Adel und Religion in der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie 9783205206033, 9783205203902

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Adel und Religion in der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie
 9783205206033, 9783205203902

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Adel und Religion in der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie

Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Band 68

2017 Böhlau Verlag Wien

Adel und Religion in der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie

Herausgegeben von Katrin Keller, Petr Maťa und Martin Scheutz

2017 Böhlau Verlag Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Jaroslav Bořita von Martinitz (1583–1649) auf dem Sterbebett; Bildnachweis: Slaný, Vlastivědné muzeum ve Slaném; Foto: Martin Mádl (Ústav dějin umění, AV ČR, Praha), siehe Seite 141.

© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Satz: Bettina Waringer, Wien Druck und Bindung: General, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20390-2



Inhalt Siglen- und Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Katrin Keller, Petr Maťa und Martin Scheutz Der habsburgische Adel und die Religion. Vorwort zu einem wenig erforschten Thema. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Josef Hrdlička Evangelische Kirchenordnungen für adelige Herrschaften in Böhmen und Mähren zwischen 1520 und 1620. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 István Fazekas Katholische Adelige jenseits der Theiß. Ein Beitrag zur ungarischen Adelsgeschichte zwischen 1550 und 1640.. . . . . . 43 Alessandro Catalano „Bella strada da confederarsi“. Stati, finanze, religione e lingua nella Dieta boema del 1615. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Géza Pálffy Ein vergessener Ausgleich in der Geschichte der Habsburgermonarchie des 17. Jahrhunderts: Der ungarische Krönungsreichstag in Ödenburg/Sopron, 1622. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Petr Maťa Familie und Fegefeuer. Jaroslav Bořita von Martinitz (1583–1649) und seine Kinder als Förderer der Totenfürsorge im Böhmen des 17. Jahrhunderts. . . . . 109 Marie-Elizabeth Ducreux Piété, service du prince, écriture et finances. L’ascension des Putz von Adlersthurn, 1616–1700. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Arno Strohmeyer Religion – Loyalität – Ehre: „Ich-Konstruktionen“ in der diplomatischen Korrespondenz des Alexander von Greiffenklau zu Vollrads, kaiserlicher Resident in Konstantinopel (1643–1648). . . . . . . . . . . . . . 165

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Elisabeth Garms-Cornides Fromme Kavaliersreisen? Adelige aus den habsburgischen Erblanden als Rompilger in den Heiligen Jahren von 1650 bis 1750 . . . . . . . . . . . . 183 Martin Scheutz Stoßgebete für adelige Stifter und Stifterfamilien in Herrschaftsspitälern. Auch ein Beitrag zur Konfessionalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Friedrich Polleross „alles zur größeren Ehre Gottes und Euer Hochfürstlichen Gnaden Lob“. Adelige Repräsentation im barocken Sakralraum. . . . . . . . . . . . . . . . . 239 András Forgó Formen der Spätkonfessionalisierung im Ungarn des 18. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Pia Wallnig und Thomas Wallnig Die Gräfin und der Mönch, oder: sind sich Maria Anna Pignatelli Althann und Bernhard Pez je begegnet?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Olga Khavanova Bekehrungen zum Katholizismus im Maria-Theresianischen Zeitalter: Erwartungen und Realität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 William D. Godsey Adelige Intoleranz. Die antijüdische Aufnahmeordnung des niederösterreichischen Ritterstandes aus dem Jahr 1808. . . . . . . . . . . . .

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Joachim Bahlcke Die „Fürsorge der Väter für ihr Geschlecht und den Glanz ihres Hauses“. Archiv, Bibliothek und Erinnerungskultur der Schaffgotsch in Schlesien vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . 339 Abbildungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Verzeichnis der Adressen von Autorinnen und Autoren. . . . . . . . . . . . . . . 369 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

371

Ortsregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

Siglen- und Abkürzungsverzeichnis

ADB AG Cart.

Allgemeine Deutsche Biographie Archivio Gonzaga, Corrispondenza estera, Affari in Corte cesarea, Carteggio degli inviati e residenti AGCS Archivio di Gonzaga di Castiglione delle Stiviere AHY Austrian History Yearbook AMB Bratislava, Archív hlavného mesta SR Bratislavy [Archiv der Hauptstadt der Slowakischen Republik, Bratislava] ANM Praha, Archiv Národního muzea [Archiv des Nationalmuseums] Anzeiger ÖAW Geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlicher Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften APA Archiv pražského arcibiskupství [Archiv des Prager Erzbistums; Archives de l’archevêché de Prague] APH Praha, Archiv Pražského Hradu [Archiv der Prager Burg] APMK Archiv pražské metropolitní kapituly [Archiv des Prager Metropolitankapitels] APW, AMS, UK Wrocław, Archiwum Państwowe we Wrocławiu, Akta majątku Schaffgotschów, Urząd Kameralny [Staatsarchiv Breslau, Akten der Schaffgotschschen Herrschaften, Kameralamt] AŘAP Archiv řádu sv. Augustina v Praze [Archiv des Augustinerordens in Prag] Arch. Farn. Archivio Farnese ASF Firenze, Archivio di Stato di Firenze ASK Archiv für schlesische Kirchengeschichte ASMa Mantova, Archivio di Stato di Mantova ASMo Modena, Archivio do Stato di Modena ASNa Napoli, Archivio di Stato di Napoli AST Trieste, Archivio di Stato di Trieste ASV Roma, Archivio Segreto Vaticano ASVe Venezia, Archivio di Stato di Venezia ATT, AA Archivio della Torre e Tasso, Archivio antico AVA Allgemeines Verwaltungsarchiv BAV Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana Beih. Beiheft/Beihefte BNF Paris, Bibliothèque Nationale de France Canc. duc. Germ. Cancelleria ducale, Carteggio ambasciatori estensi, Germania ČČH Český časopis historický CJH 1608–1657 Corpus Juris Hungarici. 1608–1657. törvényczikkek [Gesetzesartikel aus den Jahren 1608–1657], hg. von Dezső Márkus (Budapest 1900)

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Siglen- und Abkürzungsverzeichnis

ČMKČ Časopis Musea království Českého ČMM Časopis Matice moravské Cod. Codex Dipl. ungedruckte Diplomarbeit Disp. Germ. Senato, Dispacci, Dispacci degli ambasciatori e residenti, Germania Diss. ungedruckte Dissertation DZV Desky zemské větší [Die größere Landtafel] EdN Enzyklopädie der Neuzeit, 16 Bde., hg. von Friedrich Jaeger (Stuttgart 2005–2012) EKM Eure(r) Kaiserliche(r) Majestät Ergbd. Ergänzungsband/-bände FA Familienarchiv FAH Familienarchiv Harrach FHB Folia historica Bohemica FHKA Finanz- und Hofkammerarchiv fl. Gulden FLkNÖ Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich FrA Friedensakten FRA Fontes Rerum Austriacarum HAL Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz-Vienna, Hausarchiv HAS Handschriften- und Autographensammlung HFU Hoffinanz Ungarn HHStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv HJb Historisches Jahrbuch HKA Hofkammerarchiv HKR Wiener Hofkriegsrat HR Hauptreihe Hs. Handschrift HZ Historische Zeitschrift HZAB Hofzahlamtsbücher IÖG Institut für Österreichische Geschichtsforschung ISR Italien Spanischer Rat JbGPÖ Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich JbLkNö Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich KA Kriegsarchiv kr. Kreuzer Kt. Karton MA ungedruckte Masterarbeit MdP Mediceo del Principato METEM Magyar Egyháztörténeti Enciklopédia Munkaközösség [Arbeitsgemeinschaft Ungarische Kirchenhistorische Enzyklopädie] MIÖG Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung MNL – GyMSM SL SVL Sopron, Magyar Nemzeti Levéltár – Győr-Moson-Sopron Megye Soproni Levéltára, Sopron Város Levéltára [Ungarisches Nationalarchiv – Ödenburger Archiv des Komitats Raab-Wieselburg-Ödenburg, Stadtarchiv Ödenburg]



MNL – OL

Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 9

Budapest, Magyar Nemzeti Levéltár – Országos Levéltára [Ungarisches Nationalarchiv – Staatsarchiv] MNL – VeML Veszprém, Magyar Nemzeti Levéltár – Veszprém Megyei Levéltár [Ungarisches Nationalarchiv – Komitatsarchiv Wesprim] MOÖLA Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs MÖStA Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Ms Manuskript/manoscritto MVGDB Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen NA Praha, Národní archiv [Nationalarchiv; Archives Nationales] NB Náboženská bratrstva [Religiöse Bruderschaften] NDB Neue Deutsche Biographie N. F. Neue Folge NÖLA St. Pölten, Niederösterreiches Landesarchiv NÖReg Niederösterreichische Regierung ÖC Österreichisches Kamerale ÖGL Österreich in Geschichte und Literatur ÖKT Österreichische Kunsttopographie ÖNB Wien, Österreichische Nationalbibliothek OSN Ottův slovník naučný ÖStA Wien, Österreichisches Staatsarchiv ÖZKD Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege OSZK Budapest, Országos Széchényi Könyvtár [Széchényi Nationalbibliothek] QFIAB Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken QIÖG Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung PAM Památky archeologické a místopisné PKB Pez-Korrespondenz Band RA Rodinný archiv [Familienarchiv; Archives familiales] RAČ Rodinný archiv Černínů [Familienarchiv Czernin] RAS Rodinný archiv Slavatů [Familienarchiv Slawata] ŘBB Benediktini Břevnov [Benediktiner von Břevnov; fond des Bénédictins de Břevnov] RK Reichskanzlei r. Nr. rote Nummer RQ Römische Quartalschrift RSA Ritterstandsarchiv ŠA Levoča Levoča, Štátny archív v Levoči, pobočka Levoča [Staatsarchiv in Levoča, Zweigstelle Levoča] SbPDZA Sbírka přepisů z domácích a zahraničních archivů [Abschriftensammlung aus den einheimischen und ausländischen Archiven] SCH Studia Comeniana et historica s. d. sine dato Segr. Stato Segreteria di Stato, Germania Germania s. l. sine loco SNA Bratislava, Slovenský národný archív [Slowakisches Nationalarchiv]

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SOA Litoměřice

Siglen- und Abkürzungsverzeichnis

Litoměřice, Státní oblastní archiv v Litoměřicích [Staatliches Gebietsarchiv in Litoměřice; Archives départementales de Litoměřice] SOA Plzeň/Klášter Státní oblastní archiv v Plzni – pracoviště Klášter [Staatliches Gebietsarchiv in Pilsen – Arbeitsstelle Klášter] SOA Praha Praha, Státní oblastní archiv v Praze [Staatliches Gebietsarchiv in Prag; Archives départementales de Prague] SOA Třeboň/JH Jindřichův Hradec, Státní oblastní archiv v Třeboni – pracoviště Jindřichův Hradec [Staatliches Regionalarchiv in Wittingau – Arbeitsstelle Neuhaus] SOF Südostforschungen StAbt Staatenabteilung StB Ständische Bücher StiA Stiftsarchiv StiB Stiftsbibliothek StMBO Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige STUF Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde TRE Theologische Realenzyklopädie UC Ungarisches Kamerale ÚDZ Úřad desk zemských [Landtafelamt] UH Unsere Heimat VIÖG Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung VKNGÖ Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs vol. volume VOMB Viertel ober dem Manhartsberg VSWG Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Wurzbach Constantin von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiser­ thums Oesterreich, 60 Bände (Wien 1856–1891). Wv Das Waldviertel ZfK Zeitschrift für Kirchengeschichte ZHF Zeitschrift für Historische Forschung ZSt Zentralstellen ZVGS Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens ZVGAS Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens ZVHStmk Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark ZWLG Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte

Der habsburgische Adel und die Religion. Vorwort zu einem wenig erforschten Thema Von Katrin Keller, Petr Maťa und Martin Scheutz

Thomas Winkelbauer wird im März 2017 seinen 60. Geburtstag begehen. Wie beschenkt man einen Historiker, der – mit einer gewissen Leidenschaft fürs große Format, für nicht nur dicke, sondern auch inhaltsschwere Werke – selbst seit Jahrzehnten regelmäßig bedeutsame Beiträge zur Geschichte der Habsburgermonarchie liefert? Die Herausgeber dieses Bandes waren der Meinung, dass das bevorstehende Jubiläum vielleicht am besten dadurch zu würdigen sei, dass man dem unermüdlichen, aber von Ämtern und Würden auch belasteten Kollegen nicht nur „irgendein“ Buch widme. Vielmehr sollte es ein Band sein, der Beiträge zu einem seiner zentralen Forschungsgebiete, der Geschichte des Adels in der Habsburgermonarchie, versammelt und damit vielleicht manche Einzelfrage behandelt, die Thomas Winkelbauer selbst bereits aufgeworfen hat, aber aufgrund neuer Aufgaben und Themen nicht selbst beantworten oder vertiefen konnte. Für die Beiträge wollten wir insbesondere Kolleginnen und Kollegen ansprechen, die in ihrer wissenschaftlichen Arbeit insofern mit Thomas Winkelbauer verbunden sind, als sie gemeinsame Themen bearbeitet, Projekte umgesetzt haben oder für die das insofern gilt, als ihre wissenschaftliche Arbeit direkt vom Adressaten des Bandes gefördert worden ist. Gerade zur letzteren Gruppe, das ist uns bewusst, werden sich noch viele Kollegen und Kolleginnen zählen, die nicht angefragt wurden oder die kurzfristig ihre Mitarbeit doch noch absagen mussten. Die Liste der Beitragenden aus insgesamt sieben Ländern erhebt insofern keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sie ist auch und gerade durch das zentrale Thema Adel und Religion zustande gekommen. Wiederholt hat Thomas Winkelbauer von der Aristokratie als dem „Kitt der Habsburgermonarchie“ gesprochen. Im Umfeld der habsburgischen Höfe spätestens ab den 1540er Jahren begannen sich erbländische, böhmisch-mährische, ungarische, aber auch beispielsweise kroatische Adelsfamilien sowie Zuzügler aus dem Reich und aus romanischen Ländern zu einem neuen, nicht mehr nur in einem der historischen Länder zu verortenden „gesamt­österreichischen“, eigentlich „habsburgischen“, Adel zu formieren. Neue Heiratskreise und verwandtschaftliche Netzwerke eröffneten diesem Adel Zutritt zu den obersten Ämtern und Würden am Kaiserhof und an anderen habsburgischen Höfen, in den einzelnen Ländern der „zusammengesetzten“ Habsburgermonarchie sowie zu den durch die Habsburgerdynastie kontrollierten kirchlichen Pfründen. Diese „gesamtösterreichischen“ Familien verfügten oft über die Landstandschaft (Landmannschaft/Inkolat/ Indigenat) in mehreren Ländern. Damit war die Anerkennung der Adelswürde der jeweiligen Familie bzw. die Möglichkeit zum Landerwerb, zur Amtsinhabe, zu Steuernachläs-

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Katrin Keller, Petr Maťa und Martin Scheutz

sen und anderen Vorrechten gesichert. Mit der Landstandschaft genossen hochadelige Familien politische Mitsprache in Ständeversammlungen der verschiedenen Länder der Habsburgermonarchie, gleichzeitig mischte dieser neue „habsburgische“ Adel bei der Vergabe der wichtigsten Ämter bei Hof und in der Zentralverwaltung entscheidend mit. Zudem ritterten diese Familien erbittert um wirtschaftliches, soziales und symbolisches Kapital mit, indem hier mit Vehemenz Grafen-, Fürsten- und andere Adelstitel angestrebt, Fideikommisse errichtet, Stadtpaläste und Landschlösser erbaut, Kirchen und Klöster gestiftet und Künstler gefördert wurden. Der griesgrämige und vielschreibende „Akten­ bohrer“ Gund­aker von Liechtenstein darf hier als hervorragendes Exemplum gelten. Diese gesamtösterreichische Sicht verbinden wir mit der Frage nach der Bedeutung der Religion für den Adel der Habsburgermonarchie zum eigentlichen Thema des vorliegenden Bandes. Bekanntlich wurde die durch den Adel fast aller habsburgischen Territorien in Zentraleuropa im 16. Jahrhundert massiv geförderte Reformation und die daraus resultierende konfessionelle Vielfalt seitens der katholischen Dynastie als eine Herausforderung empfunden, umso mehr, als die Bi- und Multikonfessionalität der Adelslandschaften, die im böhmisch-mährischen Fall sogar tief ins 15. Jahrhundert hineinreichte, auch die Stärkung der politischen Partizipationsrechte der Stände auf Kosten des Landesfürsten bedingte. Andererseits wussten habsburgische Regenten den Katholizismus zur Fundierung und zur Legitimierung ihrer Herrschaft zu nutzen, wobei dem Adel naturgemäß eine wichtige Rolle sowohl als Adressat der Bekehrungsmaßnahmen als auch als Mitträger des Bekehrungsprozesses zukam. Auch hier ist Gundaker von Liechtenstein ein gutes und, dank Thomas Winkelbauer, bekanntes Beispiel. Selbst nach der Durchsetzung der Gegenreformation in den böhmisch-österreichischen Ländern während des Dreißigjährigen Krieges, die mit politischer Neutralisierung der Stände und gravierenden Umgruppierungsprozessen innerhalb des Adels der einzelnen Länder einherging, blieben die Gewährleistung des katholischen Glaubens und dessen weitere Förderung in den mehrkonfessionellen Territorien der Habsburgermonarchie (Ungarn, Schlesien) bis tief ins 18. Jahrhundert eine „Dauerbaustelle“ des Wiener Hofes. Die enorme Bedeutung, die dem seitens der Dynastie aufgezwungenen Katholizismus für die Stabilisierung des sprachlich, rechtlich, politisch und wirtschaftlich heterogenen habsburgischen Fürstenstaats zugeschrieben wurde, fand freilich im religiösen Verhalten der neuen katholischen Adelseliten ihre Widerspiegelung, dessen Facetten bisher nicht erschöpfend ausgearbeitet sind. Aus diesen Überlegungen haben sich am Ende für den Band drei inhaltliche Schwerpunkte herauskristallisiert: Erstens das Themenfeld Adel und Konfessionalisierung. Hierzu hat Thomas Winkelbauer bereits nach seiner 1986 erschienenen Dissertation wichtige Beiträge erarbeitet; die Beschäftigung mit dem Konvertiten Gundaker von Liechtenstein, dem Protagonisten seiner 1998 erschienenen Habilitation, ließ ihn seine Beschäftigung vertiefen. Mit der Betonung der Relevanz von grundherrschaftlichem Handeln und Patronatsrechten für Reformation und Gegenreformation in der Habsburgermonarchie, des Stellenwertes der „Adelskonfessionalisierung“, haben seine Arbeiten international Forschungen angestoßen. Aufgenommen und weitergeführt werden diese etwa in den Beiträgen von Josef Hrdlička, István Fazekas, Marie-Elizabeth Ducreux, András Forgó und Olga Khavanova. Letztere widmet mit Konversionen zugleich einem weiteren Thema von Winkelbauers Arbeiten Aufmerksamkeit. Mehrere der genannten Beiträge heben zudem auf die untrennbare Verbindung von religiös-konfessionellem und politischem Handeln adeliger Herren in der Habsburgermonarchie ab; ein Themenfeld, wel-



Der habsburgische Adel und die Religion. Vorwort zu einem wenig erforschten Thema 13

ches etwa die Beiträge von Alessandro Catalano und Géza Pálffy an zentraler Stelle behandeln. Einen weiteren Aspekt des Forschungsfeldes Adel, Religion und Grundherrschaft, den der Verquickung von persönlicher und repräsentativer Frömmigkeit und damit der herrschaftlichen Dimension religiöser Praxis, widmen etwa die Beiträge von Petr Maťa, Martin Scheutz, Friedrich Polleroß und Elisabeth Garms-Cornides in jeweils spezifischer Weise Aufmerksamkeit. Allgemeiner mit Aspekten von Adel und Religion befassen sich die Texte von Arno Strohmeyer, Pia und Thomas Wallnig sowie William Godsey. Dabei liegt das Hauptgewicht naheliegender Weise auf der Behandlung der katholischen Konfession und des katholischen Adels in Niederösterreich, den böhmischen Ländern und Ungarn. Eine Ergänzung durch weitere Beiträge zu protestantischem Adel und Gegenreformation bzw. Konfession wäre wünschenswert gewesen, ließ sich aber angesichts der gegenwärtig laufenden Forschungen leider nicht umsetzen. Der erste Beitrag von Josef Hrdlička aber behandelt mit den für etliche adelige Herrschaften in Böhmen und Mähren überlieferten Kirchenordnungen gerade ein bedeutsames Instrument protestantischer „Adelskonfessionalisierung“ und macht damit auf eine für diese Länder noch wenig behandelte Quelle aufmerksam. Er beschreibt Beweggründe und Handlungsbedingungen für adelige Grundherren, die vor allem nach 1560 durch die Formulierung und Inkraftsetzung von Kirchenordnungen im Sinne herrschaftlichen Kirchenregiments aktiv wurden. Dabei konnten sie Patronatsrechte nutzen, die auch in Böhmen und Mähren für die Umsetzung bzw. Fixierung konfessioneller Veränderungen von Bedeutung waren. Am Ende wird außerdem sichtbar, dass in Mähren Adelige und Geistliche insofern regional dachten, als sie bei der Formulierung und Vereinbarung von Kirchenordnungen deren Gültigkeit über die einzelne Herrschaft hinaus anstrebten, während in Böhmen, wo das Utraquistische Konsistorium die kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen bestimmte, Kirchenordnungen mit lokalem Horizont dominierten. Hier schuf erst der Majestätsbrief von 1609 einen übergreifenden Rahmen für die dezidiert protestantische Kirchenverfassung. István Fazekas widmet sich dagegen der konfessionellen Minderheitenposition einer Gruppe adeliger Familien in Oberungarn in der zweiten Hälfte des 16. und im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts. Hier brach in dieser Zeit das alte Kirchensystem fast völlig zusammen, und der überwiegende Teil der Bevölkerung sowie die wichtigsten Adelsfamilien wurden Protestanten, wobei das calvinistische Bekenntnis dominierte. Eine Adelsgruppe um die Familien Melith, Szakolyi, Telegdy und Wárday blieb jedoch katholisch bzw. wurde das nach einer Generation wieder. Verbunden waren diese Familien dabei sowohl durch regionale Nähe ihrer Hauptsitze als auch durch eine Heiratspolitik, die zwar tendenziell katholische Verbindungen stärkte, die aber – ähnlich wie der Bildungserwerb – sichtlich überkonfessionelle Elemente aufwies. Ausgehend von seinen Quellen weist Fazekas deutlich darauf hin, dass das Bekenntnis zur alten Kirche nicht notwendig mit Habsburgtreue einher ging, sondern dass für solche konfessionellen Entscheidungen zudem familiäre Traditionen, der Einfluss der Jesuiten oder das Streben nach adeliger Selbstbehauptung relevant waren. Ebenso wird deutlich, dass die Minderheitenposition der genannten Familien auch zur Folge hatte, dass das für das Themenfeld Adel und Konfession so bedeutsame Patronatsrecht angesichts des nahezu völligen Fehlens katholischer kirchlicher Strukturen in der Region irrelevant wurde. Alessandro Catalano nimmt in seiner Darstellung zum böhmischen Landtag des Jahres 1615 (zugleich Generallandtag der habsburgischen Länder) ein Editionsprojekt des 19. Jahrhunderts und eine damit eng verbundene historiographische Tradition zum

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Ausgangspunkt. Anhand neuer Quellen aus italienischen Archiven, die über den Verlauf dieses politisch sehr bedeutenden, historiographisch jedoch sträflich unterbelichteten Landtages in Prag ausführlich berichten, kann er zeigen, dass in den konkreten Verhandlungen weder von einem unüberbrückbaren Dualismus zwischen Kaiser und Ständen, noch zwischen protestantischen und katholischen Adeligen die Rede sein kann. Er geht dazu den Positionen der Stände gegenüber dem Landesherrn nach, nimmt die Dynamik der Landtagsverhandlungen sowie Debatten über Finanzen in den Blick und schließlich auch die Frage des berühmten, am Landtag verkündeten „Sprachgesetzes“. Damit kann er ein differenzierteres Bild von der Gemengelage politischer und konfessioneller Konflikte zeichnen, als das bislang getan wurde, und es lassen sich auch von der älteren Forschung als national aufgeladene Debatten um Sprache gedeutete Konflikte deutlich zeitgemäßer interpretieren. Als Fazit bleibt, dass es Kaiser Matthias und seinem Umfeld mit Hilfe geschickter Manipulation und künstlicher Konfliktstiftung gelang, die in den vorhergehenden Jahren entstandene oppositionelle Bewegung binnen weniger Wochen zu neutralisieren und Ansätze zur befürchteten Konföderation protestantischer Stände der Habsburgermonarchie zu vereiteln. Auch Géza Pálffy stellt mit dem ungarischen Reichstag von 1622 ein historiographisch unterbewertetes Ereignis in den Mittelpunkt, in dessen Kontext verschiedene Adelsgruppierungen, Klerus und König politische und konfessionelle Kräfteverhältnisse verhandelten. Mit einer Vielzahl von Einzelregelungen legten im Sommer 1622 in Ödenburg/Sopron Ferdinand II. als König von Ungarn und die ungarischen Stände Auseinandersetzungen bei, die mit den Feldzügen des siebenbürgischen Fürsten Gabriel Bethlen eskaliert waren und zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen geführt hatten. Die zugesagte, aber immer wieder gefährdete Religionsfreiheit in Ungarn ebenso wie die umstrittene Rolle des katholischen Prälatenstandes spielten in diesen Konflikten eine bedeutsame Rolle. Der protestantische Fürst von Siebenbürgen hatte das nutzen können, um sich als Schutzherr protestantischer Adelsgruppen darzustellen, deren Unterstützung er auch schnell gewann. Katholische Parteigänger des habsburgischen Königs mussten das Land verlassen oder gerieten in Gefangenschaft; andere katholische Adelige wurden zu Parteigängern Bethlens. Die schrittweise Befriedung des Landes musste nicht nur von Satisfaktion für katholische wie protestantische Parteigänger beider Seiten begleitet werden, sondern auch das fragile Gleichgewicht in konfessioneller wie politischer Hinsicht wieder herstellen. Pálffy deutet dabei anhand des Anfang August 1622 durch Ämtervergabe und Entschädigungen realisierten „Elitentauschs“ an, dass konfessionelle Fragen für die Vergabe der obersten Positionen an einflussreiche Adelige nur eine untergeordnete Rolle spielten, dass jedoch auf mittlerer Ebene konfessionell illoyale Beamte bereits weitgehend eliminiert worden waren. Dadurch, dass protestantischer Widerstand in den Ständen eine ähnlich weitgehende Entschädigung wie für den hohen Adel für die Prälaten verhinderte, barg der nicht zuletzt mit der Krönung Eleonora Gonzagas zur ungarischen Königin im Juli 1622 symbolisch inszenierte Kompromiss freilich politische wie konfessionelle Sprengkraft in sich, die zu weiteren Auseinandersetzungen führen sollte. Petr Maťa verlässt mit seinem Beitrag die Ebene der politischen Gruppierungen und fragt nach der Etablierung von Elementen einer spezifisch katholischen Konfessionskultur im und durch den Adel der Habsburgermonarchie. Dabei konzentriert er sich auf Formen der Totenfürsorge und auf deren Praxis in zwei Generationen der Familie Martinitz, einer der bedeutendsten böhmischen Adelsfamilien des 17. Jahrhunderts. Dazu behandelt er zunächst knapp die Kavalierstour von Jaroslav Bořita von Martinitz, der sich in deren



Der habsburgische Adel und die Religion. Vorwort zu einem wenig erforschten Thema 15

Verlauf 1600 in Rom einen privilegierten Altar für die Familienkapelle im Prager Veitsdom verschaffte und damit eine nördlich der Alpen damals noch sehr selten anzutreffende Frömmigkeitsform mit der Familie verband. Des Weiteren behandelt Maťa einen der folgenden Schritte der Ausstattung dieses Altars im Jahr 1643 im Kontext einer in Prag sich gerade unter dem höheren Adel deutlich ausbreitenden Arme-Seelen-Frömmigkeit, die nicht zuletzt von den Prager Jesuiten organisatorisch und publizistisch unterstützt wurde. Dabei spielte die Verehrung einer wundertätigen Pietà in Pressburg eine Rolle, die auch im dritten Abschnitt des Beitrages angesprochen wird. Mehrere Mitglieder der Familie Martinitz waren auch nach 1646 dieser Pietà, vor allem aber dem Jesuiten Hieronymus Gladich verbunden, der an der Propagierung des Pressburger Kultes beteiligt gewesen war und für sich beanspruchte, Arme Seelen konkreter Verstorbener aus dem Fegefeuer erlösen zu können. Die Bemühungen um die Seelen mehrerer Familienmitglieder, aber auch Stiftungen, die Männer und Frauen der Familie Martinitz in diesem Zusammenhang einrichteten, zeigen ein komplexes Verständnis einer Gemeinschaft der Lebenden und der Toten, das jenseits repräsentativer Frömmigkeit in der Familie verbreitet war. Auch bildliche Darstellungen der Pressburger Gnadenpietà, auf die abschließend verwiesen wird, belegen, dass die Jenseitsfrömmigkeit in der Familientradition eine besondere Rolle spielte, obwohl sich auch andere böhmische Familien durch Stiftungen in Prag mit dem Phänomen der Totenfürsorge verbunden zeigten. Auch Marie-Elizabeth Ducreux nimmt, wie viele andere Autorinnen und Autoren des Bandes, eingangs ihres Textes direkt Bezug auf Thomas Winkelbauer und auf seine Arbeiten zur Rolle des Adels in der und für die Konfessionalisierung. Sie versucht, anhand eines Fallbeispiels die Rolle adeliger Grundbesitzer im lokalen Rahmen differenziert nachzuvollziehen und knüpft damit an die Untersuchungen zu Gundaker von Liechtenstein an. Im Zentrum ihres Beitrages steht die Familie Putz von Adlersthurn, vor allem deren erster Vertreter Johann, der als von Jesuiten ausgebildeter Hofmeister böhmischer Hochadeliger tätig wurde und dann eine Ämterkarriere in der habsburgischen ­Finanzverwaltung absolvierte, die ihn schließlich in den böhmischen und Reichsadel führen sollte. Ausgehend von bisher nicht ausgewerteten Quellen, vor allem einem ­Diarium und Teilen des Familienarchives, stellt der Beitrag zunächst den sozialen Aufstieg des aus der Nähe von Luxemburg stammenden Putz dar und widmet sich dann kurz dessen familiären Netzwerken in Böhmen. Zu diesem Netzwerk gehörten offenbar auch die Gebrüder Lamormaini, beide Jesuiten, einer Beichtvater Kaiser Ferdinands II., der andere Provinzial in Wien. Schließlich behandelt der Beitrag die typische Ver­ quickung von persönlicher und repräsentativer Frömmigkeit, mit der Putz in demonstrativer Weise die Gegenreformation auf seinem Gut Niemes/Mimoň in Böhmen realisierte und zugleich seinen sozialen Aufstieg ausgestaltete. In seinem Fall war dies nicht nur mit der Gründung von Bruderschaften, dem Erwerb von Ablässen und der Erneuerung der Kirche verbunden, sondern Putz führte zwei Katakombenheilige, die er von seiner Romreise anlässlich des Heiligen Jahres 1650 mitgebracht hatte, in die Kirche und ihre Verehrung in den lokalen Heiligenkalender ein. Arno Strohmeyer widmet sich mit Alexander von Greiffenklau einem Zeitgenossen Putz‘, der als kaiserlicher Diplomat tätig war. Kurz wird dessen FAmilie vorgestellt, vor allem aber das Wirken Greiffenklaus als kaiserlicher Resident in Istanbul in den Jahren zwischen 1643 und 1648 in politischen Kontexten verortet. Es ist jedoch eben nicht die konkrete diplomatische Tätigkeit, die im Zentrum des Beitrages steht, sondern ausgehend von den regelmäßigen Berichten des Residenten, die dieser alle zwei bis drei Wochen an

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Katrin Keller, Petr Maťa und Martin Scheutz

den Kaiser sendete, geht es Strohmeyer vielmehr um die Selbstkonstruktion des Diplomaten. Er thematisiert diese Korrespondenz im Spannungsfeld von Selbstzeugnis und inszeniertem Ich für drei zentrale Themenbereiche des Quellenfundus, für Aussagen zur Religion, zu Loyalität und zu Ehre. Dabei wird deutlich, dass Greiffenklau sich als Adeliger allgemein ins christliche Weltbild wie in eine christliche Gemeinschaft einordnet. Die Zuordnung zum Christentum als „Eigenes“, die Differenz zum und die Ablehnung des Islam als „Anderem“ wird dabei deutlich sichtbar. Konfessionelle Trennungen werden dagegen kaum thematisiert – die Konfrontation mit einer kulturell und religiös differenten Umwelt scheint diese in der Habsburgermonarchie zeitgleich politisch und konfessionell so relevante Differenz in den Hintergrund gedrängt zu haben. Nach diesen drei Fallstudien folgt der Beitrag von Elisabeth Garms-Cornides, die trotz höchst schwieriger Quellenlage eine Bestandsaufnahme zu adeligen Romreisen im Kontext der Heiligen Jahre zwischen 1650 und 1750 versucht. Basis dafür sind Einzelinformationen, die aus verstreuten Quellenbeständen in verschiedenen Ländern und einer Vielzahl von Quellentypen zusammengetragen werden müssen. Doch bereits die erste Zusammenschau macht deutlich, dass es eine erhebliche Zahl von adeligen Romreisenden aus den habsburgischen Ländern gab, unter denen sich zwei Gruppen abzeichnen: zum einen die größere der jungen Männer, die im Rahmen ihrer Kavalierstour die zeremoniellen und touristischen Attraktionen eines Heiligen Jahres „mitnahmen“, zum anderen die kleinere von Herren und Damen höheren Alters, die das Heilige Jahr zum Anlass für eine Reise nahmen. Für beide Gruppen ist von einer Verquickung religiöser und „touristischer“ Aspekte auszugehen, deren Gewichtung sich freilich nur im Einzelfall und damit durch Detailstudien klären lassen wird. Als generelle Befunde lassen sich außerdem festhalten, dass der höhere adelige Klerus erst nach 1700 eine erkennbare Gruppe unter den Rompilgern aus dem genannten Anlass darstellte, und dass sich für alle untersuchten Jahre ein anhaltendes, allerdings nie massenhaftes Interesse unter dem Adel der habsburgischen Länder am Besuch des Heiligen Jahres feststellen lässt. Der Beitrag bietet mit diesen ersten Befunden und den im Anschluss daran präsentierten Fragen zugleich eine Basis für eine intensivere Beschäftigung mit adeliger Frömmigkeit im spätkonfessionellen Zeitalter. Martin Scheutz geht in seinem Beitrag anhand verschiedener Beispiele dem Stellenwert von Spitalgründungen im Rahmen repräsentativer adeliger Frömmigkeit nach. Dabei weist er zuerst darauf hin, dass vermutlich der weite Teile der habsburgischen Erbländer erfassenden Stiftung von Hofspitälern unter Kaiser Ferdinand I. eine Art Vorbildrolle zukam. Anhand der Familien Liechtenstein und Esterházy als bedeutenden Vertretern eines „habsburgischen“, in verschiedenen Einzelterritorien begüterten Hofadels zeigt er dann knapp das Spektrum adeliger Stiftungstätigkeit auf, die neben Messen, Anniversarien und geistlichen Pfründen eben auch die Sorge für Arme und Kranke umfasste. Die dazu von diesen Familien gestifteten Spitäler zeigen einerseits gut, wie derartige fromme Stiftungen zugleich Element herrschaftlichen Zugriffes waren, etwa durch eine Arbeitsverpflichtung der Insassen oder deren Verpflichtung zu Gottesdienstbesuch. Die Spitalinsassen waren zudem verlässliche Teilnehmer der herrschaftlichen Seelenmessen. Andererseits ist erkennbar, dass bei der Stiftung und dem Ausbau von Spitälern in diesen Familien nicht die einzelne Grundherrschaft, sondern der oft regional weit ausgedehnte Gesamtbesitz den Horizont abgab, auf den die Institutionen bezogen waren. Dies unterschied diesen „gesamtösterreichischen Hochadel“ sichtbar von den Stiftern „gewöhnlicher“ Adelsspitäler, die ausdrücklich auf die Untertanen einer Herrschaft orientiert blieben.



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Ähnlichkeiten wiesen diese dagegen dahingehend auf, dass in vielen Fällen der Erwerb einer Grundherrschaft Anlass für Gründung oder Erweiterung eines Spitals war. Ebenso wie die in einigen Fällen nachweisbare Memorialfunktion von Herrschaftsspitälern – bis hin zur Rolle als Familiengrablege – belegt dies die Verquickung von Herrschaft und Repräsentation konfessioneller Rechtgläubigkeit, die durch Spitalstiftungen demonstriert wurde. Manche der niederösterreichischen Beispiele für Spitalbauten greift Friedrich Polleroß in seinem anschließenden Text wieder auf. Er widmet sich darin bislang selten behandelten Aspekten der sakralen Repräsentation des Adels – bislang wurde zwar etwa die adelige Sepulkralkultur untersucht, aber beispielsweise nach der Strahlkraft habsburgischer „Pie­ tas Austriaca“ auf den Adel der Erbländer wurde noch nie umfassend gefragt. Thomas Winkelbauer hat dies zwar angeregt, aber erst hier wird zumindest für einige Aspekte der Versuch eines Überblickes gemacht. Für vier Bereiche behandelt Polleroß die politisch geforderte bzw. als symbolisches Kapital die Karriere fördernde Stiftungstätigkeit des Hof­ adels, wobei die auch in anderen Beiträgen angesprochene Frage nach dem Stellenwert persönlicher Frömmigkeit zwar gestellt, angesichts des Forschungstandes aber noch nicht beantwortet werden kann. Bei den dargestellten Bereichen handelt es sich um Patronatskirche und Stifterporträt, wobei zahlreiche Beispiele vor allem für die herrschaftliche Signierung der Kirche durch Wappen, Inschrift oder Empore usw. erbracht werden können, die zugleich die Versinnbildlichung der Herrschaftsordnung über adelige Stiftungstätigkeit greifbar machen. Zum Stifterporträt können auch Epitaphien zu zählen sein, die zum zweiten Bereich Gruft und Grabmal überleiten, einem Feld, das bereits etwas eingehender behandelt worden ist. Zum dritten Bereich Altar und Votivbild sind zahlreiche, vor allem niederösterreichische Beispiele aufgeführt, die zumindest andeuten können, wie über die Auswahl von dargestellten Heiligen und die Ikonographie allgemein auch persönliche Vorlieben und damit vielleicht Aspekte persönlicher Frömmigkeit der Stifter und Stifterinnen erschließbar werden. Im vierten Bereich, der nur knapp Beispiele für die Stiftung von Kirchenmöbeln und Paramenten zusammenfasst, wird erkennbar, dass sich hier wohl ein Schwerpunkt weiblicher Stiftungstätigkeit abzeichnet – Paramente mit Allianzwappen waren nicht selten und stehen oft mit festlicher Kleidung und/oder weiblicher Hand­ arbeit im Zusammenhang. András Forgó geht in seinem anschließenden Beitrag erneut von Winkelbauers These der „Adelskonfessionalisierung“ des 16. und 17. Jahrhunderts aus und fragt danach, wie weit im Ungarn des 18. Jahrhunderts der adelige Einfluss auf die grundherrlichen Untertanen noch reichte. Dazu stellt er zunächst einige Beispiele grundherrlichen Handelns des Priors der Zisterzienserabtei Zirc dar, der teilweise im Zusammenwirken, teilweise aber auch im Konflikt mit dem zuständigen Diözesanbischof auf die konfessionelle Zusammensetzung und die religiöse Praxis von Untertanen Einfluss nahm. Andere Beispiele, etwa das eines Grafen Károlyi, zeigen, dass adelige Grundherren in Ungarn nach 1730 durchaus nicht ohne Erfolg versuchten, nicht-katholische Untertanen anzusiedeln und sie in ihrer Religionsausübung vor dem Zugriff der Diözesanbischöfe zu schützen. Allerdings gelang dies gewöhnlich nur auf der Ebene der sogenannten privaten Religionsausübung, die in Ungarn seit dem Ende des 17. Jahrhunderts durch Verordnungen geschützt wurde. Insgesamt kann damit gezeigt werden, dass es diverse Abstufungen im Vorgehen gegen andere Konfessionen gab, auch wenn scheinbar eindeutige gesetzliche Regelungen existierten, Abstufungen, die die enge Verknüpfung konfessioneller Fragen mit politischen, vor allem aber sozialen Konflikten und wirtschaftlichen Interessen von Grundherren zei-

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gen. Alles in allem lässt sich aber auch für das Königreich Ungarn zeigen, dass staatliche Konfessionspolitik, getragen von regionalen Behörden und kirchlichen Institutionen, seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts einflussreicher und durchsetzungsfähiger wurde. Das adelige Patronatsrecht gewährleistete zwar weiterhin gewisse Handlungsspielräume, konnte aber nicht mehr Grundlage selbständiger adeliger Konfessionspolitik sein. Pia und Thomas Wallnig unterziehen in ihrem Text biographische Einträge zu Maria Anna von Althann, geb. Pignatelli, einer Revision in Hinblick auf die dort kolportierten Kontakte zu gelehrten Benediktinern der niederösterreichischen Stifte Melk bzw. Göttweig. Dazu skizzieren sie kurz die Biographie der Gräfin sowie die gelehrten Kontakte der Mönche im Umfeld des Wiener Hofes. Vor allem anhand publizierter wie unpublizierter Korrespondenzen suchen sie nach Anhaltspunkten für die angesprochene Verbindung. Der Befund fällt allerdings ernüchternd aus: Es lässt sich im gesichteten Material kein Hinweis auf genealogisch-heraldische oder allgemein wissenschaftliche Interessen der Gräfin finden, ebenso wenig darauf, dass sie die wissenschaftliche Arbeit der Benediktiner gefördert hätte. Allerdings können die Autoren wohl den Ursprung der sagenhaften Schilderung dieser Verbindung in einer „Fremdenführeranekdote“ aus dem Schloss Csaka­thurn/Čakovec/Csáktornya aus der Zeit um 1800 festmachen. Wie die meisten anderen Beiträge des Bandes rekurriert auch Olga Khavanova mit ihrem Text auf ein Thema, das Thomas Winkelbauer in seinen Forschungen beschäftigt hat, auf das der Konversion im konfessionellen Zeitalter. Der zeitliche Schwerpunkt liegt in ihrem Fall allerdings auf Ungarn und auf der Zeit zwischen etwa 1750 und etwa 1780, also im weiteren Vorfeld der Toleranzpatente von 1781. Ausgehend von Suppliken in verschiedenen administrativen Aktenbeständen fragt die Autorin nach Strategien von Konvertiten zur „Kapitalisierung“ ihres Schrittes, danach, wie im Diskurs zwischen Obrigkeiten und (adeligem) Untertan Relevanz und Folgen einer Konversion verhandelt wurden. Dabei wird erneut das Spannungsfeld zwischen individueller Frömmigkeit und konfessionellem Druck angesprochen. Vor allem aber wird deutlich, dass eine Konversion noch im angesprochenen Zeitraum von beiden Seiten als Verdienst angesehen und thematisiert wurde, aus dem sich soziale Chancen ableiten ließen. Allerdings waren P ­ atrone oder Folgekonversionen von Familienmitgliedern als zusätzliches Argument hilfreich beim Ansuchen um Amt, Stipendium oder Almosen, so dass sich durchaus individuelle Wege und Entscheidungslinien abzeichnen. Tendenziell ist freilich erkennbar, dass professionelle Kompetenz behörd­licherseits seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts mehr und mehr dem Verdienst der Konversion vorgezogen wurde. Außer Arno Strohmeyer, der in seinem Beitrag das Verhältnis des kaiserlichen Residenten in Istanbul zum Islam kurz gestreift hatte, ist William Godseys Text der einzige, in dem das Verhältnis von Vertretern des habsburgischen Adels zu einer nichtchrist­lichen Religion angesprochen wird. Im Zentrum steht die Aufnahmeordnung des niederösterreichischen Ritterstandes von 1808, die gleich im ersten Abschnitt die Forderung von christlicher Geburt und Abstammung sowie im zweiten das Verbot von Geldleihe, „Wucher“ oder einer gewerblichen Tätigkeit für Kandidaten der Ritterkurie formuliert. Beide Vorschriften richteten sich eindeutig gegen die Aufnahme von Juden bzw. jüdischen Konvertiten in das Gremium. Dabei kann Godsey mit einem kurzen Überblick zunächst deutlich machen, dass derartige Fälle im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zwar vorgekommen waren, dass es sich aber keineswegs um eine Massenerscheinung handelte. Davon ausgehend beleuchtet er dann die erwähnte Festlegung im Kontext der Situation der niederösterreichischen Landstände und vor allem des niederen landsässigen Adels in



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der Zeit um 1800. Dadurch wird deutlich, dass der Hintergrund der rassistischen Festlegung von 1808 nicht in rassistischem Antisemitismus unter den niederösterreichischen Adels­familien oder etwa in religiösen Bedenken zu suchen ist. Vielmehr handelte es sich um eine Reaktion auf sozialen und wirtschaftlichen Druck, dem viele Familien der Ritterschaft in der Umbruchszeit um 1800 ausgesetzt waren. Verbunden damit war zudem die Wirkung eines österreichischen, christlichen Nationsbegriffes, der in der napoleonischen Zeit erstmals Wirkungsmacht entfaltete, und mit dem man die Unterscheidung vom „Fremden“ in patriotischer Weise formulieren wollte. Erkennbar wird zudem, dass der Ritterstand sich mit dieser Position in Konflikt mit dem Herrenstand ebenso wie mit dem Hof und der kaiserlichen Administration begab. Die Ablehnung der Ordnung von 1808 von Seiten des Hofes sollte allerdings von der Ritterschaft noch jahrzehntelang ignoriert und die Regelung damit de facto praktiziert werden. Joachim Bahlcke schließlich knüpft mit seinem Beitrag an ein anderes Themenfeld an, dem Thomas Winkelbauer wiederholt in seinen Arbeiten Aufmerksamkeit gewidmet hat, an das der Erinnerungskulturen des frühneuzeitlichen Adels. Bahlcke ortet zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Schlesien ein erhöhtes Interesse an Adelsgeschichte, das er nicht zuletzt mit einem Wechsel adeliger Eliten seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges in Verbindung bringt. In dieses Interesse lässt sich nicht nur das umfangreiche Adelslexikon des Johannes Sinapius (1720, 1728) einordnen, sondern auch das Bemühen verschiedener adeliger Familien um Sicherung und Bearbeitung familiärer Überlieferung als Element der Akzentuierung und Verankerung eines auf Abstammung und Tradition gegründeten Selbstbildes. Besonders ausgeprägt ist das am Fall der Herren und Grafen Schaffgotsch zu beobachten, deren Umgang mit Archiv, Bibliothek und familiengeschichtlicher Forschung der Verfasser dann bis ins 20. Jahrhundert nachgeht. Die Beiträge wurden, wie die Aufzählung zeigt, im Wesentlichen in einer chronologischen Reihenfolge angeordnet, obwohl, wie oben angedeutet, natürlich auch eine inhaltliche Gruppierung oder eine Zuordnung zu den jeweils behandelten Regionen der Habsburgermonarchie denkbar gewesen wäre. Dass die meisten Beiträge ihre Themen anhand neuer, bislang wenig oder gar nicht berücksichtigter Quellen behandeln, kommt dabei einem weiteren Anliegen Thomas Winkelbauers entgegen. Nicht nur als eifriger Archivarbeiter, sondern auch als Editor und zuletzt insbesondere durch die Unterstützung von Editionsprojekten und deren Publikation hat er immer dazu beigetragen, für die Forschung innerhalb wie außerhalb Österreichs Material zu erschließen. Quellenarbeit und historische Arbeit waren und sind für ihn in besonderer Weise untrennbar verbunden. Die Betrachtung der Frosch- wie der Vogelperspektive der Habsburgermonarchie darf als zentrales Forschungsgebiet von Thomas Winkelbauer gelten: Nicht nur die grundherrschaftlich-steuerlichen Auseinandersetzungen der kleinen Waldviertler Bauern mit ihrer Grundherrschaft interessieren den Jubilar, sondern in großem Maße auch das von vielen Faktoren abhängige, strukturgeschichtlich diffizile Zusammenspiel der verschiedenen Königreiche und Länder bei der Formierung der Habsburgermonarchie. Seine Forschungen kreisen um die Staatsbildung in der Habsburgermonarchie, um die Konfessionalisierung (und besonders um die Adelskonfessionalisierung), um die Geschichte des Adels und dessen Repräsentation, um die Vielfalt der Konfessionen in der Vormoderne, um die Grundherrschaft und um die Verbindung von Wirtschafts-/Finanzgeschichte mit „politischer“ Geschichte. Es ist den Forscherinnen und Forschern der Habsburgermonarchie zu wünschen, dass Thomas Winkelbauer noch viel Zeit finden möge, sich diesen Themen zu widmen.

Evangelische Kirchenordnungen für adelige Herrschaften in Böhmen und Mähren zwischen 1520 und 1620 Von Josef Hrdlička

In den vergangenen zwei Jahrzehnten stellte das Thema Adel ein wichtiges Forschungsfeld im Bereich der Erforschung der frühneuzeitlichen Geschichte der böhmischen Länder dar1. Dieses Themenfeld wurde von der Forschung bislang breit ausgeleuchtet, doch gerade die Frage der konfessionellen Zugehörigkeit des Adels wurde nur marginal berücksichtigt2. Diese Missachtung überrascht doch, bietet ja die verwickelte (mehr-)konfessionelle Entwicklung der böhmischen Länder zwischen dem Hussitismus und der Zwangsrekatholisierung nach 1620 zahlreiche spannende Forschungsfragen, die nach einem interdisziplinären Zugriff rufen3. Aus der Sicht der tschechischen Forschung blieben vor allem Fragestellungen zur Konfession des Adels, aber auch die Frage nach der adeligen Beteiligung an Konfessionalisierung sowie nach Form und Inhalt der konfessionellen Entwicklung in den beiden Kronländern häufig ausländischen Forschern vorbehalten. Im Fokus dieser Untersuchungen standen vor allem die Konflikte der nichtkatholiDie Studie entstand im Rahmen des durch die Grantagentur der Tschechischen Republik geförderten Projekts Nr. 14-23509S. 1  Monografisch vor allem Václav Bůžek–Josef Hrdlička, Dvory velmožů s erbem růže. Všední a sváteční dny posledních Rožmberků a pánů z Hradce [Die Höfe der Magnaten mit der Rose im Wappen. Alltag und Feiertag der letzten Herren von Rosenberg und Neuhaus] (Praha 1997); Václav Bůžek–Josef Hrdlička–Pavel Král–Zdeněk Vybíral, Věk urozených. Šlechta v českých zemích na prahu novověku [Das adelige Zeitalter. Adel in den böhmischen Ländern auf der Schwelle zur Neuzeit] (Praha–Litomyšl 2002); Marie Koldinská, Každodennost renesančního aristokrata [Der Alltag eines Aristokraten der Renaissance] (Praha–Litomyšl 2004); Petr Maťa, Svět české aristokracie (1500–1700) [Die Welt der böhmischen Aristokratie (1500–1700)] (Česká historie 12, Praha 2004) 478–522. 2  Unter den Ausnahmen sind die Arbeiten von Josef Válka und Jaroslav Pánek zu erwähnen. Z. B. Josef Válka, Politika a nadkonfesijní křesťanství Viléma a Jana z Pernštejna [Politik und das überkonfessionelle Christentum Wilhelms und Johanns von Pernstein], in: Pernštejnové v českých dějinách [Die Pernstein in der tschechischen Geschichte], hg. von Petr Vorel (Pardubice 1995) 173–186; Jaroslav Pánek, Olomoucký biskup Stanislav Pavlovský a česká šlechta [Der Olmützer Bischof Stanislaus Pavlovský und der böhmische Adel]. O ­ kresní archiv v Olomouci 1989 (Olomouc 1990) 35–58; Ders., Biskup a kancléř. Stanislav Pavlovský a Vratislav z Pernštejna a jejich úloha v počátcích rekatolizace Moravy [Bischof und Kanzler. Stanislaus Pavlovský, Vratislav von Pernstein und ihre Rolle am Beginn der Rekatholisierung Mährens]. ČMM 113 (1994) 35–47. 3  Einigen mit der Konfessionalität des Adels zusammenhängenden Themen schenkte Beachtung Petr Maťa, Vorkonfessionelles, überkonfessionelles, transkonfessionelles Christentum. Prolegomena zu einer Untersuchung der Konfessionalität des böhmischen und mährischen Hochadels zwischen Hussitismus und Zwangskatholisierung, in: Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag, hg. von Joachim Bahlcke–Karen Lambrecht– Hans-Christian Maner (Leipzig 2006) 302–331.

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schen Stände mit den katholischen Landesherren. Das Feld der Religion wurde im Zuge dieser Auseinandersetzungen zum Gegenstand eines machtpolitischen Ringens von Adel und Landesfürst, aber auch zu einem Ausdrucksmittel, dessen sich die nichtkatholischen Stände zur Schaffung ihrer Identität bedienten4. Aus ungewohnter Perspektive beleuchtete Thomas Winkelbauer die Beziehungen zwischen Adel und Konfession ab den 1990er Jahren in mehreren Arbeiten. In seinen Forschungen zur Grundherrschaft befasste er sich vor allem mit adeligen Herrschaftsformen in böhmischen, mährischen und österreichischen Dominien und behandelte dort auch die Konfessionalisierung der Untertanen. Die Konfession verstand er dabei als festen Bestandteil der Sozialdisziplinierung, welche die Grundherren auf ihren eigenen Grundbesitzungen realisierten5. In konkreten Beispielen legte er für die Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg dar, dass sowohl protestantische als auch katholische Adelige auf ihren Grundherrschaften eine eigene lokale Konfessionspolitik betrieben6. Diese Herangehensweise an das Themenfeld Adel und Konfession beeinflusste auch die Debatte um Umsetz- und Anwendbarkeit des Paradigmas der Konfessionalisierung auf die spezifisch multikonfessionelle Situation der böhmischen Länder vor und nach der Wende 1620. Die instruktiven Studien Winkelbauers verdeutlichten den dringenden Forschungsbedarf im Bereich lokaler Konfessionspolitik von Adeligen als weltlichen Autoritäten in ihren eigenen Grundherrschaften. Den heute breit rezipierten Begriff der „Adelskonfessionalisierung“ wandte erstmals wahrscheinlich Wolfgang Reinhard, einer der geistigen Väter des Konfessionalisierungsparadigmas, in Verarbeitung von Winkelbauers Studien an7. Die Rolle adeliger Grundherren ist im Fall der böhmischen Ländern umso gewichtiger, weil der Adel sowohl im frühneuzeitlichen Böhmen als auch in Mähren am Beginn der Frühen Neuzeit 70 bis 85 Prozent des gesamten in Steuerverzeichnissen fassbaren Grundbesitztes besaß8. 4   Vor allem Winfried Eberhard, Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478–1530 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 38, München–Wien 1981); ders., Stände, Herrscher und Religion in den böhmischen Ländern in der frühen Neuzeit, in: Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa in der frühen Neuzeit, hg. von Hugo Weczerka (Historische und landeskundliche Ostmitteleuropa-Studien 16, Marburg 1995) 121–136; ders., Zur reformatorischen Qualität und Konfessionalisierung des nachrevolutionären Hussitismus, in: Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter, hg. von František Šmahel (Schriften des Historischen Kollegs 39, München 1998) 213–238; ders., Voraussetzungen und strukturelle Grundlagen der Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa, in: Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, hg. von Joachim Bahlcke– Arno Strohmayer (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 7, Stuttgart 1999) 89–103; Jaroslav Pánek, Stavovská opozice a její zápas s Habsburky 1547–1577. K politické krizi feudální třídy v předbělohorském českém státě [Die Ständeopposition und ihr Kampf gegen die Habsburger 1547–1577. Zur politischen Krise der feudalen Klasse im böhmischen Staat vor der Schlacht am Weißen Berg] (Praha 1982). 5   Thomas Winkelbauer, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung durch Grundherren in den österreichischen und böhmischen Ländern im 16. und 17. Jahrhundert. ZHF 19 (1992) 317–339. 6   ders., Grundherrschaft, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung in Böhmen, Mähren und Österreich unter der Enns im 16. und 17. Jahrhundert, in: Konfessionalisierung (wie Anm. 4) 307–338. 7   Wolfgang Reinhard, „Konfessionalisierung“ auf dem Prüfstand, in: Konfessionalisierung (wie Anm. 4) 79–88, hier 88. 8  František Hrubý, Moravská šlechta r. 1619, její jmění a náboženské vyznání [Der mährische Adel im Jahre 1619, sein Besitz und seine Konfession]. ČMM 46 (1922) 107–169; Alois Míka, Majetkové rozvrstvení české šlechty v předbělohorském období [Die besitzmäßige Schichtung des böhmischen Adels im Zeitalter vor der Schlacht am Weißen Berg]. Sborník historický 15 (1967) 45–75; Václav Bůžek, Majetková skladba šlechty v předbělohorských Čechách [Die besitzmäßige Struktur des Adels in Böhmen vor der Schlacht am Weißen Berg]. Hospodářské dějiny 14 (1986) 175–216.



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Das Thema Adel und Konfession bietet damit eine breite Palette an Möglichkeiten, doch liegt der Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags auf der lokalen, vom Adel auf seinen Besitzungen ausgeübten Konfessionspolitik. Ausgangspunkt für diese Studie zu einem bislang eher am Rande des Forschungsinteresses stehenden Bereiches war die geplante Edition evangelischer Kirchenordnungen aus den Jahren 1520–1620, mit denen die konfessionellen Verhältnisse auf den Grundherrschaften einiger böhmischer und mährischer evangelischer Adeliger geregelt wurden9. Während sich die deutsche Historiographie einer umfassenden Quellenedition, die am Beginn des 20. Jahrhunderts vom deutschen Kirchenrechtler Emil Sehling (1860–1928) initiiert wurde und die auch Schlesien, die Ober- und die Niederlausitz erfasst10, bedienen kann, steht ein vollständiges Verzeichnis der Kirchenordnungen ebenso wie eine Edition dieser böhmischen und mährischen Quellen noch aus. Zur Beeinflussung der religiösen Verhältnisse in seinen Grundherrschaften besaß der böhmisch-mährische Adel verschiedene Methoden und Möglichkeiten. Am wichtigsten erscheint dabei das Patronatsrecht, welches es dem Adel erlaubte, die Auswahl derjenigen Geistlichen zu bestimmen, die mit der Pfarrverwaltung in den Patrimonialstädten bzw. -märkten und Dörfern unter seiner Oberherrschaft betraut waren. Der Patronatsherr konnte die Pfarre mit demjenigen Geistlichen besetzen, der den adeligen Vorstellungen am meisten entsprach11. Das Patronatsrecht gewann besonders im Kontext der lutherischen (deutschen) Reformation, aber auch der radikalen Strömungen des Utraquismus (der bereits seit den Hussitenkriegen im 15. Jahrhundert durchgesetzten böhmischen Reformation) an Bedeutung. Noch wichtiger wurde es nach dem endgültigen Scheitern der Unionsbestrebungen für eine einheitliche nichtkatholische Kirche und nachdem es Ferdinand I. in den 1550er und zu Beginn der 1560er Jahre gelang, das so genannte Untere Konsistorium – das Zentralorgan der utraquistischen Kirche – unter landesfürst­ lichen Einfluss zu bringen12. Die Entstehung einer evangelischen, für alle nichtkatholischen Richtungen zuständigen Zentralbehörde auf gesamtstaatlicher Ebene kam weder in Böhmen, wo im Jahre 1575 die Bestrebungen nach einer landesfürstlichen Anerkennung der Confessio Bohemica scheiterten, noch in Mähren zu einem Ende. Eine Schlüsselrolle beim Protestantismus spielten deshalb einzelne Adelige, welche die nichtkatholischen konfessionellen Vorstellungen in ihren Grundherrschaften – die bis auf Ausnahmen vor dem Zugriff des Landesfürsten geschützt waren – durchzusetzen ver9   Josef Hrdlička, Konfesijní politika šlechtických vrchností a šlechtická konfesionalizace v Čechách a na Moravě v 16. a 17. století [Konfessionelle Politik adeliger Grundherren und die Adelskonfessionalisierung in Böhmen und Mähren im 16. und 17. Jahrhundert]. ČČH 108 (2010) 406–442; ders., Die Rolle des Adels im Prozess der Konfessionalisierung der böhmischen Länder am Anfang der Frühen Neuzeit, in: Adel in Südwestdeutschland und Böhmen 1450–1850, hg. von Ronald G. Asch–Václav Bůžek–Volker Trugenberger (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B/191, Stuttgart 2013) 77–94. 10  Emil Sehling (Bearb.), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Bd. 3: Die Mark Brandenburg. Die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz. Schlesien (Leipzig 1909) 355–483. 11  Zikmund Winter, Život církevní v Čechách. Kulturně-historický obraz z XV. a XVI. století [Das kirchliche Leben in Böhmen. Ein kulturhistorisches Bild aus dem 15. und 16. Jahrhundert], Bd. 2 (Praha 1896) 499–530; Johann Schlenz, Das Kirchenpatronat in Böhmen. Beiträge zu seiner Geschichte und Rechtsentwicklung (Quellen und Forschungen auf dem Gebiete der Geschichte 4, Praha 1928) 125–247. 12   Jiří Rak, Vývoj utrakvistické správní organizace v době předbělohorské [Die Entwicklung der utraquistischen Kirchenverwaltung im Zeitalter vor der Schlacht am Weißen Berg]. Sborník archivních prací 31 (1981) 179–206.

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mochten. Gerade in einigen Grundherrschaften versuchte man im letzten Drittel des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts, Regeln der evangelischen Kirchenverwaltung aufzustellen und durchzusetzen. Die Gültigkeit der meisten Kirchenordnungen war allerdings nur auf die Grundherrschaft des Ausstellers oder eventuell auf die nähere Umgebung beschränkt. Einige mährische Kirchenordnungen aus dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts stellten dagegen die Basis für eine Reform der evangelischen Kirchenverwaltung in einem größeren Territorium dar13.

Erste evangelische Kirchenordnungen im Bereich adeliger Grundherrschaften in Böhmen Für die Grundherrschaften des evangelischen Adels wurde der Großteil der bislang ca. 25 bekannten, böhmisch-mährischen evangelischen Kirchenordnungen erlassen14. Davon weichen nur wenige Ausnahmen ab. Die wichtigsten darunter bilden Kirchenordnungen, die zwischen den Jahren 1569 und 1604 in Iglau/Jihlava – einer Bastion des deutschsprachigen Luthertums im südwestlichen Mähren – erlassen wurden15. Des Weiteren ist auf die Verordnung vom November 1605 hinzuweisen, welche den rechtlichen Rahmen für den Administrator der Pfarre und der Schule im nordwestböhmischen Graupen/Krupka vorgab, einer königlichen Bergstadt mit überwiegend lutherischer Bevölkerung, die im Jahre 1616 in den Besitz des katholischen Adeligen Adam von Sternberg († 1623) überging16. Die meisten der bislang bekannten und durch die Grundherren oder Geistlichen aus ihren Herrschaften publizierten evangelischen Kirchenordnungen entstanden in den fünf Jahrzehnten vor dem Ausbruch des böhmischen Aufstands 1618. Aus früherer Zeit sind nur vier derartige Normtexte bekannt. Die Schaffung mehrerer evangelischer Kirchenordnungen hängt mit der raschen, bald nach Luthers Aufreten erfolgten Reformation in den nordwestböhmischen Grundherrschaften der Grafen Schlick zusammen. Schon länger ist der Forschung bekannt, dass die lutherische Reformation in Böhmen im zweiten und dritten Viertel des 16. Jahrhunderts vor allem durch jene Adelsfamilien Verbreitung fand, deren Besitzungen sich in den bis dahin (d. h. auch nach den Hussitenkriegen) katholisch gebliebenen Regionen Nord- und Nordwestböhmens befanden17. Im Fall der Grafen   Zu den evangelischen Kirchenordnung vgl. TRE 18 (1989) 662–713, vor allem 670–703.   Ihr vollständigstes Verzeichnis veröffentlichte Ferdinand Hrejsa, Česká konfesse, její vznik, podstata a dějiny [Die Böhmische Konfession, ihre Entstehung, ihr Wesen und ihre Geschichte] (Rozpravy České akademie císaře Františka Josefa pro vědy, slovesnost a umění Klasse I/Nr. 46, Praha 1912) 33–37, 343–359, 505–507. Für Mähren ders., Luterství, kalvinismus a podobojí na Moravě před Bílou horou [Das Luthertum, der Kalvinismus und die Utraquisten in Mähren vor der Schlacht am Weißen Berg]. ČČH 44 (1938) 296–326, 474–485, hier 312–326. 15  Gustav Trautenberg, Die Kirchenordnungen von Iglau im sechzehnten Jahrhundert. JbGPÖ 2 (1881) 143–177. 16  Erik Turnwald, Aus den Studien zum „Gemeindebuch der Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien“ (I). Zur Geschichte der Gemeide Graupen. Erbe und Auftrag der Reformation in den böhmischen Ländern 1 (1960/1961) 38–48, hier 43–48; Alfred Eckert, Fünf evangelische (vor allem lutherische) Kirchenordnungen in Böhmen zwischen 1522 und 1609. Bohemia 18 (1977) 35–50, hier 43–45. 17  Rudolf Wolkan, Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmens, 5 Bde. (Praha 1882–1884); Winfried Eberhard, Die deutsche Reformation in Böhmen 1520–1620, in: Deutsche in den böhmischen Ländern, hg. von Hans Rothe (Köln–Weimar–Wien 1992) 103–123; Jiří Just, Luteráni v našich zemích do Bílé hory [Lutheraner in unseren Ländern bis zur Schlacht am Weißen Berg], in: Luteráni v českých zemích v proměnách staletí [Lutheraner in den böhmischen Ländern im Wandel der Jahrhunderte], hg. von Dems.–Zdeněk R. 13 14



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Schlick trugen die persönlichen Beziehungen der Mitglieder dieses Adelsgeschlechts zu Martin Luther, die spezifische Stellung ihrer Herrschaften in Böhmen sowie auch eine gewisse Außenseiterposition der Familie Schlick innerhalb der böhmischen Ständegemeinde zur Förderung der Reformation bei18. Während andere lutherisch eingestellte Adelige kein Bedürfnis empfanden, neue Richtlinien für die Abhaltung der Gottesdienste festzulegen oder die Gestalt der Kirchenverwaltung auf ihren Grundherrschaften schriftlich zu regeln bzw. dazu erst später schritten, erließ Sebastian Schlick († 1528) schon 1521 eine evangelische Kirchenordnung für die Stadt Elbogen/Loket. Die erste aus Böhmen und Mähren bekannte Kirchenordnung erschien schon ein Jahr später in gedruckter Form in Augsburg19. In besagtem Jahr 1521 führte Sebastian Schlick den ersten lutherischen Prediger in Elbogen ins Amt ein und förderte in den Folgejahren intensiv die Durchsetzung der Reformation auf seinen Herrschaften. Dies geschah vor allem durch Prediger, die laut Kirchenordnung nur das wahre Wort Gottes predigen durften. Gemäß des achten Artikels der Kirchenordnung oblag den katholischen Pfarrern auch die Fürsorge für die evangelischen Gläubigen, denn das Patronatsrecht über die Pfarre in Elbogen hatte der Orden der Kreuzherren mit dem roten Stern und später der Prager Erzbischof als dessen Hochmeister inne. Eine Anmaßung des Patronatsrechts durch den weltlichen Grundherrn kam deshalb überhaupt nicht infrage. Die Stadt Elbogen blieb bikonfessionell, wobei beide Lager mit verschiedener Intensität bis zur Rekatholisierung nach der Schlacht am Weißen Berg miteinander Konflikte austrugen20. Völlig andere Rahmenbedingungen herrschten in Joachimsthal/Jáchymov, einem weiteren Schlickschen Herrschaftszentrum im nordwestlichen Teil des Königreichs, dessen Reformation eng mit der Person Stephan Schlicks († 1526) verbunden ist. Die Ortschaft, erst 1520 zur Stadt erhoben, erreichte durch Silberbergbau und Münzprägungen großen Reichtum und avancierte sogar zur zweitgrößten Stadt im Königreich21. Die Reformideen in dieser Grundherrschaft waren wesentlich durch das benachbarte Sachsen beeinflusst. Um den Transfer machten sich vor allem die Bergleute und andere zugewanderte Stadtbewohner verdient. Entschieden förderten sowohl der Grundherr als auch der Stadtrat die Reformation in Joachimsthal. Zur Durchsetzung der Reformation verhalf weiters auch die Tatsache, dass Stephan Schlick kurz vor der Stadtgründung das Patronatsrecht dem Dechanten von Falkenau/Sokolov abgekauft und auf die Joachimsthaler Stadtgemeinde übertragen hatte. In der Stadt wurden bald darauf die St.-Joachims-Kirche und eine Lateinschule, deren Rektor der Stadtrat einsetzte, errichtet. Im Jahre 1532 wurde Johann Nešpor–Ondřej Matějka (Praha 2009) 23–126; Martin Arnold, Das Luthertum im böhmischen Adel. Jahrbuch des Bundesinstitus für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 22 (2014) 67–105. 18   Arnold, Das Luthertum (wie Anm. 17) 74–81 19  Karl Reissenberger, Gottesdienstordnung der Stadt Elbogen in Böhmen. JbGPÖ 2 (1881) 61–64; Otto Clemen, Die Elbogener Kirchenordnung von 1522. ZfK 26 (1905) 82–94; Eckert, Kirchenordnungen (wie Anm. 16) 35–37; Josef Macek, Víra a zbožnost jagellonského věku [Glauben und Frömmigkeit im Zeitalter der Jagiellonen] (Každodenní život 9, Praha 2001) 338f. 20  Adalbert Horčička, Das geistige Leben in Elboren zur Zeit der Reformation. Jahresbericht des k. k. Neustädter deutschen Staats-Ober-Gymnasiums in Prag am Graben (Prag 1895) 3–46; Vladimír Vlasák–Eva Vlasáková, Dějiny města Lokte [Geschichte der Stadt Elbogen] (Loket 2004) 43, 52; Just, Luteráni (wie Anm. 17) 51f., 90. 21   Petr Jančárek, Města českého Krušnohoří v předbělohorské době. Příspěvek ke studiu jejich sociální struktury [Die Städte im böhmischen Erzgebirge in der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg. Ein Beitrag zur Erfoschung ihrer Sozialstruktur] (Ústí nad Labem 1971) 45–57.

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Mathesius (1504–1565) an dieser Schule als Rektor angestellt. Nachdem er 1542 in Wittenberg von Martin Luther selbst zum Priester ordiniert worden war, berief man ihn zum Prediger in Joachimsthal und drei Jahre später zum Pfarrer und gleichzeitig zum Superintendenten der Herrschaft22. Mathesius wirkte bis zu seinem Lebensende dort, obwohl Joachimsthal schon 1547 vom Landesfürsten konfisziert und dessen Herrschaft unterstellt wurde. Im Februar 1551 veröffentlichte Mathesius eine umfassende Kirchenordnung23. Diese knüpfte an eine ältere Ordnung aus dem Jahr 1538 an, die Stephan Schlicks Brüder Lorenz († 1581) und Hieronymus († 1550) erlassen hatten, doch ist dieser Text leider nicht in vollständiger Fassung erhalten geblieben24. Die für die nordwestböhmischen Grundherrschaften der Grafen Schlick erlassenen Kirchenordnungen stellen für diese Zeit eine Ausnahme dar. Obwohl die Ideen der lutherischen Reformation nach Böhmen vordrangen und peu à peu Anklang bei der deutschsprachigen Bevölkerung fanden, standen diese Ideen außerhalb des im Königreich landrechtlich festgelegten katholisch-utraquistischen Rahmens, der 1485 im Kuttenberger Religionsfrieden abgesteckt worden war25. Besonders ab den 1540er und bis in die 1560er Jahre geriet die lutherische Reformation unter starken landesfürstlichen Druck; eine Ausweisung der lutherischen Geistlichen aus den adeligen Grundherrschaften wurde vehement gefordert.

Evangelische Kirchenordnungen in Mähren und die Bemühungen um eine Reform der Kirchenverwaltung Günstigere Bedingungen für die Einführung der lutherischen Reformation als in Böhmen herrschten in Mähren, wo die utraquistisch-katholische konfessionelle Koexistenz rechtlich nicht beschränkt war und die Adeligen ihre Religionsfreiheiten sowohl gegenüber dem Olmützer Bischof wie gegenüber dem Landesherrn wirkungsvoller verteidigen konnten26. Die Markgrafschaft verfügte allerdings über keine zentrale, das ganze Land umfassende nichtkatholische Kirchenorganisation. Die kleinste Einheit der mährischen nichtkatholischen Kirchenverwaltung stellen die Dekanate mit den Dechanten als deren Vor22  Georg Loesche, Johann Mathesius. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte des nordwestlichen Böhmens. JbGPÖ 9 (1888) 1–38. 23   ders., Die Kirchen-, Schul- und Spitalordnung von Joachimsthal. Ein Cultus- und Culturbild aus der Reformationszeit Böhmens. JbGPÖ 12 (1891) 1–54; Ders., Die evangelischen Kirchenordnungen Oesterreichs. Die Kirchenordnung von Joachimsthal in Böhmen, 1551. JbGPÖ 15 (1894) 1–14, 49–57; zuletzt Markus Wriedt, Kirchen- und Schulordnungen. Dokumente des kulturellen Wandels im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung am Beispiel der Kirchen-, Spital- und Schulordnung des Johann Mathesius von 1551, in: Kommunikation und Transfer im Christentum der Frühen Neuzeit, hg. von Irene Dingel–WolfFriedrich Schäufele (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Supplement 74, Mainz 2007) 71–94; Just, Luteráni (wie Anm. 17) 59–65 24  Hans Lorenz, Bilder aus Alt-Joachimsthal. Umrisse einer Kulturgeschichte einer erzgebirgischen Bergstadt im sechzehnten Jahrhundert (St. Joachimsthal 1925) 4, 57. 25  Winfried Eberhard, Entstehungsbedingungen für öffentliche Toleranz am Beispiel des Kuttenberger Religionsfriedens von 1485. Communio viatorum 19 (1986) 129–154; Macek, Víra (wie Anm. 19) 385–416. 26  Josef Válka, Ctibor Tovačovský z Cimburka – O právě duchovním. K církevněpolitickým důsledkům husitské revoluce na Moravě [Ctibor von Cimburg auf Tobitschau – Über das geistliche Recht. Zu den kirchenpolitischen Folgen der hussitischen Revolution in Mähren]. Z Kralické tvrze 11 (1984) 9–13; ders., K otázkám úlohy Moravy v české reformaci [Zu Fragen der Rolle Mährens in der böhmischen Reformation]. SCH 15 (1985) 67–80.



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stehern dar. Sowohl in der zweiten Hälfte des 16. als auch zu Beginn des 17. Jahrhunderts konnten diese Dekanate allerdings keine stabilen Strukturen aufrecht erhalten27. Zu deren Veränderung trug vor allem die Tatsache bei, dass sich die einzelnen Dekanate bis zu den 1570er Jahren vom Einfluss des utraquistischen Unteren Konsistoriums in Prag befreien und sich dann langsam gegenüber der lutherischen Reformation öffnen konnten. Parallel zum größer werdenden lutherischen Einfluss stieg auch die Abhängigkeit der mährischen nichtkatholischen Kirchenverwaltung von den weltlichen Grundherrschaften28. Die Bemühungen um die Einrichtung einer neuen evangelischen Kirchenorganisation in Mähren ab 1565 hingen auch mit den Maßnahmen König Ferdinands I. gegen jene nichtkatholische Geistlichkeit, die sich der Unterordnung unter das Prager Untere Konsistorium widersetzte, zusammen29. Einen wichtigen Impuls stellte dabei der ­Bischofswechsel in Olmütz/Olomouc dar, weil im März 1565 mit Wilhelm Prusinovský von Víckov (1534–1572) ein Jesuitenzögling dieses Amt antrat30. Im Januar 1566 gelang es ihm, von Maximilian II. die Einwilligung zur Durchführung von Visitationen in den nichtkatholischen Pfarren der Markgrafschaft zu erwirken. Er stieß jedoch auf den Widerstand des mährischen nichtkatholischen Adels, der dabei von den Geistlichen auf seinen Grundherrschaften unterstützt wurde. Die Anführer der mährischen Protestanten, zu denen Dietrich (Jetřich) von Kunowitz († 1582), Albrecht Černohorský von Boskowitz († 1572) und Johann d. Ä. Kropáč von Nevědomí († 1572) zählten, verstanden diesen Beschluss jedoch als ein Vorgehen gegen Landrecht und Landesfreiheit31. Anstöße bezüglich der Publikation von Kirchenordnungen gingen auch von „inneren“ Motiven aus: Besonders die Disziplinierung der Priester, die konkrete Gestaltung der Kirchenordnung und die Konfessionstreue der Geistlichen generell waren wichtige Themen32. Diese Punkte hingen nicht nur mit der häufig kritisierten laxen Moral des Klerus, sondern auch mit der gewachsenen Bedeutung der Pfarrer (aber auch der Lehrer) für die Festigung bzw. die Verbreitung des Protestantismus zusammen33. Noch bis in die 1550er Jahre unterstand das Dekanat in Proßnitz/Prostějov, einer Stadt, die zur pernsteinischen Herrschaft Plumenau/Plumlov gehörte, dem Unteren Konsistoriums in Prag. Nach dem Tod von Johann von Pernstein (1487–1548) verwalteten 27   František Hrubý, Luterství a kalvinismus na Moravě před Bílou horou [Luthertum und Kalvinismus in Mähren vor der Schlacht am Weißen Berg]. ČČH 40 (1934) 265–309, 41 (1935) 1–40, 237–268; Ilja Burian, Děkanství horního podkrají brněnského [Das Dechanat des oberen Brünner Kreises]. Vlastivědný sborník Vysočiny – oddíl věd společenských 5 (1968) 23–36. 28  Hrubý, Luterství (wie Anm. 27) 289. 29  Zemské sněmy a sjezdy moravské, jejich složení, obor působnosti a význam, od nastoupení na trůn krále Ferdinanda I. až po vydání Obnoveného zřízení zemského (1526–1628) [Mährische Landtage und Ständeversammlungen. Ihre Zusammensetzung, ihr Wirkungsbereich und ihre Bedeutung. Von der Thronbesteigung König Ferdinands I. bis zur Ausgabe der Verneuerten Landesordnung (1526–1618)], ed. František Kameníček, Bd. 3 (Brno 1905) 616–619. 30  Ondřej Jakubec, Kulturní prostředí a mecenát olomouckých biskupů potridentské doby [Das kulturelle Umfeld und das Mäzenatentum der Bischöfe von Olmütz nach dem Konzil von Trient] (Memoria Artis 1, Olomouc 2003) 45–51. 31  Ilja Burian, Moravská konfese [Die mährische Konfession]. Křesťanská revue 40 (1973) 83–89, 149– 155, hier 87f. 32  Petr Zemek, Reformace, protireformace a rozvinutí protireformačního katolictví v Uherském Brodě. Křesťanská víra v proměnách času [Reformation, Gegenreformation und die Entfaltung des Katholizismus nachtridentinischer Prägung in Ungarisch Brod] (Uherský Brod 2006) 95. 33  František Hrubý, Ke stykům Moravy s Vitemberkem v 16. století [Zu Kontakten Mährens mit Wittenberg]. ČMM 55 (1931) 43–57.

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seine Söhne Jaroslav (1528–1560), Vratislav (1530–1582) und Adalbert (1532–1561) das Gebiet zunächst gemeinsam, bevor im Frühling 1552 Adalbert allein die Herrschaft übernahm34. Bereits in den 1550er Jahren wandte sich die bis dahin utraquistische Pfarrverwaltung dieser wahrhaft multikonfessionellen Stadt nach und nach radikalen Strömungen zu. Zum endgültigen Bruch des Proßnitzer Dekanats mit dem Unteren Konsistorium kam es dann unter der Regierungszeit Adalberts von Pernstein bzw. in der Zeit des Dechanten Johann Tielko und der Administratoren der dortigen Stadtschule. Deren Bestrebungen, eine eigene Kirchenorganisation aufzubauen, gipfelten 1556 in der sogenannten Proßnitzer Konfession, einer Kirchenordnung, deren Gültigkeit sich auf das gesamte Verwaltungsgebiet des Dekanats bezog. Eng mit der Proßnitzer Konfession ist der Name des Lehrers an der Proßnitzer Schule Pavel Aquilinas († 1599) verbunden, der für den Autor des Textes gehalten wird. Diese kurzgefasste, nur 15 Artikel umfassende Kirchenordnung erschien zwei Jahre später im Druck. Sie enthielt als eine grundlegende Forderung, dass nur das wahre Wort Gottes im Geiste des Evangeliums gepredigt werden dürfe. Einerseits lehnte sich die Kirchenordnung an das Luthertum an, andererseits ging sie aber auch von der Tradition eines radikalen Utraquismus aus. Die Kirchenordnung rief in den Reihen der Brüderunität, die in Proßnitz genauso wie auf anderen Grundherrschaften der Herren von Pernstein stark vertreten war, umfangreiche Polemiken hervor35. Einen größeren Gültigkeitsbereich beanspruchte eine 1566 erlassene Kirchenordnung im südostmährischen Ungarisch Brod/Uherský Brod, dem eigentlichen Zentrum des Dekanats – die Stadt selbst stand unter der Herrschaft von Dietrich von Kunowitz. An der Verfassung dieser so genannten Mährischen Konfession beteiligten sich der hiesige Dechant Andreas († 1571) sowie Benedikt Jičínský, der Pfarrer von Ungarisch Ostra/Uherský Ostroh, das sich im Besitz Dietrichs von Kunowitz befand. Die Mährische Konfession knüpfte an die Confessio Augustana, aber auch allgemein an die Tradition der böhmischen Reformation an; zudem zeigen sich auch Einflüsse anderer theologischer Reformströmungen36. Für die weitere Verbreitung der Konfession spielten zudem einige lutherische mährische Adelige eine Schlüsselrolle. Neben Dietrich von Kunowitz gehörten dazu die bereits erwähnten Grundherren Albrecht Černohorský von Boskowitz und Johann Kropáč d. Ä. von Nevědomí37. Besonders Boskowitz förderte auf seiner Grund34  Petr Vorel, Vývoj pozemkové držby pánů z Pernštejna v 15.–17. století [Die Entwicklung des Grundbesitzes der Herren von Pernstein im 15. bis 17. Jahrhundert], in: Pernštejnové v českých dějinách [Die Pernstein in der tschechischen Geschichte], hg. von Dems. (Pardubice 1995) 9–75, hier 32–35; ders., Páni z Pernštejna. Vzestup a pád rodu zubří hlavy v dějinách Čech a Moravy [Die Herren von Pernstein. Aufstieg und Niedergang der Familie mit dem Auerochsen-Kopf im Wappen in der Geschichte Böhmens und Mährens] (Praha 1999) 204f., 210–213. 35  Hrejsa, Luterství (wie Anm. 14) 312–314; Burian, Moravská konfese (wie Anm. 31) 84f., 149f.; Just, Luteráni (wie Anm. 17) 81. Zu den Auseinandersetzungen zwischen Adalbert von Pernstein und der Brüderunität Jan V. Novák, Spor Bratří s p. Vojtěchem z Pernšteina v Prostějově r. 1557 a 1558 [Der Streit der Brüder mit Adalbert von Pernstein in Proßnitz in den Jahren 1557 und 1558]. ČMKČ 65 (1891) 43–56, 197–208; Gustav Adolf Skalský, Spor Bratří s Vojtěchem z Pernštejna r. 1557 [Der Streit der Brüder mit Adalbert von Pernstein]. Ebd. 83 (1909) 16–25. Zu den konfessionellen Verhältnissen in der Stadt näher František Koželuha, Paměti o věcech náboženských [Denkwürdigkeiten bezüglich der Glaubenssachen] (Prostějov 2004) 123–147; Michaela Kokojanová, Za Pernštejnů 1495–1599 [Unter den Pernstein 1495–1599], in: Prostějov. Dějiny města [Proßnitz. Geschichte der Stadt], Bd. 1 (Prostějov 2000) 110–118. 36  Hrejsa, Luterství (wie Anm. 14) 313; Just, Luteráni (wie Anm. 17) 81f.; Zemek, Reformace (wie Anm. 32) 94–100; ders., Konfese moravských (novo)utrakvistů z roku 1566 [Die Konfession der mährischen (Neu-)Utraquisten aus dem Jahr 1566]. SCH 33 (2003) 109–149. 37  Hrubý, Luterství (wie Anm. 27) 300; Zemek, Reformace (wie Anm. 32) 98



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herrschaft Aussee/Úsov mit der Stadt Littau/Litovel lutherische Strömungen. Auch andere Mitglieder des Adels wie Johann Šembera Černohorský von Boskowitz († 1597) oder der Besitzer der Herrschaft Mährisch Trübau/Moravská Třebová Johann von Boskowitz († 1589) schlossen sich dieser Reform an38. Das Luthertum setzte sich zeitgleich auch auf den mährischen Grundherrschaften Mährisch Weißkirchen/Hranice und Zlin/ Zlín durch, deren Besitzer Johann Kropáč d. Ä. war. Er pflegte enge Beziehungen zu den Herren von Kunowitz, wovon auch die 1572 vollzogene Eheschließung seiner Tochter Anna mit Johann († 1579), dem in Wittenberg geprägten Sohn Dietrichs von Kunowitz, zeugt39. Der Einfluss adeliger Grundherren äußerte sich auch darin, dass sich im Jahre 1566 beinahe 200 mährische evangelische Geistliche, also ungefähr zwei Drittel aller evangelischen Pfarrer im Lande, zur Mährischen Konfession bekannten. Es handelte sich dabei insbesondere um Pfarrgebiete in Süd-, Zentral- und Ostmähren. Abseits standen dagegen die Pfarren West- und Nordmährens samt dem Dekanat von Mährisch Trübau, das zwar formal die Mährische Konfession anerkannte, sich aber weiterhin an den Satzungen der Confessio Augustana orientierte40. Das Augsburger Bekenntnis erlangte in den folgenden Jahren auch in anderen mährischen Grundherrschaften Einfluss, während nur das Dekanat in Ungarisch Brod bei der Mährischen Konfession von 1566 blieb. Zehn Jahre später erarbeitete der neue Dechant in Ungarisch Brod, Pavel Kyrmezer († 1589), eine weitere Kirchenordnung. Im Oktober 1576 wurde sie von den im Dekanat ansässigen Geistlichen verabschiedet und vom Besitzer von Stadt und Herrschaft, Dietrich von Kunowitz, bestätigt41. Die in lateinischer Sprache verfasste Kirchenordnung, die ihren Schwerpunkt vor allem in der Verkündigung des reinen Wortes Gottes hat, fokussiert weiters auch auf die Priesterdisziplinierung. Dieser Themenbereich wurde in der Mährischen Konfession von 1566 nur kurz im abschließenden 16. Artikel behandelt. Kyrmezer bemühte sich auch, in seine neue Kirchenordnung die Brüderunität zu inkludieren, die direkt in Ungarisch Brod wie auch auf dem Territorium des Dekanats über starke Anhängerschaft verfügte und großen Einfluss ausübte. Der dauernde Widerstand der Brüderunität gegen die neue Reform führte schließlich zur Abberufung Kyrmezers vom Amt des Dechanten42. Zwei Jahre später, im Oktober 1578, wurde die tschechische Fassung von Kyrmezers Kirchenordnung in der benachbarten Herrschaft Brumow/Brumov vorgestellt und auch angenommen – diese Herrschaft gehörte in den Jahren 1574 bis 1582 zum Besitz des lutherisch gesinnten Adeligen Zdeněk Kavka von Říčany († 1582)43. Kavkas Schloss­ prediger Jakub Sofian von Wolkenberg († 1610) übertrug diesen Text ins Tschechische. 38   Vlasta Kauerová–Miroslav Koudela, Památky staré Litovle [Denkwürdigkeiten des alten Littau] (Olomouc 1998) 65f., 70. 39  Bohumír Indra, Rozvoj města v 15. a 16. století do třicetileté války [Die Entwicklung der Stadt im 15. und 16. Jahrhundert bis zum Dreißigjährigen Krieg], in: Hranice. Dějiny města [Mährisch Weißkirchen. Geschichte der Stadt], Bd. 1 (Hranice 1969) 39–124, hier 77, 79, 89f. 40  Burian, Moravská konfese (wie Anm. 31) 86. 41  Hrejsa, Luterství (wie Anm. 14) 318; Zemek, Reformace (wie Anm. 32) 106–109; ders., Konfese (wie Anm. 36) 128f.; Just, Luteráni (wie Anm. 17) 84; Petr Zemek, Pavel Kyrmezer – děkan v Uherském Brodě [Pavel Kyrmezer – Dechant in Ungarisch Brod]. SCH 34 (2004) 62–68. 42  Zemek, Reformace (wie Anm. 32) 109–155. 43   Hrejsa, Luterství (wie Anm. 14) 319; Zdeněk Pokluda, Držitelé hradu Brumova [Besitzer der Burg Brumow]. Zlínsko od minulosti k současnosti 16 (1999) 5–92, hier 45–55; Ders., Brumov. Osudy hradu a jeho držitelů [Brumow. Schicksal der Burg und deren Besitzer] (Hýsly 2005) 52–65.

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Gemeinsam mit Brumov nahmen auch andere Pfarreien der Grundherrschaft Brumow wie auch aus den beiden benachbarten Herrschaften Lukow/Lukov und Wsetin/Vsetín (auf dem Gebiet des Dekanats Ungarisch Brod gelegen) diese Ordnung an. Ihre Besitzer waren die Ritter Sigismund (1559–1591) und Wenzel († 1607), die minderjährigen Söhne ­Johann Nekeš d. J. von Landeck († 1568), die bis 1579 bzw. 1580 unter der Vormundschaft von Zdeněk Kavka standen44. An der Grenze zwischen Süd- und Zentralmähren kam es im Juni 1574 zu einem Treffen einiger evangelischer Geistlicher in der Stadt Holleschau/Holešov, die sich nach dem Tod Heinrichs von Sternberg († 1574) im Besitz seiner Töchter Anna und Elisabeth († 1574) befand45. Unter Sternbergs Herrschaft hatten die Lutheraner in der dortigen Pfarrgemeinde die Oberhand gewonnen. Bei einer im Juni 1574 einberufenen Versammlung verabschiedete man eine kurzgefasste Kirchenordnung. Die Autoren bekannten sich schon einleitend zur Confessio Augustana und wollten sich auch in der Liturgie am Wittenberger Vorbild orientieren. Der territoriale Zuständigkeitsbereich dieser Kirchenordnung lässt sich nicht genauer fixieren. Nach den Angaben eines Mitglieds der Brüder­ unität unterschrieben allerdings nur wenige Geistliche aus der näheren Umgebung diese Ordnung. Im nördlichen Teil des Dekanats Ungarisch Brod kam es damit zur Gründung eines weiteren Zentrums der lutherischen Reformation. Diesen Status behielt die Stadt Holleschau bis 1615, als der katholische Grundherr Ladislaus von Lobkowitz († 1621) nach dem Tod seiner lutherischen Gemahlin Anna Elisabeth von Salm († 1615) die Gegenreformation dort einleitete46. Nach der wahrscheinlich zu Beginn der 1610er Jahre erfolgten Aufhebung des Dekanats in Ungarisch Brod wurde Holleschau sogar zum Sitz des Grundherrn47. Die Existenz einer Kirchenordnung für Stadt und Herrschaft Holleschau deutet schon darauf hin, dass um 1575 eine Spaltung des Dekanats in einen südlichen Teil (Zentrum Ungarisch Brod unter der Herrschaft der Herren von Kunowitz) und in einen nördlichen, rigoros lutherischen Teil begann. Die dogmatische Ausrichtung des südlichen Teils bestimmten vor allem die beiden Dechanten von Ungarisch Brod, Pavel Kyrmezer und sein Nachfolger Pavel Pressius († 1586), die einen Mittelweg zwischen Luthertum und Calvinismus beschritten. Der Calvinismus breitete sich in den Grundherrschaften der Herren 44  Vít Němec, Nekešové z Landeka na lukovském panství [Die Nekeš von Landeck in der Herrschaft Lukow] (Lukov 2014) 12f.; Ilja Burian, Dějiny protestantismu na Vsetínsku [Die Geschichte des Protestantismus im Wsetiner Gebiet] (Vsetín 1993) 11f. 45   Zdeněk Pokluda, Holešovské panství za Šternberků [Die Herrschaft Holleschau unter den Sternberg]. Studie Muzea Kroměřížska (1990) 33–54; ders., Moravští Šternberkové. Panský rod rozprostřený od Jeseníků ke Karpatům [Die mährischen Sternberg. Ein vom Gesenke bis zu den Karpaten verbreitetes Herrengeschlecht] (Šlechtické rody Čech, Moravy a Slezska 10, Praha 2012) 163–182; Jiří Vidlička, K minulosti lenního statku Holešov ve světle písemností Lenního dvora Kroměříž [Zur Vergangenheit des Lehensgutes Holleschau im Lichte der Akten des Kremsierer Mannsgerichts]. Východní Morava 2 (2012) 25–41. 46   Vlasta Fialová (Bearb.), Kronika Holešovská 1615–1645 [Chronik der Stadt Holeschau 1615–1645] (Holešov 1967) 17–22, 61–64; Milada Svobodová, Poslední luterský farář v Holešově a jeho zápisky v rukopise XVII F 62 [Der letzte lutherische Pfarrer in Holleschau und seine Notizen in der Handschrift XVII F 62]. Miscellanea Oddělení rukopisů a starých tisků 8 (1991) 78–87. 47  Hrubý, Luterství (wie Anm. 27) 13f.; Hrejsa, Luterství (wie Anm. 14) 314. Den Bericht von dem Konvent der lutherischen Geistlichen in Holleschau im September 1613 veröffentlichte Jiří Just, Vyznavači Augustany v Čechách a na Moravě před Bílou horou, in: Luteranus. Studie a texty k teologii a dějinám luterské reformace [Bekenner der Augustana in Böhmen und Mähren vor der Schlacht am Weißen Berg. Studien und Texte zur Theologie und Geschichte der Lutherschen Reformation], hg. von Ľubomír Batka–Jiří Just–Petr Hlaváček (Praha 2013) 43–71, hier 66, 69–70.



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von Kunowitz seit den 1580er Jahren aus. Über den territorialen Umfang des südlichen Teils des Dekanats gibt ein Verzeichnis von 26 Geistlichen Aufschluss, die im Jahre 1583 den von Dechant Pressius verfassten Entwurf einer neuen umfangreichen Kirchenordnung unterzeichneten, die Bestandteil einer von Pressius initiierten umfassenden Reform von Glaube und Sitten sein sollte. Gemeinsam mit der Geistlichkeit aus den Grundherrschaften Ungarisch Brod und Ungarisch Ostra (unter der Obrigkeit der Herren von Kunowitz) unterzeichneten auch einige Pfarrer aus den benachbarten Herrschaften Banow/ Bánov, Brumow, Buchlau/Buchlov, Bisenz/Bzenec, Straßnitz/Strážnice, Swietlau/Nový Světlov, Wessely an der March/Veselí nad Moravou, Wisowitz/Vizovice und Zlin diese Ordnung48. Anhand dieser Unterschriften kann man sich eine ungefähre Vorstellung davon machen, wie weit die Autorität des Dechanten von Ungarisch Brod am Beginn der 1580er Jahre reichte. Nicht alle Geistlichen im südöstlichen Mähren, nicht einmal in den eben erwähnten Ortschaften, akzeptierten Pressius‘ Reformen vorbehaltlos. Er stieß auf Vorbehalte bei der Brüderunität und bereitete deshalb schon ein Jahr später eine neue Ordnung vor. Diese enthielt 52 Artikel, und Pressius hoffte darauf, dass sie für das ganze Land Gültigkeit erhalten würde. Aber dogmatische Differenzen, die Zugehörigkeit zu verschiedenen Herrschaften und das anhaltende Mißtrauen der Brüderunität verhinderten deren Umsetzung49. Als Beleg dafür kann die 1584 von den Geistlichen aus vier südmährischen Herrschaften angenommene Kirchenordnung dienen: Slawitschin/Slavičín (im Besitz von Katharina Minczentas von Minczent)50, Straßnitz (mit dem Grundherrn Johann Dietrich von Zierotin, † 1599)51 und Swietlau sowie Wessely an der March (unter der Herrschaft von Burian Tetaur von Tetau, † 1585)52. In den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts wandte sich ein Teil des Dekanats von Ungarisch Brod nach und nach dem Calvinismus zu, der sein Zentrum in Ungarisch Ostra und im benachbarten Neudorf/Ostrožská Nová Ves etablieren konnte. In den Jahren zwischen 1593 und 1617 befand sich dieses Gebiet im Besitz Johann Dietrichs von Kunowitz († 1617), der Ungarisch Ostra zum Zentrum seines ausgedehnten Grundherrschaftskomplexes machte53. Noch im dritten Viertel des 16. Jahrhunderts dominierten Katholiken die dortige Pfarrei, aber allmählich übernahmen die Anhänger des   Hrejsa, Luterství (wie Anm. 14) 319f.; Zemek, Reformace (wie Anm. 32) 164–167.   Hrejsa, Luterství (wie Anm. 14) 321. 50   Vojtěch Cekota–Ladislav Hosák, Dějiny Slavičína [Geschichte von Slawitschin] (Gottwaldov 1956) 30–36. 51   Bronislav Chocholáč–Tomáš Knoz, Žerotínské století [Das Zierotinsche Zeitalter], in: Strážnice. Kapitoly z dějin města [Straßnitz. Kapitel aus der Geschichte der Stadt], hg. von Jiří Pajer (Strážnice 2002) 107–146 52   Rudolf Hurt–Bohumil Němeček, Veselí nad Moravou. Dějiny města [Wessely an der March. Geschichte der Stadt] (Brno 1973) 37–56; Peter Futák, Počátek novověku. Století Bilíků a Vojsků, 1527–1624 [Der Beginn eines neuen Zeitalters. Das Jahrhundert der Bilík und Vojsko, 1527–1624], in: Veselí nad Moravou. Město na řece času [Wessely an der March. Eine Stadt im Fluss der Zeit], hg. von Miroslav Plaček–Peter Futák (Veselí nad Moravou 2011) 131–183. Zu Nový Světlov Zdeněk Pokluda, Starý a Nový Světlov v době předbělohorské [Alt- und Neu-Swietlau vor der Schlacht am Weißen Berg]. Zlínsko od minulosti k současnosti 17 (2000) 5–56, hier 41–47; ders., Nový Světlov. Osudy zámku a jeho držitelů [Swietlau. Schicksale des Schlosses und seiner Besitzer] (Bojkovice 2009) 10f. 53   Zdeněk Pokluda, Hrad a panství Uherský Ostroh [Burg und Stadt Ungarisch Ostra]. Slovácko 35 (1993) 155–169; ders., Ostrožští páni v 15.–17. století [Die Herren von Ungarisch Ostra im 15.–17. Jahrhunderts], in: Uherský Ostroh [Ungarisch Ostra] (Uherský Ostroh 2000) 61–70; Jiří Čoupek, Ostrožská Nová Ves. Z dějin Nové Vsi a Chylic [Ostrožská Nová Ves. Aus der Geschichte der Nová Ves und Chylice] (Ostrožská Nová Ves 2001) 80–82, 102–105. 48 49

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lutherischen Bekenntnisses die Mehrheit. Ab den 1580er Jahren besetzten Geistliche die Pfarrstellen, die der calvinistischen Lehre zugeneigt waren. Zu ihnen gehörte auch der ursprünglich aus Ungarn stammende Samuel Virga († 1606), der in den Jahren 1603 bis 1604 in Ungarisch Ostra das Amt eines Pfarrverwalters ausübte. Dort verfasste er eine neue Kirchenordnung, die eng an der calvinistischen Lehre orientiert war. Gemeinsam mit ihm unterzeichneten noch fünf weitere Pfarrverwalter aus den Pfarrgemeinden ­Johann Dietrichs dieses Dokument54. Zu einem weiteren Versuch bezüglich der Einführung einer evangelischen mährischen Kirchenorganisation kam es in der Mitte der 1570er Jahre in Groß-Meseritsch/ Velké Meziříčí, also im südwestlichen Teil der Markgrafschaft. Ähnlich wie im Falle des Dechanats in Ungarisch Brod spielten sich die Reformbemühungen der mährischen Protestanten in Form einer Zusammenarbeit von Adel und Geistlichkeit ab. Nach einigen, zumindest ab Herbst 1574 geführten Verhandlungen fand sich im Oktober 1576 eine Gruppe lutherisch gesinnter Geistlicher und (im Südwesten des Landes) grundbesitzender Adeliger in Groß-Meseritsch ein. Diese Versammlung verabschiedete eine Kirchenordnung, deren dogmatische Basis die Confessio Augustana darstellte. Die gedruckte Version des ursprünglich tschechischen Textes der Kirchenordnung aus dem Herbst 1576 erschien schließlich in den Jahren 1581 und 1584 in Frankfurt an der Oder55. Zustande gekommen war die Versammlung im Übrigen auf Betreiben der Herrin des Ortes, Alena, aus der Familie Meziříčský von Lomnitz († 1610)56, und in ihrer Folge avancierte Groß-Meseritsch für rund ein Vierteljahrhundert zu einem der Zentren der lutherischen Reform in Westmähren. Dabei hatten sich die Pfarrer von Groß-Meseritsch erst ab den 1570er Jahren der lutherischen Reform angeschlossen57. Der Adel in den Grundherrschaften hatte daran wesentlichen Anteil, weil die adeligen Grundherren das ­Patronatsrecht besaßen. An der Versammlung im Oktober 1576 nahmen neben der Gastgeberin weitere sechs Adelige teil. Die bedeutendste Rolle kam dabei Johann Friedrich von Hardegg († 1580) zu, seit 1560 Besitzer der südmährischen Herrschaft Kunstadt/Kunštát58. Zu den Anhängern des Luthertums gehörte auch sein Verwandter Christoph von Hardegg († um 1558), der seit 1544 die nicht weit entfernte Herrschaft Lettowitz/Letovice im Besitz hatte. Die Mehrheit der dortigen Untertanen bekannte sich seit Regierungsan54   Josef Jireček, Spisové čeští ve sborníku Pavla Krupia [Tschechische Schriftsteller im Sammelband von Pavel Krupius]. ČMKČ 51 (1877) 77–87; Hrejsa, Luterství (wie Anm. 14) 321–325. 55   František Snopek, Řád církevní kunštátskomeziřický z r. 1576 [Die Kirchenordnung von KunstadtGroß-Meseritsch aus dem Jahre 1576]. ČMM 28 (1904) 417–428. Zemské sněmy (wie Anm. 29) 649–655; Hrejsa, Luterství (wie Anm. 14) 315–318; Just, Luteráni (wie Anm. 17) 83f. 56  František Hrubý, Alena Meziříčská z Lomnice [Alena Meziříčská von Lomnitz], in: Královny, kněžny a velké ženy české [Königinnen, Fürstinnen und große Frauen Böhmens], hg. von Karel Stloukal (Praha 1940) 235–240; Ilja Burian, Paní Alena [Frau Alena]. Křesťanská revue 43 (1976) 226–231. 57   Josef Závodský, Reformace a protireformace ve Velkém Meziříčí. Nábožensko-kulturní obraz morav­ ského města [Reformation und Gegenreformation in Groß-Meseritsch] (Velké Meziříčí 1937) 19–66; Martin Štindl, V proměnách renesanční doby (1529–1620) [Im Wandel des Zeitalters der Renaissance (1529–1620)], in: Velké Meziříčí v zrcadle dějin [Groß-Meseritsch im Spiegel der Geschichte], hg. von Zdeněk Fišer (Brno 2008) 124–129; ders., Patrimoniální péče o duchovní tvář poddanského města (Velké Meziříčí 1592–1676) [Die grundherliche Pflege um die geistliche Gestalt einer Untertanenstadt (Groß-Meseritsch 1592–1676)], in: Poddanská města v systému patrimoniální správy [Untertanenstädte im System der Patrimonialverwaltung], hg. von Marie Macková (Ústí nad Orlicí 1996) 163–172. 58  Ladislav Hosák–Jan Skutil–Ivan Štarha, Příspěvky k dějinám Kunštátu na Moravě [Beiträge zur Geschichte von Kunstadt in Mähren] (Kunštát 1970) 9f.



