285, 291f. – Critica Musica  266 – forschende Orchestre, Das  259, 261, 266 – Grundlage einer Ehren-Pforte  64, 259, 265f. – musicalische Patriot, Der  64, 260 – neu-eröffnete Orchestre, Das  59, 258, 261 – vollkommene Capellmeister, Der  65, 261, 266, 292 Maul, Michael  55, 57, 298 Mauro, (Bartolomeo) Ortensio  62f., 92, 94–97, 99f., 103–105, 107, 114, 130, 174, 180, 236, 267, 283–285, 292f., 320 Max Heinrich siehe Bayern Max(imilian) II. Em(m)anuel siehe Bayern Maximilian Heinrich von Weichs, Hildesheimer Weihbischof 216f. Maximilian II., Kaiser  198 Mazzei, Rita  43 Medea in Atene, siehe Gianettini Meine, Sabine  103 Meißner, Heinrich  261 Meister, Friedrich Johann  146–149, 151 Melani, Alessandro  42 Mendlein, Pandolfo  109f., 114, 117–122 Mercer, Frank  37 Mersenne, Marin  80 Metzler, Johannes  184, 189, 207–209, 211, 213f., 218f., 222, 224

Metzler, Josef  41, 184, 213 Meyer, Paolo  43f. Meyer, Reinhart  63 Minato, Nicolò  96 – Il Palladio in Roma 96 Mizler von Kolof, Lorenz Christoph  260 Molière (Jean Baptiste Poquelin)  69 Möller manuscript / Möllersche Handschrift  59, 61, 257 monarchia risoluta, La, siehe Rapparini, ­Wilderer Monari, Clemente  139 Montéclair, Michel Pignolet de –  83 Monteverdi, Claudio  80, 304 Moosbauer, Bernhard  265 Moratelli, Sebastiano  55 – Erminia ne’ boschi 55 Mori, Alessandro  178f. Moritz Wilhelm siehe Sachsen Muffat, Georg  78, 85 Münchhausen, Busso von –  146f. Murata, Margaret  47 musicalische Lexicon, Das, siehe Walther musicalische Patriot, Der, siehe Mattheson Musurgia universalis, siehe Kircher Muzio Scevola, Il 115 Naendorf, Johann Heinrich  194 Narcissus, siehe Kusser Nemeitz, Joachim Christoph  66 neu-eröffnete Orchestre, Das, siehe Mattheson Neumann, Frederick  86 Niccolino, Sänger  117 Nicoletto, Sänger  128f. Nicolini, Sänger  111, 121, 125f. Nigito, Alexandra  45 ninfa ritrosa, La, siehe Zambonini No, non ti voglio, no, siehe Scarlatti Nomis, Andreas Kaspar, Baron de –  226 Nostitz, Madame, polnische Gesandtin  173 Numa Pompilio 115 O dolce penare, siehe Lanciani O’Dette, Paul  297 Oberg, Bodo von –  155, 157, 159 Occhi miei lo miraste, siehe Steffani Oettingen-Oettingen – Albrecht Ernst I., Fürst von –  170 – Albrecht Ernst II., Fürst von –  170, 171, 172, 173 – Anna Sophie von Pfalz-Sulzbach, Gräfin von – 172 – Eberhardine Sophie Juliana von –, verw. von Oettingen-Wallerstein  121, 131

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Personen und Werke / Persons and Works

– Joachim Ernst, Graf von –  172 Olzi (Olci), Giuseppe  179f. – Onde belle mormorate 45 Opinioni de’ cantori, siehe Tosi Orlandini, Giuseppe Maria  64–66 Orlando, siehe Steffani Osborne, William Henry, Earl of Danby  334 Österreich, Georg  140 Otto Wilhelm von Bronckhorst-Gronsfeld, Osnabrücker Weihbischof und Apostolischer Vikar  189, 208f. Ottoboni, Agostino  42 Ottoboni, Antonio  42 Ottoboni, Cornelia  48 Ottoboni, Marco  48 Ottoboni, Pietro, Kardinal  41–51 Over, Berthold  43, 45 Ow, Franz Carl von –  171–173 Ow-Felldorf, Anton von –  171 Ow-Wachendorf, Hans Otto von –  171 Owens, Samantha  72, 178, 259 Pachelbel, Johann  60 Pagano, Sergio M.  25 Page, Janet K.  80 Paglia, Francesco Maria  45f. Pallavicini, Stefano Benedetto  34, 65, 173–177, 180–182 – Arminio  23, 38, 52, 173f., 176, 178–182 – Tassilone  52, 61, 73, 174–179 – Telegono 176–178 Palludi, Andrea  119 Palumbo, Margherita  178 Pamphilj, Benedetto, Kardinal  45, 47, 49, 52 Parei, Danielis  172 Pariati, Pietro  178 – Ambleto 178 Paris, Nicola  111, 116f., 120f., 125f., 128 Parlo e rido (ride), siehe Sabbatini, Steffani Pasqualini, Marc’Antonio  47 Pasquini, Bernardo  45 – Crudel, perché 45 pastor fido, Il, siehe Händel, Vannini Pastorelle en musique, siehe Telemann Pegah, Rashid-S. 113, 177, 185 Pelker, Bärbel  178f. Pellegrini, Valeriano  176–178 Pepusch, Johann Christoph  130f. Perre, Wilhelm von der  111 Peter, Nicolaus Hanns  148 Petrus, St.  226 Pfalz und Nebenlinien

– Anna Sophie von Pfalz-Sulzbach siehe Oettingen-Oettingen – Carl II. August, Fürst von Pfalz-Zweibrücken 175 – Carl III. Philipp, Kurfürst von der –  178 – Eleonore Katharine von Pfalz-ZweibrückenKleeburg 151 – Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, [Erz-]Bischof von Breslau, Trier, Mainz und Worms  189 – Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Kurfürst  52, 173f., 177, 179f., 187, 207, 211–214, 221–223, 225f., 228, 229f. – Philipp Florinus, Pfalzgraf von Sulzbach  171–173 Philipp von Hessen-Darmstadt, Herzog von Mantua 175 Piazza, Giulio  189, 208 Pietragrua, Carlo Luigi  176f. – Telegono 176–178 Pignolet siehe Montéclair Piperno, Franco  45 Pius XII., Papst (Eugenio Maria Giuseppe Giovanni Pacelli)  183 Piva, Gregorio  38, 52f., 175, 180f., 194, 321 Platen-Hallermund, Franz Ernst, Graf  155, 157–162 Plettenberg siehe Friedrich Christian von – Plutarch 252 Poli, Maddalena  119f. Pollarolo, Carlo Francesco  66, 281 Porpora, Nicola  64–66, 320 Porta, Giovanni  66, 178 Postel, Christian Heinrich  274 Powers, Harold  320 Printzen, Ludwig von –  230 Psyché, siehe Lully Pugliese, Annunziato  339 Purcell, Henry  37, 78, 81 Pythagoras 249 Quadrio, Francesco Saverio  111, 115, 118 Qual di lieti concenti, siehe Scarlatti Quanta certezza, siehe Steffani Quentell, Johann Peter von –  203 Qui diligit Mariam, siehe Steffani Racine, Jean  95 – Alexandre le Grand 95 Rahn, Thomas 91 Raff, Gerhard  171 Raguenet, François  63 Rapparini, Giorgio Maria  174, 177, 180f.

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Register / Index

– giorno di salute ovvero Demetrio in Atene, Il 177f. – monarchia risoluta, La  177, 179 Rasch, Rudolf  58, 69, 263, 314 rasende Roland, Der, siehe Vivaldi Rau, Johann Christian  57 Recke siehe Dietrich Adolf von der – Reese, Armin  104 Reiche, Jobst Christoph von –  118 Reimann, Margarete  266 Reiser, Anton, Pastor in Hamburg  238 Reitemeier, Arnd  156 Remolini, Nicola  111, 117, 120f., 126, 128f., 133 Reul, Barbara M.  178 Rezzonico, Aurelio  43f. Rezzonico, Carlo siehe Clemens XIII. Rezzonico, Vittoria Barbarigo  43 Riccardo I, siehe Händel Riccati, Giordano  11, 15 Richard, König von England  62 Richter, Maik  310 Riemann, Hugo  60, 72, 337 Riepe, Juliane  91 Rinaldo, siehe Feind, Händel Riva, Giuseppe  22, 34, 36, 39, 65, 176 Roberts, John H.  73, 86, 264f., 274, 305, 317, 320 Robertson, Michael  68, 72, 85 Rodier, François  69 Roger, Estienne  69, 263, 314 Roland, siehe Steffani, Orlando generoso Rolli, Paolo  319–321 – Alessandro  319, 321 Romagnoli, Angela  46 Rose, Stephen  40, 246 Rosenmüller, Johann  139, 141, 265, 298 Rosmene, La  119 Rosow, Lois  68 Rosselli, John  116 Rossi, Luigi  47 Rovatkay, Lajos  12, 16 Rudolf August siehe Braunschweig-Wolfenbüttel Ruspoli, Bartolomeo  41 Ruspoli, Francesco Maria, Marquis, später Prinz  41, 45f. Sabbatini, Pietro Paolo  47 – Parlo e rido  46f., 49–52 – Seconda scelta di villanelle 47 Sachsen und Nebenlinien – Anton Ulrich, Herzog von Sachsen-Meiningen  177, 228