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tritt der Familie Hardegg zum Luthertum59. Konsequenterweise forderte Johann von Hardegg seine Nachfolger und Erben in seinem Testament vom Juli 1594 auf, dass seine Nachfolger im Fall eines allfälligen Herrschaftsverkaufes den Besitz nur einem Käufer überlassen sollten, der das Augsburger Glaubensbekenntnis bei den Untertanen bewahren würde60. An der oben erwähnten Versammlung 1576 nahmen selbstredend auch die Verwandten der Schlossherrin Alena teil. Es handelte sich um Ludwig und Tas († 1595) Meziříčský von Lomnitz, die ihre Güter in Südmähren hatten. Der jüngere von ihnen, Tas, bemühte sich in Jamnitz/Jemnice intensiv, die lutherischen Reformen durchzusetzen. In einer Urkunde, die er nach dem Umbau der Pfarrkirche St. Stanislaus in Jamnitz im Jahre 1591 abfassen ließ, ordnete Tas an, dass zukünftigen Grundherren sowohl bei der Kirche als auch in der Schule den evangelischen Glauben im Geiste der Confessio Augustana fördern sollten61. Zu den Unterzeichnern dieser Kirchenordnung gehörte auch der ehemalige Wittenberger Student Hynek Brtnický von Waldstein († 1595), der die Obergewalt in der ausgedehnten Herrschaft Pirnitz/Brtnice in Südostmähren innehatte. Gemäß einem mit dem Pfarrer von Pirnitz Matthias Chytraeus abgeschlossenen Abkommen musste sich der Geistliche an den Grundsätzen der Augsburger Konfession orientieren62. Bei den Verhandlungen in Groß-Meseritsch waren auch Hyneks Brüder Wenzel und Heinrich († 1589) anwesend. Der jüngste Bruder, Besitzer des Gutes Sádek, heiratete kurz darauf Zuzana von Lomnitz († 1593), eine Tochter der Schlossbesitzerin Alena63. Außer den bereits erwähnten Adeligen und den auf den Grundherrschaften tätigen Geistlichen tauchen bei den Unterzeichnern auch Geistliche aus anderen Herrschaften auf, was darauf hindeutet, dass diese Kirchenordnung auch in anderen adeligen Grundherrschaften in Mähren Geltung erhielt. So nahm auch der Pfarrer aus der südmährischen Herrschaft Wostitz/Vlasatice und Pürschitz/Prštice, seit 1574 im Besitz von Franz von Thurn († 1586), diese Kirchenordnung an. Thurns Familie pflegte enge verwandtschaftliche Beziehungen zu den Herren von Hardegg64. Optimistisch rechneten die Autoren der Kirchenordnung sogar mit der Akzeptanz der Norm durch weitere Herren und Ritter aus dem Brünner und Olmützer Kreis. Dogmatisch knüpfte die in GroßMeseritsch geschlossene Kirchenordnung an die Confessio Augustana an. Ihre tschechische Übersetzung besorgte im Jahre 1574 der in Groß-Meseritsch tätige Dechant Ja59   Emanuel Janoušek, Paměti města Letovic [Denkwürdigkeiten der Stadt Lettowitz] (Letovice 21995) 35–41. 60  Moravské zemské desky. Kraj Olomoucký [Die mährische Landtafel. Olmützer Kreis], hg. von František Matějek, Bd. III: 1567–1641 (Praha 1953) 310–312. 61  Jan Beringer, Nadání kostelu sv. Stanislava v Jemnici léta 1591 [Die Stiftung zugunsten der St. Stanislaus-Kirche in Jamnitz im Jahre 1591]. ČMM 25 (1901) 410f.; Michaela Chládková, Jemnice v době renesanční (1530–1620) [Jamnitz im Zeitalter der Renaissance (1530–1620)], in: Dějiny Jemnice [Geschichte von Jamnitz], hg. von Jaroslav Kaláb (Jemnice 2010) 136–140. 62  Marie Zaoralová, Od husitství do Bílé hory. Brtnice v majetku Brtnických z Valdštejna [Vom Hussitentum bis zur Schlacht am Weißen Berg], in: Dějiny Brtnice a připojených obcí [Geschichte von Pirnitz und der angeschlossenen Gemeinden], hg. von Jan Janák (Brno 1988) 118. 63  František Dvorský, Vlastivěda moravská [Mährische Heimatkunde], Bd. 2. Třebický okres [Der Trebitscher Bezirk] (Brno 1906) 374–385. 64  František Hrubý, Hrabata z Thurnu a Valsassina. Dějiny jejich českomoravské větve [Die Grafen von Thurn und Valsassina. Geschichte ihres böhmisch-mährischen Zweiges]. ČČH 28 (1922) 74–108, 305–334; ders., Pohřební kázání o Jindřichu Matyáši hr. z Thurnu [Die Leichenpredigt für Heinrich Matthias Graf von Thurn]. ČČH 38 (1932) 12–55.

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kob K ­ amenický († 1574) gemeinsam mit seinem Kaplan und Amtsnachfolger Šimon ­Haliaeus Žďárský († 1580)65. Ab 1575 wurde der Ort zum Sitz des Dekanats des oberen Brünner Kreises (horní podkrají brněnské), dessen Wirkungbereich sich besonders auf den südwestlichen Teil der Markgrafschaft erstreckte66. Die dortige Pfarre stellte bis 1595 das Zentrum des Dekanats dar, als der dritte lutherische Dechant Martin Svorník Rychnovský († 1616) im Zusammenhang mit der beginnenden Gegenreformation durch den neuen Grundherrn aus dem Geschlecht der Berka von Duba zum Verlassen der Stadt gezwungen wurde. Das Zentrum des Dekanats wurde in der Folge auf andere Orte mit evangelischer ­Obrigkeit übertragen. Für die nächsten zwei Dezennien war dies der Marktflecken Startsch/Stařeč in der Herrschaft Sadek/Sádek der Herren von Waldstein. Im Jahre 1614 wurde dort Johann Porphyrius († 1615), der Pfarrer in Jarmeritz/Jaroměřice nad Roky­ tnou, das sich seit 1609 im Besitz Sigismunds von Teuffenbachs befand, zum Dechanten bestellt. Auch Teuffenbach kann man zum Umfeld der durch enge Heiratskreise verbundenen lutherischen Adelswelt in Mähren zählen, denn er ging im Jahre 1607 eine Ehe mit Katharina von Lomnitz († 1609) ein, der einzigen Tochter des bereits erwähnten Tas Meziříčský und gleichzeitig Nichte Alenas67. Die konfessionelle Ausrichtung Sigismunds von Teuffenbach belegt auch eine Urkunde, die er im April 1613 für die Stadtgemeinde in Jarmeritz ausstellen ließ. Gemäß dieser Urkunde sollten beide städtische Kirchen wie auch die grundherrschaftlichen Pfarrstellen ausschließlich mit Geistlichen besetzt werden, die sich an die Satzungen der Confessio Augustana hielten und die Ordnung des Dekanats des oberen Brünner Kreises annahmen68. Im Jahre 1615 wird dann Jakub Petrozelin Kunštátský († 1633), Pfarrer im südostmährischen Trebitsch/Třebíč, als Dechant dieses evangelischen Verwaltungsbezirkes erwähnt. Auch Trebitsch war eine multikonfessionelle Stadt, in der sich ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts das Luthertum durchsetzte. Im November 1607 erließ der damalige Grundherr, Smil Osovský von Doubravice († 1612), eine Urkunde, durch die er den Stadtbewohnern von Trebitsch das Patronatsrecht über die Pfarrei überschrieb – jedoch unter der Bedingung, dass sie nur mit jenen Pastoren besetzt werden dürfe, die sich sowohl an die Confessio Augustana als auch an die Ordnung der evangelischen Geistlichen in dem Dekanat des oberen Brünner Kreises halten würden69. Sieben Jahre später wiederholte seine Witwe Katharina von Waldstein († 1637) diese Passage in einer Urkunde. Unter diesen Prämissen sollten auch die anderen Pfarrstellen in den kleineren Marktflecken der Grundherrschaft Trebitsch besetzt werden70. Obwohl die Verfasser der im Oktober 1576 in Groß-Meseritsch verabschiedeten Kirchenordnung mit ihrer Verbreitung zumindest im Brünner und Olmützer Kreis rechne65  Ilja Burian, Mistr Jakub Kamenický [Magister Jakub Kamenický]. Křesťanská revue 42 (1975) 14–19; ders., Die tschechische Übersetzung der Confessio Augustana. JbGPÖ 98 (1982) 59–89. 66  ders., Děkanství (wie Anm. 27) 23–36. 67  Jaroslav Honc, Rudolf II. contra Kateřina Meziříčská z Lomnice [Rudolf II. versus Katharina Meziříčská von Lomnitz]. Heraldika a genealogie 20 (1987) 13–36. 68  Alois Plichta, Jaroměřicko. Dějiny Jaroměřic nad Rokytnou a okolí [Das Jarmeritzer Land. Geschichte von Jarmeritz und Umgebung] (Jaroměřice nad Rokytnou–Třebíč 1994) 168f. 69  Vilém Nikodem, Dějiny města Třebíče 1468–1660 I [Geschichte der Stadt Trebitsch 1468–1660] (Třebíč 1931) 257–261; Ilja Burian, Dějiny protestantismu v Třebíči a v Horních Vilémovicích [Geschichte des Protestantismus in Trebitsch und Ober Willimowitz] (Třebíč 1996) 78f. 70  Burian, Dějiny (wie Anm. 69) 81.



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ten, blieb ihr Wirkungsbereich doch auf einen einzigen Verwaltungsbezirk der evangelischen Kirche, nämlich auf das Dekanat des oberen Brünner Kreises, beschränkt – die Kirchenordnung setzte sich also nur im unmittelbaren Herrschaftsbereich der Unterzeichneten durch. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts konnten die Lutheraner ihren Einfluss allerdings auch im zentral- und nordmährischen Olmützer Kreis verstärken. Im Gegensatz zu Ungarisch Brod und Groß-Meseritsch zeigten die dort erlassenen Kirchenordnungen aber keine Ambition, die Grundlage für eine überregionale kirchliche Verwaltungsorganisation zu bilden – auch wenn es auf dem Gebiet des Olmützer Dekanats kurz danach zur Errichtung selbstständiger Verwaltungsstrukturen mit einem Konsistorium und einem Superintendenten an seiner Spitze kam71. Die bislang bekannten evangelischen Kirchenordnungen blieben eng auf das Herrschaftsgebiet des erlassenden Grundherrn beschränkt72. Zu diesen Grundherren zählten seit den 1570er Jahren Hynko d. Ä. von Würben und Freudenthal († 1596), Besitzer einiger Grundherrschaften in diesem Teilbereich der Markgrafschaft und ebenso wie sein Vater Johann d. Ä. († 1559) Lutheraner73. In den Jahren 1584, 1591 und 1592 erließ Hynko drei normative Texte für seine Grundherrschaften Freudenthal/Bruntál und Goldenstein/Branná, in denen er die für das Seelenheil seiner Untertanen sorgenden Geistlichen dazu anhielt, die Satzungen der Confessio Augustana zu befolgen74. Er dehnte die lutherische Reformen auch auf die anderen in seinem Besitz befindlichen Grundherrschaften aus. Ein Jahr nachdem er zum Besitzer der Grundherrschaft und der Stadt Leipnik/Lipník nad Bečvou geworden war, übertrug er im Januar 1594 das Patronatsrecht über die Pfarre an den lokalen Stadtrat unter der Bedingung, dass nur ein Geistlicher Augsburgischer Konfession eingesetzt werden sollte75. Die nächste Kirchenordnung auf dem Gebiet des Olmützer Dekanats wurde für die mährische Herrschaft Sternberg/Šternberk verfasst, deren Besitzer seit 1570 die in Schlesien ansässigen Nachkommen des böhmischen „Hussitenkönigs“ Georg von Podiebrad, die Herzöge von Münsterberg, waren76. Die lutherischen Reformen breiteten sich hier seit den 1550er Jahren unter den damaligen Grundherren Berka von Duba aus. Nach

71   Hrubý, Luterství (wie Anm. 27) 3–8; ders., K jubileu Jiřího Třánovského [Zum Jubiläum von Georg Třánovský]. ČČH 44 (1938) 70–74. 72   ders., Luterství (wie Anm. 27) 14f. 73   Radek Fukala, Hynek starší Bruntálský z Vrbna [Hynko d. Ä. von Würben], in: V komnatách paláců, v ulicích měst. Sborník příspěvků věnovaných Václavu Ledvinkovi k šedesátým narozeninám [In den Gemächern der Paläste, in den Straßen der Städte. Festschrift für Václav Ledvinka zum 60. Geburtstag], hg. von Kateřina Jíšová (Praha 2007) 273–281. Basisinformationen über die Vermögensverhältnisse und die verwandtschaftlichen Beziehungen vermittelt Biografický slovník Slezska a severní Moravy [Biographisches Lexikon Schlesiens und Nordmährens] 10, hg. von Lubomír Dokoupil (Ostrava 1998) 23–50. 74   Christian dʼ Elvert, Evangelische Kirchen-, Schul- und Eheordnungen der Herrschaften Freudenthal und Goldenstein, in: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k. k. mähr. schles. Gesellschaft des Ackerbaues, der natur- und Landeskunde, Bd 9 (Brno 1856) 342–354; Just, Luteráni (wie Anm. 17) 97f. 75   Státní okresní archiv v Přerově [Staatliches Bezirksarchiv in Prerau], Archiv města Lipníka nad Bečvou [Archiv der Stadt Leipnik], Inv. Nr. 18. 76   Ondřej Felcman–Radek Fukala, Poděbradové. Rok českomoravských pánů, kladských hrabat a slezských knížat [Die Podiebrads. Ein Geschlecht böhmisch-mährischer Herren, Grafen von Glatz und schlesischer Fürsten] (Praha 2008) 162–235, 360–370; Marek Vařeka, Moravská panství minstrberských knížat na přelomu 16. a 17. století [Mährische Herrschaften der Herzöge von Münsterberg an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert], in: Od Jana Žižky k Poděbradům [Von Jan Žižka bis zu den Podiebrads], hg. von Vladimír Wolf (Hradec Králové 2006) 201–225.

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der Mitte des 16. Jahrhunderts wirkten hier schon kontinuierlich lutherische Pastoren77. In den 1530er Jahren bekannten sich die Söhne Karls I. von Münsterberg († 1536) öffentlich zur Reformation Luthers. Sein Enkel Karl II. (1538–1617) gliederte den Besitzungen der Familie in Schlesien die Herrschaft Sternberg an, in der er zielbewusst seine Glaubensgenossen unterstützte. Wahrscheinlich schon im Jahre 1591 erließ Karl II. für die Geistlichkeit dieser Grundherrschaft eine Kirchenordnung, die jedoch nicht erhalten blieb. Bekannt ist erst die zweite Verordnung vom Juni 1614, die sich schon einleitend auf die Confessio Augustana und ihre „Apologien“ bezieht78. Karl II. errichtete auf der Herrschaft eine lutherische Schule und ließ sowohl eine neue Kirche als auch Häuser für die Pfarrer und den seit Beginn der 1590er Jahre amtierenden Superintendenten bauen79.

Lokale Kirchenordnungen nach 1575 Obwohl sich die konfessionellen Rahmenbedingungen in den beiden hier behandelten Ländern deutlich voneinander unterschieden, gilt sowohl für Mähren als auch für Böhmen die Feststellung, dass den weltlichen Grundherren – und damit der weltlichen Obrigkeit – bei der Durchsetzung der Reformation eine Schlüsselrolle zukam. Genauer gesagt waren es vor allem ihre Bereitschaft und ihr Wille, einerseits die Anordnungen und Beschlüsse des katholischen Landesherrn als auch der höheren kirchlichen Autoritäten zu respektieren, andererseits aber auch den Anhängern der nichtkatholischen Glaubensrichtungen Schutz zu bieten. Während es in der Markgrafschaft Mähren keine rechtlich fixierte Beschränkung der religiösen Koexistenz gab, wurden in Böhmen sowohl der Katholizismus als auch der Utraquismus für rechtens gehalten und offiziell anerkannt. Der Utraquismus umfasste jedoch ein sehr breites Spektrum reformatorischer Ideen, die von konservativen bis zu radikalen Vorstellungen reichten. Die Annäherungsversuche der nichtkatholischen Konfessionen aneinander und die Bestrebungen um die Kodifizierung eines gemeinsamen dogmatischen Textes erreichten im Jahre 1575 in der Abfassung der Confessio Bohemica ihren Höhepunkt. Gemeinsam mit dem neuen Glaubensbekenntnis wurde im Mai 1575 auch eine Kirchenordnung ausgearbeitet, die eine formelle Basis für die Neuerrichtung einer nichtkatholischen Kirchenverwaltung im Königreich darstellen sollte. Mit dem durch Maximilian II. verhinderten In-Kraft-Treten des neuen Glaubensbekenntnisses scheiterte jedoch auch dieser Versuch der Etablierung einer das ganze Land umfassenden und funktionsfähigen nichtkatholischen Kirchenorganisation. Dennoch fanden die Reformbestrebungen in Grundherrschaften einzelner Adeliger Anklang, die mit der Reformation sympathisierten.80 Dabei vermochten sich die adeligen Grundherren gegen Eingriffe des Landesherrn zu wehren und bauten darüber hinaus eine vom Prager Unteren Konsistorium unabhängige Kirchenverwaltung auf. 77  Gustav Trautenberger, Die Münsterberger und das Evangelium in Sternberg. JbGPÖ 11 (1890) 98– 112; Alfred Blaschke, Die Pfarreien der ehemaligen Herrschaften Sternberg, Eulenberg und Rabenstein zur Zeit des Protestantismus in Nord-Mähren 1521–1625 (Práce z historického semináře CM fakulty bohoslovecké v Olomouci 18, Olomouc 1937) 6, 9, 13–32, 55–65. 78  Gustav Adolf Skalský, Die Kirchenordnung von Sternberg in Mähren aus dem Jahre 1614. JbGPÖ 28 (1907) 78–122. 79  Just, Luteráni (wie Anm. 17) 80f., 95. 80   Jiří Rak, Vývoj (wie Anm. 12) 192–194; Kamil Krofta, Boj o konsistoř pod obojí v letech 1562– 1575 a jeho historický základ [Der Kampf um das Untere Konsistorium im Jahren 1562–1575 und seine historische Grundlage]. ČČH 17 (1911) 28–57, 178–199, 283–303, 383–420, hier 408–412.



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Bereits im Jahre 1577 erschien eine kurzgefasste Kirchenordnung für die mittelböhmische Herrschaft Schwarzkosteletz/Kostelec nad Černými lesy (seit 1558 im Besitz von Jaroslav Smiřický von Smiřitz, † 1597)81. Diese Kirchenordnung kann als ein Versuch interpretiert werden, eine autonome Kirchenverwaltung auf dem Herrschaftsgebiet des erwähnten Adeligen aufzubauen. Die Ordnung verwies nicht ausdrücklich auf die Confessio Bohemica oder auf die Confessio Augustana, doch forderte sie explizit eine Predigt des reinen Gotteswortes ohne menschliche Zufügung. Unter den acht Geistlichen aus der Herrschaft Schwarzkosteletz, die ihre Unterschriften unter diese Kirchenordnung setzten, fehlt auch der publizistisch umtriebige lutherische Kleriker Johann Štelcar Želetavský († nach 1596) nicht. Der Text der Kirchenordnung findet sich in seiner Schrift „Knížka o pravé a falešné církvi“ [Das Büchlein von wahrer und falscher Kirche] aus dem Jahr 1589.82 Im Jahr 1581 wurde eine umfassendere Kirchenordnung für die Herrschaft Patzau/ Pacov auf der Böhmisch-Mährischen Höhe veröffentlicht. Diese Grundherrschaft unterstand Johann Španovský von Lisau († 1583). In ihrer Einleitungspassage bekannte sich diese Kirchenordnung zur Confessio Bohemica und strebte den Aufbau einer unabhängigen Kirchenorganisation mit einem Superintendenten an der Spitze an. Der Autor dieser Kirchenordnung war vermutlich der Patzauer Pfarrer Johann Laetus Čáslavský († 1595), der intensive Kontakte zu lutherischen Geistlichen in Iglau pflegte. Offensichtlich sollte sich der Geltungsbereich dieser Kirchenordnung nicht nur auf die Patzauer Herrschaft beschränken, zumal an deren Aushandlung noch weitere Ritter – darunter Wilhelm Dubský von Třebomyslice und Christoph Vencelík von Vrchoviště († 1581), der Besitzer der nahe gelegenen Herrschaft Triesch/Třešť – teilnahmen. Nach dem Tod Johann Španovskýs übernahm sein älterer Bruder Michael (1530–1601), jahrelang Inhaber des Amtes e­ ines Oberstschreibers von Böhmen und 1575 an den Verhandlungen für die Confessio Bohemica beteiligt, die Verwaltung der Patzauer Herrschaft. Im September 1596 stellte ­Michael Španovský eine Urkunde aus, mit der er der Stadt Patzau eine Pfarrverwaltung im Geiste der Confessio Bohemica und Confessio Augustana verordnete83. In den Beginn der 1580er Jahre fällt auch die Verfassung einer Kirchenordnung für die nordböhmischen Grundherrschaften Friedland/Frýdlant, Reichenberg/Liberec und Seidenberg/Zawidów des Melchior von Redern (1555–1600), in die lutherische Reformen schon in den 1530er Jahren vorgedrungen waren. Diese Kirchenordnung wurde wahrscheinlich auf einer Synode von der Geistlichkeit der Grundherrschaften seit 1582 erarbeitet und 1583 verabschiedet. Zur folgenden Versammlung im Herbst 1584 wurden auch Geistliche aus den benachbarten Grundherrschaften geladen, um über eine Vergleichung Eczlicher Kirchen Ceremonien zu beraten. Die Schwerpunkte dieser Kirchenordnung lagen auf der Klerikerdisziplin und der Erneuerung der Kirchenordnung. Als Vor81  August Sedláček, Hrady, zámky a tvrze Království českého [Burgen, Schlösser und Festungen des Königreichs Böhmen] (Praha 1927, Nachdr. Praha 1998) 11f; Otakar Odložilík, Poslední Smiřičtí [Die letzten Smiřický], in: Od pravěku k dnešku II. Sborník prací z dějin čsl. k 60. narozeninám J. Pekaře [Von der Urzeit in die Gegenwart, Bd. II. Arbeiten aus dem tschechoslowakischen Geschichte zum 60. Geburtstag Josef Pekař’s] (Praha 1930) 70–87. 82   Arne Novák, Jana Štelcara Želetavského ze Želetavy „Knížka o pravé a falešné církvi“. Rozbor literárně historický [Das Büchlein von wahrer und falscher Kirche von Johann Štelcar Želetavský aus Želetava/Schelleton]. Listy filologické 29 (1902) 373–389. 83   Ferdinand Pakosta, Michal Španovský z Lisova, účastník jednání o Českou konfessi, pán na Pacově 1584–1600 [Michael Španovský von Lisau, Teilnehmer an den Verhandlungen über die Böhmische Konfession, Herr auf Patzau 1584–1600] (Praha 1914).

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stand sollte ein Inspektor oder Superintendent berufen werden, der von der Obrigkeit eingesetzt wurde. Seine Aufgabe bestand vor allem darin, die Aufsicht über die in der Grundherrschaft wirkenden Pfarrer auszuüben. Im September 1588 bestellte Melchior von Redern den bisherigen Kaplan in Friedland und Absolventen der Universität Wittenberg Martin Nussler († 1617) zum Inspektor. Als grundlegenden dogmatischen Text, dessen Einhaltung Nussler zu beaufsichtigen hatte, benannte das Ernennungsdekret die Confessio Augustana84. Über weitere böhmische Kirchenordnungen liegen gesicherte Nachrichten vermehrt erst ab 1600 vor. Im Jahre 1597 wurde eine kurzgefasste Verordnung für die mittel- und südböhmischen Herrschaften Mühlhausen/Milevsko und Tloskow/Tloskov des Ritters Přech Hodějovský von Hodějov (1566–1610) veröffentlicht, der vier Jahre später in den Herrenstand aufgenommen wurde. Diese Kirchenordnung wurde – so August Sedláček – im Geiste calvinistischer Lehre verfasst. Beachtung schenkte man hierbei vor allem den heiligen Sakramenten und einer Auflistung von Pflichten für den Klerus. Die Kirchenverwaltung in der Grundherrschaft sollte gemäß dieser Kirchenordnung dem Senior der Pfarrgemeinde zustehen. Dieser hatte auch die Jurisdiktion bei der Lösung von Konflikten unter der Geistlichkeit inne. Im Verbund mit anderen Klerikern hatte er die Rechtgläubigkeit von Bewerbern für Pfarrstellen zu prüfen und zu kontrollieren85. Ritter Christoph Mauschwitz von Armenruh († 1616) veröffentlichte im Dezember 1601 eine knappe Kirchenordnung für seine ostböhmische Herrschaft Rokitnitz im Adler­gebirge/Rokytnice v Orlických horách. Im Gegensatz zu seinem katholischen ­Vater Joachim († 1585), dem im Jahre 1558 das Inkolat im Königreich Böhmen verliehen worden war, bekannte sich Christoph zum Luthertum. Er folgte damit konfessionell der mehrheitlich deutschsprachigen Bevölkerung seiner Grundherrschaft. Seine Kirchenordnung enthielt vor allem Anweisungen bezüglich der Amtspflichten der Geistlichkeit, aber auch zur liturgischen Ausgestaltung der Gottesdienste86. In Reaktion auf konkrete Problemlagen, aber auch im Kontext von Streitigkeiten zwischen einer multikonfessionellen städtischen Gesellschaft und dem Pfarrer, entstand im Jahre 1608 eine Kirchenordnung für die Herrschaft Ingrowitz/Jimramov auf der Böhmisch-Mährischen Höhe87, deren Grundherr Johann Dubský von Třebomyslice († um 1641) war. Schon sein Vater Wilhelm Dubský hatte zu Beginn der 1580er Jahre an 84   Franz Némethy, Das Schloß Friedland in Böhmen (Praha 1818) 62–77. Weiter Julius Helbig, Evangelische Geistliche und Schulmänner in und aus der Herrschaft Friedland während der Zeit der Reformation und Gegenreformation. Neues Lausitzisches Magazin 75 (1909) 270–287; Milan Svoboda, Lutherische Eliten? Geistliche von der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert an der Grenze Nordböhmens und der Oberlausitz (Untersuchungen zu den Herrschaften Friedland und Reichenberg), in: Geschichte, Erinnerung, Selbstitentifikation. Die schriftliche Kultur in den Ländern der Böhmischen Krone im 14.–18. Jahrhundert, hg. von Lenka Bobková–Jan Zdichynec (Korunní země v dějinách českého státu 5, Praha 2011) 507–521; ders., Redernové v Čechách. Nalézání zapomenutých příběhů 16. a 17. věku [Die Redern in Böhmen. Suche nach vergessenen Geschichten aus dem 16. und 17. Jahrhundert] (Opera Facultatis philosophicae Universitatis Carolinae Pragensis 10, Praha 2011) 121f., 133–135. 85  Hrejsa, Česká konfesse (wie Anm. 14) 357f.; Winter, Život I (wie Anm. 11) 356f. 86  A. Netolitzky, Eine alte Kirchenordnung. Mitteilungen des Nordböhmischen Vereines für Heimatforschung und Wanderpflege 40 (1917) 96–100; Jaroslav Šůla, Rokytnice v Orlických horách a Mauschwitzové von Armenruh [Rokitnitz im Adlergebirge und die Mauschwitz von Armenruh] (Ústí nad Orlicí 2010) 25–59. 87  František Hrubý, Vilém Dubský z Třebomyslic [Wilhelm Dubský von Třebomyslice]. ČMM 50 (1926) 405–433.



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Verhandlungen über die Annahme einer Kirchenordnung in der Herrschaft Patzau teil­ genommen. Die Kirchenordnung, die Johann Dubský verfassen ließ, legte ihren Schwerpunkt auf die Amtspflichten der Geistlichkeit. Vier Jahre später veröffentlichte Dubský eine Verordnung für die Literatenbruderschaft in Ingrowitz, worin festgelegt wurde, dass alle Gesänge und Zeremonien, aber auch der Gottesdienst in der dortigen Pfarrkirche im Einklang mit der Confessio Augustana abgehalten werden sollen88. Während die Bestrebungen einiger mährischer Grundherren darauf zielten, die in ihren Grundherrschaften erlassenen Kirchenordnungen Grundlage einer überregionalen Kirchenverwaltung werden zu lassen, können vergleichbare Bestrebungen für das Königreich Böhmen nicht in dieser Intensität beobachtet werden. Die im böhmischen Bereich bekannt gewordenen Kirchenordnungen stellten lediglich die organisatorische Grundlage einer Kirchenverwaltung im Bereich der jeweiligen Grundherrrschaft dar. Eine überregionale Kirchenordnung mit gesamtstaatlichem Wirkungsbereich gab es in Böhmen erst seit Oktober 1609 im Zusammenhang mit dem Erlass des Majestätsbriefes Rudolfs II.89. Diese Kirchenordnung beruhte auf jener von 1575, die auf der Basis der Confessio Bohemica formuliert, jedoch nicht rechtskräftig geworden war. Die neue Kirchenordnung sollte vor allem die Tätigkeit des erneuerten, von einem Administrator geleiteten und unter dem Schutz der Stände „unter beiderlei Gestalt“ (pod obojí) stehenden Unteren Konsistoriums regeln90. Der Erlass der neuen Kirchenordnung hinderte aber einige Grundherren nicht daran, für ihre Herrschaften weiterhin eigene normative Verordnungen zu erlassen. Auf den Text der im Herbst 1609 verabschiedeten Kirchenordnung, auf die Confessio Bohemica und auf den Majestätsbrief nimmt etwa die umfassende Kirchenordnung Albrecht Wenzels Smiřický von Smiřitz († 1614) in ihren Anfangskapiteln Bezug. Ab 1613, wahrscheinlich dem Jahr ihrer Entstehung, sollte sie auf dessen mittel- und ostböhmischen Grundherrschaften Schwarzkosteletz, Skworetz/Škvorec, Aurschinowes/Uhříněves und Nachod/ Náchod in Kraft treten91. In ähnlicher Weise argumentieren auch weitere Texte, die dieser Grundherr für seine Herrschaften entwerfen ließ. Im August 1612 verlieh der Magnat dem Stadtrat von Nachod das Patronatsrecht über die dortige Pfarre mit der Auflage, ausschließlich Pastoren einzusetzen, die sich zu den Prinzipien der Confessio Bohemica und des Majestätsbriefes bekannten92. Ähnliche Prämissen benannte auch eine Urkunde, die im August 1613 für den Stadtrat der Stadt Schwarzkosteletz ausgestellt wurde. Dort 88   František Still, Paměti městečka Jimramova [Denkwürdigkeiten des Marktes Ingrowitz] (Polička 1899) 11–21, 128–135. 89  Anton Gindely, Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609 (Prag 1858); Kamil Krofta, Majestát Rudolfa II. [Der Majestätsbrief Rudolfs II.] (Praha 1909); Jiří Just, 9. 7. 1609 – Rudolfův Majestát. Světla a stíny náboženské svobody [9. 7. 1609 – Der Majestätsbrief Rudolfs II. Licht und Schatten der Glaubensfreiheit] (Praha 2009); Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen. Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609, hg. von Jaroslava Hausenblasová–Jiří Mikulec–Martina Thomsen (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 46, Stuttgart 2014). 90  Jiří Just, 9. 7. 1609 – Rudolfův Majestát (wie Anm. 89) 91–94. 91  František Dvorský, Příspěvky k dějinám církevním v Čechách [Beiträge zur Kirchengeschichte Böhmens]. Sborník historický 2 (1884) 23–31; O. Odložilík, Poslední Smiřičtí (wie Anm. 81); Václav Pešák, Panství rodu Smiřických v letech 1609–1918. Hospodářská skladba českého velkostatku začátkem XVII. stol. [Die Herrschaften der Familie Smiřický zwischen 1609–1618. Die wirtschaftliche Struktur der böhmischen Großgrundbesitz am Anfang des 17. Jahrhunderts] (Sborník archivu ministerstva vnitra v Praze 13, Praha 1940). 92   Jan Karel Hraše, Dějiny Náchova [Geschichte von Nachod], Bd. 1 (Náchod 1895) 194f.; 379f.

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bestätigte Albrecht Wenzel Smiřický den Bürgern das Recht auf die Verwaltung und den Besitz der neuen Kirche, die diese selbst errichtet hatten93. Normativen Charakter hat auch die von Johann Rudolf Trčka von Leipa († 1634) ausgestellte Urkunde, die für die ostböhmische Stadt Dobruška im August 1616 erlassen wurde. Der Aussteller erlaubte den Bürgern, die Pfarrei zu besetzen unter der Bedingung, dass der Pfarrverwalter nur das wahre Wort Gottes im Geiste des Evangeliums verkünden dürfe. Der größere Teil der Urkunde behandelt allerdings die Ausgestaltung der Liturgie, die zukünftig in der Pfarrkirche zu beachten war94.

Resümee: Adelskonfessionalisierung – der Grundherr in einer Schlüsselposition Der kurze, hier vorgestellte Überblick über die in böhmischen und mährischen Grundherrschaften geltenden evangelischen Kirchenordnungen zeugt von der komplexen konfessionellen Entwicklung beider Länder in den Jahren zwischen 1520 und 1620. Dem Adel kam bei der Ausformung von Konfessionskulturen eine essentielle Rolle zu, weil er sowohl im Königreich Böhmen als auch in der Markgrafschaft Mähren der größte Grundbesitzer war. Auf seinen Grundherrschaften – im Untersuchungszeitraum eigentlich fast autonome, vom Zugriff des Landesfürsten weitgehend abgeschottete Gebiete – praktizierte der Adel eine eigene, lokale Konfessionspolitik, die ebenso facettenreich war, wie sie sich verschiedener Mittel bediente. Einige evangelische Adelige taten sich durch die Veröffentlichung von Kirchenordnungen hervor, womit sie auf aktuelle konfessionelle Fragestellungen im Lande reagierten, aber auch den liturgischen Rahmen absteckten. Diese Grundherren bemühten sich vor allem darum, das Funktionieren der Kirchenverwaltung in ihren eigenen Herrschaften zu regeln. Die Mehrheit der bislang bekannten Kirchenordnungen wurde spezifisch für diese in Reaktion auf lokale Problemlagen erlassen. Einige mährische Kirchenordnungen strebten die Konstituierung und den Aufbau einer differenzierten, hierarischen evangelischen Kirchenverwaltung mit einem weiteren territorialen Einzugsgebiet an. Diese grundherrschaftlichen Kirchenverwaltungen sollten vom utraquistischen Konsistorium in Prag unabhängig sein. Den Geltungsbereich der grundherrschaftlichen Kirchenordnungen gaben in der Regel die Grenzen der einzelnen Dekanate vor. Neben dem grundbesitzenden evangelischen Adel kam den Dechanten und den anderen Geistlichen bei der Erarbeitung und Durchsetzung der Kirchenordnungen eine herausragende Rolle zu. Die evangelischen Kirchenordnungen, die im Bereich der adeligen Grundherrschaften in Kraft traten, lassen sich nicht nur als Ausdruck der adeligen Interessen an Konfession verstehen, sondern unterstreichen auch die Ambition einiger adeliger Herren, sich politisch am Ausbau einer höheren evangelischen Kirchenorganisation zu beteiligen und gleichzeitig ihre Herrschaften aus der bestehenden Kirchenverwaltung zu lösen. Obwohl über die evangelische Kirchenverwaltung in Böhmen, und besonders in Mähren, bislang recht wenig bekannt 93  Vladimír Jakub Mrvík, Dějiny černokosteleckých domů. Historická topografie města Kostelce nad Černými lesy [Geschichte der Schwartzkosteletzer Häuser. Historische Topographie der Stadt Schwarzkosteletz] (Kostelec nad Černými lesy 2011) 105f. 94  Antonín Flesar, Trčkův řád bohoslužebný z r. 1616 [Trčkas liturgische Ordnung aus dem Jahr 1616]. Sborník historického kroužku 4 (1895) 131–133. Jüngst Jaroslav Šůla, Ze života a působení kněží podobojí v Dobrušce před třicetiletou válkou [Aus dem Leben und Wirken der utraquistischen Priester in Dobruschka vor dem Dreißigjährigen Krieg]. Orlické hory a Podorlicko 18 (2011) 59–99.



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ist, kann František Hrubý zugestimmt werden95, der behauptete, dass gerade die Initiative der mährischen evangelischen Adeligen die Festigung bzw. Konsolidierung der evangelischen Kirchenverwaltung in der Markgrafschaft herbeiführte.

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  Hrubý, Luterství (wie Anm. 27) 18f.



Katholische Adelige jenseits der Theiß. Ein Beitrag zur ungarischen Adelsgeschichte zwischen 1550 und 1640 Von István Fazekas

Das Königreich Ungarn wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zum überwiegenden Teil protestantisch. Die Reformation entfaltete sich mit besonderer Vehemenz im ostungarischen Raum. Diese Region jenseits der Theiß bildete mit dem Zentrum Debreczin, dem „calvinistischen Rom“, ein Zentralgebiet der ungarischen Reformierten1. Wenig bekannt ist jedoch, dass eine kleine Gruppe Adeliger in diesem Gebiet der alten Kirche treu blieb. Dieser Beitrag versucht, diese Adelsgruppe näher zu beschreiben und fragt nach Gründen für deren Entscheidung. Eine vollständige Darstellung der Gruppe würde die Rahmen des Aufsatzes sprengen, und die derzeit zur Verfügung stehenden Forschungen legen ebenfalls Zurückhaltung nahe. Im Zentrum der Analyse stehen deshalb vier Familien, die miteinander verwandt waren und ein relativ reiches archivalisches Erbe im Familienarchiv Zichy hinterließen: Wárday (Várday) von Kisvárda, Melith von Briber, Telegdy von Mezőtelegd und Szakolyi (Zokoli, Szokolyi) von Kisvárda2. Im folgenden Beitrag wird versucht darzustellen, warum diese Adeligen den alten Glauben in einer religiös anders orientierten Umgebung nicht aufgaben. Zu diesem Zweck werden Aspekte der Heiratspolitik, der Erziehung, des Kirchenpatronats und der politischen Orientierung ausführlicher betrachtet.

Der Raum Oberungarn Die Komitate Szabolcs und Szatmár, in denen die angesprochenen Familien ihre Besitztümer hatten, bildeten den südlichen Teil von Oberungarn (Partes Regni Hungariae Superiores). Die Region umfasste 13 Komitate, die östlich der Komitate Liptó/Liptau 1  Márta Fata, Ungarn, das Reich der Stephanskrone, im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Multiethnizität, Land und Konfession 1500–1700, hg. von Franz Brendle–Anton Schindling (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 60, Münster 2000) 86–118. 2  Die Archivalien dieser Familien sind teilweise durch die Heirat zwischen István Zichy d. J. († 1700) und Maria Melith († 1695) ins Familienarchiv Zichy gelangt. Siehe István Fazekas, Familienarchive und Schriftennachlässe in Ungarn. MÖStA 56 [Archivpflege und Archivalienschutz. Das Beispiel der Familienarchive und „Nachlässe”] (2011) 577–609, hier 609; Pal Lukcsics, A zichi és vásonkeői gróf Zichy család idősebb ágának okmánytára. Codex diplomaticus domus senioris comitum Zichy de Zich et Vásonkeő. [Urkundenbuch der älteren Linie der gräflichen Familie Zichy von Zich und Vásonkeő], Bd. 12 (Budapest 1931) XII–XV.

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und Neograd/Nógrád lagen: Zips/Szepes, Scharisch/Sáros, Gemer/Gömör, Borsod, Tornau/Torna, Abaúj, Zemplin/Zemplén, Ung, Bereg, Szabolcs, Sathmar/Szatmár und Ugocsa. Oberungarn war in der Frühen Neuzeit nicht bloß ein geographischer Begriff, sondern die Region besaß auch eigene Verwaltungsorgane. Das Gebiet lag so weit vom Zentrum entfernt, sodass es von Wien aus schwierig zu regieren war, weshalb hier 1567 eine eigene Kammer, die Zipser Kammer, eingerichtet wurde, die in Zusammenarbeit mit dem oberungarischen Grenzoberhauptmann die Region verwaltete. Die Größe der Region wechselte ständig, manche Gebiete kamen unter osmanische Herrschaft oder die der siebenbürgischen Fürsten, die immer wieder ihren Einfluss auf kleinere oder größere Gebiete ausdehnen konnten3. Dies galt etwa für den südlichen Teil der Region, die Komitate Szabolcs und Szatmár, die an osmanisches Gebiet grenzten und 1619 bis 1630 sowie 1644 bis 1660 zeitweise unter Herrschaft des benachbarten Siebenbürgen standen. Die wichtigen Festungen dieses Raums waren Kálló und Szatmár/Satu Mare sowie das von der Familie Báthory (Báthori) beherrschte Ecsed. Östlich der Festung Kálló lebten nach 1605 Haiducken, die von István Bocskai (1557–1606) privilegiert und angesiedelt worden waren. Der wichtigste Grundbesitzer der Region war die Familie Báthory von Ecsed; ein anderer Zweig der Familie, aus welcher der polnische König István Báthory (von Somlyó) (1533–1586) stammte, besaß Güter vor allem im von Siebenbürgen beherrschten Teil des Königreichs Ungarn4. Die Ecseder Linie der Familie schloss sich früh der Reformation an und unterstützte sie bis zu ihrem Aussterben 1605. Lediglich ein katholisches Intermezzo ohne ernsthafte Konsequenzen stellte die Konversion des Landesrichters Miklós Báthory (1520–1584) in den 1580er Jahren dar5. Für die Verhältnisse der Region war das letzte Mitglied der Linie, Landesrichter István Báthory (1555–1605), ein unduldsamer Calvinist, bestimmend6. Im Komitat Szabolcs befand sich südlich der Theiß außerdem die Herrschaft und die Burg Kisvárda, das alte Herrschaftszentrum der Familie Wárday7.

3  Mit dem Wiener Frieden kamen die Komitate Ugocsa, Bereg, Szatmár bis 1607 unter die Herrschaft von Fürst István Bocskai, von 1621 bis 1629 beherrschte Fürst Gábor Bethlen sieben Komitate (Szatmár, Szabolcs, Ugocsa, Bereg, Zemplén, Borsod, Abaúj), 1644–1648 waren diese sieben Komitate unter siebenbürgischer Herrschaft; Szabolcs und Szatmár blieben es bis 1660; Imre Lukinich, Erdély területi változásai a török hódítás korában 1541–1711 [Die Veränderungen des siebenbürgischen Gebietes während der Türkenherrschaft 1541–1711] (Budapest 1918) 368–397. 4   András Bonaventura Báthory († 1566), der spätere Landesrichter, besaß im Jahre 1549 2.604 porta, damit war er der drittgrößte Besitzer des Landes nach dem König und dem Bischof von Großwardein; Ferenc Maksay, Magyarország birtokviszonyai a 16. század derekán, Bd. 2 [Die Besitzverhältnisse Ungarns in der Mitte des 16. Jahrhunderts] (Budapest 1990) 1081. Über die Familie Báthory: Mór Wertner, A Báthoryak családi történetéhez (Egy genealógiai táblával) [Zur Geschichte der Familie Báthory (mit einer genealogischen Tafel)]. Turul 18 (1900) 6–29. 5   Mihály Balázs, Ecsedi Báthory István és a jezsuiták [István Báthory von Ecsed und die Jesuiten], in: Művelődési törekvések a korai újkorban. Tanulmányok Keserű Bálint tiszteletére [Kulturelle Bestrebungen in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Bálint Keserű], hg. von Mihály Balázs–Zsuzsanna Font–Gizella Keserű– Péter Ötvös (Adattár XVI–XVIII. századi szellemi mozgalmaink történetéhez 31, Szeged 1997) 1–10, hier 4. 6  Ecsedi Báthori István végrendelete 1603 [Das Testament von István Báthory von Ecsed 1603], hg. von Veronika Vadász (Fiatal filológusok füzetei korai újkor 1, Szeged 2002) 5–8, 79f. 7  Die Herrschaft bestand aus etwa 15 Dörfern; Lukcsics, Zichy család (wie Anm. 2) 343–362.



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Die Familien Wárday, Telegdy, Szakolyi und Melith Die Familie Wárday war eine alte adelige Familie, die aus der Sippe Gútkeled stammte8. Sie gehörte zu der Gruppe reicher adeliger Familien, die gute Aussichten hatten, in die sich formierende ungarische Magnatenschicht aufzusteigen. Im 15. Jahrhundert wurden einige Familienmitglieder als veri barones eingestuft. Das vorletzte Familienmitglied, Mihály Wárday d. J. († 1583), gehörte als Obermundschenk auch zu dieser Gruppe9. Mihály Wárday d. Ä. († 1560) hatte die Schlacht von Mohács überlebt und wurde nach dem Tode seiner fünf Brüder Familienoberhaupt. Er war ein treuer Anhänger Ferdinands I., weshalb er für einige Jahre (1545 bis 1551) seinen wichtigsten Besitz Kisvárda verlor, der von Georg Martinuzzi (1482–1555) konfisziert wurde. Michael Wárday besaß nach den Konskriptionslisten um 1550 Güter im Wert von etwa 145 porta, eine ungarische Steuereinheit10. Er heiratete Erzsébet Sarmasághy; aus der Ehe stammten fünf Söhne und eine Tochter. Die einzige Tochter heiratete István Szakolyi († 1575), einen reichen Adeligen aus dem Komitat Szabolcs. Von den drei Söhnen, die das Erwachsenalter erreichten, diente der älteste, István Wárday († 1575), zuerst am Hof des Pál Wárday (1483/1484–1549), Erzbischof von Gran/Esztergom, dann nach dem Tode des Erzbischofs bei Landesrichter András Báthory († 1566) und schließlich am Hof des ungarischen Thronfolgers Erzherzog Maximilian11. István heiratete Zsófia Perényi, deren Familie in Oberungarn große Besitzungen hatte, aber die Ehe blieb kinderlos. Sein jüngerer Bruder Miklós Wárday († 1571), der einige Jahre in Wien verbracht hatte, wo er sich 1559 an der Universität immatrikulierte12, war es, der die Familie weiterführte. Aus seiner Ehe mit Dorotya Lossonczi, Tochter und Erbin von Antal Lossonczi, stammten vier Söhne und eine Tochter. Die männlichen Erben starben jung, zuletzt János Wárday († 1584), das letzte männliche Mitglied der Familie; dagegen erreichte die Tochter Katalin († 1630) ein hohes Alter.

8  Zur Geschichte der Familie Wárday: Zoltán Ács, A Várday család és Kisvárda mezőváros története a XVI. század végéig [Die Geschichte der Familie Várday und Kisvárda bis zum Ende des 16. Jahrhunderts], in: Kisvárda 90’. Tanulmányok Kisvárdáról a 16. század végéig [Beiträge über Kisvárda bis zum Ende des 16. Jahrhunderts], hg. von Béla Fehérvári (Kisvárda 1991) 7–51. 9   Erik Fügedi, A 15. századi arisztokrácia mobilitása [Die Mobilität der Aristokratie des 15. Jahrhunderts] (Történeti statisztikai kötetek, Budapest 1970) 65; András Kubinyi, Mátyás király és a magyar püspökök [König Matthias und die ungarischen Bischöfe], in: ders., Főpapok, egyházi intézmények és vallásosság a középkori Magyarországon [Prälaten, kirchliche Institutionen und Religiosität im mittelalterlichen Ungarn] (Budapest 1999) 72; Zoltán Fallenbüchl, Magyarország főméltóságai 1526–1848 [Die höchsten Würdenträger Ungarns 1526–1848] (Budapest 1988) 91. Die Geschichte des ungarischen Magnatenstandes ist noch nicht ausreichend geklärt: Bódog Schiller, Az örökös főrendiség eredete Magyarországon [Der Ursprung des erblichen Hochadels in Ungarn] (Budapest 1900); Géza Pálffy, A grófi cím a XVI–XVII. századi Magyarországon és Erdélyben [Der Grafentitel des 16.–17. Jahrhunderts in Ungarn und Siebenbürgen], in: „… éltünk mi sokáig ‘két hazában …” Tanulmányok a 90 éves Kis András tiszteletére [Beiträge zum 90. Geburtstag von András Kis], hg. von Veronika Dáné–Teréz Oborni–Gábor Sipos (Speculum Historiae Debreczeniensis 9, Debrecen 2012) 177–191; István Csizy, Észrevételek a magyar főnemesi címek XVI–XVII. századi történetéhez [Bemerkungen zur Geschichte der ungarischen hochadeligen Titel im 16.–17. Jahrhunderten]. Fons 14 (2014) 5–64. 10   Maksay, Magyarország birtokviszonyai (wie Anm. 4) 2 1081. 11   Briefe von Bischof Pál Bornemissza an Michael Wárday siehe MNL – OL, P 707, FA Zichy, Fasc. 81, NB Missiles Nr. 11065 (1546), 11076 (1549), 11077 (1550). 12   Die Matrikel der Universität Wien, Bd. 3: 1518/II–1579/I, bearb. von Franz Gall–Willy Szaivert (Publikationen des IÖG 6/1, Wien–Köln 1971) 122.

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Politisch besonders aktiv war der dritte Sohn Michael Wárday d. J., der seine Jugend am kaiserlichen Hof verbracht hatte. 1564 wurde er erstmals als Hofdiener in Wien erwähnt, 1565 zum Truchsess ernannt, 1570 war er schon Mundschenk. Sein Hofdienst endete 1572, als er zum Oberstmundschenk des Königreich Ungarns (pincernarum regalium magister) ernannt wurde13. Seine Ehe mit Krisztina Dobó, der Tochter von István Dobó, dem berühmten Verteidiger von Erlau/Eger 1552 und einem der reichsten Adeligen seiner Zeit, blieb ebenfalls kinderlos14. In seinem Testament von 1582 hinterließ Michael Wárday die Herrschaft und Burg Kisvárda vier Personen: Einen Teil erhielt die erwähnte Katalin (Kata) Wárday, einen zweiten Miklós Szakolyi († 1599), einen dritten seine Kusine Klára Wárday und ihre Nachkommen aus der Ehe mit István Serédy, den vierten die Kinder einer weiteren Kusine, Fruzsina Wárday, die mit György Alaghy von Bekény († 1568) verheiratet gewesen war15. Nach verschiedenen Vereinbarungen endete der Kampf um das Erbe Kisvárda schließlich 1611, als der Stiefsohn und gleichzeitig Schwiegersohn von Katalin Wárday, István Nyáry († 1643), der Ehemann von Anna Telegdy, ihrer Tochter erster Ehe, und der Gatte von Erzsébet Szakolyi, Péter Melith († 1644), nach der Bezahlung je 16.000 Gulden eine geteilte Donation für die Herrschaft von König Matthias II. erhielten16. Die Familie Telegdy von Mezőtelegd, die ihre Besitzungen in den Komitaten Bihar und Tschanad/Csanád hatte, war ebenfalls eine alte adelige Familie, die zum Magnatenstand gehörte17 – Pál Telegdy († 1592) nannte sich nicht zufällig baro, als er sich 1576 an der Universität Wien immatrikulieren ließ18. Die Familie besaß nach den schon erwähnten Steuerkonskriptionen um 1550 414 porta Besitztümer19. Kurz vor Páls Immatrikulation hatten sich allerdings die Wege der Gebrüder Miklós († 1583) und Mihály Telegdy († 1589) getrennt. Beide waren treue Anhänger des Szapolyai-Hauses, aber im Machtkampf nach dem Tode von Johann Sigismund Szapolyai († 1571) unterstützte Mihály den späteren Verlierer Gáspár Bekes (1520–1579), was nach dessen Niederlage die Beschlagnahme von Mihálys Gütern in den Komitaten Bihar und Tschanad zur Folge hatte. Er musste ins Königreich Ungarn nach Zatín/Zétény (Komitat Zemplén) bzw. Tschynadijowo/Szent­miklós (Komitat Bereg) übersiedeln. Die Wege trennten sich auch konfessionell, denn Miklós unterstützte die Reformation, während Mihály katholisch blieb. Der Jesuit István Szántó (Arator) (1540–1612) 13  „ab ipsa pueritia tanta laude et dexteritate in aula Maiestatis Vestrae adlatus eiusdem versatus est”, ÖStA, HHStA, Ungarische Akten, Allgemeine Akten, Fasc. 98, Konv. C, fol. 77r; AVA, FHKA, HKA, HZAB, Bd. 20, fol. 287r; Maximilian Lanzinner (Bearb.), Deutsche Reichstagsakten. Der Reichstag zu Speyer 1570, Bd. 2 (Deutsche Reichstagsakten. Reichsversammlungen 1556–1662, Göttingen 1988) 989. 14   ÖStA, FHKA, HKA, HFU, r. Nr. 35, Konv. 1577, Mai, fol. 293r–297r; ebd. Familienakten, W 39 Warday. 15   Béla Radvánszky, Magyar családélet és háztartás a XVI. és a XVII. században [Familienleben und Haushalt im Ungarn des 16. und 17. Jahrhunderts], Bd. 3 (Budapest 1879) 118–121. 16   ÖStA, AVA, FHKA, HKA, HFU, r. Nr. 100, Konv. 1611, Jan.–Feb., fol. 31r–53r, r. Nr. 100, Konv. 1611, März fol. 35r–44r. Der Kampf um Kisvárda ist aufgrund der Archivalien der Zipser Kammer dargestellt: József Jankovics–Péter Kőszeghy, Telegdy Kata verses levele? [Gereimte Brief von Kata Telegdy?], in: Erdély reneszánsza [Die Renaissance in Siebenbürgen], hg. von Csilla Gábor–Katalin Luffy–Gábor Sipos (Kolozsvár 2009) 118–140, hier 119f. 17   Zur Familiengeschichte: Dezső Makay, A Csanád nemzetség. Harmadik közlemény. A Thelegdy család [Die Sippe Csanád. Dritte Mitteilung. Die Familie Thelegdy]. Turul 13 (1895) 167–198. 18   Die Matrikel der Universität Wien (wie Anm. 12) 3 170. 19   Maksay, Magyarország birtokviszonyai (wie Anm. 4) 2 1081.



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zählte ihn in seinem Bericht über Ungarn 1574 zu den Verteidigern des Katholizismus20. Mihály Telegdy heiratete Zsófia Lossonczy Bánffy; vier von ihren Kindern erreichten das Erwachsenalter: Katalin, János, Pál und Borbála. Katalin († 1601) wurde die Gemahlin von Miklós Szakolyi († 1599), Sohn von István Szakolyi und Anna Wárday. János, der in der Schlacht bei Mezőkeresztes 1596 fiel, war mit Anna Segnyey verheiratet und begründete einen eigenen Zweig der Familie. Der jung gestorbene Pál († 1592) heiratete die schon erwähnte Wárday-Erbin, Katalin; aus der Ehe stammten sechs Kinder, von denen aber nur die Tochter Anna überlebte. Die junge Witwe Katalin vermählte sich ein zweites Mal mit Pál Nyáry († 1607), der ein eifriger Calvinist war und Frau sowie Stieftochter erfolgreich zur Konversion bewegte. Anna Telegdy († 1635) ehelichte später ihren Stiefbruder István Nyáry. Die zweite Tochter von Mihály Telegdy, Borbála († 1616), heiratete ebenfalls zweimal; nach dem Tode von Kristóf Csapy von Eszeny († 1593), Oberhauptmann von Kálló, ehelichte sie Zsigmond Rákóczy (1544–1608). Borbála blieb Zeit ihres Lebens katholisch, unterstützte den Jesuitenorden und spielte bei der Konversion des jüngeren Sohnes von Zsigmond Rákóczy, Pál († 1635), eine Rolle. Wie schon erwähnt, heiratete Anna, die einzige Tochter von Mihály Wárday d. Ä., István Szakolyi, den Spross einer alten adeligen Familie aus dem Komitat Szabolcs. Die Familie Szakolyi war weniger begütert als die Wárdays oder die Telegdys: István besaß 1549 in vier Dörfern nur 23 porta21. Die Familie hatte Ende des 15. Jahrhunderts noch zum Magnatenstand gezählt, aber durch Teilung der Güter verlor sie dann diesen Status. In den Quellen tauchen zwei Kinder des Ehepaares auf: Miklós († 1599) und Albert († 1604). Für unser Thema ist Miklós wichtiger, denn er heiratete später Kata Telegdy († 1601). Miklós Szakolyi hatte ab Ende der 1560er Jahre das Wiener Jesuitengymnasium besucht; 1572 schrieb er in einem an István Wárday gerichteten Brief, dass er die deutsche Schule, vielleicht die niederösterreichische Landschaftsschule, besuchte, wo er täglich in deutscher und lateinischer Briefkorrespondenz unterrichtet wurde22. In einem anderen, leider undatierten Schreiben wandte sich Szakolyi an Wárday mit der Bitte um weitere Unterstützung für eine Italienreise, mit der er seine Ausbildung abzuschließen gedachte23. Diese Briefe zeigen, dass er sich zielgerichtet auf seine spätere Laufbahn vorbereitete und versuchte, das fehlende Vermögen durch Bildung zu ersetzen. Szakolyi wurde ein landesweit bekannter Advokat. Wahrscheinlich war er in seinen jungen Jahren Servitor (familiaris) seines früheren Patrons István Wárday24. In den 1590er Jahren nahmen auch die Telegdy-Brüder seine juristischen Kenntnisse im Kampf um das Erbe von Kisvárda in Anspruch25. Am Ende des 16. Jahrhunderts erwies sich Miklós Szakolyi als einer der Führer der adeligen Opposition auf den Landtagen. Im Jahr 1599 war er Stellvertreter (vicejudex curiae) des Landesrichters István Báthory von Ecsed, was auf eine enge 20  Monumenta Antiquae Hungariae, hg. von Ladislaus Lukács, Bd. 1 (Monumenta Historica Societatis Iesu 101, Romae 1969) 467. 21  Maksay, Magyarország birtokviszonyai (wie Anm. 4) 2 712. 22  Miklós Szakolyi an István Wárday, 15. Juli 1572 (Wien), MNL – OL P 707, FA Zichy, Fasc. 81, NB Missiles Nr. 10118. 23  Miklós Szakolyi an István Wárday, ebd. Nr. 10120. 24  Urkunde von Statthalter István Radéczy, 12. Oktober 1579 (Pressburg), MNL – OL P 707, FA Zichy, Series I, Fasc. 6, Nr. 2233. 25   Két vitéz nemesúr, Telegdy Pál és János levelezése a 16. század végéről [Die Korrespondenz der beiden tapferen Adeligen Pál und János Telegdy vom Ende des 16. Jahrhunderts], hg. von Sándor Eckhardt (Budapest 1944) 93f., 103.

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Verbindung mit diesem Magnaten hinweist26, und gleichzeitig Steuereinnehmer in Oberungarn (generalis deputatus perceptor)27. Er war ein eifriger Katholik, der 1599 den reformierten Pastor von Kisvárda entfernen und ihn durch einen katholischen Priester ersetzen ließ28. Szakolyi ist auch in der ungarischen Literaturgeschichte bekannt, denn er gehörte zum neostoischen Kreis um den Dichter János Rimay († 1631), zu dem auch Miklós Istvánffy (1528–1615), Mihály Forgách (1569–1603), Péter Révay (1568–1622), Mihály Káthay († 1607) und István Melith († 1592) gerechnet werden29. Im Herbst 1588 verweilte sein früherer Lehrer Christian Francken (1550–1611) auf dem Weg nach Siebenbürgen einige Monate bei ihm in Kisvárda, wo sie gemeinsam die Werke von Marsilio Ficino lasen30. Szakolyi hatte nur eine einzige Tochter, Erzsébet, um deren Vormundschaft (und um ihr Vermögen) nach dem Tode ihrer Eltern (1599 bzw. 1601) ein brutaler Kampf entbrannte. István Nyáry und seine Ehefrau Kata Wárday mit Unterstützung István Báthorys von Ecsed auf der einen, Erzsébets Onkel Ferenc Telegdy und ihre Tante Borbála Telegdy auf der anderen Seite rangen darum31. Der genaue Ablauf der Auseinandersetzung ist nicht bekannt, aber der letztliche Gewinner war Péter Melith von Briber, der die reiche Erbin schließlich Ende 1601 oder Anfang 1602 heiratete und der damit zu einem Hauptakteur des Kampfes um Kisvárda avancierte32. Mit Péter Melith kommt die vierte Familie, die einleitend erwähnt wurde, in den Blick33. Die Melith von Briber (Brebir) hatten einen völlig anderen historischen Hintergrund als die vorgenannten Familien. Sie stammten aus Kroatien, aus der Sippe Subich (Šubić), waren dadurch mit der bedeutenden Familie Zrínyi (Zrinski) verwandt. Die Reste der Burg Bribir befinden sich heute im Gebiet von Novi Vinodolski. Die Melith kamen gemeinsam mit anderen kroatischen Familien im Gefolge von Georg Martinuzzi (Utješenović) nach Ostungarn. György Melith erhielt schon 1541 eine Donation für ein Gut im Komitat Bihar, aber der wirkliche Durchbruch gelang erst (wohl 1543) aufgrund seiner Eheschließung mit Anna Csaholyi. Damit konnte er in eine alte adelige Familie im Komitat Szatmár einheiraten und erwarb von der Familie Csaholyi nach langem Prozess die Herrschaft Csenger, die dann das Zentrum der Besitzungen der Familie Melith wurde34. 1549 besaß György Melith in den Komitaten Bereg, Bihar und Szatmár 66   MNL – OL P 707, FA Zichy, Series XXIII, Fasc. 218, Nr. 276.   Ebd. 28   István Báthory von Ecsed an Kata Várdai, 1599 („heute Freitag“); MNL – OL P 707, FA Zichy, Fasc. 81, NB Missiles Nr. 10217. 29   Pál Ács, A késő reneszánsz meglazult pillérei: sztoicizmus és manierizmus az irodalomban [Die gelockerten Pfeiler der Spätrenaissance: Stoizismus und Manierismus in der Literatur], in: Mátyás király öröksége: késő reneszánsz művészet Magyarországon (16.–17. század). Kiállítás a Magyar Nemzeti Galériában 2008. március 28.–2008. július 27. [Die Erbe von König Matthias: Die Kunst der Spätrenaissance in Ungarn (16.–17. Jahrhundert). Ausstellung in der Ungarischen Nationalgalerie. 28. März 2008–27. Juli 2008], hg. von Árpád Mikó–Mária Verő (Budapest 2008) 36–49, hier 39. 30   Magyar Művelődéstörténeti Lexikon középkor és kora újkor [Lexikon für ungarische Kulturgeschichte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit], hg. von Péter Kőszeghy, Bd. 11 (Budapest 2011) 291f. 31   MNL – OL P 707, FA Zichy, Series XXIII, Fasc. 218, Nr. 286, Nr. 303. 32  Erzsébet Szakolyi ist schon als Gattin von Péter Melith in einer Urkunde am 17. April 1602 erwähnt, MNL – OL P 707, Series XXIII, Fasc. 218, Nr. 289. 33  Zur Familiengeschichte: József Molnár, A Subich-nemzetségből származó brebiri Melith-család [Die Familie Melith von Brebir aus der Sippe von Subich] (Hajdúnánás 1939); Pál Lukcsics, A Briberi Melith-család genealógiája [Die Genealogie der Familie Melith von Briber]. Turul 44 (1930) 97f. 34   Ede Petrichevich, Az utolsó Csaholyak [Die letzten Csaholy]. Turul 53 (1939) 73–77, hier 74. 26 27



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porta und war damit Mitglied der adeligen Mittelschicht35. György Melith hinterließ drei Söhne: István, Pál und Péter. István Melith war in der Kammerverwaltung tätig, zuletzt als Präsident der Zipser Kammer (1585–1592). Wie schon erwähnt, gehörte er auch zum Kreis um János Rimay36. Er heiratete zweimal – Dorottya Chapy und später Magdolna Káthay –, aber er hinterließ nur eine einzige Tochter Klára, die den katholischen Hochadeligen Mihály Czobor (1575–1616) heiratete. István Melith war der Vormund von Ferenc Alaghy († 1612), Sohn von György Alaghy und Fruzsina Wárday, der das Wiener Jesuitengymnasium besucht hatte und mit Unterstützung seines Vormundes katholisch wurde37. Der zweite Sohn von György Melith, Pál († 1609), heiratete Krisztina Csapy von Eszeny († 1618), die aus einer in Komitat Ung ansässigen Adelsfamilie stammte. Pál Melith diente wie sein Vater lange beim Militär, aber der Höhepunkt seiner Karriere war die Ernennung zum Gespan von Bereg 160338. In seiner Zeit festigte die Familie ihre Position im Magnatenstand39. Pál Melith hinterließ mehrere Kinder, von denen Péter und György eine größere Rolle spielten. Aufgrund einer Trauerrede ist es möglich, die Biographie von Péter Melith († 1644) genauer zu rekonstruieren. Er diente eine Zeit lang als Truchsess am Hofe von König bzw. Kaiser Matthias, vielleicht als dieser noch Erzherzog war. Später wurde Péter Mitglied der Königlichen Tafel (1629), Mitglied des Ungarischen Rates (1636), Oberhauptmann von Kálló (1632–1633) und dann Oberhauptmann von Szatmár (1633–1643)40. Er residierte mit seiner Ehefrau Erzsébet Szakolyi († 1618) und seiner Familie in Kisvárda, während sein Bruder György († 1638) auf dem Stammsitz der Familie in Csenger lebte. György Melith war ein großzügiger Mäzen seiner Kirche, gründete ein Minoritenkloster in Rad und errichtete eine Stiftung in Uschhorod/Ungvár (Ukraine) für die Priesterausbildung der Diözese Erlau. Die Familie Melith erlosch mit Pál Melith, Enkelkind von Péter, zu Beginn des Rákóczy-Aufstandes 1703 in männlicher Linie41. Die Besitztümer der Familie gingen in die Hände der Familien Zichy und Károlyi über.

Die Heiratspolitik Mangelhafte genealogische Tafeln und fehlende Informationen über die konfessionelle Zugehörigkeit erschweren ein endgültiges Bild hinsichtlich der Heiratsstrategien der behandelten Familien, aber ein gewisses Muster wird trotzdem erkennbar42. Das Vermögen   Maksay, Magyarországi birtokviszonyai (wie Anm. 4) 2 750.   Anna Vargha, Iustus Lipsius és a magyar szellemi élet [Justus Lipsius und das ungarische Geistesleben] (Értekezések a magyarországi latinság köréből 7, Budapest 1942) 47, 122. 37   András Szabó, Alaghy Ferenc és Menyhért, Pácin birtokosai (1590–1631) [Ferenc und Menyhért Alaghy, Besitzer von Pácin (1590–1631)]. Széphalom: A Kazinczy Ferenc Társaság évkönyve 7 (1995) 11–16. 38  ÖStA, AVA, FHKA, HKA, Familienakten, M 113 Melith. 39  Ab 1608 sind die Familienmitglieder unter den Magnaten aufgezählt: http://archivum.piar.hu/arisztokrata [Zugriff: 7. 1. 2016]. 40  Lukcsics, A Briberi Melith-család (wie Anm. 33) 97f.; Géza Pálffy, Kerületi és végvidéki főkapitányok és főkapitány-helyettesek Magyarországon a 16–17. században: Minta egy készülő főkapitányi archontológiai és életrajzi lexikonból [Kreis- und Grenzoberhauptleute und ihre Stellvertreter in Ungarn im 16. und 17. Jahrhundert: Muster aus einem zu bearbeitenden archontologischen und biographischen GrenzoberhauptmannLexikon]. Történelmi Szemle 39 (1997) 257–288, hier 285. 41  Zoltán Daróczy, Az utolsó Melith halála [Der Tod des letzten Melith]. Turul 53 (1939) 81. 42  Iván Nagy, Magyarország családai czimerekkel és nemzedékrendi táblákkal [Die Familien von Ungarn in genealogischen Tafeln], 12 Bde. (Pest 1857–1868) passim bzw. die bei den einzelnen Familien zitierten Literatur. 35 36

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der Familie Wárday ging, wie schon ausgeführt, auf vier Familien über. Darunter war Pál Telegdy, der die Wárday-Erbin heiratete, katholisch, so wie auch sein Verwandter Ferenc Alaghy und sein Neffe Menyhért Alaghy († 1631). Katholisch waren auch Miklós Szakolyi und seine Ehefrau Kata Telegdy. Zu welcher Konfession Klára Wárday und ihr Ehemann István Serédy gehörten, wissen wir nicht. Diese Angaben deuten darauf hin, dass die katholisch gebliebenen Adeligen des Theißgebietes danach strebten, katholische Ehepartner für ihre Kinder zu finden. Man kann außerdem feststellen, dass die Familien der Region vor allem untereinander heirateten und so ein dichtes Netzwerk schufen, um in diesem politisch instabilen Gebiet zu überleben. In den genealogischen Tafeln erscheinen immer wieder dieselben Familiennamen: Csapy von Eszeny, Károlyi, Lossonczi, Nyáry von Bedegh, Perényi, Prépostváry, Pethő von Gerse. Wie weit sich Konfession, das gesellschaftliche Prestige und andere Interessen deckten, und welche Aspekte im Zweifelsfall wichtiger waren, bleibt allerdings fraglich. Es gibt jedoch auch Beispiele für die Heirat zwischen Personen verschiedener Konfessionen; zum Beispiel gehörte der zweite Ehemann von Borbála Telegdy, Zsigmond Rákóczy, zur reformierten Kirche: Er unterstützte die Drucklegung der ungarischen reformierten Bibelübersetzung von Gáspár Károlyi (1529–1591) mit einer bedeutenden Summe43. Diese Ehe ist deshalb untypisch, weil die Ehefrau dabei ihre Konfession behielt. Während für das Überleben des englischen Katholizismus adelige Frauen eine große Rolle spielten, war das in Ungarn auf den ersten Blick anders44, denn bei gemischten Ehen wechselte die Ehefrau meist zur Konfession des Ehemannes über, wie das etwa bei Kata Wárday und ihrer Tochter Anna nach der Eheschließung mit Pál Nyáry der Fall war. Beide wurden eifrige Reformierte, unterstützten ausländische Studien mehrerer Studenten und die reformierten Pfarren ihrer Güter45. Mehrere reformierte Prediger, unter ihnen so namhafte wie Péter Alvinczy (1570–1632), widmeten Anna Telegdy Druckwerke46. Nach dem Tode seiner Frau Anna konvertierte István Nyáry († 1643) 1636 zum Katholizismus, heiratete die Katholikin Klára Kapy und unterstützte in den letzten Jahren seines Lebens die katholische Kirche in Oberungarn47. Die aus der zweiten Ehe stammende Tochter von Kata Wárday, Krisztina Nyáry (1604–1641), wurde als Reformierte erzogen, konvertierte aber nach ihrer Heirat mit Miklós Esterházy (1583–1645) 1624 zum Katholizismus. In ihrem Tagebuch hielt sie nach ihrer Konversion fest, dass sie es getan habe, „weil ich früher zu dieser Heuchelei gezwungen war, aber in meinem Herz war ich immer eine wahre Katholikin“48. Das kann ebenso eine Rückprojektion sein, wie es auf ein gewisses Überleben des Katholizismus in den vorhergehenden Generationen hinweisen kann. Leider fehlen weitere Dokumente, die bei der Interpretation dieser Bemer43   Zoltán Hangay, Erdély választott fejedelme. Rákóczi Zsigmond [Der gewählte Fürst von Siebenbürgens. Zsigmond Rákóczy] (Budapest 1987) 83–88. 44  Ronnie Po-chia Hsia, Gegenreformation. Die Welt der katholischen Erneuerung 1540–1770 (Frankfurt/Main 1998) 112f. 45  Sándor Iván Kovács, Szepsi Csombor Márton és a változatos Európa [Márton Csombor von Szepsi und das wechselhafte Europa], in: ders., Pannóniából Európába [Von Pannonien nach Europa] (Budapest 1975) 111–245, hier 195–202. 46  Brigitta Pesti, Dedikáció és mecenatúra Magyarországon a 17. század első felében [Dedikation und Mäzenatentum in Ungarn in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts] (Budapest–Eger 2013) 323, 344, 392. 47  Ferenc Galla, Ferences misszionáriusok Magyarországon: királyságban és Erdélyben a 17–18. szá­ zadban [Franziskanermissionare in Ungarn: im Königreich und in Siebenbürgen im 17. und 18. Jahrhundert], (Collectanea Vaticana Hungariae, Classis 1/2, Budapest–Róma 2005) 76. 48  Arnold Ipolyi, Bedegi Nyáry Krisztina (Magar Történeti Életrajzok, Budapest 1887) 84.



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kung helfen könnten. Allerdings funktionierte die Konversion von Ehefrauen auch in die andere Richtung – 1614 bekehrte sich Mihály Károlyi (1585–1626) zum Katholizismus; seine Frau Anna Segnyey folgte ihm mit gewisser Verspätung im Jahr 161849. Heiraten zwischen den Mitgliedern der katholisch gebliebenen Familien kann man jedenfalls als einen bedeutenden Faktor der Inklusion ansehen, auch wenn die Beispiele zeigen, dass die katholischen Adeligen diesbezüglich keine geschlossene Gruppe bildeten.

Die Rolle der Erziehung Für die spätere religiöse Überzeugung war die Erziehung von zentraler Bedeutung. Manchmal enthalten Testamente Hinweise in dieser Hinsicht wie das Testament des oben erwähnten Mihály Károlyi, der seiner Frau und den Vormündern auftrug, die Kinder im katholischen Glauben zu erziehen50. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts war es auch bei den adeligen Familien weit verbreitet, eine öffentliche Schule zu besuchen51, wobei es gar nicht so leicht war, im Ungarn der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine katholische Schule zu finden. Neben einigen Domschulen, unter denen die wichtigste die von Tyrnau/Trnava/Nagyszombat war, sind nur noch die Jesuitengymnasien von Kláštor pod Znievom/Znióváralja (1586–1598) bzw. Šaľa/Vágsellye (1598–1605) zu nennen. Im östlichen Teil des Landes existierte bis zur Eröffnung des Jesuitenkollegs von Humenné/ Homonna 1615 keine katholische Schule. Es ist deshalb kein Wunder, dass die katholischen Adeligen Oberungarns oft evangelische Gymnasien wählten, die ein hohes Niveau für die Ausbildung ihrer Kinder boten. So studierten in Bartfeld/Bardejov/Bártfa in den 1570er Jahren Pál Melith d. Ä., 1588 Zsigmond Prépostváry und eine Generation später 1609 György Melith, der jüngere Sohn von Pál Melith52. Die andere Möglichkeit war, eine katholische Schule außerhalb der Landesgrenze zu suchen. Einige wählten diese Option und studierten in Wien, im dortigen Jesuitengymnasium bzw. an der Universität53. István Melith etwa schickte sein Mündel Ferenc Alaghy nach Wien, wo er zwischen 1578 und 1581 mindestens drei Jahre unter der Aufsicht seiner Präzeptoren Mátyás Draskovich († 1604), des späteren Bischofs von Knin, und dann István Szuhay (1551–1608), des späteren königlichen Statthalters, verbrachte54. Im Jahr 1578 besuchte István Bay, ein Verwandter des Mihály Bay, des führenden Familiaris István Báthorys von Ecsed, das Wiener Jesuitengymnasium55. Ferenc Daróczy konvertierte 1587 während seiner Wiener Schuljahre unter dem Einfluss seines 49   Testament von Mihály Károlyi von 29. Juni 1626 (Nagykároly), A nagykárolyi Károlyi család oklevéltára. Codex diplomaticus comitum Károlyi de Nagykároly [Die Urkundensammlung der gräflichen Familie Károlyi von Nagykároly], Bd. 4: 1600–1700, hg. von Kálmán Géresi (Budapest 1887) 207–215, hier 204f. 50  Ebd. 207. 51  János Telegdy verfügte, dass seine Söhne ab dem 14. Lebensjahr die Gymnasien von Bartfeld/Bardejov/ Bártfa oder Leutschau/Levoča/Lőcse besuchen sollten unter der Leitung eines frommen Erziehers; siehe das Testament vom 29. Sept. 1593, Két vitéz nemesúr (wie Anm. 25) 124–132. 52  Pál Melith: MNL – OL P 707, FA Zichy, Fasc. 81, NB Missiles Nr. 2059, Nr. 2527; Zsigmond Prépostváry: ebd. Nr. 2615–2616; György Melith: ebd. Nr. 2615. 53  Über das Wiener Jesuitengymnasium und Ungarn: László N. Szelestei, Magyarországi deákok a bécsi jezsuita gimnáziumban 1578-ban. (Rekreációs diárium töredéke) [Studenten aus Ungarn im Wiener Jesuitengymnasium im Jahre 1578 (Fragmente eines Rekreation-Diariums)]. Irodalomtörténeti Közlemények 101 (1997) 146–158. 54  Ebd. 148. 55  Ebd. 148.

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Lehrers, des Jesuiten Johannes Mollensis (1560–1613)56. Wie schon erwähnt, besuchte auch Miklós Szakolyi das Wiener Jesuitengymnasium, wo er ein Schüler des bedeutenden ungarischen Jesuiten István Szántó (Arator) war57. In den 1620er Jahren schickte Pál Melith seine zwei Söhne Péter und György nach Wien, wo sie die Jahre von 1629 bis 1631 verbrachten58; in dieser Zeit studierte auch Ádám Károlyi (1618–1661), Sohn von Mihály Károlyi, in Wien59. Andere junge Adelige aus der oberungarischen Region besuchten die Wiener Universität: Miklós Wárday (1559), Pál Telegdy (1576), Mihály und István Pethő von Gerse (Letzterer später ein Schwiegersohn von Péter Melith, 1617), János Homonnai Drugeth (1624) sowie Ferenc Barkóczy von Szala (1628)60. Für die nicht-katholischen Adeligen bot die niederösterreichische Landschaftschule eine Möglichkeit in Wien zu studieren; Pál Nyáry, der spätere Ehemann von Katalin Wárday, besuchte 1572 bis 1575 diese Schule61. Selten wurde wie im Fall von Pál Rákóczi (1611–1616) Graz zum Studienort gewählt62. Das Jesuitengymnasium bot nicht nur ein hohes Bildungsniveau, sondern es trug gleichzeitig zur Ausprägung eines dauerhaften religiösen Habitus bei, wie etwa die Beispiele von Ferenc Alaghy und Miklós Szakolyi zeigen. Die Wiener Jahre ermöglichten es ihnen ferner, weltläufiges Auftreten zu erlernen und gesellschaftliche Verbindungen zu knüpfen. Péter und György Melith wurden während ihres Wiener Aufenthaltes vom ungarischen Hofkanzler, Bischof István Sennyey (1590–1635), unterstützt. Sennyey stammte aus einer siebenbürgischen hochadeligen Familie und sein Bruder Sándor Sennyey († 1638) lebte in Oberungarn, weshalb er über Verbindungen mit den dortigen Adeligen verfügte. Am Tisch des Hofkanzlers konnten die jungen Melith nützliche Bekanntschaften schließen, etwa mit dem Palatin Miklós Esterházy, und Sennyey organisierte für sie Reisen nach Raab/Győr und Komorn/Komárno, wo die beiden jungen Hochadeligen vor allem für die Festungen Interesse zeigten. Die Palatinissa, Esterházys Gemahlin, die schon erwähnte Krisztina Nyáry (die ihre Kindheit wie die beiden Melith auf Burg Kisvárda verbracht hatte) lud sie zu Ostern nach Eisenstadt/Kismarton ein63. Wien bot noch eine weitere Bildungsmöglichkeit, nämlich den Dienst als Edelknabe am kaiserlichen Hof. Die Edelknaben genossen eine spezielle Ausbildung; neben dem klassischen Schulstoff wurden sie auch in höfischen Fähigkeiten wie Tanzen, Fechten und in der Reitkunst unterrichtet64. Einige Ungarn, auch aus Oberungarn, dienten als Edel56   Monumenta Antiquae Hungariae, hg. von Ladislaus Lukács, Bd. 4 (Monumenta Historica Societatis Iesu 131, Romae 1987) 326f. 57  MNL – OL P 707, FA Zichy, Fasc. 81, NB Missiles 10118. 58  István Fazekas, A Melith-fiúk bécsi tanulmányai 1630–1631-ben [Die Wiener Studien der jungen Melith-Söhne in den Jahren 1630 und 1631], in: Tanulmányok Szakály Ferenc emlékére [Studien in memoriam Ferenc Szakály], hg. von Pál Fodor–Géza Pálffy–István György Tóth (Gazdaság- és társadalomtörténeti kötetek 2, Budapest 2002) 139–158. 59   Péter Melith an seinen Vater, 16. Okt. 1630 (Nagyszombat), MNL – OL P 707, FA Zichy, Fasc. 81, NB Missiles Nr. 5209. 60  Die Matrikel der Universität Wien (wie Anm. 12) 3 122, 253; Die Matrikel der Universität Wien, Bd. 4: 1579/II–1658/59, bearb. von Franz Gall–Hermine Paulhart (Wien–Köln–Graz 1974) 104, 122, 133. 61   Lajos Gecsényi, Magyar diákok a bécsi tartományi iskolában a 16. század második felében [Ungarische Studenten in der niederösterreichischen Landschaftsschule in Wien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts]. Történelmi Szemle 34 (1992) 96–106, hier 100. 62  Johann Andritsch, Studenten und Lehrer aus Ungarn und Siebenbürgen an der Universität Graz (1586–1782) (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 22, Graz 1965) 4. 63  Fazekas, A Melith-fiúk (wie Anm. 58) 139–158. 64  Albert Hübl, Die k. u. k. Edelknaben am Wiener Hof (Wien–Leipzig 1912).



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knaben am kaiserlichen Hof, aber kein Mitglied der hier beschriebenen Familien befand sich darunter65. Der bekannteste unter den Edelknaben war der spätere Fürst von Siebenbürgen István Bocskai (1557–1606), der vor 1574 einige Jahre als Edelknabe, dann zwischen 1574 und 1576 als Hofdiener in Wien lebte66.

Die katholische Kirche im Theißgebiet Im folgenden Abschnitt sollen die kirchlichen Verhältnisse der Region vorgestellt werden, um damit die Rolle der katholischen Kirche für die Adeligen in den Komitaten ­Szabolcs und Szatmár zu umreißen. Im Theißgebiet entfaltete sich die Reformation rasch. Bei dieser Entwicklung spielte die Unterstützung der wichtigsten Hochadeligen aus der Region wie Péter Perényi (1502–1548), Péter Petrovics († 1557), Gáspár Drágfi († 1545) und seiner Gemahlin Anna Báthory von Somlyó ebenso eine wichtige Rolle wie die Hinwendung der bedeutenden Marktflecken und königlichen Städte der Gegend zum neuen Bekenntnis67. Schon 1545 wurde im Komitat Szatmár, in Erdőd, eine Synode für die reformorientierten Geistlichen und Prediger einberufen, wo die sogenannnte Confessio Augustana Variata (1540) als Bekenntnis angenommen wurde. Bereits 1551 war ein evangelischer Superintendent in der Gegend tätig, wobei sich eine Mehrheit der Geistlichen der helvetischen Richtung der Reformation zuwandte. 1554 wurde in Óvári (Komitat Szatmár) eine Synode gehalten, auf der Lutheraner und Calvinisten einen Kompromiss schlossen. Die nachhaltige Tätigkeit von Péter Melius Juhász († 1572) als Pastor (1558 bis 1572) bzw. als Bischof (1561 bis 1572) in Debrezin brachte jedoch der helvetischen Richtung deutliche Vorteile, so dass 1567 auf der Debreziner Synode das zweite helvetische Bekenntnis angenommen wurde. Dabei bereitete Melius die dynamische Verbreitung antitrinitarischer Richtungen in Ostungarn mehr Probleme als die wenigen Anhänger des alten Glaubens; die Struktur der katholischen Kirche löste sich in der Region bis Ende des 16. Jahrhunderts fast völlig auf. Die Diözese Siebenbürgen kam schon nach dem Tode von Bischof János Statileo († 1541) in Schwierigkeiten. Nach dem Abzug der Habsburger aus Siebenbürgen 1556 zerfiel sie endgültig, wie auch die Diözese Großwardein/Oradea nach dem Tode des Bischofs Mátyás Zabardy 1556. Die dritte Diözese der Region, Erlau, war zwar ununterbrochen besetzt, aber in ihrer Residenzstadt, die zu einer Grenzfestung wurde, hielten sich die Bischöfe nicht mehr auf; nur das Domkapitel blieb bis zur osmanischen Eroberung 1596 in der der Stadt. Auch das im Spätmittelalter noch dichte Klosternetz in der oberungarischen Region zerfiel. Das letzte Kloster der Region, das Paulinerkloster in Neustadt am Zeltberg/Sátoraljaújhely verödete 157868. Weltpriester führten den Gottesdienst in den ehemaligen 65  Miklós Homonnai Drugeth vor 1564: ÖStA, AVA, FHKA, HKA, HZAB, Bd. 18, fol. 97r, 380r–v; István Homonnai Drugeth vor 1564: ebd. Bd. 20, fol. 502r; György Perényi 1566: ebd. Bd. 21, fol. 551r; László Bánffy von Nagymihály vor 1574: HZAB, Bd. 28, 1574, fol. 439r, István Bocskai vor 1574: ebd. Bd. 29, 1575, fol. 321v–322r. 66  István Fazekas, Adalékok az ifjú Bocskai István bécsi udvarban eltöltött éveihez [Beiträge zu den Jahren von István Bocskai am Wiener Hof ]. Studia Caroliensia 7 (2006) 73–85. 67  Zusammenfassend über die ungarische Reformation: Mihály Bucsay, Der Protestantismus in Ungarn 1521–1978. Ungarns Reformkirche in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1: Im Zeitalter der Reformation, Gegenreformation und katholischen Reform (Wien–Köln–Graz 1977); Fata, Ungarn (wie Anm. 1) 65–253. 68  Béla Gyéressy (Bearb.), Documenta artis Paulinorum. A magyar rendtartomány kolostorai, Bd.

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Prämonstratenserklöstern in Jasov/Jászó und in Leles/Lelesz zeitweise weiter, während die zwei Propsteien im 16. Jahrhundert mehrfach an Bischöfe verliehen wurden, deren Diözese unter die Herrschaft der Osmanen geraten war. Lelesz wurde im 16. Jahrhundert den Bischöfen von Tschanad, im 17. Jahrhundert den Bischöfen von Siebenbürgen überlassen, die meistens auch in Leles residierten69. In diesen Jahrzehnten bildete Leles das Zentrum des Katholizismus der Region. Die Quellen zeigen, dass in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Theißgebiet keine Ortschaft existierte, in der regelmäßig katholischer Gottesdienst gehalten wurde. Die Quellen belegen auch, dass ein arger Priestermangel herrschte, so dass auch die Adeligen oft nur für die Osterzeit einen Priester beschaffen konnten, wie der Szabolcser Adelige János Kállay. Der Jesuit Georg Tőrös (1544–1586) berichtete 1579 seinem Provinzial, dass Kállay regelmäßig für die Osterfeierlichkeiten einen Domherrn aus Erlau holte, um seinen Untertanen die Sakramente spenden zu lassen70. 1589 gab es keine katholische Kirche in Kisvárda, und der Leichnam eines dort verstorbenen Jesuitenpaters musste nach Leles gebracht werden, um ihn dort ordnungsgemäß bestatten zu lassen71. Zwischen 1599 und 1605 wirkte ein Paulinermönch als katholischer Pfarrer in Kisvárda, aber er wurde während des Bocskai-Aufstandes von den Haiducken gefoltert und getötet. Ein katholischer Priester war auch in Kálló in der Umgebung des Oberhauptmannes tätig, wahrscheinlich aber nicht ununterbrochen72. Die Lage im Komitat Szatmár war ähnlich. Eine allmähliche Veränderung zeichnete sich erst im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts ab; so wurde um 1630 eine katholische Kirche in Csenger, dem Herrschaftszentrum der Meliths, erbaut und mit päpstlichen Privilegien versehen73. Vermutlich wäre der Katholizismus innerhalb einiger Jahrzehnte aus dem Theißgebiet gänzlich verschwunden, wenn es keine neuen Impulse gegeben hätte. Diese Impulse kamen von den Jesuiten und vom Franziskanerorden. Für den ungarischen Katholizismus in der Frühen Neuzeit war die Rückkehr der Jesuiten ins Land 1586 entscheidend, die ihn mit ihren Schulen, Missionen, ihrer literarischen Tätigkeit und ihrer religiösen Praxis prägten. Im oberungarischen Raum – außer der schon erwähnten Mission von Pater Johannes Leleszi (1548–1595) in Erlau, Leles und in den Gütern von János Kállai 1579 – begannen die Jesuiten ihre Aktivität 1598 in Daróc/Fülpösdaróc, auf dem Gut von Ferenc Daróczy († 1616), wo sie mit Unterbrechungen bis 1601 tätig waren74. Der Bocskai-Auf3, hg. von Melinda Tóth–Gábor Pintér–György Széphelyi Frankl (A Magyar Tudományos Akadémia Művészetörténeti Kutatócsoportjának forráskiadványai, Budapest 1978) 70. 69  Über die Tschanader Bischöfe mit Hinweisen auf ihre Leleszer Tätigkeit: Coloman Juhász, Das Tschanad-Temeschwarer Bistum während der Türkenherrschaft 1552–1699. Untergang der abendländisch-christlichen Kultur im Banat (Deutschland und Ausland. Studien zum Auslanddeutschtum und zur Auslandskultur 61/63, Dülmen 1938). Über die Bischöfe von Siebenbürgen: János Temesváry, Erdély választott püspökei (1618–1695) [Die gewählten Bischöfe von Siebenbürgen (1618–1695)], 2 Bde. (Szamosújvár 1913–1914). 70  P. Georgius Tőrös an den Provinzial P. Alfonso Pisa, 30. Juni 1579. Monumenta Antiquae Hungariae (wie Anm. 20) 1 883–885. 71   Beschreibung von István Arató (Szántó) über die Vertreibung der Jesuiten aus Siebenbürgen. Monumenta Antiquae Hungariae, hg. von Ladislaus Lukács, Bd. 3 (Monumenta Historica Societatis Iesu 101, Romae 1981) 370f. 72  Kabos Kandra, A római kath. egyház Szabolcs vármegyében [Die römisch-katholische Kirche im Komitat Szabolcs], in: Szabolcs vármegye [Komitat Szabolcs], hg. von Samu Borovszky (Budapest 1900) 339f.; Imre Soós, Az egri egyházmegyei plébániák történetének áttekintése [Überblick der Geschichte der Pfarren in der Diözese Erlau] (Schematismus archidoecesis Agriensis 2, Budapest 1985) 393. 73  Galla, Ferences misszionáriusok (wie Anm. 47) 59. 74  Mihály Balázs, Ecsedi Báthory István és a jezsuiták (wie Anm. 5) 1–10. Die Beschreibungen der



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stand von 1604 bis 1606, der Wiener Frieden (1606) und die Gesetzesartikel von 1608 brachten eine vorübergehende Schwächung des Katholizismus mit sich; trotzdem zeigte sich nach einigen Jahren auch im oberungarischen Raum seine verblüffende Vitalität. In diesen Jahrzehnten, im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts, konvertierte ein großer Teil der ungarischen Hochadeligen zum Katholizismus75. Die Jesuiten spielten in diesem Prozess eine entscheidende Rolle. Die Patres verfügten nicht nur über breite theologische Kenntnisse, ihre Spiritualität und ihre neuen Frömmigkeitsformen übten eine stark anziehende Wirkung aus. Am Hof von György Homonnai Drugeth († 1620), der während seines Exils in Krakau 1601 konvertiert war, in Homonna waren seit 1609 Jesuiten tätig, deren Zahl bis 1611 von zwei auf acht anwuchs76. 1612 waren sie schon nicht nur in Homonna, sondern auch in Szatmár bei András Dóczy († 1620), Oberhauptmann von Szatmár, und in Makovica bei der verwitweten Borbála Telegdy anwesend. Das Zentrum der Jesuiten war in Homonna, wo der Grundherr György Homonnai Drugeth 1615 ein Kolleg gründete. Zwar richtete der Angriff des siebenbürgischen Fürsten Gábor Bethlen (1580–1629) dieses 1619 zugrunde, aber seine kurze Existenz befestigte die Lage der Katholiken in der oberungarischen Region. Die Litterae Annuae der Jesuiten belegen acht Missionen in den Jahren zwischen 1615 und 1619, die von Homonna ausgingen. Jesuitenpatres, meistens zu zweit, arbeiteten in Ungvár bei György Homonnai Drugeth, in Mukatschewe/Munkács bei Miklós Esterházy, bei Borbála Telegdy und ihrem Stiefsohn Pál Rákóczi in Makovica, in Pácin bei Menyhért Alaghy (1587–1631) und bei Anna Wesselényi (1584–1650), Witwe von István Csáky (1570–1635)77. Nur für einige Monate hielt sich 1617 bei Péter Melith ein Jesuit auf78. Ein wichtiger Stützpunkt entstand auch mit der erwähnten Bekehrung von Mihály Károlyi und seiner Gattin in Carei/Nagykároly, wo bis 1651 ständig ein Jesuitenmissionar tätig war79. Die Jesuiten kehrten nach dem Tode von Gábor Bethlen und nach der Rückgliederung der sieben Komitate nach Oberungarn zurück. Sie gründeten zwei Missionen in den militärischen Zentren des Gebiets, in Kaschau/Košice und Szatmár. In Kaschau wurde die Jesuitenmission in den 1650er Jahren zu einem Kolleg und zu einer Universität weiterentwickelt80. In Szatmár entstand mit Unterstützung des Königs schon 1636 ein Kolleg, aber der Unterricht begann erst 163981. ­ itterae Annuae der österreichischen Jesuitenprovinza: Monumenta Antiquae Hungariae, hg. von Ladislaus L Lukács, Bd. 4 (Monumenta Historica Societatis Iesu 131, Romae 1987) 371f., 412f., 525. 75  Im mitteleuropäischen Kontext: Thomas Winkelbauer, Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters (MIÖG Ergbd. 34, Wien–München 1999) 66–158. 76  László Lukács–Antal Molnár, A homonnai jezsuita kollégium (1615–1619) [Das Jesuitenkolleg in Homonna 1615–1619], in: Művelődési törekvések a korai újkorban. Tanulmányok Keserű Bálint tiszteletére [Kulturelle Bestrebungen der Frühen Neuzeit. Festschrift für Bálint Keserű], hg. von Mihály Balázs–Zsuzsanna Font–Gizella Keserű–Péter Ötvös (Adattár XVI–XVIII. századi szellemi mozgalmaink történetéhez 31, Szeged 1997) 355–399, hier 362. 77  Lukács–Molnár, A homonnai jezsuita kollégium (wie Anm. 76) 370f. 78  Melith schrieb schon 1615 einen Brief an Rektor Dobokay, um einen Jesuiten zu bekommen, aber seine Bestrebungen blieben erfolglos: Péter Erdélyi, Dobokay Sándor levelei Melith Péterhez [Die Briefe von Sándor Dobokay an Péter Melith]. Irodalomtörténeti Közlemények 73 (1969) 718–721. 79   Lukács–Molnár, A homonnai jezsuita kollégium (wie Anm. 76) 371; A nagykárolyi Károlyi család oklevéltára (wie Anm. 49) 4 204–215. 80   Béla Wick, A jezsuita rend története Kassán [Geschichte des Jesuitenordens in Kaschau] (Bratislava 1931). 81   László Bura, Szatmári diákok 1610–1852 [Szatmárer Studenten 1610–1852] (Fontes rerum scholasticarum 5, Szeged 1994) 197–213.

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Neben den Jesuiten spielte in der Region noch ein anderer Orden eine wichtige Rolle, und zwar die Franziskaner-Minoriten oder Konventualen (Ordo Fratrum Minorum Conventualium). 1629 gründete die „Sacra Congregatio de Propaganda Fide“ eine Missionspräfektur für die Minoriten in Oberungarn, in der überwiegend italienische Mönche wirkten82. Die italienischen Missionare mussten drei Jahre in der Mission verbringen, damit konnten sie sich den Titel „Doktor der Theologie“ verdienen. Ohne Kenntnis der Volksprachen (Ungarisch, Slowakisch, Deutsch, Ukrainisch) konnten die Minoriten allerdings nur an den Höfen katholischer Adeliger als Hofkapläne tätig sein. Sie wurden gern aufgenommen, weil sie nicht allein nur religiöse Ansprüche befriedigten, sondern gleichzeitig auch Gesellschaft boten, Nachrichten vermittelten und oft auch medizinisch tätig waren83. Die Berichte aus dem Archiv der Propaganda-Kongregation beweisen, dass Missionare regelmäßig an den Höfen von Péter und György Melith in Kisvárda und Serednje/Szerednye, in Szatmár beim Oberhauptmann István Nyáry und in Stropkov/Sztropkó bei István Pethő von Gerse weilten. Ihr Zentrum war das 1617 von István Pethő gegründete Sztropkoer Kloster, wo überwiegend polnische Mönche lebten. Ein zweiter Stützpunkt entstand in Rad, der von György Melith 1634 gegründet wurde. Das kleine Kloster, eher ein Missionshaus mit vier bis fünf Mönchen, konnte in einer vollständig protestantischen Umgebung allerdings keine große Wirkung entfalten. Die Ermordung eines Laienbruders führte 1639 sogar zum vorübergehenden Rückzug des Ordens84; die oberungarische Missionspräfektur der Minoriten wurde aufgrund ihrer Erfolglosigkeit um 1654 eingestellt85. Während in Ungarn einige Pauliner- und Franziskanerklöster die Erschütterungen der Reformation überlebten, war das in Oberungarn nicht der Fall. Das Kloster von Sátoraljaújhely war bis 1638 unbewohnt; erst dann kehrten die Paulinermönche zurück. Aufgrund der Unterstützung durch Menyhért Alaghy wurde dieses Kloster das regionale Zentrum des Ordens86. Der Orden der Augustinereremiten sollte in den nächsten zwei Jahrzehnten noch zwei alte Klöster der Region wieder besiedeln: Sajólád (1643) und Trebišov/Terebes (1653). Um Terebes gab es eine lange Auseinandersetzung mit den Grafen Homonnai, die diesmal ihr Interesse als Grundherren für wichtiger hielten als die Unterstützung ihrer Kirche87. Die Pauliner waren auch als Missionare tätig – János ­Vanoviczy († 1678), der nach Sátoraljaújhely geschickt wurde, bekam 1642 missionarische Befugnisse von der Kongregation. Während seiner Missionsreise erreichte Vanoviczy auch das 82  Publikation von zahlreichen Dokumenten der Konventualen Missonare: István György Tóth, Litterae missionariorum de Hungaria et Transylvania (1572–1717), Bd. 2–3 (Bibliotheca Academiae Hungariae in Roma Fontes 4, Roma–Budapest 2002–2005); siehe auch István György Tóth, Hittérítés vallásszabadság nélkül. Olasz misszionáriusok a 17. századi Magyarországon és Erdélyben [Mission ohne Religionsfreiheit. Italienische Missionare in Ungarn und in Siebenbürgen während des 17. Jahrhunderts]. Századok 135 (2001) 1313–1348; ders., Galántáról Japánba. Olasz misszionáriusok a 17. századi Magyarországon és Erdélyben [Von Galanta nach Japan. Italienische Missionare in Ungarn und in Siebenbürgen während des 17. Jahrhunderts]. Századok 135 (2001) 819–870; Galla, Ferences misszionáriusok (wie Anm. 47) 51–114. 83   Tóth, Hittérítés vallásszabadság nélkül (wie Anm. 82) 1322–1337. 84   János Karácsonyi, Szent Ferencz rendjének története Magyarországon 1711-ig [Geschichte des Franziskanerordens in Ungarn bis 1711], Bd. 2 (Budapest 1924) 436f. 85   Galla, Ferences misszionáriusok (wie Anm. 47) 105–107. 86   István Tringli, Sátoraljaújhely (Magyar Várostörténeti Atlasz 2, Budapest 2011) 19. 87   István Fazekas, Szerzetesrendek Kelet-Magyarországon a XVII. században [Religiöse Orden im östlichen Ungarn des 17. Jahrhunderts], in: Miscellanea Anno 1999. Acta collegii evangelici Prešoviensis VII, hg. von Peter Kónya–René Matlovič (Prešov 2000) 69–78, hier 74f.