– August der Starke (Friedrich August I.), Kurfürst von –  214, 224 – Ernst Ludwig, Herzog von Sachsen-Meiningen  225f., 228 – Friederich II., Herzog von Sachsen-GothaAltenburg 179 – Friedrich August, Kurprinz von –  214 – Heinrich von Sachsen-Lauenburg, Erzbischof von Bremen, Osnabrück und Paderborn 198 – Johann Georg III., Kurfürst von –  119f. – Johann Wilhelm, Herzog von Sachsen-Eisenach 179 – Moritz Wilhelm, Herzog von ­Sachsen-Zeitz  179 Sadie, Stanley  68, 263, 313 Sadler, Graham  74, 82, 132, 264 Saint-Évremont, Charles de –  63 Salvatore, Sänger  95, 128f. Sandberger, Adolf  32 Santinelli, Rosana (‘Rosane’)  119f., 127–129 Santinelli, Santo  119 Santorini, Lorenzo  178 Sardi, Cesare  43f. Sartori, Claudio  115, 118f., 175, 178 Sartorio, Antonio  57 – Adelaide, L’  57f., 94, 100 – Antonino e Pompejano 57 Sato, Kota  310 Savioni, Mario  47 Saxony siehe Sachsen Scarlatti, Alessandro  45, 48f. – equivoci in amore, Gli, overo La Rosaura 48f. – No, non ti voglio, no 45 – Qual di lieti concenti 45 Scarron, Paul  69 – Héritier ridicule, L’ 69 Scharrer, Margret  56, 58 Scheidemann, Heinrich  60 Schelhammer, Günther Christoph  240f. Scherl (Venedig)  109 Schiedermair, Ludwig  56 Schlitz (genannt von Görtz), Friedrich Wilhelm von, Freiherr  157–160, 180 Schlüsselburg, Franz Ernst  146 Schmeltzer, Johann Heinrich  81 – Memorie dolorose 81 Schmidt, Gustav Friedrich  264f. Schnath, Georg  93, 155–158, 167, 171, 225 Schneider, Herbert  69, 71 Schneider, Max  64, 265 Schnettger, Matthias  34 Schön, Theodor  171

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Personen und Werke / Persons and Works

Schönborn, Friedrich Karl  215 Schönborn, Johann Philipp Franz, Fürstbischof von Würzburg  34, 65, 176 Schönborn, Lothar Franz, Erzbischof von Mainz  188, 195, 204, 208, 212, 219 Schoonjans, Regina  57 Schopenhauer, Arthur  94 Schorror, Leopold Heinrich Wilhelm von – 194 Schröder, Dorothea  55, 61f., 180, 265, 295 Schulze, Hans-Joachim  59 Schürmann, Georg Caspar  61f., 65, 139, 263–265 Schütz, Heinrich  56, 140, 268, 305 – Dafne 56 Schwanebeck, ‘Asch:’  111 Schwartzkopff, Konrad  144f. Schwennicke, Detlev  172 Scott, Charles Kennedy  36 Se incostante, siehe De Luca Searle, Arthur  174 Seebald, Christian  62 Seifert, Herbert  96 Selfridge-Field, Eleanor  109, 117 Send-Schreiben, siehe Werckmeister Si vanta primavera 46 Sì, che in amor, siehe Lanciani Sievers, Heinrich  36, 69, 139 Silla, siehe Händel Singen ist das Fundament, siehe Telemann Sinold, genannt von Schütz (d. Ä.), Ludwig Justus, Freiherr  155, 157, 159f. Skarsten, Roger Christian  180f. Sophie Charlotte siehe Brandenburg Sophie Dorothea von Celle siehe BraunschweigLüneburg Sophie Luise von Württemberg siehe Brandenburg Sophie von der Pfalz siehe BraunschweigLüneburg Sorge, Georg Andreas  260 Sorosina, Benedetta  65 Spies, Hans-Bernd  259 Spiess, Meinrad  260 – Tractatus musicus compositorio-practicus 260 Spitzer, John  68, 72, 78 Stabat mater, siehe Steffani Stecchinelli, Francesco Maria Capellini  158 Steigerwald, Jörn  104 Steffani, Agostino – Al rigor d’un bel sembiante 53 – Alarico il Baltha  68, 72 – Alcibiades, siehe Steffani, libertà contenta, La

– Alessandro, siehe Steffani, superbia d’Alessandro, La – Amor vien dal Destino  38, 52, 80f., 174 – Arminio  23, 38, 52, 173f., 176, 178–182 – Baccanali  70, 73, 125f., 128, 138 – Beatus vir  22, 25f., 28, 30–32, 34 – Briseide, siehe Torri – Confitebor tibi Domine  23, 34, 53 – Der in seiner Freiheit vergnügte Alcibiades, siehe Steffani, libertà contenta, La – Enrico Leone, siehe Steffani, Henrico Leone – Gettano i re dal soglio  23, 34, 53 – glorie d’Enea, Le, siehe Steffani, trionfi del Fato, I – großmüthige Roland, Der, siehe Steffani, Orlando generoso – Heinrich der Löwe, siehe Steffani, Henrico Leone – Henrico Leone  12, 16, 55, 62, 70f., 73, 80–82, 99f., 103f., 107, 111, 113f., 117f., 125–128, 161, 239, 283, 295, 305, 307, 314, 329 – hochmüthige Alexander, Der, siehe Steffani, superbia d’Alessandro, La – Io mi parto  47 – Laudate Dominum 25f. – Laudate pueri 25 – libertà contenta, La  42, 63, 70, 73, 77, 126, 128, 130, 133, 135–137, 283, 298, 304, 314– 317, 325f., 329, 338 – lotta d’Hercole con Acheloo, La  73, 75f., 86, 128, 313f., 338f. – Magnificat 24 – Marco Aurelio  72, 74f., 185 – Niobe, regina di Tebe  72, 80f. – Non plus me ligate  23, 34 – Occhi miei lo miraste 44 – Orlando generoso  73, 78f., 100, 114, 120f., 127f., 132f., 135, 137, 263, 265–268, 273f., 281–283, 314, 316, 318f., 330f., 334f., 338 – Parlo e rido con questa e quella  45–47, 49–52 – Psalmodia vespertina  22–24, 26, 28, 32, 37, 39 – Quanta certezza (siehe auch Werckmeister, Send-Schreiben)  38–40, 249–255, 257, 259–262, 266 – Qui diligit Mariam  23f., 34, 36–38, 53 – Reginam nostram formosissimam 32 – rivali concordi, Le  71, 73, 78f., 86, 114, 116, 127f., 130 – Sacer Ianus quadrifrons  22f., 32–34, 38f. – Scherzi 34 – Send-Schreiben, siehe Werckmeister – Sonate da camera a tre 314 – Sperate in Deo  25, 32

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Register / Index

– Stabat mater  12, 16, 23f., 34, 36–40, 53 – superbia d’Alessandro, La  60, 62, 71, 73, 91f., 95–97, 99–101, 103f., 106, 117, 119f., 127f., 265, 283f., 289, 292f., 314, 318–324, 331f., 338 – Tandem adest clara dies 32f. – Tassilone  52, 61, 73, 174–179 – Triduanas a Domino 25 – trionfi del Fato, I (= triumfo del Fato, Il) 61, 73, 77, 83, 128, 174, 295 – Turno, Il, siehe Steffani, Amor vien dal Destino – zelo di Leonato, Il  120f., 319, 321 Steffani, Camillo  184 Steigerwald, Jörn  104, 282 Steno, Nicolaus siehe Stensen, Niels Stensen, Niels  192, 201f., 223 Stephan, Hans  205 Stockigt, Janice B.  178 Stölzel, Gottfried Heinrich  64 Stradella, Alessandro  47, 63f., 349 Strohm, Reinhard  56–57, 62, 65f., 175, 254, 257, 304, 310 Strohmann, Nicole K.  99, 103, 117, 265 Strungk, Nicolaus Adam  141f., 146, 151, 261, 281 Stubbs, Stephen  297 superbia d’Alessandro, La, siehe Steffani Synofzik, Thomas 60 Tacitus, Publius Cornelius  181 Taegert, Werner  175 Talbot, Michael  179 Tallaoni, Mutio Maria  111, 119f., 125 Tamura, Kazuhiko  305 Tarquini, Vittoria  111, 116f., 119, 126, 128, 130 Tassilone, siehe Pallavicini, Steffani Tattenbach, Gottfried Wilhelm, Graf von Rheinstein und –  184 Telegono, siehe Pallavicini, Pietragrua Telemann, Georg Philipp  13, 17, 62, 65, 86, 263, 265f., 294, 297f., 308–311 – Gott der Hoffnung erfülle euch 310f. – Pastorelle en musique  298, 308f. – Singen ist das Fundament 297 Teodora Augusta  119 Termini, Olga  111, 113 Terzago, Marc’Antonio  160 Terzago, Paolina  184 Terzago, Ventura  97, 185 Teuzzone, siehe Vivaldi Theile, Johann  139 Thompson, Shirley  80 Tibus, Adolf  205, 212 Tielke, Martin  171