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Theißgebiet, aber die Pauliner arbeiteten eher im nördlichen Landesteil, wo sie 1667 eine Missionspräfektur für zwölf Mönche gründen konnten88. Auch die Franziskaner verloren all ihre Klöster im oberungarischen Raum, und bis 1640 konnten sie nur ein einziges neues Kloster in der Nähe von Eperies/Prešov, Nižná Šebastová/Alsósebes (1632), gründen. Die riesige Einrichtung mit 24 Zellen war als regionales Zentrum der Franziskaner geplant; 1644 wohnten hier schon 18 Mönche, davon elf Priester89. Die Mönche von Sebes bzw. von Fiľakovo/Fülek und von Gyöngyös, das im osmanischen Herrschaftsgebiet lag, standen in Verbindung mit katholischen Herren in Szabolcs und Szatmár. Sie besuchten die Melith und István Nyáry regelmäßig, leisteten religiöse Dienste und bekamen als Gegenleistung kleinere Spenden und Lebensmittel90. Ohne Erwähnung der polnischen Kontakte wäre die Schilderung des katholischen Netzwerks nicht vollständig. Zwar brachen die regen Verbindungen des Spätmittelalters mit der Krakauer Universität in der Mitte des 16. Jahrhunderts ab; gewisse kulturelle und religiöse Beziehungen bestanden aber weiter fort. In der Korrespondenz von István Nyáry sind Briefe von polnischen Klerikern erhalten, was darauf hindeutet, dass man im Klerus des nördlichen Nachbarlandes auch über die katholischen Adeligen im Theißgebiet informiert war. In einem dieser Briefe berichtete der Karmeliter Athanasius a Sant‘Andrea den ungarischen Hochadeligen, dass er und sein Begleiter auf Wunsch der Ordensoberen nach Polen zurückkehren müssten, und er schickte gleichzeitig die Werke von Teresa von Ávila91. Der Guardian des Franziskanerkonvents Sambir/Sambor bedankte sich bei István Nyáry für eine Spende92 usw. Die aufgezählten Beispiele zeigen, dass die verschiedenen religiösen Orden, besonders die Jesuiten, neue Impulse in die oberungarische Region einbrachten, die zur Erhaltung und langsamen Expansion des Katholizismus führten. Die Bekehrung der hier begüterten Hochadeligen wie György Homonnai Drugeth (1600), Mihály Káthay (1603), Pál Rákóczi (um 1611), Mihály Károlyi (1614), György Perényi (1635) oder István Nyáry (1636) war allerdings entscheidend für die spätere Entwicklung des Katholizismus93.

88   Ferenc Galla, Pálos missziók Magyarországon a 17–18. században [Pauliner Missionen im Ungarn des 17. und 18. Jahrhunderts], hg. von István Fazekas (Collectanea Vaticana Hungariae 11, Budapest 2015) 49–202; István György Tóth, A remeterend vándormisszionáriusa. Vanoviczi János, az első pálos misszionárius levelei (1642–1677) [Der Wandermissionar des Eremitenordens. Briefe von János Vanoviczi, des ersten Pauliner Missionars (1642–1677)]. Levéltári Közlemények 72 (2001) 187–245. 89  Karácsonyi, Szent Ferencz rendjének története (wie Anm. 84) 2 147–150. 90  P. Mihály Somlyai an István Nyáry, 27. Juli 1639 (Alsósebes), MNL – OL P 707, FA Zichy, Fasc. 81, NB Missiles, Nr. 7912; Fr. András Csoma an István Nyáry, 13. Nov. 1642 (Alsósebes), ebd. Nr. 7437; P. Vitus an Klára Kapy, Gattin von István Nyáry, 11. Mai 1643 (Alsósebes), ebd. Nr. 1381; Fr. Emericus de Gyöngyös an Péter Melith, 14. Apr. 1630 (Gyöngyös), ebd. Nr. 3664; Die Franziskaner von Fülek an Péter Melith, 11. Dez. 1632, ebd. Nr. 3667. 91   12. März 1639 (Terebes), ebd. Nr. 7537. 92   Brief von Franciscus Bogunsky, 21. Apr. 1639, ebd. Nr. 7394. 93   György Homonnai Drugeth: Lukács–Molnár, A homonnai jezsuita kollégium (wie Anm. 76) 361; Mihály Káthay: Jezsuita Okmánytár [Jesuiten-Urkundenbuch], Bd. I/1–2: Erdélyt és Magyarországot illető iratok 1602–1606 [Ungarn und Siebenbürgen betreffende Schriften 1602–1606], hg. von Mihály Balázs– Tamás Kruppa–Dávid Lázár–László Lukács (Adattár XVI–XVIII. századi szellemi mozgalmaink történetéhez 34, Szeged 1995) 484; Pál Rákóczi: Andritsch, Studenten (wie Anm. 62) 40; Mihály Károlyi: A nagykárolyi Károlyi család oklevéltára (wie Anm. 49) 4 204–215; István Nyáry: Galla, Ferences misszionáriusok (wie Anm. 47) 94; Perényi György: sein Brief an György Melith 25. Feb. 1635 (Nagyszombat), MNL – OL P 707, FA Zichy, Fasc. 81, NB Missiles Nr. 2204.

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Katholisch bedeutet habsburgtreu? In Handbüchern kann man oft lesen, dass der ungarische Adel sich der Reformation angeschlossen habe, „weil er darin ein Mittel zur Bekämpfung der königlichen Macht sah“94. Diese Feststellung mag im Allgemeinen zutreffend sein, aber gerade die nähere Untersuchung der oberungarischen Region zeigt, dass die Situation fallweise deutlich komplizierter war. Wenn man etwa die religiöse Zugehörigkeit der Parteigänger von Fürst István Bocskai näher betrachtet, finden sich unter ihnen überraschenderweise nicht wenige Katholiken: György Homonnai Drugeth, Mihály Czobor, Péter Melith, Zsigmond Prépostváry († 1645), István Pethő von Gerse, Lajos Rákóczi (1570–1612) und andere95. Katholisch zu sein bedeutete also keineswegs automatisch habsburgtreu zu sein. Die katholischen Adeligen der Region waren ja zugleich in der Adelsgesellschaft der Region verwurzelt, ihre politischen Entscheidungen wurden nicht automatisch nach konfessionellen Gründen gefällt. Es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass eine oppositionelle Einstellung gegen eine zeitweise so erfolgreiche Bewegung wie etwa den Bocskai-Aufstand oder Widerstand gegen die Angriffe von Gábor Bethlen leicht den Verlust der Güter nach sich ziehen konnten. Das zeigt etwa der Fall des György Homonnai Drugeth, der nach seinem misslungenen Angriff gegen Bethlen im polnischen Exil starb, so dass das Schicksal seines Sohnes eine Zeitlang fraglich war96. Der südliche Teil Oberungarns war ständig von den Osmanen und von Siebenbürgen bedroht, was die Adeligen der Komitate Szabolcs und Szatmár angesichts dieser Gefahren in Wien nach Unterstützung suchen ließ. Sie schickten ihre Söhne nicht nur in die Schule nach Wien, sondern sie dienten auch am habsburgischen Hof wie z. B. István Báthory von Somlyó (1549–1553), Miklós Báthory von Ecsed (1549–1554), György Báthory von Ecsed (1554), vier Familienmitglieder der Homonnai Drugeth zwischen 1550 und 1575, István Nyáry (1570–1577), Pál Nyáry (1584, 1586) und der oben schon erwähnte Mihály Wárday97. Der Katholizismus konnte gleichzeitig ein wichtiges Element der Selbstbehauptung gegenüber der mächtigen Familie Báthory von Ecsed sein, mit dessen Hilfe die vermögenden Adeligen der Region sich von den übermächtigen Magnaten distanzierten. Es ist vielleicht kein Zufall, dass die betrachteten Familien dem Magnatenstand angehörten oder diesem nahe standen, und dass ihr materielles Vermögen durch lange Familientraditionen ergänzt wurde. Ähnliche Beobachtungen formulierten die Literaturhistoriker József Jankovics und Péter Kőszeghy, die vermuten, dass der oben erwähnte literarische Kreis um 94  Holger Fischer, Eine kleine Geschichte Ungarns, unter Mitarbeit von Konrad Gündisch (Edition Suhrkamp 2114, Frankfurt/Main 1999) 60. 95  Géza Pálffy, Győztes szabadságharc vagy egy sokféle sikert hozó felkelés? A magyar királysági rendek és Bocskai István mozgalma (1604–1608) [Siegreicher Freiheitskampf oder ein erfolgreicher Aufstand? Die Stände des Ungarischen Königreichs und die Bewegung von István Bocskai (1604–1608)] (Századok Füzetek 3, Budapest 2009) 34. 96   István Fazekas, Homonnai Drugeth III. György (1582–1620) familiárisainak jegyzéke 1620-ból. Adalék Tállyai Pál pályájához [Die Liste der Familiaren von György III. Drugeth von Homonna (1583–1620) aus dem Jahre 1622. Ein Beitrag zur Laufbahn von Pál Tállyai], in: Archivariorum historicorumque magistra. Történeti tanulmányok Bak Borbála 70. születésnapjára [Historische Beiträge zum 70. Geburtstag von Borbála Bak], hg. von Zsófia Kádár–Bálint Lakatos–Áron Zarnóczki (Budapest 2013) 277–292. 97   Géza Pálffy, A Magyar Királyság és a Habsburg Monarchia a 16. században [Das Königreich Ungarn und die Habsburgermonarchie im 16. Jahrhundert] (História könyvtár Monográfiák, Budapest 2010) 27, 121, 123, 170.



Katholische Adelige jenseits der Theiß

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János Rimay, Miklós Szakolyi und andere einen Gegenpol zum calvinistischen Hof von Báthory gebildet habe98. Wie stark die Präsenz István Báthorys das adelige Leben in der Region und in den angesprochenen Familien beeinflusste, lässt sich verschiedentlich zeigen: Der angesehene Advokat Miklós Szakolyi war stellvertretender Landesrichter neben István Báthory, was eine Verbindung als Servitor (familiaris) voraussetzt. Der Briefwechsel der Telegdy-Brüder beweist ebenso eine enge Verbindung mit Báthory von der Seite von Pál Telegdy, der den Landesrichter darin oft einfach „Herr” (úr) nennt99. Diese Autorität und gleichzeitig seine Einstellung in religiösen Fragen illustriert ein Brief von Pál Melith, den er am 30. März 1604 an seinen Sohn Péter schrieb mit Instruktionen, wie das Begräbnis von Albert Szakolyi, Miklós‘ Bruder, organisiert werden solle. Báthory werde keinen katholischen Priester und keine einschlägigen Zeremonien in Kisvárda zulassen, vermutete der ältere Melith, die beste und einfachste Lösung wäre es, den Toten in Leles begraben lassen. Bei ähnlichen Schwierigkeiten mit dem Begräbnis von Miklós Szakolyi benötigte man schlussendlich sogar ein königliches Mandat aus Wien100.

Zusammenfassung Auf die Frage, warum einige Adelige jenseits der Theiß mehrere Generationen lang am alten Glauben festhielten, lässt sich derzeit keine definitive Antwort finden. Mehrere Motive mögen eine Rolle gespielt haben: In einigen Fällen könnte zunächst die Tradition, die Bewahrung der alten, bekannten religiösen Formen entscheidend gewesen sein, aber auch an die Relevanz des Bekenntnisses als Zeichen adeliger Selbstbestimmung wäre zu denken. Eine Generation später, um 1600, stellte sich die Situation schon anders dar. Jetzt ist an den erheblichen Einfluss zu denken, den die religiöse Praxis der Jesuiten ausübte. Wichtige Impulse kamen von italienischen Missionaren, die in den 1620er und 1630er Jahren im oberungarischen Raum tätig waren. Bei der Erhaltung der Konfession spielte zudem die Erziehung und Schulbildung eine bedeutende Rolle, besonders die Jesuitengymnasien waren in diesem Bereich erfolgreich tätig. Die Bedeutung des Wiener Jesuitengymnasiums muss dabei betont werden. Auch politische Gründe kann man nicht ausschließen, obwohl die katholischen Adeligen eher eigene Interessen verfolgten, als sich nur in den Dienst der Habsburger zu stellen. Verschiedene Historiker betonen, dass der Begriff Konfessionalisierung, der in der letzten Zeit heftig kritisiert wurde, bestenfalls behutsam auf die speziellen Verhältnisse des Habsburgerreiches anwendbar ist101. Die hier vorgestellte Gruppe im ungarischen Adel belegt das erneut. Zwar lässt der Aufbau einer reformierten Kirche jenseits der Theiß Aspekte der Konfessionalisierung gut erkennen, aber die Existenz der hier skizzierten   Jankovics–Kőszeghy, Telegdy Kata verses levele (wie Anm. 16) 126f.   Két vitéz nemesúr (wie Anm. 25) 62f. 100  MNL – OL P 707, FA Zichy, Fasc. 81, NB Missiles Nr. 5190. 101   Robert J. Evans, Die Grenzen der Konfessionalisierung. Die Folgen der Gegenreformation für die Habsburgerländer (1650–1781), in: Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, hg. von Joachim Bahlcke–Arno Strohmeyer (Forschungen zur Geschichte und Kultur östlichen Mitteleuropa 7, Stuttgart 1999) 395–418; Peter Hersche, Muße und Verschwendung. Europäische Gesellschaft und Kultur in Barockzeitalter, Bd. 1 (Freiburg–Basel–Wien 2006) 55–60; Mihály Balázs, Az alkalmazás dilemmái. A német konfesszionalizációs modell és az erdélyi reformáció [Das Dilemma der Anwendung. Das deutsche Konfessionalisierungsmodell und die siebenbürgische Reformation]. Korall 57/15 (2014) 5–26. 98 99

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István Fazekas

Adelsgruppe macht gleichzeitig auf das dauerhafte Bestehen religiöser Minderheiten aufmerksam. Deren Mitglieder hatten starke transkonfessionelle Beziehungen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass einige katholische Adelige des Theißgebietes zur Richtung des Neo­ stoizismus gehörten. Leider sind unsere Kenntnisse über diese Gruppe aber noch sehr gering. Die Anwesenheit der Jesuiten und Franziskaner im Theißgebiet ab 1608 stärkte die konfessionelle Identität unserer Adeligen, könnte aber gleichzeitig die Verminderung der angesprochenen transkonfessionellen Verbindungen nach sich gezogen haben. Der ungarische Adel spielte aufgrund der Patronatsrechte eine entscheidende Rolle für die Rekatholisierung des Landes. Die Situation war insofern in Ungarn nicht anders als in den österreichischen und böhmischen Ländern102. Aber das Beispiel der Szabolcser und Szatmárer Adeligen katholischen Glaubens zeigt auch Grenzen des Patronatsrechtes auf. Die Konversion der Grundherren bedeutete hier nicht automatisch den Übertritt der Untertanen. Die Struktur des adeligen Eigentums (gemeinsame Verwaltung der Güter, mehrere Patronatsherren innerhalb eines Gutes), die gut ausgebaute reformierte Kirchenorganisation und der Mangel an katholischen Priestern machten die schnelle Rekatholisierung unmöglich; nicht zuletzt, weil die reformierte Kirche zumindest bis 1660 auch mit der Unterstützung des Fürsten von Siebenbürgen rechnen konnte. Die katholischen Grundherren konnten sich im behandelten Zeitraum dagegen kaum auf staatliche Institutionen stützen, bestand die Komitatsverwaltung doch überwiegend aus protestantischen Adeligen. In dieser Situation blieb der katholischen Seite nichts anderes übrig als die persönliche Missionierung der Untertanen103. Diese Lage veränderte sich im Wesentlichen erst nach dem Frieden von Szatmár 1711, so dass sich im 18. Jahrhundert im ober- und ostungarischen Raum eine starke Rekatholisierungswelle entfaltete, die dann auch das Theißgebiet erfasste.

102  Thomas Winkelbauer, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung durch Grundherren in den österreichischen und böhmischen Ländern. ZHF 19 (1992) 317–339. 103  Katalin Péter verwendet den Begriff „friedliche bekehrende Gegenreformation“; Katalin Péter, A je­ zsuiták működésének első szakasza Sárospatakon [Die erste Periode der Tätigkeit der Jesuiten in Sárospatak], in: dies., Papok és nemesek. Magyar művelődéstörténeti tanulmányok a reformációval kezdődő másfél évszázadból [Pastoren und Adelige. Beiträge zur ungarischen Kulturgeschichte aus der ersten eineinhalb Jahrhunderten der Reformation] (Budapest 1995) 186–199.



Katholische Adelige jenseits der Theiß

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Die Verwandschaft der Familie Wárday, Telegdy, Szakolyi, Melith (vereinfachte Abstammung) Mihály Wárday †1560 Erzsébet Sarmasághy Anna Wárday István Szakolyi †1575

Miklós Szakolyi †1599 Kata Telegdy †1601, Tochter v. Mihály Telegdy

Erzsébet Szakolyi †1618 Péter Melith †1643 Péter Melith d. J. †1668 Klára Kapy (Witwe von István Nyáry)

Mária Melith †1695 István Zichy d. J. † 1700

Mihály Wárday †1583 Krisztina Dobó

János Wárday † 1584

István Nyáry † 1643 1.) Anna Telegdy † 1635, Tochter von Pál Telegdy und Kata Wárday 2.) Klára Kapy

Miklós Wárday †1571 Dorottya Lossonczi

Kata Wárday † 1630 1.) Pál Telegdy †1592 2.) Pál Nyáry †1607

Krisztina Nyáry †1641 1.) Imre Thurzó † 1621 2.) Miklós Esterházy †1645



„Bella strada da confederarsi“. Stati, finanze, religione e lingua nella Dieta boema del 1615 Di Alessandro Catalano

La storiografia ceca del XIX secolo aveva riservato un ruolo di primo piano allo studio delle Diete dell’età moderna, individuate come il naturale momento di manifestazione delle strategie politiche delle élite locali, soprattutto in contrapposizione al potere centrale della corte viennese (nell’ottica di una visione del passato improntata al permanente conflitto tra corte centrale e Stati provinciali). Decenni di lavori preparatori sono poi culminati nell’edizione degli „Sněmy české“ (Diete boeme), destinata però a restare, come molti altri progetti dell’epoca, incompiuta, proprio a causa della minuzia con cui erano stati realizzati gli ultimi volumi1. Gli editori che ne avevano riformulato i principi editoriali (appartenenti alla cosiddetta „scuola di Goll“) avevano infatti ben compreso l’impossibilità di pubblicare i soli documenti ufficiali e avevano deciso di accompagnarli con un crescente numero di testimonianze dal contenuto a volte meno preciso, ma in molti casi molto più particolareggiato e ricco di notizie comunicate in forma orale da figure di primo piano della corte stessa. Tra le fonti più significative di questo tipo, molte sono conservate negli archivi italiani, dove gli avvenimenti nell’Europa centrale venivano osservati da papi, dogi, granduchi e vari duchi locali con grande attenzione, anche per via dei complessi rapporti tra il Sacro Romano Impero e l’ordinamento statale italiano2. Gli ultimi volumi pubblicati nell’edizione degli „Sněmy české“ riportano, infatti, ampi stralci delle corrispondenze inviate settimanalmente non solo dai nunzi e da diversi ambasciatori, ma anche da alcuni residenti. Nonostante l’ovvio problema dell’essere scritte in una lingua, l’italiano, spesso 1  La storia dell’edizione „Sněmy české“, passata dal lavoro collettivo sui primi dieci volumi, pubblicati in poco più di vent’anni (1877–1900), alla perfezionistica edizione dei 5 volumi di sole due Diete, pubblicati tra il 1910 e il 1954, è ricostruita in Jaroslav Pánek, Sněmy české. Naděje a ztroskotání edice k dějinám raného novověku [Le Diete di Boemia. Speranze e fallimenti di un’edizione della storia ceca dell’età moderna], in: 130 let Zemského archivu. Sborník příspěvků z konference konané u příležitosti 130. výročí založení Zemského archivu a 100. výročí úmrtí jeho zakladatele a 1. ředitele prof. A. Gindelyho [130 anni dell’Archivio provinciale. Volume degli atti della conferenza tenutasi in occasione del 130 anniversario della fondazione dell’Archivio provinciale e del 100 anniversario della morte del suo fondatore e primo direttore, prof. A. Gindely] (Praha 1993) 23–31. 2  All’interno della ricca bibliografia sull’argomento si vedano almeno Salvatore Pugliese, Le prime strette dell’Austria in Italia (Milano 1932); Karl Otmar von Aretin, Reichsitalien von Karl V. bis zum Ende des Alten Reiches. Die Lehensordnungen in Italien und ihre Auswirkungen auf die europäische Politik, in: Idem, Das Reich. Friedensgarantie und europäisches Gleichgewicht 1648–1806 (Stuttgart 1986) 76–163; Matthias ­Schnettger, Das alte Reich und Italien in der frühen Neuzeit. Ein institutionengeschichtlicher Überblick. QFIAB 79 (1999) 344–420; L’Impero e l’Italia nella prima età moderna / Das Reich und Italien in der Frühen Neuzeit, a cura di Marcello Verga–Matthias Schnettger (Bologna–Berlin 2006).

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Alessandro Catalano

poco accessibile alla maggior parte degli storici che si sono occupati dell’argomento, queste fonti hanno ad esempio permesso di chiarire molti particolari delle complesse trattative che si sono svolte nel corso della Dieta generale dei paesi della Corona boema nel 16113. L’incompiutezza dell’edizione degli „Sněmy české“ ha però lasciato nell’ombra molti episodi di grande rilievo e questa carenza è particolarmente evidente a proposito del periodo che intercorre tra l’incoronazione di Mattia, nel 1611, e la defenestrazione del 1618. L’ipotesi di partenza di questo lavoro è verificare l’utilità di queste fonti, sostanzialmente mai utilizzate dalla storiografia e per lo più non conservate nemmeno sotto forma di trascrizioni preparatorie presso il Národní archiv (Archivio nazionale) di Praga4, a proposito di alcuni snodi cruciali. Di realizzare cioè, in piccolo, quello che in forma molto più ambiziosa si ripromettevano gli „Sněmy české“: una comparazione della maggior parte delle fonti attualmente accessibili. I volumi del 1611, ad esempio, pubblicavano le corrispondenze dei nunzi, degli ambasciatori di Toscana e Venezia e del residente di Parma e Piacenza, mentre non erano state utilizzate quelle dei residenti di Mantova e Modena5. In questa sede invece, oltre alla bibliografia sull’argomento, verranno utilizzate sei serie di dispacci: quelli cioè inviati settimanalmente dal nunzio Placido de Marra († 1620), e in sua assenza dal suo auditore Alessandro Vasoli († 1632)6, dagli ambasciatori toscano (monsignor Giuliano Medici, 1574–1636)7 e veneto (Giorgio Giustinian, 1572–1629)8 e dai residenti di Mantova (Claudio Sorina, † 1658)9, Modena (Cesare Florio)10 e Parma e Piacenza (Giovanni Battista Agosti, † 1615, e, dopo la sua morte, Antonio Francesco Colombi)11. Al fine di verificare l’utilità del metodo12 si è scelta in questa sede quella che 3   Sněmy české od léta 1526 až po naši dobu [Le Diete boeme dall’anno 1526 alla nostra epoca], vol. XV/1–3, a cura di Jan Bedřich Novák (Praha 1910–1939). 4   Nella fattispecie, per quanto riguarda il 1615, sono conservate le sole trascrizioni dei dispacci del nunzio e dei residenti dei duchi di Ferrara e di Parma e Piacenza, NA, SbPDZA, karton 113, 118, 119, 220, 223. 5  Per una valutazione della grande importanza di queste fonti si vedano, nell’introduzione al primo tomo, le parole del curatore (che riteneva le corrispondenze non utilizzate degli altri residenti delle corti italiane più simili a gazzette che alle relazioni degli ambasciatori), Jan Bedřich Novák, Úvod [Introduzione], in: Sněmy české (come nota 3) XV/1 VII–XCII, qui LXXVII–LXXIX. Per il caso più approfondito delle nunziature si veda anche Idem, O důležitosti zpráv nunciů pro „Sněmy české“ [L’importanza delle corrispondenze dei nunzi per l’edizione „Le Diete boeme“]. Zprávy Zemského archivu Království českého 1 (1906) 62–95; e, più in generale, sullo studio delle fonti romane da parte degli storici cechi Jitka Rauchová, Československý historický ústav v Římě [L’Istituto storico cecoslovacco a Roma] (České Budějovice 2014). 6  ASV, Segr. Stato Germania, 114-K e 114-G (le risposte del cardinale nepote sono invece conservate a Roma, Biblioteca Angelica, Ms. 1234). 7   ASF, MdP, filza 4368 (volume non foliato). 8   ASVe, Disp. Germ., filze 49 e 50. 9  ASMa, AG Cart., busta 490. 10  ASMo, Canc. duc. Germ., busta 63. 11  ASNa, Arch. Farn., busta 172. Vale la pena di segnalare che si tratta di un fondo che è andato in parte distrutto nell’incendio del 1943 e vari originali di materiali trascritti in NA, SbPDZA, karton 223, sono oggi perduti (in particolare tutti quelli originariamente contenuti nella busta 318). 12  Si tratta del resto di un approccio molto utilizzato per lo studio del teatro e della musica, a partire dal lavoro di Herbert Seifert, Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (Wiener Veröffentlichungen zur Musikgeschichte 25, Tutzing 1985). Si veda anche la più recente ricostruzione dello spettacolo Phasma Dionysiacum Pragense, rappresentato a Praga nel carnevale del 1617 in Petr Maťa, Das Phasma Dionysiacum Pragense und die Anfänge des Faschings am Kaiserhof, in: Theater am Hof und für das Volk. Beiträge zur vergleichenden Theater- und Kulturgeschichte. Festschrift für Otto G. Schindler, a cura di Brigitte Marschall (Maske und Kothurn 48, Wien–Köln–Weimar 2002) 67–80; Idem, Phasma Dionysiacum Pragense a počátky karnevalového kalendáře na císařském dvoře [Il Phasma Dionysiacum Pragense e gli esordi del carnevale alla corte cesarea]. Divadelní revue 15/2 (2004) 46–55.



„Bella strada da confederarsi“. Stati, finanze, religione e lingua nella Dieta boema del 1615 65

forse può essere considerata in questo lasso temporale la Dieta più significativa, quella del 1615, spesso discussa dalla storiografia, anche recente, senza però tenere conto delle fonti che verranno utilizzate in questo lavoro13. Le informazioni disponibili verranno sottoposte a verifica soprattutto a proposito dei tre argomenti più discussi: questione politica (il rapporto tra gli Stati e il monarca), questione finanziaria (la concessione di una tassazione straordinariamente elevata) e questione linguistica (il celebre articolo in difesa della lingua ceca).

Tradizione storiografica La Dieta generale del 1615, i cui articoli erano stati stampati al termine dei lavori in ceco (e forse anche in tedesco)14, ha lasciato tracce profonde nella storiografia, soprattutto a partire dagli anni Sessanta dell’Ottocento, ed è stata oggetto di interpretazioni contraddittorie, senza che sia stato però possibile giungere a un giudizio condiviso sul suo svolgimento e significato. Questo anche perché le fonti coeve disponibili sono in realtà scarse e, benché molto citate dagli storici che hanno ricostruito il passato della propria nazione come un’eterna „difesa“ della nazione ceca15, solo di rado offrono informazioni davvero rilevanti, come possiamo facilmente verificare a proposito delle tre più conosciute. Il più noto è probabilmente il passo del cronachista Pavel Skála, che però in sostanza non rappresenta altro che una lettura del testo contenuto nei citati articoli della Dieta, al punto che dopo un veloce accenno alla non riuscita confederazione, riservava spazio solo alla supplica in difesa della libertà di religione presentata dai nobili „protestanti“ degli „Stati sotto le due specie“, all’articolo in difesa della lingua ceca (riportato in forma pressoché integrale) e all’arresto del nobile Wenzel Kinsky (Wchynsky) von Wchynitz (1572–1626)16. Sostanzialmente dello stesso tenore sono gli accenni di Mikuláš Dačický (1555–1626) che, oltre a qualche particolare di minore importanza, ricorda con amarezza il tentativo di limitare l’accesso degli stranieri in Boemia, giudicandola però una misura ormai tardiva e irrimediabile17. La prima versione del testo, scritta a minore distanza dagli eventi, era in realtà più dettagliata e l’autore aveva, tra le altre cose, ricordato come tedeschi, italiani e cechi subito dopo vagassero per le vie praghesi cantando e urlando in lingue straniere „per sfregio della stessa Dieta e del popolo ceco“, e si era rammaricato dell’incuria che i cechi stessi dimostravano per la propria lingua18. Ma Dačický è del tutto 13  Tutte le citazioni riportate conservano quanto più possibile lo stile dell’originale, gli unici interventi riguardano, oltre alla limitazione delle maiuscole, la riduzione all’uso moderno di accenti e apostrofi e la normalizzazione della punteggiatura. I nomi dei nobili citati sono stati sciolti nella forma tedesca. 14   Tito Artykulowé na Sněmu Obecném, Generálnjm [...] swoleni a zawřjni gsau [Questi articoli alla Dieta generale [...] approvati e definiti furono] (Praha 1615). L’esistenza di una stampa in tedesco, che non è stato possibile reperire in nessuna biblioteca, è segnalata da Čeněk Zíbrt, Bibliografie české historie [Bibliografia della storia ceca], vol. IV/2 (Praha 1909) 166f. 15   Si veda il testo dell’articolo in difesa della lingua ceca in Albert Pražák, Národ se bránil. Obrany národa a jazyka českého od nejstarších dob po přítomnost [Il popolo si è difeso. Le difese del popolo e della lingua cechi dall’epoca più remota fino al presente] (Praha 1945) 40–42. 16  Pavla Skály ze Zhoře Historie česká od r. 1602 do r. 1623 [La storia boema di Pavel Skála ze Zhoře dall’anno 1602 all’anno 1623], a cura di Karel Tieftrunk, 5 vol. (Monumenta historiae Bohemica 2, Praha 1865–1870), 1 350–359. 17  Si vedano le pagine dedicate al 1615 nella redazione finale delle memorie, Mikuláš Dačický z Heslova, Prostopravda. Paměti [La verità nuda. Ricordi] (Praha 1955) 333f. 18  Paměti Mikuláše Dačického z Heslova [I ricordi di Mikuláš Dačický z Heslova], a cura di Antonín

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all’oscuro delle discussioni svoltesi in seno alla Dieta, così come del resto Pavel Stránský († 1657), che pure ha ricordato il provvedimento in difesa della lingua ceca sia nel suo Okřik (Grido), del 1618, sia nella sua celebre Respublica Bohemiae, pubblicata a Leiden nel 163419. L’unica reale interpretazione di un contemporaneo è quindi quella contenuta nel lavoro storiografico di uno dei protagonisti cattolici dello scontro del 1615, Wilhelm Slawata (1572–1652), che, polemizzando a distanza di molti anni con la versione offerta nell’apologia scritta dal principale rappresentate dell’opposizione, Heinrich Matthias von Thurn (1567–1640), ha ricostruito in forma ben più estesa il senso della Dieta generale. Slavata si è soffermato soprattutto sulle implicazioni politiche e religiose delle rivendicazioni degli „Stati sotto le due specie“ e ha fornito un’interpretazione che, dal momento della pubblicazione di questa parte della sua imponente opera polemica manoscritta, ha fortemente condizionato la storiografia successiva20. Anche Bohuslav Balbín (1621–1688) ha ricordato nella sua celebre difesa del ceco la norma del 1615 in difesa della lingua ceca, sottolineando che fosse stata firmata anche da Wilhelm Slavata e Jaroslav Bořita von Martinitz (1583–1649)21, mentre Jan Beckovský (1658–1725), scrivendo in un’epoca già lontana dai fatti, si è basato sulla stampa degli articoli della Dieta e si è soffermato soprattutto sulla difesa della lingua ceca e sulla distribuzione delle nuove contribuzioni22. Tutti coloro che hanno ricordato, nel XVII secolo, il significato della Dieta sulla base degli articoli stampati, hanno quindi messo in evidenza soprattutto l’articolo „linguistico“, al massimo le implicazioni finanziarie, due punti che sono invece tutto sommato secondari nelle riflessioni di Slavata. Non è del resto un caso che proprio l’articolo in difesa della lingua ceca avrebbe catturato l’interesse degli storici e dei pubblicisti per tutto l’Ottocento, in particolare a partire dagli anni Sessanta del XIX secolo, quando verrà, con piccole variazioni, più volte ristampato sulla stampa periodica23. Solo verso la fine di quel decennio la Dieta del 1615 sarebbe stata però studiata a fondo da Sedláček24 e Emler25, per quanto riguarda il sistema di riscossione delle contribuzioni approvate dalla Dieta, e da parte di Gindely, per quanto riguarda i retroscena politici. L’importante lavoro di Gindely ha ricostruito in modo affidabile, attraverso la comparazione critica delle fonti inedite, la tattica utilizzata dalla corte e in particolare dal vescovo di Vienna Melchior Khlesl (1552–1630), e ha sottolineato la sorprendente sconfitta dell’„opposizione“ agli Asburgo. Il naufragio delle Rezek, 2 vol. (Památky staré literatury české 5, Praha 1978–1880) 1 354 (per il testo della nota precedente si veda, in quest’edizione, 1 238). 19  Pavel Stránský ze Zápské Stránky, Český stát. Okřik [Respublica Bohemiae. Grido], a cura di Bohumil Ryba (Praha 1953) 257f., 378. 20  Paměti nejvyššího kancléře Království českého Viléma hraběte Slavaty [Le memorie del supremo cancelliere del Regno boemo conte Wilhelm Slawata], a cura di Josef Jireček, 2 vol. (Monumenta historiae Bohemica 1, Praha 1866–1868) 2 186–201. 21  Bohuslav Balbín, Rozprava krátká, ale pravdivá [Discorso breve, ma vero] (Praha 1988) 36f. 22  Jan Beckovský, Poselkyně starých příběhův českých [Messaggero delle antiche storie boeme], a cura di Antonín Rezek, vol. II/1–3 (Praha 1879–1880) II/2 58–74. 23  Si vedano i vari dati bibliografici raccolti in Zíbrt, Bibliografie (come nota 14) 167. 24  August Sedláček, Rozvržení sbírek a berní r. 1615 dle uzavření sněmu generálního nejvyššími berníky učiněné [La distribuzione delle collette e delle contribuzioni dell’anno 1615 secondo le decisioni della Dieta generale decisa dai supremi collettori] (Praha 1869). 25  Josef Emler, Berně r. 1615 svolená a počet obyvatelů před třicetiletou válkou [Le contribuzioni approvate nell’anno 1615 e il numero degli abitanti prima della guerra dei Trent’anni]. PAM 8 (1870) 177–187.



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velleità antagoniste era, per l’autore, sancito proprio dalla concessione di contribuzioni sorprendentemente alte. Gindely, soffermandosi sull’articolo in difesa della lingua ceca, notava infine le mancate proteste dei suoi supposti bersagli e, pur interpretandolo in una prospettiva di „coscienza nazionale“, avanzava l’ipotesi che potesse in realtà essere diretto contro alcune ben precise categorie di stranieri (soprattutto italiani e spagnoli)26. Alla non chiarezza dei destinatari dell’articolo ha dedicato poi, vari anni dopo, un’intelligente analisi Šimák, che non ne individuava la causa nel timore della scomparsa della lingua ceca, ma nelle lotte politiche e religiose del tempo (l’intenzione sarebbe stata quindi „antigovernativa“ e l’obiettivo i nobili cattolici, protetti dall’imperatore)27. Grande influenza ha avuto, negli anni Venti, l’ipotesi opposta di Pekař che si trattasse di „una norma troppo radicale, cosa che a quanto sembra ne ha impedito la realizzazione“ e che ad avere un reale interesse „fosse soprattutto la minoranza cattolica e utraquista“, mentre la maggioranza non avrebbe avuto „il coraggio di opporsi apertamente allo slogan nazionale“, facendo però in modo che „la legge restasse lettera morta“28. Un’analisi documentaria della Dieta, che aggiungeva molti particolari alla ricostruzione di Gindely, sarebbe stata fornita, nel 1917, in un lavoro di Kamil Krofta dedicato ai tentativi di dar vita a una Dieta generale delle provincie governate dagli Asburgo29. Lo stesso autore ha poi analizzato, in linea con lo spirito storiografico che ha caratterizzato il periodo del Protettorato di Boemia e Moravia, la storia dell’„immortale popolo“ ceco e ha messo a confronto, nell’ambito dello studio delle trasformazioni nazionali nelle terre ceche, varie interpretazioni storiografiche riguardo alla norma linguistica del 1615 30. In tempi molto più recenti sono stati opportunamente analizzati criticamente i rapporti di forza all’interno della cosiddetta „opposizione“ agli Asburgo (Kučera)31, le tendenze emancipatrici delle varie provincie (Bahlcke)32, il contesto internazionale della questione

26   Antonín Gindely, Dějiny českého povstání léta 1618 [La storia della ribellione boema dell’anno 1618], 4 vol. (Praha 1870–1880) 1 82–102. Analoga è l’interpretazione di Arnošt Denis, Konec samostatnosti české [La fine dell’indipendenza boema], 2 vol. (Praha 1921) 2 556f. 27   Josef Vítězslav Šimák, Příspěvky k výkladu zákona o zachování jazyka českého z r. 1615 [Note per l’interpretazione della legge sulla conservazione della lingua ceca dell’anno 1615]. Sborník věd právních a státních 12 (1912) 173–184. 28   Josef Pekař, Bílá hora [La Montagna bianca], in: Idem, O smyslu českých dějin [Sul senso della storia ceca] (Praha 1990) 157–274, qui 204–206. Simile è l’interpretazione di Josef Klik, Národnostní poměry v Čechách od válek husitských do bitvy bělohorské [I rapporti nazionali in Boemia dalle guerre hussite fino alla battaglia della Montagna bianca]. ČČH 27 (1921) 8–62, 289–352, qui 341–348. 29  Poi ripubblicato in una raccolta di saggi dell’autore, Kamil Krofta, Snahy o společný sněm zemí domu rakouského v letech 1526–1848 [Gli sforzi per una dieta comune di tutti i paesi della casa degli Asburgo negli anni 1526–1848], in: Idem, Byli jsme za Rakouska... Úvahy historické a politické [Esistevamo ai tempi dell’Austria... Considerazioni storiche e politiche] (Praha 1936) 142–245. 30  Idem, Nesmrtelný národ. Od Bílé hory k Palackému [Il popolo immortale. Dalla Montagna bianca a Palacký] (Praha 1940) 121–150. 31  Jan P. Kučera, Stavovská opozice v Čechách a volba Ferdinanda Štýrského českým králem [L’opposizione degli Stati in Boemia e l’elezione di Ferdinando di Stiria a re di Boemia]. Studia Comeniana et historica 14/28 (1984) 5–42; il testo è stato poi ripubblicato in forma leggermente diversa e senza l’apparato di note in Idem, 8. 11. 1620. Bílá hora. O potracení starobylé slávy české [8 novembre 1620. La Montagna bianca. Sulla scomparsa dell’antica gloria ceca] (Praha 2003) 17–61. 32  Joachim Bahlcke, Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der Böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526–1619) (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 3, München 1994).

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linguistica (Evans)33 e l’aspetto linguistico e fiscale (Vorel)34, senza però in realtà apportare novità sostanziali per quanto riguarda le fonti utilizzate.

Verso la Dieta generale Com’è noto, il percorso di Mattia verso la corona boema era stato accidentato e la sua strategia politica aveva contribuito non poco, nel 1609, alla concessione della celebre Lettera di Maestà di Rodolfo II35. Una così ampia garanzia costituzionale in fatto di religione – appena mitigata dal fatto che il supremo cancelliere boemo Zdenko Adalbert von Lobkowitz (1568–1628), cattolico, avesse rifiutato di firmarla – era dovuta a una lunga serie di fattori, in primo luogo alla perdurante crisi dinastica, ma non secondarie erano state anche le tendenze verso l’emancipazione in atto nelle singole provincie36 e l’erosione del potere del sovrano e il rafforzamento del potere di contrattazione degli Stati 37. La struttura stessa degli Stati di Boemia (dove era assente la curia dei prelati) aveva lasciato meno spazio di intervento alla corte viennese e riservato una netta supremazia numerica ai nobili „protestanti“, che avevano assunto la denominazione di „Stati sotto le due specie“ (stavové pod obojí)38. Quando nell’ultimo quarto del Cinquecento si era affermata un’interpretazione sempre più confessionale della questione religiosa, anche in Boemia, sia pure in una cornice che aveva lasciato una certa autonomia agli Stati, era progressivamente cresciuta l’influenza ricoperta dalla minoranza cattolica nell’elaborare in seno alle Diete

33   Robert J. W. Evans, Language and Politics: Bohemia in International Context, 1409–1627, in: Confession and Nation in the Era of Reformations. Central Europe in Comparative Perspective, a cura di Eva Doležalová–Jaroslav Pánek (Prague 2011) 155–179 (con in appendice il testo ceco e la traduzione in inglese dell’articolo in difesa della lingua ceca). 34  Petr Vorel, Velké dějiny zemí Koruny české [Grande storia dei paesi della Corona di Boemia], vol 7: 1526–1618 (Praha 2005) 507–523; Idem, Die Fiskal- und Währungsstrategie der böhmischen Stände in den Jahren 1609–1618, in: Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen. Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609, a cura di Jaroslava Hausenblasová–Jiří Mikulec–Martina Thomsen (Forschungen zur Geschichte und Kultur des Östlichen Mitteleuropas 46, Stuttgart 2014) 133–140. 35   Sulla concessione delle lettere si vedano i classici Anton Gindely, Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609 (Prag 1858); Kamil Krofta, Majestát Rudolfa II. [La Lettera di Maestà di Rodolfo II] (Praha 1909); Ferdinand Hrejsa, Česká konfese, její vznik, podstata a dějiny [La Confessio bohemica: nascita, significato e storia] (Praha 1912) 433–480; Jan Bedřich Novák, Rudolf II. a jeho pád [Rodolfo II e la sua caduta] (Praha 1935); e il recente Religion und Politik (come nota 34). 36  Bahlcke, Regionalismus (come nota 32) 361–400. 37   La bibliografia sull’argomento è molto vasta, si veda almeno il recente Ein Bruderzwist im Hause Habs­ burg (1608–1611), a cura di Václav Bůžek (Opera historica 14, České Budějovice 2010). Sul contesto si veda Gindely, Dějiny (come nota 26) 62–82. L’unico lavoro di ampio respiro sulla questione delle Diete generali resta quello di Krofta, in particolare per quanto riguarda la situazione tra il 1606 e il 1620, Krofta, Snahy (come nota 29) 184–219. Si veda comunque anche Karolína Adamová, K otázce konfederačních snah v českém státě na počátku 17. století [Sulla questione degli sforzi confederativi nello stato boemo all’inizio del XVII secolo]. Právněhistorické studie 27 (1986) 57–96. 38  Jaroslav Pánek, Stavovství v předbělohorské době [La funzione degli Stati nell’epoca precedente la Montagna bianca]. FHB 6 (1984) 163–219; Idem, Politický systém předbělohorského českého státu [Il sistema politico dello stato boemo prima della Battaglia della Montagna bianca]. FHB 11 (1987) 41–101; Bahlcke, Regionalismus (come nota 32).



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compromessi condivisi39. Questo processo di crisi della rappresentanza statuale40 era stato in parte vanificato dalla lotta tra Mattia e Rodolfo II, quando la minoranza cattolica aveva per lo più preso le parti del vecchio imperatore, raggiungendo il suo apice con la burrascosa Dieta del 1609–1610, poi interpretata dalla storiografia come la „prova generale“ della ribellione del 161841. Mattia, che doveva molto agli „Stati sotto le due specie“, aveva confermato la Lettera di Maestà e nel corso della Dieta generale del 1611 aveva visto il suo potere vacillare a vantaggio degli Stati. Il concitato giorno della propria incoronazione, il 23 maggio del 1611, Mattia era stato infatti costretto a promettere agli Stati di Boemia la convocazione di una Dieta generale di tutte le provincie da lui governate in cui sarebbero state affrontate prima di ogni altra cosa le richieste avanzate, nelle fonti indicate come i „Quattro punti“, riassumibili in sostanza in questo modo: nella coronazione di questo Imperatore in Re di Boemia pretesero di poter confederarsi et fare nuovi patti co’ principi dell’Imperio secondo alcune antiche compattazioni che pretendono havere con gl’Elettori secolari, che vuol dire collegarsi con tutt’i principi protestanti; che le fusse confermata la confederazione con le provincie d’Ungheria, Moravia, Slesia et Austria; potere convocare i circoli del regno senza licenza di Sua Maestà quando fusse loro parso benefizio del regno; et al medesimo effetto armarsi pure senza licenza della Mestà Sua42. Il nunzio Placido de Marra aveva comunicato a Roma il giorno stesso dell’incoronazione che, al termine di faticosissime trattive, „a gl’articoli di Boemi il re ha risposto doppo molte proteste et contese fra di loro, che li rimette alla prossima Dieta, perché restino in essa chiariti, contentandosi che prima della lor decisione, non siano obligati i Stati ad andar inanzi nelle proposte da farsi da S. Maestà per quel che pretenderà da essi Stati per suo servitio“43. Circolavano però anche ipotesi su una conferma scritta da parte di Khlesl: dicono che Glesellio [Khlesl] all’hora, per spedire la coronazione in tempo dell’Imperatore Ridolfo, desse loro intenzione di concederlo nella prima Dieta con una scrittura di sua propria mano, ma però senza soscrizione et sigillo44. Già in quest’occasione Mattia era riuscito a evitare guai peggiori sfruttando le discordie tra le delegazioni delle 39   Per un’analisi dei cambiamenti intercorsi all’interno della nobiltà boema si vedano ora Petr Maťa, Constructing and Crossing Confessional Boundaries. The High Nobility and the Reformation of Bohemia, in: Diversity and Dissent. Negotiating Religious Differences in Central Europe, 1500–1800, a cura di Howard Louthan–Garry B. Cohen–Franz A. J. Szabo (Oxford–New York 2011) 10–29; e Idem, Vorkonfessionelles, überkonfessionelles, transkonfessionelles Christentum. Prolegomena zu einer Untersuchung der Konfessionalität des böhmischen und mährischen Hochadels zwischen Hussitismus und Zwangskatholisierung, in: Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt im Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag, a cura di Joachim Bahlcke–Karen Lambrecht–Hans-Christian Maner (Leipzig 2006) 307–331. 40   Kučera, Stavovská opozice (come nota 31) 34. 41   Jaroslav Čechura, 5. 5. 1609. Zlom v nejdelším sněmu českých dějin. Generální zkouška stavovského povstání [5 maggio 1609. La svolta nella più lunga Dieta della storia ceca. La prova generale della ribellione degli Stati] (Praha 2009) 6. Non erano peraltro nemmeno mancati gli accenni a possibili „defenestrazioni“, ivi 84f. 42  Giuliano Medici, 22 giugno 1615, ASF, MdP, 4368. Per una formulazione precisa dei „quattro punti“ si veda Sněmy české (come nota 3) XV/2 383–385. 43  Ivi 652–654. 44  Giuliano Medici, 22 giugno 1615, ASF, MdP, 4368. In seguito avrebbe precisato: tanto più che è da sapere che questi quattro punti, nella coronazione che fu fatta qui, furono con una scrittura, sebbene imbrogliata, da Glesellio [Khlesl] promessi, che fu poi risolta di proporgli nella Dieta perché se ne trattasse, potendo anco dire l’Imperatore che non gli poteva promettere liberamente poiché bisognava che passassero per il parere di tutti, poiché da alcuni particolari soli gli fu chiesto, che questo a loro bastò, senza strignere la promessa parendo loro d’essere tanto superiori che non vi fusse per essere difficultà nessuna. Ivi, 17 agosto 1615.

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singole provincie, che riguardavano il significato della Corona di Boemia, le prerogative della stessa Dieta generale, il ruolo della cancelleria boema e l’appartenenza del principato di Opava/Troppau, conteso tra Moravia e Slesia, sfruttando cioè i punti in cui le tendenze emancipatrici delle singole provincie si sovrapponevano alle questioni religiose ed economiche45. Non a caso nelle fonti coeve si parla spesso di atmosfera molto tesa e di gran malcontento generale, accresciuto anche dal trasferimento della corte a Vienna e dal conseguente indebolimento del significato delle Diete boeme46. Come dimostra la lettera inviata all’arciduca Ferdinando il 10 novembre 1613, Mattia era in ogni caso perfettamente consapevole che era impossibile convocare la Dieta generale senza concedere la confederazione ai protestanti e che, senza convocare la Dieta generale, era impossibile contare sulle contribuzioni boeme47. La difficile situazione finanziaria, legata non solo alla concessione delle tasse ordinarie e straordinarie, ma anche agli ingenti debiti accumulati dagli Asburgo nei confronti degli Stati nel corso dei decenni, aveva però progressivamente reso inattuabile l’ulteriore utilizzo della tattica attendista dei primissimi anni del suo regno. Alla ricerca della soluzione meno compromettente per l’autorità regia, Mattia aveva cercato di contenere l’atteggiamento spavaldo degli Stati e aveva convocato nel 1614 una Dieta boema a České Budějovice/Budweis, adducendo il pretesto del pericolo della peste che avrebbe minacciato Praga in quel momento. La maggior parte delle richieste del sovrano erano state però rigettate, compreso il tentativo di ridurre la Dieta generale a un congresso di rappresentanti dei suoi domini e agli Stati era stato assicurato che la promessa del 1611 sarebbe stata rispettata. Anche il successivo tentativo di risolvere il problema per mezzo di un convento generale a Linz non aveva sortito gli effetti sperati perché alcune delle delegazioni avevano dichiarato di non avere istruzioni sufficienti a discutere questioni di pertinenza della futura Dieta generale48. Il fallimento di tutti questi tentativi ne aveva reso indispensabile lo svolgimento e la Dieta, prevista per il gennaio del 1615, era stata poi rimandata a causa della supposta gravidanza dell’imperatrice fino al giugno dello stesso anno49. Allora, però, scartate le opzioni di convocare nuovi conventi generali e di mandare in sostituzione di Mattia un arciduca50, la questione finanziaria non aveva consentito ulteriori dilazioni (poiché perderebbe 500

45  Si veda la reinterpretazione delle finalità dell’azione politica delle altre provincie, che puntavano a un certo grado di autonomia e non alla separazione dalla Corona di Boemia (come aveva invece ipotizzato Gindely) in Bahlcke, Regionalismus (come nota 32) 363–376. 46  Ivi 382–386. 47  Gindely, Dějiny (come nota 26) 64f. 48  Su questa fase si vedano soprattutto ivi, 67–82; Krofta, Snahy (come nota 29) 190–199. Per differenti interpretazioni del momento storico si vedano anche Julius Glücklich, Nová redakce zemského zřízení království českého z posledních let před českým povstáním [La nuova redazione della costituzione del Regno di Boemia negli ultimi anni prima della ribellione degli Stati] (Spisy filosofické fakulty Masarykovy university v Brně 41, Brno 1936); František Kavka, Bílá hora a české dějiny [La Montagna bianca e la storia ceca] (Praha 1962) 81–93; Josef Polišenský, Třicetiletá válka a český národ [La guerra dei trent’anni e il popolo ceco] (Praha 1960) 76–87; Josef Petráň, Staroměstská exukuce [L’esecuzione sulla piazza della Città vecchia] (Praha 1996) 204–206, 230, 312f. 49  Secondo l’ambasciatore spagnolo la gravidanza sarebbe stata gradita dagli Stati non cattolici, che avrebbero potuto proclamarsi tutori di un re minorenne, Baltasar de Zúñiga, 12 giugno 1615, NA, SbPDZA, Simancas, 2 (originale Archivo General de Simancas). 50   Cesare Florio, 4 marzo 1615, ASMo, Canc. duc. Germ., 63, fol. 27. Giovanni Battista Agosti aveva scritto già a gennaio che della andata a Praga al tempo scritto si tratta molto alla gagliarda, 24 gennaio 1615, ASNa, Arch. Farn., busta 172, fol. 857–859, qui 857v.



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mila talleri di contributione, che da qui a settembre pagaranno li bohemi se ci va)51, oltre al rischio concreto che alcune signorie venissero alienate: In Boemia si farà la prima settimana di Quaresima la Dieta generale di quel Regno, dove conviene che vadia l’Imperatore perché altrimenti li suoi creditori entreranno al prossimo San Giorgio in possesso di certi castelli et beni, che gli sono hipotecati per grosse summe di dinari, se non gli paga, overo ottiene da la Dieta un’altra proroga52. Secondo il cancelliere Zdenko Adalbert von Lobkowitz gli „Stati sotto le due specie“ avevano addirittura minacciato di esigere il rispetto delle promesse con la violenza53. Anche se l’ambasciatore spagnolo disegnava un quadro internazionale molto preoccupante54, a giudizio del nunzio il momento non era così drammatico55, mentre l’ambasciatore veneziano lo giudicava estremamente serio: egli astretto dall’urgenza delle cose non poteva differir più la sua andata in Boemia per risolvere in quella generale Dieta li punti importanti che ho anchora scritto et che concernono il sostentamento o la totale declinatione della sua casa, et dove concorreranno i deputati di tutte le provincie risolutte di voler dalla M. S. quanto gli fu promesso et non gli pò concedere senza estremo suo pregiuditio56.

Questione politica La Dieta generale, che minacciava di alterare profondamente i rapporti di forza tra Stati e sovrano (l’Imperator non può acconsentire se non con dargli la corona e restar un re di cartone)57, era stata preparata a Vienna in ogni particolare: et perché qui si dubbita non s’ordischino tramme contro la casa d’Austria per la successione di questi regni et contro la religion cattolica, il consiglio segreto di S. Maestà è molto occupato in far contramine et trovar rimedii da divertir quei mali che potrebbero partorir simili radunanze58. Khlesl, in particolare, aveva tracciato le linee guida di una strategia spregiudicata59, che partiva dall’influenzare la com51  Claudio Sorina, 25 aprile 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 443r–446r, qui 444v–445r. Anche Giuliano Medici scriveva, a proposito della definitiva decisione di convocare la Dieta, che la cagione di tanta mutazione dicono essere perché appunto adesso finiscono le contribuzioni di Boemia et sino che non si viene a una Dieta i boemi non daranno niente. MdP, 4368, 11 aprile del 1615. 52  Claudio Sorina, 14 gennaio 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 365r–366r, qui 366v. Si veda anche quanto scriveva Medici: per vedere se si contentino di dare intanto qualche danaro et prolungare i termini de’ debiti sopra le signorie di Sua Maestà, accioché i creditori non entrino in possesso. Giuliano Medici, 18 aprile 1615, ASF, MdP, 4368. Nella lettera successiva aggiungeva: I boemi hanno risposto che se Sua Maestà vuol restare qua, che resti, ma che loro senza Dieta non possono contribuire cosa nessuna; bene manderanno qui cinquantamila fiorini, i quali non siano sborsati a Sua Maestà, se non quando assolutamente parta per Praga. Ivi, 25 aprile 1615. 53   La citazione del passo del suo diario è riportata in Kučera, Stavovská opozice (come nota 31), 35 nota 14. 54  Baltasar de Zúñiga, 15 maggio 1615, NA, SbPDZA, Simancas, 2 (originale Archivo General de Simancas). 55  certo è che ribelli al presente non ve ne sono, né si sa che l’imperatore Rudolfo habbia mai concesso privilegio o fatto altro decreto in pregiuditio della Serenissima casa, dichiarando quel dominio per elettivo, Placido de Marra, 9 maggio 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-K, fol. 58r. 56  Giorgio Giustinian, 16 maggio 1615, ASVe, Disp. Germ., 49, fol. 103r–106r, qui 103r– v. Anche Antonio Maria Colombi li definiva capitoli enormissimi, quali si dice vorrano o per amore o per forza ottenere quando S. M. sarà in Praga, 15 aprile 1615, ASNa, Arch. Farn., busta 172, fol. 873. 57   Claudio Sorina, 22 giugno 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 486r–489r. 58   Idem, 11 aprile 1615, ivi, fol. 436rf., qui 436v. 59  Gindely, Dějiny (come nota 26), 82–87; Krofta, Snahy (come nota 29) 200–204; Bahlcke, Regionalismus (come nota 32) 388–394. Già a metà dell’Ottocento sono state pubblicate la lettera di Matthias a Khlesl del 20 giugno 1615, la risposta di quest’ultimo e la bozza della proposizione, Joseph von Hammer-Purgstall, Khlesl’s, des Cardinals, Directors des geheimen Cabinetes Kaisers Mathias, Leben, 4 vol. (Wien 1847–1851)

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posizione delle singole deputazioni e il tenore delle loro istruzioni e mirava a provocare divisioni e discordie di ogni tipo (anche solo procedurale) tra i rappresentanti dei singoli Stati, in particolare cattolici e protestanti60, per vanificare poi completamente la discussione dei quattro punti61. Perfino la sua assenza sembrava essere motivata dal risentimento dei boemi nei suoi confronti, tanto che si sarebbe recato a Praga solo dopo che li bohemi haveranno sfogato con scritture e con parole in Dieta l’animo loro pregno di gravi disgusti, sì per non haver ricevuto l’effetto delle promesse fattegli, come per veder che monsignor Klesel non solo non gli lascia participar de’ supremi carichi della corte, ma ha seminato disunione et diffidenza tra essi et loro vicini et già confederati, come slesiti, moravi et lusatii, acciò non s’unischino contro l’Imperatore62. Al nunzio Khlesl lo aveva del resto dichiarato in modo esplicito: monsignor Gleselio mostra di voler caminare a questo segno, per straccar, com’egli dice, i boemi63. Il 22 giugno la tanto desiderata Dieta, in cui gli Stati boemi sembravano aver per fine d’abbassare la casa d’Austria et haver per l’avenire la libera elettione del proprio re64, si era poi effettivamente aperta, con una proposizione imperiale, letta solo in parte e consegnata poi in forma scritta soltanto agli ufficiali del regno65. Anche il contenuto era quanto meno inconsueto: il cui principio è stato contrario a quel che è solito, perché mentre ogn’uno aspettava che il re Imperatore facesse, conforme la consuetudine antica e sempre osservata, la sua propositione, con la quale suole proporre in otto, dieci o più capi le cose che principalmente si devono trattar et deliberar, tra le quali non è l’ultima il domandar contributione di danari, S. Maestà, sedendo in trono reale, ha detto in sostanza, et senza chieder cosa alcuna che per esser stata in quattr’anni più e più volte con grandissima istanza supplicati da li Ordini et Stati di Bohemia a venir qua et assistere ad una loro Dieta generale, è venuta, et starà attendendo che essi proponghino quello gli pare66. Questa mossa aveva preso in contropiede gli Stati non cattolici (Molti sono rimasti meravigliati di questa nuova et inaspettata proposizione, o pura orazione, di S. Maestà)67, indeboliti fin dall’inizio dalla scarsa collaborazione tra le provincie stesse68, i cui dissidi erano stati subito sobillati ad arte sollevando questioni di 3 Urkunden 228–233. Rispetto alla spregiudicatezza di Khlesl Giuliano Medici scriveva: sono tanto variabili i concetti di questa corte per dependere tutto da una testa variabilissima come quella di Glesellio. ASF, MdP, 4368, 11 aprile 1615. 60  sono disuniti li cattolici et gli heretici, Cesare Florio, 6 luglio 1615, ASMo, Canc. duc. Germ., 63, fol. 1r. 61  Si veda la ricostruzione di Krofta, Snahy (come nota 29) 200–205. 62  Claudio Sorina, 22 giugno 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 486r–489r. Analoghe le parole di Giuliano Medici, 22 giugno 1615: monsignor Glesellio trovandosi facilmente imbrogliato in questo negozio, è forse una delle cagioni, che egli sfugge di trovarcisi per vedere dove prima parino le cose. ASF, MdP, 4368. 63   Placido de Marra, 8 giugno 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-K, fol. 115r. 64  In un altro punto della medesima lettera si aggiungeva che Cesare va sin hora procurando con le risposte di divertirli, et si dubita sarà Dieta piena di travagli et difficoltà. Giorgio Giustinian, 29 giugno 1615, ASVe, Disp. Germ., 49, fol. 142r–144r, qui 142r–v. 65  Non s’è però intieramente letta secondo il solito l’istessa propositione, ma dopo haverne detto qualche cosa in voce, s’è data in iscritto agl’officiali del Regno che doveranno con gli Stati considerarla et rispondere. Cesare Florio, 22 giugno 1615, ASMo, Canc. duc. Germ., 63, fol. 96r. 66  Claudio Sorina, 22 giugno 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 486r–489r. Analoghe le parole di Giuliano Medici, 29 giugno 1615: Et di questa proposizione pare che questi Stati restino tutti confusi, non gli negando Sua Maestà le promesse, ma per un verso che non ne possono cavare quel costrutto che vorrebbono, onde se ne spera assai bene. ASF, MdP, 4368. 67  Claudio Sorina, 22 giugno 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 486r–489r. 68  non potendo anco questi boemi havere quell’assistenza dall’altre provincie che si persuadevano, poiché i moravi sono venuti senza plenipotenza et con ordine di non poter restare più che due mesi, rispetto che la provincia non vuole così lunga spesa; gli slesiti sono in gran dissensione co’ boemi et moravi per rispetto del ducato di Truppa;



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precedenza69. Merita di essere ricordato, a questo proposito, che la lotta tra Rodolfo II e Mattia aveva dato luogo, nel 1608, alla divisione tra i paesi governati dagli Asburgo in due „confederazioni“ (da una parte le due Austrie, l’Ungheria e la Moravia, dall’altra la Boemia, la Slesia e le due Lusazie), che sarebbero state riunite sotto il dominio di Mattia soltanto nel 1611, al momento della definitiva abdicazione di Rodolfo II, quando non erano state però risolte le tradizionali questioni controverse70. L’auditore del nunzio scriveva dopo una sola settimana che, essendosi già scoperto che le provincie non vi adheriscono, aveva ricevuto rassicurazioni dal signor cardinale Diechtristain [Franz von Dietrichstein], quale mostra haver assai buona speranza, che quanto alle sodisfattioni che può ricever S. Maestà da questa Dieta in materia delle contributioni, si possa far conclusione favorevole71. Fin dall’inizio erano infatti emerse profonde divisioni tra gli Stati di Boemia e Moravia per la confederazione e Boemia e Slesia per la difesa, fomentate anche da antiche querelle sulla struttura della corona di Boemia, alimentate sia dalla corte che dagli Stati cattolici72. L’ambasciatore veneziano già il 6 luglio notava i successi di una tattica che descriveva in questi termini: La Dieta di queste provincie camina con la solita tardità, utile all’interessi dell’imperatore, che non attende ad altro che a disunirle, et già se ne vede l’effetto perché la Moravia comincia apertamente a discostarsi dall’altre, l’Ongaria si scusa di non poter intervenir et l’Austria lo fa con molta limitatione73. Sugli interventi della corte prima della Dieta generale rispetto alle plenipotenze delle delegazioni si veda il caso dell’Austria inferiore: Dopo molto contrasto fra li signori provinciali d’Austria nel dar la gl’austriaci non sono ancora comparsi, con tutto che nella proposizione parli ancora a loro et agl’ungheri; et per lo più si sente che sieno cattolici et venghino con assai limitate commissioni, et più tosto favorevoli a Sua Maestà Cesarea, al che deve havere apportato molto utile la riconciliazione di Glesellio [Khlesl] col Cam [Johann Eusebius Khuen von Belasy], il quale viene come uno de’ commissarii et sarà quasi come il capo loro; gli ungheri si intende non verranno altrimenti, poiché bisognava facessero diversi conventi per deliberare i commissarii, che trovandosi molto distratti particolarmente per i commissarii che sono alla trattazione della pace a Vienna non gl’hanno potuti fare; et Glesellio a Vienna deve havere non poco cooperato a questo. Giuliano Medici, 29 giugno 1615, ASF, MdP, 4368. 69   Il primo era stato il cardinale Franz von Dietrichstein: ha già datto occasione che sia deciso un punto di precedenza in Dieta, ove pretendeva il primo luogo dopo il re, come lo ha fuori. Claudio Sorina, 22 giugno 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 486r–489r. 70  Sul caso della Moravia si vedano in particolare František Kameníček, Zemské sněmy a sjezdy moravské, jejich složení, obor působnosti a význam, od nastoupení na trůn krále Ferdinanda I. až po vydání Obnoveného zřízení zemského (1526–1628) [Le Diete e i conventi moravi: composizione, ruolo e significato, dall’ascesa sul trono di Ferdinando I fino alla pubblicazione della nuova costituzione (1526–1628)], 3 vol. (Brno 1900–1905) 1 84–91, 2 213–215; e Josef Konopka, Separační snahy Moravanův na generálním sněmu r. 1611 [Gli sforzi autonomisti dei moravi nella Dieta generale del 1611]. ČMM 38 (1914) 26–71, 240–267, 361–399. 71   Alessandro Vasoli, 29 giugno 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-K, fol. 158r–160r. 72  I boemi, ricevuta la proposizione, domandarono il lor parere a’ moravi sopra i quattro punti, i quali hanno risposto non havere plenipotenza per concludere cosa nessuna, ma sibene di non acconsentire alla confederazione, che è si può dire il fondamento degl’altri punti, la quale dicono non parer loro che occorra, essendo insieme incorporati per ordinario col regno di Boemia, ma la più vera è che pretendono d’esser sudditi al re di Boemia, ma non già al regno, nel che pareva loro di pregiudicarsi a essere chiamati qua da’ boemi a entrare in questa loro confederazione; il medesimo senso si sente che habbino gli slesiti. Giuliano Medici, 6 luglio 1615, ASF, MdP, 4368; et si presupponeva il medesimo negli slesiti, questi hanno dati a’ boemi i punti, de’ quali ne sarà qui alligato un sommario, che in essi pare che mirino a uguagliarsi a’ boemi et non voler dependere, anzi separarsi da loro, nel che i moravi aderiscono a’ boemi. Ivi, 20 luglio 1615; et gli slesiti hanno replicato la medesima instanza di prima, della quale sin a hora mostrano non volersi dipartire; et con parole molto concernenti la pretensione che hanno d’essere separati da questo regno et d’essere sudditi del re di Boemia ma non del regno, con cavare fuora ancora un’altra pretensione di pretendere il voto nella creazione del Re. Ivi, 27 luglio 1615. Sul caso della Slesia si vedano anche Alessandro Vasoli, 20 luglio 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-G, fol. 121rf.; Idem, 3 agosto 1615, ivi, 114-K, fol. 192rf. 73  Giorgio Giustinian, 6 luglio 1615, ASVe, Disp. Germ., 49, fol. 146r–149r, qui 147r.

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plenipotenza a’ suoi commissarii di concluder la confederatione con li boemi, desiderandolo gli heretici et opponendovisi li cattolici, fu proposto dall’abbate Zvetelense [Johann Seyfried] che per sodisfattione d’ambe le parti li si desse limitata, cioè mentre si trovasse utile et espediente a S. Maestà, alla religione et alla provincia, et perché si faceva qualche difficoltà nel punto della religione, parve al Cam [Johann Eusebius Khuen von Belasy] che potesse lasciarsi includendosi tacitamente nell’utile della provincia, et così fu concluso et esseguito74. Secondo l’ambasciatore spagnolo cruciale era stato il ruolo delle provincie di Moravia e Slesia, coordinate da Khlesl e dal cardinale Franz von Dietrichstein (1570–1636)75. Da un lato, infatti, non era stato troppo difficile riattivare le divisioni del 1608, dall’altro quelle legate a cause contingenti76, fino a giungere allo svuotamento progressivo delle possibilità stesse della Dieta. Le decisioni finali sui punti controversi erano state infatti demandate alle Diete delle singole provincie: essendosi però gli slesiti et lusazii riserbata l’approvazione de’ loro principali, a’ quali hanno detto di riferirlo, senza obligargli in cosa nessuna77. I rappresentanti di Slesia e Moravia avrebbero addirittura detto al re che per obedire al suo commandamento son venuti a questa Dieta et non perché riconoschino il regno di Boemia per superiore, et che le diete et le contributioni intendono farle sempre separatamente nelle provincie loro78. Già il 29 giugno, commentando le pretese di precedenza della Moravia, Claudio Sorina aveva commentato: Bella strada da confederarsi. Li boemi non concederanno il luogo et la Moravia, in vece de rinovar l’unione, si smembrerà, come ha fatto la Silesia, da questo regno, et tal disunione sarà di più profitto all’Imperatore79. Che si trattasse in buona parte del risultato di una raffinata strategia messa in moto dalla corte era noto anche all’auditore del nunzio: e per quanto mi dice il signor cardinal Diechtristain si crede che tutto segua di consenso di S. Maestà, la quale intenda col lor mezo impedir questa confederatione et difesa80. Una delle lettere ci permette di comprendere meglio anche la reale consistenza della cosiddetta „opposizione“ in seno agli Stati. I membri più inclini ai desideri di Mattia, in buona parte cattolici, erano infatti riusciti a limitare lo spazio di manovra dei singoli, ricorrendo al rifiuto di innovazioni procedurali: tanto più che quelli che sono bene intenzionati verso la Maestà Sua hanno suscitato l’antiche constituzioni di questo regno, che ciascuno in Dieta deve dire particolarmente il suo voto, dove havevano introdotto di farlo tumultua  Alessandro Vasoli, 6 luglio 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-G, fol. 85rf.   Baltasar de Zúñiga, 8 agosto 1615, NA, SbPDZA, Simancas, 2 (originale Archivo General de Simancas). Significativa era inoltre la circostanza che, nel febbraio del 1615, Karl von Žerotín avesse rinunciato al suo incarico di Capitano di Moravia, lasciando ulteriore spazio d’azione alla minoranza cattolica, Bahlcke, Regionalismus (come nota 32) 392. 76  Carlo Sciaratino [Karl von Žerotín] fece un di questi giorni un’orazione dicono molto bella in favore de’ boemi, essendo con essi per rispetto della disputa che hanno con gli slesiti per il ducato di Troppa [Opava/Troppau], nella quale vengono da’ boemi favoriti. Giuliano Medici, 20 luglio 1615, ASF, MdP, 4368. In una lettera precedente il nobile moravo veniva così caratterizzato: poiché quanto abbonda di valore speculativo, altretanto dicono che manchi del pratico nel cimentarsi all’esecuzioni. Ivi, 21 febbraio 1615. Sulla vicenda di Opava/Troppau si veda Bahlcke, Regionalismus (come nota 32) 397–399. 77  Giuliano Medici, 3 agosto 1615, ASF, MdP, 4368. Ancora più chiare sono le parole della lettera successiva: gli slesiti s’accordorno nella defensione, riserbando però l’approbazione a’ loro superiori, i quali insieme co’ boemi et moravi mandino loro commissarii a Sua Maestà con plenipotenza per accordare tutt’i punti concernenti a questo particolare, che dovrà ire molto in lungo, perché detta plenipotenza non si può dare se non dalle diete da farsi in Slesia e Moravia, et poi starà a Sua Maestà a tirare il negozio in lungo quanto vorrà. Ivi, 10 agosto 1615. 78  Alessandro Vasoli, 29 giugno 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-K, fol. 158r–160r. 79  Claudio Sorina, 22 giugno 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 486r–489r. 80  Alessandro Vasoli, 27 luglio 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-G, fol. 134rf. 74 75



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riamente, nel che tre o quattro, che facevano del caporione, guidavano il resto come tante pecore81. In questo modo si potrebbe anche essere trovata una risposta convincente alla non unità di intenti all’interno dell’„opposizione“ rispetto alle Diete precedenti e alla perdita di influenza dell’ala più radicale, già segnalata dalla storiografia recente82. Nel momento in cui si pretendeva il voto di ognuno, influenzare il risultato finale delle contrattazioni in seno alla Dieta, che avrebbero condotto a un compromesso accettabile per la maggioranza, diventava un’operazione molto più complessa e, forse anche per questo motivo, in più occasione i „radicali“ Heinrich Matthias von Thurn, Georg Friedrich von Hohenlohe (1569–1645), Leonhard Colonna von Fels (1565–1620) e Wenzel Wilhelm von Ruppa (†  1634) si erano trovati isolati. L’operazione, da parte degli Stati cattolici, di fomentare ad arte conflitti di precedenza sarebbe emersa in modo particolarmente evidente a proposito dei rapporti con gli Stati dell’Austria inferiore: Doppo i moravi essendosi licenziati gli slesiti, gl’austriaci inferiori furono in Dieta et domanderono agli Stati di Boemia quello che da loro pretendevano, che i cattolici havevano messo su che non convenisse alla regia dignità loro richiedere altri di confederazione, ma che altri richiedessero loro, onde risposero che dicessero quello che gl’occorreva, et essi che aspettavano che fusse detto a loro83. Sfruttando l’impasse, Mattia aveva poi potuto rimandare a casa la delegazione. Nel caso dell’Austria superiore, invece, i cui deputati, fuor dello Stato ecclesiastico, erano tutti eretici, et de’ più fini, la delegazione, dopo un severo richiamo nei confronti di Gotthard von Starhemberg84, era stata liquidata in modo leggermente diverso, ma nei fatti rendendo di nuovo impossibile qualsiasi discussione: fu preso per rimedio che lo Stato ecclesiastico dicesse che erano stati chiamati qui alla Dieta generale per concludere con tutti gli altri, et che già i moravi, slesiti et austriaci inferiori s’erano licenziati et partiti, et però che non haveva più luogo la loro commissione, che in ogni modo c’è stato da fare a fare che si quietino et è bisognato anco che ci s’interponga l’autorità di Sua Maestà, abbuonando le ragioni degli abbati85. Praticamente già a metà luglio era quindi evidente che, all’interno degli Stati, stesse prevalendo l’orientamento di conformarsi alle antiche tradizioni: Nondimeno si può pure almeno fare qualche giudicio che sieno per prevalere quelli che non si curano di novità, et che insomma, confermandosi le antiche confederationi, si stabilirà solamente una difesione, con dichiararsi da ciascheduna provincia et regno gli aiuti c’havranno da contribuire in ogni bisogno contra chi si muovesse per offenderli o fossero turchi od altri86. E qualche settimana dopo era ormai palese che la tanto temuta Dieta generale si sarebbe conclusa in modo molto diverso da quanto immaginato: et intanto i boemi che mediante i quattro punti proposti, pensavano di deprimere l’authorità di Sua Maestà Cesarea, restano già depressi loro, poiché la Slesia comincia a tirargli de’ calci et volere scuotere la loro superiorità, cosa che in ogni   Giuliano Medici, 6 luglio 1615, ASF, MdP, 4368.   Kučera, Stavovská opozice (come nota 31) 9–21. 83  Giuliano Medici, 17 agosto 1615, ASF, MdP, 4368. La settimana successiva avrebbe aggiunto: Gl’austriaci inferiori su quell’altercazione co’ boemi, che scrissi a V. A. la settimana passata, non conclusero altro nella loro consultazione che di non concludere niente, dicendo a’ boemi che havendogli domandato quello che volevano, che essi non sapendo di che richiedergli, se ne ritornerebbono a casa, con speranza però sempre che, se i turchi facessero qualche moto, non havessero a mancarle d’aiuto per difendere ancora insieme se stessi; attribuendosi questa sconclusione al barone Kam [Johann Eusebius Khuen von Belasy] che, quanto prima veniva detratto da monsignor Glesellio [Khlesl], altretanto viene adesso esaltato. Ivi, 24 agosto 1615. 84  Krofta, Snahy (come nota 29) 208–210. 85  Giuliano Medici, 24 agosto 1615, ASF, MdP, 4368. 86  Cesare Florio, 13 luglio 1615, ASMo, Canc. duc. Germ., 63, fol. 7rf. 81 82

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occasione non resteranno per l’avvenire di mettere sempre in campo, poiché una volta hanno cominciato87. Una volta ottenuto l’obiettivo della sospensione della Dieta universale88, restavano da affrontare gli ultimi due punti controversi, di pertinenza della Dieta particolare di Boemia, dove gli Stati sembravano godere di una maggioranza pressoché assoluta. Benché nemmeno nelle settimane precedenti si fosse vista, all’interno degli Stati di Boemia, quell’unione così spesso supposta dagli storici89, un nuovo momento di svolta, dettagliatamente descritto in una lettera di Giuliano Medici, era venuto proprio allora, quando alcuni dei membri più intransigenti dell’opposizione in seno agli Stati e il maggiordomo maggiore del regno, Adam von Waldstein († 1638), uno dei pochi cattolici rimasti fedeli a una concezione politica statuale, si erano allontanati da Praga90. Il burgravio Adam von Sternberg († 1623) aveva allora messo all’improvviso in votazione i due punti in questione91. L’accesa discussione che era seguita tra i rappresentanti protestanti degli Stati e quelli cattolici si era conclusa con l’affermazione dell’opinione dei secondi: subito s’opposero i conti della Torre [Heinrich Matthias von Thurn] et d’Olacch [Georg Friedrich von Hohenlohe], il Felz [Leonhard Colonna von Fels] con altri della loro fazzione, che non fusse tempo et che bisognasse cosa di tanto grand’importanza farla maturamente, come quelli che volevano aspettare il Wolstein [Adam von Waldstein] con nuova gente, ma fu con sì vive ragioni mostrato il contrario dal viceré [Adam von Sternberg], dal gran cancelliere [Zdenko Adalbert von Lobkowitz], dallo Slavata [Wilhelm Slawata], et con una lunga orazione dal barone Smecianschi [Jaroslav Bořita von Martinitz], tutti cattolici, che fu risoluto che fusse tempo di risolvergli per voto ancora di molti eretici. Nessun risultato aveva avuto nemmeno l’abbandono della Dieta da parte dei più irriducibili: di che sdegnati i conti della Torre, d’Olacch e’l Filz si partirno di Dieta, ma però non furono seguitati se non da due o tre forse, contro l’oppinione loro, onde il Felz ritornò et nel votare fece tutto quel che poteva, ma in vano, perché molti eretici stessi votorno nel punto della convocazione de’ circoli che non convenisse così deprimere il padrone et si lasciassero le cose secondo gli ordini antichi92. La Dieta era giunta a un punto di svolta ed erano mutati gli equilibri iniziali, dando vita ed a un’inconsueta alleanza tra i cattolici e una parte dei luterani contro i calvinisti: Però che, sendo nata   Giuliano Medici, 10 agosto 1615, ASF, MdP, 4368.   si è finalmente risoluto […] che di quanto si è trattato nel particolare della difesione, ciascheduna delle parti n’avvisi i suoi principali, i quali habbiano da vedere ciò che loro non paia et significarlo ad altri del modo che sarà stimato più a proposito. Cesare Florio, 10 agosto 1615, ASMo, Canc. duc. Germ., 63, fol. 28r. 89   trovandosi intanto molta confusione e discordia fra i boemi istessi. Alessandro Vasoli, 27 luglio 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-G, fol. 134rf. 90  Intanto restava la Dieta boema qui oziosa, et però Adamo di Wolstein [Adam von Waldstein] maiordomo del regno, che di nome è cattolico, ma in effetto pare che faccia peggio degl’eretici stessi contro gl’interessi di Sua Maestà, se n’era ito fuora con oppinione ancora che non fusse senza fine di chiamare molti baroni eretici in Praga per essere più gagliardi nella convocazione de’ circoli et della confederazione del regno di Boemia co’ principi forestieri. Giuliano Medici, 17 agosto 1615, ASF, MdP, 4368. Secondo Slavata, da Stefan Georg von Sternberg a Postoloprty, assieme ad Adam von Waldstein, si erano recati Karl von Žerotín, Wilhelm von Lobkowitz il giovane e anche Heinrich Matthias von Thurn, mentre a difendere le ragioni degli „Stati sotto le due specie“ erano stati soprattutto Leonhard Colonna von Fels e Wenzel Wilhelm von Ruppa, Paměti (come nota 20) 2 193f. Si vedano anche le laconiche osservazioni di Adam von Waldstein, Deník rudolfinského dvořana. Adam mladší z Valdštejna 1602–1633 [Il diario di un cortigiano rudolfino. Adam von Waldstein 1602–1633], a cura di Marie Koldinská–Petr Maťa (Praha 1997) 232, e il resoconto di Gindely, basato sulle parole di Slavata, Gindely, Dějiny (come nota 26) 92f. 91  parve a’ servitori di Sua Maestà che fusse tempo di poter trattare di questi due punti con più vantaggio della Maestà Sua. Giuliano Medici, 17 agosto 1615, ASF, MdP, 4368. 92  Ibidem. 87 88



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discordia tra li capi principali della congregatione rispetto della religione, alcuni de’ lutherani, per dispetto de’ calvinisti, si sono accordati con catholici et si sono contentati spontaneamente di sottoscriversi alli capitoli delle proposte, cioè: che le provincie non possino far quella unione quale dimandavano, né possano armare esserciti senza saputa di S. Maestà C., né unire qualsivoglia convento o dieta senza il consenso di S. M. et non si debba innovar niente circa alle religioni, né si possino edificare nelle città altre chiese d’heretici; et in somma, tutto ciò che nelle proposte volevano, è andato in fumo, et sono assai confusi gli heretici, quali credeano avanzarsi assai, se ottenevano il loro intento, et dissegnavano ridurre l’autorità del suo Re a segno che paresse un re dipinto93. Queste informazioni meritano di essere completate con le parole del nunzio, tornato a Praga dopo un soggiorno alle terme, che spiegano i motivi (magari pretestuosi) che avevano portato molti rappresentanti dei cavalieri e delle città a votare contro i due punti: Questo stabilimento com’è seguito con gran disgusto et repugnanza degli eretici, così fa molto per il servitio di S. Maestà et per la sicurezza de’ cattolici. Nel che ha assai giovato l’esservi concorso l’ordine equestre et delle città, essendosi essi ben accorti che alcuni capi eretici, per haver l’armi in mano et poter a spese del publico riempirsi le borse, procuravano sotto specie di ben comune d’introdur nuovi partiti et nuove usanze94. Ancora più esplicite sono le parole di Cesare Florio: Et sì come la concessione di questi punti veniva a scemare la potestà regia et a fomentare quelli che la vedriano volontieri abbassata, et che sono gli heretici, c’hanno introdotte nuove sette et perniciosissime in Boemia, così i capi di tali heretici si erano collegati insieme et procuravano ad ogni loro potere concessione tale, ma et i capi di cattolici all’incontro si sono opposti, et con haver rimostrato non solamente agli altri cattolici, ma ancora agli altri heretici che non si curano di alterationi, li disordini et inconvenienti che se ne potevano aspettare, n’hanno anco finalmente conseguito una publica dichiaratione che intorno a detti punti non si habbia da innovar cosa alcuna, ma da starsi alle antiche confederationi et stili vecchi et ordinarii etc.95. In tutte le manovre precedenti ben più importante di quanto supposto dalla storiografia è dunque stato il ruolo della minoranza cattolica in seno agli Stati e la capacità di trovare importanti alleati sia all’interno degli altri Stati sia tra i luterani moderati. Non c’è quindi da stupirsi che, in occasione della Dieta generale della Corona di Boemia, tenutasi nel luglio del 1619 durante la ribellione, si ricordasse che nel 1615 la confederazione fosse stata vanificata da „persone malvagie e dannose“ e soprattutto dai cattolici „con le loro astuzie e pratiche ingannevoli“96. Respinti tutti e quattro i punti che sembravano più complessi per la politica della corte, ai protestanti non restava infatti in mano nessun’arma con cui bloccare la proposizione delle contribuzioni. Khlesl, nel frattempo arrivato a Praga, poteva quindi ora arrogarsi tutto il merito della felice soluzione di una situazione potenzialmente molto pericolosa97. La sensazione di scampato pericolo è evidente in tutte le testimonianze analizzate, a   Antonio Maria Colombi, 30 agosto 1615, ASNa, Arch. Farn., busta 172, fol. 877.   Placido de Marra, 17 agosto, ASV, Segr. Stato Germania, 114-K, fol. 245r. Si veda la risposta soddisfatta del cardinal nepote, Scipione Borghese, 12 settembre 1615, Roma, Biblioteca Angelica, fol. 106v–107r. Se ne veda la conferma anche nella lettera dell’ambasciatore spagnolo, che sottolineava anche il ruolo chiave del cancelliere Lobkowitz e dello Stato ecclesiastico per risolvere il problema dell’Austria superiore, Baltasar de Zúñiga, 24 agosto 1615, NA, SbPDZA, Simancas, 2 (originale Archivo General de Simancas). 95  Cesare Florio, 17 agosto 1615, ASMo, Canc. duc. Germ., 63, fol. 34r. 96  Il testo del 1619 è riportato in Paměti (come nota 20) 2 201f. 97  Glesellio [Khlesl] adesso s’arroga lui tutta questa gloria, anzi mi disse il giorno seguente a cappella che 93 94

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partire da Medici: Onde resta in tutto finita la Dieta generale, non solo senza perdita nessuna del servizio di Sua Maestà et della casa d’Austria, ma con molto acquisto di riputazione per esserne riusciti così felicemente senz’alcuna sorte d’alterazione98. Il più soddisfatto di tutti era ovviamente il nunzio: la Dieta sia per terminarsi, restandone intanto del tutto estinta questa hidra, che con quei suoi quattro capi minacciava la ruina del regno et di tutte l’altre provincie hereditarie per quanto tocca all’autorità del padrone et alla sicurezza et mantenimento de’ cattolici99.

Questione finanziaria Di recente Petr Vorel ha messo in discussione il giudizio tradizionale sulla politica fiscale della Dieta del 1615, interpretandola in una più ampia prospettiva diacronica come il risultato dello sforzo dei creditori di spostare il peso dei debiti accumulati dagli Asburgo su tutti i contribuenti e come il tentativo da parte degli Stati di creare una disponibilità finanziaria che poi l’„opposizione“ avrebbe potuto controllare (ed eventualmente anche sfruttare, ad esempio, per finanziare un’armata)100. Proprio questo del resto sarebbe avvenuto dopo la ribellione del 1618, quando le decisioni prese dalla Dieta del 1615 sarebbero state sfruttate per i nuovi scopi degli Stati insorti101. In altro testo dello stesso autore, la storia di questi anni cruciali sarebbe stata tradizionalmente interpretata „in modo completamente falso“, mentre la giusta prospettiva, basata su un’analisi degli articoli approvati nel corso della Dieta, sarebbe quella della „lotta per le risorse economiche“ e l’interpretazione corretta non può quindi essere quella di un „successo della politica imperiale“102. Si tratta di giudizi che sembrano in parte influenzati da quanto successo dopo la defenestrazione del 1618 e in parte da una visione strettamente economicista degli avvenimenti, soprattutto alla luce della precedente politica aggressiva degli Stati. Le nuove fonti utilizzate in questo articolo sembrano invece confermare l’equilibrato giudizio di Gindely e rendono davvero difficile valutare la Dieta in altro modo che come una totale sconfitta delle attese degli Stati non cattolici103. Tutte le relazioni degli ambasciatori e residenti sono del resto concordi, si vedano ad esempio le parole di Giuliano Medici: Doppo spediti gl’inferiori et superiori austriaci si venne al punto della contribuzione et hanno concluso questi Stati di dare a Sua Maestà ottocentomila talleri l’anno per cinque anni, contribuzione la maggiore che habbino mai data in tempo di pace, il che torna non solamente in utile di Sua Maestà, ma in grandissima riputazione ancora, poiché questi caporioni facevano professione che se l’Imperatore non dava quest’altri consiglieri erano stati qui dei mesi senza fare niente et che arrivato lui, subito haveva dato ripiego a ogni cosa, Giuliano Medici, 17 agosto 1615, ASF, MdP, 4368. 98   Ivi, 24 agosto 1615. 99  Placido de Marra, 24 agosto 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-K, fol. 256r. 100  Vorel, Velké dějiny (come nota 34) 509f. Nella recensione al lavoro Petr Maťa aveva sottolineato la necessità di sottoporre a verifica alcune delle ipotesi dell’autore, auspicando tra le altre cose lo studio delle fonti finora non utilizzate, tra cui le relazioni degli ambasciatori. Dějiny – teorie – kritika 1 (2006) 140–153, qui 143. 101   Vorel, Velké dějiny (come nota 34), 511f. 102   Idem, Die Fiskal- und Währungsstrategie (come nota 34). Tra i tanti esempi possibili si veda, al contrario, il severo giudizio di Peter von Chlumecky, Carl von Zierotin und seine Zeit 1564–1615 (Brünn 1862) 850–856. 103  E’ sintomatico anche che alla Dieta del 1615 non ha riservato invece molto spazio Otto Placht, České daně 1517–1652 [Le contribuzioni boeme 1517–1652] (Praha 1924).



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sodisfazione alle loro domande, che non gl’havrebbono dato contribuzione nessuna, et pure non hanno ottenuto niente di quanto desideravano et la contribuzione sarà maggiore del solito104. Ancora più esplicito era stato il nunzio, che sottolineava un altro aspetto importante dell’eccezionale contribuzione concessa, quello dell’esempio futuro per le altre provincie, oltre a segnalare la volontà di alcuni di cancellare la precedente impressione negativa (nello specifico si trattava di Adam von Waldstein) e le discussioni che erano scoppiate, inizialmente tra i due Stati nobiliari105. Il buon risultato finale sottolineato da Vorel è quindi forse interpretabile come l’esito delle accese discussioni che erano continuate nella settimana seguente, quando anche i cittadini avevano protestato vivacemente per l’entità della loro parte di contribuzione106, così generosamente concessa dai nobili: Pare che la Dieta si sia pentita della grossa contributione decretata a S. M., vedendosi ogn’uno nella compartita troppo aggravatto et dolendosi le città che li baroni, larghi nel promettere et stretti nell’adempire, gettino il maggior peso sopra di esse, ricusano di consentirvi et ne hanno dato supplica all’imperatore107. Anche il residente di Mantova confermava la soddisfazione per l’esito finale: La Dieta generale di questo regno, dalla quale si temevano turbulenti ressoluzioni, è vicina al fine che sarà (mercè la misericordia di Dio, che favorisce la singolar pietà di questi principi e principesse) più felice e più buono per l’Imperatore che egli stesso né nessuno aspettasse o sperasse, concedendogli li bohemi la maggior parte delle domande fattegli da S. Maestà e spezialmente l’augumento de’ dacii sopra le case, birra e vino, et 150 mila talleri per le spese e donativo de’ turchi […], gli liberano molti dominii e baronie, che erano impegnate et hipotecate per debiti delli imperatori suoi fratello, padre et nonno, che tutti ascendono a tre milioni e dugento mila talleri108. In una lettera molto significativa dell’ambasciatore veneziano si sottolineava comunque l’esistenza di una precisa strategia da parte degli Stati nella concessione delle contribuzioni, destinate per lo più ad appianare i suoi debiti: S’è questa settimana dalla Dieta risoluto la contributione che boemi si contentano dar all’imperatore, maggiore di quello si pensava et che per l’adietro sia stata mai data perché, computate tutte le cose, si fa conto ascenderà a quatro millioni di tallari, che s’obligano sborsar in cinque anni per conti diversi, et nondimeno di così gran somma picolissima parte a pena ne verrà in mano di S. M. perché la   Giuliano Medici, 31 agosto 1615, ASF, MdP, 4368.   i Stati offeriscono di dar a S. Maestà in cinque anni, per estintione de’ debiti et per altro, passi la somma di quattro milion di talari, contributione invero insolitissima, et che per l’essempio che potranno et dovranno haverne l’altre provincie annesse et adiacenti, vien stimata ragionevolmente di tanto maggior conseguenza; oltre che il veder S. Maestà contra la vulgata opinione per il felice fine di questi comitii, tenuti per altro difficilissimi, così amata et stimata da’ sudditi, dovrà far una assai buona et gagliarda impressione nell’Imperio. Il primo che mosse prattica di contributione così eccessiva, in ammenda degli errori passati et per conciliarsi l’animo del padrone, fu il signor di Vollestain [Adam von Waldstein], maggiordomo maggiore del regno, trattenutosi in Praga per la tardanza dell’ambasciatore turco più di quel che si credeva; et li riuscì felicemente, essendovi l’ordine equestre in particolare concorso con molta prontezza. S. Maestà se ne mostra contentissima et monsignor Gleselio [Khlesl] ne trionfa, come d’opra sua; se ben altri dicono il contrario, attribuendo il buon essito del negotio semplicemente alla sincerità et chiarezza con che, in absenza d’esso monsignor Gleselio, s’è trattato con boemi. Placido de Marra, 31 agosto 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-K, fol. 276r. 106  Circa la contribuzione di questa Dieta c’è stata questa settimana gran disputa co’ cittadini che reclamavano che la porzione della contribuzione che toccava a loro fusse troppo grande, ma in fine sabbato s’accommodorono, siché adesso presto si spera il fine di questa Dieta. Giuliano Medici, 7 settembre 1615, ASF, MdP, 4368. 107  Giorgio Giustinian, 7 settembre 1615, ASVe, Disp. Germ., 50, fol. 1r–4r, qui 1r–2r. 108  Claudio Sorina, 31 agosto 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 528r–530r; si veda anche Idem, 7 settembre 1615, ivi, fol. 532rf. 104 105

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Dieta, provedendo a questo, ha in un istesso tempo decretato la contributione et come deve esser distribuita, che la maggior parte sarà in sodisfatione de’ suoi debiti, onde per tal via venirano boemi a pagar se medesimi et a ricever con una mano quasi tutto ciò che sborseranno con l’altra; Cesare però ne riceverà questo beneficio che le sue signorie, obligate a predetti debiti, resteranno desimpegnate109. Un ulteriore tema, molto commentato nelle relazioni, riguardava il tentativo di ottenere che la corte fissasse la sua residenza a Praga: et gli darà, come si crede, nella maggior parte sodisfattione, principalmente per obligarlo a fermar una volta qui la sua residenza, come somamente desiderano, ma non basterà perché le Maestà Loro non vi stano volentieri, et per sola necessità se vi sono condotte110. Alcuni, a quanto pare, avevano addirittura ipotizzato l’introduzione di condizioni nel pagamento delle contribuzioni: Era poi passato per il pensiere a qualcheduno di proponere all’incontro qualche conditione che obligasse Sua Maestà a fermarsi per qualche tempo nel regno, ma non è stata giudicata pretensione conveniente. Ben si crede almeno che d’altra maniera ne faranno uffici supplicandola etc., sicome si crede insieme che ella non mancherà di gratificarli, mentreché qualche necessità non la chiami altrove111. La Dieta si era inoltre conclusa con la citata causa di Wenzel Kinsky von Wchynitz112 e con la concessione di un ingente donativo a Khlesl, cioè al principale artefice della debacle degli Stati113. Del resto, nell’opinione di Giuliano Medici, la sua influenza era stata notevolmente accresciuta: si vede che va rigirando le cose et maneggiando gli Stati di Boemia a suo modo114. L’impressione generale, in conclusione, è che sia impossibile dare un giudizio corretto su singoli aspetti di quanto approvato nella Dieta del 1615 senza tenerne presente il decorso, incerto all’inizio, poi dominato dai tatticismi messi in atto dalla corte per determinarne la conclusione e terminato con la forte affermazione degli interessi cattolici: Sabato sera finalmente si concluse questa Dieta boemica, con intiera sodisfatione di S. Maestà per le ragioni altre volte scritte; et quel che deve più consolarci, con gran riputatione et sicurezza de’ cattolici, et per il contrario con altretanta mortificatione degli eretici, che nel principio, tenendosi per sicura a lor voto la decision di quei quattro articoli, credevano quasi inghiottirci115.

Questione linguistica L’articolo della Dieta generale del 1615 che ha suscitato maggiore ammirazione tra i patrioti cechi ottocenteschi e più discussioni tra gli storici è stato quello relativo alla   Giorgio Giustinian, 31 agosto 1615, ASVe, Disp. Germ., 49, fol. 202rf., qui 202r–203r.   Idem, 24 agosto 1615, ivi, fol. 188r–190r, qui 188r. 111   Cesare Florio, 7 settembre 1615, ASMo, Canc. duc. Germ., 63, fol. 46r. 112  havendo havuto quasi tutti gli Stati contrarii, i cattolici per havere tenuto per questo Imperatore contro l’Imperatore Ridolfo et gl’eretici per essersi da qualche tempo in qua fatto ottimo cattolico et molto zelante nella religione. Giuliano Medici, 21 settembre 1615, ASF, MdP, 4368. Sulla causa si vedano anche Giorgio Giustinian, 21 settembre 1615, ASVe, Disp. Germ., 50, fol. 41r–44r; Idem, 5 ottobre, ivi, fol. 85r–91r, qui 86r–89r; Claudio Sorina, 21 settembre 1615, ASMa, AG Cart., 490, fol. 541r–543r; Idem, 28 settembre, ivi, fol. 549rf.; Cesare Florio, 21 settembre 1615, ASMo, Canc. duc. Germ., 63, fol. 96rf.; Idem, 28 settembre 1615, ivi, fol. 60r. L’episodio è inoltre raccontato in Paměti (come nota 20) 2 166–180; e, sulla base delle sue parole, da Aleš Valenta, Dějiny rodu Kinských [La storia della famiglia Kinský] (České Budějovice 2004) 53–60. 113  Giuliano Medici, 14 settembre 1615, ASF, MdP, 4368. 114  Ivi, 28 settembre 1615. 115  Placido de Marra, 5 ottobre 1615, ASV, Segr. Stato Germania, 114-K, fol. 300r. 109 110



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difesa della lingua ceca116. Merita forse di essere ricordato che era stato riscoperto nella primissima fase della rinascita nazionale e ripubblicato già nel 1806 su una delle prime riviste in lingua ceca, all’interno dell’appassionato articolo di Jan Nejedlý „Sull’amore per la patria“117. Si tratta di un testo programmatico e fondativo che precedeva la prima parte del celebre dialogo di Jungmann sulla lingua ceca, cioè il testo in cui veniva per la prima volta, anche per la Boemia, rivendicata l’identificazione herderiana tra lingua, popolo e nazione118. Lo stesso Jungmann aveva poi ripreso il testo nella sua celebre storia della letteratura ceca come esempio della cura che le generazioni precedenti avevano avuto nei confronti della propria lingua119. Da allora è stato pubblicato ripetutamente ed è stato oggetto di accanite controversie tra gli storici. Si tratta infatti di una „legge“ che, sia pure nel solco di analoghe norme degli Stati in varie provincie governate dagli Asburgo, presenta per l’epoca un’inconsueta „lenght and detail“ e si presenta come „a complex but rather ingenuos mixture of linguistic and ethnic grievance, with the former shading into the latter“120. Proprio la complessità del testo richiede però grande cautela nella sua interpretazione. E’ infatti necessario tenere ben distinti due piani differenti: l’esistenza degli intellettuali citati in precedenza, per lo più non appartenenti alla nobiltà di primo piano, ma sensibili alla questione della lingua, che ne hanno accolto con simpatia le conclusioni, e il significato concreto dell’articolo in seno a una Dieta dal decorso così faticoso e sorprendente. E’ certo possibile e legittimo, come del resto più volte è stato fatto, costruire una cronologia del passato ceco basata sulle „difese“ della propria lingua e questa norma, proprio per l’apparente radicalità nei confronti degli stranieri „che non sanno mettere insieme tre parole in ceco“, non può non rappresentare uno degli esempi più fulgenti. Allo stesso tempo non si possono però trascurare le numerose controversie sull’uso pubblico della lingua che hanno caratterizzato il periodo121 e bisogna, in quest’ottica, cercare di comprenderlo anche nel contesto politico e religioso in cui è stato formulato. Tenendo presente che una norma approvata in una sede specifica per motivi contingenti può essere poi interpretata in modo diverso dai contemporanei (se non addirittura dai partecipanti stessi alla sua formulazione). In questo lavoro cercheremo quindi di verificare se le fonti utilizzate per precisare il significato di altri aspetti della Dieta boema del 1615 non possano rivelarsi utili anche a questa proposito. E’ noto che nel corso della Dieta erano state approvate altre due iniziative significative: quella di rinnovare la persecuzione nei confronti dei calvinisti, nell’ottica dell’inconsueta alleanza tra cattolici e parte dei luterani, e quella di togliere incarichi di prestigio e ben remunerati ai più ostinati oppositori delle richieste imperiali122. In più occasioni le relazioni   Per la sua più recente interpretazione si veda Vorel, Velké dějiny (come nota 34) 512–523.   Jan Nejedlý, O lásce k vlasti [Sull’amore per la patria]. Hlasatel český 1/1 (1806) 5–42, qui 28–37. 118   Josef Jungmann, O jazyku českém [Sulla lingua ceca]. Ivi 43–48. 119  Idem, Historie literatury české aneb saustawný přehled spisů českých s krátkau historij národu, oswjcenj a gazyka [Storia della letteratura ceca ovvero panorama complessivo delle opere ceche con una breve storia del popolo, della cultura e della lingua] (Praha 1825) 158f. 120  Evans, Language (come nota 33) 164f. 121  Si veda ad esempio, per il caso della Dieta del 1611, Jan Bedřich Novák, Jazyková prakse na generálním sněmu 1611 [La prassi linguistica alla Dieta generale del 1611], in: Od pravěku k dnešku. Sborník prací z dějin československých k šedesátým narozeninám Josefa Pekaře [Dalla preistoria a oggi. Volume di lavori sulla storia cecoslovacca per il sessantesimo compleanno di Josef Pekař], 2 vol. (Praha 1930) 2 30–38. 122   nella qual è stato anco in proposito di religione preso ordini in estirpatione del calvinismo, il qual serpe et cresce tanto che la setta degl’uscitti, et altre molto prima radicate in questo regno, vanno anichilando. Al barone di Felz [Leonhard Colonna von Fels] et conte della Torre [Heinrich Matthias von Thurn], statti in questa et altre occa116 117

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degli ambasciatori insistono sul fatto che la minoranza cattolica rappresentasse ormai nella Dieta la maggioranza e abbia approfittato di questo predominio anche per influenzare le questioni religiose. Particolarmente significativa è una lettera di Cesare Florio: Questa Dieta di Boemia resta anco fin’hora senza conclusione, non tanto perché ricerca molte considerationi il deliberare donde si habbiano da cavare i denari delle contributioni risolute sopra la propositione fatta da Sua Maestà, come Vostra Altezza havrà veduto dalle mie precedenti, quanto perché i cattolici, preso animo dalla mortificatione c’hanno ricevuto gli heretici nella negativa delle pretensioni c’havevano, sono passati a dedurre molti abusi che havevano essi heretici introdotti nel regno da alcuni anni in qua, accioché per publiche dichiarationi si levino, come si crede che seguirà, et in particolare contra predicanti thedeschi, che sono stati quelli c’hanno promosso simili abusi123. All’interno di una controffensiva nei confronti dei capi più radicali dell’opposizione va letto dunque anche un passo cruciale di una lettera di Giuliano Medici, che ricostruisce con gran precisione il legame tra le iniziative repressive nei confronti dei singoli con quelle legate alle questioni religiose e linguistiche: hanno levato le provisioni al burgravio [Adam von Sternberg], al conte della Torre [Heinrich Matthias von Thurn] et al signor di Felz [Leonhard Colonna von Fels] come capi di guerra; prohibito che non si possa accettare nessun boemo che non parli lingua boema et che non s’oblighi che i figli imparino a parlar boemo, la qual lingua non parlando non possino poi essere capaci d’eredità che gli venga; che nessuno possa havere uffizii in Boemia che per tre generazioni non sia stato accettato boemo, nel che vengono esclusi il conte della Torre, il signor di Felz e’l conte d’Olacch [Georg Friedrich von Hohenlohe], che i padri de’ due primi l’uno era di Stiria, l’altro del Tirolo, et l’Olacch è di Franconia; che in tutte le chiese dove per dieci anni addietro non si predicava todesco, non si possa predicare neanco adesso, nel che sono stati uniti i cattolici co’ luterani per escludere i calvinisti, che facevano venire di fuora molti predicanti che dilatavano la loro religione, dove che i predicanti boemi sono per ordinario assai ignoranti né capaci della sottigliezza calvinistica124. Le parole dell’ambasciatore toscano sono di estrema chiarezza e permettono di contestualizzare il significato di questa imperscrutabile norma in modo diverso rispetto a quanto avevano ritenuto tanto Pekař, che l’aveva ritenuta „opera di vile favore nei confronti dei signori von Thurn, Fels e Šlik [Joachim Andreas Schlick (1569–1621)]“125, quanto Krofta, che reputava inverosimile che l’„insignificante minoranza cattolica e utraquista“ avesse potuto imporre una norma del genere alla maggioranza degli Stati evangelici126. Le relazioni degli ambasciatori permettono dunque di confermare i dubbi di Gindely citati all’inizio di questo studio, confermando l’ipotesi di Sedláček che potesse essersi trattato di una mossa strategica della nobiltà cattolica, utraquista e in parte luterana 127, riproposta in tempi più recenti anche da Kučera e Vorel128. La questione linguistica non sioni quasi sempre oppositi all’instanze dell’imperatore, hanno levato certo carico. Giorgio Giustinian, 14 settembre 1615, ASVe, Disp. Germ., 50, fol. 13r–17r, qui 13r–15r. 123  Cesare Florio, 14 settembre 1615, ASMo, Canc. duc. Germ., 63, fol. 92r. Nella lettera successiva aggiungeva: Hanno anco havuto l’essito che si sperava le pretensioni de’ cattolici in questa Dieta di Boemia, delle quali scrissi a Vostra Altezza con l’ultima. Idem, 21 settembre, ivi, fol. 96rf. 124   Giuliano Medici, 14 settembre 1615, ASF, MdP, 4368. 125   Pekař, Bílá hora (come nota 28) 205. Ancora Polišenský, Třicetiletá válka (come nota 48) 84, la considerava una norma diretta contro i sostenitori degli Asburgo. 126  Krofta, Nesmrtelný národ (come nota 30) 149. 127  Si veda, all’interno dell’ampia voce „Čechy“ [Boemia], il paragrafo di August Sedláček, Poměry národnostní v Čechách [I rapporti nazionali in Boemia]. OSN 6 (1893) 252–259, qui 255. 128  Kučera, Stavovská opozice (come nota 31) 11; Vorel, Velké dějiny (come nota 34) 521.