Timms, Colin  7, 9, 24, 34–39, 41f., 46f., 52f., 56, 58, 60–62, 64f., 67–69, 73, 77, 86, 107– 111, 113f., 116f., 120f., 123–127, 129–132, 139, 163, 169–171, 173–176, 180, 184f., 194f., 239, 250, 253, 263–266, 280, 295f., 298f., 304, 313f., 321, 323, 325, 329, 339 Tito Manlio, siehe Vivaldi Torri, Pietro  59f., 66, 337f. – Briseide  59f., 337f. Tosi, Antonio Maria  176 Tosi, Pier Francesco  63–66 – Opinioni de’ cantori  63–65 Tremigliozzi, Gaetano  46 trionfi del Fato, I (Il triumfo del Fato), siehe Steffani Tüchle, Hermann  184, 213f., 216, 219, 223f. Tudway, Thomas  37 Turner, Malcolm  174 Turno, Il, siehe Steffani, Amor vien dal Destino Ulrika Eleonora von Dänemark, Königin von Schweden  107, 126 Urban VIII., Papst (Maffeo Barberini)  188 Ursulcar, Madame, Sängerin  57 Valoix (‘Valox’), Violist  111 Vannini da Palestrina, Pietro Paolo  57 – pastor fido, Il 57f., Varischino, Giovanni  115 – Odoacre, L’ 115 Vavoulis, Vassilis  57, 108f. Vec, Miloš   91 Vergil (Publius Vergilius Maro)  174 Verkühlen, Markus  215 verwirrte Haus Jacob, Das, siehe Feind Vespasiano, Il 118 Vincentino siehe Antonini Vinci, Leonardo  66 Vitali, Angelo  58 Vittoria siehe Tarquini Vittorio Amedeo II., König von Savoyen  193 Vivaldi, Antonio  62, 64–66, 175 – inganni per vendetta, Gli 175 – rasende Roland, Der 62 – Teuzzone 175 – Tito Manlio 175 vollkommene Capellmeister, Der, siehe Mattheson Voss, Steffen  264–266 Wächtler, Johann Christian  105 Waczkat, Andreas  148 Wainwright, Jonathan  72

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Orte und Institutionen / Places and Institutions

Waldburg, Gebhard Truchseß von –, Erzbischof von Köln  198 Walker, Thomas  91, 109 Wallace, William A.  252 Wallbrecht, Rosenmarie Elisabeth  56, 58, 107, 120f., 125–127, 131, 170 Walther, Johann Gottfried  11, 15, 64, 115, 260 – Musicalisches Lexicon  64, 115, 260 Weber, Christoph  43 Weichs siehe Maximilian Heinrich von – Weißmann, Tobias C.  103 Welfen, niedersächsische Dynastie  55f., 96, 99, 103f., 107, 125, 139, 141, 151, 156–159, 162, 166, 170, 207f., 239, 305 Wendland, Anna  105, 109, 116 Werckmeister, Andreas  249f., 254–260 – Musicae mathematicae hodegus curiosus 257 – Musicalische Paradoxal-Discourse 257 – Send-Schreiben (siehe auch Steffani, Quanta certezza)  255f., 258–260 Werner, Arno  179 Werner, Theodor Wilhelm  44, 124, 126, 139, 305 Werr, Sebastian  91 Wetzel, Baron  43f. Wied siehe Hermann von – wiedergefundene Hermione, Die, siehe Gianettini Wilderer, Johan Hugo (von –)  66, 177, 263 – giorno di salute ovvero Demetrio in Atene, Il 177f. – monarchia risoluta, La  177, 179 Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Lüne­ burg, verh. mit Kaiser Joseph I.  166 Wilson, David K.  78, 85 Winter, Heinrich Eduard  196

Wittelsbacher, bayerische Dynastie  199f., 202 Wittichen, Paul  208f., 213f., 222 Witvogel, Gerhard Fredrik  151 Woker, Franz Wilhelm  12, 15, 173, 184, 189f., 204, 207–209, 211–219, 226 Wolf, Jürgen Rainer  177 Wolff, Christian 106 Wolff, Hellmuth Christian 94 Wolff-Metternich zur Gracht, Franz Arnold von –, Bischof von Paderborn und Münster  200, 202, 204f., 212 Wolff-Metternich zur Gracht, Hermann Werner von –, Bischof von Paderborn  201f. Wotquenne, Alfred  111 Wunder, Marco  169 Zachow, Friedrich Wilhelm  314 Zadach-Buchmeier, Frank  142 Zambonini, Pietro  55 Zanoelli, Giovanni Paolo  43 Zanovello, Giovanni Battista  43f. Zarlino, Gioseffo  64, 253 – Dimostrazioni armoniche 253 Zaslaw, Neal  68, 72, 78 Zedler, Johann Heinrich  11, 15, 92 Zeno, Apostolo  178 – Antioco 178 Ziani, Marc’Antonio  95, 117 – amante eroe, L’ 95 – inganno regnante, L’ 117 Ziani, Pietro Andrea  58, 109 – fatiche d’Ercole per Deianira, Le 58 – Heraclio, L’  94, 100, 109 Ziino, Agostino  339 Zimmermann, Paul  141f., 147