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era quindi legata a implicazioni di carattere nazionale, come si vuole ancora oggi spesso ritenere, ma soprattutto a questioni politiche e religiose.

Conclusioni La Dieta generale del 1615 è stata interpretata numerose volte dalla storiografia, spesso però in un’ottica fortemente influenzata in senso nazionale o dipendente da quanto sarebbe avvenuto tre anni dopo. Questo ha reso particolarmente proficuo il ricorso a nuove fonti storiografiche che hanno permesso di ricostruire in dettaglio le discussioni concrete dell’episodio in cui l’ascesa degli Stati sotto le due specie, molto marcata tra il 1609 e il 1614, si è improvvisamente arrestata. E’ del resto evidente che, nell’entourage di Mattia, il nervosismo che aveva preceduto la Dieta, si era progressivamente trasformato in soddisfazione quando, grazie alla profonda frattura provocata all’interno degli Stati, era stata disinnescata l’aggressiva rivendicazione dei „quattro punti“. L’episodio dell’abbandono della Dieta da parte di Heinrich Matthias von Thurn, Georg Friedrich von Hohenlohe e Leonhard Colonna von Fels conferma la marginalizzazione delle tendenze più radicali. Anche il fatto che le norme linguistiche fossero dirette esplicitamente contro di loro e che in seno alla Dieta si fosse creata una maggioranza di cattolici, utraquisti e luterani meno intransigenti, che aveva deciso di penalizzare i più radicali e riprendere la persecuzione dei calvinisti, testimonia la progressiva affermazione di un programma non incline alle novità e più conciliante nei confronti delle richieste imperiali. La ricostruzione delle modalità con cui questa nuova maggioranza si è costituita, ha quindi consentito di abbandonare l’ipotesi storiografica che, ancora nel 1615, l’aspetto prevalente nella dialettica politica fosse la schematica contrapposizione tra Stati e sovrano, ipotesi che al vaglio dei fatti si rivela del tutto anacronistica rispetto alla complessità della situazione. E allo stesso modo l’immagine di una contrapposizione tra cattolici e protestanti che non tenga conto delle tensioni tra calvinisti e luterani, sempre pronte a riesplodere in forme e modi diversi, non coglierà mai fino in fondo la situazione politica contingente degli anni precedenti alla ribellione degli Stati. Sulla base delle relazioni degli ambasciatori utilizzate in questo lavoro si può addirittura ipotizzare che quest’interpretazione precostituita abbia influenzato (e continui a influenzare) anche l’interpretazione degli avvenimenti successivi, a partire dal momento dell’ascesa al trono boemo di Ferdinando II nel corso dell’altrettanto problematica Dieta del giugno del 1617, che andrebbe probabilmente a sua volta sottoposta a una più complessa ricostruzione storiografica.



Ein vergessener Ausgleich in der Geschichte der Habsburgermonarchie des 17. Jahrhunderts: Der ungarische Krönungsreichstag in Ödenburg/Sopron, 1622 Von Géza Pálffy

Einleitung: Die Geschichte des Königreichs Ungarn im 17. Jahrhundert in neuem Licht1 Das „lange 17. Jahrhundert“ – vom Wiener Frieden 1606 bis zum Friedensvertrag in Szatmár/Satu Mare 1711 reichend – nimmt in der Geschichte des Königreichs Ungarn zweifellos eine besondere Stellung ein. Seine historiographische Wahrnehmung ist bis heute vor allem durch das Unabhängigkeitsparadigma geprägt, das die ungarische Geschichtsschreibung im Zeichen von Romantik und Nationalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formuliert hat. In diesem Sinne wurde das 17. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre als eine der entscheidendsten Phasen des ungarischen Unabhängigkeitskampfes, zwischen etwa 1980 und 1990 dagegen dann als Periode des vom Fürstentum Siebenbürgen ausgehenden Versuchs einer Einigung des dreigeteilten Landes betrachtet. Im Gegensatz dazu betrachtet die neuere Forschung die Geschichte des Königreichs Ungarn im 17. Jahrhundert im Kontext eines vielschichtigen Beziehungssystems zwischen der Habsburgermonarchie und dem Königreich Ungarn einerseits und dem Wiener Hof und den ungarischen Ständen andererseits. Historiographisch konnte man hierbei insbesondere an die Forschungsergebnisse des Engländers Robert J. W. Evans, des Österreichers Thomas Winkelbauer und des Franzosen Jean Bérenger anknüpfen. Dabei wird die historische Entwicklung Ungarns zwischen 1606 und 1711 als eine Epoche von Trennungen und Ausgleichsversuchen gedeutet. Die fünf entscheidenden Kompromisssysteme dieses Zeitraums kamen beinahe sämtlich auf ungarischen Reichstagen zustande und gingen mit Königs- und Königinnenkrönungen einher: Pressburg/Bratislava/Pozsony 1608 mit der Krönung Matthias‘ II.; Ödenburg/Sopron 1622 mit der Krönung von Königin Eleonora Gonzaga; Pressburg 1646/47 mit der Krönung König Ferdinands IV.; Ödenburg 1681 mit der Krönung von Königin Eleonore Magdalena Theresias von Pfalz-Neuburg und Szatmár/Pressburg 1711/12 mit der Krönung König Karls III. Diese Ereignisse stellen entscheidende Wegmarken in der ungarischen Geschichte des „langen 17. Jahrhunderts“ dar. 1  Zu dieser Neuinterpretation ausführlicher Géza Pálffy, Jahrhunderte von Trennungen und Ausgleichen: Die Geschichte des Königreichs Ungarn im 17. Jahrhundert in einem neuen Licht. HJb 136 (2017) (im Druck).

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Die vorliegende Studie präsentiert eine der vielleicht am wenigsten erforschten Ausgleichshandlungen – den Kompromiss, der auf dem Krönungsreichstag im Sommer 1622 in Ödenburg erzielt wurde. Auch in der ungarischen Geschichtsschreibung ist dieses Schlüsselereignis fast in Vergessenheit geraten. Widmete Dávid Angyal dem Ereignis von 1622 in seiner Überblicksdarstellung von 1898 noch fünf Seiten, waren es dagegen Mitte der 1980er Jahre nur mehr einige Zeilen2. Ähnliches trifft auch auf Untersuchungen zu, die außerhalb Ungarns entstanden. Obwohl der Name des siebenbürgischen Fürsten Gabriel Bethlen (1580–1629) in fast allen Überblicken zur Habsburgermonarchie und zum Heiligen Römischen Reich sowie zum Dreißigjährigen Krieg auftaucht3, finden die Geschehnisse des Sommers 1622 in Ödenburg in den seltensten Fällen Erwähnung. Der Ausgleich zwischen Kaiser Ferdinand II. und den ungarischen Ständen verdient jedoch besondere Aufmerksamkeit auch aus dem Blickwinkel der Geschichte des staatlichen Konglomerates Habsburgermonarchie. Gabriel Bethlen, Fürst von Siebenbürgen (1613–1629), griff die Monarchie Ende August 1619 in einem äußerst kritischen Augenblick ihrer Geschichte an. Während der Anfang Juli 1618 in Pressburg zum König Ungarns gekrönte Ferdinand II. in diesen Wochen in Frankfurt am Main um die Wahl zum Kaiser kämpfte, wählten die aufständischen böhmischen Stände am 26. August 1619 in Prag den pfälzischen Kurfürsten Friedrich V. zu ihrem König. Ein Jahr später (25. August 1620, Neusohl/Banská Bystrica/Besztercebánya) wurde Gabriel Bethlen von den aufständischen ungarischen Ständen zum neuen Herrscher gewählt, nachdem die Truppen des siebenbürgischen Fürsten einen beachtlichen Teil des Königreichs Ungarn, ja Mitte Oktober 1619 sogar die Hauptstadt Pressburg eingenommen hatten. Obwohl Ferdinand im September 1619 die Kaiserkrone erlangte, durchlebte die Monarchie bis zur Schlacht am Weißen Berg (8. November 1620) eine schwere Krise, bei der sowohl die böhmische als auch die ungarische Krone gefährdet und somit der Fortbestand der Habsburgermonarchie fraglich schien. Deswegen ist der bislang vergessene Ausgleich von Ödenburg 1622 auch unter dem Gesichtspunkt der Gesamtgeschichte der Habsburgermonarchie im 17. Jahrhundert von herausragender Bedeutung.4 2  Dávid Angyal, Magyarország története II. Mátyástól III. Ferdinánd haláláig [Ungarns Geschichte vom Matthias II. bis zum Tod Ferdinands II.] (A magyar nemzet története 6; Budapest 1898) 340–346; Magyarország története 1526–1686 [Ungarns Geschichte 1526–1686], 2 Bde., hg. von Zsigmond Pál Pach–Ágnes R. Várkonyi (Magyarország története tíz kötetben 3/1–2, Budapest 21987) 1 836f.; Gábor Ágoston–Teréz Oborni, A tizenhetedik század története [Die Geschichte des 17. Jahrhunderts] (Magyar Századok 7, Budapest 2000) 53. Mit ihrer Ausführlichkeit stellt die Studie von Nóra G. Etényi eine Ausnahme dar: Sopron a 17. századi nagypolitikában [Ödenburg in der hohen Politik des 17. Jhs.], in: Sopron térben és időben. Sopron kapcsolatrendszerének változásai [Ödenburg in Raum und Zeit. Veränderungen des Verbindungssystems von Ödenburg], hg. von Éva Turbuly (Sopron 2002) 88–92. 3  Einige Beispiele aus dem letzten Jahrzehnt: Charles W. Ingrao, The Habsburg Monarchy 1618–1815 (New approaches to European history 3, Cambridge 22000) 31–33; Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (Österreichische Geschichte 1522–1699, Wien 2003) 1 148–150; Paula Sutter Fichtner, The Habsburg Monarchy 1490–1848: Attributes of Empire (European history in perspective, New York 2003) 34, 47; Barbara Stollberg-Rilinger, Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Vom Ende des Mittelalters 1806 (Beck‘sche Reihe 2399, München 42009) 76f.; Peter H. Wilson, Europe’s Tragedy: A New History of the Thirty Years War (London 2010) 78f.; Thomas Brockmann, Dynastie, Kaiseramt und Konfession. Politik und Ordnungsvorstellungen Ferdinands II. im Dreißigjährigen Krieg (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte N. F. 25, Paderborn 2011) 109f., 115f., 131f., 138–144, 237–243, 256f. 4  Das Thema wurde im Rahmen des „Lendület”-Projektes zur „Heiligen Krone“ des Instituts für Geschichte des Forschungszentrums für Humanwissenschaften der Ungarischen Akademie der Wissenschaften bearbeitet.



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Die Vorgeschichte des Ödenburger Kompromisses: Die in zwei Lager gespaltenen ungarischen Stände (1619–1621) Um den Ausgleich von Ödenburg 1622 besser zu verstehen, ist es unbedingt erforderlich, den ihm vorausgegangenen Bruch zwischen den ungarischen Ständen und dem Herrscher bzw. die Aufspaltung königlicher Gewalt unter Ferdinand II. bzw. Gabriel Bethlen näher zu erläutern. Mehr als zehn Jahre nach dem Aufstand unter der Führung von Stefan Bocskai (1557–1606), der Ende 1608 mit dem Kompromiss zwischen den ungarischen Ständen und König Matthias II. beendet werden konnte, d. h. mehr als zehn Jahre nach dem ersten Ausgleich im 17. Jahrhundert, spalteten sich die ungarischen Stände erneut in zwei Lager, da sich nach dem erfolgreichen Feldzug Bethlens immer mehr Mitglieder der ungarischen politischen Elite auf seine Seite und damit gegen die Habsburger in Ungarn stellten. Der Anschluss an den siebenbürgischen Fürsten wurde zwar durch Waffengewalt erzwungen, aber auch dadurch entscheidend gefördert, dass die 1608 vereinbarten Bestimmungen während der Herrschaft Matthias‘ II. bzw. zu Beginn der Regierungszeit Ferdinands II. nur teilweise umgesetzt worden waren. Dazu gehörte die Religionsfreiheit für Protestanten, die nur zum Teil realisiert wurde. Seit dem Frühjahr 1618 hatte das Land zum Beispiel erneut einen katholischen Palatin (Sigismund Forgách, 1565–1621), was schon den Erfolg der vom Kaiserhof unterstützten Rekatholisierung verdeutlicht. Auch konnten die weltlichen Stände den Prälatenstand nur teilweise aus den Ämtern verdrängen, obwohl eines ihrer wichtigsten Ziele 1605–1608 gerade darin bestanden hatte. Auch wurde die stark zentralisierte Militär- und Finanzverwaltung des Königreiches nicht grundlegend reformiert, was die Unzufriedenheit in den Reihen des überwiegend protestantischen Adels Oberungarns – in Sichtweite von Siebenbürgen – steigerte5. Günstige Rahmenbedingungen also für den siebenbürgischen Fürsten, der taktisch klug die Religionsfreiheit und die ständischen Privilegien zu einem Kernthema seiner Kriegspropaganda im „ungarischen“ Herbst 1619 machte. Auch aufgrund seiner militärischen Erfolge zeitigte das bald Ergebnisse; die Unterstützung für Bethlen unter den ungarischen Ständen nahm 1621 beträchtlich zu6. Lediglich eine kleine, aber sehr einflussreiche Gruppe der höchsten Anführer der Stände blieb dem gekrönten habsburgischen Herrscher treu. Dazu gehörte zum einen der gesamte „status ecclesiasticus“, der nach 1608 seine Positionen hatte wahren, ja sogar festigen können. Zum anderen blieben die Stände Kroatiens und Slawoniens sowie einige mächtige westungarische Aristokraten den Habsburgern treu. Die letztere Gruppe bildeten in erster Linie der königliche Hofmeister (1618–1622) Nikolaus Esterházy (1583–1645), der Herr der Murinsel und Kreisoberst von Transdanubien (1620–1622) Georg Zrínyi (1598–1627), der westungarische Magnat Christoph Bánffy (1577–1644) 5   Kálmán Benda, Absolutismus und ständischer Widerstand in Ungarn am Anfang des 17. Jahrhunderts. SOF 33 (1974) 85–124; Joachim Bahlcke, Calvinism and Estate Liberation Movements in Bohemia and Hungary (1570–1620), in: The Reformation in Eastern and Central Europe, hg. von Karin Maag (St. Andrews studies in Reformation history, Aldershot 1997) 72–91; vgl. neuerdings Zsuzsanna Cziráky, Das Siebenbürgen-Konzept der Kriegspartei in Wien von 1611 bis 1616 anhand der schriftlichen Gutachten von Melchior Khlesl. Ungarn-Jahrbuch 31 (2011/2013) 129–179. 6  Zu den Folgenden ausführlicher Géza Pálffy, Crisis in the Habsburg Monarchy and Hungary, 1619– 1622: The Hungarian Estates and Gabor Bethlen. Hungarian Historical Review 2 (2013) 733–760.

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sowie aus dem Landesteil östlich von Pressburg Paul (1592–1653) und Nikolaus Pálffy (1599–1621). Die Treue zum habsburgischen Herrscher hatte aber einen hohen Preis. Die Frühneuzeitforschung zur Habsburgermonarchie registrierte bislang vor allem die protestantischen Glaubensflüchtlinge7, doch ist es wichtig anzumerken, dass in den Jahren zwischen 1619 und 1621 auch viele Katholiken im Karpatenbecken ein ähnliches Schicksal durchlitten. Während der Feldzüge Bethlens war der Großteil des ungarischen Prälatenstandes zu einer mehrjährigen Emigration gezwungen worden, was der Neusohler Landtag des Fürsten vom Sommer 1620 auch in einem Gesetzesartikel (Nr. 24) festhielt. Der Erzbischof von Gran/Esztergom (1616–1637) Peter Pázmány (1570–1637) und zahlreiche seiner Bischofskollegen fanden in Wien, andere in Kroatien-Slawonien (in Agram/Zagreb und Warasdin/Varaždin), die Mitglieder der Propstei Jossau/Jasov/Jászó und des Domkapitels von Erlau/Eger hingegen in Polen Zuflucht. Dorthin floh auch der nordostungarische Patron der Jesuiten, Oberstlandesrichter (1618–1620) Georg Homonnai-Drugeth (1583–1620), mit seiner gesamten Hofhaltung, obwohl er dort gerade Truppen angeworben hatte, um Bethlens Einheiten aus Oberungarn zurückzudrängen8. Die bereits erwähnten zwei Mitglieder der Familie Pálffy hatten das Glück, dass sie sich nach der Einnahme von Pressburg Mitte Oktober 1619 noch rechtzeitig auf ihre nahegelegenen niederösterreichischen Güter, nach Marchegg, zurückziehen konnten. Sie verfügten nämlich – dank ihres Vaters Nikolaus Pálffy (1552–1600) – auch über die Landstandschaft in Österreich unter der Enns. Die Flucht in kroatisch-slawonisches Gebiet wurde dadurch gefördert, dass die dortigen Stände unbeugsam an der Seite Kaiser Ferdinands II. blieben, wie sie das Anfang Juli 1620 ihrem Herrscher gegenüber auch selbst beteuert hatten9. Für diese Haltung spielten mehrere Faktoren eine Rolle: zum einen die Abhängigkeit von finanzieller Unterstützung durch die innerösterreichischen Länder bei der Grenzverteidigung gegen die Osmanen, zum anderen die geopolitischen Gegebenheiten; die siebenbürgischen Truppen kontrollierten nämlich das Gebiet südlich der Drau nicht mehr. Und schließlich spielte auch die Religion eine Rolle, denn Kroatien und Slawonien blieben auch nach 1608 mehrheitlich katholisch. Die Mitglieder der Familien Draskovics (Drašković), Erdődy, Frangepan, Keglevics (Keglević), Konsky und Ráttkay waren entscheidende Stützen der Habsburger, mit zwei herausragenden obersten Würdenträgern, dem kroatisch-slawonischen Banus (1617–1622) Nikolaus Frangepan (1584–1657) und dem bereits betagten ungarischen Oberschatzmeister (1615–1624) Thomas Erdődy (1558–1624). Eine zweite, zahlenmäßig ähnlich starke Gruppe ungarischer Adeliger wurde dagegen von Bethlens Truppen vorwiegend mit Waffengewalt zum Anschluss gezwungen. Dazu gehörten der erste Würdenträger des Königreiches, Palatin (1618–1621) Sigismund Forgách (1565–1621), und der Präsident der Ungarischen Kammer in Pressburg (1619–1624), Kaspar Horváth (1563–1624). Sie sahen sich nach dem Fall der Haupt7  Neuere Forschungen auch zur katholischen Seite: Glaubensflüchtlinge. Ursachen, Formen und Auswirkungen frühneuzeitlicher Konfessionsmigration in Europa, hg. von Joachim Bahlcke (Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa 4, Berlin 2008). 8  Pázmány Peter összegyűjtött levelei [Gesammelte Briefe von Peter Pázmány], Bd. 1, hg. von Ferenc Hanuy (Budapest 1910) 208–290; ÖStA, KA, HKR, Protokoll 248 Reg., fol. 170r, fol. 175v (Pázmány); ÖStA, HKA, Hoffinanz Ungarn, rote Nr. 123, Konv. 1622 Juli, fol. 430r–433r, und Konv. 1622 August, fol. 98r–102r (Jossau), fol. 291r–292r, fol. 514r–523r (Homonnai) usw. 9  in fidelitate sua laudabiliter constantes permanserunt; ÖStA, HHStA, Ungarische Akten, Allgemeine Akten, Fasc. 170, Konv. B, fol. 20r.



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stadt Pressburg gezwungen, sich der siebenbürgischen Partei anzuschließen. Ein ähnliches Schicksal erlitten in Oberungarn der königliche Obersttürhüter (1618–1625) Melchior Alaghy (1587–1631) sowie der Oberstkämmerer (1610–1621) und General Oberungarns (1618–1619), Andreas Dóczy († 1621). Während Ersterer zu Bethlens Rat und zum General aufstieg, starb Letzterer in Gefangenschaft des Fürsten im siebenbürgischen Fogarasch/Făgăraș/Fogaras. Daneben konnten zudem noch weitere, größtenteils konvertierte Magnaten (aus den Familien Balassa, Czobor, Esterházy, Forgách, Károlyi, Liszthy, Melith, Osztrosics und Rákóczi) vor den im Herbst 1619 schnell vorrückenden Truppen Bethlens nicht mehr fliehen. Auch habsburgtreue ungarische Grenzoffiziere (aus den Familien Bosnyák, Koháry und Pálffy) wurden gefangengenommen. Genauso erging es dem Oberhauptmann von Wesprim/Veszprém (1616–1620), Paul Zichy († 1638), der nach annähernd eineinhalb Jahren Gefangenschaft erst gegen ein Lösegeld von mehreren tausend Gulden freikommen konnte. Auch die Möglichkeiten militärischen Widerstandes der oberungarischen königlichen Freistädte waren ziemlich eingeschränkt. Eine dritte Gruppe in den ungarischen Ständen bildeten dann diejenigen, die entweder Bethlen zum Angriff in Ungarn aufforderten oder sich ihm freiwillig anschlossen. Dem Beispiel der böhmischen Aufständischen folgend, wollte diese Gruppe ihre Beschwerden gegenüber dem Wiener Hof und gegenüber dem ungarischen Prälatenstand mit militärischen Mitteln durchsetzen. Zu diesem zahlenmäßig sehr starken Lager gehörten neben einflussreichen Aristokraten auch zahlreiche Kleinadelige und Offiziere von Grenzfestungen. In den langen Namenslisten dieser Gruppe waren alle drei Kreise des damaligen Königreichs Ungarn (Transdanubien, Nieder- und Oberungarn) von der Drau bis zur siebenbürgischen Grenze repräsentiert. Besonders hervorzuheben unter den Anhängern Bethlens aus Transdanubien waren der königliche Oberststallmeister (1608–1625) und Obergespan des Komitats Ödenburg (1604–1625) Franz Batthyány (1573–1625), der spätere General des siebenbürgischen Fürsten (1620–1621), Nikolaus Zrínyi († 1625) sowie Paul Nádasdy (1597–1633), der Obergespan des Komitats Eisenburg (1604–1633). Zur personellen Machtbasis des Fürsten von Siebenbürgen in Niederungarn zählte auch Peter Révay (1568–1622), der berühmte Kronhüter (1608–1622) und königliche Obersttruchsess (1618–1622), weiters Emmerich Thurzó (1598–1621), der Sohn des bocskaifeindlichen einstigen evangelischen Palatins (1609–1616) Georg Thurzó (1567–1616) bzw. dessen Verwandter Stanislaus (1576–1625), königlicher Oberstmundschenk (1618–1622) und Bethlens General (1619–1622), sowie deren umfangreiche Verwandtschaft. Ihr Übertritt zu Bethlen erscheint deshalb so aussagekräftig, weil sie mehrheitlich den früheren Aufstand Bocskais nicht unterstützt hatten – erst die Macht- und Gegenreformationsbestrebungen des Wiener Hofes und der ungarischen katholischen Elite, die den Kompromiss von 1608 in zahlreichen Punkten verletzten, hatten hier einen Sinneswandel mit schwerwiegenden Folgen bewirkt. Schließlich ist auch die Gefolgschaft von Georg Rákóczi (1593–1648), dem späteren Fürsten von Siebenbürgen (1630–1648), Stefan Nyáry (1580–1643), Georg Széchy (1577–1625) und anderen oberungarischen Adeligen und Magnaten nicht verwunderlich. Viele unter ihnen waren bereits Anhänger Bocskais gewesen; Katholiken gab es darunter höchst selten. Außerdem unterhielten diese Adeligen traditionell enge Beziehungen zu den siebenbürgischen Fürsten aufgrund ihrer nahe bei Siebenbürgen gelegenen Besitzungen und enger verwandtschaftlicher Verbindungen. Sie erhielten in der neuen Militärverwaltung und in der Hofhaltung Bethlens in Ungarn bald herausragende Positionen.

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Alles in allem kann man feststellen, dass Gabriel Bethlen im Februar 1621 nicht übertrieb, als er behauptete, dass etwa die Hälfte der ungarischen Stände auf seiner Seite stehe10. Eine bedeutende Gruppe von Aristokraten unterstützte Bethlen bereits freiwillig – im Gegensatz zu Bocskai, dem sich nahezu kein Magnat angeschlossen hatte11. Es genügt beispielsweise an die erwähnten Franz Batthyány, Stanislaus Thurzó oder Peter Révay zu denken. Eine weitere Gruppe – zum Beispiel der Palatin Forgách oder Kammerpräsident Horváth – konnte der Fürst dank seines schnellen militärischen Vorrückens aus dem politischen Leben und der Staatsverwaltung ausschalten bzw. in eigene Dienste nehmen. Auf diese Weise schränkte Bethlen durch seinen Herbst-Feldzug 1619 zugleich die politische Kommunikation der ungarischen kirchlichen und weltlichen Elite stark ein. In Kenntnis dieser Tatsache ist es verständlich, warum seine Wahl zum ungarischen König Ende August 1620 in Neusohl keine Probleme bereitete. Mit diesem bedrohlichen, ja katastrophalen Szenario waren Kaiser Ferdinand II. und seine verbliebenen Anhänger konfrontiert. Bis zum Herbst 1620 geriet die Macht des Herrschers mehr und mehr ins Wanken, die ungarische Hauptstadt ging in die Hände Bethlens über, die Zahl von Anhängern Ferdinands verringerte sich gefährlich, und die Truppen des Fürsten bedrohten mehrmals die kaiserliche Residenzstadt Wien. Damit rückte Gabriel Bethlen von allen siebenbürgischen Fürsten des 17. Jahrhunderts einer dauerhaften Eroberung des ungarischen Throns am nächsten, nicht zuletzt auch deshalb, weil er damals im Besitz der Stephanskrone war. Durch die Einnahme Pressburgs Mitte Oktober 1619 waren ihm nämlich die dort aufbewahrten ungarischen Krönungsinsignien in die Hände gefallen, die er bis März 1622 in seinem Besitz hatte12. Die Herrschaft Kaiser Ferdinands in Ungarn in dieser krisenreichen Periode der Habsburgermonarchie wurde letztlich durch mehrere Faktoren gerettet: Zum einen war es gegen das grundsätzliche Interesse der Hohen Pforte, in Ungarn einen weiteren großen Krieg mit den Habsburgern anzuzetteln. Istanbul nutzte nämlich zu dieser Zeit eine Unterbrechung (1618–1623) der seit 1603 andauernden Kämpfe in Persien und führte an der polnischen Frontlinie Krieg (1620–1621) – selbst auf direkten Wunsch Bethlens wollte die Pforte keine größeren militärischen Aktionen an der Donau durchführen13. Zum anderen behinderte paradoxerweise der realpolitische Sinn Bethlens weitere Erfolge, weil er sich selbst zur Zeit seiner größten Erfolge darüber klar war, dass im Rahmen des europäischen protestantischen Bündnissystems einer Expansion nach Westen deutliche Schranken gesetzt waren. Drittens ist die militärische Niederlage der böhmischen Verbündeten am Weißen Berg im November 1620 zu erwähnen, die zugleich das Ende der Konföderationspläne der aufständischen böhmischen mit den ungarischen Ständen be10   Erdélyi Történelmi Adatok [Siebenbürgische Historische Angaben], Bd. 1, hg. von Imre Mikó (Kolozs­ vár 1855) 347. 11  Géza Pálffy, Bündnispartner und Konkurrenten der Krone: die ungarischen Stände, Stefan Bocskai und Erzherzog Matthias 1604–1608, in: Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608–1611), hg. von Václav Bůžek (Opera Historica 14, České Budějovice 2010) 363–399, hier 380f. 12  Géza Pálffy, A Szent Korona Bethlen Gábor erdélyi fejedelem birtokában (1619–1622). Egy koronaitinerárium összeállításának lehetőségeiről [Die Heilige Krone im Besitz des siebenbürgischen Fürsten Gabriel Bethlen (1619–1622). Über die Möglichkeiten der Zusammenstellung eines Kronen-Itinerars], in: A történelem mint hivatás. A Benda-emlékkonferencia előadásai. 2013. november 27 [Geschichte als Berufung. Vorträge auf der Kálmán Benda-Gedenkkonferenz. 27. November 2013], hg. von István M. Szijártó (Budapest 2015) 75–107. 13  Sándor Papp, Bethlen Gábor, a Magyar Királyság és a Porta (1619–1621) [Gabriel Bethlen, das Königreich Ungarn und die Pforte]. Századok 145 (2011) 915–974.



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deutete14. Der Sieg kaiserlicher Truppen am 6. Mai 1622 bei Wimpfen am Neckar verbesserte die Verhandlungspositionen Kaiser Ferdinands II. in Ungarn weiter. Als vierter Faktor ist der erfolgreiche Vorstoß der kaiserlich-königlichen Truppen im Frühjahr 1621 nach Ungarn zu nennen15. Last but not least ist schließlich das standhafte Ausharren der ungarisch-kroatischen Stände an der Seite des gekrönten ungarischen Königs und ihre beachtliche militärische Rolle zu erwähnen.

Ein neues Kompromisssystem auf dem Ödenburger Reichstag 1622 Ausgehend von dieser Schilderung erscheint es interessant, wie das Machtgleichgewicht innerhalb der in zwei Parteien gespaltenen ungarischen Stände einerseits und die Balance zwischen Kaiser Ferdinand II. und den Ständen – kaum zwei Jahre nach der Wahl Bethlens zum ungarischen König – im Sommer 1622 in Ödenburg wieder hergestellt wurde, und zwar insbesondere deshalb, weil das gegenseitige Misstrauen nach den Konflikten zwischen 1619 und 1621 groß war16. Davon zeugt schon die Tatsache, dass der Herrscher, ein bewaffnetes Auftreten der Stände befürchtend, mit einer beachtlichen militärischen Begleitung zum Ödenburger Reichstag kam17. Wie allgemein bekannt, war der Abschluss eines Friedensvertrages zwischen dem Kaiser und dem siebenbürgischen Fürsten Voraussetzung für einen Ausgleich mit den Ständen. Dazu kam es Ende Dezember 1621 in Nikolsburg/Mikulov. Bei dessen Ratifizierung am 12. Januar 1622 verkündete Ferdinand II. bereits eine allgemeine Amnestie für die abtrünnigen ungarischen Stände18. Es ist eine bezeichnende Tatsache, dass dem Ende des ständischen Bürgerkrieges die Beendigung der Kämpfe des Kaisers mit dem siebenbürgischen Fürsten vorausging, und zwar in einem Friedensschluss außerhalb der Grenzen Ungarns, in einer südmährischen Stadt. Der Friedensvertrag verdient aus dem Blickwinkel der vorliegenden Untersuchung auch deshalb Aufmerksamkeit, weil der siebenbürgische Fürst in den Verhandlungen nicht von einem mehr oder minder bekannten ausländischen Diplomaten, sondern zunächst von Emmerich Thurzó und nach dessen Tod (19. Oktober 1621) von Stanislaus Thurzó vertreten wurde. Kaiser Ferdinand II. ließ hingegen – neben mehreren kaiserlichen Kommissaren – seitens der ungarischen Stände den Erzbischof von Gran Peter Pázmány sowie Nikolaus Esterházy verhandeln. Der Vertrag beinhaltet vor allem den Verzicht Bethlens auf seinen Titel als ungarischer König und die Rückgabe der Stephanskrone, die am 20. März 1622 in Kaschau/Košice/Kassa in feierlichem Rahmen geschah. Im Gegenzug gingen sieben oberungarische Komitate (Borsod, Abaúj, Zemplén, Szabolcs, Szatmár, Bereg und Ugocsa) sowie die schlesischen Fürstentümer Oppeln 14  Reinhard Rudolf Heinisch, Habsburg, die Pforte und der Böhmische Aufstand (1618–1620). SOF 33 (1974) 125–165, 34 (1975) 79–124. 15  Peter Broucek, Kampf um Landeshoheit und Herrschaft im Osten Österreichs 1618 bis 1621 (Militärhistorische Schriftenreihe 65, Wien 1992). 16  Vilmos Frankl [Fraknói], Pázmány Péter és kora [Peter Pázmány und seine Epoche], Bd. 2 (Pest 1869) 3–8. 17  Bislang ist die Anwesenheit von Teilen nachstehender Regimenter in Ödenburg und Umgebung bekannt: Auersperg-, Breuner-, Harrach-, Marradas-, Taxis-Regiment; ÖStA, KA, HKR, Protokoll 248 Reg., fol. 242v–249v. 18  Roderich Gooss, Österreichische Staatsverträge. Fürstentum Siebenbürgen (1526–1690) (VKNGÖ 9, Wien 1911) 515–562, Nr. 61/A–F.

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und Ratibor auf Lebenszeit an den Fürsten von Siebenbürgen. Die Habsburger konnten somit einen Teil des Königreichs Ungarn halten, allerdings nur im Gegenzug zu einem beträchtlichen Gebietsverlust und aufgrund erheblicher Zugeständnisse an Bethlen. Die Bedeutung Ungarns in der Verteidigung gegen die Osmanen und zur Lebensmittelversorgung der Erblande ließ jedoch keinen anderen Weg zu, worüber sich sowohl Kaiser Ferdinand II. wie die Führer der ungarischen Stände Pázmány und Esterházy im Klaren waren. Ungarns Rolle als Bollwerk betonte der Kaiser beispielsweise ausdrücklich in einem Schreiben vom Februar 1620 an die Erzherzoge und an die Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches. Um den Frieden mit Ungarn aufrechtzuerhalten, war er auch bereit, Bethlen bedeutende Zugeständnisse zu machen, und dies selbst gegen die Meinung seiner ungarischen Berater19. Nach all diesen Ereignissen erlebten die ständische Verwaltung und die Institutionen des Königreichs Ungarn auf dem Ödenburger Reichstag im Sommer 1622 fast eine Wiedergeburt, verbunden mit einem erneuten Ausgleich von entscheidender Bedeutung zwischen dem Wiener Hof und den ungarischen Ständen bzw. zwischen den einzelnen Gruppierungen innerhalb der Stände, wie auch der in Wien weilende englische Agent Simon Digby bemerkte20. Die Bedeutung dieses neuen Kompromisses liegt darin, dass er zum einen zur Befriedung des Landes nach dem Bürgerkrieg der vorausgegangenen Jahre führte. Zum anderen wurden alle entschädigt, die dem habsburgischen König treu geblieben waren und deshalb von den Truppen des siebenbürgischen Fürsten beachtliche Schäden erlitten hatten oder in Gefangenschaft geraten waren. Dabei hatte all das so zu geschehen, dass auch die für kürzere oder längere Zeit zu Bethlen übergelaufenen einflussreichsten Magnaten keine größeren Gesichtsverluste erlitten. Nicht zufällig schrieb Stanislaus Thurzó an Franz Batthyány schon lange vor der kaiserlichen Ankunft Ende Mai in Ödenburg darüber, dass sich Ferdinand II. auf der Basis des Friedensvertrages von Nikolsburg mit den Ständen einigen solle „zum Lob Gottes, zu Ehren Seiner Majestät unseres Herrn Kaisers und zum Fortbestand der gesamten Christenheit und unseres armen, zugrunde gegangenen Vaterlandes“21. Die Bereinigung der Lage auf dem ungarischen Kriegsschauplatz lag also im existenziellen Interesse Kaiser Ferdinands II. und seiner ungarischen Anhänger. Ein weiterer Bürger- oder Osmanenkrieg mussten auf jeden Fall vermieden werden; insbesondere deshalb, weil sich die Kämpfe im Heiligen Römischen Reich trotz der Niederschlagung des böhmischen Aufstandes fortsetzten. Das erforderte sowohl vom Wiener Hof als auch von den verschiedenen ständischen Gruppen eine noch größere Kompromissbereitschaft, als dies zwischen 1606 und 1608 der Fall war. Diese Rahmenbedingungen bewirkten einen Zwang zum Kompromiss und führten zu beträchtlichen Zugeständnissen, die auf mehreren Gebieten eine veränderte Machtverteilung in Ungarn zur Folge hatten. Dieser Druck zeigt sich in symbolischer Form etwa darin, dass im Sommer 1622 das Krönungs­diplom („diploma inaugurale“) Ferdinands II. aus seinem Krönungsjahr 1618 – erstmals in der   Brockmann, Dynastie (wie Anm. 3) 140–143.   Áron Zarnóczki, Angol követjelentések Bethlen Gábor első hadjáratáról és a nikolsburgi békekötésről (1619–1622) [Englische Gesandschaftsberichte über Gabriel Bethlens ersten Feldzug und den Nikolsburger Friedensschluss], in: Bethlen Gábor és Európa [Gabriel Bethlen und Europa], hg. Gábor Kármán–Kees ­Teszelszky (Budapest 2013) 129–144, hier 139f. 21   legyen Istennek nevének dicséretire, császár urunknak Őfölségének böcsületire, az egész keresztyénységnek és szegény, megromlott hazánknak épületire s megmaradására. MNL – OL P 1314, FA Batthyány, Missiles, Nr. 50668 (16. Mai 1622, Ödenburg). 19 20



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Geschichte des ungarischen Ständestaates – in einem Gesetzartikel (Nr. 2) verankert wurde. Es garantierte die ständischen Privilegien und die 1608 erkämpften Ergebnisse (darunter die Religionsfreiheit) in 17 Punkten22. Das war in staatsrechtlicher Hinsicht und auch langfristig von großer Bedeutung, denn es begründete eine bis ins 19. Jahrhundert aufrecht erhaltene Praxis! Der Kaiserhof und die ungarischen Prälaten versuchten im Sommer 1622 lediglich für kurze Zeit, eine der wichtigsten Forderungen der weltlichen Mehrheit der Stände, nämlich die Wahl eines Palatins, zu verhindern – im Juni 1621 war nämlich Palatin Sigismund Forgách gestorben23. Im 16. Jahrhundert hatten sie dies mehrfach erreicht24. Jetzt brachte Ferdinand II., entsprechend dem Gesetz von 1608, zu den beiden protestantischen Kandidaten Stanislaus Thurzó, einen einstigen General Bethlens, der sich selbstbewusst um diesen Posten bemüht hatte, und Franz Batthyány, der jedoch wegen seiner Treue zu Bethlen gar nicht persönlich auf dem Reichstag erschien25, auch zwei katholische Kandidaten in Vorschlag. Dabei handelte es sich um den – freilich ebenfalls abwesenden – Oberschatzmeister Thomas Erdődy, der wegen seines hohen Alters nur nominell als Kandidat betrachtet werden kann, und einen der habsburgtreuen Hauptakteure der vergangenen Jahre, Nikolaus Esterházy. Bei der Kandidatur des evangelischen Stanislaus Thurzó spielten nicht seine bislang nicht eindeutig belegbare Konversionsabsicht26, sondern auch andere wesentliche Faktoren eine Rolle: etwa sein konstruktiver Part während der Verhandlungen in Nikolsburg, später in Ödenburg, womit er beträchtlich zur Pazifizierung des Landes beitrug; zum Teil war es auch sein beachtlicher Einfluss in Niederungarn, wo er bedeutende Grundherrschaften besaß27. Schließlich spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass er für das protestantische Lager Bethlens annehmbar erschien. Seine politische Basis bildete sicherlich seine Tätigkeit als Obergespan des Komitats Zips (1614–1625) in den unter habsburgischer Oberhoheit verbliebenen Territorien Oberungarns. Die Tatsache, dass ihn auch Kaiser Ferdinand II. bei der Rückgabe der Schlüsselfestung Neuhäusel/Nové Zámky/Érsekújvár durch Bethlen im Februar 1622 nur vorübergehend als Grenzgeneral akzeptierte, zeigt aber schon das begrenzte kaiserliche Vertrauen in ihn. Wie im Protokoll des Wiener Hofkriegsrates rätselhaft, aber vielsagend formuliert wurde, erfolgte der Vorschlag auß erheblichen ursachen28.   CJH 1608–1657 174–183.   Frankl, Pázmány (wie Anm. 16) 2 10–13; Antal Molnár, Carlo Caraffa bécsi nuncius az 1622. évi soproni országgyűlésen. A szentszéki diplomácia és Magyarország a harmincéves háború első időszakában [Der Wiener Nuntius Carlo Caraffa auf dem Ödenburger Reichstag 1622. Die Diplomatie des Heiligen Stuhls und Ungarn in der ersten Periode des Dreißigjährigen Krieges], in: Egy új együttműködés kezdete. Az 1622. évi soproni koronázó országgyűlés [Der Beginn einer neuen Zusammenarbeit. Der Krönungsreichstag 1622 in Ödenburg], hg. von Péter Dominkovits–Csaba Katona (Annales Archivi Soproniensis 1, Sopron–Budapest 2014) 200–205, Nr. 8 (4. Juni 1622, Ödenburg). 24   Géza Pálffy, The Kingdom of Hungary and the Habsburg Monarchy in the Sixteenth Century (East European monographs 735, New York 2009) 173–176. 25  MNL – OL, P 1314, FA Batthyány, Missiles, Die Briefe an Franz II. Batthyány aus Ödenburg, passim. 26  Vgl. Antal Gindely–Ignácz Acsády, Bethlen Gábor és udvara 1580–1629 [Gabriel Bethlen und sein Hof 1580–1629] (Budapest 1890) 55. 27  Tünde Lengyelová, Hospodárske pomery na thurzovských panstvách na prelome 16. a 17. storočia [Die wirtschaftlichen Verhältnisse auf den Herrschaften der Familie Thurzó an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert], in: Thurzovci a ich historický význam [Die Thurzó und ihre historische Bedeutung], hg. von ders. (Bratislava 2012) 120–128. 28  ÖStA, KA, HKR, Protokoll 247 Exp., fol. 283v. 22 23

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Obwohl das Ergebnis der Palatinswahl nicht vorauszusehen war29, kalkulierten Kaiser Ferdinand II. und seine wichtigsten Berater – offensichtlich auf Vorschlag Pázmánys und Esterházys – sozusagen mit dem kleinsten Übel. Sie entschieden sich in Ödenburg für ein Szenario, bei dem sich schlimmstenfalls ein evangelischer Großgrundbesitzer hätte durchsetzen können, der bereitwillig mit dem Wiener Hof zusammenarbeitete. Diese Rechnung ging schließlich auf. Während Erdődy und Batthyány nur wenige Stimmen erhielten, gewann Thurzó am 3. Juni 1622 die Palatinswahl nach einem Kopf-an-KopfRennen mit Esterházy, wahrscheinlich mit einem Ergebnis von 80 zu 65 Stimmen30. Auf diese Weise wandelte sich innerhalb eines halben Jahres ein General des siebenbürgischen Fürsten zum letzten evangelischen Palatin des Königreiches Ungarn. Vor diesem Hintergrund kann festgehalten werden, dass der Gesetzesartikel über die erfolgreiche Palatinswahl den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse ziemlich halbherzig festhielt, indem die Wahl Thurzós mit nicht geringer Übertreibung als communibus regnicolarum suffragiis bezeichnet wird31. Der Wirklichkeit stand die Einschätzung des spanischen Botschafters am Kaiserhof (1617–1624), Íñigo Vélez de Guevara y Tassis, Conde de Oñate (1566–1644), weit näher. Seiner Meinung nach sprachen viele Argumente dafür, dass die Wahl des protestantischen Palatins Thurzó für Wien weit weniger schädlich war, als dies auf den ersten Blick erschien32. Die Strategie des Herrschers und seiner ungarischen Berater im Zusammenhang mit der Palatinswahl wurde sogar von einem beachtlichen Teil der ausländischen Gesandten für erfolgreich erachtet, weil damit die Interessen der Habsburgerdynastie gewahrt blieben. Währenddessen kam auch Thurzó sehr gut weg. Ohne Bethlens Angriff gegen die Habsburger wäre er nämlich kaum an die Spitze der weltlichen Elite des Königreiches Ungarn gelangt, und trotz seiner beträchtlichen Besitztümer kam ihm auch sein Jahressalär von 22.000 Gulden als Palatin durchaus gelegen33. Außerdem wurde seine Kompetenzen bei der Adelsinsurrektion („insurrectio“) gestärkt (Gesetzesartikel Nr. 21)34, in seiner Amtsposition konnte er – ähnlich wie früher Georg Thurzó – als Beschützer der evangelischen Stände des Königreiches agieren. Seine Wahl zeigte anschaulich sowohl den Ausgleich zwischen dem Kaiserhof und den Ständen als auch das Erstarken der Stände, die Bethlens Feldzug für ihre eigenen Interessen nutzten. Gerade im Vergleich zu 1608 erscheint dies wichtig. Dieser Machtzuwachs der Stände wird an verschiedenen Aspekten deutlich. Kaiser Ferdinand und seine Geheimen Räte waren gezwungen, verschiedenen Gruppen der ungarischen politischen Elite in mehreren Bereichen Zugeständnisse zu machen. Die Stände 29  Éva S. Lauter, „Modus observandus...“ A 17. századi magyar nádorválasztások rendje [Die Ordnung der ungarischen Palatinswahlen im 17. Jh.], in: Portré és imázs. Politikai propaganda és reprezentáció a kora újkorban [Porträt und Image. Politische Propaganda und Repräsentation in der Frühneuzeit], hg. von Nóra G. Etényi–Ildikó Horn (Budapest 2008) 187–206. 30  OSZK, Kézirattár [Handschriftensammlung], Fol. Lat. 3809/II, fol. 233r; ŠA Levoča, Magistrát mesta Levoča [Stadtgemeinde Leutschau] III/46/5 (4. Juni 1622, Ödenburg). Andere Quellen berichten von einem Verhältnis 80:75 (ÖStA, HHStA, OMeA, ÄZA, Kart. 2, Nr. 3, fol. 12r), bzw. 75:70 (Molnár, Caraffa [wie Anm. 23] 203, Nr. 8). 31   CJH 1608–1657 (wie Anm. 22) 182f. 32   Tibor Martí, Oñate gróf bécsi spanyol követ jelentései az 1622. évi soproni országgyűlésről (forrásközlés) [Berichte des spanischen Botschafters in Wien, Graf Oñate, über den Ödenburger Reichstag 1622] (Quellen­edition)], in: Egy új együttműködés (wie Anm. 23) 244f., Nr. 4 (22. Juni 1622, Eisenstadt). 33   ÖStA, HKA, Hoffinanz, Protokoll 701 Reg., fol. 144r (8. Aug. 1622). 34   CJH 1608–1657 (wie Anm. 22) 194–197.



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erreichten auch, dass der wichtige Posten des ungarischen Oberstpostmeisters, den traditionell Mitglieder der Familie Paar innehatten35, von nun von ungarischen Adeligen (zuerst Stefan Bornemissza) bekleidet wurde36. In mehreren Etappen konnten sie auch durchsetzen, dass der Wiener Hofkriegsrat den Posten des ungarischen Grenzoberstleutnants in Raab/Győr erneut besetzen ließ; zunächst ab 1623 durch den kroatisch-ungarischen Georg Kaspar Konsky († 1640), dann ab 1626 durch Paul Zichy († 1638), der unter Bethlen gefangen genommen worden war. Die Stände konnten sogar verhindern, dass die vom Herrscher für Raab und Komorn/Komárno/Komárom ernannten deutschen Grenz­ oberstleutnante ihre Posten antraten – in Raab und Komorn durften aber „um des Friedens willen” weiterhin fremde Grenzgeneräle eingesetzt werden (Gesetzesartikel Nr. 23)37. Für die Stände galt es auch als beträchtlicher Erfolg, dass ein Großteil der zahlreichen kaiserlichen Soldaten, die während der Kämpfe gegen Bethlen nach Ungarn gebracht und hier stationiert worden waren, aus dem Land abgezogen wurde. Dieser Umstand ist deshalb gesondert hervorzuheben, weil dies bis zuletzt eine der wichtigsten Forderungen einer bedeutenden Ständefraktion war, wie auch verschiedene Gesandte in ihren Berichten deutlich machten. Obwohl die kaiserlichen Parteigänger während der Abstimmung über diese Angelegenheiten am 1. August 1622 die Verwendung kaiserlicher Truppen in weiteren ungarischen Grenzfestungen schließlich akzeptierten, war der Protest der Abgeordneten im Unterhaus des ungarischen Reichstages doch so groß, dass Kaiser Ferdinand II. nach zweitägigem Zögern schließlich nachgab. Im Interesse einer Versöhnung entstand deshalb für diesen Bereich kein Gesetz38. Die kaiserlichen Truppen brauchte man ohnehin auf den Schlachtfeldern des Heiligen Römischen Reiches; in den wichtigsten Festungen im Vorfeld der Kaiserstadt (Raab, Komorn und Neuhäusel) waren schon seit Jahrzehnten kaiserliche Soldaten stationiert. Neben diesen Hauptfestungen, die – in der Reihenfolge der drei erwähnten Hauptfestungen mit 1.000, 300 bzw. 800 Mann besetzt waren – verblieben lediglich in Fülek/Fiľakovo (100 Mann), Nógrád (100 Mann), Lewenz/Levice/ Léva (50 Mann), Muráň/Murány (40 Mann), Pressburg (200 Mann) und Ungarisch Altenburg/Mosonmagyaróvár (25 Mann) kleinere deutsche Garnisonen, wie dies ein Verzeichnis vom Januar 1625 detailliert belegt39. Darüber hinaus versuchten die Stände noch, den Wirkungsbereich des Ungarischen Rates und der Ungarischen Hofkanzlei auszuweiten (Gesetzesartikel Nr. 17); es wurde erneut das Nebeneinander der Ungarischen Kammer in Pressburg und der Hofkammer in Wien deklariert (Gesetzesartikel Nr. 18)40. Letzteres dürfte aber – ähnlich wie 1608 – lediglich ein politisches Bestreben und ein propagandistischer Anspruch gewesen sein. Ähn35  Rüdiger Wurth, Das Pressburger Postmeisteramt und die Familie Paar im 16. und 17. Jahrhundert, in: Forscher – Gestalter – Vermittler. Festschrift Gerald Schlag, hg. von Wolfgang Gürtler–Gerhard J. Winkler (Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 105, Eisenstadt 2001) 473–499; István Kenyeres, A magyar királyi posta a XVI. században Paar Péter pozsonyi postamester számadáskönyvei alapján [Die ungarische königliche Post im 16. Jh. aufgrund der Rechnungsbücher des Pressburger Postmeisters Peter Paar], in: Információáramlás a magyar és török végvári rendszerben [Informationsfluss im ungarischen und osmanischen Grenzfestungssystem], hg. von Tivadar Petercsák–Mátyás Berecz (Studia Agriensia 20, Eger 1999) 107–115. 36   ÖStA, HKA, Hoffinanz, Protokoll 701 Reg., fol. 209v (9. Juli 1622); Vilmos Hennyey, A magyar posta története [Die Geschichte der ungarischen Post] (Budapest 1926) 89–90. 37  Géza Pálffy, Die Türkenabwehr in Ungarn im 16. und 17. Jahrhundert – ein Forschungsdesiderat. Anzeiger ÖAW 137 (2002) 99–131, hier 125, 131. 38  Frankl, Pázmány (wie Anm. 16) 2 31–33, 36–39. 39  ÖStA, HKA, Hoffinanz Ungarn, rote Nr. 130, 1626. Juli fol. 54r–59r. 40  CJH 1608–1657 (wie Anm. 22) 196f., 192–195.

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liches traf auch auf die ständische Zielsetzung zu, wonach die Grenzgeneräle nicht dem Hofkriegsrat, sondern dem militärischen Wirkungsbereich des Palatins hätten unterstellt werden müssen. In der Praxis war eine Realisierung dieses Vorhabens aber nicht durchführbar, denn dies hätte eine radikale Umorganisation der seit fast einem Jahrhundert bestehenden Militär- und Finanzverwaltung der Monarchie und des Königreiches erfordert.

Die Machtverlagerung Anfang August 1622 in Ungarn Die neue politisch-militärische Führung des Königreiches Ungarn wurde schließlich innerhalb weniger Tage, zwischen dem 4. und 7. August 1622, in Ödenburg etabliert. Rund die Hälfte der Posten der obersten Landeswürdenträger wie auch der Spitze der von den Ständen geleiteten Kreisoberhauptmannschaften musste neu besetzt werden41. Dieser große Elitentausch gilt für das gesamte 16. und 17. Jahrhundert als bedeutsame Wende – der Ödenburger Reichstag bedeutete damit in der Tat den Beginn einer neuen Zusammenarbeit zwischen Wien und den ungarischen Ständen. Diese Maßnahmen geschahen unter der Vorgabe, dass der schwer errungene Frieden in Ungarn und seine zukünftige Verteidigung gegenüber den Osmanen und gegenüber Bethlen sowie die Befriedung des teilweise in seinem Besitz befindlichen Oberungarn garantiert werden sollten. Der bei der Palatinswahl unterlegene Nikolaus Esterházy wurde gleichzeitig zu einem der wichtigsten weltlichen und militärischen Führer der ungarischen Stände. Der Herrscher ernannte ihn an Stelle des verstorbenen Georg Homonnai-Drugeth – unter anderem mit Unterstützung der kirchlichen Elite42 – zunächst zum Oberstlandesrichter, d. h. zum zweiten Mann in der weltlichen Elite (4. August). Innerhalb der nächsten Tage errang er auch den Posten des Grenzgenerals von Neuhäusel und den des Kreisoberhauptmanns in Niederungarn (von Pressburg bis Altsohl/Zvolen/Zólyom), obwohl ein Teil der Stände dies wegen seiner militärischen Unerfahrenheit und wegen seiner überzeugten katholischen Einstellung ausgesprochen missbilligte. In dieser Position konnte Esterházy nicht nur seine eigenen Besitzungen, sondern auch die Verteidigung des Königreiches gegen Bethlen im Vorfeld von Wien und Pressburg organisieren. Für den Verlust seiner Herrschaft bei Munkatsch/Mukačeve/Munkács in Ostungarn erhielt er beachtliche Pfandbesitzungen in Westungarn (Forchtenstein und Eisenstadt). Die Entschädigungen für seine beispiellose Treue nach 1619 und seine materiellen Verluste waren also beträchtlich, sie gingen aber auch mit schwerwiegenden künftigen Verpflichtungen einher. Beinahe begeistert berichtete der spanische Botschafter Graf Oñate Anfang August über die herausragenden Dienste des „frömmsten Katholiken“ Esterházy auf dem Reichstag43. Den Posten des dritten obersten Würdenträgers, des kroatisch-slawonischen Banus, errang am 7. August 1622 der bis zuletzt königstreue Aristokrat Georg Zrínyi, Kreisgeneral von Transdanubien, Vater des namhaften Politikers, Feldherren und Dichters Nikolaus Zrínyi (1620–1664)44, nachdem Nikolaus Frangepan (1584–1657) von diesem Posten 41   Zu den folgenden Ausführungen siehe Zoltán Fallenbüchl, Magyarország főméltóságai 1526–1848 [Oberste Würdenträger Ungarns 1526–1848] (Budapest 1988); Pálffy, Die Türkenabwehr (wie Anm. 37). 42   Dallos Miklós győri püspöknek politikai és diplomatiai iratai (1618–1626) [Politische und diplomatische Schriften des Raaber Bischofs Nikolaus Dallos], hg. von Vilmos Frankl [Fraknói]–Károly Ráth (Esztergom 1867) 93, Nr. XII. 43  Martí, Oñate (wie Anm. 32) 252f., Nr. 12. 44  Nataša Štefanec, IV. és V. Zrínyi György [Georg Zrínyi IV. und V.], in: A Zrínyiek a magyar és a hor-



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wegen eines Konfliktes mit den slawonischen Ständen zurückgetreten war. Zrínyis Nachfolger in der Kreishauptmannschaft von Transdanubien war bis zu seinem Tod im Herbst 1633 der trotz seiner Treue gegenüber Bethlen wichtige Adelige Paul Nádasdy. Für diese Funktion kam Franz Batthyány, General des Fürsten in Transdanubien, aus militärischen und politischen Gründen gleichermaßen nicht in Frage. Am interessantesten entwickelte sich schließlich die Situation in Oberungarn, denn über die Hälfte des Territoriums dieser Region (sieben der dreizehn Komitate) geriet in Folge des Friedensvertrages von Nikolsburg unter die Oberhoheit Bethlens. Mit dem Posten des dort befehlenden Generals wurde am 7. August 1622 – als Kompromisslösung – der einstige Oberhauptmann Bocskais und Bethlens Georg Széchy betraut, der im April 1621 zur Partei des Kaisers zurückgekehrt war. Seinen Sitz konnte er jedoch nicht in der früheren Residenz der Oberhauptleute, der Stadt Kaschau, nehmen, weil Bethlen diese wichtige Stadt als neue Residenz in Ungarn benutzte45. So wurde für General Széchy kein ständiger Amtssitz festgelegt, seinen frisch ernannten Stellvertreter Nikolaus Forgách († 1635) bestellte man hingegen nach Eperies/Prešov/Eperjes46; für ihn begann damit eine Amtskarriere. In Eperies wurde die Zipser Kammer mit Georg Hoffman d. J. († 1628) als Verwalter neu organisiert, um die Einkünfte der unter habsburgischer Oberhoheit verbliebenen sechs Komitate unter strikter Aufsicht der Ungarischen Kammer in Pressburg zusammenzufassen47. Széchy wurde außerdem – ähnlich wie Nikolaus Esterházy, Stanislaus Thurzó, Paul Pálffy und Nikolaus Forgách – als weiteres Zugeständnis in Ödenburg noch kaiserlicher Kämmerer48, ja sogar zum ungarischen ­königlichen Oberstkämmerer, d. h. zum obersten Landeswürdenträger, ernannte man ihn. Seine tatsächliche und symbolische Entschädigung entsprach damit sowohl den Erfordernissen des Friedens von Nikolsburg als auch den Erwartungen der Stände, aber auch seinen persönlichen Ansprüchen. Das Amt des königlichen Hofmeisters Nikolaus Esterházy, der zum Oberstlandesrichter befördert wurde, übernahm zeitgleich der unter Zwang auf Bethlens Seite übergetretene49 Emmerich Czobor († 1641), der darüber hinaus noch mit Besitztümern für seine Kriegsverluste entschädigt wurde. Thomas Bosnyák (1580–1634), der unter Bethlen in Gefangenschaft gewesen war, wurde Nachfolger des Anfang Juni 1622 in Trentschin/ Trenčín/Trencsén verstorbenen Obersttruchsessen Peter Révay, obwohl er noch ein halbes Jahr auf seine Ernennung warten musste. Den mit der Wahl Stanislaus Thurzós verwaisvát históriában [Die Zrínyis in der ungarischen und der kroatischen Geschichte], hg. von Sándor Bene–Gábor Hausner (Budapest 2007) 87–112, hier 93f. 45  György Kerekes, Bethlen Gábor fejedelem Kassán 1619–1629 [Fürst Gabriel Bethlen in Kaschau 1619–1629] (Kassa 1943). 46  MNL – OL, E 200, Archivum diversarum familiarum, Tétel 59, fol. 35r–36r, fol. 43r–44r (23. und 25. Juni 1623), bzw. aus dem Jahr 1622: ÖStA, KA, HKR, Protokoll 247 Exp., fol. 518v–519r; ebd., Protokoll 248 Reg., fol. 20v, 342r. 47   Jenő Szűcs, A Szepesi Kamarai Levéltár 1567–1813 [Archiv der Zipser Kammer 1567–1813] (A Magyar Országos Levéltár kiadványai I/7, Budapest 1990) 61–63; neuerdings Zoltán Borbély, Bethlen Gábor tisztviselői Felső-Magyarországon [Beamte Gabriel Bethlens in Oberungarn], in: KoraújkorÁSZ. Koraújkortörténettel foglalkozó doktoranduszok tanulmányai [Studien von Doktoranden, die sich mit der Geschichte der Frühneuzeit befassen], hg. von Zsófia Kádár–Zsolt Kökényesi–Anna Diána Mitropulos (Budapest 2014) 31–49, hier 34–43. 48  ÖStA, HHStA, OKäA, Reihe F., C 1, fol. 11r–12r; MNL – OL, E 200, Archivum diversarum familiarum, Tétel 59, fol. 26r (7. Aug. 1622). 49  MNL – OL, E 196, Archivum familiae Thurzó, Irregestrata, Emmerich Czobor an Stanislaus Thurzó, 11. Sept. 1619 (Sasin).

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ten Posten des Oberstmundschenks erhielt schließlich der bis zum Schluss habsburgtreue Magnat von Transdanubien, Christoph Bánffy. Der katholische Kammerpräsident Kaspar Horváth konnte aufgrund kaiserlicher Gnade und aufgrund der Unterstützung durch Erzbischof Pázmány seinen Posten behalten. Auch der reformierte transdanubische Aristokrat Franz Batthyány durfte in seiner Positionen als ungarischer Oberstallmeister und Obergespan von Ödenburg verbleiben. Die treue Haltung des in West-Transdanubien einflussreichen Batthyány war sowohl für den Kaiserhof als auch für einen Teil der ungarischen Elite dermaßen wichtig, dass sein Name mehrmals für den Posten des Oberstlandesrichters ins Gespräch gebracht wurde50. Nachdem aber der ambitionierte Nikolaus Esterházy bei der Palatinswahl Anfang Juni leer ausgegangen war, zerschlugen sich diese Hoffnungen für Batthyány endgültig. Außer den Genannten konnte Melchior Alaghy seinen Posten als königlicher Obersttürhüter weiter ausüben, er erhielt sogar am 26. Juni 1622 in Ödenburg von Ferdinand II. zusätzlich noch die Obergespanschaft des Komitats Zemplén in Ostungarn – ein Amt, das ihm früher schon von Bethlen verliehen worden war51. Zum Nachfolger des verstorbenen Kronhüters Révay wählten die Stände mit Paul Apponyi (1564–1624) einen der Signatare des Wiener Friedens von 1606 – Apponyi zählte zu den „erzwungenen“ Anhängern Bethlens. Die Neuverteilung der Positionen und der Macht Anfang August 1622 in Ödenburg ermöglichte alles in allem eine Entschädigung der habsburgtreuen ungarischen obersten Landeswürdenträger, die Beruhigung der einstigen Bethlenanhänger und die Absicherung des Friedens, die Neuorganisation der Verwaltung und eine erfolgreichere Verteidigung des Königreiches Ungarn gegen Bethlen und gegen die Osmanen.

Gewinner und Verlierer in Ödenburg Neben den beträchtlichen Zugeständnissen hinsichtlich der Ämtervergabe widmete sich der Kaiserhof besonders der Entschädigung von kirchlichen Würdenträgern, von Adeligen, Grenzoffizieren und Beamten in der Landesverwaltung52. Dafür gab es verschiedene Wege: ungarische Grafen- oder Freiherrentitel (baro) für die Vornehmeren, wobei ersterer den Aufstieg in die oberste Elite der Aristokratie, letzterer hingegen den Aufstieg in die Reihen der Magnaten garantierte. Für die Mehrheit bedeuteten die Verleihung von Amtspositionen und Privilegien, von Besitztümern und Gnadengeldern, Provisionen und erhöhtem Sold nicht nur eine Belohnung, sondern war auch Entschädigung für durch Bethlens Truppen enteignete kirchliche Besitztümer und für Besoldungsrückstände. Insgesamt war die Botschaft des Wiener Hofes eindeutig – die Treue zum Kaiser sollte sich lohnen53. 50  MNL – OL, P 1314, FA Batthyány, Missiles, Johann Büky an Franz II. Batthyány, 18. Juli 1622 (Ödenburg), vgl. noch András Koltai, Batthyány Ádám. Egy magyar főúr és udvara a XVII. század közepén [Adam Batthyány: Ein ungarischer Aristokrat und sein Hof um die Mitte des 17. Jahrhunderts] (Publikationen des Diözesanarchivs von Raab. Quellen und Studien 14, Győr 2012) 75f. 51  Bethlen, 22. Dez. 1621: MNL – OL, E 148, Neo-regestrata acta, Fasz. 445, Nr. 5; Ferdinand II., 26. Juni 1622: ÖStA, HHStA, FA Erdődy, D 11340 (Original), und MNL – OL, A 57, Libri regii, vol. 7, p. 154f. (Kopie). 52  Ein beredtes Beispiel: Paul Esterházy bitt ime seinen außstandt zubeczallen. Bescheid ad Cameram Aulicam: diser supplicant ist umb seiner erwisenen treu willen alles des seinigen in der Hungarischen rebellion privirt worden; ÖStA, KA, HKR, Protokoll 247 Exp., fol. 477r (23. Sept. 1622). 53  Vgl. z. B.: Stephanus Ostrozyth petit, ut in recompensam damnorum perceptorum et fidelitatis sibi conferatur arx LiptoVyuar cum pertinentiis. ÖStA, HKA, Hoffinanz, Protokoll 699 Exp., fol. 6r, 204v, 471v, 536r.



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Gut lässt sich das an einigen Beispielen erkennen. Christoph Bánffy etwa wurde für seine Treue nicht nur mit einem der Oberstlandesämter (Oberstmundschenk) belohnt, sondern auch zum Grafen ernannt. Mit demselben Titel belohnte Ferdinand II. auch Johann (1611–1645), den Sohn des verstorbenen Oberstlandesrichters Georg HomonnaiDrugeth54. Die beiden Genannten wurden nach Georg Thurzó (1606) zum zweiten und dritten Inhaber des ungarischen Grafentitels, der sich nach dem Vorbild des Heiligen Römischen Reiches ab den 1620er und 1630er Jahren allmählich in Ungarn einbürgerte. Nikolaus Esterházy erhielt diesen Titel übrigens erst 1626. Der Hauptmann der oberungarischen Grenzburg Putnok Stefan Orlé (1581–1641), der den Truppen des Fürsten von Siebenbürgen Widerstand geleistet hatte, sowie der Hauptmann der oberungarischen Festung Szendrő Martin Móricz bekamen dafür den Freiherrentitel55. Ihre Treue und ihre militärische Standhaftigkeit ebneten ihnen also den Zugang zum ungarischen Magnatenstand. Móricz erhielt zudem seine verlorenen Besitztümer zurück, strich den ausgebliebenen Sold ein und erhielt sogar die von Bethlens Soldaten in Szendrő konfiszierten Kanonen wieder zurück56. Seine Entschädigung gestaltete sich also vielschichtig. Darüber hinaus zeichnete sich der Aufstieg mehrerer bekannter ungarischer Adels­ familien aufgrund ihres Dienstes während der Feldzüge Bethlens in den Jahren 1619– 1621 ab: So etwa erlebten die Grafenfamilien Zichy, Koháry und Cziráky einen Aufschwung, aber auch kleinadelige Grenzhauptleute wie Franz Káldy (1584–1648) oder Paul Sibrik († 1643) stiegen auf. Ihre Loyalität wurde 1622 durch verschiedene Positionen, durch Gnadengelder und durch die Vergabe von Besitzungen gefestigt57. Die siebenbürgische Gefangenschaft des Oberhauptmanns der Grenzfestung Wesprim Paul Zichy wurde sogar noch in dem ein halbes Jahrhundert später (21. August 1679) erlangten Grafendiplom der Familie hervorgehoben58. Hans Dietrich von Reiffenberg (1577–1629), der niederösterreichische Befehlshaber von Komorn (1614–1625), bekam zur selben Zeit in Ödenburg – vor allem für seine Dienste während der Feldzüge Bethlens – den Freiherrentitel59, bald darauf wurde er zum Wiener Stadtguardia-Obristen (1625–1629) ernannt. Gleichzeitig wurden fast alle von Bethlen gefangen genommenen Grenzhauptleute nicht nur wieder in ihre Posten eingesetzt, sondern auch mit beachtlichen Gnadengeldern und Besitztümern bedacht. In dieser Hinsicht erscheint eine Aufzeichnung des Hofkriegsrates vom Februar 1622 bedeutsam, wonach Kaiser Ferdinand II. Beförderungen von den Verdiensten des geschädigten Petenten abhängig machte60. Selbstverständlich blieben 54  Bánffy: MNL – OL, A 57, Libri regii, vol. 7, p. 268–270; Homonnai: MNL – OL, A 35, Conceptus expeditionum, 1622: Nr. 292 bzw. neuerdings István Csízi, Észrevételek a magyar főnemesi címek XVI–XVII. századi történetéhez [Anmerkungen zur Geschichte der ungarischen Hochadelstitel im 16.–17. Jahrhundert]. Fons 21 (2014) 3–65, hier 38–41, 45f. 55   Orlé: SNA, Archív rodiny Serényi-Záblatie, Staré usporiadanie [Familienarchiv Serényi, Alte Ordnung], Schachtel 3, Nr. 56; Móricz: MNL – OL, A 57, Libri regii, vol. 7, p. 144–146; MNL – OL, A 35, Conceptus expeditionum, 1622: Nr. 86. 56  ÖStA, HKA, Hoffinanz, Protokoll 701 Reg., fol. 203r, 220v. 57  Ein ausgezeichnetes Beispiel: diser [d. h. Paul Sibrik] albeg woll und treu verhaltten, darunder in grossen schaden gerathen, vonn Graven vonn Collälto [d. h. Rambaldo Collalto], Esterhazy und andern hoch commendirt, ungelobt, bey dem kayserlichen exercitu vil gethan zuhaben…; ÖStA, KA, HKR, Protokoll 247 Exp., fol. 21r. 58  MNL – OL, P 707, FA Zichy, Fasz. 41, Nr. 5. 59  Dagmar Schopf, Die im Zeitraum von 1620–1740 erfolgten Neuaufnahmen in den NÖ. Herrenstand (Diss. Wien 1966) 290. 60   Johannes Orle de Karua bitt umb mehrere recommendation. Bescheid: Ubi occasio aliqua promotionis fuerit, Sua Maiestas habitura considerationem meritorum supplicantis; ÖStA, KA, HKR, Protokoll 247 Exp., fol. 460v (1. Febr. 1622).

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auch die Beamten, die neben den ungarischen Würdenträgern bei den Friedensverhandlungen in Nikolsburg mitwirkten, nicht ohne Entschädigung. Der Rat der Ungarischen Kammer Friedrich Hermann († 1623) und der Kammersekretär Jakob Szentkereszti († 1624) erhielten jeweils Goldketten im Werte von 300 Talern, und zwar am „schicksalsträchtigen“ Tag des Ödenburger Kompromisses, dem 4. August61. Man wollte also die Gestalter des für Wien so wichtigen Friedens mit Ungarn 1622 trotz der schwierigen materiellen Situation entsprechend belohnen. Weitere Forschungen und regionale Fallstudien müssten die Frage beantworten, wie die Magnaten, die neue Positionen bekleideten, ihre im Krieg stark geschädigten Untertanen und Amtsträger unterstützten. Einige Forschungsergebnisse zeigen aber, dass es auch in diesem Bereich schon während des Ödenburger Reichstages Möglichkeiten gab. Der als Anhänger Nikolaus Esterházys bekannte Kaspar Tersztyánszky († 1630) aus dem Komitat Trentschin zum Beispiel wurde bald Stellvertreter des Magnaten, d. h. sein Vize-Oberstlandesrichter (vor 1624–1625) und später Vize-Palatin (1625–1629). Am Gipfel seiner Karriere stieg er bis zum Stuhl des Personalis (1629–1630) auf, d. h. er war Präsident des Unterhauses des ungarischen Reichstags62. Daneben bekam er als Entschädigung für seine Kriegsverluste und respectu fidelium servitiorum praestitorum63 am 2. August 1622 in Ödenburg mehrere Landgüter geschenkt. Bezeichnenderweise unterstützten ihn dabei neben Esterházy fast die gesamte katholische Elite sowie weitere Magnaten. Einige Mitglieder der zahlenmäßig starken Hofhaltung des zur polnischen Emigration gezwungenen Georg Homonnai-Drugeth wurden gleichzeitig aus Einnahmen der Schlesischen Kammer durch Gnadengelder unterstützt, während sein junger Sohn und dessen Begleiter in Wien bei Hof Unterhalt erhielten64. Die unterschiedlichsten ständischen Gruppen waren freilich bemüht, den Kompromisszwang des Kaisers taktisch auszunutzen. Sogar die königlichen Freistädte, mehrere Orden (Jesuiten, Franziskaner, Paulaner und Klarissen) oder zum Beispiel auch das Domkapitel von Raab nutzten den Reichstag von Ödenburg dazu, ihre Privilegien durch den Herrscher bestätigen zu lassen, diese auszuweiten und für ihre Beschwerden Abhilfe zu finden. Die Abgeordneten der längere Zeit von Bethlen besetzten ungarischen Hauptstadt Pressburg arbeiteten entsprechend ihrer detaillierten Instruktion nicht nur an der Bekräftigung der einschlägigen Passagen der Wiener und Nikolsburger Friedensschlüsse (vor allem zur Religionsfreiheit), sondern auch an der gesetzlichen Fixierung des Krönungs  ÖStA, HKA, Hoffinanz, Protokoll 701 Reg., fol. 252r (4. Aug. 1622).   Állami (királyi és császári) tisztségviselők a 17. századi Magyarországon. Adattár [Staatliche (königliche und kaiserliche) Würdenträger im 17. Jahrhundert in Ungarn. Datenbank], hg. von Zoltán Fallenbüchl (Series Nemzeti Téka ohne Nr., Budapest 2002) 333; Diana Duchoňová, Palatín Mikuláš Esterházy a jeho dvor. Spoločnosť, normy, rituály každodennosti [Der Palatin Nikolaus Esterházy und sein Hof: Gesellschaft, Normen und Rituale des Alltags] (Bratislava 2013) 157–158; SNA Archív rodiny Serényi-Záblatie, Staré usporiadanie [Familienarchiv Serényi, Alte Ordnung] Schachtel 2, Nr. 17, Nr. 26, Nr. 35, fol. 4a, Nr. 49b, fol. 10a, Nr. 51, fol. 1a. 63  ÖStA, HKA, Hoffinanz, Protokoll 701 Reg., fol. 201v, 249r (1. Juli und 2. Aug. 1622); ebd. HKA, Hoffinanz Ungarn, rote Nr. 122, Konv. 1622 Juni, fol. 393r–397r. 64  ÖStA, HKA, Hoffinanz, Protokoll 701 Reg., fol. 271v (30. Aug. 1622); ebd. HKA, Hoffinanz Ungarn, rote Nr. 123, Konv. 1622 Aug., fol. 514r–523r; neuerdings István Fazekas, Homonnai-Drugeth III. György (1583–1620) familiárisainak jegyzéke 1622-ből. Adalék Tállyai Pál pályájához [Verzeichnis der familiares von Georg Homonnai-Drugeth III. aus dem Jahre 1622. Angaben zur Laufbahn Paul Tállyais], in: Archivariorum historicorumque magistra. Történeti tanulmányok Bak Borbála tanárnő 70. születésnapjára [Historische Studien zum 70. Geburtstag von Prof. Borbála Bak], hg. von Zsófia Kádár (A Magyar Levéltárosok Egyesülete kiadványai 13, Budapest 2013) 277–292. 61 62



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diploms Ferdinands II., an ihren Privilegien und auch an der Steuerreduktion aufgrund des Bürgerkrieges. Darüber hinaus hatten sie für die Herausgabe der von der jeweiligen Besatzungsarmee konfiszierten Schlüssel der Stadttore zu sorgen. Auch die bei den Belagerungen der vergangenen Jahre in Mitleidenschaft gezogenen Befestigungen waren Gegenstand der Verhandlungen65. Als bestes Beispiel für die erfolgreichen Bemühungen von Städten kann vielleicht der Schauplatz des Reichstages, Ödenburg selbst, dienen. Die königliche Freistadt erhielt nämlich während der Ausgleichsverhandlungen am 4. August 1622 ein neues, bis ins 20. Jahrhundert benutztes Wappen. Auf dessen Helmdecke sind der kaiserliche Doppeladler sowie die Monogramme von Ferdinand II. und seiner Frau Eleonora angebracht, vermutlich auf Initiative des namhaften Bürgermeisters Christoph Lackner (1571–1631), der lebhaftes Interesse für Heraldik zeigte, was auf die Kaisertreue der Stadt hinweist66. Aus dieser westungarischen Stadt, die den protestantischen siebenbürgischen Fürsten vom November 1619 bis zum Mai 1621 unterstützte67, wurde durch den zweiten politischen Ausgleich im 17. Jahrhundert ein wichtiger ungarischer Erinnerungsort. Obwohl die Stadtbürger im Frühjahr 1622 noch von vielen für bethlentreu gehalten und zu denen gezählt wurden, die lediglich „mit Worten, nicht aber mit dem Herzen“ Anhänger des habsburgischen Partei seien68, eröffnete der Reichstag im Sommer 1622 ein neues Kapitel in Ödenburgs Stadtgeschichte. Noch drei Mal im Laufe des Jahrhunderts (1625, 1634/35 und 1681) fanden dort solche Zusammenkünfte statt, die in zwei Fällen von Krönungen begleitet wurden69. In diesem Zusammenhang wurde die Stadt jeweils für längere Zeit zu einem Versammlungsort sowohl für die Angehörigen des Wiener Hofes wie für die ungarischen politischen Eliten und vorübergehend auch zur „Hauptstadt” Ungarns, so dass der Name Ödenburg in diesen Jahren europaweit Bekanntheit erlangte. Während die Magnaten auf dem Reichstag in Ödenburg mehrheitlich ihre politische und soziale Position wahren konnten, sah die Situation für einen Großteil der Grenzsoldaten niedrigeren Ranges, der kleinen Adeligen und Beamten völlig anders aus. Ein gutes Beispiel dafür ist der Fall des vom siebenbürgischen Fürsten zum Oberhauptmann von Wesprim ernannten Vizehauptmanns von Pápa (1613–1620) Valentin Hatos (1565– 1625). Auf diese Beförderung folgte allerdings schon 1622 seine Ablösung und in der Folge ein erzwungener Rückzug70. Sein Nachfolger in Pápa war der bereits unter den Gewinnern erwähnte Rittmeister von Raab, Franz Káldy, während der einstige Oberhaupt  AMB, Schachtel 1, ohne Lad. Nr. (1. Apr. 1622, Pressburg).   Gergely Tóth, Az 1622. évi soproni címerbővítés. Előzmények, utóélet, szövegközlés és fordítás [Erweiterung der Wappen von Ödenburg 1622. Vorgeschichte, Nachleben, Textveröffentlichung und Übersetzung], in: Egy új együttműködés (wie Anm. 23) 293–311. 67   Péter Dominkovits–István H. Németh, Bethlen Gábor 1619–1621. évi hadjárata és Sopron [Feldzug Gabriel Bethlens 1619–1621 und Ödenburg], in: „Bethlen Gábor és kora“. Katalógus a Magyar Nemzeti Levél­ tár Országos Levéltára, Hajdú-Bihar Megyei Levéltára és Győr-Sopron Megyei Levéltárának Soproni Levéltára közös kiállításáról [Gabriel Bethlen und seine Zeit. Katalog zur gemeinsamen Ausstellung des Staatsarchivs des Ungarischen Nationalarchivs, des Komitatsarchivs Hajdú-Bihar und des Ödenburger Archivs des Komitatsarchivs Raab-Ödenburg], hg. Zoltán Ólmosi (Budapest 2013) 36–48, 71–79. 68  MNL – GyMSM SL SVL, Lad. I. et A, Fasz. I, Nr. 26. 69  Géza Pálffy, A Szent Korona Sopronban. Nemzeti kincsünk soproni emlékhelyei [Die Heilige Krone Ungarns in Ödenburg. Ödenburger Gedenkstätten der Stephanskrone] (Sopron 2014) 47–50, 57–60. 70   Géza Pálffy, Egy különleges nemesi karrier a 16–17. században. Hatos Bálint pápai vicekapitány és családja története [Eine besondere adelige Karriere im 16.–17. Jahrhundert. Die Geschichte des Vizehauptmanns von Pápa, Valentin Hatos und seiner Familie] (Jókai könyvek 3, Pápa 2005) 71–76. 65 66

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mann Zichy in Wesprim seinen Posten wiedererlangte. Da die bethlentreuen Grenzoffiziere aus der großen Menge der Militärpersonen leicht ersetzt werden konnten, entstand in ihrer Gruppe ein großes Lager der unzufriedenen Verlierer. Aber es gibt auch dafür Beispiele, dass nicht einmal Diener der Magnaten von ihren einflussreichen Patronen gerettet werden konnten, wenn ein ernsthafter, rivalisierender Aristokrat wegen deren Treue zu Bethlen eine Bestrafung verlangte. Johann Szepsy († 1627), namhafter Anwalt aus Transdanubien und Nádasdy-Angehöriger, der den Fürsten freiwillig unterstützt hatte, ging deshalb nach Oberungarn, in die Herrschaft Füzér-Regéc der Familie Nádasdy, in Verbannung71. Während also die Loyalität zu den Habsburgern für den oben erwähnten Kaspar Tersztyánszky etwa nach 1622 ein karriereförderndes Element darstellte, wurde Johann Szepsy wegen seiner Bethlentreue und seiner damit verbundenen Kompromittierung in Transdanubien aus der Bahn geworfen. Gerade unter den oberungarischen Adeligen wiederholten sich damit ähnlich tragische Schicksale, wie sie vor dem Frieden von Nikolsburg, in der Ära Bethlens zwischen 1619 und 1621, denjenigen widerfahren waren, die den Habsburgern beharrlich die Treue gehalten hatten, besonders wenn sie Katholiken waren72. Neben den Grenzoffizieren erlitten auch zahlreiche Dreißigster, d. h. lokal bedeutsame Vertreter der landesweiten Finanzverwaltung, ein ähnliches Schicksal. Schon Bethlen löste mehrere Personen von ihren Dreißigstämtern ab und ernannte im Frühjahr 1621 an deren Stellen andere, die wiederum zur Zeit des Ausgleiches 1622 unter Ferdinand II. abgelöst wurden73. Der Fürst bevorzugte Calvinisten, der Habsburgerherrscher hingegen Katholiken bei den Ernennungen. In der zentralisierten Finanzverwaltung duldeten sowohl der siebenbürgische Fürst als auch der Wiener Hof religiös illoyale Amtsträger kaum. Den treu Ausharrenden wurden dagegen beachtliche Gnadengelder zuteil. Ein gutes Beispiel dafür war Ladislaus Roskoványi († nach 1638), ein einstiger Anhänger von Georg Homonnai-Drugeth. Er gewann nicht nur die Vizehauptmannschaft von Szendrő und das nahe gelegene Dreißigstamt von Putnok, sondern am 7. August 1622, d. h. gegen Ende des Reichstages, auch noch ein Gnadengeld für weitere fünf Jahre in Höhe von 1.000 Gulden74. Ähnlich erging es dem Dreißigsten von Wartberg/Senec/Szempc, Lukas Ecker d. J. († 1643), der nach seiner langen Gefangenschaft unter Bocskai und Bethlen eine bedeutende Entschädigung in Form von Landgütern erhielt75. Dank der Unterstützung durch den Hof und durch die Stände machte Ecker in der Verwaltung des Königreiches bald eine beachtliche Karriere: Nach 1633 war er Rat der Ungarischen Kammer, nach 1635 parallel dazu auch Postmeister in Pressburg76. 71  Péter Dominkovits, Egy kora újkori ügyvéd pályaképe – Szepsy (Zepsy) János [Karrierebild eines Advokaten aus der Frühneuzeit – Johann Szepsy]. Aetas 17/2–3 (2002) 5–35. 72   Mehrere Beispiele in: Zuzana Ludiková–Árpád Mikó–Géza Pálffy, A szepeshelyi Szent Márton-templom, egy felső-magyarországi katolikus központ késő reneszánsz és barokk sírkövei és halotti címerei [Die Spätrenaissance- und Barock-Grabsteine und Totenwappen der St. Martinskirche in Zipser Kapitel, eines oberungarischen katholischen Zentrums]. Művészettörténeti Értesítő 56 (2007) 313–344, hier 321, 334. 73  MNL – OL, E 41, Litterae ad cameram exaratae 1619: Nr. 40; MNL – OL, E 21, Benignae resolutiones 10. Mai 1621. 74  Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: ÖStA, KA, HKR, Protokoll 248 Reg., fol. 276r (20. Juli); ÖStA, HKA, Hoffinanz, Protokoll 701 Reg., fol. 164v (11. Juni 1622), 259r (7. Aug. 1622). 75  ÖStA, HKA, Hoffinanz Ungarn, rote Nr. 122, Konv. 1622 April fol. 279r–286r (29. Apr. 1622). 76   Fallenbüchl, Állami tisztségviselők (wie Anm. 62) 85; Frederik Federmayer, Rody starého Prešporka. Genealogický rozbor obyvateľstva a topografia mesta podľa súpisu z roku 1624 [Familien des alten Pressburg. Genealogische Analyse der Bevölkerung und die Topographie der Stadt nach dem Register von 1624] (Bratis-



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In den Jahren 1621/22 erlangten auch vermehrt katholische und als loyal eingeschätzte Beamte Zutritt zur Ungarischen Kammer in Pressburg. Teilweise wurden aber auch alte, zuverlässige Beamte, die während der Feldzüge Bethlens beträchtliche Schäden erlitten hatten, wieder aufgenommen77. Die Stände handelten hingegen im Juli 1622 in Ödenburg aus, dass die neuen Dreißigsten geborene Ungarn sein sollten78. Und obwohl während der Verhandlungen auf dem Reichstag die Neuzuordnung der ungarischen Dreißigstämter, die der Niederösterreichischen Kammer unterstanden, zur Ungarischen Kammer mehrfach angesprochen wurde, erwies sich Wien in dieser Frage als unnachgiebig79. Neben den Grenzsoldaten, den Kammerbeamten und Dienern der Aristokraten hatten auch der in die Verbannung gezwungene „status ecclesiasticus“, der eine Vielzahl von Landgütern verlor, und die Bevölkerung der Städte unter den politischen und kriegerischen Wirren gelitten. Die Geistlichkeit wurde durch den Wiener Hof und durch die ungarischen Stände teilweise entschädigt, obwohl die Art und Weise wegen des heftigen protestantischen Widerstandes während des Reichstages mehrmals im Kreuzfeuer der Diskussionen stand. Mit den Stadtbewohnern dagegen verfuhr weder Kaiser Ferdinand II. noch Bethlen glimpflich: Einquartierungen von Truppen ab dem Herbst 1619 verschlechterten die Lebenssituation in den Städten beträchtlich; über mehrere Monate herrschten Bürgerkriegsverhältnisse im Raum Pressburg bis zum Fluss Gran/Hron. Allein die ungarische Hauptstadt wurde innerhalb kurzer Zeit vier Mal belagert; von Bethlen im Oktober 1619; von Henri Duval de Dampierre (1580–1620) im Oktober 1620; durch kaiserliche Truppen im April und Mai 1621 und wieder durch Bethlen im August und September 162180. Die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse zwischen 1619 bis 1621 und die daraus resultierende Belastung der Bevölkerung waren nur eine Episode in einer Entwicklung, die bereits in der Krise des „Langen Türkenkrieges“ (1591/93–1606)81 begonnen hatte und bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts anhalten sollte. Während die Führer der ungarischen politischen Elite fast immer unter den Gewinnern der in der Einleitung erwähnten fünf Ausgleichsprozesse des „langen 17. Jahrhunderts“ waren, hatten die mit den Kämpfen regelmäßig einhergehenden Zerstörungen und Epidemien im ganzen Land zahllose Verlierer82.

Die symbolische Bedeutung der ersten Krönung in Ödenburg Die Bedeutung und die Besonderheit des Ödenburger Kompromisses vom Sommer 1622 wurden auch durch ein Ereignis symbolhaft unterstrichen, durch die Krönung der zweiten Gattin Kaiser Ferdinands II., Eleonora Gonzaga, zur ungarischen Königin am lava 2003) 148–150. 77  MNL – OL, E 21, Benignae resolutiones, 3. Juli 1621; bzw. AMB, Lad. 35, Fasc. I, Nr. 19a (1621). 78  ÖStA, HKA, Hoffinanz, Protokoll 701 Reg., fol. 204r. 79  Ebd., Protokoll 699 Exp., fol. 347r–v (7. Juli 1622); ebd., Protokoll 701 Reg., fol. 217v (17. Juli). 80  Imre Lukinich, Bethlen Gábor és Pozsony városa, 1619–1621 [Gabriel Bethlen und die Stadt Pressburg, 1619–1621]. Századok 55–56 (1921–1922) 1–31, 172–211. 81  Ferenc Szakály, Die Bilanz der Türkenherrschaft in Ungarn. Acta Historica ASH 34 (1988) 63–77; Géza Pálffy, The Impact of the Ottoman Rule on Hungary. Hungarian Studies Review 28 (2001) 109–132. 82  Zu diesem Prozess ausführlicher Géza Pálffy, Ewige Verlierer oder auch ewige Gewinner? Aufstände und Unruhen im frühneuzeitlichen Ungarn, in: Die Stimme der ewigen Verlierer? Aufstände, Revolten und Revolutionen in den österreichischen Ländern (ca. 1450–1815), hg. von Peter Rauscher–Martin Scheutz (VIÖG 61, Wien–München 2013) 151–175.

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26. Juli, dem Tag der Heiligen Anna. Nicht nur das Datum und die Zeremonie, sondern auch die teilnehmenden Personen sind aussagekräftig83. Die Krönung selbst signalisiert, dass im Vergleich zum Juli 1618 sowie zum August 1620 in Ungarn erneut eine Wende eingetreten war. Nach der Krönung Ferdinands II. in Pressburg 1618 und nach der Wahl Gabriel Bethlens zum König in Neusohl 1620 akzeptierten die ungarischen Stände im Sommer 1622 die neue Gemahlin des Kaisers als ihre Königin. Dies machte sichtbar, dass das Einvernehmen zwischen dem Wiener Hof und den ungarischen Ständen größtenteils wieder hergestellt war. Dem Ereignis wohnte nämlich ein bedeutender Teil gerade jener Mitglieder der Stände bei, die noch kurz zuvor Bethlen gewählt hatten. Allerdings gab es unter den Ständen auch Gegner dieser Krönung. Die ständische Mehrheit war aber zu diesem Zeitpunkt schon von der Partei des gewählten ungarischen Königs auf die Seite des gekrönten, legitimen Habsburgerherrschers übergelaufen, wie dies Papst Gregor XV. aufgrund des Berichtes des päpstlichen Nuntius in Wien (1621–1628), Carlo Caraffa (1584–1644), über die Krönung mit großer Zufriedenheit bemerkte84. Die erfolgreich verlaufene Zeremonie war also für die politisch-militärische Führung der Habsburgermonarchie von entscheidender Bedeutung, denn sie zeugte unbestreitbar davon, dass der Wiener Hof die Loyalität der ungarischen Stände zurückgewonnen und die Ruhe im Land wiederhergestellt hatte. Die Krise, die letztlich auch die Existenz der Monarchie gefährdete, ging damit im Sommer 1622 in Ungarn zu Ende. Auch der zeitliche Ablauf ist interessant. Die Krönung fand einige Tage vor der schon dargestellten neuen Machtverteilung in der ersten Augustwoche statt. Mit anderen Worten: Der Hof und die Stände läuteten mit der Königinnenkrönung am Tag der kaiserlichen Schutzheiligen sozusagen mit einem symbolischen politischen Akt den bevorstehenden Kompromiss ein. Diesen Umstand betonte auch Kaiser Ferdinand II. selbst mit seiner erwähnten Wappenbesserung für die Stadt Ödenburg Anfang August, indem er darauf verwies, dass die Krönungszeremonie seiner Gemahlin, Kaiserin Eleonore, im Einvernehmen mit den Ständen und unter glücklichen Vorzeichen verlaufen sei. Das Andenken daran sollte mit dem Wappen weiter verbreitet und über viele Generationen gefeiert werden85. Die Bedeutung des zeremoniellen Aktes wurde auch dadurch unterstrichen, dass der Krönung am Abend ein höfischer Ball folgte, an dem neben dem kaiserlichen Paar und den ungarischen Aristokraten auf Wunsch Kaiser Ferdinands II. auch der spanische Botschafter teilnahm und die neuen Königin zum Tanz führte. Am nächsten Tag folgte eine der frühesten Opernaufführungen der Habsburgermonarchie („Commedia in musica“)86. Darüber hinaus schuf die ungarische politische Elite im Sommer 1622 in Ödenburg vor der Krönung damit eine neue Tradition, dass der neue Palatin Stanislaus Thurzó die 83  Die neuentdeckte Krönungsordo: ÖStA, HHStA, FA Auersperg, Zimmer A, Kasten 2, Fasz. 32, Konv. 3: 1622; der Bericht des Nuntios Carlo Caraffa: Molnár, Caraffa (wie Anm. 23) 211–215, Nr. 11 (26. Juli 1622, Ödenburg); Bericht des spanischen Botschafters Oñate: Martí, Oñate (wie Anm. 32) 248f., Nr. 9 (27. Juli 1622, Ödenburg); ÖStA, HHStA, OMeA, ÄZA, Kart. 2, Nr. 3; ÖNB *28.Q.134 und 44.290.B. Alt. Mag., bzw. ein unentbehrlicher Beitrag von Otto G. Schindler, Von Mantua nach Ödenburg. Die ungarische Krönung Eleonoras I. Gonzaga (1622) und die erste Oper am Kaiserhof. Ein unbekannter Bericht aus der Széchényi Nationabibliothek. Biblos 46 (1997) 259–293. 84  Molnár, Caraffa (wie Anm. 23) 215, Nr. 11. 85  Tóth, Az 1622. évi soproni címerbővítés (wie Anm. 66) 304, 308. 86  Schindler, Von Mantua nach Ödenburg (wie Anm. 83) 277–288.



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von Bethlen zurückerlangte, am 11. Juli in der Stadt eingetroffene Stephanskrone und die Krönungsinsignien am Folgetag, also dem 12. Juli, vom Fenster des Rathauses aus dem versammelten Publikum auf dem Hauptplatz vorwies. Dies war die erste öffentliche Zurschaustellung der ungarischen Krönungsinsignien und zugleich das Vorbild für die am 6. Dezember 1681 in Ödenburg vor der Zeremonie der Königinnenkrönung von Eleonore Magdalene erfolgte Präsentation. Diese ehrenvolle Aufgabe durfte 1681 der neu gewählte Palatin Paul Esterházy (1635–1713) vollziehen87. Auch durch die Beteiligung ungarischer Würdenträger im Zeremoniell der Krönungszeremonie Ende Juli 1622 zeigte sich die große Bedeutung des Kompromisses. Bei dieser pompösen Veranstaltung in der Franziskanerkirche trug der neu gewählte Palatin, Bethlens ehemaliger General Stanislaus Thurzó, die Stephanskrone in die Kirche und überreichte sie dem Erzbischof von Gran Peter Pázmány. Dieser zelebrierte nämlich die Messe und führte die Salbung der Königin mit dem Chrisam durch und berührte entsprechend dem seit 1563 existierenden Zeremoniell die rechte Schulter der Königin mit der Stephanskrone als Zeichen ihrer Rolle als Stütze des Herrschers. Die Königin selbst wurde vom Bischof von Wesprim, der seit dem Mittelalter den Titel eines Kanzlers der Königin trug, mit ihrer Hauskrone gekrönt. Schließlich fehlte auch nicht das sich seit dem 16. Jahrhundert verfestigende Zeremoniell, dass der Graner Erzbischof am Ende des Rituals, vor dem Te Deum, das Zepter und den Reichsapfel, d. h. die Symbole von Wahrheit und Herrschaft, in die rechte bzw. die linke Hand der Königin legte. In Vertretung der kirchlichen und weltlichen Elite hatten beim Krönungsbankett als dem letzten Element des Krönungszeremoniells der Erzbischof und der Palatin ihren Platz am königlichen Tisch, wobei nach alter Tradition der Erzbischof auf dem vornehmeren Platz, also näher beim Herrscher saß. Obwohl Palatin Thurzó dagegen Bedenken äußerte, gab Pázmány nicht nach. Dadurch signalisierte er, dass trotz des bedeutenden Erstarkens der weltlichen Elite und der protestantischen Stände weiter mit dem Prälatenstand als politischem Gegner gerechnet werden musste. Mehr noch: Den symbolischen politischen Kampf setzte der Erzbischof auch während der Krönungsmähler fort. Bei der ungarischen Krönung Erzherzog Ferdinands (III.) im Dezember 1625, ebenfalls in Ödenburg, konnte er sogar erreichen, dass der Erzbischof von Kalocsa, der zweite Mann der ungarischen katholischen Elite, wie schon 1618 ebenfalls am königlichen Tisch Platz nehmen durfte. Dieser zeremonielle Ausdruck der Bedeutung der ungarischen kirchlichen Elite blieb übrigens Praxis bis zur letzten Herrscherkrönung in Ungarn 191688. Bei der Königinkrönung im Juli 1622 kam neben Thurzó noch anderen ehemaligen Anhängern des siebenbürgischen Fürsten eine wichtige Rolle zu. Der bereits erwähnte Georg Széchy etwa wurde für seine Loyalität nicht nur mit Ämtern belohnt. Er durfte den ungarischen Reichsapfel tragen und beim Bankett den Posten des königlichen Obersttruchsess bekleiden. Diese Schilderungen zeigen in ihrer Gesamtheit deutlich, dass es zwar zum Ausgleich zwischen dem Wiener Kaiserhof und den ungarischen Ständen gekommen war, dass sich aber die innenpolitischen Auseinandersetzungen der seit 1619/20 in zwei Lager gespaltenen Stände trotz des neuen Kompromisses fortsetzten.

  Pálffy, A Szent Korona Sopronban (wie Anm. 69) 34–36, 55f.   Géza Pálffy, Krönungsmähler in Ungarn im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Weiterleben des Tafelzeremoniells des selbständigen ungarischen Königshofes und Machtrepräsentation der ungarischen politischen Elite. Teil 2. MIÖG 116 (2008) 60–91, hier 65f. 87 88

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Zufriedene Verhandlungspartner beim Ödenburger Ausgleich Sowohl Kaiser Ferdinand II. als auch die ungarischen Stände konnten die Stadt Ödenburg im August 1622 größtenteils zufrieden verlassen. Nach den ersten Feldzügen Gabriel Bethlens gelang es der politischen Führung der Habsburgermonarchie, die militärische und politische Lage in Ungarn zu stabilisieren, auch wenn dies an der östlichen Grenze mit einem bedeutenden Gebietsverlust sowie mit schwerwiegenden Zugeständnissen an die ungarischen Stände erkauft werden musste. Trotzdem schien der Kaiser mit dem neu entstandenen Ausgleich sehr zufrieden, wie ein Nachrichtenbrief schon Ende Juli 1622 zu vermelden weiß: „Zu Ödenburg der Kayserin Crönung wol abgangen, der Hungerische Lantag geschlossen und ire Kayserliche Mayestet mit guetem contento inner wenig Tagen nach Wien verraisen sollen“89. Dem Herrscher war es also gelungen, die Loyalität der ungarischen Stände zum Großteil zurückzugewinnen. Dies garantierte die Ruhe im Königreich Ungarn, das damals sowohl als Bollwerk gegenüber den Osmanen als auch als Speisekammer der Monarchie von Bedeutung war. All das ermöglichte dem Kaiserhof inmitten des Dreißigjährigen Krieges, sich intensiver auf die Probleme in den österreichischen und böhmischen Ländern und im Reich zu konzentrieren. Der Kompromiss war aber auch für den am Ödenburger Reichstag teilnehmenden päpstlichen Nuntius und für Papst Gregor XV. zufriedenstellend, denn das Ziel auch der päpstlichen Diplomatie bestand darin, in Ungarn für Ruhe zu sorgen. Erst dann konnte der Kaiser im Heiligen Römischen Reich und in den Ländern der böhmischen Krone entschlossener zum Schutz der katholischen Interessen auftreten. Mit dem vom Wiener Hof und den ungarischen Ständen im 17. Jahrhundert abgeschlossenen zweiten Ausgleich, den die internationale und die ungarische Geschichtsschreibung bislang nur unzureichend würdigte, konnten freilich auch die ungarischen Stände zufrieden sein. In diesem Sinn schrieb der einstige bethlentreue Magnat Paul ­Nádasdy am 7. August, also am Tag des Abschlusses der neuen Machtverteilung, folgende Zeilen an Maria Forgách (1577–1622), die Witwe Peter Révays: „ein gutes Ende der Versammlung vermittelte unser Herrgott und erfüllte damit unsere Hoffnungen und vielleicht sogar mehr, als wir uns gewünscht haben“90. Ähnlich zustimmend wie der Magnat Nádasdy äußerten sich im Zusammenhang mit dem Reichstag einige Tage später auch die im Unterhaus tagenden Abgeordneten der oberungarischen königlichen Freistadt Leutschau/Levoča/Lőcse. Die Ereignisse des Krönungsreichstages zusammenfassend stellten sie nämlich fest: Leczlichen hatt doch Gott der Allmechttige des kaysers hercz regiert, ihme seine augen und ohren geöffnet, einen ansehenlichen außschuß von den landtstendten zue sich begehrt, haben sich also Ihr Kőnigliche Majestät gegen dem landt allergenedigist resolviert, ehr selbst woll sicht, das jeczo nicht nottwendig, das man teutsche ins landt einnehmen soll, will sie auch nit beschweren, vill mehr das landt bey seinen schönen freyheitten und privilegium [!] helffen, schüczen und erhaltten91. Der im Sommer 1622 in Ödenburg erzielte Kompromiss erwies sich zumindest vor­ 89  Fuggerzeitungen aus dem Dreißigjährigen Krieg 1618–1623, hg. von Theodor Neuhofer (Augsburg 1935) 125, Nr. LVI (29. Juli 1622, Graz). 90   az gyűlésnek reménségünk kívül való jó végét adta az Úristen, az magyarországiaknak kívánságok szerént és talánd többet is annál, az mit kívántunk, SNA, Spoločný archív rodu Révay, Korešpondencia [Gemeinsames Archiv der Familie Révay, Korrespondenz], Schachtel 92, fol. 287r–288r (7. Aug. 1622, Deutschkreutz). 91   ŠA Levoča, Magistrát mesta Levoča [Stadtgemeinde Leutschau] III/46/16 (10. Aug. 1622, Ödenburg).



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übergehend als stabil. Am besten wird das verdeutlicht durch die Tatsache, dass Mitglieder der ungarischen Stände sowohl 1623 als auch 1626 nur noch in Ausnahmefällen den siebenbürgischen Fürsten Gabriel Bethlen unterstützten, als dieser Kaiser Ferdinand erneut angriff. Diese Angriffe waren mitten im Dreißigjährigen Krieg sowohl für die Habsburgermonarchie als auch für das Königreich Ungarn nicht ohne Gefahr. Doch der Ausgleich von Ödenburg 1622 blieb bestehen.

Familie und Fegefeuer. Jaroslav Bořita von Martinitz (1583–1649) und seine Kinder als Förderer der Totenfürsorge im Böhmen des 17. Jahrhunderts Von Petr Maťa

Die katholische Konfessionalisierung prägte bekanntlich, wenn auch in regional etwas unterschiedlichem Ausmaß, alle Territorien der Habsburgermonarchie. Die Rolle des Hauses Österreich für die Durchsetzung der Gegenreformation in Zentraleuropa kann dabei kaum genug hervorgehoben werden. Es ist ein Verdienst des Jubilars, auf die vielfältige und grundsätzliche Beteiligung des Adels an diesem Vorgang – als Adressat gegenreformatorischer Bemühungen, als Vermittler aber auch als Akteur – wiederholt hingewiesen1 und so der Forschung ein differenziertes Feld eröffnet zu haben. In diesem Aufsatz möchte ich am Beispiel der „Totenfürsorge“ (sprich: der auf die Erlösung der im Fegefeuer leidenden Armen Seelen gerichteten Frömmgkeitsformen) nach dem Beitrag des habsburgischen Adels zur Etablierung einer spezifisch römisch-katholischen Konfessionskultur fragen. Damit wird zugleich auf die Ambivalenz katholischer Adeliger als Rezipienten und Mediatoren nachtridentinischer religiöser Vorstellungen, Erwartungen und Praktiken eingegangen. Die durch das Konzil von Trient bestätigte Lehre von Ablass, Fegefeuer, Gnadenschatz der Kirche und zeitlichen Sündenstrafen bildete einen der Grundpfeiler der durch die katholische Reform und Gegenreformation hervorgebrachten Religionskultur. Auf ihn stützten sich sowohl komplexe religiöse Praktiken als auch eine suggestive Vorstellungswelt, von denen Anregungen zur Entstehung zahlreicher Kunstwerke ausgingen. Gleichzeitig handelt es sich um eben jene Komponente der römisch-katholischen Konfessionskultur, die seit dem späten 18. Jahrhundert schnell eine Relativierung und einen Bedeutungsverlust zu verzeichnen hatte. Historiographisch wurde der Fegefeuerglaube der Barockzeit, wenn nicht vollkommen ausgeblendet, so doch zumeist unterschätzt und am ehesten noch unter „Volksfrömmigkeit“ rubriziert. Folglich blieb dieser Bereich relativ wenig erforscht; bis heute fehlen etwa systematische Untersuchungen zur Verbreitung der 1   Thomas Winkelbauer, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung durch Grundherren in den österreichischen und böhmischen Ländern im 16. und 17. Jahrhundert. ZHF 19 (1992) 317–339; ders., Grundherrschaft, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung in Böhmen, Mähren und Österreich unter der Enns im 16. und 17. Jahrhundert, in: Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, hg. von Joachim Bahlcke–Arno Strohmeyer (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 7, Stuttgart 1999) 307–338; ders., Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters (MIÖG, Ergbd. 34, Wien–München 1999).

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Abb. 1: Jaroslav Bořita von Martinitz (1583–1649) bald nach seiner Rückkehr von der Kavalierstour; Burg Clam, Privatsammlung; Foto: Petr Maťa.



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sogenannten privilegierten, zur Erlösung von Armen Seelen aus dem Fegefeuer bestimmten Altäre als wichtigste Instrumente und Monumente nachtridentinischer Jenseitsvorsorge in Zentraleuropa2. In diesem Aufsatz, der sich als ein Beitrag zur Schließung dieser Lücke versteht, wird nach der Bedeutung der Arme-Seelen-Hilfe im Umfeld des katholischen Adels gefragt, wobei der infolge des Prager Fenstersturzes 1618 berühmt gewordene Jaroslav Bořita von Martinitz (1583–1649) und seine zahlreiche Familie als Fallstudie im Zentrum stehen werden. Das Ziel ist einerseits, nach der Relevanz der Jenseitsvorsorge in einem an der Gegenreformation wesentlich beteiligten katholischen Adelshaus zu fragen, andererseits Bausteine zu der nur fragmentarisch beleuchteten Biographie eines bedeutenden Politikers zu liefern, dessen Aufstieg in den turbulenten Jahrzehnten im Vorfeld und während des Dreißigjährigen Kriegs dafür sorgte, dass die Familie Martinitz für ein gutes halbes Jahrhundert eine Schlüsselstellung in der böhmischen Geschichte inne hatte. Dazu werde ich in vier Schritten vorgehen. Nach einigen Hinweisen zur Biographie von Jaroslav Bořita von Martinitz wird der Kontext der auffallend frühen Einrichtung eines privilegierten Altars in der martinitzschen Kapelle im Prager Veitsdom – womöglich der erste Altar seiner Art in Böhmen – erläutert. In der Folge werde ich auf die spätere Erweiterung der martinitzschen Messstiftung in Verbindung mit einer in Prag geführten Debatte über die Arme-Seelen-Hilfe eingehen. Die Beleuchtung der Aktivitäten einzelner Familienmitglieder in einer religiösen Affäre der Mitte des 17. Jahrhunderts, in der es eben um die Erlösung Armer Seelen aus dem Fegefeuer ging, wird das Bild vervollständigen.

Die Papstaudienz 1600 und der Aufstieg eines Eiferers Anders als sein späterer Weggefährte, der um elf Jahre ältere Wilhelm Slawata (1572– 1652), war Jaroslav Bořita von Martinitz kein Konvertit, sondern stammte aus einer katholischen und durchaus hofnahen Adelsfamilie. Der 1583 postum geborene Jaroslav3 wuchs im Schatten seines wenig älteren Bruders Georg und des politisch aktiven Onkels, der ebenfalls Georg hieß und zu den Vertrauensleuten Rudolfs II. gehörte, auf. Die Familienherrschaft mit Zentrum im Schloss und Markt Smečno nordwestlich von Prag war einer der wenigen Keimzellen der frühen Gegenreformation in Böhmen. Über Jaroslavs Jugendjahre lässt sich wenig Konkretes sagen; selbst seine in der Literatur angenommene Zeit bei den Prager Jesuiten entbehrt eines Quellennachweises. Fest steht, dass er nach dem Tod seines Bruders 1597 und seines Onkels 1598 zum einzigen männlichen Vertreter der Familie wurde. Genaueres ist erst über Jaroslavs (relativ kurze) Kavaliersreise nach Italien 1599/1600 bekannt, die für das Thema dieser Studie höchst bedeutsam ist. Der Reiseverlauf ist anhand von Jaroslavs Inskriptionen und seiner hier erstmals ausgewerteten Briefe an den 2   Zum Phänomen des privilegierten Altars (altare pro mortuis privilegiatum) Christine Göttler, Die Kunst des Fegefeuers nach der Reformation. Kirchliche Schenkungen, Ablaß und Almosen in Antwerpen und Bologna um 1600 (Berliner Schriften zur Kunst 7, Mainz 1996). Eine grundsätzliche Pionierleistung bezüglich des böhmisch-mährischen Raums ist Tomáš Malý–Pavel Suchánek, Obrazy očistce. Studie o barokní imaginaci [Bilder des Fegefeuers. Studie über Barockimagination] (Brno 2013). 3   Das tradierte Geburtsdatum 6. Jan. 1582 ist unrichtig. Jaroslav wurde genau ein Jahr später geboren, siehe Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598–1667), hg. von Katrin ­Keller–Alessandro Catalano, 7 Bde. (Wien–Köln–Weimar 2010) 2 385; 3 8; 4 739.

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kaiserlichen Botschafter beim Päpstlichen Stuhl Raimondo della Torre († 1623) rekonstruierbar. Am 20. September 1599 inskribierte Martinitz in Padua4, am 24. Oktober 1599 in Siena5. Bald danach begab er sich jedoch nach Rom, wo er zum Jahreswechsel bei der Eröffnung des Heiligen Jahres anwesend war. Von Rom reiste Martinitz nach Loreto und von dort eilte er über Perugia – wo er am 1. März 1600 seinen Namen in die Matrikel der Universität eintragen ließ6, ohne sich in der Stadt länger aufgehalten zu haben – wiederum nach Siena7. Ende März wusste er bereits, dass er nach Ostern seine Rückreise nach Prag über Venedig antreten werde, passando però le città principali de Lombardia come Genova [!] e Milano etc.8. Ob Martinitz tatsächlich den Umweg über Ligurien und Lombardei machte, ist ungewiss. Ende Juni 1600 war er zurück in Prag. Die Bekanntschaft mit dem kaiserlichen Botschafter erwies sich während der Reise als durchaus bedeutend. Auf seine Vermittlung und in seiner Begleitung wurde Martinitz gemeinsam mit sieben anderen jungen katholischen Adeligen aus Böhmen am 7. Januar 1600 von Clemens VIII. empfangen. Die böhmischen Kavaliere küssten dem Papst die Füße, während dieser sie mit Tränen in Augen (kein Topos: Ippolito Aldobrandini war für seine „Gabe der Tränen“ berühmt) zu katholischem Eifer aufforderte und jedem Einzelnen eine Gnade zusagte. Ihre Bitte durften sie vortragen, während der Botschafter einen nach dem anderen dem Papst vorstellte9. Der ebenfalls anwesende Wilhelm Slawata erhielt auf diese Weise einen Dispens für seine spätere Heirat mit seiner reichen Cousine Lucia Ottilia von Neuhaus (1582–1633), während Martinitz eine Reihe von frommen Gunstbezeigungen erbat. Dabei handelte es sich um die Erlaubnis eines privilegierten Altars für die martinitzsche Familienkapelle im Prager Veitsdom, um Ablässe für einige Devotionalien (Kronen, Medaillen und Bilder), die er vom Papst segnen ließ, und schließlich ersuchte er den Papst um eine (vermutlich geweihte) Krone – zu welchem Zweck, ist nicht klar. Einer späteren, doch möglicherweise nicht gänzlich apokryphen Erzählung entnehmen wir, Clemens VIII. habe Martinitz bei dieser Gelegenheit ebenfalls seinen Segen zur Erneuerung seiner Familie erteilt, wofür Jaroslav sich gegenüber dem Papst zu dreierlei verpflichtet haben soll: Er werde eine Dame aus katholischer Familie heiraten, seine Untertanen bekehren und in Ratsgremien und Versammlungen immer nur im Sinne des katholischen Glaubens agieren10. Der Besuch Roms zu Beginn des Heiligen Jahres 1600 dürfte für den gerade siebzehnjährigen Jaroslav ein durchaus prägendes Erlebnis gewesen sein11. Auch seine Le4   Matricula Nationis Germanicae Iuristarum in Gymnasio Patavino, Bd. 1: 1546–1605, hg. von Elisabetta Dalla Francesca Hellmann (Fonti per la storia dell’Università di Padova 19, Roma 2007) 74 (Nr. 596). 5  Fritz Weigle, Die Matrikel der deutschen Nation in Siena (1573–1738) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 22/23, Tübingen 1962) 143. 6  Fritz Weigle, Die Matrikel der deutschen Nation in Perugia (1579–1727) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 21, Tübingen 1956) 42. 7  Martinitz an Raimondo della Torre, 4. März 1600 (Siena), AST, ATT, AA, 70.2. 8  Martinitz an Raimondo della Torre, 28. März 1600 (Siena), AST, ATT, AA, 70.2. 9  Die Beschreibung der Papstaudienz aus dem Feder Slawatas ediert bei Petr Maťa, Oslavy jubilejního léta v Římě a česká šlechta [Die Feiern des Heiligen Jahres 1600 in Rom und der böhmische Adel]. Jihočeský sborník historický 66 (1997) 117–123. 10  Relatione delle qualità della casa Martinitz, in: Galeazzo Gualdo Priorato, Vite, et azzioni di personaggi militari, e politici (Vienna 1674) unpaginiert. Diese Lebensbeschreibung Jaroslavs entstand höchstwahrscheinlich aufgrund von Erzählungen seines Sohns Bernhard Ignaz bzw. des von ihm zur Verfügung gestellten Materials. Ein durch Bernhard Ignaz eigenhändig korrigiertes und leicht ergänztes Konzept (Qualità della Casa Martinitz) befindet sich in der ÖNB, Cod. 14.675. 11  Eine durch Jaroslav beim Hl. Wenzel-Altar in St. Peter in Rom gestiftete silberne Lampe entstand



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bensfreundschaft mit dem älteren Konvertiten Wilhelm Slawata entstand während dieser Reise. Beide Adelige fanden sich bald nach ihrer Rückkehr nach Böhmen als eifrige „Hardliner“ im radikalsten Flügel des katholischen Lagers. In dieser Rolle schalteten sie sich Seite an Seite in die politischen Konflikte der spätrudolfinischen Zeit ein. Gemeinsam wurden sie 1611 der Beteiligung am Einfall des Passauer Kriegsvolkes in Böhmen verdächtigt, gemeinsam wurden sie 1618 als Friedensstörer aus dem Fenster der Böhmischen Kanzlei gestürzt, gemeinsam verbrachten sie ein mehrjähriges Exil in Passau. Schließlich standen sie beide, trotz gelegentlicher Meinungsunterschiede, an der Spitze einer politischen Allianz, welche die Machtverhältnisse in Böhmen in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges dominierte. Martinitz kehrte aus Italien mit einem bemerkenswert klaren Programm hinsichtlich seiner politisch-konfessionellen Orientierungen, familiären Ziele und grundherrlichen Aufgaben zurück, das er bald nach der Rückkehr nach Böhmen umzusetzen begann. Unterstützt durch ein Empfehlungsschreiben Rudolfs II. hielt Jaroslav am 4. Dezember 1600 um die Hand Maria Eusebias († 1634), einer Tochter des gemäßigten Katholiken und späteren Oberstburggrafen Adam von Sternberg († 1623), an; die Hochzeit fand am 11. Februar 1601 statt12. Zu Osterzeit 1602 führte Jaroslav, die Absichten seines Onkels Georg mit großer Entschiedenheit weiterführend, die Gegenreformation in seinen Herrschaften durch, verbunden mit der Gründung einer Dechantei und einer Serie von komplexen obrigkeitlichen Regulierungsmaßnahmen13. Sein Vorgehen gilt als Paradebeispiel konfessioneller Disziplinierung durch einen Grundherrn, wie sie Thomas Winkelbauer anhand anderer Beispiele beschrieben hat14. allerdings nicht zu dieser Zeit, sondern erst nach der Rückkehr seiner jüngsten Söhne von der Kavalierstour Anfang der 1640er Jahre. Ioannes Wenceslaus Bilek, Trophea Sancti Wenceslai Bohemiae regis ac martyris [...] Honori [...] Joannis Kaldschmidt Liberi Baronis ab Eisenberg, Dum Theses ex vniversa philosophia in magna vniversitatis Pragensis avla propugnaret erecta (Pragae 1661) unpaginiert. Vgl. den Vermerk Kardinal Harrachs vom Februar 1642: Burgravio Martinicz ha mandato à donare una lampada all’altare di S. Wenceslao in San Pietro. Barb[erin]o suppone che farà ancora la dotatione per l’oglio, intanto egli lo subministra del suo; ÖStA, AVA, FAH, Hs. 268, fol. 27r. 12   Das Konzept des Empfehlungsschreibens: ANM, H 39. Die Verlobung: Abschriften der Kalendernotizen von Zdenko Adalbert Popel von Lokowitz durch den Archivar Kašpar Jan Boušek (Sponsalitia in cancellaria domini Jaroslai de Martinicz et filiam [!] domini iudicis maioris), Nelahozeves, Lobkowiczké sbírky [Lobkowitzische Sammlungen], Lobkovicové roudničtí – rodinný archiv [Das Familienarchiv der Raudnitzer Lobkowitz], Sign. VI Fd 38. Die Hochzeit: Martinitz an Raimondo della Torre, 16. Jan. 1601 (Prag), AST, ATT, AA, 78.1. 13  Antonín Rybička, Pan Jaroslav Bořita z Martinic a město jeho Munciffaj v letech 1600–1612 [Jaroslav Bořita Herr von Martinitz und seine Stadt Munciffaj in den Jahren 1600–1612]. Zprávy o zasedání královské České společnosti nauk v Praze 1882 (1883) 94–101; František Šváb, Panství smečenské [Die Herrschaft Smečno]. Slánský obzor 31 (1923) 3–20; 32 (1924) 3–22. Zur Rekatholisierung der ursprünglich königlichen, 1623 an Martinitz verpfändeten und 1638 in die Erbuntertänigkeit überlassenen Stadt Schlan (Slaný) nunmehr Josef Kadeřábek, „Jen srdce a zuby ukázati.“ Násilí jako základní prvek protireformačního konceptu Jaroslava Bořity z Martinic [„Nur Herz und Zähne zeigen.“ Gewalt als Grundelement im gegenreformatorischen Programm Jaroslavs Bořita von Martinitz]. FHB 30 (2015) 113–125, und weitere Arbeiten desselben Autors; Romana Kmochová, „I přišli k nám tito soldáti ...“ Město Slaný za třicetileté války optikou pramenů městské kanceláře [„Und es kamen zu uns diese Soldaten ...“ Die Stadt Schlan im Dreißigjährigen Krieg im Lichte der Quellen der Stadtkanzlei] (MA, Praha 2015). 14  Winkelbauer, Sozialdisziplinierung (wie Anm. 1); ders., Grundherrschaft (wie Anm. 1); ders., Gun­ daker von Liechtenstein als Grundherr in Niederösterreich und Mähren. Normative Quellen zur Verwaltung und Bewirtschaftung eines Herrschaftskomplexes und zur Reglementierung des Lebens der Untertanen durch einen adeligen Grundherrn sowie zur Organisation des Hofstaats und der Kanzlei eines „Neufürsten“ in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (FRA III/19, Wien–Köln–Weimar 2008).

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Aus der ersten und längsten von Martinitz’ vier Ehen entstammen zahlreiche Kinder, von denen neun das Erwachsenalter erreichten: die Söhne Georg Adam (1602–1651), Bernhard Ignaz (1615–1685), Ferdinand Leopold Benno (1619–1691) und Maximilian Valentin (1620–1677) sowie die Töchter Elisabeth Corona (1604–1649), Katharina Ludmila (1608–1678), Lucia Ottilia (1609–1651), Barbara Eusebia (1613–1656) und Ursula Polyxena († 1680). Mittels geschickter Heiratsstrategie bildete Martinitz ein familiäres Netzwerk, das sich vor allem auf die böhmischen Familien Sternberg, Wrtba, Žďárský und Liebsteinsky von Kolowrat stützte. Eine ebenfalls geschickte (mitunter skrupellose) Strategie entwickelte Martinitz im Bezug auf die Karrieren seiner Söhne und Schwiegersöhne, denen er – seit 1638 Oberstburggraf von Prag – wichtige Ämter bzw. kirchliche Würden verschaffte. Am Ende besetzten Mitglieder des martinitzschen Netzwerks die zentralen Positionen in der böhmischen Landesverwaltung und übten zugleich einen beträchtlichen Einfluss am Hofe Ferdinands III. aus – der älteste Sohn Georg Adam war böhmischer Kanzler, der Schwiegersohn Ulrich Franz Liebsteinsky von Kolowrat (1607–1650) Hofkammerpräsident.

Der privilegierte Altar und die Neugestaltung der Familienkapelle im Prager Veitsdom In der Papstaudienz im Januar 1600 zeigte der junge Martinitz Interesse für ein Ablassprivileg für einen Altar in der Familienkapelle im Prager Veitsdom15, was keineswegs als verbreiteter Wunsch gelten kann. Die privilegierten Altäre, eine von Gregor XIII. eingeführte und im Zusammenhang mit dem Heiligen Jahr 1575 popularisierte „Erfindung“, waren in Italien zwar verbreitet; jenseits der Alpen aber waren sie selten anzutreffen. War ein Altar durch ein entsprechendes päpstliches Ablassbreve privilegiert, so konnte er zur Erlösung von Seelen aus dem Fegefeuer beitragen: Jedem Verstorbenen, für den das Messopfer vor einem solchen Altar unter den im päpstlichen Privileg spezifizierten Bedingungen dargebracht wurde, wurde ein vollkommener Ablass zuteil; die „heilsamen Früchte des Meßopfers“ wurden somit „sofort zu den Armen Seelen im Fegefeuer transportiert“. Somit verband ein privilegierter Altar mehrere zentrale Aspekte der römisch-katholischen Theologie, die in der Reformation verworfen worden waren16. Wir wissen leider nicht, woher dieser spezifische Wunsch Jaroslavs von Martinitz rührte. Sehr wahrscheinlich lernte er diese Frömmigkeitsform erst während seines Aufenthaltes in Italien kennen, wo sich gerade im Kontext des Heiligen Jahres dazu Anlässe boten. So berichtete etwa eine 1598 erschienene deutschsprachige Beschreibung des Heiligen Jahrs 1575 über den Großherzog von Toskana, der damals in Rom „von Ihr Heiligkeit ein Privilegierten Altar für die Seelen / in dem Fegfewer genedigist erhalten und außgebracht“ habe17. Wie auch immer, Jaroslavs Verlangen nach einem privilegierten Altar war ein durchaus strategisches. Derartige Ablässe wurden vom Papst bis auf seltene 15  Zum martinitzschen privilegierten Altar Štěpán Vácha–Radka Tibitanzlová, Stevensovy obrazy z Martinické kaple ve Svatovítské katedrále [Die Gemälde von Stevens aus der martinitzschen Kapelle des Veitsdoms]. Slánské rozhovory 2013 und 2015 (Slaný 2015) 45–53, deren Befunde ich im Folgenden weiter ergänze. 16  Göttler, Kunst (wie Anm. 2) 54–66, 122–126 und passim. 17   Raphaele Riera, Historia ivbilaei. Wahrhaftige / Andächtige / Nützliche / und lustige Beschreibung aller denck und lobwürdigen Sachen / welche sich zu Rom in nechstverfloßnem Jubeljahr Anno 1575. zur zeit der glückseligsten Regierung Greg. 13. löblichster Gedechtnus verloffen und zutragen (Konstanz 1598) 90.



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Ausnahmen nur für jeweils einen Altar einer Kirche erteilt, wobei der Umfang des Ablass­ privilegs im Verhältnis zur Zahl der jeweils vorhandenen Geistlichen und zur Frequenz der dort gelesenen Messen stand18. Die Familienkapelle im Prager Veitsdom bot Martinitz damit gute Gelegenheit, ein sehr breites Privileg zu beantragen und gleichzeitig diese Innovation in der bedeutendsten Kirche Böhmens für seine Familie zu reklamieren und sie mit einer auf diese bezogenen Memorialfunktion zu verbinden. Als Förderer der Arme-Seelen-Hilfe ging der junge Martinitz seinen um einiges älteren katholischen Weggefährten deutlich voraus. Vergleichbare Ablassprivilegien für Altäre datieren nämlich in den böhmischen Ländern erst aus späterer Zeit. Der Olmützer Bischof und Kardinal Franz von Dietrichstein (1570–1636) erhielt die Erlaubnis für einen privilegierten Altar in der Pfarrkirche seines südmährischen Familiensitzes Nikolsburg/ Mikulov erst 161719. Im Jahr 1624 suchte Wilhelm Slawata beim Papst um die Erteilung eines Ablassbreves für den Altar der Hl. Maria Magdalena nach, den er in seiner Residenzstadt Neuhaus/Jindřichův Hradec gemeinsam mit seiner Ehefrau errichten wollte, vermutlich in der von ihm erbauten, allerdings erst 1632 geweihten Kapelle des dortigen Jesuitenkollegs, in der Slawata sich später bestatten ließ20. Heinrich Liebsteinsky von Kolowrat († 1646) errichtete in den 1620er Jahren einen privilegierten Altar in der Kirche des Prämonstratenserstiftes Strahov auf dem Hradschin, ebenfalls im direkten Zusammenhang mit seiner vorgesehenen Grablege21. Erst 1636 suchte Kardinal Dietrichstein um ein Ablassbreve für die Olmützer Domkirche an22, während die Ablässe für einen Altar, der etwa zu gleicher Zeit in der Domkirche zu Breslau/Wrocław entstand, zunächst nur auf sieben Jahre beschränkt waren, weshalb 1644 um ihre Verlängerung und Ausweitung auf zwei Messen wöchentlich gebeten werden musste23. In dieser vergleichenden Sicht wird klar, dass Jaroslav Bořita von Martinitz das Altarprivileg sehr früh und zugleich in bemerkenswert umfassender Form erhielt, nämlich ohne zeitliche Begrenzung und ohne Beschränkung auf gewisse Tage oder auf eine Zahl von Seelenmessen. Wer jedoch meint, dass die Kurie nur darauf wartete, solchen frommen Wünschen des eifrigen Adoleszenten aus dem ketzerischen Böhmen entgegenkom18   In diesem Sinne verschärfte eine bald nach dem Heiligen Jahr 1600 unter Paul V. berufene Kommission die päpstliche Ablasspolitik, Göttler, Kunst (wie Anm. 2) 66. 19  Tomáš Parma, František kardinál Dietrichstein a jeho vztahy k římské kurii. Prostředky a metody politické komunikace ve službách moravské církve [Kardinal Franz von Dietrichstein und sein Verhältnis zur römischen Kurie. Mittel und Methoden der politischen Kommunikation im Dienst der mährischen Kirche] (Brno 2011) 381f. 20  BAV, Barb. lat. 6906, fol. 29r–30r. Vgl. Bedřich Jenšovský, Knihovna Barberini a český výzkum v Římě [Die Bibliothek Barberini und die tschechische Forschung in Rom]. Zprávy českého Zemského archivu 6 (1924) 5–169, hier 94. 21   Das ergibt sich aus der überlieferten Inschrift auf dem Altar. Da Kolowrat dort als Oberstlehensrichter bezeichnet wird, muss die Gründung zwischen 1623 und 1628 erfolgt sein, siehe Joannes Thomas Adalbertus de Berghauer, Proto-Martyr poenitentiae, ejusque sigilli custos semper fidelis divus Joannes Nepomucenus [...], Bd. 2 (Augustae Vindelicorum 1761) 127f.; [Johann Gottfried Dlabacz,] Inscriptiones monumentorum in regia ecclesia ordinis Praemonstratensis Pragae in Monte Sion (Pragae 1808) 14. 22  Tomáš Parma, Le visite ad limina del vescovo di Olomouc Francesco cardinale Dietrichstein (1570– 1636), e le sue relazioni sullo stato della diocesi. RHM 50 (2008) 335–382, hier 379. 23  Der Olmützer Dompropst Kaspar Karas von Rhomstein intervenierte am 18. Sept. 1644 (Brünn) bei Kardinal Harrach, der gerade in Rom weilte: Mi racommanda una pretensione d’un altare privilegiato per la cathedrale di Wratislavia. L’hanno havuto ad septennium, lo vorriano hora ad decennium et da puotersi dire la messa 2 volte la settimana. Das eigenhändige Regest des Kardinals befindet sich auf einem undatierten Extrakt aus einem Brief Francesco Tommaso Visintainers vom Sept. 1644, ÖStA, AVA, FAH, Kt. 183.

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Abb. 2: Die martinitzsch-lobkowitzsche Kapelle im Prager Veitsdom: Blick auf die östliche Wand, an der Jaroslav Bořita von Martinitz den privilegierten Altar errichten ließ (Zustand nach der Regotisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts); Foto: Jindřich Eckert (1833–1905). Archiv hlavního města Prahy, Sbírka fotografií, XII 245.



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men zu können, der täuscht sich. Martinitz musste die Einlösung der päpstlichen Zusage mehrfach durch den kaiserlichen Botschafter einmahnen lassen, wobei eine Bestätigung der gewünschten Gunstbezeugnisse ihn weder in Siena, noch in Venedig24, ja zunächst nicht einmal in seiner Heimat erreichte. Von Prag drängte Martinitz immer wieder auf die in der Papstaudienz in Aussicht gestellte Gnade; die geweihten Gegenstände habe er bereits verteilt, ohne den Adressaten Näheres über die damit verbundenen Ablässe mitteilen zu können, und den neuen Altar habe er bereits in Auftrag gegeben, ohne die einschlägige Privilegierung in der Hand zu haben25. Raimondo della Torre musste im Juli 1600 beim Papst intervenieren und den von Jaroslav gewünschten Umfang des Privilegs mit Berufung auf dessen Seltenheit in Zentraleuropa begründen26. Schließlich wurde das päpstliche Breve bezüglich des privilegierten Altars im gleichen Sommer (doch mit Datum 27. März 1600) erlassen und gelangte Mitte August 1600 nach Prag, worauf Martinitz voller Begeisterung reagierte: Qual gratia particolare (cioè il breve per altare privilegiato) [...] non tardaeo in modo debito d’usarla (accioché le povere anime che son in purgatorio si godino di essa)27. Die Kapelle im Prager Veitsdom, für die der privilegierte Altar vom Anfang an vorgesehen war, befand sich bereits seit mehreren Generationen unter Protektion der Herren Bořita von Martinitz. Es handelte sich um den ersten Kapellenraum östlich der Kapelle des Hl. Wenzel, der im 16. Jahrhundert von zwei bedeutenden Familien in Anspruch genommen und als Begräbnisstätte benutzt wurde (Abb. 2): Den Popel von Lobkowitz stand die westliche Kapellenseite mit dem Altar der Hl. Silvester, Dionys und Wolfgang zur Verfügung, den Bořita von Martinitz hingegen die östliche Seite mit zwei Altären, von 24  Non posso tralasciar con questa mia di non ridurle à memoria la speditione per conto del breve appertenente al altar privilegiato, l’indulgenze concesse alle mie corone, medaglie et imagini benedette da Sua Santità, come anco la corona mi promessa da Sua Beatitudine, la prego à favorirmi. Martinitz an Raimondo della Torre, 4. März 1600 (Siena), AST, ATT, AA 70.2. Weitere Urgenz samt Bitte um Übersendung des Privilegs und der Devotionalien nach Venedig: ders. an dens., 28. März 1600 (Siena), ebd. 25   [...] con questa occasione [...] la volsi [...] rammentare dell mio breve per l’altare privilegiato, della corona statami promessa dalla Suoa [!] Santità, e indulgenzie sopra le corone et imagini, accioché tutte queste cose già dette tanto più presto per favor suo possi acquistare. La causa che tanto solliciti il breve e l’indulgentie è che l’altare si commincia à fabricare et il signor arcivescovo desideri vedere il breve inanzi che si finisca l’altare. Le corone, medaglie, et imagini n’ho distribuito alli miei patroni cari et buoni amici, i quali grandemente desiderano di veder quelle indulgentie delle quali vorrebbono d’esser partecipi. Martinitz an Raimondo della Torre, 30. Juni 1600 (Prag), ebd. 26   Vgl. einen (durch Tintenfraß leider stark beschädigten) Zettel folgenden Inhalts (mit Anmerkung auf der Rückseite: Mem[oria]le à S[ua] S[anti]tà per il baron Jaroslao Borsita, 14. Luglio 1600): V[ostra] S[anti]tà restò s[upplica]ta di privilegiar un altare in Praga di s[an]to [?] And[re]a, capella de barone Jaroslao Borsita de Martiniz nella chiesa catedrale, con restretiva pero per li soli pretti di detta chiesa, ma per esser rarissimo tal tesoro in quelle parti et perché molti ne possino participare, si supplica la S[anti]tà V[ostr]a à voler concedere che s’ accomodi detto breve come già ne diede da [?] intent[ion]e all’Amb[asciato]r Ces[are]o che si ricovera [?] per gratia singulariss[im]a dalla V[ostra] B[eatitudi]ne qua Deus etc. AST, ATT, AA, 77.1. Vgl. Martinitz an Raimondo della Torre, 31. Juli 1600 (Prag): La difficoltà che l’hebbe della riforma del mio breve me rincresce assai [...]. La supplico ancora si degni di basciar le mani dalla parte mia al Illustrissimo signor Lodovico della Torre, al qual anco desidero d’esser raccommandati il breve, le indulgenzie e la corona, assicurandomi che per la gratia di Vostra Eccellenzia prima, e poi ancora per favor del signor Lodovico più presto le havrò, perché l’altare gia si comincia a fare, AST, ATT, AA, 70.2; ders. an dens., 7. Aug. 1600 (Prag): Bedauert, dass il negotio del breve, indulgenze et corona esser stato tuttavia torbido (che le portò assai de difficoltà et occupazioni e pure che l’ha trattato di nuovo con Sua Santità et sgombrato tutte le nebbie), ebd. 27   Martinitz an Raimondo della Torre, 19. Aug. 1600 (Prag), AST, ATT, AA 70.2. Ähnlich ders. an Lodovico della Torre vom gleichen Tag: il qual tutto è al mio pieno contento e sodisfazzione, già adunque non tardarò d’usar debitamente quella gratia che le povere anime trovino aiuto, ebd. Das Breve befindet sich in SOA Praha, Velkostatek Smečno [Grossgrundbesitz Smečno], Urkunde 17.

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denen einer den Hl. Laurentius und Apollinaris, der andere dem heiligen Hl. Andreas gewidmet war. Beim Laurentius-Altar hatte Hynko Bořita von Martinitz am 13. Januar 1523 eine Messstiftung errichtet28, die der erste Beleg für Beziehungen der Familie, die im böhmischen Herrenstand damals noch zu den Aufsteigern gehörte, zum Veitsdom und zu dieser Kapelle ist. Wohl seit dieser Zeit wurde die Kapelle zum üblichen Bestattungsort der Familienmitglieder. Die Gestalt beider Altäre bei der östlichen Kapellenwand um 1600 ist nicht bekannt. Jaroslav suchte um das Ablassprivileg allerdings nicht für den durch seinen Verwandten Hynko bereits dotierten Laurentius-Altar, sondern für den Andreas-Altar an, den er gleichzeitig neu errichten wollte. Das neue Retabel, das Jaroslav nur wenige Wochen nach seiner Rückkehr aus Italien in Auftrag gab, muss bereits einige Zeit fertig gewesen sein, als Martinitz am 8. Dezember 1604 im Beisein des Prager Erzbischofs, des Domdechanten und fünf anderer katholischer Adeliger eine neue Altarsstiftung verbriefte. Der Verzug erklärt sich durch schwierige Verhandlungen mit dem Domkapitel über die genauen Bedingungen der Stiftung, in deren Verlauf Martinitz sogar zur Drohung griff: Wenn die Domherren die Angelegenheit weiter verhinderten, müsse er den privilegierten Altar in einer anderen Kirche Prags oder in Smečno (allerdings mit gleichzeitiger Verlegung der Grabstätte) errichten, oder aber das päpstliche Breve zurückschicken unter Hinweis auf die Umstände, die die Einrichtung des Altars im Veitsdom verhinderten29. Schließlich kam es aber zu einer Einigung. In der endgültigen Stiftungsurkunde erklärte Jaroslav von Martinitz, „den armen im Fegefeuer leidenden, womöglich auch einiger meiner lieber Vorfahren in Qualen aufgehaltenen Seelen zu ihrer Erlösung“ helfen zu wollen. Deshalb stifte er zu dem von ihm unlängst neu errichteten Altar des Hl. Andreas in der Familienkapelle ein Kapital von 700 Schock böhmischer Groschen. Auf dieser Basis sollte das Domkapitel insgesamt 40 Schock jährlich in zwei Raten empfangen und dafür jede Woche zwei Messen lesen lassen: sonntags eine Messe de tempore und mittwochs oder freitags eine Messe pro fidelibus defunctis. Darüber hinaus solle der von der Domkapitel zu ernennende und mit 25 Schock bezahlte Altarist einmal im Jahr um das Andreas-Fest mit allen Klerikern und Schülern ein Anniversarium für Jaroslavs Vorfahren (und nach seinem Tod auch für ihn) inklusive Vigilien halten, wofür weitere 5 Schock bestimmt waren. Für die übrigen 10 Schock sollten Kerzen, Wein, Verzierung und weiterer Bedarf beider martinitzschen Altäre in der Kapelle bezahlt werden. Wenig später wurde diese Altarstiftung in die böhmische Landtafel eingetragen30. Dass dies nicht nur eine fromme Tat, sondern gleichzeitig ein demonstrativer konfessioneller Akt war, der als Provokation gedeutet wurde, bezeugt die spätere Reaktion der protestantischen Stände, die in der nach dem Fenstersturz redigierten Apologie Martinitz unter anderem vorwarfen, er habe päpstliche Ablassbriefe in die Landtafel eintragen lassen31.   NA, DZV 84, fol. A9r–v.   Ein durch das Domkapitel revidierter Textvorschlag der Stiftung (anhand der Ämter der vorgesehenen Zeugen in die erste Jahreshälfte 1603 datierbar) mit Jaroslavs abschlägigem Vermerk liegt in APH, APMK, LIX/1, zitiert auch bei Vácha–Tibitanzlová, Stevensovy obrazy (wie Anm. 15) 48. 30  […] ubohým v očistci trpícím a snad i některejch předkův mých milých v mukách se zdržujícím dušičkám k vysvobození a z jejich velikého trápení do věčného blahoslavenství [...] pomáháno bylo; NA, DZV 132, O26r–P5v. 31  Apologie (první i druhá) stavův království Českého [...] [Die erste und zweite Apologie der Stände des Königreichs Böhmen], hg. von Vácslav Šubrt (Praha 1863) 199f.; Pavel Skála ze Zhoře, Historie česká. Od defenestrace k Bílé Hoře [Böhmische Geschichte. Vom Fenstersturz bis zum Weißen Berg], hg. von Josef Janáček (Praha 1984) 79. 28 29



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Mit der Seelenmessstiftung 1604 war die Ausstattung der martinitzschen Kapelle vorläufig abgeschlossen. Der Altar scheint die ikonoklastische Säuberung des Veitsdoms, die während des pfälzischen Königtums 1619 unternommen wurde, überstanden zu haben. Am 4. August 1621 wurden beide martinitzschen Altäre neu geweiht,32 und noch 1624 verzeichnete der Domdechant Kaspar Arsenius von Radbusa († 1629) beide Altäre: den privilegierten Andreas-Altar („primum in ingressu“) mit der Stiftung Jaroslavs und den Laurentius- und Apollinaris-Altar in der Mitte der Kapelle („versus orientem“) mit der alten Stiftung Hynkos33. Bald danach muss sich Martinitz jedoch zu einer Neugestaltung der Familienkapelle entschieden haben. Anstelle beider Altäre wurde nun ein imposanter, den Hl. Andreas und Hl. Laurentius geweihter Ädikula-Altar errichtet (Abb. 3). Das Altarblatt mit Kreuzigung, Maria, Maria Magdalena und JohanAbb. 3: Der wohl um 1628 errichtete privilegierte Altar der Hl. Andreas und Laurentius, ursprünglich in der martinitznes dem Täufer, eines der Hauptschen Kapelle im Veitsdom, heute in der Dreifaltigkeitskirwerke von Johann Georg Hering, che des ehemaligen Franziskanerklosters in Slaný. Foto aus: datiert von 1628 und stellt damit Ferdinand Velc, Soupis památek historických a uměleckých zugleich den einzigen Anhaltspunkt v politickém okresu slanském [Verzeichnis der historischen und Kunstdenkmäler im politischen Bezirk Schlan] (Soupis zur Datierung des neuen Altars dar. památek historických a uměleckých v Království českém od Im Altaraufsatz waren beide Heilige pravěku do počátku XIX. století 20, Praha 1904) 253. als Halbfigur dargestellt. Unter dem Altargemälde befindet sich eine Tafel, die den Inhalt des päpstlichen Ablassprivilegs inschriftlich festhält, ansonsten ist der Altar mit den Inschriften ALTARE PRIVILEGIATVM und PRO DEFVNCTIS versehen. Er befand sich bis zu deren radikaler Umgestaltung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Kapelle und wird heute in Slaný in der Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters aufbewahrt34. Das Retabel des früheren, von Martinitz bald nach 1600 errich32  Thomas Joannes Pessina de Czechorod, Phosphorus septicornis, stella aliàs matutina. Hoc est: Sanctae Metropolitanae divi Viti Ecclesiae Pragensis Majestas et Gloria [...] (Pragae 1673) 389. 33  Liber informationum de altaribus, fundationibus, et aliis divinis officiis in metropolitana ecclesia Pragensi peragi solitis, nec non de ministris eiusdem atque de sepulturis et funebribus per Casparum Arsenium a Radbusa metropolitanae ecclesiae Prag. decanorum Conscriptus A. D. 1622 cum additamentis succesorum ipsius, hg. von Antonín Podlaha (Pragae 1915) 7f. 34  Die bisherige kunsthistorische Literatur ging davon aus, es handle sich um den ursprünglichen um

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Abb. 4: Das wahrscheinliche Retabel des kurz nach 1600 in der martinitzschen Kapelle errichteten privilegierten Altars des Hl. Andreas. Slaný, Vlastivědné muzeum ve Slaném; Foto: Petr Maťa.

teten A ­ n­dreas-Altars ist vermutlich ebenfalls erhalten. Es trägt die Inschrift IMPENSIS MAGNIFICI DNI DNI IAROSLAI SMECZENSKI DE MARTINICZ, war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Sakristei in der Dreifaltigkeitskirche in Smečno aufgestellt und befindet sich heute im Heimatkundlichen Museum in Slaný35 (Abb. 4).

1600 errichteten Altar, der 1628 lediglich mit einem neuen Altarblatt versehen wurde. Vgl. Vincenc Kramář, Zpustošení Chrámu svatého Víta v roce 1619 [Die Verwüstung des Veitsdoms im Jahre 1619], hg. von Michal Šroněk (Fontes historiae artium 6, Praha 1998) 15, 50, 53, 123; Marie Opatrná, Slánské Ukřižování v kontextu italské malby [Die Kreuzigung von Schlan im Kontext der italienischen Malerei]. Slánské rozhovory 2013 und 2015 (Slaný 2015) 9–13. In der Tat befanden sich in der Kapelle noch 1624 zwei verschiedene Altäre, die wohl erst durch diesen Altar ersetzt wurden. 35  Die Identifizierung dieses Denkmals mit dem ursprünglichen Andreas-Altar aus der Martinitz-Kapelle, vorsichtig vorgeschlagen von Vladimír Přibyl, Pohled do barokního Smečna [Ein Blick nach Smečno der Barockzeit]. Slánský obzor 9 (2002) 13–36, hier 16f., 34, wurde seitens der kunsthistorischen Forschung noch nicht gebührend wahrgenommen.



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Die neue Messstiftung von 1643 und die Auseinandersetzung über die Arme-Seelen-Hilfe in Prag Etwa vierzig Jahre nach der ersten Fundation und fünfzehn Jahre nach der Errichtung des neuen Altars befasste sich Jaroslav Bořita von Martinitz erneut mit seiner Stiftung. Am 20. März 1643 ließ er in die Landtafel eine neue Urkunde eintragen, kraft welcher die Stiftung „zur Seligkeit meiner, meiner Vorfahren und Erben wie auch meiner künftigen Nachfahren Seele“ erweitert wurde36. Das bisherige Stiftungskapital von 2.000 Schock Meissner Groschen (300 Schock böhmischer Groschen aus der Stiftung von 1523 und 700 Schock böhmischer Groschen aus Jaroslavs Stiftung von 1604) wurde auf 7.000 Schock Meissner Groschen aufgestockt und somit mehr als verdreifacht. Daraus ergab sich für das Domkapitel ein Jahreszins von 400 Schock bzw. 466 fl. 40 kr. Damit verbunden war eine erhebliche Steigerung der Frequenz von Seelenmessen: Beginnend mit dem Fest Philippi und Jakobi (3. Mai) 1643 sollte vor dem privilegierten Altar anstatt der bisherigen zwei Termine wöchentlich jeweils eine missa defunctorum täglich gelesen werden, und zwar „zunächst für die Seele des genannten Fundators Jaroslav Grafen von Martinitz [...] (gleich nach seinem Tod), ebenfalls für die Seele seiner vorigen allerliebsten Ehegattin [...] (weil sie aus besonderer Frömmigkeit zu dieser neuen Fundation ihm Grafen Jaroslav [...] mit einer namhaften Summe Bargeld behilflich war), dann für die treuen Seelen aller seiner lieben Vorfahren und Erben wie auch künftigen Nachfahren beiderlei Geschlechts aus dieser gesamten Familie von Martinitz, die in der rechten Treue zur heiligen katholischen römischen Kirche aus dieser Welt gekommen sind“37. An den für Totenmessen ungeeigneten Sonn-, Feier- und Passionstagen war beim Altar die einschlägige missa de tempore zu lesen, „für ebendiesen Grafen Jaroslav, seine nunmehrige allerliebste Ehefrau Elisabeth Maria Magdalena Gräfin von Wrtba wie auch für alle seine Kinder und künftigen Nachfahren beiderlei Geschlechts, die im Leben sind, zu Erbittung des Segens und der Barmherzigkeit Gottes“. Dabei sollte jedoch immerhin das Gedächtnis (commemoratio) der anderen Toten aus der Familie Martinitz nicht vergessen werden38. Die Einkünfte aus der Stiftung sollte zum größten Teil (400 fl. jährlich) ein Mitglied des Prager Domkapitels in der Eigenschaft eines martinitzschen Altaristen genießen. Dieser bedurfte einer besonderen Präsentation durch den Stifter bzw. seine Nachfahren und war der Familie für die Einhaltung der Festlegungen verantwortlich. Erster Inhaber dieser Pfründe war mit Johann Franz Rasch von Aschenfeld (1606–1666) ein im Dienste der Martinitz aufgestiegener Klient: Der gebürtige Aussiger war Präzeptor von Jaroslavs vier jüngeren Söhnen 1632 während ihres Studiums in Graz gewesen, dann zunächst Hofmeister der beiden Brüder Bernhard Ignaz und Johann Jaroslav (1618–1636). Anschlie  […] na spasení duše své, předkův a dědicův i budoucích potomkův svých, NA, DZV 97, fol. I2r–v.   […] předně za duši téhož fundátora Jaroslava hraběte z Martinic, pána a vladaře domu smečenského (hned po smrti jeho), tolikéž i za duši předešlé manželky jeho nejmilejší, dobré a hodné paměti Marie Eusebie z Šternbergka etc., již také tu v dotčeném sklípku v Pánu Bohu odpočívající (poněvadž jest ona z obzvláštní pobožnosti své k této nové fundati jemu hraběti Jaroslavovi, manželu svému nejmilejšímu, dobrou pomoc na penězích hotových skutečně učinila), též za všech milých předkův i dědicův a budoucích potomkův jeho obojího pohlaví celého toho rodu z Martinic v pravém poslušenství svaté katholické římské církve z tohoto světa sešlých věrné duše; ebd., fol. I3r–v. 38  […] missa de tempore, to jest podle běhu každého času mše svatá za téhož hraběte Jaroslava a nynější manželku jeho nejmilejší Alžbětu Marii Magdalenu hrabinku z Vrtby i všecky děti a budoucí potomky jeho tehdáž v živobytí se nacházející obojího pohlaví k uprošení jim hojného požehnání a milosrdenství božího (s doložením však předce také při tom commemorati za mrtvé téhož rodu); ebd., fol. I3v. 36 37

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ßend begleitete Rasch die jüngsten Brüder Ferdinand Leopold Benno und Maximilian Valentin auf ihrer Kavalierstour. Noch vor deren Rückkehr wurde er im Juli 1641 auf Vermittlung Jaroslavs zum Prager Domkanoniker ernannt und 1646 in einer durch die Familie Martinitz manipulierten Wahl zum Dompropst gewählt39. Aus den restlichen knapp 70 fl. der Einkünfte sollte das gesamte Domkapitel für 20 fl. alljährlich vor dem Andreas-Fest (30. November) eine feierliche Andacht (anniversariam memoriam mortuorum) für Verstorbene aus der Familie Martinitz veranstalten40. Weitere 40 fl. standen für den Bedarf des Altars bezüglich Wein und Wachskerzen sowie für den Erwerb von Antependien, Ornaten, Alben, Altardecken und ähnlichem zur Verfügung; der Rest sollte unter den Ministranten verteilt werden41. Diese Verbesserung der Messstiftung ist insofern auffällig, als Jaroslav sich dazu weder im Zusammenhang mit der Errichtung des neuen Altars um 1628, noch nach dem Tod seiner ersten Frau 1634 entschied, sondern erst viele Jahre später, nachdem die wirtschaftliche Lage des gesamten Königreichs sich dramatisch verschlechtert hatte und auch Jaroslavs Herrschaften während des sächsischen Einfalls 1631/1632, der schwedischen Belagerung Prags 1639 und der Kriegsoperation der habsburgischen Truppen 1642 mehrfach ausgeplündert worden waren. Dies führt zur Frage nach möglichen Auslösern, da es eher unwahrscheinlich ist, dass eine derartige Aufstockung ganz zufällig erfolgte. Tatsächlich fördert eine genaue Betrachtung konkrete Anlässe zutage. Zu denken ist an ein tragisches Ereignis in der Familie – am 28. Februar 1643 starb der erste Enkel Jaroslavs von Martinitz, der sieben Monate alte Sohn von Bernhard Ignaz42. Wichtiger war aber vermutlich ein Impuls ganz anderer Art. Gerade im Frühjahr 1643 kam es nämlich in Prag zwischen dem Erzbistum und dem Jesuitenorden, die schon seit Jahren ernsthafte Konflikte austrugen43, zu einer Auseinandersetzung bezüglich des Beistandes für die Seelen im Fegefeuer und der darauf gerichteten Andachtsformen. Die Mitglieder der Familie Martinitz schalteten sich in diese Debatte aktiv – und wie üblich auf Seiten des Jesuitenordens – ein. Einen wichtigen Impuls erhielt der Arme-Seelen-Kult, den die Prager Jesuiten um diese Zeit zu forcieren begannen, als am 2. November 1642 in der Katharina-Kapelle der dem Professhaus angegliederten Nikolauskirche auf der Kleinseite eine neue Andacht für 39  Die Matrikeln der Universität Graz, bearb. von Johann Andritsch, Bd. 2: 1630–1662 (Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 6/2, Graz 1980) 10f., 136; Michal Fiala–Jan Loch, Martinický palatinát [Das martinitzsche Palatinat]. Heraldická ročenka 32 (2008) 24–94, hier 60. Zur Propstwahl siehe Diarien (wie Anm. 3) 2 825f.; 5 268. Aus seinem Nachlass von angeblich 80.000 fl. testierte Rasch 3.000 fl. für Bernhard Ignaz, 200 Dukaten für seine Ehefrau, je 300 fl. für ihre drei Töchter, 2.000 fl. für Maximilian Valentin und 500 fl. für dessen erstgeborenen Sohn Jaroslav Bernard. Außerdem stiftete Rasch, dem Beispiel seiner Patrone folgend, eine Messe wöchentlich à 45 kr. bei dem privilegierten Altar der martinitzschen Kapelle, APH, APMK, LXXXIII/1; das Diarium abbatis Strahoviensis, Knihovna královské kanonie premonstrátů na Strahově [Bibliothek der Prämonstratenser-Kanonie in Strahov] (Prag), Sign. DJ III 1, 639 (15. Jan. 1666); Antonius Podlaha, Series praepositorum, decanorum, archidiaconorum aliorumque praelatorum et canonicorum s. metropolitanae ecclesiae Pragensis a primordiis usque ad praesentia tempora (Pragae 1912) 168. 40   NA, DZV 97, fol. I4r. 41   Ebd. fol. I4r–v. 42  Vgl. das Regest Kardinals Harrach auf einem Schreiben Peters d’Avans vom 28. Feb. 1643, ÖStA, AVA, FAH, Kt. 125. 43  Zum Ringen zwischen dem Erzbischof Harrach und dem Jesuitenorden, in dem die Familie Martinitz den Jesuiten erfolgreich sekundierte, grundsätzlich Alessandro Catalano, Boemia e la riconquista delle co­ scienze. Ernst Adalbert von Harrach e la controriforma in Europa centrale (1620–1667) (Roma 2005), sowie weitere Studien desselben Autors.



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die im Fegefeuer befindlichen Seelen eingerichtet wurde. Jesuitischen Quellen zufolge kam diese Andacht dem seit mehr als einem Jahr bestehenden Wunsch einiger Damen aus dem böhmischen Adel (multis & ex praecipua Boemorum nobilitate praecellentibus matronis) entgegen. Über die ganze Oktav von Allerseelen wechselten sich in der Kapelle einzelne, leider nicht namentlich benannte Adelsfamilien in der Andacht für ihre verstorbenen Angehörigen ab. Über den Rest des Kirchenjahres wurden dann jeweils montags Andachten gehalten, um die sich eine neue Bruderschaft kümmerte. An jedem ersten Montag im Kalendermonat fand in der Kapelle eine vom Adel zahlreich besuchte Predigt (adhortatio) statt44. Ob die Familie Martinitz daran von Beginn an teilnahm, ist nicht bekannt, jedoch nicht unwahrscheinlich. Die neue Andachtsform blieb jedoch nicht unumstritten. Die Augustiner-Eremiten, deren dem Hl. Thomas geweihte Kirche sich in der Nachbarschaft des Kleinseitner Jesuitenkomplexes befand und sowohl über eine renommierte, bereits 1580 gegründete Corpus-Christi-Bruderschaft als auch über einen privilegierten Altar verfügte45, empfanden die Initiative der Jesuiten als unwillkommene Konkurrenz. Die Kritik am Unternehmen der Jesuiten muss derart deutlich gewesen sein, dass die Kleinseitner Patres an eine Entschärfung dachten. Paolo Anastagi (Paulus Anastasius) SJ († 1647) richtete am 8. November 1642 im Namen des gesamten Professhauses ein Rechtfertigungsschreiben an den Hofmeister des Prager Erzbischofs Ernst Adalbert von Harrach (1598–1667) und bat ihn um Fürsprache, damit der abwesende Ordinarius den bösen Nachreden keinen Glauben schenkte. Den Jesuiten gehe es nur um das gemeine Wohl, während der Prediger der Thomaskirche die Leute gegen die neue Andacht hetze und sie auffordere, sich lieber des privilegierten Altars in dieser Kirche zu bedienen. Die Jesuiten – darin dürfte Anastagi Recht gehabt haben – täten ja nichts Unübliches, wenn sie die Totenfürsorge, gleich wie andere Orden, anzuregen versuchten46. Nach dem Auftakt im November 1642 ließ die Errichtung einer eigenständigen Totenkapelle (sacellum defunctorum) bei der Nikolauskirche nicht lange auf sich warten: Der Grundstein wurde 1643 gelegt47, wobei die anhaltende Kritik, die das Unternehmen bei 44  Litterae Annuae Provinciae Bohemicae 1642, ÖNB, Cod. 11.961, fol. 249r–v. Vgl. Joannes Schmidl, Historia Societatis Jesu Provinciae Bohemicae, 4 Bde. (Pragae 1747–1759), hier Bd. IV/1 752–754. 45  Kraft des päpstlichen Ablassbreves vom 6. Mai 1636, allerdings beschränkt auf sieben Jahre. Ein neues Ablassprivileg, ebenfalls auf sieben Jahre, wurde am 29. Nov. 1642 erlassen, NA, AŘAP, Urkunde 150, 153. 46  Havendo dunque li padri della casa professa qui in Praga incominciata la devotione de ’ i morti che consiste in celebrare la messa requiem il lunedì, fare essortationi e simili essercitii della nostra religione, supplicano V. S. Illustrissima, e particolarmente il padre preposto, che li fa humilissima riverenza, acciò si compiaccia pregare Sua Eminenza à nome della sodetta casa à non voler credere alle dicerie d’alcuni aversarii ma più tosto difender quelli che nella sodetta opera cercano il ben commune. Hanno havuto ordine alcuni di dire che questa devotione è stata da noi incominciata à dispetto de gl’altri etc. Il predicatore di S. Thomaso inchiesto di voler promulgare la devotione, esortò il popolo più tosto à pigliar l’indulgenza all’altar privilegiato di S. Thomaso etc. Tutto il male è che noi habbiamo incominciato un opra [!] buona che in qualsivoglia altra religione sarebbe lodata, ma in mano de gesuiti è pessima. Lascio molte altre cantafavole che nascono dall’invidia di quelli che alla fine poi non fanno altro che scandalizar il volgo e poco si devono temere. Quel che molto importa e molto ci preme è la persona del signor cardinale nostro patrone che per le false informationi di quelli i quali per la loro professione sogliono esser stimati degni di fede potrebbe forse credere più di quel che è. Come ho detto, la devotione incominciata consiste in messe de morti, essortationi e devotioni, non punto diverse ma molto conformi anzi ordinarie al nostro instituto, e però non si fa ingiuria à veruno e molto meno contro la riverenza et obedienza debita à Sua Eminenza etc. Prego per tanto e supplico V. S. Illustrissima à voler far offitio, acciò il signor cardinale sappia la verità e per consequenza non dia orecchie à i malevoli che parlano quel che li detta la passione. Paolo Anastagi an Giueseppe Corti, 8. Nov. 1642 (Prag), ÖStA, AVA, FAH, Kt. 135. 47   Litterae Annuae Provinciae Bohemicae 1643, ÖNB, Cod. 11.961, fol. 270v.

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anderen Geistlichen hervorrief, aus einem spöttischen Vermerk des Kardinal-Erzbischofs Harrach hervorgeht, dass einer seiner Mitarbeiter den Jesuiten auf ihre Anfrage hin lediglich eine lächerlich geringe Spende gegeben habe48. Auch um die Kapelle entstandene Skandale notierte der Erzbischof dankbar49. Die Ende Oktober 1644 geweihte Kapelle diente der jesuitischen Totenbruderschaft bis zum radikalen Umbau der Kirche und des gesamten Gebäudekomplexes Anfang des 18. Jahrhunderts. In der Oktav von Allerseelen 1644 wechselten sich dort wieder verschiedene Adelsfamilien in ihrer Andacht für verstorbene Mitglieder ab50. Dasselbe wiederholte sich im folgenden Jahr, wobei der Chronist bemerkte, dass nach der Erbauung der Kapelle „pietas populi erga Manes, piaculari carcere detentos [...] indies, & non sensim, sed quasi per cubitos cresceret“. Außerdem wurde eine zweite, dienstags gehaltene Totenandacht eingeführt, bei der Almosen verteilt wurde, was für den Zulauf armer Betender sorgte51. Die Arme-Seelen-Andacht unter der Ägide der Kleinseitner Jesuiten erhielt gleich in ihren Anfängen wichtige Impulse aus dem Ausland. Zu Beginn des Jahres 1643 verbreiteten sich nämlich Nachrichten über einen neuen, zunächst im ungarischen Pressburg unter Aufsehen erregenden Umständen entstandenen Kult. Die in den Jahren 1641 und 1642 angeblich über mehrere Monate andauernden Erscheinungen der Seele eines konvertierten Pressburger Bürgers namens Hans Clement gaben Anlass zur Anfertigung einer wundertätigen Pietà, die in der Pfarrkirche der Stadt aufgestellt wurde. Es handelte sich um eine an spätgotische Vesperbilder erinnernde hölzerne Statue, die der Geist während einer seinen Erscheinungen eigenartig geschmückt habe: mit einem Kruzifix, das er dem gekreuzigten Jesus in die Arme legte, einer Priesterstola, die er der Madonnenfigur um den Hals hängte, und einer Kerze, die in der Wunde am rechten Fuß Christi aufgestellt wurde. Um dieses kuriose Ensemble entwickelte sich ein neuer Kult, an dessen Verankerung im mehrheitlich lutherischen Pressburg die dortigen Jesuiten gemeinsam mit dem Pressburger Kapitel und dem Erzbischof von Gran arbeiteten. Mit einer im Februar 1643 unter dem Namen des Pressburger Kapitelpropstes Michael Kopcsányi († 1646) 48   I giesuiti sono stati dal Visintainer à domandargli limosina per la fabrica della loro cappella de’ morti et egli ha dato à loro solo 4 gr. Harrachs eigenhändiges Regest des Schreibens von seinem Konsistorialen Francesco Tommaso Visintainer vom 12. Aug. 1643 (Prag), auf der Rückseite des Schreibens von Girolamo Giugni vom 18. Juli 1643 (Prag), ÖStA, AVA, FAH, Kt. 140. 49   So das Schreiben des Doxaner Propstes Norbert von Amelunxen vom 20. Mai 1645 (Prag): Quel giesuita che ha fabricato la capella de’ morti in Parte piccola sotto spe[cie] di visitare una inferma l’ha ingravidata et poi è scappato via, forsi anco col denaro per fornire la fabrica. Harrachs eigenhändiges Regest auf einer Nota delle reliquie poste dal re Wladislao nella cappella di Carlstein (1645), ÖStA, AVA, FAH, Kt. 183. 50  […] totum octiduum tenuit unacunque illustrissima familia certante pro consanguinitate conjunctis funebria instituere, Litterae Annuae Provinciae Bohemicae 1644, ÖNB, Cod. 11.961, fol. 317r–v; vgl. Schmidl, Historia (wie Anm. 44) IV/2 107. 51   Schmidl, Historia (wie Anm. 44) IV/2 155, 251. Zur Kleinseitner Totenkapelle vgl. außerdem rückblickende Notizen im Gedenkbuch der darin tätigen Bruderschaft aus der Mitte des 18. Jahfhunderts, NA, NB, Kt. 133, Sign. XVII/57; František Ekert, Posvátná místa král. hl. města Prahy. Dějiny a popsání chrámů, kaplí, posvátných soch, klášterů i jiných pomníků katolické víry a nábožnosti v hlavním městě království Českého [Sakrale Orte der königlichen Hauptstadt Prag. Geschichte und Beschreibung der Kirchen, Kapellen, heiligen Statuen, Klöster und anderen Denkmälern des katholischen Glaubens und der Frömmigkeit in der Hauptstadt des Königreichs Böhmen], Bd. 1 (Praha 1883) 175; Petra Oulíková, Künstlerische Ausstattung von Altären und Kapellen der von Jesuiten betreuten Bruderschaften in Prag. In: Bohemia Jesuitica. 1556–2006, 2 Bde., hg. von Petronilla Cemus (Praha 2010) 2 1217–1238, hier 1221–1225; Malý–Suchánek, Obrazy (wie Anm. 2) 235–243.



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Abb. 5: Die Pressburger Pietà. Holzschnitt aus Michael Kopcsányis Werbeschrift Narratio rei admirabilis ad Posonium gestae [...] (Posonii 1643).

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erschienenen Werbeschrift Narratio rei admirabilis ad Posonium gestae wurde dieser offensiv propagiert. Die im gleichen Jahr in insgesamt vier inhaltlich und formal weitgehend identischen Varianten auf Latein, Deutsch, Ungarisch und Tschechisch gedruckte Schrift, die die Beschreibung der Ereignisse mit Abbildungen der neuen Pietà und der von dem Revenanten angeblich berührten und dadurch versengten Gegenstände kombinierte, erfuhr europaweit Aufmerksamkeit. Noch im gleichen Jahr wurde sie in Augsburg nachgedruckt, ins Polnische (drei unterschiedliche Ausgaben), Italienische (zwei Ausgaben) und Französische übersetzt und provozierte lutherische und calvinistische Polemiken. Nachrichten über die Wundererscheinungen breiteten sich sogar vor der Herausgabe der Schrift Abb. 6: Die Darstellung des angeblichen Handabdrucks der aus – bereits am 17. Januar 1643 Armen Seele des Pressburger Bürgers Hans Clement. Holzschnitt aus Michael Kopcsányis Werbeschrift Narratio rei wurde aus Wien nach Florenz beadmirabilis ad Posonium gestae [...] (Posonii 1643). richtet, dass Kaiser Ferdinand III. in Wien wegen des neuen Pressburger Kultes auf Anregung des kaiserlichen Beichtvaters Johannes Gans SJ (1591–1662) eine feierliche Prozession veranstaltet habe52. Bald nach ihrem Erscheinen gelangte ein Exemplar der Pressburger Schrift über Vermittlung des Wiener Bischofs Philipp Friedrich Breuner (1597–1669) in die Hände des bereits erwähnten Kardinal Harrach53. Wie wir seiner leider nur bruchstückhaft vorliegenden Korrespondenz aus diesen Monaten entnehmen können, holte der abwesende Prager 52   Ausführlich dazu Petr Maťa, Zwischen Heiligkeit und Betrügerei. Arme-Seelen-Retter, Exorzisten, Visionäre und Propheten im Jesuiten- und Karmeliterorden, in: Jesuitische Frömmigkeitskulturen. Konfessionelle Interaktion in Ostmitteleuropa 1570–1700, hg. von Anna Ohlidal–Stefan Samerski (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 28, Stuttgart 2006) 177–206; ders., Arme-Seelen-Rettung in Pressburg, 1646/47. Mikrohistorie einer Massenhysterie, in: Staatsmacht und Seelenheil. Gegenreformation und Geheimprotestantismus in der Habsburgermonarchie, hg. von Rudolf Leeb–Susanne Claudine Pils–Thomas Winkelbauer (VIÖG 47, Wien 2007) 75–97. 53   Breuners Schreiben ist leider nur in Form von Harrachs eigenhändigen Regest (Mi manda l’historia di quel spirito apparso e liberato à Presburg) auf der Rückseite des Schreibens von Girolamo Giugni vom 28. Feb. 1643 (Prag) überliefert, ÖStA, AVA, FAH, Kt. 140. Vgl. auch des Kardinals eigenhändige Notiz: Spirito di Presburg: Il vescovo di Vienna men’ha mandato l’historia stampata, 1643; ÖStA, AVA, FAH, Hs. 328, fol. 147r. Gerüchte über die Erscheinungen müssen sich in Böhmen blitzartig verbreitet haben. Bereits am 7. März 1643 ersuchte ein gewisser P. Simplicianus OSA aus Tabor den Erzbischof um Vermittlung der Schrift, vgl. Harrachs eigenhändiges Regest (Desidera d’haver l’historia del spirito di Presburg) auf einem Schreiben seiner Mutter vom 18. Jan. 1643 (Wien), ÖStA, AVA, FAH, Kt. 142.



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Ordinarius unverzüglich eine Expertise seines engen, gegenüber jesuitischer Propaganda äußerst skeptischen Ratgebers Basilius von Aire (1591–1665) ein54. Am 11. März teilte der Kapuziner Harrach mit, er selbst schenke dem ganzen Fall wenig Glauben, habe es jedoch für sinnvoll gehalten, sich über die Schrift mit dem den Jesuiten nahestehenden und auf seine Gelehrsamkeit haltenden Bernhard Ignaz von Martinitz auszutauschen55. Noch drei Tage später – genau in der Woche vor der Neuregelung der martinitzschen Seelenstiftung im Veitsdom am 20. März – beschäftigte sich der junge Martinitz mit der faszinierenden Geschichte der Arme-Seelen-Erscheinungen in Pressburg und ersuchte den Kapuziner, Kopcsányis Büchlein noch für ein paar Tage behalten zu dürfen56. Erscheinungen von „Armen Seelen“ waren dabei in diesen Monaten in Prag ein verbreitetes Thema, wobei Markus Marianus SJ (1609–1678), der deutsche Prediger der Kleinseitner Jesuiten und vermutlich treibende Kraft der entstehenden Totenkapelle, eine besonders aktive Rolle gespielt zu haben scheint. Am 12. November 1642, also unmittelbar nach der Einführung der neuen Totenandacht in der Nikolauskirche und dem ersten Andachtszyklus, berichtete die Witwe Anna Susanna Slawata, geb. Rappach († 1650), eine vertraute Korrespondentin Harrachs, dass der Kleinseitner Jesuitenprediger sie über eine angebliche Erscheinung der Seele der Schwester Harrachs, Katharina von Waldstein (1599–1640), informiert habe. Sie wünschte daher vom Kardinal einen ausführlicheren Bericht in der Sache57. Wie Harrach darauf reagierte, ist leider nicht bekannt. Mit dem Jesuitenpater Marianus sollte das Prager Erzbistum aber noch zu tun haben. Am 3. März 1643 ließ das Konsistorium ihn vorladen, nachdem Gerüchte auftauchten, er habe in seiner am 1. März in der Nikolauskirche gehaltenen Sonntagpredigt eine dubiose Fegefeuer-Geschichte referiert, die sich in den Spanischen Niederlande ereignet habe58. Der erzbischöfliche Sekretär Georg Nefestýn († 1652) legte dem abwesenden Ordinarius den Hintergrund der Sache und die Sorgen der Konsistorialen ausführlich dar: Oberstburggraf Jaroslav Bořita von 54  Zu Basilius Alessandro Catalano, Die Funktion der italienischen Sprache während des Episkopats des Prager Erzbischofs Ernst Adalbert von Harrach (1623–1667) und die Rolle des Kapuziners Basilius von Aire (1591–1665). FHB 27 (2012) 99–133. 55   La relatione del spirito di Posonia. Non finisco di sincerarmi, et ci ho poca fede tuttavia, la comunicherò al Bernardo, poi ne farò quello commanda Vostra Eminenza. Basilius von Aire an Harrach, 11. März 1643 (Prag), ÖStA, AVA, FAH, Kt. 137. Bernhard Iganz stand Anfang der 1640er Jahre in regelmäßigem Austausch mit dem Jesuitengelehrten Athanasius Kircher und stilisierte sich zu seinem Schüler, vgl. z. B. sein Schreiben an Kircher vom 20. Okt. 1640 (Prag): mi terrò per grand’honore d’essere accettato e tenuto discepolo di professore sì miracoloso. Rom, Archivio della Pontificia Università Gregoriana, Ms. 556, fol. 289v–290r. 56  Il signor conte Bernardo non m’ha reso ancora il libretto di quel spirito d’Ungaria, anzi m’ha fatto dire hoggi, che glielo lasci ancora qualche giorno. Basilius von Aire an Harrach, 14. März 1643 (ohne Ort), ÖStA, AVA, FAH, Kt. 137. 57  Si duole perche non le ho dato parte della apparitione della nostra frau Cätrle, l’ha inteso dal predicatore di San Nicolò, et che dove essere seguito con molto splendore di lei. Desidera esserne informata minutamente et che cosa habbi insieme detto. Harrachs eigenhändiges Regest des Schreibens vom 12. Nov. 1642 (Prag) auf einem Brief von Christina Regina Jörger vom 25. Okt. [1642], ÖStA, AVA, FAH, Kt. 143. Auch Basilius von Aire war über die angebliche Erscheinung informiert, wie seinem skeptischen Urteil im Schreiben an Harrach vom gleichen Tag (Prag) zu entnehmen ist: Mi rallegro della beatitudine della signora Massimiliana [!] che sia pur in gloria. Solo che le visioni di quelle donne semplici talvolta sono sottoposte a revisione. Io m’attacco alla buona vita che ha menato la difonta, et al purgatorio che fece in questo mondo con una longa infermità tolta in patienza. Questa è la più sicura visione. ÖStA, AVA, FAH, Kt. 137. 58  P. Marianus, concionator apud S. Nicolaum, jesuita, vocabitur, ut explicet illud miraculum, quod in Belgio cuidam animae in purgatorio manenti contigerit, et cur sine approbatione ordinarii huiusmodi in cathedra publicavit. Vgl. das Konsistorialprotokoll, NA, APA I, A16/4 (Reinschrift), fol. 47r–v; A16/5 (Mitschrift), fol. 6v.

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Martinitz bemühe sich nämlich, diese dubiose Fegefeuer-Geschichte im Einvernehmen mit den Jesuiten in mindestens zwei Sprachvarianten in Druck veröffentlichen zu lassen und habe dem Prager Buchdrucker Johann Bylina bereits den Druckauftrag erteilt. Die Konsistorialen hätten Bylina die Drucklegung solicher sachen ohne Erlaubnis des Erzbischofs sofort verboten und bemühten sich inzwischen, eine Erklärung seitens des Jesuitenpredigers zu bekommen. Vorerst vergeblich, denn der Jesuit schütze Überlastung und körperliche Schwäche vor. Es gäbe aber Hoffnung, er werde noch erscheinen und den Konsistorialen die Wundererzählung vortragen, derentwegen die Leute montags zur Totenandacht der Jesuiten strömten, als ob diese nicht auch in anderen Kirchen gehalten werden könnte59. Die Abneigung der Mitarbeiter des Kardinals gegenüber jesuitischen Frömmigkeitsformen war offenbar stark ausgeprägt. Am 5. März erschienen dann tatsächlich zwei Jesuiten vor dem Konsistorium und versuchten, Befürchtungen und Zweifel der erzbischöflichen Beamten zu zerstreuen: In der Predigt sei kein niederländisches Wunder, sondern eine ähnliche, vor wenigen Jahren in Ungarn festgehaltene Geschichte angesprochen worden – zweifelsohne war hier die eben publizierte Schrift über die Erscheinungen in Pressburg gemeint, die wohl auch in die Hände der Jesuiten gelangt war. Die Patres gaben allerdings zu, eine in Lille auf Französisch veröffentlichte Schrift in drei Sprachen (Latein, Deutsch und Tschechisch) übertragen zu haben. Die Absicht sei aber keineswegs, diese Übersetzung im Druck herauszugeben, sondern lediglich für eine gewisse Andacht per modum epithaphi zu verwenden. Die Konsistorialen blieben gegenüber dieser Erklärung äußerst argwöhnisch60. Es ist aufgrund dieser Äußerungen durchaus schwer zu sagen, welche in Lille gedruckte Schrift die Jesuiten mit Martinitz’ Unterstützung eigentlich aus dem Französischen zu übersetzen und zu veröffentlichen beabsichtigten. Einem weiteren Zeugen aus dem Umkreis Kardinal Harrachs zufolge habe es sich um „gewisse aus dem Fegefeuer an Lebende geschriebene Briefe“61 gehandelt. In den Blick kommen vor allem Texte aus 59   Den vorrigen Sontag Reminiscere ist bey Sanct Niclas auf der Kleinseiten nach der predigd von P. Mariano ein miraculum, so in Niderlandt geschehen solte, ratione cuiusdam animae ex purgatorio liberatae, verkhündigett worden, darauf diße adiuncta publicziret worden, ich den anderen tag, als ich auf die Kleine Seiten khomen bin, habe es erfahren, der obriste burgraff laßet den impressor Bilina rüffen und meint latheinisch und teütsch gemacht imprimiren laßen. Wir in cancellaria haben es consultiret und dem Bilina befohlen, soliche sachen nichts zue imprimiren, biß von Ewer Fürstlicher Eminenz approbirten werden solten, und interim Patrem Marianum haben vocziret, er wolle unbeschweret ad archiepicopalem cancellariam khomen und unß der miraculi participes machen, welicher hat laßen sagen, er wehre mit concionibus occupiret, der herr officialis solle schriftlich etwas schikhen, er wolle es beantworten. Darauf wollen ihm auf den khünfftigen Freitag widerumb schön rüffen und den wagen (weil er krump ist) anertragen. Der obr[ist] burgraff hat wider unsere prohibition nichts gethan, sonder gesagt dem Bilina, er wolle beffehlen, der P. Marianus solle sich bey dem herrn offizial destwegen anmelden, und also werden erwarten, wie er uns das mirabel erzehlen wirdt, dan gewiß destwegen fangen ahn die leüt schmelleren [?] und sagen, das die jesuiter weegen ihr interesse thätten, weil sie von Ihr Babstlicher Heyligkeit alle Montag requiem pro defunctis leßen solten, als eben in anderen kirchen es nicht geschehen khönte. Nefestýn an Harrach, 4. März 1643 (Prag), ÖStA, AVA, FAH, Kt. 147. 60  Hieri 5. Martii fuerunt duo jesuitae apud Reverendissimum dominum officialem et referebant, nullum miraculum fuisse in concione populo expositum, sed in Ungaria ante aliquot annos quod simile quid contigerit; illud scriptum Gallicum Lillo impressum nec voluisse, nec petiisse ut imprimeretur et sine approbatione Eminentissimi cardinalis, sed esse hoc pro aliqua devotione circa mortuos per modum epithaphii. Sed haec excusatio claudicat; quare enim Latine, Germanice, Boemice haec transtulerunt, si imprimi non voluerant? Laborant peccato angelico. NA, APA I, A16/4, fol. 47v (Reinschrift); A16/5, fol. 6v (Mitschrift). 61   Intendo che si publicano diverse apparitioni. Quivi si vende una stampata in Possonia, della quale quanto piu vi penso, tanto meno mi par credibile. In Praga n’ha publicato un’altra il P. Mariano in pulpito, cioè certe lettere scritte dal purgatorio ad viventes. Dubito che siano li tempi pericolosi che ad fabulas convertentur, e si trattava di



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der jesuitennahen Offizin Pierre de Raches in Lille62. Aus seiner Druckerei ging das berühmte, 1631 und 1632 unter unterschiedlichen Titeln erschienene und mit niederländischen Beispielen gespickte Kompendium der Arme-Seelen-Hilfe des belgischen Jesuiten Marc de Bonnyers (1594–1631) hervor, das zahlreiche Nachdrucke und Übersetzungen erfuhr63. Es könnte sich aber genauso gut um das (mir leider nicht zugängliche) Büchlein „La Correspondance de l’un et de l’autre monde ou l’apparition et délivrance d’une âme du Purgatoire, sur la fin de l’an 1640 en la Ville de Luxembourg“ gehandelt haben, das Pierre de Rache zu unbekanntem Zeitpunkt nach einer 1641 erschienen Brüsseler Ausgabe druckte64. Schließlich veröffentlichte derselbe Buchdrucker noch 1643 eine französische Übersetzung der Schrift Kopcsányis über die Erscheinung der Armen Seele Hans Clements in Pressburg65. Im Zusammenhang mit dem damaligen Publikationsvorhaben der Prager Jesuiten steht vermutlich ein französischer, in der Offizin von Pierre de Rache 1643 erschienener Aufruf an die Lebenden zur Arme-Seelen-Hilfe, den Kardinal Harrach auf der Rückseite eines an ihn gerichteten Briefs vom 4. März 1643 eigenhändig notierte. Ob dieser kurze Text einem der von Pierre de Rache herausgegebenen Drucke entnommen wurde, oder ob es sich vielmehr um einen bibliographisch nicht erfassten Einblattdruck handelte, bleibt offen66. Wie auch immer, die Prager Jesuiten befanden sich in diesen Jahren auf der Suche nach Textvorlagen, mit deren Hilfe sie die Totenfürsorge in Prag propagieren konnten. Bereits 1634 und in umgearbeiteter Gestalt wieder 1641 erschien in der jesuitischen Druckerei eine Bearbeitung des Buches des spanischen Jesuiten Martín de Roa (1560–1637) „Estado de las Almas de Purgatorio“ (1619)67 aus der Feder des tschechischen Predigers des Altstädter Ordenshauses Georg Ferus-Plachý SJ (1586–1655). Im gleichen Jahr gaben ristamparle. Non vorei che gl’heretici pigliassero quindi occasione di discredere più l’istorie vere. Don Lino Vacchi an Harrach, 13. März 1643 (Wien), ÖStA, AVA, FAH, Kt. 152. 62   Fernand Danchin, Les imprimés lillois. Répertoire bibliographique de 1594 à 1815, 3 Bde. (Lille 1926–1931) 1 75–101. Zum Lokalkontext Alain Lottin, Lille, citadelle de la Contre-Réforme? (1598–1668) (Dunkerque 11984, Lille 22013) 401–405. 63  Marc de Bonnyers SJ, Moyens faciles pour aider les ames du purgatoire (Lille 1631); ders., L’advocat des ames de purgatoire ou moyens faciles povr les aider (Lille 1632). Weitere Ausgaben: Lille 1633, 1635, 1640, Lyon 1645 und 1694, Dijon 1651, Besançon 1679, Malmédy 1703. Bekannt sind Übersetzungen ins Deutsche (1635), Latein (1659), Tschechische (1674), Spanische (1678) und Polnische (1803), Carlos Sommervogel, Bibliothèque de la Compagnie de Jésus. Bibliographie. 9 Bde. (Bruxelles–Paris 1890–1900) 1 Sp. 1754f.; 2 Sp. 153, 204, 1203f. Zur Übersetzung ins Tschechische Antonín Škarka, Fridrich Bridel nový a neznámý [Fridrich Bridel neu und unbekannt] (Acta Universitatis Carolinae – Philologica 19, Praha 1969) 87–89. 64  Danchin, Les imprimés (wie Anm. 62) 1 97f. Es handelte sich übrigens um eine Übersetzung der lateinischen Schrift Commercivm vtrivsqve mvndi hoc est, apparitio cvivsdam spiritus qui anno 1640. Luxemburgi honestae puellae apparuit: ac primum 13. Nouembris è Purgatorij flammis liberatus est: deinde 10 Decemb. in complexu Angeli custodis in caelum transmissus (Augustae Treuirorum 1641), die mir leider ebensowenig zur Verfügung stand. Emil van der Vekene, Hubert Reulandt und seine Trierer Drucke 1640–1661. GutenbergJahrbuch 43 (1968) 235–247, hier 237. 65  Danchin, Les imprimés (wie Anm. 62) 1 96. 66  Der 26 Zeilen umfassende, Passagen in Klein- und Grossschrift kombinierende Aufruf (Arrestez icy mortels / et lisez avec compassion ce peu de lignes / si vous ne voulez estre inhumains a l’endroit / de vostre pere et vostre mere, de vos enfans, parents et amis / qui ja decedez vous les addressent de la bruslante prison / du purgatoire. [...]) wurde vom Kardinal auf einem Brief Lino Vacchis notiert (ÖStA, AVA, FAH, Kt. 152), und zwar mit dem Vermerk: A Lille, de l’imprimerie de Pierre de Rache, a la Bible d’or, 1643. 67  Zdeněk V. Tobolka–František Horák, Knihopis českých a slovenských tisků od doby nejstarší až do konce XVIII. století [Verzeichnis der tschechischen und slowakischen Drucke von der ältesten Zeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts], T. 2/1–9: Tisky z let 1501–1800 [Drucke aus den Jahren 1501–1800] (Praha 1939–1967) 7 213 (Nr. 13.907); Škarka, Fridrich Bridel (wie Anm. 63) 92f.

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die Jesuiten tschechische Gebete zugunsten der Armen Seelen heraus68, und die 1642 bei den Kleinseitner Jesuiten begründete Totenbruderschaft wurde angeblich noch im gleichen Jahr mittels eines Druckes (libellus [...] quo non statarias duntaxat preces, verum & generalis communionis recenter institutae methodum [...] complexi sumus) propagiert69. Sogar eine Übersetzung der kontroversen Schrift über die Erscheinungen in Pressburg ins Tschechische und Deutsche wurde erwogen: Am 11. April 1643 untersagte das erzbischöfliche Konsistorium Georg Ferus, Kopcsányis Schrift ins Tschechische und ins Deutsche zu übertragen, mit der Begründung, Erzbischof Harrach bekomme Nachrichten, dass diese angebliche Wundergeschichte, an deren Echtheit seine Mitarbeiter größtmöglichsten Zweifel hegten, am Kaiserhof in Wien zurückgewiesen werde70. Allerdings musste Harrach wenig später vom Wiener Bischof Breuner erfahren, dass die historia del spirito di Presburg non si supprime come mi si suppone, ma si vende pubblicamente in Vienna, onde puotrò ben’ancora io permetterne la versione in Boemo et publicatione71. Die deutsche und tschechische Version der kontroversen Schrift erschien dann noch im gleichen Jahr in Pressburg72. Immerhin gaben die Prager Patres 1647 die Regeln der Ende des Jahres 1646 beim Pressburger Vesperbild gegründeten Totenbruderschaft in tschechischer Sprache heraus73. Alles in allem zeigt sich, dass Texte zum Arme-Seelen-Kult sich in diesen Jahren von einer Jesuitenprovinz in die andere schnell verbreiteten. Selbst wenn wir nicht genau sagen können, welche der erwähnen Schriften Martinitz und die Patres eigentlich drucken lassen wollten, steht fest, dass die Mitarbeiter des Kardinals Harrach im Frühling 1643 einer jesuitischen Werbeoffensive bezüglich der Totenfürsorge gegenüber standen und sich um deren Eindämmung bemühten. Jaroslavs von Martinitz Überlegung, die Seelenmessstiftung seiner Jugendjahre im Veitsdom zu erneuern, dürfte zwar bereits älteren Datums gewesen sein. Dennoch wäre es überraschend, wenn die endgültige Entscheidung im März 1643 in keiner Verbindung zur aktuellen Prager Debatte über die Jenseitsvorsorge gestanden hätte. Vielmehr dürften die Einführung der regelmäßigen Totenandacht in der Kleinseitner Jesuitenkirche im November 1642 und der Eindruck der suggestiven Geschichte des Pressburger Geistes als Auslöser zumindest eine Rolle gespielt haben. Die erneute Sorge um den Altar im Veitsdom darf allerdings nicht nur als Ausdruck der Parteinahme Jaroslavs für die böhmischen Jesuiten und der Sympathie für die von diesen propagierten Andachtsformen gedeutet werden. Sie war zugleich eine Akzentsetzung in einem Bereich, den Martinitz bereits lange vor dem aktuellen Bemühen der Jesuiten für sich und seine Familie reklamierte. Die bei dem Kleinseitner Professhaus der Jesuiten energisch geförderte Totenbruder  Tobolka–Horák, Knihopis (wie Anm. 67) 3 367 (Nr. 3072).   Litterae Annuae Provinciae Bohemicae 1642, ÖNB, Cod. 11.961, fol. 249v. Leider konnte ich mit dieser Angabe keinen Druck verbinden. 70  Insinuabitur Patri Fero, Societatis Jesu concionatori Antiquae Civitatis, ne curet illud miraculum ratione cuiusdam animae existentis in purgatorio in Bohemicam vel Germanicam linguam transferri, cum Eminentissimus Cardinalis audiat, Viennae hoc miraculum suprimi, expectabit igitur donec Eminentissimus ulteriorem informationem habuerit Vienna. NA, APA, A16/4, fol. 53v (Reinschrift); A16/5, fol. 13r (Mitschrift). 71  Harrachs eigenhändiges Regest von Breuners Schreiben vom 25. Apr. 1643 auf der Rückseite eines Briefes Cesare Vezzis vom gleichen Tag, ÖStA, AVA, FAH, Kt. 152. 72  Das einzige bekannte, nur als Fragment erhaltene Exemplar der tschechischen Version scheint 1848 beim Brand der Universitätsbibliothek in Lemberg/Lwiw vernichtet worden zu sein, Ján Čaplovič, Bibliografia tlačí vydaných na Slovensku do roku 1700 [Bibliographie der in der Slowakei herausgegebenen Drucke bis zum Jahr 1700], Bd. 1 (Martin 1972) 164. 73  Tobolka–Horák, Knihopis (wie Anm. 67) 8 363f. (Nr. 16.396). 68 69



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schaft entwickelte sich rasch zu einer Institution, die die Bedeutung des martinitzschen Altars im Veitsdom in den Schatten zu stellen drohte. Bereits 1644 erhielt die Totenkapelle ein künstlerisch ambitioniertes und beispielsetzendes Altarbild von Karel Škréta (1610–1674) mit der frühesten überlieferten bildlichen Barockdarstellung des Fegefeuers in Böhmen74. Im gleichen Jahr erhielt die Bruderschaft päpstliche Ablässe, und im Folgejahr wurde mit Ladislaus Burian von Waldstein († 1645) ein wichtiger Mäzen in der Kapelle bestattet, was alles den Stellenwert und die Anziehungskraft der Bruderschaft steigerte75. Parallel zu den Jesuiten warben seit den 1640er Jahren auch andere in Prag tätige religiöse Orden bei der hochadeligen Klientel – teilweise ebenfalls anhand von suggestiven Fegefeuer-Geschichten – für die Unterstützung neuer Andachtsformen76. Als Pioniere der nachtridentinischen Arme-Seelen-Hilfe in Böhmen ließen sich die Martinitz und ihre engsten Verwandten für diese Projekte durchaus gewinnen. So erwies sich Maria Maximiliana von Hohenzollern († 1649), Witwe des 1623 verstorbenen Oberstburggrafen Adam von Sternberg und somit Stiefmutter der ersten Frau Jaroslavs, als frühe Wohltäterin der Kleinseitner Totenkapelle, indem sie ihren Bau mit 1.000 Talern subventionierte, 1645 mit einer Stiftung von 800 fl. die zweite wöchentliche Toten­ andacht anregte und in ihrem Testament vom 3. September 1649 der Kapelle ein hohes Legat aussetzte77. Ganz besonders verdient machte sich um die Totenkapelle Jaroslavs verwitwete Tochter Lucia Ottilia von Kolowrat, die in ihrem in Wien am 19. April 1651 verfassten und verschiedene Jesuitenhäuser reichlich bedenkenden Letzten Willen der Kleinseitner Totenbruderschaft beim Professhaus die gewaltige Summe 12.000 fl. testierte, damit bei den Andachten ihrer Seele immer gedacht werde. Sie wurde damit zu der mit Abstand wichtigsten Gönnerin der Kleinseitner Totenkapelle78. Ihre Schwägerin Veronika Polyxena von Sternberg († 1659), die erste Ehefrau des Bernhard Ignaz von Martinitz, war ebenfalls Mitglied der Totenbruderschaft. Der Barnabitenprediger Costanto Arzoni zählte 1659 in der Leichenpredigt unter ihre Tugenden nicht bloß die „Beywohnung deß Gottesdiensts /[,] so alle Montag in dem Löbl. Profeßhauß der Societet Iesv“ stattfand, auf, sondern auch besondere geistliche Übungen zugunsten der im Fegefeuer leidenden Seelen: Die Gräfin habe „auff ein newe weiß sich beflissen, den armen Seelen beyzuspringen / bevor an dem Jahr-Tag aller Seelen, in dem sie ihr ein Tugend außerkieset / nach möglichen Fleiß sich in derselben geübet / und die Schwärfallung   Malý–Suchánek, Obrazy (wie Anm. 2) 65, 238f., 252, 268.   NA, NB, Kt. 133, Sign. XVII/57, 67f.; Diarien (wie Anm. 3) 2 871; 3 164; 5 308. 76   Petr Maťa, Polyxena Lobkovická z Pernštejna na cestě do barokního nebe. K projevům karmelitánské zbožnosti v českých zemích [Polyxena von Lobkowitz, geb. von Pernstein, auf dem Weg in den barocken Himmel. Zu den Ausdrucksformen der karmelitischen Frömmigkeit in den böhmischen Ländern], in: Vlast a rodný kraj v díle historika. Sborník prací žáků a přátel věnovaný profesoru Josefu Petráňovi [Heimat und Vaterland im Werk eines Historikers. Sammelband der Werke von Schülern und Freunden Josef Petráň gewidmet], hg. von Jaroslav Pánek (Praha 2004) 387–406; ders., Heiligkeit und Betrügerei (wie Anm. 52) 182–185, 188–194. 77   NA, NB, Kt. 133, Sign. XVII/57, pag. 67–69; Schmidl, Historia (wie Anm. 44) IV/2 155f., 251. Das Testament: NA, DZV 256, A30v–B9v. 78   […] vor die todtencapell, so alda aufgerichtet, dergestalt, das solches gelt alsobalden auf gewißen und stäten zinß angelegt werde und auß den jährlichen ertragenden interesse in gemelter capell die dort geordneten andachten, sowol auch monatliche als wochentliche todtenhilffen durch meß und music, auch andere gewöhnliche werck der bruderschafft aufs best verrichtet und meiner armen seelen dabey allzeit gedacht, und solches interesse aufs nichts anders nimmermehr gewendet werde, maßen ich zu dieser löblichen Societet ein großmächtige lieb und vertrauen habe, und sie meine intention allen verlangen nach auf das beste wirdt in das werck seczen. DZV 150, fol. L9v. Ihrem Elogium zufolge verschaffte die kinderlose Witwe dem Jesuitenorden insgesamt 80.000 fl., davon 50.000 fl. für die Ausstattung des neuen Kollegs in Klattau/Klatovy, Schmidl, Historia (wie Anm. 44) IV/2 700–702. 74 75

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der Ubung Gott auffgeopffert vor dieselbe Seel / so in dem Fegfewer wegen mangel dieser Tugend / absonderlich mit den Flammen gequellet were“79. Ihr Ehemann Bernhard Ignaz war übrigens laut seinem Testament 1678 ebenfalls Mitglied dieser Bruderschaft. Zwischen 1648 und 1650 ließ er für die Totenkapelle ein Gemälde für 100 fl. anfertigen und bereits 1645 widmete er der Kapelle angeblich ein Geldgeschenk von 490 fl.80. Die martinitzsche Verwandtschaft unterstützte also vom Anfang an und teilweise ziemlich großzügig die Totenfürsorge in der Regie der Kleinseitner Jesuiten. Dessen ungeachtet schien es aber wohl nicht ratsam, die eigene Leistung in die Vergessenheit geraten zu lassen. Die Martinitz-Kapelle samt dem allem Anschein nach ältesten privilegierten Altar in Böhmen sollte ein sichtbares Zentrum der Arme-Seelen-Hilfe bleiben. Auch dieser Gedanke dürfte 1643 hinter der Erneuerung der Messstiftung im Veitsdom gestanden haben.

Die Arme-Seelen-Hilfe zwischen gesellschaftlicher Konvention, familiärer Verpflichtung und individueller Selbsttäuschung: Die Martinitz und die Pressburger Pietà Wiewohl der im Veitsdom errichtete Totenaltar im Selbstbild der Familie und der Frömmigkeit ihrer Mitglieder einen durchaus exponierten Platz einnahm, was sich auch an einer Reihe ergänzender Stiftungen ablesen lässt81, beschränkte sich die Jenseitsvorsorge der Familienmitglieder keineswegs nur darauf. Kraft ihrer Testamente sahen sie – ähnlich ihren katholischen Standesgenossen – beträchtliche Summen für die nach ihrem Tod zu lesenden Seelenmessen vor. Solche für einen Standardpreis von 30 kr. pro Messfeier in Auftrag zu gebenden Gottesdienste bildeten gleichzeitig einen namhaften Einnahmeposten der Prager Ordenshäuser. Die Organisation solcher „Erlösungskampagnen“ zugunsten der Seele eines kürzlich verstorbenen Familienmitglieds setzte einen Balanceakt zwischen dem Streben nach möglich intensivem Beistand für die Seele im Jenseits und der wirtschaftlichen Verantwortung für die Ökonomie des Hauses voraus. Testamentarische Verfügungen spielten in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. So verpflichtete Jaroslav Bořita von Martinitz am 4. August 1649 seinen Haupterben Georg Adam, für seine Seele gleich nach dem Tod mindestens 10.000 heilige Messen durch Ordensleute lesen und 3.000 Rosenkranzgebete durch Laien beten zu lassen. Der für diesen Zweck bestimmte Betrag von 4.000 fl. (weitere 666 fl. waren unter die 79  Constantivs Arzonni, Gefallner Stern / Dessen Helleuchtender Tugend-Glantz ist vorgestellet worden: Als ein Löbliche / bey denen Wohl Ehrwürdigen Patern Augustinern bey S. Thomas der Kleinen Statt Prag / gestiffte Kayserl. Hoff-Bruderschafft CORPORIS CHRISTI die Exequien und Leichbesingnuß gehalten hat / Der Hoch und Wohlgebohrner Frawen / Frawen Polyxenae Veronicae Gräffin von Martinicz [...] (Prag [1659]) unpaginiert. 80   Testament: NA, ÚDZ, Kt. 56; Geschenke: NA, NB, Kt. 133, Sign. XVII/57, pag. 68f. 81   Jaroslavs zweite Ehefrau Elisabeth Maria Magdalena von Wrtba († 1643) vermachte in ihrem Testament vom 23. Apr. 1641 500 Schock böhmischer Groschen zur Ausschmückung der martinitzschen Kapellenhälfte, NA, DZV 148, fol. F9r. Die dritte Ehefrau Katharina Franziska Talacko von Ještětice († 1649) vermachte der Kapelle im Testament vom 11. Jan. 1649 400 fl. auf Zukaufung von Zierden und Gegenständen zum privilegierten Altar, NA, DZV 257, fol. B8v. Veronika Polyxena von Sternberg, die erste Ehefrau von Bernard Ignaz, stiftete zum martinitzschen Altar kraft ihres Testaments vom 18. Okt. 1645 ein Antependium und einen Priesterornat mit Stola und Manipel, alles in schwarz-weiß (vše pěkný černý a bílý), damit es bei den Totenmessen Verwendung fand. NA, DZV 262, fol. A13r.