Orte und Institutionen / Places and Institutions Altmark 158 Altona 189 Amerika  12, 183 Ammensleben 213 Amsterdam  43f., 58, 250f., 263 Ansbach  57, 128, 176 Antwerpen 167 Assisi  26, 30, 32 –, Biblioteca Comunale  26, 30f. Augsburg  43f., 61, 158, 161, 169f., 181, 197f., 263 Austria siehe Österreich

Bamberg  158, 175, 188, 204, 208, 222, 224  –, Staatsbibliothek  175 Bardowick   103 Bavaria, Baviera siehe Bayern Bayern  11f., 15f., 21f., 32, 47, 67f., 72, 158, 162–164, 166, 168–170, 186, 199, 222f., 337 Bayreuth  56f., 179 Berg 187 Berlin  34, 53, 56f., 59, 61, 116, 129, 159, 176, 178, 191, 209f., 213f., 223, 228–231, 236, 238, 256, 274 

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Register / Index

–, Preußische Akademie der ­Wissenschaften  42, 109, 236, 254 –, Staatsbibliothek  34, 53, 59, 61, 256, 274 Bevern  139, 141–146, 149–151 Böhmen  160, 194 Bologna  45, 63, 120, 175f. Bonn  161, 194 Brandenburg  104, 113, 157, 166, 190f., 195, 209–211, 213f., 223 Braunschweig  42f., 55–57, 60f., 65f., 112, 117, 139–142, 144, 152, 156, 158, 175, 192, 197, 209f., 215–218, 223, 227, 231, 254, 263, 265, 283, 293, 295, 297, 305, 308 – -Lüneburg  43, 104, 156, 231 – -Wolfenbüttel  56, 61, 140, 142, 209f., 217, 265 Bremen  189, 197f., 209, 279 Breslau 94 Britain siehe Großbritannien Brüssel  11, 15, 21f., 56, 58, 60, 155, 157–166, 186, 250, 323 –, Bibliothèque royale Albert Ier 47 –, Conservatoire Royal  111, 323 Burgwedel 148 Calenberg  155, 186, 207 Cambridge  23f., 28, 30, 32, 34, 46 –, Fitzwilliam Museum  24, 26, 30, 46, 49 Cannons  317f., 322, 334, 337f. Carrara  192f., 211, 218 Castelfranco Veneto  11, 15, 22, 184 Celle  56, 60, 105, 107, 121, 125, 129, 142, 146, 158–160, 166f., 170, 184, 209f., 215f., 226–228 Charlottenburg 236 China  192, 237 Città del Vaticano siehe Vatikan Cologne siehe Köln Corvey  147, 217 Crema (Lombardei)  118 Dänemark  114, 126, 157, 159, 166 Darmstadt  71, 180, 223, 226, 242 –, Hessisches Staatsarchiv  180 –, Universitäts- und Landesbibliothek  71 Den Haag  157, 159 Dessau  192, 215 Deutschland  9, 11–17, 21, 23, 38, 51f., 56, 58, 60f., 63, 66–69, 72, 85, 128–130, 138, 146, 158, 160f., 163f., 166, 172f., 180f., 183f., 187, 190, 192, 194f., 197–205, 207–210, 213, 215, 222–225, 238, 254, 257, 305, 308, 314 Dresden  57, 119f., 129, 159, 174, 179, 214