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Armen zu verteilen) macht allerdings den Eindruck, dass der Testator – wie auch sonst häufig – auf ein gutes Verhältnis zwischen Preis und Leistung achtete82. Georg Adam selbst wünschte sich im Testament vom 28. März 1650 insgesamt 6.000 aufs eylfertigst zu lesende Seelenmessen83. Die gleiche Zahl bestellte seine Schwester Lucia Ottilia von Kolowrat in ihrem Testament von 1651, die dafür 2.000 Taler testierte, während weitere 2.000 Taler als Almosen verteilt werden sollten, beides mit Wissen und Rat ihres Beichtvaters84. Der jüngste Bruder Maximilian Valentin begnügte sich 1676 dagegen mit lediglich 2.000 Seelenmessen, die so baldt als immer möglich [...] vor meine arme seel gelesen85 werden sollten. Am komplexesten erscheint die Disposition im Testament von Bernhard Ignaz von Martinitz vom 31. Oktober 1678, der hinsichtlich der Seelenmessen keine feste Zahl vorschrieb, sondern bestimmte, dass nach meinem Gott gebe seeligen ableiben alsobald täglich fünfzig seelmeßen, einschließlich der Exequien, gelesen werden sollten. Zu weiteren 3.000 Messen verpflichtete der Graf die Prager Theatiner, deren Kloster er gegründet und denen er ein Haus geschenkt hatte. Jede der insgesamt 20 religiösen Bruderschaften in Böhmen, Schlesien, Österreich, der Steiermark, Bayern und Italien, deren Mitglied der Graf war, sollte für 12 fl. eine Messe für seine Seele lesen lassen. Darüber hinaus vermehrte er zeitweilig die Zahl der Seelenmessen in der Martinitz-Kapelle: vom tag meines absterbens [...] anzuraiten sollte inner jahrsfrist bey dem privilegiirten alltar in unsers geschlechts capellen jeden tag eine über die albereit fundirte ordinari meßen celebriret werden, und zwar ebenfalls von den Theatinern, die dafür 30 kr. pro Messe bekommen sollten86. Die letzte Ehefrau Jaroslavs von Martinitz, Helena Barbara Vřesovec († 1682), sorgte während ihrer langen Witwenzeit für ihr Seelenheil aufwendig vor. Zunächst widmete sie im Februar 1657 den Augustiner-Eremiten auf der Prager Kleinseite 5.000 fl. für eine Messfundation beim Hoch- und privilegierten Altar der Thomaskirche, vor dem sie gleichzeitig ihre zukünftige Grablege errichtete. Der Frequenz der zu lesenden Seelenmessen nach übertraf diese Stiftung sogar jene, die ihr verstorbener Ehemann 1643 beim martinitzschen Altar im Veitsdom bestimmt hatte: Aus dem Jahreszins von 300 fl. sollten vor dem Altar für ihr, Helenae Barbarae gräffin von Martinitz, seele fürohin zu ewigen zeiten jährlich sechs hundert heilige seelmeßen oder requiem im schwartzen meßgewand gelesen werden, und zwar alßobald von dem tag ihres tödtlichen hintrits87. Aus dem April 1668 datiert eine zweite Messstiftung im Wert von 1.000 fl. zugunsten der Altstädter Teynkirche, die sich in unmittelbarer Nähe der Behausung der Witwe befand. Der Pfarrer verpflichtete sich, aus dem Jahreszins von 60 fl. beim Altar der Freudenreichen Mutter Gottes, den die Gräfin in der Marienkapelle (dem Presbyterium des rechten Kirchenschiffs) hatte errichten lassen, zweimal wöchentlich (montags und samstags) eine Seelenmesse für die von allen vergessenen Seelen im Fegefeuer zu lesen oder lesen zu lassen. Die Aufsicht über   NA, DZV 256, fol. B11r.   NA, DZV 151, fol. G1v–G6r. 84  NA, DZV 150, fol. L7r–v. 85  Testament vom 4. März 1676, NA, DZV 266, A9r. 86  NA, ÚDZ, Kt. 56. 87  Eine Abschrift der Stiftungsurkunde, NA, AŘAP, Kt. 193. Die Gräfin war langfristige und mit Abstand wichtigste Wohltäterin der Kleinseitner Thomaskirche, Bohumil Matějka, Přestavba a výzdoba chrámu sv. Tomáše při klášteře poustevníků řádu sv. Augustina na Menším Městě Pražském [Der Umbau und die Ausschmückung der Kirche des Hl. Thomas beim Kloster der Augustiner-Eremiten in der Kleineren Stadt in Prag]. PAM 17 (1896) Sp. 81–152, hier 90f. und passim. 82 83

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die Messstiftung wurde dem Besitzer des martinitzschen Fideikommisses anvertraut, der befugt sein sollte, im Fall einer wiederholten Unterlassung die Stiftung zum Hauptaltar der Kleinseitner Thomaskirche zu übertragen88. Schließlich bestellte die Gräfin kraft ihres Testaments vom 6. Mai 1678 einmalige ergänzende Seelenmessen und Rosenkränze, die unmittelbar nach ihrem Tod durch Mitglieder von 13 Männer- und (nur!) zwei Frauenklöstern in Prag gelesen bzw. gebeten werden sollten89. Wie schwer es fällt, unter den Motiven derartiger Legate demonstrative, auf Repräsentation im Stadt- und Kirchenraum abzielende Frömmigkeit von eschatologischen Erwartungen zu unterscheiden, zeigt der vom Prager Paulaner Sigismund Kracker verfasste Bericht über den Tod von Jaroslavs jüngster Tochter Ursula Polyxena von Sternberg († 1680). Nachdem die Gräfin am Sterbetag ihren Tod vorhersah und von dem Paulaner nach Gründen ihrer Vermutung gefragt wurde, habe sie unter anderem zur Antwort gegeben: weillen mir heüt mein hertzliebster ehegemahl auß sonderlichen gnaden zu meiner armen seelen trost 2.000 heüllige seelmessen leßen zu lassen versprochen hat, vormeinen sie wol, das nit [!] die armen seelen in fegfeüer selbst zu Gott rueffen werden, auf das er mich nur bald der band der sterbligkheit entbinde90. Diese Aussage, hinter der sich zweifelsohne auch eine Werbung des Paulaners für das eigene Ordenshaus verbirgt, führt einerseits die angenommene Bedeutung der Seelenmessen für eine schnelle Erlösung aus dem Fegefeuer vor Augen, andererseits das ganz komplexe Verständnis der Wechselbeziehungen innerhalb einer Gemeinschaft der Lebenden und Toten. In dieser Fallstudie soll deshalb abschließend auf einen spektakuläreren Fall hingewiesen werden, in dem sich derartige Vorstellungen konkretisierten, nämlich auf die Verbindung einzelner Mitglieder der Familie Martinitz mit dem kontroversen Kult der Pressburger Gnadenpietà und mit dessen Mitbegründer, dem Jesuitenpater Hieronymus Gladi(s)ch. Im Herbst 1646, gut drei Jahre nach der Herausgabe der Schrift über die Erscheinungen der Seele von Hans Clement, die die neue Messstiftung im Veitsdom mit angeregt haben dürfte, fanden sich Mitglieder der Familie Martinitz erneut mit der Geschichte des Pressburger Vesper- und Gnadenbilds konfrontiert. Den Anlass dazu bot der vom September 1646 bis Juni 1647 dauernde ungarische Landtag, zu dem der Kaiserhof aus Wien nach Pressburg übersiedelte. Der Hofadel traf in der damaligen ungarischen Hauptstadt nicht nur einen bereits eingewurzelten und vom ungarischen Klerus durchaus geförderten Kult der Pressburger Pietà, sondern auch einen charismatisch begabten Jesuiten, dessen Karriere mit diesem Kult eng verflochten war: Pater Gladich, der in den Jahren 1641 und 1642 an der Inszenierung der angeblichen Erscheinungen von Hans Clement maßgeblich beteiligt war (als Beichtvater des Mädchens, das von der Armen Seele besucht worden sei), begann wenige Jahre später, eine ihm angeblich auf Fürsprache der Mutter Gottes erteilte besondere Befähigung (beneficium personale) für sich in Anspruch zu nehmen, aufgrund der er Seelen konkreter Verstorbenen durch Gebete und Seelenmessen aus dem Fegefeuer erlösen könne. Der Jesuit behauptete, die Seelen hinterließen ihm während der Totenmes88  Akten zur Stiftung ebd. Eine Aufstockung derselben im September 1671 um weitere 300 fl. (Jahreszins 18 fl.), aus den u. a. sieben Arme zu Gebeten für die Armen Seelen angehalten werden sollten, ebd. Vgl. Joannes Florianus Hammerschmid, Prodromus Gloriae Pragenae [...] (Vetero-Pragae [1723]) 32. 89   NA, AŘAP, Kt. 193. 90  Trostreiche wahrheith deß durch 35 wochen unveränderlichen vorhabens, gottseelig zu sterben, und auferbaulichen hintritts der weylandt hoch- und wohlgebohrnen frawen frawen Ursula Polixena gräffin von Sternberg, gebohrne gräffin von Martinitz. ANM, H 39. Das Wort nit dürfte auf einen Transkriptionsfehler des Schreibers zurückgehen, logischer wäre z. B. das Wort „nun“.



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sen auf der Altarmensa jeweils ein materielles Zeichen unterschiedlicher Farbe. Aus diesen Zeichen, die der Jesuit zweifelsohne selbst fingierte und die er auf Anfrage Interessenten vorführte, schloss Gladich auf den Zustand der jeweiligen Seele im Jenseits bzw. auf deren bereits erfolgte Erlösung. Diese dubiose Tätigkeit, die allmählich das Misstrauen seitens seiner Vorgesetzten in Rom und Wien hervorrief, im lokalen Kontext jedoch unter sowohl Laien als auch Klerikern durchaus auf Vertrauen stieß, gewann neue Dimensionen, nachdem der Kaiserhof in Pressburg eintraf. Manche Personen aus dem Umfeld des Kaiserhofes erwiesen sich bezüglich der Wirkung des neuen Totenaltars und der besonderen Fähigkeiten des Jesuiten derart begeistert, dass sie dem Charismatiker Aufträge auf Erlösung ihrer verstorbenen Verwandten aus dem Fegefeuer erteilten. Pater Gladich, der dadurch neben dem Erzbischof von Gran/Esztergom, György Lippay (1600–1666), weitere mächtige Patrone gewann, geriet für wenige Monate ins Rampenlicht – sogar der Kaiser scheint ihm eine geheime Audienz erteilt zu haben – und zögerte nicht, Erlösungen der Seelen von Verstorbenen aus prominenten Kreisen am laufenden Band zu inszenieren91. Zwei der Kinder Jaroslav Bořitas von Martinitz waren nicht nur dabei, sondern spielten eine aktive Rolle: einerseits der böhmische Kanzler und Geheime Rat Georg Adam von Martinitz samt seiner italienischen Frau Giovanna Gonzaga di Castiglione (1612–1688), andererseits seine jüngere Schwester Lucia Ottilia als Gattin des damaligen Hofkammerpräsidenten Ulrich Franz Liebsteinsky von Kolowrat. Besonders die beiden Damen fanden sich durch die Tätigkeit des Jesuiten vom Anfang an angesprochen und fasziniert. Beide ließen sich hinsichtlich der Echtheit der Seelenerlösungen leicht überzeugen und erwiesen sich als durchaus bereit, bei der Herstellung der vermeintlichen Kontakte zwischen Diesseits und Jenseits mitzuspielen. So ließ Lucia Ottilia knapp einen Monat nach der Übersiedlung nach Pressburg ihre 1634 verstorbene Mutter, die erste Ehefrau Jaroslavs, durch Gladich aus dem Fegefeuer erlösen. Mehr als das: Die Gräfin bezeugte, während des fünf Tage dauernden Vorgangs selbst von der Seele ihrer Mutter besucht worden zu sein. Diese habe über Nacht ihre Hand auf der linken Schulter ihrer Tochter als eine Art „Mutterzeichen“ eingedrückt92. Der schwarz-gelb-rote Fleck auf der Schulter der Gräfin Kolowrat wurde dann zu einem der Argumente, mit denen die Gönner Gladichs sein Wirken und die vermeintliche Echtheit der durch ihn betriebenen Seelenerlösungen beweisen wollten. So wusste die Schwägerin der Gräfin Kolowrat nach Italien zu berichten, dass die Seele der alten Gräfin Martinitz è andata dalla sua figlia Lucia e la tocata per il brazo, e li a lassato impressa la mano ma gia svanisse quel segno93, während der Wiener Bischof Breuner, nachdem er Anfang Dezember 1646 Pressburg kurz besuchte, über Gladich urteilte, es seien auch andere evidentia signa vorhanden, die die seelen auf sein befelch auch saecularibus geben, wie dan die frau camerpresidentin ierer mueter handt in arm eintruckhter zum zaichen hadt, weilln sie nit glauben wollen, daß sie noch was in iener welt leidet94. Lucia Ottilias Ehemann, der Hofkammerpräsident Ulrich Franz Liebsteinsky von Kolowrat, vermittelte in der Folge Kontakte zwischen Gladich und den Erben des 1646 in Prag verstorbenen Wilhelm von   Der Fall ist analysiert in Maťa, Arme-Seelen-Rettung (wie Anm. 52).   Vgl. die von Gladich verfasste Beschreibung der Erlösung Maria Eusebias von Martinitz aus dem Fegefeuer, SOA Třeboň/JH, RAS, Buch 9, pag. 1155–1162. 93  Giovanna Gonzaga an Ferdinando Gonzaga di Castiglione, 26. Okt. 1646 (Pressburg), ASM, AGCS, busta 202. 94  Breuner an Ernst Adalbert von Harrach, 8. Dez. 1646 (Wien), ÖStA, AVA, FAH, Kt. 153. 91 92

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Lobkowitz und berichtete dann aus Pressburg nach Prag über die allmähliche Erlösung der Seele95. Giovanna, die Ehefrau Georg Adams von Martinitz, gehörte ebenfalls zu den frühen Auftraggeberinnen Gladichs aus den Reihen des Wiener Hofadels, wobei ihre Fürsorge vor allem ihren eigenen Vorfahren und Verwandten aus der Familie Gonzaga di Castiglione delle Stiviere galt. Sie war die erste Person, die den böhmischen Oberstkanzler Wilhelm Slawata, nachdem er erst mit einigen Wochen Verspätung nach Pressburg gelangt war, über die besondere Befähigung des Jesuitenpaters informierte; Slawata wurde in der Folge zu einem besonders geneigten Gönner Gladichs96. Auch Giovanna war bereit, ihren Glauben bis an die Grenze der Selbsttäuschung auszuweiten. So berichtete sie, sie sei nächtens von der Seele ihres längst verstorbenen Bruders Luigi Gonzaga (1611–1636) besucht worden, was sie aus einem wiederholten Knacken in der Nähe ihres Bettes erkannt habe97. Wenig später habe ihre sich im Prozess der Erlösung aus dem Fegefeuer befindende Cousine Ludmila von Fürstenberg (*1599) ein gewisses (vermutlich akustisches) Zeichen gegeben98. Die Faszination über die durch den Pressburger Jesuiten vermittelten Kontakte zu den Seelen im Fegefeuer blieb allerdings nicht auf die vor Ort anwesenden Familienmitglieder beschränkt, sondern sie breitete sich auch auf jene aus, die das Geschehen von Prag aus beobachteten. Am 13. Dezember 1646 informierte Ferdinand Leopold Benno von Martinitz aus Prag „in confidenza“ den Gründer und ersten General der Piaristen, den 1767 heiliggesprochenen José Calasanz (1557–1648), mit dem er seit seinem Aufenthalt in Rom 1640 im brieflichen Kontakt stand, über Pater Gladich und seine Taten. Martinitz, selbst ein Weltkleriker, verbarg keineswegs seine Begeisterung bezüglich der Arme-SeelenMission des Pressburger Jesuiten, über die er nur von Ferne, zweifelsohne von seinen Verwandten, informiert wurde: Die Seelen erschienen Pater Hieronymus („buon Religioso“), sprächen zu ihm und gäben ihm materielle Zeichen ihrer Erlösung. Unter vielen anderen hätten auch Bennos Mutter und sein 1636 in Italien verstorbener Bruder Johann Jaroslav dem Jesuiten solche Zeichen gegeben und zu ihm gesprochen. Der Pater habe zwar einige Widersacher, doch der päpstliche Nuntius, Bischöfe und der gesamte Kaiserhof zweifelten kaum mehr an der Wahrheit seiner besonderen Befähigung99.   Maťa, Arme-Seelen-Rettung (wie Anm. 52) 82f.   SOA Třeboň/JH, RAS, Hs. 9, pag. 1143f. Slawata sammelte bis zu seinem Tod 1652 Dokumente über Gladichs Wirken zugunsten der Armen Seelen im Fegefeuer, ließ sie ins Tschechische übersetzen und in ein handschriftlich überliefertes Geschichtswerk, an dem er arbeitete, eingliedern, Petr Maťa, Von der Selbstapologie zur Apologie der Gegenreformation: Konversion und Glaubensvorstellungen des Oberstkanzlers Wilhelm Slawata (1572–1652), in: Konversion und Konfession in der Frühen Neuzeit, hg. von Ute Lotz-Heumann– Jan-Friedrich Missfelder–Matthias Pohlig (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 205, Gütersloh 2007) 287–322. 97   Li fu letto la seconda messa, andò dal saputo Padre e lo pregò per la terza ma non se gli mostrò, a me di note con chiocare vicino al mio leto diede segno di voler una messa, e non più tre volte mi diede tal segno. Giovanna an Ferdinando Gonzaga di Castiglione, 16. Nov. 1646 (Pressburg), ASM, AGCS, busta 202. 98  […] ieri fu liberata la signora donna Ludomilla che pur in casa mia diede segno. Dies. an dens., 23. Nov. 1646 (Pressburg), ebd. 99  Epistulae ad S. Iosephum Calasanctium ex Europa centrali 1625–1648, hg. von Georgius Sántha (Romae 1969) 768. Briefkontakte zwischen Martinitz und Calasanz sind nur fragmentarisch belegt: Epistolario di San Giuseppe Calasanzio, hg. von Leodegario Picanyol, Bd. 8 (Romae 1955) 350, 437; Epistolarium co­ aetaneorum S. Iosephi Calasanctii 1600–1648, hg. von Georgius Sántha–Claudius Vilá Palá, Bd. 4 (Romae 1978) 1752f. 95 96



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Aus einem der überlieferten Erlösungsberichte100 erfahren wir, dass Bernhard Ignaz von Martinitz, ein weiterer Bruder, über die Vermittlung seiner Schwägerin Giovanna einen Auftrag für die Erlösung der Seele seiner verstorbenen Stief- und zugleich Schwiegermutter, Elisabeth Maria Magdalena von Wrtba, verw. Sternberg, erteilte. Das „Erlösungsverfahren“ stellte sich in diesem Fall als besonders schwierig dar: Gladich habe bei der ersten, in Anwesenheit Giovannas gelesenen Seelenmesse auf dem Altar eine hässliche Spinne erblickt, die er als Zeichen des schlechten Zustands der Seele deutete. Er ließ nach Prag berichten und den Auftraggeber zum Lesen von 40 Seelenmessen auffordern. Inzwischen war in der Prager Behausung von Bernhard Ignaz nächtlicher Zeit ein wehmütiges, weibliches Weinen zu hören (přežalostivě pláč ženský slyšán byl), wofür die Ehegattin des Auftraggebers (und Tochter der zu erlösenden Gräfin) Zeugin war. In der Folge wandte sich Bernhard Ignaz selbst an Gladich, seine Meinung äußernd, dass dies ein Zeichen sein müsse, seine Stief- und Schwiegermutter wäre nicht verdammt, sondern leide nur eine große Qual im Fegefeuer. Martinitz muss zu diesem Zeitpunkt mit dem Wirken Gladichs bereits einigermaßen vertraut gewesen zu sein, denn er verglich den bisherigen Verlauf des Verfahrens mit früheren und vermutete, die Spinne auf dem Altar habe zwar einen schwierigen Zustand der Seele, keineswegs aber die ewige Verdammnis signalisiert: Sei eine Seele verdammt, erhielte ja der Jesuit von ihr überhaupt kein Zeichen. Zwischen Gladich und Bernhard Ignaz folgte über die Entfernung noch ein weiterer Austausch, die martinitzsche Behausung in Prag blieb unruhig und weitere Messen zugunsten der Seele der verstorbenen Gräfin wurden sowohl in Prag als auch in Pressburg gelesen. Erst bei der siebenten von Gladich gelesenen Messe legte die Seele überhaupt ihr erstes, noch ganz schwarzes Zeichen auf den Altar. Schließlich scheint auch der damals knapp über 30 Jahre alte Martinitz der Selbsttäuschung anheimgefallen zu sein: In der Nacht nach einer Andacht zugunsten der zu erlösenden Seele in der Prager Karmeliterkirche, durch welche er hoffte, ebenfalls die Gnade eines Zeichens der Seele zu erlangen, wurde er in seinem Schlafzimmer selbst Zeuge eines unnatürlichen Tumults, den er als Aufforderung für weitere Seelenmessen interpretierte. Erst danach gelang es Gladich, durch die zwölfte Totenmesse die Seele aus dem Fegefeuer zu erlösen101. Selbst nach der Abreise des Kaiserhofs aus Pressburg in Juni 1647, der eine Untersuchung gegen den Pseudocharismatiker seitens seiner Vorgesetzten und im September seine Versetzung in das Jesuitenkolleg in Judenburg folgte, blieben einzelne Mitglieder der Familie Martinitz von Gladich und seiner vermeintlichen Begabung gefesselt. Einige Zeit nach der Abberufung des Jesuiten aus Pressburg erhielt Oberstkanzler Slawata von Bernhard Ignaz von Martinitz aus Prag eine ausführliche lateinische Defension des Charismatikers. Der Autor – sehr wahrscheinlich Bernhard Ignaz selbst – polemisierte darin ausführlich gegen Einwände von Zweiflern und argumentierte, dass die persönliche Begnadung Gladichs und seine Vermittlung zwischen dem Dies- und dem Jenseits prinzipiell möglich und in diesem konkreten Fall unzweifelhaft sei102. Wahrscheinlich für Bern100  Vermutlich von Slawata aufgrund eines Erlösungsberichtes von Gladich zusammengefasst, SOA Třeboň/JH, RAS, Buch 10, pag. 624–627. 101  SOA Třeboň/JH, RAS, Buch 10, pag. 624–627. 102  Die Defensionsschrift liegt nur in tschechischer Übersetzung vor (Discurs aneb rozjímání o zjevení mnohých duší při obrazu nejsvětější Panny bolestné v městě Prešpurgku), SOA Třeboň/JH, RAS, Buch 10, pag. 665–667, 636–651, 665–679. Die Erwähnung von Gladichs Widersachern, die bald nach seiner Entfernung aus Pressburg gestorben seien (S. 636f.), bezieht sich sehr wahrscheinlich auf den Tod Wilhelm Lamormainis am 22. Feb. 1648, was zugleich den Termin post quem darstellt.

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hard Ignaz bestimmt war ein längeres Schreiben vom 22. April 1648, in dem Slawata das weitere Wirken Gladichs in der Steiermark ausführlich schilderte und den Adressaten um Mitteilung dieser Nachrichten an seinen (damals mit dem Kaiserhof in Prag weilenden) Bruder Georg Adam ersuchte103. Georg Adam von Martinitz, Slawatas Amtskollege aus der Böhmischen Hofkanzlei, dürfte zu Gladich ebenfalls Vertrauen gehabt zu haben. Am Tag nach dem Tod seiner verwitweten Schwester Lucia Ottilia, die am 24. April 1651 in Wien starb, ersuchte er Slawata darum, einen Boten zu Pater Gladich nach Traunkirchen zu schicken mit dem Auftrag, ihre Seele aus dem Fegefeuer zu erlösen. Gladich, dem der Auftrag am 29. April zuging, gelang es gleich mit der ersten Messe, die Seele seiner ehemaligen Patronin zu erlösen. Slawata kommentierte Gladichs Nachricht darüber mit einem interessanten Vermerk, der die Spannung zwischen unterschiedlichen Mitteln zum Heil erkennen lässt: Obwohl die Gräfin 3.000 fl. für Seelenmessen testiert habe, sei es erst Gladichs Messe gewesen, die ihr den Himmel eröffnete104. Im ausführlichen Bericht über das Begräbnis der Gräfin von Kolowrat in der Wiener Jesuitenkirche am Hof am 10. Mai 1651 und die vom 11. bis 13. Mai gehaltenen Exequien befindet sich freilich über die Erlösung ihrer Seele kein Wort105. Es war allerdings Ferdinand Leopold Benno von Martinitz, Propst des Vyšehrader Kapitels in Prag und seit 1652 Domkanoniker in Salzburg, der mit Gladich am Längsten im Kontakt blieb. Ähnlich wie seine Geschwister erteilte er dem Jesuitenpater Aufträge zur Erlösung – so z. B. für den Prager Domdechanten Andreas Kocker († 1650)106. Ob Graf Benno bei Gladich die Erlösung seines Vaters Jaroslav Bořita von Martinitz nach dessen Tod am 21. November 1649 in Prag bestellte, muss offen bleiben. Leider sind genauere Umstände gerade dieser Erlösung – angeblich ließ sich Jaroslavs Seele sowohl in Prag als auch in Wien sehen – infolge verlorener Akten nicht bekannt107. Sollen wir dem nicht unvoreingenommenen Kardinal Harrach Glauben schenken, so versuchte Gladich im Februar 1650 Benno von Martinitz zu überzeugen, dass „weitere überflüssige Unkosten“ für Seelenmessen zugunsten seiner beiden Eltern unnötig seien, da beide bereits im Himmel wären – eine nicht nur theologisch durchaus gefährliche Position, die auch die bestehenden Messstipendien und frommen Stiftungen zu unterminieren drohte108. Es würde allzu weit führen, weitere Schicksale Gladichs unter dem Schirm Bennos von Martinitz an dieser Stelle zu schildern109. Stattdessen sei abschließend auf eine weitere Facette hingewiesen, nämlich auf einige bemerkenswerte, im martinitzschen Umfeld entstandene und mit der Totenfürsorge verknüpfte Kunstwerke. So lassen sich mit der Fa  SOA Třeboň/JH, RAS, Kt. 15.   SOA Třeboň/JH, RAS, Buch 13, fol. 615v–117r. 105   Zpráva, jakým spůsobem mrtvé tělo někdy J. M. vysoce urozené paní paní Lucije Ottilije z Kolovrat rozené hrabinky z Martinic vzáctné paměti depositirováno a dále dle obyčeje zdeyšího pohřbeno a pochováno bylo. SOA Plzeň/Klášter, Rodinný archiv Nostitz-Rienecků [Familienarchiv Nostitz-Rieneck], Kt. 23. 106  Gladichs kurzer Erlösungsbericht vom 8. Jan. 1651 (Traunkirchen), APH, APMK, Cod. XLIV, fol. 264v. 107  Bereits am 5. Jan. 1650 übertrug Slawatas Übersetzer Andreas Faist „Ex Historia Gladichii de Comite a Martinic“ ins Tschechische. Am 19. März 1650 dann wieder: „Ex Gladichio de apparitione Comitis a Martinic Viennae et Pragae“, František Tischer, O vzniku Slavatových Pamětí [Zur Entstehung Slawatas Memoiren]. ČMKČ 76 (1902) 306–312, hier 310. 108  „Il giesuita di Posonio in una lettera scritta al conte Benno l’essorta formalmente, giaché per la sua relatione può essere certo che così sua madre come suo padre senza altro sono in cielo, che lasci di fare ulteriori spese superflue per fare dire ancora delle messe per loro.“ Diarien (wie Anm. 3) 3 382. 109  Vgl. vorerst Maťa, Heiligkeit und Betrügerei (wie Anm. 52) 187, 204f. 103 104



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milie Martinitz mehrere bildliche Darstellungen der Pressburger Gnadenpietà in Verbindung bringen, was umso bemerkenswerter ist, als das Gnadenbild sonst in Böhmen keine dauerhafte Verehrung erlebte110. Vollständigkeit kann hier auf keinen Fall beansprucht werden, weil das Mobiliar der martinitzschen Residenzen und deren sakraler Räume nur fragmentarisch und größtenteils außerhalb der ursprünglichen Kontexte erhalten ist. Es kann aber als gesichert gelten, dass sich eine bildliche Darstellung der Pressburger Pietà (obraz blahoslavené Panny Marie prešpurský) Ende des Jahres 1651 im Prager Fideikommisspalast der Grafen Martinitz am Hradschiner Platz befand. Dabei handelte es sich keineswegs um ein kleines Andachtsbild unter vielen. Das Gemälde war nämlich in der Tafelstube des Familienoberhaupts aufgehängt und muss hier einen prominenten Platz eingenommen haben, da das nach dem am 12. November 1651 erfolgten Tod des Kanzlers Georg Adam von Martinitz verfertigte Inventar des Palasts das Gemälde überhaupt als ersten aller aufgelisteten Gegenstände anführt111. Aus dem Inventar lässt sich sogar indirekt auf den Auftraggeber rückschließen, denn Georg Adams Testament vom 28. März 1650 bestimmte seine Witwe Giovanna als Universalerbin aller Allodialgüter und Mobilien, doch mit diesem geding, das in denen fideicommissgüttern und hauß sie so viel von mobilien, getraidt und vieh verlaßen solle, als mir bey antrettung derer verlaßen worden112. In dem undatierten, von Bernhard Ignaz und Maximilian Valentin von Martinitz signierten Inventar wurden gerade jene Gegenstände aufzeichnet, welche die Gräfin im Palast hinterließ und die also zu dessen Grundausstattung gehörten. Das Gemälde muss also bereits zum Zeitpunkt des Todes von Jaroslav Bořita von Martinitz 1649 im Fideikommisspalast vorhanden gewesen sein und dürfte von ihm im Auftrag gegeben oder als Geschenk empfangen worden sein. Es ist schwer zu sagen, ob die Darstellung der Schmerzhaften Mutter Gottes, die sich auf dem Sarg befand, in dem Georg Adam seine Schwester Lucia Ottilia von Kolowrat 1651 in der Wiener Jesuitenkirche Am Hof bestatten ließ, der Pressburger Gnadenpietà oder einem anderen Typus der Mater Dolorosa entsprach113. Ein eindeutiger Bezug zu diesem Gnadenbild ist aber bei ihrem jüngeren Bruder Ferdinand Leopold Benno festzustellen. Eine 163 cm hohe, hölzerne, mit ihrer bewussten gotischen Stilisierung an das Pressburger Vesperbild erinnernde Statue lässt sich nämlich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts auf einem Altar der von ihm Anfang der 1650er Jahre erbauten Kirche seines nordböhmischen Propsteigutes Schüttenitz/Žitenice belegen. Die nach der sekundären Aufstellung in einer Nische der westlichen Giebelwand der Kirche infolge langfristiger Witterungseinflüsse stark in die Mitleidenschaft gezogene, heute wieder im Kircheninneren ausgestellte Statue wurde in die Mitte des 17. Jahrhunderts datiert114. Wenn man be110   Keine einzige Erwähnung bei Jan Royt, Obraz a kult v Čechách 17. a 18. století [Bild und Kult im Böhmen des 17. und 18. Jahrhunderts] (Praha 1999), der die Ausdruckformen der Marienfrömmigkeit in Böhmen in ihrer Breite dokumentierte. 111  Poznamenání všelijakých věcí, které se v domě Jeho Excell. pana a vladaře domu smečanského zanechávají; ANM, Sign. H 39. 112  Ausgenommen sein sollten jedoch ornat und geistliche zird und mobilia, so ich etwa zu der capell St. Anna zu Smetschna und capell des heiligen Creütz in dem Fideicommisshauß gewidmet hette. NA, DZV, fol. G1v–G6r. 113  Bestattet wurde die Gräfin do jedný truhly z cínu slité, kteráž přes 8 czen. vážila a kunštovným dílem na vrchu blah. P. M. dolorosae, Její Milosti erb a [...] nápis na svrchu vyrytý se nacházel [in einer aus Zinn gegossenen Truhe, die über acht Zentner wog und auf der sich die Jungfrau Maria Dolorosa, Ihro Gnaden Wappen und die eingeschnittene Inschrift befand], Zpráva (wie Anm. 105). 114  Mojmír Horyna, Sochy ze západního štítu kostela v Žitenicích [Statuen aus der westlichen Giebelwand der Kirche in Schüttenitz]. In: Žitenice. Kostel sv. Petra a Pavla [Schüttenitz. Die Kirche der Hl. Peter und

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Abb. 7: Die Pressburger Pietà aus der martinitzschen Familienkapelle im Prager Veitsdom (mit übermalten Attributen). Slaný, Vlastivědné muzeum ve Slaném; Foto: Martin Mádl (Ústav dějin umění, AV ČR, Praha).

denkt, dass Benno von Martinitz 1653 den Ex-Jesuiten Gladich als Pfarrer gerade dieser Kirche installierte und Gladich hier mit einigen Unterbrechungen über zehn Jahre wirkte, müssen wir bei dieser Plastik wohl von einer bewussten Nachahmung der Pressburger Pietà ausgehen.

Paul] (Litoměřice o. J. [1995]) 65–66; vgl. 68 (Foto) und 76 (Katalogeintrag). Zur Datierung des Kirchenbautes vgl. nun Diarien (wie Anm. 3) 3 522; 6 490.



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Abb. 8: Jaroslav Bořita von Martinitz auf dem Sterbebett; Slaný, Vlastivědné muzeum ve Slaném; Foto: Martin Mádl (Ústav dějin umění, AV ČR, Praha).

Die letzte bekannte und diesmal ganz eindeutige Darstellung der Pietà martinitzscher Provenienz befindet sich schließlich auf einem der barocken Paarbilder, die den privilegierten Altar der Familienkapelle im Prager Veitsdom flankierten und die heute im Heimatkundlichen Museum in Slaný ausgestellt sind. Das etwas heterogene, erst seit den

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Abb. 9: Das Quälen der Seelen an fünf Sinnen und ihre Erlösung aus dem Fegefeuer durch die Messopfer Gregors des Großen; Slaný, Vlastivědné muzeum ve Slaném; Foto: Martin Mádl (Ústav dějin umění, AV ČR, Praha).

1830er Jahren nachweisbare Ensemble besteht aus vier Darstellungen, von denen jeweils zwei miteinander in einem vertikalen Bild verbunden sind. Unter der Darstellung der Pressburger Pietà, deren Attribute (Priesterstola, Kruzifix, Kerze), obwohl zu unbekannter Zeit übermalt, auf dem Gemälde deutlich durchschimmern (Abb. 7), befindet sich eine



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Sterbeszene: Jaroslav Bořita von Martinitz ist auf dem Sterbebett dargestellt, nach dem Empfang der letzten Kommunion, umgeben von einem Priester, einem Ministranten, drei männlichen und einer weiblichen Person, die sich leider nur hypothetisch und ohne ausreichende Gewissheit als Familienmitglieder identifizieren lassen (Abb. 8). Im oberen Teil des heutigen Gegenstückes ist die Erlösung von Seelen aus dem Fegefeuer und das Messopfer Papst Gregors des Großen dargestellt, also ein Thema, das die Funktion des privilegierten Altars exemplifiziert, wiewohl die „infernalisierte“ Auffassung des Fegefeuers (im Vordergrund sind die Qualen an fünf Sinnen durch Teufel und höllisches Ungeziefer dargestellt) sich von typischen Fegefeuerdarstellungen des Barockzeitalters abhebt (Abb. 9)115. Im unteren Teil ist eine möglicherweise erst mit zeitlichem Abstand entstandene, ebenfalls mehrfache Übermalungen aufweisende Funeralkomposition mit Katafalk, Sarg, offenem Grab, Schädel und weiteren Todes- und Memento-Mori-Symbolen dargestellt. Auf die bisher nicht zuverlässig beleuchtete Entstehung dieses Ensembles kann hier nicht näher eingegangen werden116. Es ist nicht auszuschließen, dass das 1651 im martinitzschen Palast nachweisbare Gemälde der Pressburger Pietà hier eine Rekontextualisierung fand und zu unbekannter Zeit mit der Szene des sterbenden Martinitz verbunden wurde. Wiewohl die Zusammenfügung dieser Bilder in ein Ensemble wohl erst nachträglich erfolgte, stellt sie jedoch eine gewissermaßen logische Verbindung dar: Jaroslav Bořita von Martinitz, der Begründer des ersten böhmischen Armenseelenaltars und prominenter Förderer der Totenfürsorge, stirbt unter dem Pressburger Gnadenbild, dessen Kult sich seinerzeit auf die Erneuerung der Messstiftung des Grafen auswirkte und dessen MitUrheber Hieronymus Gladich die Seele des Grafen aus dem Fegefeuer befreite.117

  Göttler, Kunst (wie Anm. 2) 287–317.   Vácha–Tibitanzlová, Stevensovy obrazy (wie Anm. 15) schreiben die Bilder dem Prager Maler Anton Stevens von Steinfels zu, sie lassen jedoch ihre Übermalungen und Formatänderungen vollkommen unerwähnt und setzen stillschweigend voraus, dass die heutige Gestalt der Bilder der ursprünglichen künstlerischen Absicht entspricht. Die Darstellung von drei Vliesorden an der Memento-Mori-Komposition, woraus sie das Jahr 1657 als Termin post quem ableiten, geht allerdings erst auf eine nachträgliche Übermalung zurück. Mit der Genese der Bilder werde ich mich an anderer Stelle befassen. 117  Ferdinand Leopold Benno von Martinitz bezeichnete Gladich im Schreiben an Kardinal Harrach vom 21. Mai 1665 (Salzburg) als liberatorem ex purgatorio parentum no[strorum]; ÖStA, AVA, FAH, Kart. 146. 115 116

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L’un des premiers, Thomas Winkelbauer a insisté sur l’importance du rôle joué par les collateurs et les seigneurs terriens à côté de celui des souverains dans le processus de confessionnalisation des pays de la monarchie des Habsbourg1. Dans ses travaux sur la „confessionnalisation des sujets“ („Konfessionalisierung der Untertanen“), il s’est particulièrement intéressé à l’action des nobles convertis d’une des branches de la Réforme au catholicisme avant la date de 1620. Son livre sur Gundaker de Liechtenstein en témoigne abondamment2. Si l’implication des autorités seigneuriales dans la recatholicisation de leurs sujets, urbains et paysans, n’est guère mise en question, l’historien n’a toujours à sa disposition que peu de monographies comparables à celle de Winkelbauer sur le fondateur de la branche cadette des Liechtenstein. Cela reste particulièrement vrai pour la Bohême, malgré le renouvellement continu de la jeune recherche tchèque sur la noblesse et sur la religion et la parution d’une série de volumes consacrés à d’importantes familles du royaume3. Dans ces études, le tournant de la recatholicisation exigée par le prince après la Montagne Blanche reste certainement un marqueur fondamental, mais il a été relativisé et décentré. L’obligation de se conformer dans les pays tchèques après 1620 à la seule religion catholique n’est plus aujourd’hui appréhendée uniquement sous l’optique politique 1  Thomas Winkelbauer, Grundherrschaft, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung in Böhmen, Mähren und Österreich unter der Enns im 16. und 17. Jahrhundert, in: Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhunderts in Staat, Gesellschaft und Kultur, ed. Joachim Bahlcke–Arno Strohmeyer (Forschunge zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 7, Stuttgart 1996) 307–338; idem, Karrieristen oder fromme Männer? Adelige Konvertiten in den böhmischen und österreichischen Ländern um 1600, in: Nový Mars Moravicus [Un nouveau Mars Moravicus], ed. Bronislav Chocholáč–Libor Jan–Tomáš Knoz (Brno 1999) 431–452; idem, Die Pfarrherrschaft? Pfarrherren und Untertanen in der Zeit des Niedergangs der Feudalordnung – vom 16. Jahrhundert bis 1848, in: Geschichte der Pfarre Altpölla 1131–1982, ed. Friedrich B. Polleross (Altpölla 1982) 361–452; idem, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung durch Grundherren in den österreichischen und böhmischen Ländern im 16. und 17. Jahrhundert. ZHF 19 (1992) 317–339; idem, Österreichische Geschichte 1522–1699. Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (Österreichische Geschichte 1522–1699, Wien 2003) 1 103–132, 245–254. 2  Thomas Winkelbauer, Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters (MIÖG Ergbd. 34, Wien–München 1999). 3  Parmi les travaux importants, citons au moins le livre pionnier de Petr Maťa, Svět české aristokracie (1500–1700) [Le monde de l’aristocratie de Bohême] (Praha 2004), et une récente monographie sur les Waldstein: Jiří Hrbek, Barokní Valdštejnové v Čechách [Les Waldstein en Bohême au moment du Baroque] (Praha 2013).

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et juridique qui avait été cultivée au XIXe siècle. Elle a également quitté les colorations idéologiques, nationales et confessionnelles qu’elle avait longtemps revêtues pour devenir au fond, au-delà d’une histoire culturelle et religieuse des pays tchèques actuellement en plein essor, un objet d’histoire sociale, et d’histoire sociale le plus souvent locale. Par ailleurs, la politique des commissions de réforme de religion des pays autrichiens et des pays tchèques, entreprise par Ferdinand II dans la décennie 1620 en Bohême, en Moravie et dans l’archiduché d’Autriche, répétée à plusieurs reprises selon les pays et régions et renouvelée par Ferdinand III à partir de 1650, est bien connue et solidement documentée par les travaux des historiens tchèques et autrichiens depuis le XIXe siècle. Le livre de Gindely, en particulier, reste ici une référence incontournable4. Cependant, l’immense quantité des sources conservées et réparties entre les différents pays des Habsbourg laisse à penser qu’il est encore possible de découvrir des éléments enrichissant, nuançant ou même interrogeant, à l’échelle locale, la vision acquise des nobles convertisseurs ou garants de la religion de leurs sujets, et cela même dans un pays aussi fortement soumis que la Bohême à la recatholicisation. Sans remettre pour autant en question le schéma généralement admis, on peut parfois les voir freiner le contrôle de la catholicité des sujets et des habitants relevant de leur autorité. Par exemple, des relations peu connues de missionnaires opérant autour de 1670 dans certains cercles de Bohême, de même que des lettres de curés se plaignant de leurs seigneurs indiquent que les commissaires de cercles, comme celui de Čáslav en 1671, un Rabenhaupt de Suchá, n’étaient pas tous, dans ce dernier tiers du XVIIe siècle, de zélés convertisseurs, et que des patrons nobles pouvaient encore être à cette date suspectés d’hérésie ou d’indifférence religieuse5. Leur comportement, à côté de traits spécifiques aux personnages et aux configurations concrètes de ces épisodes et indépendamment des poursuites qui furent lancées contre l’un de ces nobles au moins, s’appuyait entre autre motifs allégués sur leur compréhension de leur droit de patronage. Deux excellents livres sont venus récemment enrichir le dossier du rôle des collateurs, du grand domaine noble et de ses administrateurs à l’échelle micro-historique, en documentant pour l’un l’application du droit de patronage sur la seigneurie de Třeboň/Wittingau appartenant successivement aux Rožmberk (Rosenberg) et aux Švamberk (Schwanberg), puis à la couronne – y compris la période où les revenus du domaine furent réservés à la reine de Pologne –, enfin aux Schwarzenberg; pour l’autre les conditions souvent conflictuelles de l’exercice de la religion catholique confrontée au pouvoir de l’administration seigneuriale dans la ville de Jindřichův Hradec/Neuhaus, sise au cœur des propriétés des Slavata6. A Třeboň comme à Jindřichův Hradec, il s’agissait de familles aristocratiques   Anton Gindely, Geschichte der Gegenreformation in Böhmen (Leipzig 1894).   Les réponses au questionnaire adressé par le consistoire de l’archevêché de Prague aux curés du diocèse au sujet des paroisses et filiales vacantes en 1667 sont, de ce point de vue, éloquentes. Celles qui constatent la recrudescence de l’hérésie dénoncent la négligence des collateurs et parfois les désignent comme étant des non-catholiques (acatholici), par exemple dans le cercle de Slaný (lettre du doyen de la ville, Georgius Blaha, 28 juillet 1667); NA, APA I, H 12/3, carton 4386; relation du missionnaire jésuite Adamus Clement sur la ville de Čáslav et ses environs et dénonciation du capitaine de cercle Rabenhaupt de Suchá et d’un seigneur athée ou hérétique de la famille des Wrzesowetz (Vřesovec) du 9 avril 1671 et relation sur les cercles de Slaný et de Mladá Boleslav, adressées à l’archevêque de Prague Matouš Ferdinand Sobek de Bilenberg; décret de l’empereur Léopold Ier et lettres de la lieutenance royale aux capitaines du cercle de Čáslav du 29 août 1670 et du 22 avril 1671 concernant les collateurs qui ne se soucieraient pas de propager et contrôler le catholicisme de leurs sujets; NA, ŘBB 1279, carton 873, etc. 6  Pavel Pumpr, Beneficia, záduší a patronát v barokních Čechách na příkladu třeboňského panství na 4 5



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parmi les plus puissantes du pays aux XVIIe et XVIIIe siècles, dont les membres occupèrent les plus grands offices du royaume de Bohême et de la cour des Habsbourg. Une couche sociale, cependant, paraît toujours moins bien connue à la fois en tant que telle et dans ses attitudes religieuses: celle que l’on nommerait en France les officiers „moyens“. Cette appellation ne recouvre sans doute pas exactement les réalités incarnées par les „Amtsträger“ et les „Fürstendiener“ des chambres des comptes des pays des Habsbourg, au sujet desquels, comme le regrettait récemment Michael Hochedlinger, nous manquons de travaux prosopographiques7. Toutefois elle ouvre sur un dialogue possible autour de la définition des officiers moyens donnée, par exemple, en 1999, par Jean Nagle8. Elle permet aussi de situer à l’horizon d’une comparaison européenne les personnages qui seront l’objet de notre texte, Johann Putz von Adlersthurn (1595–1660) et ses deux fils, Johann Franz Edmund (1635–1674) et Johann Ignaz Dominik (1647–1718). Ainsi, ce n’est pas sur la pertinence du paradigme tant discuté de la confessionnalisation que porteront les pages qui suivent, mais sur un cas, celui des Putz von Adlersthurn. Il conjugue avec une forte dimension de piété privée et publique un éclairage sur leurs liens avec la Hofkammer et les différentes chambres de comptes où ils servirent. Il permet aussi de voir se profiler l’émergence d’une famille noble et son installation, à partir de 1650–1651, comme seigneurs terriens catholiques dans des propriétés passées de mains en mains, luthériennes, calvinistes et catholiques depuis la fin du XVIe siècle, et plusieurs fois confisquées au cours du XVIIe siècle. A la différence des Rabenhaupt et Vřesovec z Vřesovic (Wrzesowetz) visés par les affaires de 1671–1673 auxquelles il a été fait allusion ci-dessus, les Putz ne furent en aucun cas des patrons indifférents, encore moins hostiles, sur la question du catholicisme des sujets de leurs seigneuries de Mimoň/Niemes, Děvín/Dewin et de Podsedice/Podseditz, les deux premières situées dans le nord du cercle de Mladá Boleslav et dans le vicariat de Friedland/Frýdlant près de la frontière avec la Haute-Lusace et la seconde dans le cercle de Litoměřice, qu’avait acquises le fondateur de la lignée respectivement en 1651 et 1650 au moment de son entrée dans l’ancien ordre des chevaliers de Bohême („Altböhmischer Ritterstand“). Bien au contraire. Johann Putz von Adlersthurn ou de Turraquila conçut dès la prise de possession de sa propriété de Mimoň un programme devant transformer celleci en paysage sacral et en expérience religieuse catholique accumulant d’emblée dans un même lieu de très nombreuses réalisations caractéristiques. Il ne se contenta pas, en effet, de vouloir introduire à Mimoň plusieurs dévotions catholiques neuves: un saint-sépulcre, přelomu 17. a 18. století [Bénéfices, revenus et droit de patronage. L’exemple de la seigneurie de Třeboň au tournant des xviie et xviiie siècles] (Knižnice Matice moravské 31, Brno 2008); Josef Hrdlička, Víra a moc. Politika, komunikace a protireformace v předmoderním městě (Jindřichův Hradec 1590–1630) [La foi et le pouvoir. Politique, communication et contre-réforme dans une ville de la première modernité] (Monographia historica 14, České Budějovice 2013). 7   Sur les „Amtsträger“ et les trois niveaux où s’exerçait l’administration des pays et de l’Ėtat, voir: Herrschaftsverdichtung, Staatsbildung, Bürokratisierung. Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Frühen Neuzeit, ed. Michael Hochedlinger–Thomas Winkelbauer (VIÖG 57, Wien–München 2010) 9–17. 8  Officiers „moyens“ (1), ed. Christophe Blanquie–Michel Cassan–Robert Descimon. Cahiers du Centre de Recherches Historiques 23 (Paris 1999). Pour la possibilité d’une comparaison entre la structure politique et administrative de la monarchie française et la monarchie des Habsbourg, on peut se référer à: Jeroen Duindam, Die Habsburgermonarchie und Frankreich: Chancen und Grenzen der Strukturvergleichs, in: Die Habsburgermonarchie 1620 bis 1640: Leistungen und Grenzen des Absolutismusparadigmas, ed. Petr Maťa–Thomas Winkelbauer (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 24, Stuttgart 2006) 43–61.

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un chemin de croix, une confrérie du rosaire dépendant de la paroisse dont les Putz étaient les collateurs et non, comme c’était la règle, d’un couvent de Dominicains9, et des reliques des catacombes, ce que firent après tout de très nombreux grands seigneurs catholiques en Bohême, Moravie, Autriche et Hongrie10. Il a théorisé dans le dernier des livres qu’il rédigea et fit imprimer ses „raisons d’agir“ et a argumenté la nécessité de se comporter dans ses propriétés comme un seigneur convertisseur, responsable de l’âme de ses sujets. D’autre part, et ceci les distingue à l’époque où ils le firent de très nombreux seigneurs de Bohême et de Moravie, lui et ses fils firent reconstruire les églises de la plupart des paroisses et filiales de leurs domaines11. Enfin, il s’agissait d’une politique familiale ayant constitué une continuité consciente de posture et d’action entre le père et ses deux fils, qui achevèrent de mettre en place les fondations voulues et prévues par leur père. Le cas de Johann Putz von Adlersthurn permet donc d’apporter une réponse partielle à la question posée par Pavel Himl et d’autres historiens, quant à la possibilité de mesurer la part personnelle d’initiative des seigneurs terriens dans leur application de la recatholicisation auprès de leurs sujets12.

Les Putz von Adlersthurn: raisons d’un choix d’étude de cas C’est la redécouverte presque fortuite d’un diaire tenu par deux générations de leur famille, une source qui fut longtemps oubliée et qui reste jusqu’à présent fort peu utilisée13, qui m’a mise sur la piste des Putz de Adlersthurn déjà rencontrés à l’occasion d’une 9   Le 6 septembre 1669, Johann Franz Edmund Putz von Adlersthurn demande au consistoire de l’archevêché de Prague que la confrérie du rosaire qu’il vient de fonder ne dépende pas du couvent de Dominicains voisins, mais de la paroisse de Mimoň dont il est le collateur; NA, APA I, A 18/3, fol. 28r. 10   Johann Putz fut loin d’être le seul noble à obtenir des corps saints des catacombes en Bohême et plus largement dans tous les pays de l’Empereur, qui se comptent par centaines. En témoignent les registres de la Sacristie papale conservés à la Bibliothèque Vaticane, qui ont été récemment analysés par une équipe de chercheurs du Centre de Recherche Historique/Centre d’Anthropologie Religieuse Européenne. Voir: MarieElizabeth Ducreux, „Propager la gloire des saints dans des provinces si fort éloignées de Rome“. L’expansion des reliques des catacombes en Europe centrale et orientale, in: La diffusion mondiale des reliques des catacombes romaines à l’époque moderne, ed. Christophe Duhamelle–Stéphane Bacciochi (à paraître aux éditions de l’Ecole Française de Rome, Rome). Les protocoles du consistoire de l’archevêché de Prague contiennent aussi des confirmations ou autorisations de culte public pour des corps apportés de Rome. 11  Les réponses aux 42 questions des enquêtes de 1676–1677 auprès des curés de l’archidiocèse de Prague comportent assez peu de mentions d’églises neuves ou reconstruites; NA, APA I, B 11/7–B 12/13. 12  Pavel Himl, Die grundherrschaftliche Konfessionalisierung in Böhmen im 17. Jahrhundert. Berichte und Beiträge des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (2001/2002) 199– 210, ici 201f.: „In diesem Zusammenhang wäre neben der praktischen Umsetzung dieser Kontrollansprüche weiter zu untersuchen, inwieweit die einzelnen Grundherren bei der Rekatholisierung nur den zentralstaatlichen Richtlinien und Verfügungen folgten bzw. inwieweit sich ihre mögliche Eigeninitiative auf eine paternalistische Vorstellung von der Verantwortung des Herrn für das Seelenheil der Untertanen stützte“. 13   Les quelques références plus récentes à cette source ne concernent, semble-t-il, que le grand tour du second fils de Johann Putz, Johann Ignaz. Cf. Zdeněk Hojda, Mladí Martinicové v Itálii. Kavalírské cesty české šlechty do Itálie v 16.–18. století [Les jeunes Martinitz en Italie. Le grand tour de la noblesse de Bohême en Italie aux xvie-xviiie siècles]. Slánské rozhovory 2005 (2006) 34–40, ici 38; Jiří Kubeš, Náročné dospívání urozených. Kavalírské cesty české a rakouské šlechty (1620–1750) [L’adolescence exigeante des nobles. Le grand tour dans la noblesse de Bohême et d’Autriche (1620–1750)] (Pelhřimov 2013) 120–123; Zdeněk Hojda–Eva Chodějovská–Milena Hajná–Alexandra Tesaříková, Heřman Jakub Černín na cestě za Alpy a Pyreneje. Kavalírská cesta českého šlechtice do německých zemí, Itálie, Francie, Španělska a Portugalska [Le voyage transalpin et transpyrénéen de Hermann Jacob Czernin. Le grand tour d’un noble tchèque dans les pays allemands, en Italie, France, Espagne et Portugal], 2 vols. (Praha 2014) 1 477, 501, 505.



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enquête collective sur la diffusion mondiale des reliques des catacombes romaines14. La plupart des informations données sur eux dans les dictionnaires biographiques et ency­ clopédiques et les généalogies nobiliaires se sont révélées fautives15. En outre, Johann Putz n’a pas beaucoup retenu l’attention des historiens, malgré un article de l’archiviste praguois Josef Bergl avant la Seconde Guerre mondiale, qui avait trouvé son diaire en 1933 ou 1934 dans la bibliothèque des Cisterciennes de Marienthal en Haute-Lusace, où il était resté depuis une période indéterminée16. Plusieurs d’entre eux, comme Josef Pekař, Golo Mann et Holger Mannigel17 attribuent à la suite de Bergl la rédaction du premier libelle établissant la trahison de Wallenstein et le droit de l’empereur à le mettre au ban de l’Empire à Johann Putz, sans jamais s’être reportés à son Diarium, qui est la première source permettant de retracer les étapes de carrières passées presque inaperçues des historiens. Dans son livre important sur la fin de Wallenstein, Christoph Kampmann ignore le rôle de Putz, de même que tous les auteurs d’un ouvrage collectif faisant le point sur l’image de Wallenstein dans l’historiographie18. Au-delà de son implication dans la dénonciation publique de la „trahison“ de Wallenstein, l’identité professionnelle de Johann Putz, de même que celle de ses fils, fut intimement liée à des activités à la Böhmische Kammer et à la Hofkammer, qui relevaient souvent de commissions de révision et de contrôle directement ordonnées par le souverain pouvant mobiliser des fonctionnaires des autres chambres locales. Le fils ainé de Johann Putz, par exemple, Johann Franz Edmund, visita en 1663 avec le „’Supremus Comes’ de la Chambre des mines et montagnes de Hongrie“ toutes les „villes et montagnes minières“ de Bohême. Nommé en 1665 Hofkammerrat de la Chambre de Bohême et administrateur de toutes ces „villes et montagnes minières“ du royaume, il en refit l’inspection avec des fonctionnaires hongrois spécialisés

14   Ducreux, Propager (cit. n. 10). Je dois remercier ici Zdeněk Hojda qui m’a informée en 2013 de la localisation actuelle du diaire des Putz aux archives départementales de Prague; SOA Praha, RA Putz z Adlersthurnu, inv. č. 1. Il sera désormais référé dans cet article à ce document comme au Diarium. Le titre en est: Diarium et itinerarium Johanis [!] Putz a Turraquila ex variis actis, calendariis et scripturis originalibus, et authenticis ab anno 1595 in hoc breviarium redactum anno Domini 1648. Adjuncta ejus vita usque ad suam mortem 27. Junij 1660. Pariter adiuncta vita suorum duorum filiorum. 15  Par exemple: August Sedláček, Art. Putz z Adlersthurnu. OSN 20 (1903) 1026; Petr Mašek, Šlechtické rody v Čechách, na Moravě a ve Slezsku od Bílé hory do současnosti [Familles nobles de Bohême, Moravie et Silésie de la Montagne Blanche à nos jours], 2 vols. (Praha 2010) 2 124, qui reprend l’information de l’encyclopédie Otto donnant pour père à Johann Putz un Souabe nommé Thomas Cornelius (ou Kornel) Putz, „hejtman“ (Hauptmann) à Poděbrady et Kolín. La généalogie manuscrite de la collection Dobřenský, très précieuse, contient elle aussi des inexactitudes; NA, Sbírka genealogická Dobřenského [collection généalogique Dobřenský], Putz v. Adlersthurn (Turraquila). 16   Josef Bergl, Wer war der Verfasser des Chaos perduellionis? MVGDB 72 (1934) 84–102. Bergl cependant n’a pas toujours bien lu ou en tous cas reproduit avec exactitude les détails du journal, en particulier ceux concernant la parenté de Johann Putz; Diarium (cit. n. 14) 6. 17   Josef Pekař, Valdštejn. Dějiny Valdštejnského spiknutí [Wallenstein. Histoire de sa conspiration] (Praha 22008) 13; Golo Mann, Wallenstein (Frankfurt/Main 72006) 915; Holger Mannigel, Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin. Das Urteil über Albrecht von Wallenstein in der deutschen Historiographie von Friedrich von Schiller bis Leopold von Ranke (Historische Studien 474, Husum 2003). 18  Christoph Kampmann, Reichsrebellion und kaiserliche Acht. Politische Strafjustiz im Dreißigjährigen Krieg und das Verfahren gegen Wallenstein 1634 (Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte: Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 21, Münster 1992); Joachim Bahlcke–Christoph Kampmann, Wallensteinbilder im Widerstreit. Eine historische Symbolfigur in Geschichtsschreibung und Literatur vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (Stuttgarter historische Forschungen 12, Köln– Weimar–Wien 2011).

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qui lui furent adjoints19. Or, les noms des trois Putz, père et fils, mais aussi du frère de Johann, Markus, dont la fortune se fit parallèlement, apparaissent rarement dans la littérature spécialisée sur les finances des Habsbourg et sur la Hofkammer. C’est vrai aussi des travaux reproduisant les listes du personnel de cette dernière. Par exemple, Hansdieter Körbel, dans son livre important sur la Hofkammer et son président, le comte Georg Ludwig von Sinzendorf, ne trouve une première mention de Johann Putz le père que sur celle de 1648, et une seconde fois en 1660–1661. Son fils ainé, Johann Franz Edmund, alors „Kammerrat“ comme son géniteur apparaît bien comme tel, mais uniquement entre 1671 et 167420. Le Diarium nous apprend qu’il prit pourtant ses premières fonctions en 1659 à la Chambre de Bohême certes sine salario, mais en prêtant serment et en prenant son office, ce qui dut lui permettre d’être ensuite appelé à Vienne en 1663, ad commissionem, cum Praesidente Camerae Bohemicae et de recevoir alors le salaire d’un conseiller de la Hofkammer21. Le manque relatif de publications modernes sur le personnel de la Hofkammer et de la Böhmische Kammer au XVIIe siècle, tout spécialement pour les deux premiers tiers de ce siècle, comme le regrettait Peter Rauscher en 201022, se fait donc fortement sentir, malgré d’importantes parutions récentes sur les finances des Habsbourg, et même un mémoire de master soutenu en 2013 à l’université de Vienne sous la direction de Thomas Winkelbauer qui porte directement sur la période de la Guerre de Trente ans23. Le peu d’informations sur le fonctionnement quotidien des liens avec le Hofkriegsrat et sur son champ d’action, bien que leur interaction soit un fait déjà bien connu, ou bien encore sur les réseaux des secrétaires de la Chancellerie de Bohême est un autre frein empêchant une pleine compréhension des sources se trouvant dans les archives familiales des Putz von Adlersthurn24. Le service à la Hofkammer et dans les autres chambres de la 19  Diarium (cit. n. 14) 159f.: Et accepit commissionem post mortem Comitis de Schönfeldt, Supremi Praefecti monetarij in Bohemia, in hoc regno visitandi civitates et montes minerales cum Supremo Camerae Comite horum montium in Hungaria […] Anno 1665 cum certis ex Hungaria montium mineralium officialibus et ab expeditione Bohemicae Camerae sibi adiunctis feliciter peregit, et omnes civitates et montes minerales in Regno Bohemiae visitavit, data denique sua relatione, factus est (simul manens Consiliarius Regiae Camerae Bohemicae Administrator) omnium civitatum et montium mineralium in Regno Bohemiae sub certo salario, quod officium usque ad finem ao. 1669 gessit, et administravit. 20   Hansdieter Körbl, Die Hofkammer und ihr ungetreuer Präsident. Eine Finanzbehörde zur Zeit Leopolds I. (VIÖG 54, Wien–München 2009) 355f. Le frère de Johann Putz, Markus, apparaît quant à lui comme secrétaire et conseiller entre 1642 et 1662; ibid. 355. 21   Diarium (cit. n. 14) 159. 22   Peter Rauscher, Zur Einführung. Kriegführung und Staatsfinanzen: die Habsburgermonarchie und das Heilige Römische Reich vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des Habsburgischen Kaisertums 1740, in: Kriegsführung und Staatsfinanzen. Die Habsburgermonarchie und das Heilige Römische Reich vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des habsburgischen Kaisertums 1740, ed. idem (Geschichte in der Epoche Karls V. 10, Münster 2010) 37. 23   Robert Pichler, Die Hofkammer im Dreißigjährigen Krieg (Dipl. Wien 2013). 24   Sur les finances et les chambres des comptes de la monarchie des Habsbourg, on dispose bien entendu des travaux importants tels que le livre de Peter Rauscher, Einführung (cit. n. 22), et encore: idem, Zwischen Ständen und Gläubigern. Die kaiserlichen Finanzen unter Ferdinand I. und Maximilian II. (1556–1576) (VIÖG 41, Wien–München 2004); Das „Blut des Staatskörpers“. Forschungen zur Finanzgeschichte der Frühen Neuzeit, ed. Peter Rauscher–Andrea Serles–Thomas Winkelbauer (HZ Beih. 56, München 2012); Thomas Winkelbauer, Nervus rerum Austriacarum. Zur Finanzgeschichte der Habsburgermonarchie um 1700, in: Die Habsburgermonarchie (wie Anm. 8) 179–215; idem, Territoriale, soziale und nationale Aspekte der Staatsfinanzen der Habsburgermonarchie (vom 16. Jahrhundert bis 1918), in: Per saecula ad tempora nostra. Sborník prací k šedesátým narozeninám prof. Jaroslava Pánka [Mélanges offerts pour le soixantième anniversaire du professeur Jaroslav Pánek], ed. Jiří Mikulec–Miloslav Polívka, 2 vols. (Praha 2007) 2 181–194; Tomáš Knoz, Die Gedenkbücher der kaiserlicher Hofkammer im 17. und 18. Jahrhunderts, in: Quellenkunde der Habsbur-



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monarchie servit pourtant, comme on le sait depuis longtemps, de tremplin à beaucoup de familles entrées par la suite plus ou moins rapidement dans les états des différents pays de la monarchie. En ce sens, le cas des Putz n’a rien d’exceptionnel. Mais l’histoire du premier d’entre eux, Johann, cumule des traits qui d’une part confirment une géographie déjà connue, spécifique de la Monarchie des Habsbourg, marquée par la circulation de natifs des PaysBas espagnols et du Luxembourg vers l’Europe centrale. De l’autre, ils contiennent sans aucun doute aussi une dimension individuelle, dont la plus singulière, peut-être, provient de l’activité de Johann Putz dans le champ de la publication imprimée. Dans ce domaine, il faut prêter attention à son usage de l’anonymat, auquel il recourut souvent, par prudence, par ordre ou par une stratégie assumée de dévoilement de soi où ce qui est dissimulé ne l’est que pour mieux apparaître. Enfin, et ce n’est pas la moindre des complications lorsqu’on cherche à reconstruire l’ascension et l’activité des deux générations des Putz, qui s’éteignirent en ligne masculine au début du XVIII e siècle, la documentation qu’ils ont laissé derrière eux, quoiqu’importante, paraît lacunaire. De plus, elle a fait l’objet de classements successifs, dont les premiers intervinrent du vivant des fils de Johann Putz. Leurs papiers familiaux passèrent après 1718 dans les archives de leurs héritiers, les comtes Hartig, dont l’un épousa l’une des petites-nièces de Johann Putz, petite-fille de son frère Markus que Johann Ignaz Putz von Adlersthurn, mort sans enfants comme son frère Johann Franz Edmund, avait constituée son héritière. Tel qu’il a subsisté cependant, cet ensemble de pièces permet au moins de documenter, en complément de ce que prétendent le Diarium et l’un des livres imprimés par Johann Putz, les formes de leur engagement de patrons catholiques exemplaires et de découvrir le rôle de leur piété dans l’auto-représentation de la famille. A cause des limites prosopographiques encore posées à l’analyse de l’activité des commissaires reliés aux diverses chambres des comptes de la Monarchie, nous ne pourrons aller beaucoup plus loin dans cette seconde direction, inhérente pourtant aux deux générations des Putz von Adlersthurn qui nous concernent ici. L’auto-représentation, au demeurant, est sans doute le mot-clé, qui accompagne et même conditionne la possibilité du déchiffrage des sources et des écrits laissés par Johann Putz et ses deux fils. Un trait essentiel de leur diaire et de plusieurs des documents conservés dans leurs archives est la réécriture de textes entrant sans aucun doute dans la catégorie des ego-documents, des „écrits du for privé“ ou des „Selbstzeugnisse“25. Les germonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch, ed. Josef Pauser–Martin Scheutz–Thomas Winkelbauer (MIÖG Erg. 44, Wien–München 2004); Finanzen und Herrschaft. Materielle Grundlagen fürstlicher Politik in den habsburgischen Ländern und im Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert, ed. Friedrich Edelmayer–Maximilian Lanzinner–Peter Rauscher (VIÖG 38, Wien–München 2003); Jean Bérenger, Les Habsbourg et l’argent (Collection Roland Mousnier 64, Paris 2013); idem, Finances et absolutisme autrichien dans la seconde moitié du 17e siècle (Paris 1975); Václav Pešák, Dějiny královské české komory od roku 1527 [Histoire de la Chambre royale de Bohême depuis 1527] (Praha 1930). 25   Sur les ego-documents et une discussion sur leurs différences ou ressemblances avec les „Selbstzeugnisse“, voir parmi l’abondante bibliographie les concernant: Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, ed. Winfried Schulze (Selbstzeugnisse der Neuzeit 2, Berlin 1996); Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich, Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen (1500–1850), ed. Kaspar von Greyerz–Hans Medick–Patrice Veit (Selbstzeugnisse der Neuzeit 9, Köln–Weimar–Wien 2001). Pour une conception englobant en France dans une même définition les ego-documents et les „écrits du for privé“, voir Élisabeth Arnoul–Raphaëlle Renard-Foultier–François-Joseph Ruggiu, Les écrits du for privé en France de la fin du Moyen Âge à 1914: bilan d’une enquête scientifique en cours. Résultats de 2008–2010, in: L’historien

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archives de la famille Putz von Adlersthurn, qui n’existent pas comme un fond propre mais sont incluses dans celles de la famille Hartig aujourd’hui conservées aux archives de Litoměřice26, ont été en effet triées, classées et reclassées semble-t-il surtout par le dernier d’entre eux en ligne masculine, Johann Ignaz. Quant au Diarium, son histoire n’est pas plus simple. Les papiers présents dans les archives de la famille Hartig ne contiennent aucun brouillon, aucune trace préalable de ce volume manuscrit relié de velin blanc de 110 feuillets rédigés recto-verso par au moins trois écritures différentes qui seraient dans l’ordre, d’après Josef Bergl27, celle d’un secrétaire, celle de Johann Putz lui-même, et celle de son fils cadet Johann Ignaz, né en 164728. Mais ce journal est le résultat de plusieurs autres remaniements. Le récit de la vie de Johann Putz le père, en effet, a été composé en deux étapes: la première et la plus travaillée fut celle d’un „bréviaire“ (breviarium) allant de sa naissance „la veille de la Fête-Dieu“ de 1595 (pridie festum corporis christi) „à Trèves“ ou „près de Trèves“ (apud Treviros), jusqu’à l’année 1648, rédigé à la troisième personne. Curieusement, il n’est dit nulle part qu’il était en réalité né à Igel (qui signifie „aigle“ en dialecte luxembourgeois, et non „hérisson“), lieu célèbre par son monument romain antique, le tombeau des Secundini29 en forme d’une tour surmontée d’un aigle, dite „Turraquila“, qui lui fournit le prédicat de sa famille lors de son entrée dans la noblesse de Bohême, en 1631. La seconde est un ajout écrit à la première personne, concernant les douze années qui lui restaient encore à vivre jusqu’à sa mort le 27 juin 1660, dont les dernières lignes ont pu être de la main de son fils ainé Johann Franz Edmund30. Le reste du journal relate les vies de ses deux fils, notées par le plus jeune d’entre eux. Cependant, la première partie du diaire comporte une organisation thématique qui ne suit pas un ordre strictement chronologique, mais obéit à une volonté de mise en scène de la personne de Johann Putz, à travers des sous-ensembles énumérant ses „protections“, ses „promotions“ ses „voyages“ ou „itinéraires“ et tous les services rendus aux souverains à Vienne, dans le royaume et les pays de la couronne de Bohême, en Pologne, en Hongrie. Les différentes facettes de ses activités publiques servent ainsi sa gloire et sa mémoire, et se trouvent ensuite complétées par des récapitulatifs. En revanche, les passages consacrés à ses fils sont presque purement chronologiques, mais la vie de Johann Edmund ne fait l’objet que d’un résumé31, alors que celle de son frère est détaillée année par année jusqu’en 169632. Cette partie contient cependant des indications sur des évènements plus tardifs, par exemple sur le conflit aigu entre l’ordre des prélats (l’état ecclésiastique) et l’ordre des seigneurs au face au manuscrit, ed. Fabienne Henryot (Louvain 2011) 167–188; Élisabeth Arnoul–Jean-Pierre Bardet– François-Joseph Ruggiu, Les écrits du for privé en Europe, du Moyen Âge à l‘époque contemporaine (Collection „Memoires vives“, Bordeaux 2010). 26  SOA Litoměřice RA Hartig, cartons 4, 6, 7 et 8, n°s d’inventaire 38 à 84. Je remercie ici Claire Mádl de m’avoir indiqué la présence des archives de la famille Putz von Adlersthurn dans celles de la famille Hartig. 27   Bergl, Wer war der Verfasser (cit. n. 16). 28  Le Diarium (cit. n. 14) comporte une double pagination au crayon, la première par folio de 1 à 110 portée au recto, la seconde par page, avec 208 pages. 29  Jean Bertholet, Dissertation quatrième sur le monument d’Igel, in: idem, Histoire ecclésiastique et civile du duché de Luxembourg et comté de Chiny, vol. 1 (Luxembourg 1741) 360–374. 30   Le „breviarium“ et la vie de Johann Putz se trouvent dans le Diarium (cit. n. 14) fol. 7r–84v (p. 1–156). 31   Diarium (cit. n. 14) fol. 85r–89v: Succincta annotatio vitae Joannis Francisci Edmundi Putz, fillij senioris Joannis Putz a Turraquila. 32  Ibid. fol. 90r–109v: Vita Joannis Ignatii Dominici filii junioris Joannis Putz a Turraquila. Desumpta ex annotationibus, et in calendariis minoribus annotatis, cum carta geographica sui itineris in provincias externas et anno jubilaei ab eodem descripta. Huc vero omnia redacta anno 1700.



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sujet de l’imposition du clergé voulue par l’empereur et refusée par l’archevêque, lors de la diète de 1694 où Johann Ignaz Putz von Adlersthurn était l’un des deux commissaires députés par l’état de la haute noblesse à celui du clergé, avec le comte „Przehorzowsky“33. La rédaction finale du diaire eut lieu en effet en 1700, et des notations intégrées dans les rubriques antérieures se rapportent parfois à cette année ou à d’autres alors encore futures. Elle montre aussi l’intégration du dernier fils de Johann Putz, Johann Ignaz Putz baron von Adlersthurn, dans le monde des institutions du royaume et sa société nobiliaire, et son acclimatation dans la capitale de Bohême où d’ailleurs, seul de sa famille, il fonda avec son épouse Theresia Freisleben von Bischoffen l’église de la Sainte-Trinité dans le quartier de la Nouvelle-Ville en faveur de l’ordre des Trinitaires. D’une origine sans doute assez obscure, sur laquelle il dit peu de choses et que les renseignements retrouvés dans les sources et dans son diaire n’éclairent pas complètement, après plusieurs années comme „Hofmeister“ dans de grandes familles de Bohême et de la Cour de Vienne, Johann Putz le père s’était progressivement levé dans la hiérarchie sociale et nobiliaire de Basse-Autriche et de Bohême grâce à son éducation, ses talents littéraires, ses capacités sans doute exceptionnelles d’organisation, de gestion et d’administration, son habileté financière et l’abondance de ces contacts. Le cas de Johann Putz et de ses fils amène donc à poser la question de l’auto-définition d’une famille et des façons dont elle a pu souligner, ou non, ses appartenances sociales, lignagières et locales, à côté de sa fidélité au service du souverain. Significativement, c’est cette fidélité qui est mise en exergue du récit du premier des Putz von Adlersthurn. Les premières pages de son diaire34, qui recopient d’abord une attestation de 1640 sur l’identité de ses parents et de ses grands-parents, raturée, corrigée et aussi imprécise sur le lieu d’origine exact de la famille, reproduit des extraits d’un diplôme dont la nature n’est pas signalée, daté du 8 mars 1631, dans lesquels Ferdinand II lui signifiait la grande satisfaction qu’il avait de ses services en tant de paix et de guerre, rappelait ses vertus et la constance dans la foi catholique de ses parents „bataves“35. Johann Putz se soucia tant d’afficher ce lien de fidélité surpassant tous les autres qu’il fit ajouter deux F et un L au-dessus de son blason: l’un pour Ferdinand II qui le fit passer du service de grands seigneurs à celui de ses finances et le nomma en 1632 „Rentmeister“ du royaume de Bohême, le second pour Ferdinand III qui l’employa dans des missions de confiance, le dernier enfin pour Léopold Ier, qui l’intégra dans la noblesse d’Empire lors de son élection à Francfort en 165836. Le chemin de la famille Putz illustre donc la question des appartenances, de l’identification et de l’auto-représentation. Jusqu’à la fin de la vie du fondateur, et peutêtre même encore du vivant de son fils ainé, cette „maison noble“ en constitution cultiva bien d’autres inscriptions d’elle-même que l’enracinement à Prague et en Bohême, sans doute en réalité peu présent jusqu’à l’acquisition des propriétés de Mimoň et Děvín dans la Bohême du Nord37. L’attachement au lieu de naissance est déjà démontré par la sorte de translation symbolique de son toponyme dans les armes et le prédicat des Turraquila 33  Il s’agit de František Karel Přehořovský z Kvasejovic. Son père Kryštof Karel avait reçut le titre de comte en 1694 et décéda en 1695. 34   Diarium (cit. n. 14) 6. 35   Ibid. 7. Il s’agit sans doute de passages copiés sur le diplôme d’anoblissement d’août 1631. On trouve une copie de celui-ci dans les papiers de la famille, SOA Litoměřice, RA Hartig, inv. č. 83, carton 8. 36  Diarium (cit. n. 14) 155. 37  Johann Putz reçut par ailleurs plusieurs biens confisqués en Bohême et dans le comté de Glatz de la part de Ferdinand III, qu’il revendit semble-t-il assez vite.

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– von Adlersthurn. Johann Putz le père avait fait une grande partie de ses études chez les jésuites de Trèves. Il eut soin de conserver d’autres liens, relationnels et financiers, avec son Luxembourg natal, et se soucia d’y faire vivre sa mémoire pour la postérité, en fondant par exemple en 1642 et 1648 avec les pères jésuites Henri et Guillaume Lamormaini, dont le dernier avait été le confesseur de Ferdinand II38 et dont il n’est jamais question dans le Diarium, une bourse d’études au collège des jésuites de la capitale du duché destinée aux descendants des fils de Johann Putz et aux enfants de leurs familles, vivant toutes deux dans le duché de Luxembourg, pour l’une à Wasserliesch et Igel à deux ou trois lieues de Trèves, et pour l’autre à Dochamps, Lamormainil et Amonine actuellement en Belgique39. Le lien avec le pays natal était donc ici une dernière fois réaffirmé. Le texte de la fondation de cette bourse est la seule source permettant de se poser la question d’un possible lien de parenté entre les frères Lamormaini et Johann Putz, mais sa formulation ne permet pas d’affirmer son existence. Cette bourse dite „Putz-Lamormaini“ était encore attribuée à des descendants des frères et sœurs de Johann Putz et des deux jésuites au XIXe siècle40. Il est possible que la création de cette bourse au collège jésuite de Luxembourg ait eu partie liée, par réciprocité, à celle de 2.180 florins du Rhin que fonda en 1646, au convict de Saint Barthélémy auprès du recteur du Clementinum de Prague, le père Henri Lamormaini pour un étudiant luxembourgeois, mais ceci reste une hypothèse41. La fondation de bourses réservée aux membres des familles de fondateurs n’était en rien un acte exceptionnel dans l’Europe du XVIIe siècle42. Sur leurs propres domaines, en revanche, aucun des Putz n’institua semble-t-il de bourse pour soutenir dans les études les enfants de leurs sujets: la première d’entre elle fut le fait d’un curé de Mimoň natif de la ville en 1718, l’année de la mort du dernier de cette branche des Putz43. Toutefois Johann Putz fournit en 1642 38   Sur le père Guillaume Lamormaini ou Germé de Lamormaini: Robert Bireley, Religion and Politics in the Age of the Counterreformation. Emperor Ferdinand II, William Lamormaini, S. J. and the Formation of Imperial Policy (Chapel Hill 1981). 39   Les deux villages où avaient vécu les grands-parents et les parents de Putz et où vivaient encore deux de ses sœurs sont distants d’environ 130 kilomètres de ceux où étaient nés les deux jésuites et où avaient vécu ou vivaient encore trois de leurs frères. Les registres paroissiaux d’Igel et de Wasserliesch, aujourd’hui au Bistumsarchiv Trier, ne commencent qu’au début du XVIIIe siècle et celle de Dochamps (avec Amonine et Lamormainil) conservées aux Archives de l’Ėtat à Arlon en Belgique, qu’après 1640. 40   Copie du contrat de cette fondation de bourse: SOA Litoměřice, RA Hartig, carton 8, č. inv. 84. Reproduit dans: Jean-Pierre Klotz, Manuel des fondations de bourses d’études constituées en faveur des Luxembourgeois (Luxembourg 1858) 6, 140–149; Antonio Namur, Bourses d’études fondées au collège des jésuites à Luxembourg. Königlich Grosßherzogliches Athenäeum zu Luxemburg. Programm, herausgegeben am Schlusses des Schuljahrs 1846–1847. Programme de l’Athénée grand-ducal du Luxembourg publié à la clôture de l’année scolaire 1846–1847 (Luxembourg 1847) 16f., et X (tableau des bourses: „Putz, Jean, d’Igel, et Henri Germé, de Lamormaisnil, 1642“, avec le montant initial de 4277, 55 florins des Pays-Bas). Les informations données par Namur sur la vie en Bohême de Johann Putz, qu’il appelle Pütz, sont par ailleurs inexactes. La rubrique que consacre Auguste Neyen à Johann Putz est elle aussi erronée: elle le fait mourir sans enfants en 1652. Cependant, comme chez Klotz et Neyen, ces publications luxembourgeoises nous apprennent non seulement quel fut son véritable lieu de naissance, mais aussi l’origine de ses armes et de son prédicat, Adlersthurn ou Turraquila. Auguste Neyen, Biographie luxembourgeoise. Histoire des hommes distingués originaires de ce pays considéré à l’époque de sa plus grande étendue ou qui se sont rendus remarquables pendant le séjour qu’ils y ont fait, vol. 2 (Luxembourg 1861) 62. Tous se basent sur Bertholet (cit. n. 29). 41   Namur, Bourses (cit. n. 40) 17. 42  Schulstiftungen und Studienfinanzierung. Bildungsmäzenatentum in den böhmischen, österreichischen und ungarischen Ländern, 1500–1800, ed. Joachim Bahlcke–Thomas Winkelbauer (VIÖG 58, Wien– München 2011). 43  Josef Tille, Geschichte der Stadt Niemes und ihrer nächsten Umgebung (Niemes 1905) 375.



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les fonds nécessaires aux supérieurs du collège de Luxembourg pour l’achat d’une maison dans la ville destinée à abriter, parmi d’autres étudiants, les deux étudiants boursiers prévus par la fondation44. Les fils de Johann Putz n’étudièrent pas chez les jésuites de Luxembourg, mais chez ceux de Vienne et de Prague, et seul le plus jeune, Johann Ignaz, traversa le pays de ses ancêtres lors de son grand tour, qui le mena aussi en Hollande et en Angleterre. Vers la fin de sa vie, en revanche, Johann Ignaz Putz, depuis 1686 baron von Adlersthurn et qui, en tant que tel, avait été admis à siéger sur le banc des seigneurs à la diète de Bohême en février 168745, semblait s’identifier fortement au patriotisme bohémien et adhérait ostensiblement au culte des saints patrons de la Bohême. Comme le faisaient les grandes familles du royaume, il rénova à ses frais un autel dans la cathédrale Saint-Guy au château de Prague, y fit peindre ses armes et celles de son épouse près du tombeau qui les abrita tous deux, renouant avec une pratique commencée par son grand-oncle maternel par alliance, Václav de Fliessenbach, dont la famille était depuis bien plus longtemps que la sienne indigène en Bohême. On a déjà vu qu’il voulut aussi inscrire leur mémoire dans l’espace urbain de la capitale du royaume en faisant bâtir entre 1708 et 1713 une église dédiée à la Trinité, envers laquelle il semble qu’il ait cultivé une dévotion personnelle spéciale. À plusieurs reprises, il fut même entendu comme témoin numéro dix attestant l’existence d’un culte immémorial à Prague et dans le royaume lors de la préparation des procès de béatification et de canonisation de saint Jean Népomucène46.

L’écriture de Johann Putz auteur et prête-plume: la commande, la réputation, la piété Avant de nous arrêter sur les réseaux et les relations qui permirent sans doute à Johann Putz de quitter ses premières fonctions de précepteur et d’agent financier de familles aristocratiques, et de revenir à ses fondations religieuses et sur les formes de la dévotion familiale, il faut encore parler de ses écrits. Johann Putz von Adlersthurn fut lui-même l’auteur d’au moins quatre livres imprimés, d’un manuscrit sur des corps saints des catacombes romaines qui était conservé à l’ancienne Bibliothèque royale des ducs de Bourgogne à Bruxelles47 et peut-être encore d’un autre critiquant la corruption des grands officiers et des nobles de Bohême48. Les imprimés, de contenu très varié dissimulèrent pour la plupart l’identité du scripteur ou la voilèrent pour mieux la souligner,   Namur, Bourses (cit. n. 40).   Diarium (cit. n. 14) 199; Altböhmischer Herrenstand, 11. mai 1686: August von Doerr, Der Adel der böhmischen Kronländer. Ein Verzeichniss derjenigen Wappenbriefe und Adelsdiplome, welche in den böhmischen Saalbüchern des Adelsarchives im k. k. Ministerium des Innern in Wien eingetragen sind (Prag 1900) 168. 46   Sacra Rituum Congregatione Eminentissimo, & Reuerendissimo D. Card. Cienfvegos ponente Pragen. Canonizationis, seu Declarationis Martyrij B. Ioannis Nepomvceni [...] Positio svper dvbio […] (Romae 1727); BNF, H 1077, fasc. 4352: Inductio le 22 novembre 1715, fol. 76r, 79v; Citatio le même jour, fol. 77ter, 78 et 78ter); Juramentum, fol. 80–80ter; Examen le 2 janvier 1716, fol. 763r, 773ter; Summarium n°. 13, 48: Ill.mus D. Joannes Ignatius Putz Liber Baro de Adleyshun [!], Regiae Camerae Bohemicae Consiliarus aetatis annorum 69. 47   Inventaire de l’ancienne Bibliothèque royale des Ducs de Bourgogne publié par ordre du ministre de l’intérieur et des affaires étrangères n° 1-18000 (Bruxelles 1839) 151 n°. 7531: Turraquila. De corporibus Sanctorum Coemetoriorum Romanorum. J’ignore où est aujourd’hui localisé le manuscrit. 48   Pekař, Valdštejn (cit. n. 17) pense que l’auteur d’un manuscrit attribué à un Wolkenstein non identifié, Typus Modernus Bohemicus, est en réalité du même auteur que le Perduellionis Chaos. L’analyse du Diarium rend cette hypothèse vraisemblable. 44 45

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ou l’exalter. Cette opération prend sa signification la plus forte dans le dernier d’entre eux, consacré à argumenter le culte des saints et des reliques et à magnifier la piété de sa famille à propos de la translation de deux corps de martyrs des catacombes romaines et de nombreuses autres reliques dans sa seigneurie de Mimoň, sur lequel je reviendrai à la fin de ce texte49. Dès les premières pages de ce livre publié sans nom d’auteur, Johann Putz y fit en effet reproduire ces armes et celle de son épouse Juliana Rinkart von Miltenau et désigna ses propriétés sous leur toponyme réel. Le premier écrit qu’il ait fait imprimer „Aulae Tyrocinium“, en 1629, le fut par conséquent avant l’ajout du prédicat „von Adlersthurn“ ou „a Turraquila“ survenu avec l’anoblissement de 1631, sous le nom de Johann Putz Tilmann (ou Tilmanni)50. Dans ce seul cas, il ajouta à son patronyme le nom de sa mère, Maria Tilmann(i)51. Il s’agissait d’un manuel d’éducation à l’usage des jeunes courtisans, dédié à deux jeunes seigneurs cousins germains issus de grandes familles tchèques, Ulrich Franz Liebsteinsky de Kolowrat et de Ulrich Adam Popel de Lobkowitz52. La dédicace aux deux jeunes aristocrates se comprend aisément: Johann Putz, en effet, avait été le précepteur (moderator), puis le „Hofmeister“ du premier d’entre eux depuis 1621, et dans ces fonctions, il avait accompagné les deux jeunes gens partant ensemble dans un grand tour de 1626 à 1629. Ce voyage était le troisième pour le jeune Kolowrat qu’il avait déjà conduit une première fois de Passau à Salzburg, Altötting, Andechs et Munich en 1621 puis, entre 1622 et 1625 en Italie en compagnie de Mikuláš Kašpar Belvic z Nostvic53. Cette fois-ci, Johann Putz les mena d’abord étudier au collège jésuite de Louvain et faire leurs exercices équestres à Bruxelles, puis poursuivre leur route dans les Flandres, dans le Brabant, au Luxembourg, en Lorraine, enfin à Paris, Poitiers, Bordeaux, Toulouse, Burgos, Madrid et l’Escorial, Salamanque, Montserrat, Saint-Jacques de Compostelle, au Portugal et de nouveau en Estrémadure, à Cordoue, à Grenade, en Aragon, en Castille et en Catalogne, et par la mer à Milan et à Rome, avant de rentrer par les Alpes, Augsbourg, Ratisbonne et Passau à Prague, le 12 juillet 162954. Le livre fut cependant réédité en 1635, cette fois-ci sous son nom suivi de la mention de son office de „Rentmeister du roi de Bohême“ qu’il occupait depuis 163255. Le dernier livre que Johann Putz von Adlersthurn laissa imprimer publiquement sous sa véritable identité 49   [Johann Putz von Adlersthurn], Translatio corporum SS. Georgii & Agapiti diaconorum & martyrum, cum vasculis eorundem sanguinis, aliorumque Sanctorum Barlaami, Callisti, Christophori, Aegidii, et Felicitatis, Reliquiarum particularis. Introductio seu informatio et declaratio de cultu & veneratione SS. Reliquiarum & Imaginum, ad Dei Omnipotentis gloriam, Sanctorum honorem, & Christi fidelium devotionem augendam, ex primitivae Ecclesiae in sacris litteris fundato, & ad nos usque continuato devotionis consensu. Anno beatI georgII, & agapItI DIaConI & MartyrIs transLatIonIs (Viennae 1659). 50  [Johannes Putz Tilmannus], Aulae Tyrocinivm, Sive civiliter et discrete vivendi ratio Ex Praeceptis et Coniectvris tvm ethicis, tvm politicis Miscellaneè Collecta Manudvctio in usvm et reminiscentiam Illustrissimorvm Baronvm Vdalrici Francisci Liebsteinsky a Kolowrat, regi Hvngariae et Bohemiae a cvbiculis, Equitis Militiae Calatravensis, et Vdalrici Adami Popelii a Lobcowitz, E. S. Iacobi, fratrvm consobrinorvm, Ex bona mente Johannis Putz Tilmanni (Viennae Avstriae 1629). 51  Nous savons que Tilmanni (ou Tilmann) était le nom de sa mère par le Diarium et le texte de la fondation de la bourse au collège jésuite de Luxembourg. 52   Ulrich Adam Popel de Lobkowitz (1610–1649), fils de Vilém Popel de Lobkowitz (Juge de Cour du royaume de Bohême) et de Kateřina Benigna de Lobkowitz, lui-même étant alors Grand-Maître de la monnaie du royaume de Bohême. 53  Diarium (cit. n. 14) 14f. 54  Ibid. 19–21. 55  [Johann Putz von Adlersthurn], Aulae Tyrociniym […], ex bona mente Johannis Putz à Tvrraquila, Regis Bohemiae Quaestoris. (s. l. 21635).



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fut une réponse à des accusations de malversation portées contre lui par le comte Václav Michna de Waitzenhofen, en 1653, et une défense de son honneur et de sa probité56. En revanche, deux livres rédigés en même temps en 1634 furent publiés sans aucun indice permettant de les attribuer à Johann Putz. L’un était un programme d’éducation destiné à substituer au grand tour ou „Kavalierreise“ des jeunes nobles de Bohême une instruction donnée dans une académie nobiliaire dont il proposait la création à Prague, et le financement par l’attribution des revenus d’un domaine confisqué revenu en fief de la couronne à la Böhmische Kammer.57 Après la Montagne Blanche, argumentait-t-il, le voyage à l’étranger des jeunes cavaliers du royaume, en particulier dans l’Empire, les aurait exposés à trop de mauvaises influences. Il fallait rendre bon le très mauvais esprit des habitants de la Bohême pour en faire de fidèles sujets de l’empereur, en complétant l’œuvre de celui-ci. À Prague, Ferdinand II avait déjà transformé le séminaire de Saint-Venceslas et le convict Saint-Barthélémy par la „Ferdinandeische Fundation“ instituée entre 1624 et 1630 pour une vingtaine de jeunes nobles de Bohême issus des familles rebelles rentrées en grâce58. La nouvelle institution proposée sous la plume de Putz permettrait de rééduquer tout particulièrement la noblesse de province. Le projet ne fut pas réalisé, et l’on peut se demander si Johann Putz le conçut seul ou servit de porte-parole à d’autres, peut-être à Rudolf de Teuffenbach (Tieffenbach), dont le testament institua plus tard un fideicommis destiné à fonder des académies nobiliaires en Bohême, en Moravie et en Autriche59, et que Putz connaissait bien pour avoir été son „Hofmeister“ (praefectus aulae) en 1631–1632, l’avoir accompagné à l’armée dans cette période, et pour lequel il acheta en 1635 la ville et la seigneurie de Jičín confisquées après la mort de Wallenstein en 163460. Il est inutile de présenter le dernier des écrits anonymes de Johann Putz, dont il affirme, comme pour le „Discvrsvs de recta Juventutis Institutione“, être l’auteur dans son diaire61: Alberti Fridlandi Perdvellionis Chaos62, paru en mars 1634, quelques semaines après l’assassinat de Wallenstein le 25 février, sur lesquels les historiens de Wallenstein, depuis Ranke, ont écrit tant de pages et qui a été souvent considéré comme l’une des sources du texte officiellement publié à la fin de l’année 1634 sur ordre de l’empereur, „Außführlicher und Gründtlicher Bericht“63. Il serait aussi vain de vouloir retrouver le commanditaire du libelle rédigé par Johann Putz. Le Diarium, en revanche, met en lumière 56  [Johann Putz von Adlersthurn], Veritas Temporis Filia. Ivustitia Regni Fulcrum. Pietas ad omnia vtilis. An der Römischen Kayserlischen auch zu Hungaren und Böhaimb Königl. Maiestat Umb gleiches Recht unnd Gerechtigkeit ex Pietate et Ivstitia Dero Hoff. und Böhm. Cam. Raths Johann Putz von Adlersthurn Apologia. Eine Abgetrungene Schirm-Schrifft: Umb versprochenen Kays. Schutz: Wider die Von Ihrer Kays. May. Rath und Hauptman der Alten Stadt Prag Wentzel Michna Graffen von Waitzenhofen Angethane Diffamation, und Verlaimdungen [...] (Ratisbonae s. d. [1653]). Johann Putz reprend cette affaire avec force détails dans son diaire, Diarium (cit. n. 14) 120–133. 57  [Johann Putz von Adlertshurn], Discvrsvs de recta Juventutis Institutione Et utiliter peregrinandi ratione (Pragae 1635). 58  Sur la „Ferdinandeische Fundation“, voir Edmund Schebek, Die Ferdinandeische Fundation. MVGDB 18 (1880) 161–181; idem, Die Ferdinandeische Fundation. Quellenbeiträge zur Geschichte der Gegenreformation in Böhmen (Prag 1880). 59   Hermann Hallwich, Art. Rudolf von Teuffenbach. ADB 39 (1895) 94–107. 60   Diarium (cit. n. 14) 29, 44. 61   Ibid. (cit. n. 14) 37. 62  [Johann Putz von Adlersthurn], Alberti Fridlandi Perdvellionis Chaos sive Ingrati Animi abyssvs (s. l. [Pragae] 1634). 63   Außführlicher und Gründtlicher Bericht Der vorgewesten Fridtländischen/ und seiner Adhaerenten abschewlichen Prodition […] (Wienn 1634).

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l’implication du „Rentmeister“ de Bohême dans des missions spéciales pour la Hofkammer et la Chancellerie de Bohême. Il était à Pilsen, par exemple, le 12 janvier 1634, lors du premier serment de fidélité exigé de ses officiers généraux par Wallenstein, qui fut utilisé ensuite comme la preuve de sa trahison64. Cette configuration remet au premier plan les réseaux de clientèle et de patronage qu’il s’était constitués depuis son arrivée à Vienne en 1615. Né dans la roture, ce précepteur et secrétaire s’était pourtant très tôt rapproché des grands: dès 1616, il avait fait partie, dans la suite de Cesare Gallo, de l’ambassade à Constantinople de Heřman Černín de Chudenice65. Dès 1626, il mentionnait dans son diaire des haltes sur le chemin qui le menait à Vienne avec son pupille, Ulrich Franz Liebsteinsky de Kolowrat et son cousin Ulrich Adam Popel de Lobkowitz, à Třeboň, Jindřichův Hradec et Slavonice, domaines et seigneuries de Vilém Slavata. N’ayant jamais occupé d’offices de premier plan, Johann Putz sut pourtant fréquenter et probablement s’intégrer dans le milieu des „Amtsträger“ ou officiers moyens, ce qu’il était lui-même devenu à partir de 1632. Il faut donc désormais approcher de plus près les différents mondes composant celui où il s’est mu, jusqu’à la prise de possession de ses seigneuries.

Les réseaux de Johann Putz: carrière, patronages et parentèle Nous savons déjà qu’entre 1621 et 1629, Johann Putz von Adlersthurn exerça comme „Hofmeister“ dans la maison du Grand Juge du royaume de Bohême, Jindřich (Heinrich) Liebsteinsky de Kolowrat, en tant que précepteur et secrétaire de son fils Ulrich Franz, le futur président de la Hofkammer entre 1637 et 1648. En 1630, ce même Ulrich Franz lui confia encore l’organisation de son mariage avec Lucia Ottilia de Martinitz. C’est à elle-même qu’il achètera, en 1650, le domaine de Podsedice dans le cercle de Litoměřice66. Nous savons aussi qu’il occupa les mêmes fonctions auprès de Rudolf von Teuffenbach. Celui-ci le proposa le 8 décembre 1629 pour le poste de second secrétaire du Hofkriegsrat, qu’il aurait refusé67. Le 28 août 163168, il fut anobli par Ferdinand II et entra dans l’ordre des nouveaux chevaliers de Bohême, recevant alors le prédicat „von Adlersthurn“ dont nous connaissons maintenant l’origine. Dès le 19 novembre 1627, Ferdinand II aurait voulu, d’après le Diarium, le nommer quaestor generalis [!] („Rentmeister“) en Bohême, ce qu’il devint effectivement le 17 novembre 163269 et le resta jusqu’en 1636. En mai 1635, il visita avec d’autres commissaires toutes les propriétés royales de Bohême et en 1636, il fut nommé „Oberregent“ de Silésie, de Glatz et de Moravie. Il reçut le titre de conseiller de cour en 1637 et celui de „conseilller de la Chambre de Silésie inférieure et supérieure“ en 163870. Toujours „au service de Sa Majesté“, il eut pour mission la révision des biens confisqués à Hans Ulrich von Schaffgotsch71. En avril 1645, en qualité „d’Oberregent du comté de Glatz“, il alla à Varsovie veiller aux intérêts financiers et politiques de l’empereur lors de la négociation avec le roi de Pologne concernant le transfert au duché silésien d’Opole-Racibórz (Oppeln-Ratibor) des revenus de la seigneurie   Diarium (cit. n. 14) 37.   Ibid. 6f. 66  Ibid. 153. 67  Ibid. 22–25, avec la copie du billet de recommandation de Rudolf von Teuffenbach au Hofkriegsrat. 68  SOA Litoměřice, RA Hartig, carton 8, č. inv. 80. 69  Diarium (cit. n. 14) 34; SOA Litoměřice, RA Hartig, carton 8, č. Inv. 83. 70  Diarium (cit. n. 14) 45f., 57, 151. 71  Ibid. 57. 64 65



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de Třeboň, dont avait joui jusqu’à son décès la reine Cecilia Renata, sœur de Ferdinand III72. En 1646, nous le retrouvons „Hofkammerrat“ et „Salzamtmann im Land unter der Enns“. La lecture du Diarium permet en outre de comprendre que l’essentiel de son activité se passa en commissions souvent directement ordonnées par le roi de Bohême Ferdinand III, articulées avec la Böhmische Kammer, la Hofkammer et parfois aussi la Chancellerie de Bohême. Il eut en mains la gestion de tous les biens confisqués, en particulier à Wallenstein et à son entourage73. De nombreux généraux, pris par leurs obligations militaires, mais aussi d’autres personnages, lui confièrent l’achat d’une ou plusieurs de ces propriétés à la couronne: Hýzrle, Beck, Teuffenbach et bien d’autres. Putz servit donc souvent d’intermédiaire et les passages concernés de son diaire se rapprochent alors d’un livre de compte. Parfois, la volonté du roi l’exposa à des conflits avec les grands officiers du royaume de Bohême, en particulier lorsque Ferdinand III le chargea, en 1635 et 1643, de réexaminer les comptes de Jakob Bassevi et de Pavel Michna de Waitzenhofen pendant le Consortium monétaire de 1622–162374. En 1635, l’empereur dut lui adjoindre un escadron de militaires pour mener à bien ses contrôles, et Putz fut confronté à la colère du Grand Burgrave de Bohême, Adam de Waldstein, qu’il eut, écrit-il, le plus grand mal à calmer75. Si le Diarium ne souffle mot des autres protagonistes du Consortium monétaire, les papiers de Johann Putz conservés aux archives de Litoměřice contiennent un très grand nombre de pièces concernant les demandes en restitution et les procès sur la succession de Hans de Witte et de Hans Matthias von Glauchau76, qui fut le „Rentmeister“ du royaume de Bohême jusqu’en 1622, et dont l’une des filles avait épousé de Witte77. Une autre des filles de Glauchau, Katharina, épousa Daniel Freisleben, secrétaire à la Chancellerie de Bohême. Les deux fils de Putz, dont l’ainé se maria en 1669 avec Katharina Simonetti, veuve d’Ottavio Lumago (ou Lumaga), ayant vécu à Vienne mais se trouvant sans doute apparenté aux grands marchands du même nom du nord de l’Italie78, continuèrent à intervenir dans le règlement de la succession de Witte-Glauchau, à laquelle se trouvait intéressée une comtesse Waldstein, elle aussi fille de l’ancien „Rentmeister“ du royaume. En épousant en 1676 la fille de Daniel Freisleben et de Katharina von Glauchau, Johann Ignaz Putz von Adlersthurn entra dans cette famille et bénéficia sans doute de la conclusion des procès en faveur des plaignants79. Si l’on ajoute à ceci que son oncle, Markus Putz von Adlersthurn, avait pris pour femme en 1654 à Vienne une fille du troisième défenestré de Prague en 1618, Philipp Fabricius von Rosenfeld und Hohenfall80, secrétaire à la Chancellerie 72  Ibid. 152; Blanka Čechová, Polsko-Habsburské vztahy v době Ferdinanda III. a Vladislava IV. Dynastická diplomacie a třeboňská zástavní držba [Les relations entre les Habsbourg et la Pologne sous Ferdinand III et Władysław IV. La diplomatie dynastique et la mise en gage de la seigneurie de Třeboň] (Diss. Brno 2012) 58f., 70, 117–133. 73   Diarium (cit. n. 14) 124. 74   Ibid. 89, 120–133. 75   Ibid. 121: Et re explicata vix potuit Putz Supremum Burggravium seu Vice Regem pacare. 76  Les archives Putz contiennent deux billets signés de Hans de Witte en 1630 qui paraissent avoir été des prêts consentis à Daniel Freisleben. SOA Litoměřice, RA Hartig, inv. č. 79, carton 8. 77   SOA Litoměřice, RA Hartig, inv. č. 78 et 79, carton 8. 78   Anton Ernstberger, Hans de Witte. Finanzmann Wallensteins (VSWG Beih. 38, Wiesbaden 1954) 221, indique aussi des Lumago facteurs à Nuremberg au XVIIe siècle. 79   Sur les filiations et les mariages des enfants de von Glauchau et de Witte et les procès durant au moins jusqu’en 1673, mais sans référence aux Putz von Adlersthurn: ibid. 108f., 437–534. 80   SOA Litoměřice, RA Hartig, inv. č. 73, carton 7 (tutelle de Johann Franz Edmund Putz von Adler­s­

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de Bohême et l’un des prédécesseurs de Freisleben, on voit se resserrer une configuration familiale, économique et sociale, qui possédait aussi une force symbolique. Car la conviction d’être miraculé et choisi par Dieu, qui fut celle des survivants de la Défenestration de Prague, Slavata, Martinitz et, à sa place inférieure à ceux-ci, celle sans doute de Fabricius, fut aussi un trait récurrent sous la plume de Johann Putz et de son fils Johann Ignaz.

Réformer la religion à Mimoň. Le culte des saints et des reliques Tous les accidents et les promotions de leur vie semblent indiquer qu’aux yeux des Putz, Dieu les tint toujours en sa grâce et les combla de ses miracles. Aucun des Putz von Adlersthurn ne manqua jamais une occasion de se rendre en pèlerinage dans tous les pays où les menèrent non seulement leurs études, leurs voyages, mais l’exercice de leurs offices. Le dernier fils de Johann Putz, Johann Ignaz, consigna dans le diaire un très grand nombre d’événements où il voyait le signe de la puissance divine. Il se percevait comme un miraculé que la prière de ses parents et de son frère ainé à Loreto en 1650, jointe à l’intercession des deux martyrs des catacombes rapportés la même année de Rome par son père, avaient guéri d’une maladie mortelle de sa petite enfance. A plusieurs reprises, cette protection de Dieu se répéta dans sa jeunesse, après un pèlerinage à Hietzing en 1660, par exemple, où il sentit sur lui, en passant sur un pont, la main miraculeuse de Dieu: miraculosam manus Dei sensi, apud Lapideum pontem, trans amnem Viennam constructum81. En 1681, il consigna dans le Diarium une prière fervente à la Vierge dont la récitation l’avait guéri d’un mal qui paraissait incurable. Il se voua alors à l’image de la Vierge de Stará Boleslav, suae in infirmitate sospitratrici, in terris auxiliatrici, in morte, uti confidit, protectrici, écrivit-il, et il offrit à son sanctuaire des ornements de messe82. Cette dimension de forte piété catholique personnelle fut certainement indissociable de sa manifestation publique dans l’exercice du contrôle confessionnel de leurs sujets. Lorsque Johann Putz von Adlersthurn prit possession de sa ville et de son domaine de Mimoň, remettre leurs habitants dans la conformité avec la religion apostolique et romaine était non seulement un devoir de police incombant au seigneur collateur, mais aussi l’obligation de les amener dans la voie du salut, les deux étant par ailleurs malaisées à bien distinguer. Ces habitants avaient été, depuis l’installation en 1573 du premier pasteur par le seigneur du temps, Karl de Bieberstein, des luthériens très majoritairement et, en 1615, ils n’avaient pas hésité à chasser à coups de pierres un pasteur calviniste que voulait leur donner le propriétaire d’alors, Johann Müller (Millner) von Mühlhausen, dont le frère Peter serait en 1618 membre du Directoire révolté contre Ferdinand II et peut-être l’un des auteurs de la seconde Apologie des États évangéliques de Bohême83. Ses domaines thurn sur les enfants de son oncle Markus et de Johanna Klara Fabricius von Rosenfeld und Hohenfall, 3 août 1667. Johanna Klara aurait épousé Markus Putz von Adlersthurn le 3 août 1654 à Vienne; NA, Sbírka genealogická Dobřenského, Putz von Adlersthurn (Turraquila). 81  Diarium (cit. n. 14) 175. 82  Diarium (cit. n. 14) 198. Sur le pèlerinage à Stará Boleslav/Altbunzlau et son importance en Bohême au XVIIe siècle: Marie-Elizabeth Ducreux, L’ordre symbolique d’un pèlerinage tchèque dans l’espace habsbourgeois au XVIIe siècle: Stará Boleslav, in: Rendre ses vœux. Les identités pèlerines dans l’Europe moderne (XVIe–XVIIIe siècles), ed. Philippe Boutry–Pierre-Antoine Fabre–Dominique Julia (Paris 2000) 87–122. 83   Tille, Geschichte (cit. n. 43) 393; Apologia, Oder entschuldigungs Schrifft/ Auß was für unvermeidlichen Ursachen/ alle drey Stände des löblichen Königreichs Bohaimb/ sub utraque, ein Defension werck anstellen müssen (Prag 1618).



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confisqués en 1621 furent hypothéqués pour douze ans le 28 septembre 1623 par Ferdinand II au résident de Saxe à la cour de Vienne, Johann (Hans) Zeidler genannt Hoffmann, en gage d’un prêt de 34.650 florins84. Le nouveau seigneur de Mimoň et Děvín étant un luthérien, l’empereur confia provisoirement le droit de patronage à l’archevêque de Prague (per interim)85. Dès 1624, cependant, contre la somme de 2.683 florins, Ferdinand II donna les deux domaines en pleine propriété au résident de Saxe, avec toutes les libertés et privilèges y compris son droit de patronage. Entre le 22 février et le 5 mai 1628, les commissaires ou leurs représentants députés par la seconde „Reformations-Kommission“ dans le cercle de Mladá Boleslav, le comte Zdeněk Lev Liebsteinsky von Kolowrat et le doyen de Zákupy/Reichstadt Václav Oldřich Teubner s’arrêtèrent à Mimoň. Les habitants demandèrent un délai de conversion, qui ne leur fut pas accordé, les deux pasteurs luthériens de Mimoň et de Svébořice/Schwabitz prirent la fuite, de même que le maître d’école, et beaucoup d’habitants se réfugièrent en Lusace86. Le 11 mars, on brûla publiquement les livres hérétiques. Dix ans plus tard, la commission vérifiant la situation religieuse dans la région de Frýdlant, créée par Ferdinand III le 17 juillet 1637, fit halte à Mimoň en janvier 1638, et la seigneurie connut encore, en 1651, la visite d’une dernière commission de réforme catholique87. Entre temps, Johann Zeidler genannt Hoffmann avait repris possession de ses biens en 1631, lors de l’occupation saxonne de Prague, et l’armée suédoise de Banner avait occupé les lieux en 163888. Lorsque Johann Putz prit possession de sa nouvelle seigneurie, achetée en janvier 1651, les habitants étaient encore considérés par leur nouveau curé catholique comme des crypto-luthériens, qui écrivit sur sa propre action, en quittant la paroisse en 1657 dans le „Gedenkbuch“ de cette dernière: „Dieser ist 6. Jahre mit grossem Ruhm wegen seines Eifers verblieben, indem er das annoch mit lutherischen Magen behaffte Volk durch wohlgegründete Predigten und beweglichen Lehren in den katholischen Glaubensartikeln sehr wohl ex fundamento unterrichtet hat“89. Parmi tous les moyens mis en œuvre par Johann Putz et par ses fils pour faire d’eux de bons catholiques, la réintroduction du culte des saints et des reliques joua un rôle essentiel, que Johann Putz von Adlersthurn théorisa d’ailleurs dans son livre publié en 165990. Il s’y mettait en scène comme seigneur soucieux de la conversion et de l’éducation catholique de ses sujets de Mimoň. En choisissant pour nouveaux patrons de la paroisse et de la ville deux martyrs des catacombes romaines, Johann Putz avait mis au centre de la vie de ses domaines ce qui, précisément, faisait conflit et séparait luthériens et catholiques: l’intercession des saints et la présence divine manifestée dans leurs reliques, désormais ostentatoirement présentes dans l’église paroissiale. En quelque sorte, le conflit religieux entre protestantisme et catholicisme s’internalisait ici au niveau d’un texte, mais ce texte, à son tour, rendait compte des pratiques catholiques nouvelles que Putz imposa activement aux habitants de sa propriété. L’argumentation développée dans le volume en 1659 est tout à fait explicite: c’est en priorité „pour apprendre la nécessité du culte des saints et des   Tille, Geschichte (cit. n. 43) 103.   Copie de cet acte: SOA Litoměřice, RA Hartig, inv. č. 61, carton 5. 86   Alois B. Mares, Die Gegenreformation in Niemes und Schwabitz. Mittheilungen des Nordböhmischen Excursions-Clubs 6 (1883) 26f. 87  Ibid. 31; Tille, Geschichte (cit. n. 43) 402. 88   Tille, Geschichte (cit. n. 43). 89   Cité dans: ibid. 402. 90  Putz von Adlersthurn, Translatio corporum (cit. n. 49). 84 85

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reliques à ses propres sujets récemment ramenés dans le sein de la Sainte Eglise catholique, apostolique et romaine“, et „pour affermir leur foi encore hésitante envers ce type de dévotion“ qu’il avait décidé de transférer dans l’église paroissiale de Mimoň en 1659, les deux corps saints des catacombes obtenus dès le mois de juin 1650 lors de son pèlerinage à Rome, et de rendre leur culte public dans toute sa propriété. Comparer deux séries de dates peut avoir ici son importance. C’est en 1650 et 1651 que Johann Putz acquit ses propriétés de Mimoň et Děvín et de Podsedice. C’est aussi en 1650 qu’il se rendit à Rome et s’y procura ces deux corps entiers, ce qui était un signe de distinction et de prestige, avec les reliques de plusieurs autres martyrs des catacombes. Leurs ossements restèrent pendant huit années dans son oratoire privé de Vienne. Mais, en 1658, il entra dans la noblesse d’Empire. Coïncidence ou non, c’est ensuite, en 1659, qu’il fit solennellement transférer les deux corps des saints Agapitus et Georgius dans la chapelle du château de Mimoň, et qu’il passa commande à Giulio Broggio, architecte italien très actif dans la région, de la reconstruction de l’église paroissiale de la petite ville en fort mauvais état. Il fit aussi construire quatre chapelles et une chapelle des défunts. Lorsqu’il mourut en 1660, il avait fait promettre à ses fils d’achever l’édification de l’église, de rebâtir celles des filiales et de rénover la cure de Mimoň, de réaliser son projet de saint-sépulcre et d’une réplique de la Casa Santa de Loreto et l’intégralité de son programme de fondations pieuses, ce qu’ils firent tous les deux. De la sorte, l’installation des corps saints d’Agapitus et de Georgius dans l’église de Mimoň, qui eut lieu solennellement en 166391, peut être également lue comme un sommet symbolique dans l’ascension sociale d’un nouveau lignage, comme un signe de distinction et de prestige que les fils, après leur père, s’approprièrent tous les deux. Ils eurent à cœur d’être présents chaque année le premier dimanche de septembre pour la célébration de la fête de translation, et ils y ajouteront la dévotion des Quarante Heures, avec plusieurs jours d’une indulgence d’abord accordée pour sept ans, mais que Johann Ignaz Putz von Adlersthurn réussit à convertir en indulgence plénière. Le petit traité sur le culte des saints et des reliques de Johann Putz contient plusieurs niveaux d’information sur le rôle qu’il voulut se donner en l’écrivant et les pratiques qu’il entendait ainsi susciter. Il s’agissait d’abord de restaurer le catholicisme. Ici le seigneur terrien reproduisait l’action du souverain, mais il le faisait en tant que seigneur pour ses propres sujets. L’implantation chez lui et par lui du culte de deux saints nouveaux, déterrés pour sa famille dans le sous-sol de Rome, venait réparer, écrivait-il, „les profanations et les destructions des Hussites qui ont vidés les tombeaux des saints et des martyrs du royaume de Bohême et démoli églises et monastères“. Venait ensuite le niveau théologique: c’est une argumentation doctrinale et même proprement pastorale que maniait le seigneur de Mimoň, qui endossait ici le rôle d’un prédicateur et d’un prêtre. La gloire et la puissance de Dieu se manifestent dans ses saints, de même que les grâces qu’Il accorde parfois aux hommes qui les prient. Il faut donc le louer dans ses saints. Les ossements d’Agapitus et de Georgius font descendre sur la terre de Mimoň la permanence de la présence divine et la force du miracle, dont ils sont un signe visible. Exposés dans leurs reliquaires de verre, ils montrent littéralement, ils incarnent au sens charnel le bien-fondé de l’intercession des saints. À travers celle de Georgius et d’Agapitus, en effet, Dieu avait fait de Johann Putz et de sa famille des miraculés, il avait exaucé leurs prières et récompensé leur foi et leur fidélité en les guérissant de leurs maladies, en particulier, soulignait Johann Putz, lorsque, entre 1651 et 1659, leurs deux corps se trouvaient dans l’oratoire privé du château de 91

  SOA Litoměřice, RA Hartig, inv.č. 61, carton 5.



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Mimoň. La conversion et l’adhésion au catholicisme ferait donc entrer ses sujets dans cet univers de bienfaits thaumaturgiques. Donnons un seul exemple du ton de ces exhortations, commençant toutes par la formule In nomine Domini, Amen: „La Vierge Marie qui règne au ciel ne pourrait-elle nous consoler? Et les saints martyrs Georgius et Agapitus, ne pourraient-ils nous obtenir la même chose, en intercédant pour nous auprès de Dieu? Disons donc avec confiance: Nous allons à Marie et à son Fils; nous allons de même aux corps des saints martyrs Georgius et Agapitus, qui sont gardés à Mimoň ou Niemes, et vénérés avec les vases contenant leur sang et les particules des os des saints Barlaam, Callixtus, Christophorus, Aegidius et Felicitas. Prions les: O illustres martyrs de Dieu ! [….] Tenez-vous pour nous devant la face de Dieu avec nos anges gardiens, priez et intercédez pour nous dans toutes les adversités et tentations et surtout à l’heure de notre mort, par le Christ notre Seigneur, Amen“92. Ainsi, Johann Putz se montrait-il comme un prescripteur direct de pratiques religieuses catholiques, de processions et oraisons. Comme s’il était lui-même un religieux ou un prêtre écrivant un ouvrage de dévotion destiné à susciter exercices spirituels et méditations, il n’hésita pas à achever son traité des reliques et des saints destiné à l’instruction de ses propres sujets par des prières à réciter devant les saints martyrs venus de Rome, et par une neuvaine à suivre en leur honneur. Le livre s’achèvait sur ces mots: „Ceci est la manière propre d’aller prier à l’église Saint-Pierre-et-Saint-Paul de Mimoň, où reposent les corps transférés des saints Georgius et Agapitus, et rien n’interdit de s’exercer à sa pratique“93. Le traité des saints et des reliques et des formes du culte à rendre aux corps des catacombes romaines exposés dans l’église paroissiale de sa seigneurie fut rédigé et publié par Johann Putz von Adlersthurn en latin, et non dans une langue compréhensible à tous ses sujets, germanophones. Il dut donc avoir aussi pour fonction de témoigner à un public choisi du zèle convertisseur et catholique de son auteur et fut, à n’en pas douter, destiné également à d’autres lecteurs que les habitants de Mimoň. Par ailleurs, si les fondations des nouveaux „Grundherren“ devaient servir à asseoir leur image de grands seigneurs catholiques, le culte des saints martyrs rapportés de Rome permit aux Putz de se doter de saints patrons personnels et de renforcer leur prestige. Après avoir achevé la reconstruction de l’église paroissiale en 1666, l’ainé, Johann Edmund, ou peut-être son frère Johann Ignaz après son élévation dans le „Herrenstand“ de Bohême94, fit faire un portrait de luimême en dévot des deux saints des catacombes, accompagné de l’inscription suivante: Joan. Franc. Edmund Liber Baro Putz de Turraquila, qui ecclesiam Mimonensem fieri fecit. ossa SS. Georgii & Agapiti publicae in eadem exposuit venerationi Anno quem tibi signat Psalmum: seMper LaVs DeVo In sanCtIs eIVs95. Mais ce sont leurs sujets qui se trouvèrent enrôlés physiquement, selon le rythme d’un calendrier liturgique catholique adapté aux dévotions introduites par les Putz, dans l’accomplissement des cérémonies de commémoration de la translation, dans des processions, des dévotions et des prières voulues et fondées et prescrites par leurs seigneurs. Une remarque du baron Johann Ignaz, consignée   Putz von Adlersthurn, Translatio corporum (cit. n. 49) 214f. (trad. de l’auteur).   „Id quod etiam vovendo & precando ad Mimonensem in monticulo sitam S. Petri & Pauli ecclesiam, in qua SS. Georgij & Agapiti corpora translata quiescunt, & coluntur applicare nihil vetat“. Ibid. 216–223; pour la citation: ibid. 224 (trad. de l’auteur). 94  En 1666, Johann Franz Edmund n’était pas baron (Freiherr, liber baro) Putz von Adlersthurn, mais seulement chevalier. 95  Le tableau se trouve aujourd’hui au musée de la ville de Mimoň. 92 93

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Marie-Elizabeth Ducreux

dans le diaire de la famille, laisse penser qu’il exista une traduction ou une adaptation en allemand de ce texte contenant les prières rédigées initialement en latin par Johann Putz, qui étaient récitées ou chantées lors des fêtes commémorant chaque année la translation. Sous le titre de Rauchfassel, elle aurait connu trois éditions entre 1659 et 169796. Johann Ignaz Putz von Adlersthurn alla encore plus loin que son père, auteur des prières et de l’office des saints martyrs Georgius et Agapitus, patrons de sa maison et de sa ville de Mimoň. Il rédigea quant à lui l’ordre liturgique et processionnel de la cérémonie de la translation, avec musique et un nombre prescrit d’instruments. Le traité des reliques et de la dévotion aux deux martyrs des catacombes devenus les patrons de Mimoň s’achevait sur une prière pour la conservation de la Maison d’Autriche97. Il n’est pas interdit de voir dans la piété revendiquée par tous les membres de la famille à la fois une foi profonde dans la vérité et le caractère salutaire de la foi catholique et la réitération des formes de dévotions publiques dont l’empereur donnait l’exemple, qui étaient au fondement de la politique de communication symbolique d’un représentant de Dieu sur la terre et tout autant des formes où se manifestait le caractère absolu de sa puissance. Une fois en possession de propriétés, sur le plan religieux, l’activité des Putz sur leurs domaines de Mimoň et Děvín fut aussi liée à l’exercice zélé de leur droit de patronage. Pourtant, ce droit put encore être remis en question par le procureur royal de Bohême en 1695, pour des raisons juridiques et fiscales tenant aux formes de succession et d’acquisition d’une propriété acquise aux héritiers du luthérien Johann Zeidler gennant Hoffman, et Johann Ignaz Putz von Adlersthurn dut fournir en 1695 les actes de transmission du bien depuis la première hypothèque consentie par Ferdinand II en 1623 pour garantir le prêt que lui avait fait celui qui était alors le résident de Saxe à la cour de Vienne, et les documents sur l’histoire mouvementée du droit de patronage tantôt retiré, tantôt accordé à Zeidler, à sa veuve et à leur fils. Il se justifia également en alléguant comme preuve de son privilège de collateur le grand nombre de ses fondations pieuses et les sommes d’argent qu’il y avait consacrées98. C’est bien sur l’étendue de leurs biens de Mimoň, Děvín, Podsedice, que les Putz von Adlersthurn concentrèrent, entre 1651 et 1680 environ, les fondations destinées à la fois à maintenir leurs sujets dans la religion catholique et romaine, à manifester leur autorité locale et à inscrire dans l’espace de leurs possessions l’image de distinction de leur famille, alimentée par leur perfection dévote. Mais la dévotion publique et privée médiatisée par la réorganisation sacrale de leur espace seigneurial, par l’élévation d’autels et de sanctuaires – églises, chapelles, tombeau du Christ, tour ornée de cloches –, par l’organisation de fêtes et de processions, l’érection d’une confrérie paroissiale, l’obtention d’indulgences et même l’intervention dans le calendrier liturgique local, fut d’une part inséparable, au XVIIe siècle, dans ce contexte précis des Etats de l’empereur, d’une manifestation intentionnelle de se conformer à la volonté du monarque terrestre donnant lui-même l’exemple et le spectacle de ce qui est dû à Dieu. De l’autre, elle mettait en scène, dans une interaction avec cette piété agissante du souverain et dans la réappropriation de celle-ci à distance, les pouvoirs et la dignité de cette famille d’origine luxembourgeoise, obscure et roturière, désormais intégrée dans la noblesse terrienne de Bohême.   Diarium (cit. n. 14) 175.   „Precatio Pro conservatione Domus Austriacae“; Putz von Adlersthurn, Translatio corporum (cit. n. 49) 224–226. 98  SOA Litoměřice, RA Hartig, inv. č. 61, carton 5. 96 97

Religion – Loyalität – Ehre: „Ich-Konstruktionen“ in der diplomatischen Korrespondenz des Alexander von Greiffenklau zu Vollrads, kaiserlicher Resident in Konstantinopel (1643–1648) von Arno Strohmeyer

Alexander von Greiffenklau zu Vollrads und seine Korrespondenz Über Alexander von Greiffenklau zu Vollrads ist wenig bekannt1: Er entstammte einer alten, in Lothringen beheimateten Adelsfamilie, deren Stammsitz seit dem 14. Jahrhundert Schloss Vollrads nördlich von Mainz war. 1664 erfolgte die Erhebung des Geschlechts in den Reichsfreiherrenstand, 1674 die Verleihung des Titels „Erbtruchsess des Kurfürstentums Mainz“. Zu den prominentesten Vertretern zählen Richard von Greiffenklau zu Vollrads (1467–1531), von 1511 bis 1531 Erzbischof und Kurfürst von Trier2, und Georg Friedrich von Greiffenklau zu Vollrads (1573–1629), seit 1616 Bischof von Worms sowie seit 1626 Erzbischof und Kurfürst von Mainz. Der Onkel Alexanders war dem Haus Habsburg eng verbunden, ein Gegner Wallensteins und einer der geistigen Väter des Restitutionsedikts3. Sein Vater Johann von Greiffenklau zu Vollrads (1575–1646) war Chorbischof zu Trier und Archidiakon von St. Agatha zu Longuyon in Lothringen (1626), seine Mutter Anna Katharina Truchsess von Rheinfelden († 1631)4. Das Geburtsdatum Alexanders ist unbekannt. Fest steht, dass er der erstgeborene Sohn war, 1630 in Padua zu studieren begann, im Jahr darauf kaiserlicher Rat wurde und später angeblich als Appellationsrat sowie „Protonotar“ im Königreich Böhmen wirkte. Bevor er 1643 das Amt des kaiserlichen Residenten in Konstantinopel übernahm, das er bis zu seinem plötzlichen Tod im Frühjahr 1648 bekleidete, hatte er im Zuge kleinerer Missionen in Preußen 1  In der Literatur wie in den Quellen wird die Familie unterschiedlich geschrieben: „Greifenklau“, „Greiffenclau“, „Greifenclau“, „Vollrat(h)s“, „Wollrath(s)“ usw. 2  Florian Gläser, Richard von Greiffenclau zu Vollrads. NDB 21 (2003) 507f. 3  Anton Philipp Brück, Georg Friedrich v. Greiffenclau zu Vollrads. NDB 6 (1964) 219; Ferdinand ­Sender, Georg Friedrich Greiffenclau von Vollrads 1573–1629. Ein Prälat aus der mittelrheinischen Ritterschaft. Aufstieg und Regierungsantritt in Mainz (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 30, Mainz 1977). 4   Europäische Stammtafeln. Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten, Bd. 11: Familien vom Mittel- und Oberrhein und aus Burgund, hg. von Detlev Schwennicke (Marburg 1986) Tafel 47; Brück, Greiffenclau (wie Anm. 3) 219.

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und als ständiger Vertreter Wiens am polnischen Königshof Erfahrungen auf dem diplomatischen Parkett gesammelt5. Der Rang eines Residenten ist in der diplomatischen Hierarchie der Hohen Pforte schwer einzuordnen. Er war den Botschaftern Frankreichs, Englands, Venedigs und der Generalstaaten nachgeordnet; unklar und deshalb Gegenstand endloser Präzedenzdebatten war jedoch das Verhältnis zu den Gesandten anderer Mächte. Die Gründe, warum sich der Kaiserhof gerade für Greiffenklau als Resident entschieden hatte, sind ungewiss. Seine Karriere war für kaiserliche Diplomaten in Konstantinopel bis dahin jedoch nicht untypisch verlaufen. Er hatte sich in habsburgischen Diensten hochgedient und bereits bei kleineren Gesandtschaften bewährt. Das weitgehende Fehlen interkultureller Erfahrungen mit den Osmanen war, wie bei vielen anderen Diplomaten, die an die Hohe Pforte entsandt wurden, kein Ausschließungsgrund gewesen. Vielleicht hatten auch Netzwerke oder persönliche Faktoren, etwa Sympathie, wie sie bei der Vergabe von Hofämtern von Belang sein konnten6, eine Rolle gespielt. Diplomatische Missionen bildeten für Adelige einen wichtigen Karrierekanal, da sie den Aufstieg in höhere Hofämter bewirken konnten. Außerdem ermöglichten sie die Darstellung der eigenen sozialen Exklusivität, beispielsweise bei feierlichen Einzügen und Audienzen. Sie waren allerdings, vor allem wenn sie längere Zeit in Anspruch nahmen, aufgrund der unregelmäßigen Besoldung und der Repräsentationskosten mit hohem finanziellen Aufwand verbunden und bargen infolge der Abwesenheit vom Kaiserhof ein schwer kalkulierbares Risiko, blieb man doch von den alltäglichen höfischen Interaktionen ausgeschlossen. Daher kam es immer wieder vor, dass Adelige dem diplomatischen Dienst skeptisch gegenüber standen und andere Laufbahnen wählten7. In der Fachliteratur findet Alexander von Greiffenklau wenn überhaupt, dann nur beiläufig Erwähnung. Seiner Person wie seiner Tätigkeit in Konstantinopel ist dabei in der Regel kein gutes Urteil beschieden. Der Orientalist Joseph von Hammer-Purgstall (1774–1856), selbst Diplomat, bezeichnete ihn als „Schnapphahn“8 und vermutete eine Verwicklung in den Fall Wallenstein9; der deutsche Historiker Johann Wilhelm Zinkeisen (1803–1863) meinte, durch sein „eigenwilliges und hochfahrendes Wesen“ 10 gegenüber 5   Sarah Duregger, Diplomatische Kommunikation zwischen Kaiserhof und Hoher Pforte. Die Berichte der kaiserlichen Residenten Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn und Alexander Greiffenklau von Vollrats (MA Salzburg 2015) 47; Bertold Spuler, Die europäische Diplomatie in Konstantinopel bis zum Frieden von Belgrad (1739), 3. Teil: Listen der in Konstantinopel anwesenden Gesandten bis in die Mitte des 18. Jhdts. Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven 11 (1935) 313–366, hier 334; Klaus Müller, Das kaiserliche Gesandtschaftswesen im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden (1648–1740) (Bonner Historische Forschungen 42, Bonn 1976) 65. 6   Mark Hengerer, Kaiserhof und Adel in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Eine Kommunikationsgeschichte der Macht in der Vormoderne (Historische Kulturwissenschaft 3, Konstanz 2004) 507f. 7   Andreas Pečar, Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711–1740) (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Studien zur Geschichte, Literatur und Kunst, Darmstadt 2003) 41–53; Hengerer, Kaiserhof (wie Anm. 6) 477f. 8  Joseph von Hammer-Purgstall, Geschichte des Osmanischen Reichs, Bd. 3: Vom Regierungsantritte Murad des Vierten bis zum Frieden von Carlowicz 1623–1699 (Pest 21835) 249. „Schnapphahn“ war eine im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit benützte Bezeichnung für Strauchdiebe und Wegelagerer (eine nach Beute schnappende Person). Vgl. Jacob Grimm–Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 15 (Leipzig 1951) 1174–1176. 9  Hammer-Purgstall, Geschichte (wie Anm. 8) 249. 10   Johann Wilhelm Zinkeisen, Geschichte des osmanischen Reiches in Europa, Bd. 4: Zunehmender Verfall und neuer Aufschwung des Reiches bis zu dem Frieden von Vasvár und dem Falle von Candia in den Jahren 1664 und 1669 (Hamburg 1856) 546.



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den Osmanen habe er viel verdorben; der österreichische Historiker und Publizist Georg Wagner (1916–1985) charakterisierte ihn als „schwierig“11. Dieses Bild korreliert mit Quellen, in denen von Beschwerden der Osmanen über seine Amtsausübung12 und von zu geringen Kontakten zu den Vertretern Venedigs zu lesen ist13. Sein Vorgänger als Resident, Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn (1590–1667)14, ein erfahrener, mit den lokalen Verhältnissen bestens vertrauter Diplomat, mit dem er in Konflikt geriet, attestierte ihm Starrsinn sowie Besserwisserei und wünschte seine Ablösung15. Zudem dürfte er an der Ermordung von Don Juan Menesses unmittelbar beteiligt gewesen sein, eines spanischen Abenteurers möglicherweise jüdischer Herkunft, der sich, vermutlich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, am Sultanshof eingeschlichen hatte16. Ein deutlich besseres Bild zeichnet hingegen der Wiener Historiker Lothar Höbelt in seiner Biographie Ferdinands III., in der das vorausschauende Verhalten des Residenten gegenüber dem venezianischen Bailo positiv hervorgehoben wird17. Als Greiffenklau an der Hohen Pforte residierte, befanden sich die bilateralen Beziehungen zwischen Habsburgern und Osmanen gerade in einer Phase relativen Friedens, die 1606 nach dem Frieden von Zsitvatorok begonnen hatte und bis zum Ausbruch des Vierten Österreichischen Türkenkriegs (1663/64) andauerte18. Gleichwohl kam es an der Militärgrenze ständig zu kleineren Übergriffen und Raubzügen in das gegnerische Territorium19. Beide Seiten hatten jedoch an einem offenen Konflikt wenig Interesse; die Osmanen aufgrund innenpolitischer Krisen und des 1623 begonnenen Krieges mit dem Safawidenreich, die Habsburger wegen des Dreißigjährigen Krieges, des sich verschärfenden Gegensatzes zu Frankreich und drückender Finanzprobleme. Diese friedensfördernden Rahmenbedingungen änderten sich allerdings nach dem Frieden von Zuhab (oder Qasr-e 11   Georg Wagner, Österreich und die Osmanen im Dreißigjährigen Krieg. Hermann Graf Czernins Großbotschaft nach Konstantinopel 1644/45. MOÖLA 14 (1984) 325–392, hier 346. 12  Maximilian Graf Trauttmansdorff an Ferdinand Kurz, 21. Jan. 1647 (Osnabrück), Acta Pacis Westphalicae II A 5: Die kaiserlichen Korrespondenzen, Bd. 5: 1646–1647, hg. von Antje Oschmann (Münster 1993) 423. 13   Diarium Volmar, Acta Pacis Westphalicae III C 2,1, 1. Teil: 1643–1647, hg. von Joachim Foerster– Roswitha Philippe (Münster 1984), Eintrag vom 17. Nov. 1646; Maximilian Graf Trauttmansdorff an Ferdinand III., 23. November 1646 (Münster), ÖStA, HHStA, RK, FrA, Fasz. 50b, fol. 20r–v. 14   Peter Meienberger, Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn als kaiserlicher Resident in Konstantinopel in den Jahren 1629–1643 (Frankfurt/Main 1973); Arno Strohmeyer, Kategorisierungsleistungen und Denkschemata in diplomatischer Kommunikation: Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn als kaiserlicher Resident an der Hohen Pforte (1629–1643), in: Politische Kommunikation zwischen Imperien. Der diplomatische Aktionsraum Südost- und Osteuropa, hg. von Gunda Barth-Scalmani–Harriet Rudolph–Christian Steppan (Innsbrucker Historische Studien 29, Innsbruck–Wien–Bozen 2013) 21–29. 15  Meienberger, Resident (wie Anm. 14) 72; Johann Rudolf Schmid an Michel d’Asquier, Konstantinopel, 18. Mai 1643, ÖStA HHStA, StAbt Türkei I, Kt. 116/2, fol. 70r–72v (Auszug); Protestation gegen Alexander von Greiffenklau als neuer Resident, Konstantinopel, 8. Mai 1643, ebd. fol. 310r–311v (Kopie). 16  Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598–1667), 7 Bde., hg. von Katrin Keller–Alessandro Catalano (VKNGÖ 104/3, Wien–Köln–Weimar 2010) 3 11 (23. Jan. 1647); 5 343f. (22. Jan. 1647); Alexander von Greiffenklau an Ferdinand III., 2. Nov. 1645 (Pera-Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 119/1, fol. 386r–391v; Duregger, Kommunikation (wie Anm. 5) 8. 17   Lothar Höbelt, Ferdinand III. Friedenskaiser wider Willen (Graz 2008) 235. 18  Die Schlacht von Mogersdorf/St. Gotthard und der Friede von Eisenburg/Vasvár 1664. Rahmenbedingungen, Akteure, Auswirkungen und Rezeption eines europäischen Ereignisses, hg. von Karin Sperl–Martin Scheutz–Arno Strohmeyer (Burgenländische Forschungen 108, Eisenstadt 2016). 19  Ottomans, Hungarians and Habsburgs in Central Europe. The Military Confines in the Era of Ottoman Conquest, hg. von Géza Dávid–Pál Fodor (The Ottoman Empire and its Heritage 20, Leiden–Boston– Köln 2000); Jean Bérenger, Habsbourg et Ottomans (1520–1918) (Paris 2015) 87–97.

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Schirin) 1639, der die beinahe 150-jährige Auseinandersetzung zwischen Osmanen und Safawiden beendete, und dem Westfälischen Frieden 1648. Zudem begann im Osmanischen Reich in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine Phase der Konsolidierung und des Aufschwungs, die bis zur Zweiten Türkenbelagerung Wiens 1683 andauerte, so dass für eine aggressivere Politik gegenüber den Habsburgern mehr Kapazitäten zur Verfügung standen. Um das schwierige Tätigkeitsfeld eines kaiserlichen Residenten in Konstantinopel zu beurteilen, muss man sich neben der machtpolitischen Rivalität außerdem die tiefgreifenden Gegensätze vergegenwärtigen, die Habsburger und Osmanen trennten: wechselseitige Alteritätskonstruktionen, Feindbilder und Religionen, die einander ausschließende Wahrheitsansprüche stellten, unterschiedliche Gesellschaftsordnungen, Zeremonien und völkerrechtliche Normen20. Zu berücksichtigen sind ferner die traumatischen Erfahrungen der mit besonderer Grausamkeit geführten Türkenkriege, die in den kollektiven Gedächtnissen selbst in Friedenszeiten präsent waren21. Der Brückenschlag zwischen den beiden Kulturen mit ihren differierenden Sinnsystemen war nicht einfach und für die Diplomaten eine enorme Herausforderung. Übersetzungsleistungen und Assimilation waren notwendig, Ignoranz und Missverständnisse, manchmal sogar bewusst herbeigeführt und instrumentalisiert, die Folge22. Die drei Hauptaufgaben frühneuzeitlicher Diplomaten lauteten: Repräsentation des Auftraggebers, Verhandeln und Informationsbeschaffung. Die vierte zentrale Pflicht war, darüber regelmäßig zu berichten. Das gilt auch für Alexander von Greiffenklau: Er sollte Ferdinand III. an der Hohen Pforte vertreten, Verhandlungen führen, Informationen über das Osmanische Reich beschaffen und darüber den Wiener Hof kontinuierlich in Kenntnis setzen. Details legten die Instruktionen fest23. Im Zentrum seiner Tätigkeit standen demnach die Verlängerung des Friedens von Szőny, die Neutralisierung der Machenschaften des Fürsten von Siebenbürgen, Georg I. Rákóczi (1593–1648), der antihabsburgische Bündnisse schmiedete, die Abwehr der Tributforderungen der Osmanen, die Entsendung einer kaiserlichen Großbotschaft nach Konstantinopel, die Eindämmung des Kleinkriegs an der Grenze und die Freilassung von Kriegsgefangenen. Er sollte außerdem die Intrigenspiele der schwedischen Diplomaten hintertreiben und auf die Parität achten, die symbolische Ranggleichheit zwischen Sultan und Kaiser24. 20  Martin Wrede, Die ausgezeichnete Nation. Identitätsstiftung im Reich Leopolds I. in Zeiten von Türkenkrieg und Türkensieg, 1663–1699, in: Das Bild des Feindes. Konstruktion von Antagonismen und Kulturtransfer im Zeitalter der Türkenkriege. Ostmitteleuropa, Italien und Osmanisches Reich, hg. von Eckhard Leuschner–Thomas Wünsch (Berlin 2013) 19–31; Bordering Early Modern Europe, hg. von Maria Baramova–Grigor Boykov–Ivan Parvev (Wiesbaden 2015). 21   Franz Brendle–Anton Schindling, Religious War and Religious Peace in the Age of Reformation, in: The Holy Roman Empire 1495–1806, hg. von R[obert] J. W. Evans–Michael Schaich–Peter H. Wilson (Studies of the German Historical Institute London, Oxford 2011) 165–181; Franz Brendle–Anton Schindling, Religionskriege in der Frühen Neuzeit. Begriff, Wahrnehmung, Wirkmächtigkeit, in: Religionskriege im Alten Reich und in Alteuropa, hg. von dens. (Münster 2006) 15–52, hier 16, 21f., 29–32. 22  Vgl. etwa Christine Vogel, The art of misunderstanding. French ambassadors translating Ottoman court ceremonial, in: Proceedings of the 20th CIEPO Symposium „New Trends in Ottoman Studies“. Papers presented at the 20th CIEPO Symposium, Rethymno, 27 June–1 July 2012, hg. von Marinos Sariyannis (Rethymno 2014) 495–504; http://www.univie.ac.at/ciepo/wordpress/wp-content/uploads/2011/07/downloaded1.pdf [Zugriff: 31. 12. 2015]. 23  Neben der meist zu Beginn der Mission übergebenen Hauptinstruktion gab es Reskripte, Geheiminstruktionen und Nebeninstruktionen, die bei Bedarf übermittelt wurden. 24  Alexander von Greiffenklau an Ferdinand III., 20. Juni 1643 (Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 116/2, fol. 103r–125v; Zinkeisen, Geschichte (wie Anm. 10) 46.



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In seiner Korrespondenz erstattete Greiffenklau hierüber im Durchschnitt alle zwei bis drei Wochen Bericht. Mehr als 80 dieser in deutscher Sprache abgefassten Schreiben sind vorhanden und befinden sich heute zum Großteil im Wiener Haus-, Hof- und Staats­ archiv; einige wenige werden im Finanz- und Hofkammerarchiv in Wien, im Ungarischen Nationalarchiv in Budapest und im Primatialarchiv Gran/Esztergom aufbewahrt. Nur zu einem kleinen Teil aufgefunden wurden bislang die Antworten des Kaisers, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass der Resident in Konstantinopel verstarb und sein Nachlass verschollen ist. Es ist davon auszugehen, dass er mit weiteren Personen und Institutionen seines Netzwerkes korrespondierte, wie das andere Diplomaten machten, etwa mit Klienten und Patronen, Verwandten, der Hofkammer und dem Hofkriegsrat. Aber auch diese Schreiben wurden bislang, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nicht aufgespürt25. Greiffenklau informierte den Kaiser detailliert über seine Verhandlungen mit Sultan Ibrahim, mit den Großwesiren, mit weiteren osmanischen Würdenträgern und über die Gespräche mit dem Scheich-ül-Islam, dem höchsten Religionsgelehrten. Dargestellt werden Audienzen, Empfänge, Feste und Zeremonien, die Treffen mit den Gesandten anderer Mächte, Verhaltensmuster, Mentalität und das Rechtswesen der Osmanen, angesprochen werden aber auch heikle Punkte der Friedenssicherung, die Grenzverletzungen, Finanzprobleme sowie Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung und Postübermittlung. Besonderes Augenmerk schenkte der Resident ferner dem Verhältnis der Osmanen zu den Safawiden, über die damals im Heiligen Römischen Reich Wissensmangel bestand, und dem Verlauf der Belagerung Kretas, die 1645 begann26. Viel Raum widmete er außerdem den innenpolitischen Verhältnissen im Osmanischen Reich: Revolten in Anatolien, Aufständen der Janitscharen und Intrigen im Topkapı Serail. Wiederholt wird der schlechte Zustand des von inneren Machtkämpfen zerrissenen osmanischen Heeres angesprochen27. Die Briefe vermitteln insgesamt einen tiefen Einblick in interkulturelle Austauschprozesse, Alteritätsdiskurse, die Übersetzungsleistungen des Residenten, dessen Netzwerke sowie das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen. Korrespondenzen dieser Art zählten in der Frühen Neuzeit ganz allgemein zu den charakteristischen Merkmalen der Diplomatie. Aus diesem Grund sind sie in großer Zahl vorhanden und bilden eine der wichtigsten Quellen zur Erforschung der internationalen Politik der Epoche. Mikropolitische Forschungen haben in den letzten Jahren deutlich gezeigt, dass die Diplomaten dabei nicht eindimensional als verlängerter Arm ihres Auftraggebers oder eines abstrakten „Staates“ verstanden werden dürfen28. Es handelte sich um denkende und handelnde Individuen, die in soziale Netzwerke eingebunden waren, über ihre Situation reflektierten, persönliche Interessen besaßen, Wünsche entwickelten, Entscheidungen trafen und diese umzusetzen versuchten29. Deshalb wurde vorgeschlagen, 25  Edition der Korrespondenz des Alexander von Greiffenklau zu Vollrads, kaiserlicher Resident an der Hohen Pforte (1643–1648), hg. von Arno Strohmeyer–Anna Huemer–Julia Kellner–Christoph Würflinger [in Bearbeitung]. 26   Vgl. etwa Greiffenklau an Ferdinand III., 27. Sept. 1643 (Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 116/2, fol. 214r–217v. 27   Vgl. etwa Greiffenklau an Ferdinand III., 20. Feb. 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. Kt. 117, fol. 149r– 157v. Der Resident berichtet hier über Unruhen in der Armee der Osmanen. 28  Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, hg. von Hillard von Thiessen–Christian Windler (Köln–Weimar–Wien 2010). 29  Frank Schimmelfennig, Internationale Politik (Paderborn 42015) 50.

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ihre Berichte in Hinblick auf das in ihnen offenbarte „Selbst“ der Verfasser zu lesen30. Von anderer Seite kam die kritische Anmerkung, der konstruktive Charakter politischer Korrespondenzen habe nur ein inszeniertes Ich erlaubt31. Daran schließt die folgende Studie an. Im Mittelpunkt steht Greiffenklaus Thematisierung der eigenen Person32. Welche „Ich-Konstruktionen“ lassen sich in der Korrespondenz des Adeligen mit dem Kaiser finden? Bei der Beantwortung dieser Frage werden die drei wichtigsten Themenkomplexe näher analysiert, in denen sich der Resident gegenüber dem Habsburger als denkendes und handelndes Individuum präsentierte: Religion, Loyalität und Ehre. Zum einen soll gezeigt werden, wie adelige Diplomaten in transkulturellen Räumen ihr „Ich“ zeichneten; das Verhältnis zwischen Individualität und Kollektivität bildet derzeit ein wichtiges Thema der Adelsforschung33. Die in der älteren Literatur vertretene Ansicht, der einzelne Adelige hätte kaum individuelle Gestaltungsoptionen für sein Leben besessen und sei völlig in den Bann der ständischen und familiären Kollektivanforderungen gezogen worden, wurde inzwischen relativiert. Der Verzicht auf individuelle Selbstverwirklichung jenseits der sozialen Ordnung verhinderte nicht die Ausbildung einer eigenen Persönlichkeit34. Zum anderen soll die Analyse zu einem tieferen Verständnis diplomatischer Korrespondenzen beitragen. Medienwissenschaftlich betrachtet handelte es sich nicht um neutrale Vermittler in einem Kommunikationsprozess zwischen einem Sender (Greiffenklau) und einem Empfänger (Ferdinand III.), sondern um konstruierende und aktionale Gegenstandsbereiche, das heißt, die Briefe gestalteten die Kommunikation; sie beeinflussten oder erzeugten spezifische Arten der Raum-, Zeit- und Gegenstandswahrnehmung35. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Begriff der Medialität, demgemäß Medien, wie sie diplomatische Korrespondenzen darstellen, charakteristische Eigenschaften besitzen, eine ihnen eigene „mediale Qualität“36, denn ihre Produktion unterliegt spezifischen Regeln, die auf die Nachrichtenübermittlung einwirken. Sie widerspiegeln daher auch nicht einfach Sachverhalte, sondern vermitteln eine ihnen eigene Sichtweise. 30   Peter Burschel, Topkapı Sarayı oder Salomon Schweiggers Reise ans Ende der Zeit, in: Räume des Selbst. Selbstzeugnisforschung transkulturell, hg. von Andreas Bähr–Peter Burschel–Gabriele Jancke (Selbstzeugnisse der Neuzeit 19, Köln–Weimar–Wien 2007) 29–40, hier 31f.; Christine Vogel, Osmanische Pracht und wahre Macht. Zur sozialen Funktion von Differenzmarkierungen in diplomatischen Selbstzeugnissen des späten 17. Jahrhunderts, in: Selbstzeugnis und Person. Transkulturelle Perspektiven, hg. von Claudia Ulbrich– Hans Medick–Angelika Schaser (Selbstzeugnisse der Neuzeit 20, Köln–Weimar–Wien 2012) 315–333. 31  Christina Antenhofer–Mario Müller, Briefe in politischer Kommunikation. Einführung, in: Briefe in politischer Kommunikation vom Alten Orient bis ins 20. Jahrhundert, hg. von dens. (Schriften zur politischen Kommunikation 3, Göttingen 2008) 9–30, hier 21f. Hinweise auf die Problematik, politische Briefe als Selbstzeugnisse zu betrachten. 32   „Person“ wird dabei als eine historisch und kulturell geprägte Kategorie verstanden. Vgl. Marcel Mauss, Eine Kategorie des menschlichen Geistes: Der Begriff der Person und des „Ich“, in: ders., Soziologie und Anthropologie, Bd. 2: Gabentausch, Soziologie und Psychologie, Todesvorstellung, Körpertechniken, Begriff der Person (Frankfurt/Main 1978) 223–252. 33  Alexander Jendorff, Eigenmacht und Eigensinn. Zum Verhältnis von Kollektivität und Individualität im alteuropäischen Adel. HZ 292 (2011) 613–644. 34   Ebd. 615–617. 35  Vgl. dazu allgemein Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse (Historische Einführungen 4, Frankfurt/Main–New York 2008) 107; Frank Bösch, Mediengeschichte. Vom asiatischen Buchdruck zum Fernsehen (Historische Einführungen 10, Frankfurt/Main–New York 2011) 22. 36  Zum Begriff „Medialität“ vgl. Werner Faulstich–Reinhart Meyer-Kalkus–Uwe Wirth u. a., Medialität, in: Handbuch Literaturwissenschaft, Bd. 1: Gegenstände und Grundbegriffe, hg. von Thomas Anz (Stuttgart 2007) 203–264, hier 204f.



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Greiffenklaus „Ich-Konstruktionen“ Diplomatische Korrespondenzen im Hinblick auf „Ich-Konstruktionen“ zu analysieren, bereitet in der Forschungspraxis Schwierigkeiten, denn die Subjektebene der Verfasser liegt nicht offen37. Die Gesandten waren zur „Objektivität“ angehalten, sie sollten nüchtern und sachlich berichten, weshalb sie persönliche Elemente in den Hintergrund rückten. Ihre Schreiben hatten deshalb selbstverbergenden Charakter; gleichwohl kommt das Personalpronomen „ich“ („mir“, „mich“) alleine in den 52 bislang aufgefundenen Briefen, die Greiffenklau zwischen dem Beginn der Mission zu Jahresbeginn 1643 und Ende 1645 an Ferdinand III. schickte, rund 1.500 Mal vor38. Regelmäßig finden sich Wahrheits- und Authentizitätsnarrative mit Hinweisen auf selbst Erlebtes oder Gesehenes. Der Resident erscheint darin als denkendes und handelndes Individuum, das entscheidet, beurteilt und Ratschläge erteilt. Ins Auge stechen dabei drei Themenkomplexe, die im Folgenden näher analysiert werden. *** 1. Greiffenklau verrichtete seinen Dienst an der Hohen Pforte in einem von religiösen Spannungen aufgeladenen Kontext, denn in der Habsburgermonarchie wie im Osmanischen Reich war das politische und soziale Leben vom Glauben geprägt. Die Rivalität zwischen Christentum und Islam übertrug sich auf die bilateralen Beziehungen und war zwar nicht die einzige, aber doch eine gewichtige Ursache für die acht Türkenkriege, die in der Frühen Neuzeit zwischen Habsburgern und Osmanen stattfanden. Die Überwindung der religiösen Differenzen war für das von beiden Seiten betriebene Konfliktmanagement, von dem mehr als 60 Friedensverträge beziehungsweise Waffenstillstandsabkommen ein beredtes Zeugnis ablegen, von großer Bedeutung39. Aus diesem Grund spricht Greiffenklau regelmäßig Themen mit Religionsbezug an. Mehrfach berichtet er über die Schwierigkeiten für Christen bei der Glaubensausübung, das Patriarchat von Konstantinopel, christliche Kriegsgefangene, die in die Hände der Osmanen gefallen waren und nun als Sklaven ihr Dasein fristeten, über die Heiligen Stätte in Jerusalem, deren Verwaltung der griechisch-orthodoxen Kirchen übertragen worden war, sowie über die Lebensbedingungen der in Konstantinopel anwesenden Angehörigen katholischer Orden. All diese Themen hatten einen engen Bezug zum Christentum. Dem Islam per se schenkt er hingegen nur wenig Interesse. Ins Spiel kommt er in der Regel nur indirekt, dann, wenn er politi  Antenhofer–Müller, Einführung (wie Anm. 31) 21f.   Das genaue Datum des Beginns der Mission ist unklar. Die Anweisung zur Abreise erfolgte am 5. Feb., die erste Instruktion ist auf den 1. März 1643 datiert. Vgl. Kayserlicher Hof-Kriegs-Kantzley Registratur Prothocollum de anno 1643, ÖStA, KA, ZSt HKR HR Bücher 289 (1643), fol. 186r, 229r; Greiffenklau an Ferdinand III., 20. Juni 1643 (Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 116/2, fol. 103r–125v. Der Adelige kam am 15. März 1643 in Buda an. Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 17. März 1643 (Kowin bei Buda), ebd. fol. 23r–24v. Am 4. Juli 1648 erreichte Ferdinand III. ein Schreiben mit der Nachricht vom Tod des Residenten. Vgl. Ferdinand IV. an Ferdinand III., 4. Juli 1648 (Wien), ebd. Kt. 120/2, fol. 149r–150v. 39  Gabriel Efendi Noradounghian, Recueil d’Actes Internationaux de l’Empire Ottoman. Tome premier: 1300–1789 (Paris 1897); Ludwig Bittner, Chronologisches Verzeichnis der österreichischen Staatsverträge, Bd. 1: Die österreichischen Staatsverträge von 1526 bis 1763 (VKNGÖ 1, Wien 1903); Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen. Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit, hg. von Arno Strohmeyer–Norbert Spannenberger (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 45, Stuttgart 2013). 37 38

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sche Bedeutung erlangt oder das Christentum unmittelbar berührt, etwa wenn es um den auf christliche Gefangene ausgeübten Druck zur Konversion geht oder der Sultan anordnet, ausländische Christen zu ermorden40. Daher fehlen theologische Erörterungen, abwertende Bemerkungen über das religiöse Leben der Muslime und Hinweise auf Verstöße gegen ihre Glaubensvorschriften, etwa das Alkoholverbot, wie sie in der zeitgenössischen Reiseliteratur zu finden sind. Über die in Konstantinopel wohnenden Juden äußerte sich Greiffenklau ebenfalls nur beiläufig, etwa in Finanzangelegenheiten41. Auf eine religiöse Dimension jenseits dieser Nachrichtenübermittlung verweisen häufig wiederkehrende Phrasen mit Gottbezügen, etwa Formulierungen wie „Gott lob“, „Gott behüte“, „Gottes Wille“, „in Gottes Namen“, „mit Gottes Hilfe“ und „Gott (der Allmächtige) weiß“. Seltener benützt der Adelige adjektivische Begriffsbildungen wie „mit göttlicher Gnade“ und „mit göttlicher Hilfe“. Charakteristisch sind Appelle an Gott, um die Ereignisse in eine günstige Richtung zu lenken, zum Wohle des Kaisers, des Heiligen Römischen Reichs und der Christenheit42. Den Sieg der verbündeten kaiserlich-bayerischen Truppen über die französische Armee in der Schlacht bei Tuttlingen am 24. November 1643 beispielsweise schrieb er der Hilfe Gottes zu43. Manchmal dienen solche Gottbezüge auch zur Bekräftigung der Wahrheit einer Aussage44. Selten verwendete er „Gott“ als Bezeichnung für „Allah“, und zwar dann, wenn Aussagen von Osmanen in direkter oder indirekter Rede wiedergegeben werden, eine Darstellungstechnik, die Authentizität vermittelte und die Glaubwürdigkeit der Berichte erhöhte45. Mit solchen Phrasen, die nicht automatisch als Beleg persönlicher Frömmigkeit verstanden werden können, ordnete sich der Adelige in das christliche Weltbild ein, mit Gott als schicksalhaftem Lenker und oberster Instanz des geistlichen und weltlichen Lebens. Sie finden sich auch in der Korrespondenz anderer Diplomaten und waren vom brieftheoretischen Diskurs beeinflusst. Bereits im Mittelalter gab es im Rahmen der ars dictandi bzw. ars dictamini Anleitungen zum korrekten Abfassen von Briefen; Brieflehrbücher (Briefsteller) sind im Heiligen Römischen Reich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts nachgewiesen46. Sie legten die Richtlinien fest, an denen sich die Schreiber orientieren sollten. Das Vermögen, einen Brief normgerecht verfassen zu können, war eine wichtige Qualifikation für den Hofdienst, die Briefschreibelehre daher Teil des adeligen Bildungskanons47. Bis ins 18. Jahrhundert orientierte sie sich an der Rhetorik, weshalb Stil und Dispositionsvorschriften von Briefen den Techniken zur Ausarbeitung einer Rede folgten48. Ge40  Vgl. etwa Greiffenklau an Ferdinand III., 14. Okt. 1643 (Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 117, fol. 94r–99v; ders. an Ferdinand III., 24. Aug. 1645 (Konstantinopel), ebd. Kt. 119/1, fol. 312r–322v. 41  Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 11. Aug. 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. Kt. 117, fol. 427r– 441v. 42   Vgl. etwa Greiffenklau an Ferdinand III., 16. März 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. fol. 170r–178v. 43   Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 19. März 1644 (Konstantinopel), ebd. fol. 190r–193v, 196r–202v. 44  Greiffenklau an Ferdinand III., 11. Sept. 1645 (Pera-Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 119/1, fol. 331r–335v. 45  Vgl. etwa Greiffenklau an Ferdinand III., 17. März 1643 (Kowin bei Buda), ebd. Kt. 116/2, fol. 23r– 24v; ders. an Ferdinand III., 6. Mai 1643 (Konstantinopel), ebd. fol. 40r–42v. 46   Reinhard M. G. Nickisch, Die Stilprinzipien in den deutschen Briefstellern des 17. und 18. Jahrhunderts. Mit einer Bibliographie zur Briefschreiblehre (1474–1800) (Göttingen 1969) 248. 47  Walter Uka, Brief, in: Grundwissen Medien, hg. von Werner Faulstich (München 31998) 114–132, hier 116f. 48  Heiko Droste, Briefe als Medium symbolischer Kommunikation, in: Ordnung und Distinktion. Praktiken sozialer Repräsentation in der ständischen Gesellschaft, hg. von Marian Füssel–Thomas Weller (Sym-



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staltend wirkte außerdem der diplomatietheoretische Diskurs, der im 16. Jahrhundert aufgekommen war, als Europa schrittweise mit einem Netz ständig residierender Gesandtschaften überzogen wurde. Handbücher thematisierten die Aufgaben von Diplomaten, darunter die ordnungsgemäße Berichterstattung. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Diplomaten zur Vorbereitung auf ihre Missionen oftmals die Korrespondenzen ihrer Vorgänger zu lesen bekamen49. Inwieweit Greiffenklau diese brieftheoretische Literatur rezipierte, ist aufgrund der lückenhaften Dokumentation seines Lebenslaufs, insbesondere auch seiner Erziehung, unsicher. Klar ist, dass ihm viele Normen aus der Praxis – durch das Lesen von Briefen anderer Diplomaten – bekannt waren und es eine ihm als Adeligen vertraute Kultur des Briefschreibens gab. Einen tieferen Einblick in seine „Ich-Darstellung“ gewähren jene Passagen, in denen er sich als entschlossener Verfechter seines Glaubens präsentiert und in die Gemeinschaft der Christen einordnet. Als sich etwa im August 1645 die Lebenssituation für Christen in Konstantinopel aufgrund repressiver Anordnungen des Sultans drastisch verschlechterte, schrieb er, wier [die Christen] anderß nichts dan daß end erwartet unndt theilß in unseren heusern die gantze nacht in gewehr gestanden50. Derartige oder ähnliche Bezugnahmen finden sich in der Korrespondenz in großer Zahl. So stellte Greiffenklau seine Mission ausdrücklich nicht nur in den Dienst des Kaisers, sondern der gesamten Christenheit, für deren Verteidigung er sich, daran wird kein Zweifel gelassen, verantwortlich fühlt51. Eine Differenzierung in die einzelnen christlichen Konfessionen findet sich nur ausnahmsweise und wenn, dann handelt sich in der Regel um die Unterscheidung zwischen lateinischem und orthodoxem Christentum. Die Trennung von Katholiken und Protestanten ist ihm kein vorrangiges Anliegen. Greiffenklau verstand sich außerdem als Teil des von den Gesandten der europäischen Mächte in Konstantinopel gebildeten diplomatischen Korps, wobei er auch hier eine feste Verbindung zum Christentum herstellte. Deutlich zum Ausdruck kommt dies, als er den Kaiser über die Verlegung seines Wohnsitzes nach Pera informierte: Dieweil auch inß gemein alhie gesagt worden, alß ob euer kayserlichen majestät residenten sich alß geisel bey dieser Porten auffhalten unndt deßwegen von andern christlichen ministris, welche alhie zu Pera beynander wohnen, abgesondert auff iener seiten deß golfo zu Constantinopel logiren müesten, hab ich […] fur mich unndt meine leuth umb etwaß beßere accommodation meine wohnung in ein hauß, so der vorige frantzösische ambasciador bewohnet, im monat Octobri hieher transferieret […], zu welcher transmigration mir hernach die Christen alle glüekh gewünschet52. bolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 8, Münster 2005) 239–256; ders., Im Dienst der Krone. Schwedische Diplomaten im 17. Jahrhundert (Berlin 2006) 101–139, 169–192. Kritik an einer überzogenen Lesart von Briefen als Rede übt Beatrix Bastl, Formen und Gattungen frühneuzeitlicher Briefe, in: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch, hg. von Josef P ­ auser– Martin Scheutz–Thomas Winkelbauer (MIÖG Ergbd. 44, Wien–München 2004) 801–812, hier 803f. 49   Heidrun Kugeler, „Le parfait Ambassadeur“. Zur Theorie der Diplomatie im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden, in: Internationale Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Ansätze und Perspektiven, hg. von ders.–Christian Sepp–Georg Wolf (Hamburg 2006) 180–211. 50   Greiffenklau an Ferdinand III., 24. Aug. 1645 (Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 119/1, fol. 312r–322v. 51   Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 14. Okt. 1643 (Konstantinopel), ebd. Kt. 117, fol. 94r–99v; ders. an Ferdinand III., 16. März 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. fol. 170r–178v. 52  Greiffenklau an Ferdinand III., 20. Feb. 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. fol. 149r–157v; in diesem Sinn: ders. an Ferdinand III., 4. Dez. 1644 (Konstantinopel), ebd. Kt. 118/1, fol. 610r–624v.

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Der Adelige musste sich in Konstantinopel orientieren, Reize verarbeiten, die Interkulturalität bewältigen und seine Aufgaben als Diplomat erfüllen. Aus diesem Grund war er dazu angehalten, eine Vielzahl an Informationen zu verarbeiten, zu ordnen und zu interpretieren. Ein zentrales Merkmal ist dabei die Unterscheidung zwischen dem „Eigenen“ und dem „Anderen“, ein Wahrnehmungsmuster, das zum Grundbestand menschlichen Denkens zählt. Für Diplomaten war die Auseinandersetzung mit Fremdheit etwas Alltägliches53. Die Religion spielte dabei eine zentrale Rolle – die Unterscheidung zwischen „gläubig“ und „ungläubig“ durchzieht die Berichterstattung wie ein roter Faden; Greiffenklau stellte die Gemeinschaft der Christen den Türken beziehungsweise Muslimen gegenüber. Diese Zweiteilung der Welt findet sich in den unterschiedlichsten Zusammenhängen: So deutete er die Beruhigung der Lage an der persischen Grenze als Bedrohung für die gesamte Christenheit54. Um sein persönliches Verhältnis zu den ­Osmanen auf eine gute Basis zu stellen, achtete er in seinem Gefolge auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Christen und Muslimen55, bei der Wiedergabe der Gespräche mit den Osmanen schrieb er diesen analog die Unterscheidung zwischen „Ungläubigen“ bzw. „Giauren“ und „Türken“ zu, das heißt, er benützte sie zur Interpretation des Verhaltens der Gegenseite56. Auf derselben Grundlage basierte seine Berichterstattung über die Verhandlungen der schwedischen Gesandten mit den Osmanen, deren Geheimhaltung er mit deren Skrupeln erklärte, diese würden in der Christenheit bekannt werden57. Ebenso interpretierte er die Verteidigung Kretas durch die Venezianer als Stellvertreterkrieg für die gesamte Christenheit: Es ist, Gott weiß, nicht zu beschreiben noch außzusprechen, waß für einen hochmuet undt insolentz wider die Christen diese victori den Türken alhie verursachet, vermeinen, daß nunmehr ihnen die gantze welt zu gehore. Die Christen seindt perplex unndt kleinmuetig, schelten auff die Venezianer, daß sie der christenheit zu höchstem nachtheil so liederlich ihre lander von den Türken einnehmen lassen58. Die Gegenüberstellung von Christen und Muslimen stand in engem Zusammenhang mit der Kategorisierung der Welt in „gut“ und „böse“, die Greiffenklau durch die Bezeichnung der Osmanen als Erbfeind der gesamten Christenheit – ein damals im Heiligen Römischen Reich weitverbreitetes Stereotyp, in das die religiöse Differenz einfloss59 – nochmals zuspitzte60. Die Feindseligkeit der Osmanen musste sich allerdings nicht automatisch von derjenigen christlicher Mächte unterscheiden, wie der Vergleich des An53   Strohmeyer, Kategorisierungsleistungen (wie Anm. 14); Wahrnehmungen des Fremden: Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert, hg. von Michael Rohrschneider–Arno Strohmeyer (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V. 31, Münster 2007). 54  Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 20. Feb. 1644 (Pera-Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 117, fol. 149r–157v. 55  Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 16. März 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. fol. 170r–178v. 56  Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 5. Jan. 1645 (Pera-Konstantinopel), ebd. Kt. 118/3, fol. 1r–11v; ders. an Ferdinand III., 13. Mai 1645 (Pera-Konstantinopel), ebd. fol. 212r–214v; ders. an Ferdinand III., 13. Mai 1645 (Pera-Konstantinopel), ebd. fol. 212r–214v. 57  Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 23. Feb. 1645 (Konstantinopel), ebd. fol. 47r–53v. 58  Greiffenklau an Ferdinand III., 11. Sept. 1645 (Pera-Konstantinopel), ebd. Kt. 119/1, fol. 331r–335v. 59  Über das Stereotyp vom „Erbfeind“ gibt es zahlreiche Studien. Vgl. Martin Wrede, Die ausgezeichnete Nation. Identitätsstiftung im Reich Leopolds I. in Zeiten von Türkenkrieg und Türkensieg, 1663–1699, in: Das Bild des Feindes. Konstruktion von Antagonismen und Kulturtransfer im Zeitalter der Türkenkriege. Ostmitteleuropa, Italien und Osmanisches Reich, hg. von Eckhard Leuschner–Thomas Wünsch (Berlin 2013) 19–31. 60  Greiffenklau an Ferdinand III., 16. März 1644 (Pera-Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 117, fol. 170r–178v; ders. an Ferdinand III., 12. Apr. 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. fol. 225r–241r.



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griffs auf Kreta mit der schwedischen Politik gegenüber dem dänisch-norwegischen König Christian IV. (1577–1648) und den antikaiserlichen Agitationen Rákóczis veranschaulicht: Es wirdt in der christenheit erschallen, daß die Venetianer von den Türcken arglistig sine denunciatione belli bedrogen worden. Wan aber der ienige modus, welchen gar ietziger zeiten die Schweden wider die königliche würdt zu Dennemarck unndt wider euer kayserlichen majestät der Ragoci gebrauchet hatt, angesehen wirdt, so darff man nicht sagen, daß die Türcken sich mehr dan selbige Christen barbarisch erzeigen61. Eine Materie, die ebenfalls eine religiöse Komponente aufweist, ist die Freilassung christlicher Kriegsgefangener. Es handelte sich um eine der Hauptaufgaben der kaiserlichen Diplomaten in Konstantinopel, der sich aber auch die Vertreter der anderen christlichen Mächte widmeten. Greiffenklau bemühte sich einerseits um den Freikauf der Betroffenen, andererseits um deren Freilassung als Gnadenakt oder Freundschaftsgeste62. Das Engagement galt als Ausdruck christlicher Nächstenliebe und brachte symbolisches Kapital63. Alles in allem offenbarte sich der Adelige als Christ, der für seinen Glauben mit großer Überzeugung eintrat und diesen gegen den Islam verteidigte. Persönliche Frömmigkeit hingegen ist kein Thema. Insgesamt präsentierte er somit eine Religiosität, die von „Wir-Bezügen“ geprägt war, von der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Christen. Dieses „Ich“ ist von stärker autonomen Individualitätsvarianten zu unterscheiden, die sich in späteren Epochen ausbildeten64. Es tritt nicht in einer ausschweifenden Darstellung der eigenen Person und des Innenlebens ans Tageslicht, sondern entspricht einer „heterologen Subjektivität“, wie sie die Literaturwissenschaftlerin Eva Kormann in autobiographischen Texten des 17. Jahrhunderts erkannte. Diese Form von Individualität entstünde in erster Linie dann, „wenn die Autor(innen) sich das eigene Ich erschreiben, indem sie andere und anderes beschreiben […], wenn die eigene Person bezogen wird auf eine Gruppe, zu der zugehörig man sich beschreibt, oder auf Dinge oder Ereignisse in der Welt, mit denen man sich verbunden sieht“65. Das kollektivkonforme Verhalten, das Greiffenklau offenbarte, bedeutete nicht die Aufgabe seiner Individualität, denn es war der persönliche Einsatz, sein individuelles Tun, das die Gemeinschaft der Christen förderte. Die Zugehörigkeit zum Kollektiv bildete den Bezugsrahmen der Selbstoffenbarung. *** 2. Den zweiten Themenbereich der Korrespondenz, in dem Greiffenklau sein „Ich“ besonders deutlich präsentierte, bildet die Trias Treue – Gehorsam – Loyalität. Ähnlich   Greiffenklau an Ferdinand III., 21. Juli 1645 (Konstantinopel), ebd. Kt. 119/1, fol. 291r–297v.   Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 19. März 1644 (Konstantinopel), ebd. Kt. 117, fol. 190r–193v, 196r–202v; ders. an Ferdinand III., 16. Apr. 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. fol. 268r–269v; ders. an Ferdinand III., 31. Okt. 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. Kt. 118/1, fol. 573r–580v. 63  Elisabeth Pauli, Die Befreiung christlicher Gefangener durch den Trinitarierorden im 17. und 18. Jahrhundert. Die österreichischen Redemptionen im Kontext der Gesamtstruktur des Ordens (Diss. Graz 2011) 318–367. 64  Vgl. dazu grundsätzlich Eva Kormann, Ich, Welt und Gott. Autobiographik im 17. Jahrhundert (Selbstzeugnisse der Neuzeit 13, Köln–Weimar–Wien 2004) 1–12. 65  Ebd. 300; in diesem Sinn: dies., Ich und Welt in der Autobiographik des 17. Jahrhunderts. Heterologe Selbstkonzepte bei Maria Elisabeth Stampfer und Elias Holl, in: Vom Individuum zur Person. Neue Konzepte im Spannungsfeld von Autobiographietheorie und Selbstzeugnisforschung, hg. Gabriele Jancke–Claudia ­Ulbrich (Querelles. Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung 10, Göttingen 2005) 97–107, hier 97f. 61 62

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wie bei der Religion stellen zunächst auch hier phrasenhafte Formulierungen einen Bezug her. So werden in der Schlussformel zwar nicht immer, aber doch oftmals, die treuen Dienste für Ferdinand III. erwähnt. Charakteristisch dafür ist der letzte Satz des Briefes vom 21. Juli 1645: Hiemit euer kayserlichen maiestät allerunderthenigste dieffe reverentz erweisent, dieselbe zu höchster kayserlichen wohlfart der göttligen obacht getreuligst empfehle66. Noch öfter finden sich am Ende der Schreiben solche schematische Bezugnahmen: dero ich meine wenige person zu bestendig kaiserlichen gnaden allergehorsambst empfele67. Auch sonst gehören Gehorsamsversicherungen, oftmals kombiniert mit Untertänigkeitsbekundungen und Verweisen auf die langjährige Loyalität gegenüber dem Kaiser und dem Haus Habsburg, zu den festen Bestandteilen der Korrespondenz. Sie standen in engem Zusammenhang mit der asymmetrischen Beziehung zwischen Sender und Empfänger, zwischen Greiffenklau und dem Kaiser, der in der politischsozialen Hierarchie deutlich über dem Residenten stand; ein Untertan schrieb seinem Herrn, ein Klient seinem Patron; die „Investition“ – der Dienst in Konstantinopel – sollte sich lohnen und zur Vermehrung des symbolischen Kapitals führen, eine Kompensation für die zahlreichen Entbehrungen und den mitunter erheblichen materiellen Aufwand. Es war daher naheliegend, den Inhalt der Schreiben an die vermuteten Wünsche und Bedürfnisse des Empfängers anzupassen und sich als vorbildlicher Untertan und „Bilderbuchdiplomat“ zu präsentieren. Der Kaiser sollte zufrieden gestellt werden, in eine bestimmte Richtung denken, Dinge tun oder unterlassen und die Verdienste anerkennen. Die Korrespondenz hatte somit auch appellativen Charakter68. Hand in Hand mit Verweisen auf die treuen Dienste und den Gehorsam hob der Adelige deshalb immer wieder seine persönlichen Leistungen bei der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben hervor. Besonders deutlich ist dies in dem Schreiben vom 16. März 1644 zu erkennen69. Greiffenklau war zu diesem Zeitpunkt ein knappes Jahr in Konstantinopel und hielt ein rückblickendes Resümee für notwendig, da seine Arbeit am Kaiserhof offenbar auf Kritik gestoßen war70. Der sorgfältig konzipierte Brief beginnt mit dem Hinweis, der Kaiser hätte eine an Verstand und Qualifikation besser geeignete Person zum Residenten ernennen sollen, gefolgt von Anspielungen auf die derzeit angespannte internationale Lage und daraus resultierend besonders schwierigen Arbeitsbedingungen. Die Argumentation ist eindeutig: Jemand, der für sein Amt nicht optimal geeignet ist, muss unter außergewöhnlich schwierigen Umständen seiner Tätigkeit nachgehen. Vor diesem Hintergrund werden anschließend die drei zentralen Aufgaben resümiert, die ihm der Kaiser übertragen hatte: 1. Sicherung des Friedens mit den Osmanen, 2. Verhinderung der Machenschaften Rákóczis und 3. Beruhigung des Kleinkriegs an der Grenze. Den ersten Punkt habe er, der Kriegstreiberei anderer Mächte, namentlich Schwedens, und der bekannten politischen Unzuverlässigkeit der osmanischen Regierung, insbesondere der Unberechenbarkeit des Sultans, zum Trotz, erledigt. Ebenso habe er die Gefahr eines 66  Greiffenklau an Ferdinand III., 21. Juli 1645 (Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 119/1, fol. 291r–297v. 67   Greiffenklau an Ferdinand III., 29. März 1643 (Belgrad), ebd. Kt. 116/2, fol. 35r–36v. 68  Vgl. dazu grundsätzlich Friedemann Schulz von Thun, Miteinander reden, Bd. 1: Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation (Reinbek/Hamburg 2000). 69  Greiffenklau an Ferdinand III., 16. März 1644 (Pera-Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 117, fol. 170r–178v. 70  Der Resident war am 23. Apr. 1643 in Konstantinopel eingetroffen. Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 6. Mai 1643 (Konstantinopel), ebd. Kt. 116/2, fol. 40r–42v.



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Türkenkriegs gegen das Heilige Römische Reich oder die kaiserlichen Erbkönigreiche und Länder gebannt und es sei ihm gelungen, die gefährlichen Intrigenspiele des Fürsten von Siebenbürgen, die dieser gemeinsam mit den Franzosen, Niederländern und Schweden betrieben habe, zu durchkreuzen, und zwar ohne Bestechung durch Geld und Geschenke, also unter erschwerten Bedingungen und kostengünstig71. In der darauf folgenden Passage widerlegte der Adelige dann den offenbar aufgekommenen Vorwurf, er würde zu selten und nicht ausführlich genug berichten, mit Hinweisen auf aktuelle Schwierigkeiten der Postübermittlung. Der Kontakt zu den diplomatischen Vertretern der befreundeten Mächte sei eng, er würde sich stets an die Instruktion halten, versuchen, das Haus Österreich zu fördern und alle Handlungen den Interessen des Kaisers unterordnen72. Wenn jemand an seiner Tätigkeit etwas zu bemängeln habe, solle er, anstatt sich hinterrücks zu beschweren, direkt an ihn wenden. Ohne das Vertrauen des Kaisers und der Geheimen Räte in seine treuen Dienste könne er sein Amt nicht ausüben73. Kommunikationspsychologisch handelt es sich um eine typische Imponiertechnik, der Resident zeigt sich von seiner besten Seite, Fehler hingegen werden hinter einer Fassade verborgen, gleichzeitig wird an das Vertrauen des Kaisers appelliert74. Zusammengefasst offenbart sich Greiffenklau als folgsamer und loyaler Untertan, der sich mit den Werten und Zielen des Kaisers identifiziert sowie die ihm übertragenen Pflichten verlässlich und mit großem Eifer erfüllt. Verknüpft wird dies mit Hinweisen auf den großen persönlichen Einsatz. Ähnlich wie bei der Religion offenbart sich auch hier das denkende und handelnde „Ich“ durch einen „Wir-Bezug“, durch die Einordnung in die Untertanenschaft des Habsburgers. Kollektivität und Individualität standen also in einem Spannungsverhältnis zueinander, wie dies in der Forschung über den alteuropäischen Adel jüngst aufgezeigt wurde75. *** 3. Der dritte Bereich, in dem Greiffenklau ein „Ich“ offenbart, ist der Themenkomplex „Ehre“: Folgt man der Korrespondenz, trat er unnachgiebig und konsequent für die Ehre Ferdinands III. wie des Hauses Österreich ein. So war es ihm in der Instruktion ausdrücklich aufgetragen worden, und so wurde er nicht müde, es dem Kaiser zu versichern76. Seinen Berichten folgend, bildete die persönliche Ehre für alle Akteure ein leitendes Handlungsmotiv, für seine osmanischen Verhandlungspartner ebenso wie die mit ihm interagierenden Diplomaten anderer Mächte. Er selbst beteiligte sich durch seine individuelle Leistung an der Durchsetzung der kaiserlichen Ehrpolitik, in der Frühen Neuzeit grundsätzlich eine wichtige Herrschaftspraxis, auf deren Bedeutung die zeitgenössische politische Theorie, etwa der bei den Habsburgern einflussreiche Lipsianismus, hinwies77.   Greiffenklau an Ferdinand III., 16. März 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. Kt. 117, fol. 170r–178v.   Ebd. 73   Ebd. 74   Schulz von Thun, Miteinander reden (wie Anm. 68) 106–108. 75   Jendorff, Eigenmacht (wie Anm. 33) 613–644. 76   Ferdinand III. an Greiffenklau, Zwischeninstruktion, 28. Dez. 1643 (Wien), MNL – OL, A 98, Acta Transylvanica 10. d. 14/II., fasc. 160, fol. 728r–731v. 77   Vgl. Wolfgang E. J. Weber, Ehre. EdN 3 (2006) 77–83, hier 80. Zur Bedeutung von Ehre im zeitgenössischen Herrschaftsverständnis vgl. ders., Honor, fama, gloria. Wahrnehmungen und Funktionszuschreibun71 72

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Der umfassende Stellenwert offenbart sich in dem breiten Bedeutungsfächer des polysemen Wortes „Ehre“, das Greiffenklau in einen engen Zusammenhang mit Ausdrücken wie „Herrlichkeit“, „Ruhm“ und „Ansehen“ stellte und für das er Synonymbegriffe wie „Reputation“ benützte78. Klar ist zu erkennen, dass es sich bei Ehre nicht um eine unveränderliche moralisch-rechtliche Größe handelte, sondern um ein kontextuell geprägtes, historisch wandelbares Regelsystem79, das er auf die spezifischen Verhältnisse der habsburgisch-osmanischen Beziehungen adaptierte. Ein wichtiges Ziel dieser kaiserlichen Ehrpolitik war demnach die Herstellung bzw. Verteidigung der Ranggleichheit zwischen Ferdinand III. und dem Sultan, ein Leitthema der habsburgisch-osmanischen Beziehungen; für die Epoche typisch, führten die umfassenden Differenzen zu einem langwierigen Ehrkonflikt zwischen den Herrschern80. Im 16. Jahrhundert, vor dem Hintergrund der militärischen Überlegenheit der türkischen Armee, war dieser noch vom Überlegenheitsbewusstsein der Osmanen geprägt gewesen, gekennzeichnet etwa durch deren Weigerung, den römisch-deutschen Kaiser als solchen zu titulieren und damit auf eine Ebene mit dem Sultan als Träger des nach der Eroberung Konstantinopels von den Byzantinern übernommenen oströmischen Kaisertitels zu stellen. Ein anderes Merkmal bildeten die rund 30 Tributzahlungen, welche die Habsburger bis zum Ausbruch des „Langen Türkenkriegs“ 1593 leisteten81. Diese Rangordnung geriet jedoch nach dem Frieden von Zsitvatorok 1606, der die Statusgleichheit beider Herrscher festlegte, ins Wanken. Im diplomatischen Zeremoniell setzte sich nun schrittweise die Parität durch. Die Hierarchisierung der bilateralen Beziehungen war damit freilich nicht beendet. Folgt man den Berichten habsburgischer Diplomaten, war ihr Alltag im 17. Jahrhundert von ständigen Versuchen der Osmanen gekennzeichnet, sie symbolisch zu erniedrigen82. Selbst im frühen 18. Jahrhundert hatte sich die Ranggleichheit zumindest im internen Schriftverkehr der osmanischen Administration noch nicht völlig durchgesetzt83. Für das Ehrbewusstsein von besonderer Bedeutung war die Antrittsaudienz der Diplomaten im Topkapı Serail, ein prunkvoll inszeniertes Schauspiel, in dessen Verlauf zahlreiche symbolische Handlungen stattfanden, welche die Möglichkeit boten, den eigenen

gen der Ehre in der Herrschaftslehre des 17. Jahrhunderts, in: Ehrkonzepte in der Frühen Neuzeit. Identitäten und Abgrenzungen, hg. von Sibylle Backmann–Hans-Jörg Künast–Sabine Ullmann–B. Ann Tlusty (Colloquia Augustana 8, Berlin 1998) 70–98. 78   Vgl. dazu grundsätzlich Hans Wellmann, Der historische Begriff der „Ehre“ – sprachwissenschaftlich untersucht, in: Ehrkonzepte (wie Anm. 77) 27–39, hier 34–36. 79  Weber, Ehre (wie Anm. 77) 77–83. 80   Sibylle Backmann–Hans-Jörg Künast, Einführung, in: Ehrkonzepte (wie Anm. 77) 13–23, hier 15. 81   Ernst D. Petritsch, Tribut oder Ehrengeschenk? Ein Beitrag zu den habsburgisch-osmanischen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Archiv und Forschung. Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in seiner Bedeutung für die Geschichte Österreichs und Europas, hg. von Elisabeth Springer–Leopold Kammerhofer (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 20, Wien–München 1993) 49–58. 82  Arno Strohmeyer, Politische Leitvorstellungen in der diplomatischen Kommunikation: Kaiserliche Gesandte an der Hohen Pforte im Zeitalter des Dreissigjährigen Krieges, in: L’art de la paix. Kongresswesen und Friedensstiftung im Zeitalter des Westfälischen Friedens, hg. von Christoph Kampmann–Maximilian Lanzinner–Guido Braun–Michael Rohrschneider (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V. 34, Münster 2011) 409–439. 83  Hedda Reindl-Kiel, Symbolik, Selbstbild und Beschwichtigungsstrategien: Diplomatische Geschenke der Osmanen für den Wiener Hof (17.–18. Jahrhundert), in: Frieden und Konfliktmanagement (wie Anm. 39) 265–282, hier 275.



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Status sowie denjenigen des Auftraggebers zum Ausdruck zu bringen84. Dabei kam es immer wieder zu Demütigungen, etwa durch einen mehr oder weniger gewaltsam herbeigeführten – und von den Betroffenen als unangemessen tief empfundenen – Kniefall vor dem Sultan. Greiffenklau konnte dem Kaiser jedoch über den reibungslosen Ablauf berichten, so dass dessen Ehre keinen Schaden genommen hätte: Man hatt unß, wie hiebevor anderen etwa geschehen, zu keinen unzihmenden ceremonien genötigt, da ich mit einer dieffen reverentz fur hochgemeltem soldan mit der handt allein die erde gerueret […], alsso daß selbiger actus zu euer kayserlichen maiestät sonderlichen ehren in forma wol abgelauffen85. Ebenfalls großes Gewicht besaß der Grenzwechsel der Großbotschafter, dessen Zeremoniell eine bis ins kleinste Detail inszenierte Symmetrie zwischen Kaiser und Sultan zugrunde lag86. Als daher Greiffenklau mit den Osmanen über die geplante Mission des Grafen Hermann Czernin (1576–1651) verhandelte, setzte er gegen den Großwesir durch, von diesem Verfahren in keinem Punkt abzuweichen87. Als dann auch noch die Antrittsaudienz Czernins beim Großwesir ganz nach den Vorstellungen des Residenten über die Bühne gegangen war, konnte der Adelige am 31. Oktober 1644 zufrieden nach Wien melden: So ist dann über wenige tag hernach, am 6. dises monaths, die audienz deß herrn bottschaffters in meinem beyweßen bey dem vezier erfolget, mit welchen sehr stattlichen ehren unnd caeremonien also, das EKM feindte sich offentlich darob verwundert unnd alteriret88. Ein ähnliches Verhalten legte er gegenüber den wieder aufkommenden Tributforderungen der Osmanen an den Tag89. Dabei ist klar, dass sich der Einsatz für die Reputation des Kaisers mit den Bemühungen deckte, das eigene symbolische Kapital zu vermehren, wozu der Adelige aufgrund seines Standes angehalten war90. Deutlich wird das an den Stellen der Korrespondenz, wo Greiffenklau die Verhandlungen mit den Venezianern über das Protokoll des Antrittsbesuchs des Bailo wiedergibt91. Ein anders Beispiel ist der bereits erwähnte Wechsel des Wohnsitzes: Traditionell logierten die kaiserlichen Residenten wie die Vertreter der osmanischen Vasallen und Tributstaaten Siebenbürgen, Ragusa, Moldawien und Walachei im

84  Die Audienz. Ritualisierter Kulturkontakt in der Frühen Neuzeit, hg. von Peter Burschel–Christine Vogel (Köln–Weimar–Wien 2014). 85   Greiffenklau an Ferdinand III., 18. Mai 1643 (Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 116/2, fol. 73r–74v. 86   Arno Strohmeyer, Die Theatralität interkulturellen Friedens: Damian Hugo von Virmont als kaiserlicher Großbotschafter an der Hohen Pforte (1719/20), in: Frieden und Friedenssicherung in der Frühen Neuzeit. Das Heilige Römische Reich und Europa. Festschrift für Maximilian Lanzinner zum 65. Geburtstag, hg. von Guido Braun–Arno Strohmeyer (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V. 36, Münster 2013) 413–438, hier 418–424. 87   Greiffenklau an Ferdinand III., 6. Mai 1643 (Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 116/2, fol. 40r–42v; ders. an Ferdinand III., 20. Juni 1643 (Konstantinopel), ebd. fol. 103r–125v; ders. an Ferdinand III., 7. Aug. 1643 (Konstantinopel), ebd. fol. 145r–149v. Zur Mission Czernins vgl. Julia Kellner, Edition der politischen Korrespondenz des Grafen Hermann Czernin, kaiserlicher Großbotschafter an der Hohen Pforte (1644–1645) (MA Salzburg 2015); Wagner, Österreich (wie Anm. 11). 88   Greiffenklau an Ferdinand III., 31. Okt. 1644 (Pera-Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 118/1, fol. 573r–580v. 89   Vgl. Greiffenklau an Ferdinand III., 20. Juni 1643 (Konstantinopel), ebd. Kt. 116/2, fol. 103r–125v; ders. an Ferdinand III., 4. März 1645 (Konstantinopel), ebd. Kt. 118/3, fol. 98r–101v. 90  Vgl. als Überblick: Klaus Graf, Adelsehre. EdN 1 (2005) 54–56. 91  Greiffenklau an Ferdinand III., 19. März 1644 (Konstantinopel), ÖStA, HHStA, StAbt, Türkei I, Kt. 117, fol. 190r–193v, 196r–202v.

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alten Stadtteil Konstantinopels92, Greiffenklau veranlasste jedoch einen Umzug über das Goldene Horn nach Pera, wo sich die Botschafter Venedigs, Frankreichs, Englands und der Niederlande niedergelassen hatten. Der Adelige argumentierte gegenüber dem Kaiser, in der Öffentlichkeit hätte insgeheim die Ansicht geherrscht, er befände sich in einer Art Geiselhaft und sei deshalb von den Vertretern der bedeutenden christlichen Mächte getrennt untergebracht worden. Dieser Reputationsverlust sei jetzt beseitigt, denn nun würde er gemeinsam mit seinen Bediensteten in einem Haus wohnen, das der frühere französische Botschafter benützt habe: Ich hab mir nicht einbilden können, warumb eure kayserliche maiestät alß des höchsten potentaten der christenheit residenten […] von denen obigen separiret, fast spöttlich under den Juden sitzen unndt […] von vielen leuthen alhier für geisel müesten angesehen unndt gehalten sein. […] Nuhn, waß EKM unndt dero hochlöblichsten ertzhaußes dignitet unndt hochheit angehet (umb welche ich keine möglige spesen noch sonst dienliche mittel underlaße), daß solche in dieser meiner function hierdurch umb ein großes bedienet worden, ist daß fürnembste unndt erscheinet auß erstgemelter ursachen genuegsamb93. Alles in allem legte Greiffenklau offen, dass seine Wertvorstellungen und Normen mit den Ehrvorstellungen des Kaisers übereinstimmten, aus der Ehre des Kaisers, für die er mit allen Kräften eintrat, leitete er die eigene Ehre ab, Ehrzuwachs des Kaisers bedeutete Ehrgewinn der eigenen Person. Der Adelige kompensierte auf diese Weise die physische Abwesenheit vom Wiener Hof, eines der wichtigsten Zentren für den Erwerb und die Zelebration von Ehre94. Zu erkennen ist ferner eine enge Verbindung zu den Bereichen „Religion“ und „Loyalität“. Das Eintreten für die Ehre des Christentums war für den Residenten eine Selbstverständlichkeit und erhöhte seine Ehre wie der treue Dienst für den Kaiser.

Ergebnisse Greiffenklau präsentierte sich in der Korrespondenz mit Ferdinand III. als denkendes und handelndes Individuum, das über seine Situation reflektierte, die Lage analysierte, Interessen entwickelte, Urteile fällte, Entscheidungen traf und versuchte, diese umzusetzen. Das dabei erkennbare „Ich“ offenbarte er insbesondere in drei thematischen Zusammenhängen: beim Eintreten für das Christentum, in der Loyalität gegenüber Ferdinand III., dem er sich als dienstbeflissener und treuer Untertan präsentierte, sowie bei der Akkumulation von Ehre für den Kaiser, die auch zu einem Ehrgewinn für die eigene Person führte. Insgesamt wird ein „Ich“ dargestellt, das stark von „Wir-Bezügen“ gekennzeichnet war: von der Zughörigkeit zur Gemeinschaft der Christen, zum diplomatischen Korps der in Konstantinopel akkreditierten Vertreter christlicher Mächte und zur Gruppe der treuen Diener des Kaisers. Das „Ich“ konstituierte sich somit heterolog durch Gruppenzuordnungen und Außenbezüge. Das kollektivkonforme Verhalten sowie die individuellen Handlungen zur Förderung der Gemeinschaft und des Kaisers führten jedoch nicht zur Aufgabe der Eigeninteressen, sondern, ganz im Gegenteil, sie bildeten ein Instrument zu deren Durchsetzung, denn die Loyalität gegenüber dem Kaiser und der 92  Karl Teply, Kaiserliche Gesandtschaften ans Goldene Horn (Stuttgart 1968) 208–245; Greiffenklau an Ferdinand III., 20. Feb. 1644 (Pera-Konstantinopel), ebd. fol. 149r–157v. 93  Greiffenklau an Ferdinand III., 19. März 1644 (Konstantinopel), ebd. fol. 190r–193v, 196r–202v. 94  Vgl. Weber, Ehre (wie Anm. 77) 80.



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aufopfernde persönliche Einsatz für dessen Ehrgewinn sollten die eigene Karriere fördern und den sozialen Status zum Ausdruck bringen bzw. erhöhen. Folgt man seiner Darstellung, dann erfüllte Greiffenklau die Erwartungen, die an ihn als Repräsentant des Kaisers an der Hohen Pforte und in Folge seiner Standesherkunft als Adeliger gestellt wurden. Bei der Konstruktion dieses „Ich“ ist jedoch auch die Medialität der Kommunikation zu berücksichtigen. Die Korrespondenz war in einen brief- und diplomatietheoretischen Diskurs eingebunden, von der asymmetrischen Beziehung zwischen dem Residenten und dem Kaiser, dem appellativen Charakter der Kommunikation sowie der interkulturellen Schreibsituation beeinflusst.



Fromme Kavaliersreisen? Adelige aus den habsburgischen Erblanden als Rompilger in den Heiligen Jahren von 1650 bis 1750 Von Elisabeth Garms-Cornides

Ausgangspunkt dieses Beitrags ist die Beobachtung, wie viel Wert Papst Benedikt XIV. (1675–1758) auf die Teilnahme des Adels an den Zeremonien des Heiligen Jahres 1750 legte. Mit großer Befriedigung notierte der Pontifex in Briefen, durch die er seinen Freund, den französischen Kardinal Pierre-Paul Guérin de Tencin (1680–1758), über den Verlauf des Giubileo informierte, die frequenza de’ forestieri nobili e di qua e di là [dei] monti1. Aus welchen Gegenden jenseits der Alpen die frommen Edelleute kamen, präzisierte der Pontifex nur in Ausnahmefällen, etwa wenn er vom Fürsten Paul Esterházy (1711–1762) di razza unghera berichtet, der sich als ernannter kaiserlicher Botschafter auf dem Weg nach Neapel gemeinsam mit seiner Gemahlin und einem beträchtlichen Gefolge rechtzeitig zur Schließung der Porta Santa in Rom eingefunden hatte2. Gewiss, die Aufmerksamkeit für die erfolgreiche Abwicklung des vom Papst unter großem persönlichen Einsatz vorbereiteten Heiligen Jahres bräuchte nicht weiter zu beschäftigen, wäre nicht ein Unterton von Erstaunen herauszuhören darüber, wie eifrig sich Adelige, insbesondere außeritalienische, an der frommen Übung der Pilgerreise beteiligten3. Beruht die Befriedigung des selbst aus altem Bologneser Patriziat stammenden Prospero Lambertini auf der persönlichen Erfahrung der Heiligen Jahre von 1700 und 1725 oder auf der Vorstellung, dass Rom-Wallfahrten in der Lebenswelt des europäischen, vor allem des mitteleuropäischen Adels4 keinen Platz (mehr) hätten? Ebenso und noch um einiges häufiger als in den Privatbriefen des Papstes wird in der offiziösen römischen Wochenzeitung Diario ordinario der adeligen Pilger gedacht5 – so 1   Le lettere di Benedetto XIV al card. de Tencin. Dai testi originali, Bd. 2, hg. von Emilia Morelli (Storia e letteratura. Raccolta di studi e testi 101, Roma 1965) 251, 337, 339, 341. 2  Ebd. 341 zur Ankunft Esterházys und 527 zu dessen neuerlichem, längeren Rombesuch im November 1752. 3  Oft auch Witterungsunbilden trotzend, siehe ebd. 231, 290, oder dem Drängen der ungeduldigen Pilger, siehe ebd. 259, 279. 4  Zur Voreingenommenheit Benedikts XIV. gegenüber dem Reich zusammenfassend Elisabeth GarmsCornides, Il Papato e gli Asburgo nell’età delle riforme settecentesche, in: Il Papato e l’Europa, hg. von Gabriele De Rosa–Giorgio Cracco (Soveria Mannelli 2001) 255–296. 5  Der „Chracas“, wie die während der Türkenkriege begründete Zeitung oft nach der Herausgeberfamilie benannt wird, brachte ab 1718 wöchentlich sowohl lokalrömische als auch Nachrichten aus europäischen Städten. Siehe http://www.casanatense.it/it/attivita/progetti-e-collaborazioni/24-il-cracas-digitale [Zugriff: 19. 2. 2016].

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häufig, dass man kaum die Absicht übersehen kann, auch wenn es zur Tradition kurialer Berichterstattung gehörte, der Anwesenheit von Fürstlichkeiten und Adel erhöhte Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen, verlieh diese doch den Zeremonien einen besonderen Splendor. Schon 1649 verbreitete beispielsweise das päpstliche Staatssekretariat zufrieden die Nachricht von der Menge der nobiltà straniera, die der Öffnung der Porta Santa am Weihnachtsabend mit großer Devotion beigewohnt habe6. Zur gleichen Zeit erschien ein Romführer, in dessen Vorrede sich der Autor, Giacomo Manilli, an die Signori oltramontani divotissimi per così dire delle antichità nostre wandte7. Devozione also als religiös konnotierter Terminus, als Synonym für die andächtige Absolvierung der für die Gewinnung des Jubelablasses vorgeschriebenen Frömmigkeitsübungen (fare le sue devozioni), aber auch „gewissermaßen“ – wie Manilli vorsichtig formuliert – als Bildungsbeflissenheit, wie sie den Kavalieren von jenseits der Alpen wohl anstehe. Hiermit ist also das Spannungsfeld umrissen, dem sich dieser Beitrag widmen möchte. Lassen sich Romreisen des habsburgischen Adels während der Heiligen Jahre auffinden, die über die Aneignung kulturell-gesellschaftlicher Werte hinaus eindeutige Spuren von devozione im Sinne einer religiösen Übung an sich tragen? Und was könnte das zu der allgemeinen, wenn auch noch wenig quellengestützten Annahme beitragen, der Adel habe auf Grund höherer, „aufgeklärter“ Bildung zunehmend nicht (mehr) an den altgewohnten äußeren Formen der „Volksreligiosität“ (wie eben Wallfahrten) teilgenommen8? Kann eine Untersuchung wie die vorliegende auch einen Beitrag zur Schärfung der Begriffe „Volks-“ beziehungsweise „Elitenfrömmigkeit“ leisten, wobei Letztere allerdings meist im Sinne einer gebildeten Religiosität des Klerus (im Gegensatz zur „Volksfrömmigkeit“ der Laien aller Stände) verstanden wird9? Um das Resultat gleich vorwegzunehmen: Von heutigen Erfahrungen ausgehend muss man sich damit bescheiden, dass die verschiedenen Motivationen wohl kaum je säuberlich voneinander geschieden werden können. In den meisten Fällen handelte es sich um Reisende, die, weil es sich zeitlich gerade so ergab, die Kavalierstour mit der Attraktion eines prunkvollen liturgischen Ereignisses verbanden – einer „sacred show“, wie kirchliche Zeremonien im Reiseführer des englischen katholischen Geistlichen Richard Lassels mit durchaus positiver Bewertung genannt werden10. Das umso mehr, als die Beobachtung und die Aneignung zeremonieller Vorgänge einen zentralen Punkt im Lernprogramm des adeligen Touristen darstellte11. Wie viel persönlichen spirituellen Gewinn der junge Kavalier nebenbei aus dem reichen Angebot rö  ASV, Segr. Stato Germania 29, fol. 134r.   Jacomo Manilli, Villa Borghese fuori Porta Pinciana (Roma 1650) unpaginierte Vorrede. 8  Peter Hersche, Devotion, Volksbrauch oder Massenprotest? Ein Literaturbericht aus sozialgeschichtlicher Sicht zum Thema Wallfahrt. Das achtzehnte Jahrhundert und Österreich 9 (1994) 7–34, hier 20f.; Ders., Muße und Verschwendung. Europäische Gesellschaft und Kultur im Barockzeitalter, Bd. 2 (Freiburg/Br. 2006) 813. Zahlreiche Hinweise enthält auch der Sammelband Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit, hg. von Michael Matheus (Mainzer Vorträge 4, Stuttgart 1999). 9  Vgl. den Forschungsbericht von Karl Vocelka, Frömmigkeitsforschung. Mittelalter und Frühe Neuzeit. Forschungsüberblick und bibliographische Einführung. frühneuzeit-info 20 (2009) 15–52. 10 Richard Lassels, The voyage of Italy, or, a complete journey through Italy [...] (Paris 1670) 250. Eine französische Ausgabe erschien ein Jahr später. 11 Gernot Heiss, Bildungs- und Reiseziele österreichischer Adeliger in der Frühen Neuzeit, in: Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, hg. von Rainer Babel–Werner Paravicini (Beih. der Francia 60, Stuttgart 2005) 217–235, hier 225. Interessante Hinweise auf nicht-adelige Heilig-Jahr-Pilger bei Dominique Julia, Gagner son jubilé à l’époque moderne: Mesure des foules et récits de pélerins, in: La città del perdono. Pellegrinaggi e anni santi a Roma in età moderna. 1550–1750, hg. von Stefania Nanni–Maria Antonietta Visceglia (Roma moderna e contemporanea V/2/3, 1997) 311–354. 6 7



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mischer Jubeljahr-Zeremonien gezogen haben könnte, entzieht sich der Kenntnis, von wenigen Aussagen abgesehen, auf die zurückzukommen sein wird. In einigen Fällen erlauben die Quellen allerdings den Rückschluss auf eine eigens auf das Heilige Jahr ausgerichtete Pilgerreise eines Angehörigen des „(gesamt)österreichischen“ oder „habsburgischen“ Adels12. Neben der kaum greifbaren und zugegebenermaßen eher artifiziellen theoretischen Differenzierung von „Bildungs-“ und „Devotions“-Reisen besteht die größte Schwierigkeit im Auffinden von Quellen. Dies umso mehr, als „österreichische“ Kavaliersreisen zwar punktuell hervorragend untersucht sind13, es aber keine Studien gibt, die das Reiseaufkommen des österreichischen Adels diachron für die hier angesprochene Periode, und insbesondere für die Heiligen Jahre von 1650, 1675, 1700, 1725 und 1750, untersuchen. Für das 18. Jahrhundert ist das Interesse der Forschung an Kavaliersreisen nach Italien überhaupt geringer, wird doch im allgemeinen deren Abnahme – sei es auf Grund geänderter Bildungsideale, sei es auf Grund obrigkeitlicher Einschränkungen – vorausgesetzt. Einen ersten Schritt muss also die Suche nach geeigneten Quellen darstellen.