–, Sächsisches Staatsarchiv  – Hauptstaatsarchiv 179 Dublin  178, 259 Düsseldorf  13, 17, 21, 23, 38, 52, 55, 58f., 65, 73, 80, 157, 167, 173–182, 184, 186f., 191, 207, 209, 221–224, 226–229, 236 –, Heinrich-Heine-Institut  181 Edinburgh 178 Eldagsen (Springe)  148 Ellwangen 173 Engensen 166 Enghien (bei Brüssel)  161 England siehe Großbritannien Erfurt  59, 249 Ferrara 120 Florenz 177 Fondo Spiga siehe Vatikan, Archivio Storico „de Propaganda Fide“ France siehe Frankreich Frankfurt am Main  23, 44, 53, 92, 195, 219 Frankreich  67–69, 72, 78, 83, 86, 156, 159, 164, 166, 179, 186 Fulda  226, 228 Generalstaaten siehe Niederlande, Republik Germany siehe Deutschland Gotha  63f., 179 –, Landesarchiv Thüringen  – Staatsarchiv Gotha 179 Göttingen  13, 16, 207, 210 Großbritannien  11–13, 15f., 36f., 44, 62, 130, 156f., 164, 179, 315, 321, 339 Grubenhagen 207 Hadmersleben 213 Halberstadt  192, 195, 209f., 213, 215, 217, 255 Halle an der Saale  192, 215, 259, 314 Hamburg  37, 55, 57, 59–65, 94, 129, 139, 146, 158, 189, 238f., 249, 261, 263–267, 274, 281– 285, 293–297, 314, 316, 323, 325, 334, 339 –, Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky  267, 274, 283 Hameln 210 Hannover  7f., 9f., 11–18, 21–24, 34, 36–38, 41f., 44, 47, 51–53, 55–65, 69–73, 76f., 79f., 82, 89, 91–97, 99, 103–131, 138f., 142f., 146, 149–152, 155–168, 170f., 173f., 180, 184, 186, 191–194, 196, 204f., 207, 209, 211–213, 215–219, 221– 223, 225–231, 235f., 239f., 250, 253–255, 257, 262f., 267f., 281, 284, 293, 295, 297f., 305, 313–315, 319, 321, 323, 325, 334, 337–339

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Orte und Institutionen / Places and Institutions

–, Linden  161 –, Niedersächsische Landesbibliothek  57, 126 –, Niedersächsisches Landesarchiv  110, 112, 122, 125, 127, 155, 221, 229–230 Hanover siehe Hannover Harburg, Fürstlich-Öttingen-Wallerstein’sches Archiv 171 Heidelberg  71, 187, 221 Helmstedt  210, 240 Herrenhausen  7, 9, 13, 16, 158, 236 Hessen  158, 197 Het Loo  158, 160 Hildesheim  148, 191, 199, 202, 209, 211, 216– 218, 265, 297 Holstein  166, 197 – -Gottorf  140, 166 Hoya 197 Hubertusburg 214 Huysburg 213 Italien  11–13, 16, 52f., 55–60, 62–64, 66f., 72, 108, 110f., 114, 116, 118, 121f., 125, 129f., 138, 141, 158f., 161f., 166f., 174, 176–181, 183–185, 190, 193f., 201, 211, 219, 221f., 225, 236, 250, 254, 263–266, 280–282, 292, 294, 297, 304, 305, 308, 315 Italy siehe Italien Jülich  23, 187 Kassel  56f., 113f., 118, 149 Köln  39, 157f., 164, 166, 168, 175, 187–194, 198–202, 205, 207f., 214, 217f., Landsberg 230 Lauenburg  157–159, 165, 209 Leiden 241 Leipzig  55, 57, 60, 214, 239, 261, 265, 298 Liège siehe Lüttich Lietzenburg siehe Charlottenburg London  11, 14f., 18, 22f., 34, 36, 46, 49, 61f., 64–66, 70, 99, 125f., 159f., 175, 177–179, 194, 251, 285, 298, 313, 318, 339 –, Academy of Vocal Music  22f., 34, 36, 38, 64, 194f. –, British Library  34, 46, 70, 83f., 99, 126, 174f., 251, 285, 298, 313, 321, 339 –, Royal Academy of Music  61, 321f. Löpsingen  21f., 169f., 172f., 185, 192, 211 Lothringen 165f. Lübeck  60, 209, 259 Lucca  56, 175 Luchau 143

Lüneburg  43, 60, 107f., 123, 156, 171, 186, 209f., 224, 231 Lüttich  187f., 199, 202, 211 Macerata 175 Madrid, Biblioteca Nacional de España  53 Magdeburg  190, 195, 209f., 213 Mailand  48, 115, 118 –, Biblioteca Ambrosiana, Archivio Falcò Pio di Savoia 48–51 Mainz  188f., 195, 204, 208, 219, 231 Mannheim 178f. Mantua  110, 116, 175, 178 Meiningen  223, 225f., 228 Milano siehe Mailand Minden  209f., 214 Modena  34, 113–116, 193 –, Archivio di Stato  115 –, Biblioteca Estense Universitaria  34 Moritzburg 214 Mühlhausen 260 München  11f., 15, 17, 21–24, 32, 38, 47, 52, 55f., 65–67, 69, 70, 72, 75, 80, 94, 97, 108, 111, 116, 121, 124, 126–129, 138, 158, 166f., 169f., 174, 176f., 179f., 184–186, 195 –, Staatsbibliothek  179 Münster  13, 17, 22f., 45, 191f., 197, 199–205, 212 –, Bistumsarchiv  205 –, Diözesanbibliothek  45 Munich siehe München Naples siehe Neapel Naumburg an der Saale  179 Neapel  46, 111, 119, 227 –, Conservatorio di Musica „S. Pietro a Majella“  46 Neuhaus, Schloss  44, 191, 204, 212, 215, 231 Niederlande  43f., 155, 162, 165, 186, 197 –, Republik der –  159, 164 –, Spanische –  155, 162, 165, 186 Niedersachsen (Apostolisches Vikariat)  140, 189, 209, 217 Nördlingen 169 Nürnberg  61, 169, 171f. Oettingen  169, 185, 211 – -Wallerstein  185, 211 Ohrdruf 59 Oldenburg 197 Osnabrück  36, 110, 114, 125, 131, 158f., 189, 190f., 198f., 209 Österreich  81, 176

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Register / Index

Ostfriesland  113, 171f., 197 Oxford 313 Paderborn  22f., 191f., 197–205, 209f., 212, 216 –, Erzbistumsarchiv  205 Padua  22f., 36, 110, 184, 192 Paris  21f., 39, 56, 63, 67–69, 74, 78, 82, 124, 159f., 185, 237, 240, 264f. –, Académie Royale de Musique  68f., 72, 78 –, Comédie-Française  69 Peking 237 Pfalz  23, 42, 56, 158, 162–167, 171, 177, 179 Piemont 193 Polen  166, 190 Pommern  209f., 305 Portugal 165f. Potsdam 210 Preußen siehe Brandenburg Prussia siehe Brandenburg Quedlinburg 255 Reich siehe Deutschland Rijswijk  157, 159f., 163, 166 Rom (s. a. Vatikan)  13, 17, 21–24, 34, 37f., 41–48, 51–53, 65, 67, 80, 96, 116, 121, 124, 129, 161, 165, 177f., 192, 208, 216, 218, 221– 223, 225–230 –, Congregazione dei Musici  25 Rügen 158 Sachsen  56, 119, 157–159, 165f., 190f., 198, 214 Salzdahlum  218, 223 Schafstädt (Bad Lauchstädt)  259 Schleswig 197 Schwaben  170f., 177 Schweden  159, 166 Schwerin  189, 209, 305 –, Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern 305 Selz  192, 211, 219 Skandinavien  184, 207f., 213, 224 Sondershausen, Schlossmuseum  323, 325 Spandau 210 Spanien 166 Spiga  11f., 15f., 21, 23f., 39, 43f., 52, 82, 130, 173, 176, 180, 184, 188f., 193, 195, 204f., 207f., 219, 221–228, 231 Staatsbibliothek siehe Bamberg, Berlin, München Stettin 210 Stockholm 181f.

–, Kungliga biblioteket – Sveriges nationalbibliotek 181f. Straßburg  192, 211 Stuttgart  61, 85, 169, 171, 263, 314 Sweden siehe Schweden The Hague siehe Den Haag Thüringen  60, 179 Torgau 56 Toskana 236 Trient  36, 201 Trier  157f., 164, 166, 189 Turin  124, 185, 193f. Vatikan  12, 21, 43, 165f., 176, 185, 190, 193, 221 –, Archivio della Nunziatura di Colonia  39, 192 –, Archivio Segreto Vaticano  39, 41, 49, 190 –, Cappella Giulia  21, 185 –, Archivio Storico „de Propaganda Fide“  12, 16, 41, 43, 176, 183, 193, 207, 221–224, 227f., 231, 250 Venedig  22, 37, 42–44, 55, 65, 94f., 103, 107– 111, 114, 116–121, 125, 128f., 138, 176–178, 221, 315 Veneto  11, 15, 21f., 179, 184 Venice siehe Venedig Verden 209 Verona 175f. Vienna siehe Wien Wallerstein  171, 173, 185, 211 Weimar  80, 179 Weißenfels  56, 63, 91, 140 Westfalen  174, 198 Wien  57, 96f., 115, 157–159, 166, 176f., 228, 237 –, Österreichische Nationalbibliothek, Musiksammlung 176 Wolfenbüttel  55f., 61, 81, 105, 139–145, 149, 152, 166, 208–210, 217f., 223, 225, 227f., 231, 265, 267, 297 –, Herzog August Bibliothek  81, 267, 284 –, Niedersächsisches Landesarchiv   140–143, 145–152 Würzburg  176, 189, 231 Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library  259 Zeitz  91, 179

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