Quellen zur adeligen Romfahrt in den Heiligen Jahren 1650–1750 Untersuchungen über das Pilgerwesen in den Heiligen Jahren, wie sie zuletzt in großer Zahl anlässlich des Giubileo von 2000 erschienen, weisen zwar häufig auf die vielbeachtete Präsenz fürstlicher Persönlichkeiten hin, betonen aber gleichzeitig, dass die ab dem späten 16. Jahrhundert reichlichen seriellen Quellen (wie Listen und Rechnungsbücher von Pilgerherbergen und Bruderschaften) nichts zu denjenigen Reisenden auszusagen vermögen, die ihrem Stand entsprechend private Quartiere oder Gasthäuser bevorzugten14. Kehrte umgekehrt ein Adeliger im wichtigsten römischen Pilgerhospital, der Trinità 12  Die Terminologie „(gesamt)österreichischer Adel“ bei Thomas Winkelbauer, Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters (MIÖG Ergbd. 34, Wien 1999) 39–46. Für die in diesem Beitrag mehrheitlich angesprochenen hofnahen Familien wohl in etwa deckungsgleich mit dem von Cerman für das 18. Jahrhundert postulierten „habsburgischen“ Adel: Ivo Cerman, Habsburgischer Adel und Aufklärung. Bildungsverhalten des Wiener Hofadels im 18. Jahrhundert (Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 72, Stuttgart 2010). 13  Harry Kühnel, Die adelige Kavalierstour im 17. Jahrhundert. JbLkNö N. F. 36 (1964) 364–384; EvaMaria Csáky-Loebenstein, Studien zur Kavalierstour österreichischer Adeliger im 17. Jahrhundert. MIÖG 79 (1971) 408–434; Heiss, Bildungs- und Reiseziele (wie Anm. 11). Zu den Romaufenthalten der Liechtenstein siehe Gernot Heiss, „Ihro kayserlichen Mayestät zu Diensten ... unserer ganzen fürstlichen Familie aber zur Glori ...“. Erziehung und Unterricht der Fürsten von Liechtenstein im Zeitalter des Absolutismus, in: Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechtenstein in der frühen Neuzeit, hg. von Evelin Oberhammer (Wien–München 1990) 155–181. Zu den Kavaliersreisen diverser Mitglieder der Familie Lamberg ausführlich Friedrich Polleross, Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653–1706) (Petersberg 2010). Für das 18. Jahrhundert exemplarisch Grete Klingenstein, Der Aufstieg des Hauses Kaunitz. Studien zur Herkunft und Bildung des Staatskanzlers Wenzel Anton (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 12, Göttingen 1975). Petr Maťa hat mich dankenswerter Weise hingewiesen auf Jiří Kubeš, Náročné dospívání urozených. Kavalírské cesty české a rakouské šlechty (1620–1750) [Das anstrengende Heranreifen der Hochgeborenen. Die Kavaliersreisen des böhmischen und österreichischen Adels (1620–1750) (Pelhřimov 2013). 14  Als maßgeblich seien drei Sammelbände genannt: Nanni–Visceglia, Città del perdono (wie Anm. 11); Roma, città del Papa. Vita civile e religiosa dal giubileo di Bonifacio VIII al giubileo di papa Wojtyla, hg. von Luigi Fiorani–Adriano Prosperi (Storia d’Italia Einaudi, Annali 16, Torino 2000); Pélérins et pélérinages dans l’Europe moderne, hg. von Philippe Boutry–Dominique Julia (Ècole Française de Rome Collection 262,

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dei ­Pellegrini, ein, so erschien dies als ein erwähnenswertes Zeichen besonderer Askese 15. Zwar haben sich auch Pilger oder Reisende, die nicht die Gastfreundschaft der Confraternite in Anspruch nahmen, in die Mitgliederlisten der nationalen römischen Bruderschaften eingetragen, doch kam dieser spätmittelalterliche Brauch mehr und mehr außer Übung16. So muss man sich an die Suche punktueller Nachrichten machen, wie sie sich in handschriftlichen und gedruckten Zeitungen finden, für das 18. Jahrhundert insbesondere in dem schon erwähnten Diario ordinario. Dazu kommen Inschriften, handschriftliche Nekrologe, Pfarrmatrikeln und diplomatische Korrespondenzen. Viele dieser sehr disparaten Quellen wurden schon vor mehr als hundert Jahren von dem deutschen Journalisten und Privatgelehrten Friedrich Noack (1858–1930) in lebenslanger Arbeit zusammengetragen und flossen in sein Hauptwerk „Das Deutschtum in Rom“ (1927) ein17. Diplomatische Quellen, vor allem aus dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, sind bei Noack reichlich zitiert18. Sowohl für die päpstlichen Nuntien in Wien wie für die kaiserlichen Diplomaten am Papsthof waren Ankündigung und Beobachtung der Romreisen wichtiger Persönlichkeiten aus dem Umfeld des Kaiserhofs eigentlich verpflichtend. Doch das Interesse dafür scheint ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer mehr abgenommen zu haben, wenn man von der Aufzählung der Teilnehmer an den spätestens ab dem 18. Jahrhundert üblichen großen Empfängen anlässlich von Geburts- oder Namenstagen der Dynastie absieht. Was das Reich betrifft, richtete sich das Interesse der Kurie besonders auf fürstliche Konversionen, wobei man sich von den Heiligen Jahren eine besondere propagandistische Wirkung versprach. Da spektakuläre Konversionen in Verbindung mit Romreisen beim habsburgischen Adel des späten 17. und 18. Jahrhunderts kaum zu erwarten sind, scheidet ein wichtiges und in letzter Zeit ausgiebig bearbeitetes Quellenfeld aus dem spezifischen Blickwinkel dieses Beitrags aus19. Rome 2000). In Letzterem besonders zu erwähnen sind die Beiträge von Yolande Lammerant, Les pélérins des Pays-Bas méridionaux à Saint-Julien-des Flamands à Rome au XVIIe et XVIIIe siècle, in: ebd. 271–306; Antje Stannek, Les pélérins allemands à Rome et à Lorette à la fin du XVIIe et au XVIIIe siècle, in: ebd. 327–354. Zur Unterbringung in Gasthäusern und zu einem erhaltenen Unterbringungs-Register siehe Mario Romano, Pellegrini e viaggiatori nell’economia di Roma dal XIV al XVII secolo (Milano 1948) 264–271. 15   Im Heiligen Jahr 1750 munkelte man zum Beispiel, dass sich in einer bayerischen Pilgergruppe ein Malteserritter befunden habe: Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 5100 (28. März 1750) 10. 16   Für die Kirche der „Deutschen“, S. Maria dell’Anima, ist die Dokumentation lückenhaft, wenn nicht überhaupt verschwunden, siehe Deutschsprachige Rompilger in der Goethezeit – Rekonstruktion und digitale Edition einer verschollenen Quelle. Im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts Rom in Kooperation mit dem Pontificium Institutum Teutonicum Sanctae Mariae de Anima, bearbeitet von Ricarda Matheus (OnlinePublikationen zur Geschichte von Santa Maria dell’Anima 1): http://194.242.233.135/denqAnima/index. php?view=doc_texte_layout [Zugriff: 19. 2. 2016]. Das von Karl Jaenig publizierte Bruderschaftsverzeichnis reicht nur bis 1653: [Carolus Jaenig,] Liber Confraternitatis B. Marie de Anima Teutonicorum de Urbe (Romae 1875). 17   Friedrich Noack, Das Deutschtum in Rom seit dem Ausgang des Mittelalters, 2 Bde. (Stuttgart 1927, Nachdr. Aalen 1974). Neben den Publikationen Noacks ist auf dessen heute in der Biblioteca Hertziana in Rom verwahrten Nachlass zu verweisen: http://www.biblhertz.it/institut/institutsarchiv/ [Zugriff: 19. 2. 2016]. 18  Während stichprobenartige Überprüfungen der von Noack angeführten römischen Quellen die Zuverlässigkeit seiner Zitate erweisen, sind die angeführten Archivsignaturen des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs heutzutage nicht mehr nachvollziehbar. Das Vatikanische Archiv scheint Noack nicht herangezogen zu haben, wohl aber die Vatikanische Bibliothek. 19   Zuletzt Antje Stannek, Konfessionalisierung des „Giro d’Italia“? Protestanten im Italien des 17. Jahrhunderts, in: Babel–Paravicini, Grand Tour (wie Anm. 11) 555–568, hier 564f. Irene Fosi, Convertire lo straniero: forestieri e inquisizione a Roma in età moderna (Roma 2011); Ricarda Matheus, Konversionen in



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Von besonderem Interesse sind in unserem Zusammenhang die schon von Noack ausgewerteten Stammbücher des Schweizergardisten Hans Hoch, der sich in Rom als Fremdenführer anbot. Die über 1.200 Eintragungen in vier massiven Bänden zeugen von einer über fünfzig Jahre (1606–1659) andauernden, unermüdlichen und zweifellos auch lukrativen Tätigkeit des Schweizers für mehrheitlich junge, adelige Herren, die sich seiner Führung zu römischen Attraktionen verschiedenster und nicht nur kultureller Art anvertrauten. Eine ganze Reihe von Rombesuchern des Heiligen Jahres von 1650 lässt sich so erschließen20. Eine im Wortsinn anschauliche, jedoch sehr seltene Quelle stellen Bildnisse adeliger Pilger dar: Die Spannweite kann dabei von repräsentativen Darstellungen in der Art der Grand-Tour-Porträts bis zu den Karikaturen Pier Leone Ghezzis (1674–1755) reichen21. Schon aus dieser Übersicht geht hervor, dass sich die Personengruppe der österreichischen Adeligen keineswegs einfach fassen lässt. Empfehlungsschreiben, Passbriefe oder auch Nachrichten über Fehlverhalten der Kavaliere, über Krankheit und Tod müssten aufgefunden, die Aufenthaltsdauer möglichst überprüft und in den gesamten Reiseverlauf eingeordnet werden. Die Matrikel der Deutschen Nation in Siena, die eine der wichtigsten Quellen für die Präsenz reisender Kavaliere zumindest bis zum Ende des 17. Jahrhunderts darstellen22, bieten dabei eine Überprüfungsmöglichkeit an. Es ist auch zu bedenken, dass manche dokumentierte Präsenz sich durch ein mehrjähriges Studium in einem römischen Kolleg erklärt. Wiewohl im Jubeljahr anwesend und zweifellos auch in liturgische und gesellschaftliche Anlässe eingebunden, können die Seminaristen des Collegium Germanicum oder die adeligen Konviktoren des Collegio Clementino nicht zu den eigentlichen Romfahrern eines bestimmten Heiligen Jahres gerechnet werden23. Rom in der Frühen Neuzeit. Das Ospizio dei Convertendi 1673–1750 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 126, Berlin–Boston 2012). 20   Die Stammbücher befinden sich in BAV mit den Signaturen Chig. G. IV. 111–114. Zu Hans Hoch siehe Noack, Deutschtum (wie Anm. 17) 99–101; Paul M. Krieg, Hans Hoch/Giovanni Alto, ein schweizerischer Fremdenführer im Rom des 17. Jahrhunderts. RQ 48 (1953) 225–236; Peter Johannes Weber, Giovanni Alto: Gardist, Fremdenführer und Geschäftsmann, in: Hirtenstab und Hellebarde. Die päpstliche Schweizergarde in Rom 1506–2006, hg. von Urban Fink–Hervé de Weck–Christian Schweizer (Zürich 2006) 157– 187; Zdeněk Hojda, Giovanni Grosso da Lucerna, La vera Guida degl´Oltramontani. Una guida romana ed i suoi clienti boemi, in: Roma–Praga. Praga–Roma. Omaggio a Zdeňka Hledíková, hg. von Kateřina BobkováValentová et al. (Bolletino dell´Istituto Storico Ceco di Roma – supplemento 2008, Praga 2009) 219–247 (freundlicher Hinweis von Petr Maťa). 21   Friedrich Polleross, „Damit mein Contrefait zur Gedachtnus in Hauss verbleibe“. Adelsporträts des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Adel im 18. Jahrhundert. Umrisse einer sozialen Gruppe in der Krise, hg. von Gerhard Ammerer–Elisabeth Lobenwein–Martin Scheutz (Querschnitte 28, Salzburg 2015) 222–255, hier 237–239. Ich danke Dr. Friedrich Polleroß für diesen und viele andere wertvolle Hinweise. Karikaturen von Pier Leone Ghezzi zum Beispiel in BAV, Ott. Lat. 3115, fol. 17r („il conte di Monte Santo“, der Sohn des Präsidenten des Spanischen Rats in Wien, 1725), fol. 64r (Johann Ernst von Harrach, 1725), fol. 90r (ein Sohn des Fürsten Johann Georg von Lobkowitz, 1750/51). 22   Zum enttäuschenden Befund der Passbriefe im HHStA siehe Csáky-Loebenstein, Studien zur Kavalierstour (wie Anm. 13) 415. Zu Siena: Die Matrikel der Deutschen Nation in Siena 1573–1738, 2 Bde., hg. von Fritz Weigle (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 22–23, Tübingen 1962). Auch die Matrikel von Perugia kann nützlich sein, siehe Die Matrikel der Deutschen Nation in Perugia, hg. von Fritz Weigle (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 21, Tübingen 1956). 23   Vgl. die Namenslisten und Eckdaten in Peter Schmidt, Das Collegium Germanicum in Rom und die Germaniker. Zur Funktion eines römischen Ausländerseminars (1552–1914) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 56, Tübingen 1984) 217–321. Wenig ergiebig: Lina Montalto Tentori, Il Clementino 1595–1875 (Roma 1939).

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Ähnliches gilt für jene Personen, die sich oft über längere Zeiträume hinweg in Rom aufhielten, um hier die eigene kirchliche Karriere zu betreiben oder bei der diplomatischen Vertretung des Kaisers Erfahrung zu sammeln. Die meisten und wohl auch besten Hinweise würden sich allerdings in den Tagebüchern, Korrespondenzen und Abrechnungen finden lassen, die in den Familienarchiven verwahrt werden. Diese Quellengruppe sprengt allerdings bei weitem den Rahmen eines Aufsatzes. Sie wird daher nur dann punktuell herangezogen werden, wenn einzelne Fallbeispiele bereits publiziert oder zumindest bekannt gemacht sind24. Trotz dieser damit alles andere als einfachen Quellensituation soll nun der Versuch gewagt werden, aus dem diachronischen Vergleich von fünf Jubeljahren den einen oder anderen Rückschluss zu ziehen.

Fünf Jubeljahre – erbländische Adelige in Rom 1650–1750 Das Jubiläum 1650 Für das erste der hier angesprochenen Jubeljahre, dasjenige von 1650, stehen uns noch die Stammbücher des schon erwähnten Schweizergardisten Hans Hoch zur Verfügung25. Die Zahl der dem Jahr 1650 zuzuordnenden Eintragungen ist annähernd gleich derjenigen in den zwanziger Jahren26, was dem Befund entspricht, dass der Reiseboom aus dem Reich weitgehend von der politischen Situation unabhängig zu Stande kam27. Diejenigen Eintragungen von habsburgischen Adeligen, die sich eindeutig auf das Heilige Jahr beziehen, sind übrigens in etwa genauso zahlreich wie diejenigen von reisenden Kavalieren aus dem Reichsadel, vor allem aus dem katholischen Bayern und aus den südwestdeutschen Gebieten, aber auch von prominenten evangelischen Reisenden. Dem päpstlichen Nuntius in Wien, Camillo Melzi (1590–1659), war es wichtig, Romreisende aus dem Umfeld des Kaiserhofs rechtzeitig anzukündigen: Das konnten die Sprösslinge der Inhaber höchster Hofämter sein wie Franz Anton von Trauttmansdorff (1628–1683) oder Franz Augustin von Waldstein (1632–1684), die Söhne des kaiser­ lichen Obersthofmeisters bzw. Oberstallmeisters28. Beide jungen Herren waren angehende Malteserritter, die sich auf ihrer Reise von Wien nach Malta in Rom aufhielten, per pigliare il giubileo dell’Anno Santo, wie ein Avviso schon am 21. Mai 1650 meldete29. Trauttmansdorff hatte sich auf dem Weg auch noch rasch in die Matrikel der Deutschen Nation in Siena eingetragen30 – die Reise erfüllte also mehrere Zwecke, von denen aber dem päpstlichen Hof vordringlich die devozione angekündigt wurde.   Siehe oben Anm. 13.   Weber, Giovanni Alto (wie Anm. 20) 160f. 26   Der Höhepunkt von Hochs Tätigkeit lag in den späten zwanziger Jahren, Antje Stannek, Telemachs Brüder: Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts (Frankfurt/Main 2001) 75f.; Noack, Deutschtum (wie Anm. 17) 99f. 27   Vgl. Julia, Gagner son jubilé (wie Anm. 11) 312. 28  ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 104v–105r, Avviso vom 12. März 1650. 29  Avviso in BAV, Ott. Lat. 3354/II, fol. 188r–v. Eintrag Trauttmansdorffs in Hochs Stammbuch vom 10. Aug. 1650: BAV, Chig. G. IV. 111, fol. 36r. Bereits im Juni hatte sich schon ein anderer Waldstein, Adam Franz (†1666), Cousin des Franz Augustin, mit Hinweis auf das Heilige Jahr bei Hoch verewigt: ebd. fol. 363r. Ich danke Petr Maťa für den Hinweis auf den Aufenthalt zweier unterschiedlicher Waldstein in Rom 1650. 30  Weigle, Siena (wie Anm. 22) Nr. 7355. 24 25



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Mit einer gewissen Besorgnis hatte der Nuntius hingegen schon am Jahresende 1649 zwei Söhne des niederösterreichischen Landmarschalls, Georg Achaz von Losenstein (1597–1653), empfohlen, da er zu befürchten schien, die beiden, Franz (Adam, 1631– 1666) und Ferdinand (Wenzel, 1632–nach 1654), könnten nicht mit den den cavalieri grandi di queste parti zustehenden Ehren in Rom aufgenommen werden31 – meinte er, man könne sich in Rom unter einem Landmarschall wenig vorstellen oder schwang doch eher die Erinnerung an die Bedeutung der Losensteiner im evangelischen Adel mit? Das Staatssekretariat vermochte den Nuntius jedenfalls zu beruhigen, die beiden Losensteiner waren mit den ihrem Rang zustehenden Ehren empfangen worden und man habe die pietà e divotione zu würdigen gewusst, mit der sie zum Heiligen Jahr gekommen seien32. Eineinhalb Jahre später scheinen die beiden wiedergekehrt zu sein, diesmal jedoch per dimorare in questa corte et imparare l’essercitii cavallereschi, wie ein Avviso meldete33. Wenn das so stimmt, muss man annehmen, dass die erste Romreise im Heiligen Jahr nur der öffentlichen Demonstration des katholischen Glaubens diente, während erst die zweite die Zwecke einer Kavalierstour zu erfüllen hatte. Ohne die möglicherweise bei den Losensteinern mitschwingenden Bedenken konnte Nuntius Melzi eine weitere Reisegesellschaft ankündigen: Im Oktober 1650 meldete er, dass sich demnächst der statolter di Vienna, Graf Johann Franz Trautson (1609–1663), mit Frau und drei Söhnen auf die Pilgerreise nach Rom und Loreto aufmachen werde34. Nur eine Woche später fühlte der Nuntius sich gedrängt, darauf hinzuweisen, dass es sich anscheinend wirklich ausschließlich um eine Pilgerreise des Herrn handelte, den er als molto devoto e molto erudito bezeichnete, erinnerte aber gleichzeitig auch an die Bedeutung der mitreisenden Gemahlin Margarethe, einer geborene Freiin von Rappach (1620/21– 1705), die zwei Kaiserinnen als Hofdame gedient habe35. Tatsächlich war Trautson bei der Schließung der Porta Santa am 24. Dezember 1650 anwesend36. Dass es nicht nur eine Pilgerreise war, erhellt aber daraus, dass die drei Söhne aus erster Ehe in Rom verbleiben sollten, wobei der mittlere Sohn Ernst (1633–1702, ab 1685 Bischof von Wien) für die geistliche Laufbahn bestimmt war und ins Collegium Germanicum eintrat, während der älteste Sohn Ferdinand (1631–1651) und der jüngste Sohn Paul Sixt II. (1635–1678) den üblichen essercitii cavallereschi nachgehen sollten37. Damit erschöpft sich aber noch keineswegs die Aufzählung habsburgischer Romreisender des Heiligen Jahres 1650: Ihre nicht unbeträchtliche Anzahl ist zum Teil aus den von Fritz Weigle edierten Matrikeln von Siena und Perugia, zum Teil aus Hochs Album zu erschließen38. In letzterem geben die Widmungstexte nie einen eventuellen frommen Zweck der Reise preis, gelegentlich mag er durch die Datierung „im Heiligen Jahr“ an  ASV, Segr. Stato Germania 147, fol. 647r, 26. Dez. 1649.   ASV, Segr. Stato Germania 29, fol. 139v, 14. Mai 1650. 33  BAV, Ott. Lat. 3355/III, fol. 404r, 12. Nov. 1651. 34  ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 343v, Avviso vom 15. Okt. 1650. 35  Katrin Keller, Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts (Wien–Köln– Weimar 2005) 311f. Die mitreisenden Söhne stammten aus der ersten Ehe mit Maximiliana Walburga Reichsgräfin zu Hohenzollern-Hechingen († 1639). 36  BAV, Ott. Lat. 3354/III, fol. 457r. 37  ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 343v. Zu Ferdinands weiterer Reise nach Neapel, an deren Ende er bei Sessa Aurunca von Räubern tödlich verletzt wurde, siehe Noack, Deutschtum (wie Anm. 17) 465; Roman Freiherr von Procházka, Böhmische Adelsfamilien. Österreichisches Familienarchiv 3 (1969) 225–312, hier 284f. 38  Siehe Anhang. 31 32

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gedeutet sein. Dagegen lassen einige mehr oder weniger forsche Sprüche und schlüpfrige Andeutungen erkennen, dass Rom mehr als sieben Hauptkirchen zu bieten hatte, so bei Georg Augustin (1615–1653) und dem jung verstorbenen Paul Christoph Khevenhüller, deren Motto ihr (noch) evangelischer Vetter Gottlieb von Windischgrätz (1630–1695) übernahm, die anzügliche Zeichnung jedoch wegließ. Dabei ist auch bemerkenswert, dass zumindest Georg Augustin Khevenhüller schon längst über das Alter einer Kavaliersreise hinaus war39. Man wird also nicht fehlgehen, wenn man bei den österreichischen Romreisen des Jubeljahrs von 1650 noch eine interessante konfessionelle Gemengelage konstatiert, die am päpstlichen Hof durchaus wahrgenommen wurde. Schließlich sollen noch zwei weitere Romreisen erbländischer Adeliger im Jahr 1650 angeführt werden, die wegen ihrer zumindest anzunehmenden gegensätzlichen Motivation bemerkenswert sind: von Frühling 1649 bis Anfang 1650 hielt sich Humprecht Johann Czernin (1628–1682), der bereits 1645–1648 seine Kavalierstour absolviert und die ewige Stadt 1646 besucht hatte, in Rom auf, wobei im Dunkeln bleibt, welche Karriereziele bei dem langen, von der Eröffnung der Porta Santa gekrönten Romaufenthalt nun wirklich angestrebt wurden40. Eindeutig religiös begründet war dagegen die Wallfahrt des ehemaligen kaiserlichen Gesandten bei den Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück, Johann Maximilian von Lamberg (1608–1682), dem im Februar 1650 die bevorstehende Ernennung zum Ajo Erzherzog Leopolds, des späteren Kaisers, mitgeteilt worden war41. Er nahm sie, wie er in seinem Tagebuch kryptisch vermerkt, certis conditionibus an, reiste aber bereits zwei Tage später von Wien ab, woraus man schließen kann, dass die Fahrt zumindest bereits geplant war, die er nun, nur von wenigen Personen begleitet, mit höchstem Tempo absolvierte. Sieben Wochen später war Lamberg wieder zurück, wobei er auch noch eine Zwischenetappe in Loreto eingelegt hatte. Die Romfahrt war offenbar wirklich einem spirituellen Bedürfnis des hochrangigen Hofmanns geschuldet, der ja schon in Münster durch seine „persönliche, traditionell erprobte Frömmigkeit“ aufgefallen war und der im Übrigen seine Kavaliersreise bereits 1628 absolviert hatte42. Das Jubiläum 1675 Stand für die Namen der Pilger-Kavaliere im Heiligen Jahr von 1650 mit Hans Hochs Stammbuch eine außerordentliche Quelle zur Verfügung, so ist das nächste Jubeljahr 1675 durch eine eigene zeitgenössische Publikation dokumentiert, deren Autor als Augenzeuge großen Wert auf die Beschreibung der liturgischen Anlässe und auf die Nen39  BAV, Chig. G. IV. 111, fol. 137r, 139r (mit Datum 14. Feb. 1651). Die biographischen Daten Paul Christophs sind nicht bekannt. 40  Zdeněk Kalista, Mládí Humprechta Jana Černína z Chudenic. Zrození barokního kavalíra [Die Jugend Humprecht Johann Czernins von Chudenitz. Die Geburt eines Barockkavaliers], Bd. 1 (Praha 1932) 209–217. Ich danke Petr Maťa herzlich für diesen und zahlreiche weitere wichtige Hinweise. 41   Herta Hageneder, Ein Rombesuch im Jahre 1650, in: Historische Blickpunkte. Festschrift für Johann Rainer zum 65. Geburtstag, hg. von Sabine Weiss (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 25, Innsbruck 1988) 217–220; Stannek, Telemachs Brüder (wie Anm. 26) 120; Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 74. Zur Etappe in Loreto siehe ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 90r. 42  Herta Hageneder. Zum kirchlichen Alltag in Münster und Osnabrück 1644–1649, in: Ecclesia peregrinans. Josef Lenzenweger zum 70. Geburtstag, hg. von Karl Amon (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 25, Wien 1986) 195–200; Weigle, Siena (wie Anm. 22) Nr. 6112; Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 72.



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nung der hochgestellten Persönlichkeiten legte, die mit ihrer Anwesenheit dem Jubeljahr Glanz verliehen hatten. Für den Adel und für die diesem gebührende Position innerhalb kirchlicher Zeremonien hatte Ruggiero Caetano (um 1632–1706), vermutlich illegitimer Sohn eines Angehörigen des Fürstenhauses Caetani und Kanoniker an einer renommierten römischen Kirche, offensichtlich ein gutes Auge43. Zwar bedauerte er in seinem erst 1691 erschienenen Werk, dass im Heiligen Jahr von 1675 infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen weniger Pilger der verschiedensten Stände von jenseits der Alpen gekommen seien und schätzte den Ausfall auf etwa ein Drittel der sowieso stattlichen Anzahl von über hunderttausend Besuchern44. Von der Zeremonie am Weihnachtsabend 1674 zeichnete Caetano ein lebhaftes Bild: Unter Salutschüssen wurde die Porta Santa geöffnet, auf eigens errichteten Tribünen wohnen hohe und höchste Herrschaften der Zeremonie bei, allen voran Christine von Schweden (1626–1689), die Gäste auf ihren palco geladen hatte; darunter auch einige nichtkatholische oltremontani45. Auf der „deutschen“ Tribüne befand sich neben verschiedenen deutschen Fürsten und Angehörigen des Reichsadels auch die verwitwete Fürstin Sophia Agnes von Dietrichstein, geborene Mansfeld (1619–1677), mit ihrem Sohn Philipp Sigmund (1651–1716), der über das Heilige Jahr hinaus in Rom verblieb46. Weiters fallen die Namen Lamberg, Althann, „Lasunski“, „Baar“, „Bubena“, Martinitz, Goëss und der eines Fürsten Liechtenstein47. Der Letztgenannte ist leicht als Anton Florian von Liechtenstein (1656–1721) zu identifizieren, dessen Kavaliersreise, die ihn 1675 auch nach Rom führte, dank Gernot Heiß gut erforscht ist48. Dagegen standen die Romaufenthalte von Johann Peter von Goëss (1611–1696, ab 1689 Kardinal) und von Georg Adam von Martinitz (1645–1715), der später in äußerst kontroverser Weise als kaiserlicher Botschafter in Rom wirken sollte49, nicht im Kontext einer Bildungsreise, sondern sind tatsächlich als eigene Heilig-Jahr-Wallfahrten anzusehen50. Auch Franz Anton Berka von Duba (1649–1706) kam eigens nach Rom51, fiel aber dort – trotz des frommen Anlasses – dem gestrengen Präzeptor Liechtensteins als ebenso liederlich auf wie die ebenfalls bei Caetano 43   Er dürfte identisch sein mit Ruggiero Caetani (ca. 1632–1706), natürlicher Sohn des in jungen Jahren in einem Duell umgekommenen Gregorio, und war Kanoniker von San Lorenzo in Lucina: http://www.genmarenostrum.com/paginelettere/letterac/Caetani/caetani.htm [Zugriff: 1. 3. 2016]. 44  Ruggiero Caetano, Le Memorie de l’Anno Santo MDCLXXV celebrato da Papa Clemente X (Roma 1691) 461; Julia, Gagner son jubilé (wie Anm. 11) 312, gibt für 1675 die Zahl von 115.000 Pilgern an. 45  Caetano, Memorie (wie Anm. 44) 44, 49. 46  Ebd. 50, 462; Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 87. Sophia Agnes von Dietrichstein war Konvertitin; Keller, Hofdamen (wie Anm. 35) 199. 47   Caetano, Memorie (wie Anm. 44) 50. Zur Identifikation siehe Anhang. Möglicherweise könnte aber nicht der spätere Botschafter Leopold Joseph, sondern Johann Philipp von Lamberg gemeint sein, der sich nach einem Studienaufenthalt in Siena zur Förderung seiner geistlichen Karriere nach Rom begeben hatte: Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 75, 88; Weigle, Siena (wie Anm. 22) Nr. 8253; Fritz Weigle, Die deutschen Doktorpromotionen in Siena von 1485–1804. QFIAB 33 (1944) 198–251, hier 227, Nr. 257; Polleross, Adelsporträts (wie Anm. 21) 239. 48  Heiss, Ihro kayserlichen Mayestät (wie Anm. 13) 159f. 49  Zu Martinitz als kaiserlichem Botschafter siehe Elisabeth Garms-Cornides, Scene e attori della rappresentazione imperiale a Roma nell’ultimo Seicento, in: La Corte di Roma tra Cinque e Seicento „Teatro“ della politica europea, hg. von Gianvittorio Signorotto–Maria Antonietta Visceglia (Biblioteca del Cinquecento 84, Roma 1998) 509–535, hier 525–535. Martinitz war bereits 1671 auf Kavaliersreise, vgl. Weigle, Siena (wie Anm. 22) Nr. 8161. 50  Im Herbst 1675 vom Kaiser zum Bischof von Gurk nominiert, dürfte Goëss die Gelegenheit zur devozione ebenso benützt haben wie diejenige, sich am päpstlichen Hof bekannt zu machen. 51  Zu Berka Weigle, Siena (wie Anm. 22) Nr. 8105; Polleross, Adelsporträts (wie Anm. 21) 239.

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genannten Grafen von Althann und von Dietrichstein, letzterer offenbar der Aufsicht seiner frommen Mutter entkommen52. Auch ein Baron von Hohenfeld war anlässlich des Heiligen Jahres erneut nach Italien gekommen53, während der Romaufenthalt für Ferdinand August Leopold von Lobkowitz (1655–1715) 1675 wohl in erster Linie die ostentative Fortsetzung seiner Kavalierstour bedeutete, die er im Jahr zuvor wegen des Sturzes seines Vaters Wenzel Eusebius (1609–1677) hatte hastig abbrechen müssen54. Insgesamt hat Caetano wohl recht, dass im Verhältnis zum vorangehenden Jubeljahr weniger Angehörige des außeritalienischen Adels nach Rom kamen. Die von ihm Aufgeführten fasst er lapidar als Boemi zusammen, fast als wären sie eine der vielen kompakten Pilgergruppen gewesen, deren Eintreffen der eifrige Kanoniker minutiös registrierte. Die mehrmals erwähnte Anwesenheit der verwitweten Fürstin Dietrichstein weist dagegen auf die zunehmend auch für Frauen von Stand möglichen Reisen hin55. Das Jubiläum 1700 Das Heilige Jahr 1700 begann unter schlechten Vorzeichen. Innozenz XII. war schwerkrank, wie übrigens schon sein Vorgänger Clemens X. im Jahr 1675. Zunächst trafen kaum Pilger ein. Dann aber kam der Pilgerzustrom doch noch gewaltig in Schwung, und allein in der Karwoche wurden 60.000 Pilger gezählt56. Aber schon im Februar 1700 hatten sich viele cavaglieri alemanni in Rom befunden, wie wir fast beiläufig aus der Schilderung der Taufe einer Tochter des Botschafters Georg Adam von Martinitz erfahren57, der allerdings kurz darauf abgelöst wurde. Sein Nachfolger, Leopold Joseph von Lamberg (1654–1706), war kein Neuling in Rom, hatte er die Ewige Stadt doch ebenso wie seine beiden Vorgänger, Liechtenstein und Martinitz, schon 1675 auf seiner Kavaliersreise besucht. Die Divergenzen zwischen dem scheidenden und dem neuen kaiserlichen Vertreter waren so stadtbekannt, dass sich eine Aktion mit zur Schau getragener Eintracht empfahl. Dass dafür gerade der für die Gewinnung des Jubelablasses vorgeschriebene und gemeinsam absolvierte Besuch der vier Hauptbasiliken ausgewählt wurde, zeigt die ungebrochene Bedeutung öffentlicher devozione auf der politischen Bühne58. Es ist verständlich, dass Lamberg während Krankheit und Tod des Papstes, während des Konklaves und angesichts der sich nach dem Tod des spanischen Königs Karl II. immer mehr zuspitzenden politischen Situation wenig Zeit fand, über adelige Romreisende aus der Heimat zu berichten. In seinen Tagebüchern hat er allerdings die wichtigsten   Heiss, Ihro kayserlichen Mayestät (wie Anm. 13) 158f.   Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 87; zwei Hohenfeld waren bereits 1668 in Siena gewesen: Weigle, Siena (wie Anm. 22) Nr. 8011 und 8012. Graf (Innozenz) Bubna soll mit seinem Vater nach Rom gepilgert sein, wobei beide auf der Reise in arge Seenot kamen: ich danke Petr Maťa für den Hinweis auf den disbezüglichen tschechischen Brief Matthäus Ferdinand Sobeks an Humprecht Johann Czernin vom 4. Jan. 1675 (Prag), SOA Třeboň/JH, RAČ, Kt. 213. 54   Alessandro Catalano, L’educazione del principe: Ferdinand August Leopold von Lobkowitz e il suo primo viaggio in Italia. Porta bohemica 2 (2003) 104–127; Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 87. Zum prächtigen Auftreten Lobkowitz’ in Rom Heiss, Ihro kayserlichen Mayestät (wie Anm. 13) 172. 55  Caetano, Memorie (wie Anm. 44) 461f. unterstreicht abschließend die Anwesenheit vieler principi e principesse, aber ebenso diejenige von molti cavalieri e dame. 56  HHStA, Rom, Korrespondenz 80, Bericht von Lamberg, 10. Apr. 1700. 57  Ebd., Rom, Korrespondenz 80, Bericht von Martinitz, 6. Feb. 1700. 58  HHStA, Rom, Korrespondenz 80: Bericht von Martinitz, 24. Apr. 1700 über die gemeinsame „Pilgerfahrt“. 52 53



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verzeichnet59. In Lambergs Nachlass haben sich zusätzlich Namenslisten erhalten60, von denen allerdings nur die eine, kürzere, eindeutig in das Jubeljahr 1700 datiert werden kann, während die längere mit mehr als 200 Namen später zusammengestellt und ergänzt worden sein dürfte. Die hohe Zahl ist glaubwürdig, bedenkt man allein die zahlreichen jungen Herren, die sich zwischen 1699 und 1701 in Siena in die Matrikel der Deutschen Nation eingetragen haben und wohl kaum ohne Rombesuch wieder abgereist sein dürften. Als kaiserlicher Botschafter empfing Lamberg natürlich nicht nur die Romreisenden aus den habsburgischen Territorien, sondern in gleichem Ausmaß auch Herren aus dem Reich, insbesondere aus den katholischen Territorien. Es ist unmöglich, jedem einzelnen der von Lamberg notierten Kavaliere nachzugehen, bemerkenswert ist jedenfalls die hohe Anzahl, die nicht zuletzt der kurzen Pause in den kriegerischen Auseinandersetzungen geschuldet war. Dies mag auch die auffallende Präsenz von schon etwas älteren Offizieren erklären, wie etwa Wolfgang Maximilian Graf von Überacker (1669–1738), der bereits verheiratet war, oder die des dreißigjährigen Militärs Julius Johann Wilhelm von Abensberg und Traun (1670–1739) oder sogar des kaiserlichen Generals Leo Ulfeld (1651–1716)61. Dem Alter von Kavaliersreisen entwachsen war auch der Kämmerer Josephs I. Johann Maximilian von Thun (1673–1701)62 oder der vom Kaiser neuernannte Bischof von Laibach, Graf Franz Ferdinand von Kuenburg (1651–1731), der die Pilgerfahrt zum Ende des Heiligen Jahrs dazu genutzt haben mag, die päpstliche Bestätigung zu beschleunigen, ähnlich wie es 1675 bei Goëss der Fall gewesen war63. Wenn auch nicht alle der vielfach verballhornten Namen auf Lambergs „Gästeliste“ eindeutig zugewiesen werden können, so zeigt sie doch die große Attraktivität des Heiligen Jahres, der sich zunehmend auch Angehörige des ungarischen Adels öffneten. Hinter der langen Reihe von Namen dürfte, abgesehen von der Verpflichtung zu standesgemäßem Reisen, manch individuelles Schicksal verborgen sein wie bei Adam Franz zu Schwarzenberg (1680–1732), der im Hause des kaiserlichen Gesandten Lamberg sein Herz verloren haben dürfte64. Innerhalb der an den Romfahrern des Giubileo von 1700 – wie auch schon früher – zu beobachtenden Tendenz zu individuellen (Pilger-)Fahrten außerhalb und oft viele Jahre nach der gewohnten Kavaliersreise erscheint der Fall des Grafen Franz Anton von Sporck (1662– 1738) besonders bemerkenswert. Er hatte bereits zwanzig Jahre zuvor seine Kavaliersreise   Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 314, 328, 333.   Ebd. 333. Die Listen in NÖLA, Lamberg-Archiv Ottenstein, Kt. 69, unfoliiert. 61   Zu Überacker Weigle, Siena (wie Anm. 22) Nr. 9654; zu Traun ebd. Nr. 9688; Wurzbach 47 (1883) 22; Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 328, 490 (Anm. 125) mit anderer Identifikation. Ulfeld genannt in Lambergs Listen in NÖLA, Lamberg-Archiv Ottenstein, Kt. 69. 62  Zu Thun Weigle, Siena (wie Anm. 22) Nr. 9670. 63   Kuenburg ist durch einen Vermerk in Lambergs Listen zu identifizieren, siehe dagegen Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 328. 64   Tagebuch und „Gästeliste“ Lambergs widersprechen sich hinsichtlich der Anwesenheit eines oder zweier Schwarzenbergs. Möglicherweise war auch Adam Franz’ Vater Fürst Ferdinand Wilhelm Eusebius (1652–1703) mit auf der Reise. Auf den Romaufenthalt dürfte jedenfalls das missglückte Eheprojekt des Adam Franz zurückgehen, dem Vater und Kaiser die Verlobung mit Charlotte (Maria Carolina) von Althann (1684–1734) verboten, einer Nichte des Botschafters, die wohl eine der von Lamberg genannten „drei Freyllen vom Hauß“ war, hatte Lamberg doch nur zwei Töchter. Zum Verlobungsprojekt Olivier Chaline–Ivo Cerman, Présentation de la famille, in: Les Schwarzenberg. Une famille dans l’histoire de l’Europe XVI–XXI siècles, hg. von dens. (Paris 2012) 11–32, hier 22. 59 60

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absolviert und kehrte nun als fast Vierzigjähriger nach Rom zurück, um das Heilige Jahr zu erleben. Zwei Jahrzehnte später wird er, der große Förderer sowohl jansenistischen wie der Frühaufklärung verpflichteten Gedankenguts, als Ketzer angeklagt werden. Von seiner Romreise im Heiligen Jahr 1700 brachte er 24.000 Rosenkränze und noch mehr fromme Medaillons mit, die er bei kirchlichen Festen auf seinen böhmischen Gütern verteilen ließ65. Das Jubiläum 1725 Erstmalig kann 1725 für ein Heiliges Jahr eine ausführliche gedruckte Zeitung, das Diario ordinario, als Quelle herangezogen werden. Ihm verdanken wir einige wichtige Informationen, ebenso wie dem römischen Diaristen Francesco Valesio (1690–1742) und dem schreibfreudigen Jesuiten und Kardinal Juan Alvaro Cienfuegos (1657–1739), der in Rom die kaiserlichen Interessen wahrnahm. In den Berichten des letzteren sind die deutschen Namen allerdings oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Da sich von dem Strom der Rom-Reisenden nur mehr ein Teil in die Matrikel der Deutschen Nation in Siena eintrug, können diese nicht mehr so häufig zur Identifikation herangezogen werden66. Nachdem der erst wenige Monate zuvor gewählte Papst Benedikt XIII. die Heilige Pforte zu Weihnachten 1724 eröffnet hatte67, trafen laufend vorwiegend italienische Pilgergruppen ein, deren bunte Vielfalt man sich als Folie zu den spektakulären Ausfahrten des römischen und neapolitanischen Adels vorzustellen hat, der ebenso wie Papst und Kardinäle mit großem Eifer die vorgeschriebenen Besuche der Hauptbasiliken absolvierte. Unermüdlich war aber vor allem der Papst, der das Heilige Jahr auch für eine Pastoralsynode, das sogenannte „Concilio Romano“, nutzte. Das in unserem Zusammenhang wohl spektakulärste Ereignis fand am Karsamstag 1725 statt: Sowohl Cienfuegos wie das Diario Ordinario berichteten ausführlich darüber, dass bei der für die päpstliche Osternacht-Feier vorgesehenen Taufliturgie ein wesentlicher Bestandteil, nämlich die Täuflinge, vergessen worden war68. In größter Eile wurden einige Neugeborene herbeigeschafft und adelige Gäste, die für die Feier bereits eingetroffen waren, gebeten, die Patenschaften zu übernehmen. Als Erster erklärte sich Graf Adolf Bernhard von Martinitz (1680–1735) bereit, der Sohn des ehemaligen kaiserlichen Gesandten, wie das Diario ordinario unterstreicht, als ob es sich um einen Akt der Genugtuung für das unfreundliche Benehmen des Vaters handeln würde, und das sogar für zwei Kinder. Seinem Beispiel folgten Gräfin Maria Josepha Lagnasco, geborene Waldstein (1688–1735), Gemahlin des aus einer piemontesischen Adelsfamilie stammenden polnischen Botschafters, sowie Fürstin Anna Maria von Liechtenstein (1699–1753), die sich mit ihrem Gemahl Josef Wenzel (1696–1772) auf Romreise befand, und die Großherzo65  Heinrich Benedikt, Franz Anton Graf von Sporck (1662–1738). Zur Kultur der Barockzeit in Böhmen (Wien 1923) 29, 269. 66  Weigle, Siena (wie Anm. 22) 417f. Siehe auch Anhang. Einem Mailänder Zeitungsschreiber war die quantità der durchreisenden cavaglieri oltramontani provvenienti la maggior parte dalla Germania e Polonia prendendo il cammino di Roma eine Notiz wert: HHStA, Italien, Kleinere Staaten 13, Avvisi aus Mailand, fol. 134r, 16. Dez. 1724. 67  Für den späteren Kaiser Karl VII. war es bereits der dritte Romaufenthalt nach der Kavaliersreise 1716 und einer Reise 1722. Siehe Bettina Scherbaum, Die bayerische Gesandtschaft in Rom in der frühen Neuzeit (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 111, Tübingen 2008) 331f. 68  HHStA, Rom, Korrespondenz 110, Bericht des kaiserlichen Botschafters (1722–1735) Cienfuegos, 6. Apr. 1725, 10–15; Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 1196 (6. Apr. 1725).



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gin-Witwe Violante Beatrix von Toskana (1673–1731), eine geborene Wittelsbacherin. Bei dem ungewöhnlichsten aller Taufpaten allerdings sind dem römischen Berichterstatter die Namen etwas durcheinandergekommen. Keinesfalls konnte es sich um Franz Rákóczi, Sohn des Fürsten Joseph handeln, sondern es war einer der beiden Söhne des im türkischen Exil lebenden Franz II. Rákóczi (1676–1735), denen Kaiser Karl VI. Wohnorte und Besitzungen in Neapel und Sizilien angewiesen hatte. Die Namensverwechslung lässt vermuten, dass es sich um den älteren, Josef (1700–1738), handelte69. Von diesen prominenten Taufpaten sind zumindest zwei dem habsburgischen Hofadel zuzurechnen, Adolf Bernhard von Martinitz, bis 1720 Oberstallmeister der Kaiserin Eleonora Magdalena, sollte noch höchste Hofämter erreichen70, und die junge Fürstin von Liechtenstein, deren Ehemann Josef Wenzel ein Neffe ihres Vaters Anton Florian war, des ehemaligen Botschafters in Rom. Das seit 1718 verheiratete Paar unternahm ausgehend von Mailand 1725 eine größere Italienreise, die sie nach Rom, Neapel und Venedig führte71. Josef Wenzel von Liechtenstein hatte bereits 1715 eine Kavaliersreise unternommen72. Adolf Bernhard von Martinitz war zweifellos eigens für das Heilige Jahr angereist, war er doch schon längst aus dem Alter eines reisenden Kavaliers heraus73. Das gilt auch für einen ebenfalls in Rom anwesenden Grafen von Lamberg, wohl Karl Joseph (1686– 1747), den Sohn des ehemaligen Botschafters74. Dazu kamen die jungen Herren, die sich auf der klassischen Bildungsfahrt befanden, allen voran Johann Ernst (1705–1739) und Ferdinand Bonaventura (1708–1778) von Harrach, Söhne des nachmaligen Vizekönigs von Neapel Aloys Thomas von Harrach (1669–1742), aber auch eine Reihe anderer Kavaliere75. Während zwei Dietrichstein aus der Nikolsburger Linie Italien kurz vor Beginn des Heiligen Jahres vorzeitig verließen76, erhielt in Aufsehen erregender Weise ein anderer Dietrichstein am 29. Juli 1725 vom Papst höchstpersönlich in der Nationalkirche S. Girolamo degli Schiavoni das Sakrament der Firmung. Es handelt sich um Leopold Maria von Dietrichstein (1702–1780), den Sohn des Grafen Ferdinand Gundaker (1678–1744) aus der Hollenburger Linie, dessen Mutter, wie auch das Diario ordinario wusste, eine 69  Heinrich Benedikt, Das Königreich Neapel unter Kaiser Karl VI. (Wien–Leipzig 1927) 279f.; Franz Krones, Handbuch der Geschichte Österreichs von der ältesten bis zur neuesten Zeit, Bd. 4 (Berlin 1879) 135f., 141–143. 70  Wurzbach 17 43f.; Martin Scheutz, Die Elite der hochadeligen Elite. Sozialgeschichtliche Rahmenbedingungen der obersten Hofämter am Wiener Kaiserhof im 18. Jahrhundert, in: Adel im 18. Jahrhundert (wie Anm. 21) 141–194, hier 154, 164, 171, 189. Martinitz soll sich zu dieser Zeit um das Amt eines kaiserlichen Gesandten in Rom beworben haben, was sein besonders bemühtes Auftreten in Rom miterklären könnte: ASV, Segr. Stato Germania 315 (Bericht des Nuntius Grimaldi nach Rom vom 6. Okt. 1725) und Germania 231, fol. 712v (Staatssekretariat an Grimaldi, 20. Okt. 1725, Dechiffrat). 71   Jakob von Falke, Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Bd. 3 (Wien 1882) 110; Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 1182 (3. März 1725) 12; Polleross, Adelsporträts (wie Anm. 21) 238; Annette Hojer, Francesco Solimena 1657–1747. Malerfürst und Unternehmer (Bibliotheca Hertziana 31, München 2011) 82f. 72   Heiss, Ihro kayserlichen Mayestät (wie Anm. 13) 162, 178. 73   Möglicherweise hat Martinitz wegen des Spanischen Erbfolgekrieges keine Kavaliersreise absolviert, zumindest war er nicht wie zahlreiche seiner Vorfahren, in Siena inskribiert. 1725 reiste er, wohl gemeinsam mit den Liechtenstein, nach Neapel, wo sein Vater kurzfristig Vizekönig gewesen war, und plante für den Rückweg einen Besuch bei dem Mailänder Gouverneur Colloredo, mit dessen Gemahlin er verwandt war: Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 1192 (28. März 1725) 11. 74   Ein conte Lamberg wird genannt in einer Liste von Gratulanten zum Namenstag des Kaisers: HHStA, Rom, Korrespondenz 110, 10. Nov. 1725; Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 522. 75   Siehe Anhang. 76   Cerman, Habsburgischer Adel (wie Anm. 12) 342f., vermutet Gesundheitsgründe.

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Orsini-Rosenberg war, weswegen der Firmling auf Kavalierstour auf eine Verwandtschaft mit dem Papst aus dem süditalienischen Zweig des Hauses Orsini verweisen konnte77. Wir beobachten also 1725 erneut das Phänomen, dass sich neben den jungen Kavalieren einige bereits arrivierte Persönlichkeiten zu einem Besuch Roms im Heiligen Jahr einfanden, und zwar teilweise in Begleitung ihrer Ehefrau. Von der Romreise einer Gräfin Helena Korzensky erfahren wir allerdings nur durch den nachfolgenden Briefwechsel mit den habsburgischen Behörden in Neapel. Ihr beträchtliches Reisebudget hatte sie unvorsichtiger Weise einem (angeblichen?) Franziskanerpater namens Bonaventura di Mauro aus Sorrent anvertraut, der ihr brillante Renditen von bis zu 20 Prozent für ihre Investition versprach. Unnötig hinzuzufügen, dass weder der Pater noch dessen Familie jemals wieder aufzufinden waren78. Das Jubiläum 1750 Der Zustrom zum letzten hier zu behandelnden Heiligen Jahr war von Anfang an beträchtlich. Die Gesamtzahl der Pilger lag tatsächlich höher als bei den vorangegangenen Giubilei und bedeutete einen letzten Kulminationspunkt vor dem Niedergang des späten 18. und des 19. Jahrhunderts79. Schon in den ersten Jännertagen 1750 meldet das Diario ordinario das Eintreffen einer Abordnung der Wiener Totenbruderschaft, die von ihrem römischen Pendant, der Compagnia della Orazione e Morte eingeholt wurde. Dass die zwölf Pilger quasi tutti nobili gewesen seien, verlieh dem erbaulichen Ereignis besonderen Glanz, von dem man hoffte, dass er sich im Laufe des Jubeljahres stets von Neuem wiederholen werde80. Der Pontifex selbst zeichnete einige der in der Karwoche anwesenden adeligen Pilger dadurch aus, dass er ihnen am Gründonnerstag einen Ehrenplatz im Pilgerhospiz Santissima Trinità einräumen ließ – als Zuschauer bei der päpstlichen Fußwaschungszeremonie und zugleich als lebendiges Anschauungsmaterial für die alle Stände übergreifende Anziehungskraft des Giubileo81. Wenn auch nicht alle erwarteten Gäste eintrafen82, so war doch die Anzahl deut77   Die Firmung erwähnt in: Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 1248 (4. Aug. 1725) sowie bei Francesco Valesio, Diario di Roma, Bd. 4, hg. von Gaetana Scano (Milano 1977) 555. Zu Leopold Maria von Dietrichstein (1702–1780) siehe Oswald von Gschliesser, Der Reichshofrat. Bedeutung und Verfassung, Schicksal und Besetzung einer obersten Reichsbehörde von 1559 bis 1806 (VKNGÖ 33, Wien 1942) 451. Zur Mutter Maria Beatrix (1685–1755) siehe Hans Pawlik, Orsini-Rosenberg. Geschichte und Genealogie eines alten Adelsgeschlechtes (Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie 98, Klagenfurt 2009) 82. 78   HHStA, Italien, Span. Rat, Neapel Collectanea 32, Brief der Helena Felicitas Korzensky vermutlich vom Februar 1732. Zur Familie siehe Procházka, Böhmische Adelsfamilien (wie Anm. 37) 268–270: Stammtafel der Korzensky von Tereschau (Kořenský z Terešova), keine Helena angeführt. 79   Dominique Julia, L’accoglienza dei pellegrini a Roma, in: Roma, città del Papa (wie Anm. 14) 823– 861, hier 828, 833 zu den Pilgerzahlen. 80   Zum Eintreffen der Wiener Totenbruderschaft siehe Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 5064 (3. Jan. 1750) 7. Viele andere Nennungen von „auswärtigem Adel“ (sowohl nichtrömischem wie nichtitalienischem), cavalieri e dame zum Beispiel ebd. Nr. 5097 (21. März 1750) 18, Nr. 5067 (10. Jan. 1750) 2, Nr. 5103 (4. Apr. 1750) 28. Zu den laufenden Meldungen des Diario ordinario und den Berichten des kaiserlichen Vertreters, Kardinal Alessandro Albani, an Staatskanzler Ulfeld und Reichsvizekanzler Colloredo treten die Nachrichten, die ein gewisser Giovanni Domenico Pennacchi aus Rom persönlich an Ulfeld sandte: HHStA, Rom, Varia 46. 81  Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 5100 (28. März 1750) 5. 82   So kursierte das Gerücht, der „Kardinal von Bayern“, Johann Theodor von Wittelsbach, Fürstbischof von Regensburg, Freising und Lüttich, habe die Absicht, zum Heiligen Jahr zu kommen; HHStA, Rom, Korrespondenz 147, Albani an Colloredo 18. Apr. 1750.



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scher Rompilger unerwartet hoch, was die Bischöfe von Augsburg und Seckau, Landgraf Joseph von Hessen (1699–1768) und Leopold Ernst von Firmian (1708–1783), zu beachtlichen Spenden sowohl an die Bruderschaft als auch an Kirche S. Maria dell’Anima veranlasste83. Letztere wurde für das Heilige Jahr vom kaiserlichen RotaAuditor Christoph Anton Migazzi (1714–1803) entscheidend umgestaltet84. Moltissima nobiltà schließlich kam zu den abschließenden Zeremonien des Jubeljahrs, darunter ein Graf von Herberstein mit zahlreicher Gesellschaft85. Vermutlich war dies eine Gruppe, die mehrere Salzburger, Passauer und Trienter Domherren umfasste, wie sich aus den Einladungslisten von Kardinal Alessandro Albani (1692–1779) zu ergeben scheint86. Das Engagement des Rota-Auditors Migazzi – aus Südtiroler Adel, selbst Domherr von Trient und Brixen – mag dazu beigetragen haben. Das prachtvolle Auftreten des nach Neapel reisenden Fürsten Esterházy wurde bereits eingangs erwähnt87. Andere Romreisende aus dem habsburgischen Bereich sind aus der diplomatischen Korrespondenz zu erschließen88. Die beiden Söhne des Fürsten Johann Georg Christian von Lobkowitz (1686–1755), der 1744 die habsburgische Armee auf dem missglückten Feldzug zur Rückeroberung Neapels durch den Kirchenstaat geführt und ein entsprechend schlechtes Renommee in Rom hinterlassen hatte, trafen ebenfalls zum Heiligen Jahr ein, wobei es sich um ihren zweiten Romaufenthalt nach dem frühen Studienaufenthalt am Collegio Clementino in den vierziger Jahren handelte. Nun holten sie auch die Fahrt nach Neapel nach, die damals wohl unmöglich gewesen wäre89. Ein spezieller Fall eines reisenden Kavaliers, dessen Familie in vielfältiger Weise mit Italien verbunden war, soll abschließend genannt werden: Ernst Guido von Harrach (1723–1783), Enkel des ehemaligen Vizekönigs von Neapel, dessen Onkel Ferdinand Bonaventura von Harrach mit dem älteren Bruder Johann Ernst 1725 in Rom gewesen war. Ernst Guido suchte im Herbst 1750 seine um zwei Jahre ältere Schwester Rosa (1721–1785) in Mailand auf, wo deren Gatte – sein Onkel – Ferdinand Bonaventura von Harrach das habsburgische Gouvernement leitete, und reiste von dort nach Rom, Neapel und auf dem Rückweg nach Florenz90. Es war nicht seine erste Italienreise, Ernst Guido hatte Schwester und Schwager schon früher in Mailand besucht91. Nun kam aber die von der Schwester ausgesprochene Hoffnung auf eine gemeinsame Romfahrt zum Heiligen   Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 5115 (2. Mai 1750) 12, Nr. 5169 (5. Sept. 1750) 11f.   Ebd. Nr. 5196 (7. Nov. 1750) 16. 85   Ebd. Nr. 5208 (5. Dez. 1750) 10f. 86   HHStA, Rom, Korrespondenz 148, Schreiben Albanis an Reichsvizekanzler Colloredo 7. Okt. 1750, 9. Dez. 1750 (siehe Anhang). Genannt werden neben einem Herberstein auch ein Lodron und ein Breuner. Zu diesen Peter Hersche, Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 1 (Bern 1984) 215, 236, 250. Schon im Frühjahr 1750 war der Weihbischof von Brixen, Ferdinand Josef von Sarnthein (1697–1772) nach Rom gekommen: Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 5097 (21. März 1750) 18. 87  Ebd. Nr. 5217 (26. Dez. 1750) 3f., 12, 25, 35. 88  Siehe Anhang. 89  [Ottavio Maria Paltrinieri,] Elogio del nobile Collegio Clementino di Roma (Roma 1795) XLVII, LXVII; HHStA, Rom, Varia 46, Pennacchi an Ulfeld, 31. Dez. 1750 und 24. Jan. 1751. Von einem der beiden jungen Lobkowitz gibt es eine Zeichnung von Pier Leone Ghezzi in BAV, Ott. Lat. 3118, fol. 90r. Ebd. fol. 92r findet sich eine Karikatur des Vaters anlässlich von dessen Romaufenthalt 1744. 90  Stefano Ferrari, Giuseppe Dionigio Crivelli (1693–1782). La carriera di un agente trentino nella Roma del Settecento. Studi Trentini di Scienze Storiche 78 (2000) 571–737, hier 670–673. 91  ÖStA, AVA, FA Harrach, Kt. 359, Ernst Guido an Ferdinand Bonaventura von Harrach, 25. Mai 1748; Kt. 203, Pass für Ernst Guido von Harrach, 4. Feb. 1749. 83 84

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Jahr hinzu, ja zu einer Rundreise à la Kavalierstour mit dem geliebten Bruder, die sie nach Venedig, Florenz, Rom und Loreto geführt hätte92. Rosas Wunsch erfüllte sich nicht, da sie ihrem nach Wien zurückberufenen Gatten folgen musste. Aus Ernst Guidos Romreise wurde dagegen der Auftakt einer Karriere als „aufgeklärter“ Kunstsammler93.

Zusammenfassung Ungeachtet der Bedeutung, die die Päpste den Heiligen Jahren beimaßen, wirkten sie in der Frühen Neuzeit selbst in gewisser Weise deren spiritueller Attraktivität entgegen, indem sie nach Abschluss des in Rom abgehaltenen Giubileo regelmäßig dessen Ausdehnung auf die gesamte Christenheit verkündeten94. Trotzdem blieb bis weit ins 18. Jahrhundert hinein den Aufzeichnungen der Pilgerherbergen zu Folge der Zustrom von Pilgern ungebrochen, ja er wuchs an, auch wenn sich ein Überwiegen von Wallfahrern aus den italienischen Staaten deutlich abzeichnete95. Für den Adel behielt der Romaufenthalt neben dem mannigfachen Bildungsangebot vor allem den Charakter eines Anschauungsunterrichtes in der Pracht kirchlichen Zeremoniells, war doch die Beobachtung und Aneignung der richtigen Verhaltensformen ein wichtiger Punkt im Lernprogramm der Kavaliersreisen. Dafür gaben liturgische Anlässe ebenso Anlass wie das im Rom des Giubileo besonders intensive Zusammentreffen nicht nur mit Repräsentanten des päpstlichen Hofes, sondern auch mit hohen und höchsten Herrschaften aus italienischen und außeritalienischen Staaten96. Dass hier die Erwartungshaltung hoch war, zeigt die implizite Kritik an den Heilig-Jahr-Zeremonien von 1675 in einem Brief Anton Florians von Liechtenstein an seinen Vater – diese seien „mehr fromm als interessant“ und zudem wegen der Gleichförmigkeit ohne Neuigkeitswert gewesen97. Glücklicherweise folgte der Schließung der Porta Santa gleich der im Jubeljahr ausgesetzte Karneval, sodass die jungen Herren nach den „sacred shows“ auch an profanen Lustbarkeiten teilnehmen konnten98. Man kann daher, nicht zuletzt auf Grund der hohen Frequenzen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, annehmen, dass das Giubileo, wenn es auch nicht bestimmend für den Zeitpunkt der Kavaliersreise gewesen sein dürfte, als zusätzliche Attraktion wahrgenommen wurde, die die überteuerten Aufenthaltskosten aufwiegen mochte. Größeres Interesse dürfen Sonderfälle beanspruchen: Herren, die in erwachsenem Alter noch einmal nach Rom reisten, eigens um das Heilige Jahr zu erleben (Lamberg 1650, Sporck und andere 1700); Väter, die ihre Söhne begleiteten und so selbst, womöglich auch noch mit ihrer Frau, die devozioni absolvierten (Trautson 1650; möglicherweise Schwarzenberg sowie andere 1700); verwitwete Damen wie die Fürstin von Dietrichstein   ÖStA, AVA, FA Harrach, Kt. 202, Rosa an Ernst Guido von Harrach, 22. Juli und 24. Okt. 1749.   Ferrari, Crivelli (wie Anm. 90) passim, bes. 677. 94   HHStA, Rom, Varia 46: Rundschreiben Benedikts XIV. an die Bischöfe vom 1. Jan. 1751. 95   Julia, L’accoglienza (wie Anm. 79) 828, 847. 96  Heiss, Ihro kayserlichen Mayestät (wie Anm. 13) 171 über die Teilnahme Maximilians von Liechtenstein (1641–1709), des älteren Bruders von Anton Florian, an den Karwochen-Zeremonien am päpstlichen Hof während seiner Kavaliersreise 1662. 97  Ebd. 171f. (più pie che curiose), 180 (Anm. 177). Auch Anton Florians Hofmeister deutet eine gewisse Langeweile seines Schützlings an: ebd. 172. Selbstzeugnisse über religiöse Empfindungen sind naturgemäß selten, siehe aber Csáky-Loebenstein, Studien zur Kavalierstour (wie Anm. 13) 424f., zu den Aufzeichnungen von Georg Seyfried Breuner (1630). 98  Siehe oben Anm. 10. 92 93



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(1675) oder die nicht näher identifizierbare Gräfin Korzensky (1725), aber auch Herren, die so die vermutlich aus den verschiedensten Gründen unterlassene Kavalierstour nachholten (Adolf Bernhard von Martinitz 1725 und andere), oder die der Ehefrau, wie bei Josef Wenzel von Liechtenstein 1725 durchgeführt, beziehungsweise der Schwester, wie von Ernst Guido von Harrach 1750 geplant, auf diese Weise eine Romreise ermöglichen wollten. In Richtung einer konfessionellen Demonstration mag der Rombesuch der beiden jungen Losenstein im Jahre 1650 gedeutet werden, während es dem eiligen Pilger Johann Maximilian von Lamberg im gleichen Jahr offenbar wirklich ausschließlich um das fromme Absolvieren einer Wallfahrt und das Lukrieren der damit verbundenen Ablässe ging. Quantitativ fallen die adeligen Romfahrten gegenüber den Massen an Heilig-JahrPilgern freilich kaum ins Gewicht. Dass der in Rom anwesende deutsche Adel – sei es aus dem Reich, sei es spezifisch aus den habsburgischen Territorien – trotzdem überproportional viel Aufmerksamkeit erfuhr, hat weniger mit den Motivationen der einzelnen Reisenden zu tun als mit einem von der Öffentlichkeit unterstellten demütigen Bekenntnis zur katholischen Kirche und deren Gnadengaben99. Übrigens kann der häufig im Zusammenhang mit dem Romaufenthalt absolvierte Besuch in Loreto nur bedingt als Gradmesser für die religiöse und spezifisch katholischkonfessionelle Intention der Reise gelten, war doch der berühmte Marienwallfahrtsort in den Marken eine fast obligatorische Etappe aller Italienreisen. Allerdings stellten die dort verwahrten Votivgaben der Überlebenden des Prager Fenstersturzes, Jaroslav Bořita von Martinitz (1583–1649) und Wilhelm Slawata (1572–1652), zumindest in den Augen von Richard Lassels Zeugnisse betont katholischer Frömmigkeit dar, wobei dessen vielgelesener Fremdenführer von 1670 als Multiplikator einer solchen Interpretation dienen mochte100. Zwei Tendenzen sind jedenfalls zumindest ansatzweise abzulesen: Einmal die punktuelle Teilnahme von adeligen Damen, für die der religiöse Zweck der Wallfahrten das Tor zur Fernreise öffnen konnte, was – vielleicht nicht erstaunlicherweise – zeitlich mit dem Aufkommen eines „weiblichen Grand Tour“, der Teilnahme von Ehefrauen an Bildungsreisen, in etwa zusammenfällt101. Allerdings haben adelige Frauen, ob alleinreisend oder im Familienverband, nie in so hohem Maß an der Praxis der Heilig-Jahr-Wallfahrten teilgenommen, wie dies für Pilgerinnen anderer Stände gilt102. 99   Die Berichterstattung über andere adelige Romreisende nichtitalienischer Herkunft in Heiligen Jahren ist zumindest im Diario ordinario ausgesprochen dürftig. Aufsehen erregte 1750 die Ankunft von Monsieur de Vandières, wohl hauptsächlich wegen dessen Schwester Madame de Pompadour, der sich allerdings auf dieser Reise vor allem intensiv auf seine Tätigkeit als Directeur Général des Bâtiments, Jardins, Arts, Académies et Manufactures du Roi vorzubereiten hatte: Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 5154 (1. Aug. 1750) 16. Siehe auch HHStA, Rom, Varia 46, Pennacchi an Ulfeld, 21. März 1750. 100  Lassels, The voyage of Italy (wie Anm. 10) II, 343f; Antje Stannek, Les pélérins allemands à Rome et à Lorette à la fin du XVIIe et au XVIIIe siècle, in: Loreto. Crocevia religioso tra l’Italia, Europa e Oriente, hg. von Ferdinando Citterio–Luciano Vaccaro (Quaderni della „Gazzada“ 16, Brescia 1997) 327–354. Lamberg besuchte beispielsweise auf seiner eiligen Pilgerfahrt 1650 am Heimweg ebenso Loreto wie Esterházy auf der Reise zu seinem Botschafterposten in Neapel; Hageneder, Ein Rombesuch (wie Anm. 41) 219; HHStA, Rom, Korrespondenz 148, Albani an Colloredo, 19. Dez. 1750. 101  Elisabeth Garms–Cornides, Esiste un Grand Tour al femminile?, in: Altrove. Viaggi di donne dall’antichità al Novecento, hg. von Dinora Corsi (I libri di Viella 15, Roma 1999) 175–200. 102   Julia, L’accoglienza (wie Anm. 79) 839f. Ähnliche Prozentzahlen (ca. 20 Prozent bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, dann ständig zunehmend) auch außerhalb Heiliger Jahre für das frühe 18. Jahrhundert in: Hanns Jäger-Sunstenau, Rom-Pilger in den Jahren 1711–12. Adler. Zeitschrift für Genealogie und Heraldik

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Zum anderen zeigen die adeligen Präsenzen im Heiligen Jahr von 1750 zwar generell den quantitativen Rückgang traditioneller Kavaliersreisen an, lenken zugleich aber den Blick verstärkt auf den höheren erbländischen Klerus – der angestrebten geistlichen Karriere konnte eine Romreise im Heiligen Jahr nur gut tun. Dass sich gerade der kaiserliche Rota-Auditor Graf Christoph Anton Migazzi, nachmals für fast ein halbes Jahrhundert (1757–1803) Erzbischof von Wien, in der Vorbereitung des Giubileo von 1750 besonders engagierte103, zeigt dessen Stellenwert innerhalb einer sowohl politisch wie kirchlich brisanten Phase der Beziehungen zwischen Wien und Rom, in der Papst, Großherzog/ Kaiser und Landesfürstin sowohl um die Beilegung jahrhundertealter Konflikte wie um kirchenpolitische Reformen rangen. Das bald dementierte Gerücht, Franz I. Stefan werde sich zu Kaiserkrönung und Heiligem Jahr nach Rom begeben104, dokumentiert gerade durch seine Unhaltbarkeit die Ambivalenz des Moments zwischen Traditionsbewusstsein und Kompromiss. Der Papst war sich wohl selbst bewusst, dass der von ihm so lebhaft begrüßte Ansturm adeliger Pilger auch etwas mit der moda di venir a Roma zu tun hatte, die an die Stelle wahrer Reue getreten sei, wie ein Kommentator kritisch meinte – denn sonst hätte er vermutlich kaum gerade zu Beginn des Heiligen Jahres das strenge Ausfuhrverbot für Antiken erneuert105. Was bedeutet es zuletzt für eine Frömmigkeitsgeschichte des habsburgischen Adels, wenn sich nur wenige Herren und noch weniger Damen als Wallfahrer zum Heiligen Jahr nach Rom finden lassen, ganz im Gegensatz etwa zum hohen neapolitanischen Adel, der allerdings auch eine wesentlich kürzere und weniger kostspielige Anreise zu bewältigen hatte? Wie steht es überhaupt um die Teilnahme an derartigen Riten, die generell unter der Rubrik „Volksfrömmigkeit“ geführt werden? Eine Reihe von Forschungen spricht zwar dem Adel die Förderung von Wallfahrten zu106, lässt aber offen, in wie weit die manifeste Verehrung heiliger Orte und Gnadenbilder auch einem persönlichen religiösen Bedürfnis entsprochen haben könnte107. Kann zum Beispiel die Teilnahme hoher und 18 (1995/96) 211–217. Interessanterweise auf die Initiative einer Dame geht die Errichtung einer Scala Santa nach römischem Vorbild in Schlesien zurück, die unmittelbar auf die Romreise der Freiin Maria Josepha von Würtz und Berg 1775 folgte: Mateusz Kapustka, Itinerarium pietatis. Schlesische Wallfahrt nach römischem Vorbild: die Kapelle der Heiligen Treppe in Schosnitz bei Breslau, in: Wallfahrten in der europäischen Kultur/ Pilgrimages in European Culture, hg. von Daniel Doležal–Hartmut Kühne (Europäische Wallfahrtsstudien 1, Frankfurt/Main u. a. 2006) 573–594. 103   Aus Trient kamen nicht nur viele Kleriker (siehe wie Anm. 86), sondern auch zahlreiche Bruderschaftsmitglieder: Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 5112 (25. Apr. 1750) 8. 104   Lettere di Benedetto XIV (wie Anm. 1) 2 233f.; HHStA, Rom, Korrespondenz 147, Benedikt XIV. an Reichsvizekanzler Colloredo, 7. März 1750. 105  HHStA, Rom, Varia 46: Pennacchi an Ulfeld 21. März 1750. Zum Ausfuhrverbot Diario ordinario (wie Anm. 5) Nr. 5070 (17. Jan. 1750), 10f. 106  Dass die Förderung von Wallfahrten durch den Adel nicht mit dessen aktiver Teilnahme verwechselt werden dürfe, stellt fest: Wolfgang Schieder, Wallfahrten der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert, in: Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit, hg. von Michael Matheus (Mainzer Vorträge 4, Stuttgart 1999) 76–99. Spezifisch für die Schwarzenberg und das 18. Jahrhundert: Martin Gaži, La „Pietas Schwarzenbergica“ dans la Bohême de l’époque moderne, in: Les Schwarzenberg (wie Anm. 64) 163–172. Die persönliche Teilnahme des Adels betont dagegen: Heinz Noflatscher, Frömmigkeit und Patronage. Zum Adelsklerus um 1700, in: Kunst und Kirche in Tirol. Festschrift zum 70. Geburtstag von Karl Wolfsgruber, hg. von Josef Nössing–Helmut Stampfer (Bozen 1987) 131–151, hier 134. 107  Wichtige Hinweise in diese Richtung enthält: Marie-Elizabeth Ducreux, Zum Thema Wallfahrt: das Beispiel Böhmens im 17. Jahrhundert, in: Staatsmacht und Seelenheil. Gegenreformation und Geheimprotestantismus in der Habsburgermonarchie, hg. von Rudolf Leeb–Susanne Claudine Pils–Thomas Winkelbauer (VIÖG 47, Wien–München 2007) 98–108, hier 101.



Fromme Kavaliersreisen?

201

höchster Hofchargen an den Wallfahrten der kaiserlichen Familie nach Mariazell mehr als die Erfüllung einer Dienstverpflichtung beinhalten108? Wo sind die Quellen, mit denen das von Klaus Schreiner in Hinblick auf das Spätmittelalter geforderte „Plädoyer für einen quellenorientierten Begriff von Laienfrömmigkeit“ untermauert und für die Frühe Neuzeit überdacht werden könnte109? In einer Studie über Marienwallfahrten im Bistum Münster wird zum Beispiel die dem Gnadenbild von Telgte durch Vertreter der Adelskirche entgegengebrachte Verehrung ausschließlich als „Elitenfrömmigkeit“ des Klerus interpretiert, ohne zu berücksichtigen, dass dieser Klerus sich aus einem engen Netzwerk adeliger Familien rekrutierte, in dem bestimmte Andachtsformen unabhängig von Weihegrad und Geschlecht „erblich“ gewesen sein dürften110. Eine ähnliche „Familienreligiosität“ könnte man vermuten, wenn sich zum Beispiel in der Familie Martinitz gehäuft Fernwallfahrten nach Rom oder gar nach Santiago de Compostela beobachten lassen111, oder wenn wir des Öfteren sehen können, dass Söhne oder Enkel von adeligen HeiligJahr-Pilgern sich ihrerseits auf Romfahrt begeben. Es gälte auch, materielle Zeugnisse wie diverse fromme Souvenirs, Reliquien, Bilder oder architektonische Reminiszenzen112 als Teile einer solchen kollektiven Pietas oder, mit den Worten Thomas Winkelbauers, einer „habitualisierte[n], von keinerlei Zweifeln geplagte[n] Ritualfrömmigkeit“ aufzufinden113. Namenslisten können nur ein bescheidener Anfang sein für eine umfassende Auseinandersetzung mit Motiven und Erscheinungsformen adeliger Frömmigkeit im spätkonfessionellen Zeitalter.

108   Dazu Martin Scheutz, Andacht, Abenteuer und Aufklärung. Pilger und Wallfahrtswesen in der Frühen Neuzeit. ÖGL 49 (2005) 2–38. Gerade die Teilnahme des Adels erfuhr besondere Aufmerksamkeit, vgl. zum Beispiel die Auflistung der höchsten Hofchargen, die 1649 die Kaiserinwitwe Eleonora nach Mariazell begleiteten; ASV, Segr. Stato Germania 147, fol. 500r. 109  Klaus Schreiner, Laienfrömmigkeit – Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes? in: Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, hg. von dems. (Schriften des Historischen Kollegs Kolloquien 20, München 1992) 1–78, hier 63; Noflatscher, Frömmigkeit und Patronage (wie Anm. 106). 110   Werner Freitag, Volks- und Elitenfrömmigkeit in der frühen Neuzeit: Marienwallfahrten im Fürstbistum Münster (Veröffentlichungen des Provinzialinstituts für Westfälische Landes- und Volksforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe 29, Paderborn 1999) 213: Dort wird von einem Ölgemälde des Gnadenbildes berichtet, das die Familie des Weihbischofs Twickel in den 1750er Jahren anfertigen ließ und das „die Erfahrungen des Klerus bei der Jubelfeier ausdrucksvoll“ wiedergebe. 111  Noflatscher, Frömmigkeit und Patronage (wie Anm. 106) 136; Polleross, Adelsporträts (wie Anm. 21) 237) zu einem (vermutlichen) Porträt eines Martinitz als Santiago-Pilger. 112  Siehe oben Anm. 102. 113  Thomas Winkelbauer, Kollektive Identitäten des Adels der österreichisch-böhmischen Länder im 16. und 17. Jahrhundert, in: Schulstiftungen und Studienfinanzierung. Bildungsmäzenatentum in den böhmischen, österreichischen und ungarischen Ländern 1500–1800, hg. von Joachim Bahlcke–Thomas Winkelbauer (VIÖG 58, Wien 2011) 73–90, hier 80.

202

Elisabeth Garms-Cornides

Anhang: Übersicht zu den anlässlich der Heiligen Jahre zwischen 1650 und 1750 nach Rom gereisten Adeligen aus den habsburgischen Erblanden Namen mit einem * werden auch im Text erwähnt. Namen mit einem • sind nur in den Matrikeln von Siena oder Perugia (wie Anm. 22) belegt, haben aber sicher auch Rom besucht. Abkürzungen: Caetano = Caetano, Memorie (wie Anm. 44); Diario ordinario (wie Anm. 5); Hoch = Album von Hans Hoch, BAV, Chig. G. IV. 111, vgl. Anm. 20; Lamberg = Listen aus dem Lamberg-Archiv Ottenstein, vgl. Anm. 60; Perugia = Weigle, Perugia (wie Anm. 22); Siena = Weigle, Siena (wie Anm. 22). Nicht angeführt sind Studenten geistlicher Kollegien, die sich über mehrere Jahre in Rom aufhielten und im Verlauf dieser Zeit auch Jubeljahre erlebten. Jahr

Name

Nachweis

1650

Attems-Heiligenkreuz, Kaspar von•

Siena Nr. 7362

Breuner, Ferdinand Ernst von•

Siena Nr. 7358

Breuner, Franz Albrecht von•

Siena Nr. 7369

Colonna von Völs, Georg Bernhard

Hoch, fol. 65; Siena Nr. 7404 (Jan. 1651)

Colonna von Völs, Gustav

Hoch, fol. 65; Siena Nr. 7405 (Apr. 1651)

Czernin von Chudenitz, Humprecht Johann*

Kalista, Mládí (wie Anm. 40) 217

Daun(-Sassenheim), Wilhelm Johann Anton von•

Siena Nr. 7360

Herberstein, Franz Albrecht von•

Siena Nr. 7361

Heussenstein, Franz Maximilian von

Hoch, fol. 109

Jöchlinger von Pfannberg, Georg Seyfried•

Siena Nr. 7364

Jöchlinger von Pfannberg, Johann Karl•

Siena Nr. 7363

Khevenhüller, Georg Augustin*

Hoch, fol. 137

Khevenhüller, Paul Christoph*

Hoch, fol. 139

Königsegg, Andreas Bernhard von

Hoch, fol. 387

Königsegg, Friedrich von

Hoch, fol. 387

Königsegg, Georg Ernst von

Hoch, fol. 387

Königsegg, Leopold Wilhelm von

Hoch, fol. 117

Künigl, Johann Georg von

Hoch, fol. 123

Lamberg, Johann Maximilian von*

ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 90

Lammingen, Wolf Ferdinand von

Hoch, fol. 165

Lammingen, Wolf Friedrich von

Hoch, fol. 167



Fromme Kavaliersreisen?

Jahr

1675

203

Name

Nachweis

Lažanský von Bukowa, Franz Adam

Hoch, fol. 69

Lažanský von Bukowa, Rudolf Georg

Hoch, fol. 69

Lodron, Franz Nikolaus von•

Siena Nr. 7354

Losenstein, Ferdinand Wenzel von*

ASV, Segr. Stato Germania 147, fol. 647

Losenstein, Franz Adam von*

ASV, Segr. Stato Germania 147, fol. 647

Montfort, Johann von

Hoch, fol. 95; Siena Nr. 7356; Perugia Nr. 1401

Questenberg, Norbert von•

BAV, Vat. Lat. 7882, fol. 2

Sauer, Georg Friedrich von•

Siena Nr. 7365

Skrbensky von Hříště, Karl Dietrich von

Hageneder, Ein Rombesuch (wie Anm. 41) 218

Sommerfeld, Franz Albert von•

Siena Nr. 8317

Spindler von Hoffegg, Franz Adam

Hoch, fol. 45

Spindler von Hoffegg, Jakob Friedrich

Hoch, fol. 45

Spindler von Hoffegg, Johann Ignaz

Hoch, fol. 45

Stubenberg, Wolf von

Hoch, fol. 87; Siena Nr. 7367

Talmberg, Johann Ernst von

Hoch, fol. 177

Taxis, Franz Werner von•

Siena Nr. 7368

Thurn-Valsassina, Johann Ernst von

Hoch, fol. 61; Siena Nr. 7359

Trautson, Ernst*

ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 343v

Trautson, Ferdinand*

ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 343v

Trautson, Johann Franz*

ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 343v

Trautson, Margaretha*

ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 343v

Trautson, Paul Sixt II.*

ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 343v; Hoch, fol. 227 (1651)

Trauttmansdorff, Franz Anton von*

ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 104v–105r; Siena Nr. 7355

Verdenberg, Johann Baptist von

Hoch, fol. 40

Waldstein, Adam Franz von*

Hoch, fol. 363

Waldstein, Franz Augustin von*

ASV, Segr. Stato Germania 148, fol. 104v–105r

Windischgrätz, Adam von•

Siena Nr. 7357

Windischgrätz, Gottlieb von*

Hoch, fol. 139

Windischgrätz, Johann Jakob von

Siena Nr. 7403 (1651)

Barbo von Waxenstein, Wolf Eberhard•

Perugia Nr. 1644

Barbo von Waxenstein, Ernst Theophil von•

Perugia Nr. 1662

204

Jahr

Elisabeth Garms-Cornides

Name

Nachweis

Berka von Duba, Franz Anton*

Caetano 50

Bubna, Innozenz Ferdinand*

Caetano 50; siehe im Text, Anm. 53

Bubna, Jaroslav Kunata*

Caetano 50; siehe im Text, Anm. 53

Dietrichstein, Philipp Sigmund von*

Caetano 50, 462

Dietrichstein, Sophie Agnes von*

Caetano 50, 462

Frankenberg, Johann Wolfgang von•

Siena Nr. 8319; Perugia Nr. 1656

Garnier, Leopold Heinrich von•

Siena Nr. 8329; Perugia Nr. 1667 (1676)

Goëss, Johann Peter von*

Caetano 50

Hallweil, Franz Anton von•

Siena Nr. 8320

Herberstein, Maximilian Sigmund von•

Siena Nr. 8314

Hohenfeld, Otto Heinrich von oder Otto Ferdinand von (?)*

Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 87

Jörger, Johann Joseph

Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 87

Kaiserstein, Clemens Ferdinand von•

Siena Nr. 8327

Kolowrat-Liebsteinsky, Franz Wilhelm von

Noack, Deutschtum (wie Anm. 17) Bd. 2, 327

Kolowrat-Liebsteinsky, Norbert Leopold von

Noack, Deutschtum Bd. 2, 327

Lamberg, Leopold Joseph von*

Caetano 50; Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 74–105; Siena Nr. 8287 (1674)

Lamberg, Karl Adam von•

Siena Nr. 8288 (1674)

Lažanský von Bukowa, NN.

Caetano 50

Leo von Löwenberg, Franz Sigmund von• Perugia Nr. 1645 Liechtenstein, Anton Florian von*

Caetano 50

Lobkowitz, Ferdinand August von*

Caetano 50

Martinitz, Georg Adam von*

Caetano 50

Morzin, NN.

Kühnel, Kavalierstour (wie Anm. 13) 368f.

Paar, Karl Joseph von (?)

Caetano 50

Pergen, Karl von•

Siena Nr. 8357 (1676)

Sinzendorf, Johann Weikhard Michael von•

Siena Nr. 8355 (1676)

Sinzendorf, Michael Adolf Thomas von•

Siena Nr. 8356 (1676)

Thürheim, Johann Christoph Wilhelm von•

Perugia Nr. 1647



Fromme Kavaliersreisen?

Jahr

1700

Name

Nachweis

Ungnad von Weißenwolf, Michael•

Siena Nr. 8315

Žákavec, Wenzel Franz Anton von•

Siena Nr. 8321

Abensberg-Traun, Johann Wilhelm von

Siena Nr. 9688; Lamberg

Aicholt, Franz Josef von•

Siena Nr. 9749 (1701)

Aicholt, Johann Anton von•

Siena Nr. 9748 (1701)

Althann, Michael Friedrich von

Siena Nr. 9682; Lamberg

Attems (Attimis), NN. von

Lamberg

Batthyány, NN. von (Balthasar?)

Siena Nr. 9816 (1702!); Lamberg

Brisigell, Johann Albrecht Dominik von

Siena Nr. 9665; Lamberg

Bubna und Lititz, Anton Ignaz von

Siena Nr. 9679; Lamberg

Cavriani, Franz Joseph von

Siena Nr. 9683; Lamberg

Colloredo, NN. von

Lamberg

Czobor, NN. von

Lamberg

Daun, NN. von

Lamberg

Dietrichstein, NN. von (Ferdinand Gundaker ?)

Lamberg

Dinzl von Angerburg, Anton Christoph•

Siena Nr. 9706

Dollinger von Grünau, Georg Achaz von• Siena Nr. 9718 Erdődy, NN. und NN. von

Lamberg

Esterházy de Galantha, Joseph von•

Siena Nr. 9710

Ferrari d’Occhieppo, Karl von

Siena Nr. 9714; Lamberg

Gallas, NN. von (Johann Wenzel ?)

Lamberg

Galler, Karl Ernst von

Siena Nr. 9776 (1701); Lamberg

Gaschin von Rosenberg, Franz Karl

Siena Nr. 9587 (1699); Lamberg (?)

Gaschin von Rosenberg, Johann Joseph

Siena Nr. 9588 (1699); Lamberg (?)

Gudenus, Jakob Christoph von

Siena Nr. 9658; Lamberg

Gudenus, Philipp Friedrich von

Siena Nr. 9657; Lamberg

Hallweil, NN. von

Lamberg

Harrsch, NN. von (Ernst Amadeus?)

Lamberg

Hartig, Franz von

Siena Nr. 9700; Lamberg

Hartig, Ludwig von

Siena Nr. 9701; Lamberg

Herberstein, NN. (General) und NN. (Malteserritter) von

Lamberg

Hochburg, Johann Joseph von

Siena Nr. 9697; Lamberg (?)

Hofkirchen, NN. von

Lamberg

Inzaghi, NN. von

Lamberg

205

206

Jahr

Elisabeth Garms-Cornides

Name

Nachweis

Ivanovich (von Cattaro?), Jonathan Johannes Joachim von•

Siena Nr. 9711

Jabornegg von Gamsenegg, Maximilian Philipp von•

Siena Nr. 9552 (1699)

Janinall, Franz von•

Siena Nr. 9746 (1701); Lamberg (?)

Jöchlinger von Jochenstein, Johann Joseph Ignaz von

Siena Nr. 9556 (1699); Lamberg (?)

Jöchlinger von Jochenstein, Joseph Anton von

Siena Nr. 9791 (1701); Lamberg (?)

Juritsch, Adam Seyfried von•

Siena Nr. 9709

Kaiserstein, Rudolf Christian von

Siena Nr. 9747 (1701); Lamberg

Kaunitz, Maximilian Ulrich von

Lamberg; Klingenstein, Kaunitz (wie Anm. 13) 82

Khevenhüller, Franz Ferdinand Anton von

Siena Nr. 9717; Lamberg

Kinsky, NN. von

Lamberg

Kokořowetz von Kokořowa, NN. und NN. von

Lamberg

Kollonitsch, Johann Ferdinand von

Siena Nr. 9686; Lamberg

Kollonitsch, Johann Heinrich von

Siena Nr. 9685; Lamberg

Kollonitsch, Seyfried von

Siena Nr. 9769 (1701); Lamberg

Kollonitsch, Sigmund von

Siena Nr. 9684; Lamberg

Kolowrat, NN. und NN. von (KolowratKrakowsky, Leopold Wilhelm oder Wilhelm Albrecht oder Ferdinand Alois?)

Lamberg

Kuenburg, Franz Ferdinand von *

Lamberg (1701)

Kuefstein, NN. von

Lamberg

Kunasch von Machowitz, Wilhelm Felix von•

Siena Nr. 9599

Lamberg, Johann Adam von

Siena Nr. 9596 (1699); Lamberg

Larisch, NN. von

Lamberg

Lembruch, Johann Karl Ignaz von

Siena Nr. 9687; Lamberg

Lengheim, Otto Christian von•

Siena Nr. 9743 (1701)

Leslie, NN. von

Lamberg

Lichtenstein-Castelcorn, Franz Anton von

Siena Nr. 9741 (1701); Lamberg

Lindegg von Mollenburg, Johann Caspar

Siena Nr. 9585 (1699); Lamberg

Lobkowitz, Johann Georg von

Lamberg



Fromme Kavaliersreisen?

Jahr

207

Name

Nachweis

Lobkowitz, Joseph Anton von

Lamberg

Lobkowitz, Philipp Hyazinth von

Lamberg.

Lobkowitz, NN. Popel von

HHStA, Rom, Korrespondenz 80, 23. Dez. 1700; Lamberg

Manincor, NN. von

Lamberg

Mansfeld, NN. von

Lamberg

Mednyansky von Medgyes, Franz Ladislaus•

Perugia Nr. 1823

Montfort, Sebastian von

Siena Nr. 9742 (1701); Lamberg

Multz von Waldau, Wolfgang Georg•

Siena Nr. 9691

Nádasdy, NN. von

Lamberg

Nostitz, NN. von

Lamberg

Paczensky von Tenczin, Josef•

Siena Nr. 9753 (1701)

Pálffy, NN. von

Lamberg

Payer vom Thurm, Johann Baptist•

Siena Nr. 9570 (1699)

Plaz, Joseph Anton von

Lamberg

Pötting, Franz Karl von

Siena Nr. 9792 (1701); Lamberg

Porcia, Hannibal Alphons

Lamberg

Proskau, Erdmann Christoph von

Siena Nr. 9586; Lamberg

Proskau, NN. von

Lamberg

Purgstall, Michael Joseph von•

Siena Nr. 9656

Questenberg, Johann Adam von•

Siena Nr. 9570 (1699)

Rabutin, NN. von (Amadeus?)

Lamberg

Říčany, Georg von•

Siena Nr. 9636

Rosenberg, NN. von

Lamberg

Rossetti von Rossenegg, Karl Bernhard•

Siena Nr. 9704

Salm, NN. von (Franz ?)

Lamberg

Sauer, NN. und NN. (Malteserritter) von

Lamberg

Schallenberg, NN. und NN. von

Lamberg

Scherffenberg NN. von

Lamberg

Schröfl von Mannsperg, Karl Theophil•

Siena Nr. 9663

Schwarzenberg, Adam Franz zu*

Lamberg

Schwarzenberg, Ferdinand Wilhelm zu (?) *

Polleross, Kunst der Diplomatie (wie Anm. 13) 328, 332

Serényi, Karl von

Siena Nr. 9778 (1701); Lamberg

Skrbensky von Hříště, NN. von

Lamberg

208

Jahr

Elisabeth Garms-Cornides

Name

Nachweis

Spaur, Franz Anton von

Siena Nr. 9661; Lamberg

Sporck, Franz Anton von*

Siena Nr. 9644; Lamberg

Sprinzenstein, NN. von

Lamberg

Stadl, NN. von

Lamberg

Starhemberg, Gundomar Joseph von

Siena Nr. 9768; Lamberg

Sternberg, Franz Leopold von

Siena Nr. 9696; Lamberg

Sternberg, NN. von

Lamberg

Széchenyi, NN. von

Lamberg

Teyřowsky von Einsiedel, Paul Franz

Siena Nr. 9762; Lamberg

Thun, Johann Maximilian von*

Siena Nr. 9670; Lamberg (?)

Trautson, Franz Anton•

Siena Nr. 9692

Trautson, Johann Karl•

Siena Nr. 9690

Trauttmansdorff, Adam Christoph von

Siena Nr. 9597 (1699); Lamberg (?)

Trauttmansdorff, Franz Anton von

Siena Nr. 9598 (1699); Lamberg (?)

Troyer, Franz Anton von

Lamberg

Tuněchodský von Poběžowitz, Karl Hein- Siena Nr. 9600 (1699) rich• Überacker, Wolfgang Maximilian von*

Siena, Nr. 9654

Ulfeld, Leo von

Lamberg

Waldstein, NN. von

Lamberg

Walldorf, Gottfried von•

Siena Nr. 9659

Warlich von Bubna, Wilhelm von•

Siena, Nr. 9637

[Ungnad von] Weißenwolf, Franz Anton von Lamberg

1725

Windischgrätz, NN. von

Lamberg

Woračicky (Voračický) von Paběnitz, Wenzel

Siena Nr. 9601 (1699); Lamberg

Wratislaw von Mitrowitz, Johann Adam Bernhard

Siena Nr. 9750 (1701); Lamberg

Wurmbrand, Rudolf Maximilian von

Siena Nr. 9790 (1701); Lamberg

Zierotin, NN. von

Lamberg

Althann, Michael Karl von

ASV, Segr. Stato Germania 281, fol. 426f.

Billichgrätz, Franz Adam von•

Siena Nr. 10471

Dietrichstein, Leopold Maria von*

Diario ordinario Nr. 1248

Engl von Wagrain, Karl Franz•

Siena Nr. 10472

Gallas, Philipp Joseph von oder Franz Karl von (?)

HHStA, Rom, Korrespondenz 109, 25. Nov. 1724



Fromme Kavaliersreisen?

Jahr

1750

209

Name

Nachweis

Hardegg, Johann Karl von oder Johann Joseph Ferdinand von oder Johann Julius Leopold von (?)

HHStA, Rom, Korrespondenz 110, 1. Okt. 1725

Harrach, Ferdinand Bonaventura von*

ÖStA, AVA, FA Harrach, Kt. 557

Harrach, Johann Ernst von*

ÖStA, AVA, FA Harrach, Kt. 557

Khevenhüller, Johann Franz Anton

ASV, Segr. Stato Germania 281, fol. 515

Khevenhüller, Johann Leopold

ASV, Segr. Stato Germania 281, fol. 515

Korzensky, Helena von (?)

HHStA, Italien, Spanischer Rat, Neapel Collectanea 32

Kuenburg, Ferdinand Ludwig von•

Siena Nr. 10463 (1724)

Lagnasco, Maria Josepha von, geborene Waldstein*

Diario ordinario Nr. 1196, 10–15

Lamberg, Karl Joseph von*

HHStA, Rom, Korrespondenz 110, 10. Nov. 1725

Lichnowsky, Karl Joseph Leopold von•

Siena Nr. 10469

Liechtenstein, Anna Maria von*

Diario ordinario Nr. 1196, 10–15

Liechtenstein, Josef Wenzel von*

Diario ordinario Nr. 1196, 10–15

Martinitz, Adolf Bernhard von*

Diario ordinario Nr. 1196, 10–15

Perlas de Rialp, Carlo

HHStA, Rom, Korrespondenz 110, 22. Sept. 1725

Schaffgotsch, Ernst Wilhelm von•

Siena Nr. 10467

Schaffgotsch, Wenzel Ernst von•

Siena Nr. 10466

Selb, Anton von•

Siena Nr. 10479

Stubenberg, Georg von•

Siena Nr. 10478 (1726)

Breuner, Franz Xaver von oder Anton Ernst Georg von (?)*

HHStA, Rom, Korrespondenz 148, 7. Okt. 1750, 9. Dez. 1750

Colloredo, Hieronymus von

HHStA, Rom, Korrespondenz 147, 1. Aug. 1750

Dietrichstein, Franz de Paula von

Cerman, Habsburgischer Adel (wie Anm. 12) 353–354

Dietrichstein, Johann Karl von

Cerman, Habsburgischer Adel (wie Anm. 12) 353–354

Erdődy, Johann Nepomuk von (?)

HHStA, Rom, Korrespondenz 147, 14. März 1750

Harrach, Ernst Guido von*

ÖStA, AVA, FA Harrach, Kt. 202, Korrespondenz mit Rosa Harrach

Herberstein, Karl Johann von (?)*

HHStA, Rom, Korrespondenz 148, 7. Okt. 1750, 9. Dez. 1750

210

Jahr

Elisabeth Garms-Cornides

Name

Nachweis

Lobkowitz, August Anton von*

[Paltrinieri], Elogio (wie Anm. 89) XLVII, LXVII; BAV, Ottob. Lat. 3118, fol. 90r (?)

Lobkowitz, Joseph Maria von*

[Paltrinieri], Elogio (wie Anm. 89) XLVII, LXVII; BAV, Ottob. Lat. 3118, fol. 90r (?)

Lodron, Joseph Johann Michael von (?)*

HHStA, Rom, Korrespondenz 148, 7. Okt. 1750, 9. Dez. 1750

Sarnthein, Ferdinand Joseph von*

Diario ordinario Nr. 5097, 18

Schönborn, Erwin Eugen von (?)

HHStA, Rom, Korrespondenz 147, 7. März 1750; Diario ordinario Nr. 5097, 18

Swéerts-Sporck, Johann Christian von

Kubeš, Kavalírské cesty (wie Anm. 13) 388

Stoßgebete für adelige Stifter und Stifterfamilien in Herrschaftsspitälern. Auch ein Beitrag zur Konfessionalisierung Von Martin Scheutz

Die deutsche Sprache ist mitunter in ihren grammatikalischen Konstruktionen un­ präzise. Die seit dem Spätmittelalter als Quellenbegriff fungierende Bezeichnung „Spital des Adels“1 kann deshalb in verschiedene Richtungen hin interpretiert werden: als Spital für adelige Mönche einerseits und als adelige Spitalstiftung im Sinne einer Versorgung von Grundholden und von Armen andererseits. Während das Spital für den Adel im Sinne ­einer standesgemäßen Versorgungsinstitution (etwa als Versorgungsplatz in einer Fürstabtei usw.2) schon mehrfach Forschungsinteresse auf sich ziehen konnte, wurden die Gründungen von Spitälern durch Adelige und deren organisatorische, konfessionelle und memoriale Kontexte bislang kaum systematisch untersucht. Die Stiftungstätigkeit des Adels im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit war breit gestreut: Neben der Stiftung von Klöstern und Stiften, von Burg- und Schlosskapellen, neben der Ausstattung von Erbbegräbnissen in Stifts-, Kloster-, Stadtkirchen und zunehmend in der eigenen Schlosskirche, neben den testamentarischen Legaten an geistliche Institutionen zählten auch Spitalgründungen zu den wichtigen adeligen Stiftungen, wobei nicht nur die Repräsentation des Adelsgeschlechtes und das Familiengedächtnis, sondern auch ökonomisch-grundherrschaftliche Interessen eine Rolle spielten3. Zusätzlich zur liturgischen Memoria, zur Visualisierung von Herrschaft vor Ort und zur Demonstration von Adel vor Ort kam auch der paternalen Versorgung von Untertanen eine essentielle Rolle zu4. Die Stiftungstätigkeit des Adels im Bereich der 1  Zum Begriff Klaus Schreiner, Vom „Adelskloster“ zum „Spital des Adels“. Soziale Verflechtungen des oberschwäbischen Benediktinertums im hohen Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 9 (1990) 27–54, hier 40–43. 2  Zum mitunter auftretenden Gegensatz von Kloster und adeliger Standesführung Klaus Schreiner, „Spital des Adels“. Die Fürstabtei Kempten in der Frühen Neuzeit: Adliges Standesdenken und benediktinisches Reformstreben im Widerstreit. in: Adel im Wandel: Oberschwaben von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Bd. 2, hg. von Mark Hengerer–Elmar L. Kuhn (Ostfildern 2006) 497–514. 3   Franz Machilek, Frömmigkeitsformen des spätmittelalterlichen Adels am Beispiel Frankens, in: Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter, hg. von Klaus Schreiner (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 20, München 1992) 157–190, hier 167f. Siehe dazu auch den Beitrag von Friedrich Polleross in diesem Band. 4  Kirsten Bernhardt, Armenhäuser. Die Stiftungen des münsterländischen Adels (16.–20. Jahrhundert) (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 119, Münster–New York–München–Berlin 2012) 50–64 (zwei Gründungswellen 1556–1628; 1651–1710); Karl-Heinz Spiess, Liturgische Memoria und Herrschaftsrepräsentation im nichtfürstlichen Hochadel des Spätmittelalters, in: Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Werner Rösener (Formen der

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­ ospital- und Armenhausstiftung – und hier vor allem im ländlichen, grundherrschaft­ H lichen Raum – ist bislang weitgehend unerforscht, sowohl was das Ausmaß und die Qualität der Stiftungen als auch die bauliche Ausgestaltung der Spitäler betrifft5. Der Adel gründete in den Städten vielfach Spitäler, wie etwa das Beispiel des reichen Nürnberger Patriziers Konrad Groß (ca. 1280–1356) gut zeigt, der als Werk der Barmherzigkeit und zur Vorbereitung auf den eigenen Tod im Zuge von außerordentlich umfangreichen Seelgerätsstiftungen auch das Nürnberger Heilig-Geist-Spital begründete6 und dort in Form eines Tischgrabes auch seine letzte Ruhestätte fand. Auch im oberitalienischen Raum spielen die Adelsfamilien im Mittelalter sowohl im städtischen als auch ländlichen Raum eine wichtige Rolle für die Schaffung der dichten oberitalienischen Spitallandschaft. Das Spital galt als Teil der „intraprendenza religiosa“ der großen feudalen Dynastien, die sich beispielsweise in Italien über testamentarische Spitalstiftungen Einfluss auf Territorien sicherten7. Im Kontext der Kreuzzüge und von Pilgerfahrten beteiligten sich die großen Adelsfamilien entscheidend am Aufbau eines hochmittelalterlichen Netzes von Spitälern. Obwohl die adeligen Stifter die Leitung der Spitäler häufig Orden, Klöstern oder dem Bischof überließen, bedeutete die religiös-karitative Gründung von Spitälern auch eine Verdichtung der territorialen Herrschaft seitens der Stifter bzw. der Stiftergruppe, weil an die Gründung des Spitals auch Rechtstitel (wie etwa das Patronatsund Visitationsrecht) geknüpft waren8. Vielfach müssen mittelalterliche Spitalgründungen des Adels nördlich der Alpen auch im Kontext der Spitalgründungen der geistlichen Ritterorden gesehen werden, die für den Hoch- und den Niederadel diesbezügliche Vorbilder abgaben9. Die älteren Spitalstiftungen standen im Kontext von geistlichen Institutionen, so lässt sich etwa eine Adelsstiftung vor den Pforten der Zisterze Zwettl als ein äußeres Klosterspital verstehen10. Parallel zu den bürgerlichen Gründungen in den Städten und zu landesherrlichen Spitälern versuchte auch der Adel nach dem Rückgang der Spitalgründungen durch die geistlichen Ritterorden die entstandene Lücke in der Spitalversorgung durch vermehrte Gründungstätigkeit zu schließen. Wiederholt überließen Fürsten und Adelige entweder als Stifter oder als Förderer die ständige Aufsicht über das Spital nach der Beiziehung des Bischofs an bürgerliche Gremien, mitunter bestimmten sie bei der Festlegung von Amtsträgern Erinnerung 8, Göttingen 2000) 97–124. Zur schlechten Forschungslage bei Spitalstiftungen des Adels ebd. 112. 5  Frank Hatje, Institutionen der Armen-, Kranken- und Daseinsfürsorge im nördlichen Deutschland (1500–1800), in: Europäisches Spitalwesen. Institutionelle Fürsorge in Mittelalter und Früher Neuzeit/Hospital and Institutional Care in Medieval and Early Modern Europe, hg. von Martin Scheutz–Andrea Sommerlechner–Herwig Weigl–Alfred Stefan Weiss (MIÖG Ergb. 51, Wien 2008) 307–350, hier 311. 6   Ulrich Knefelkamp, Stadt und Spital im späten Mittelalter. Ein struktureller Überblick zu Bürger­ spitälern süddeutscher Städte, in: Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800, hg. von Peter Johanek (Städteforschung A/50, Köln–Weimar–Wien 2000) 19–40, hier 23. 7  Andrea Sommerlechner, Quellen zu oberitalienischen Spitälern vom 11. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts, in: Quellen zur europäischen Spitalgeschichte in Mittelalter und Früher Neuzeit/Sources for the History of Hospitals in Medieval and Early Modern Europe, hg. von Martin Scheutz–Andrea Sommerlechner–Herwig Weigl–Alfred Stefan Weiss (QIÖG 5, Wien 2010) 165–208, hier 165f. 8   Andrea Sommerlechner, Spitäler in Nord- und Mittelitalien vom 11. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts, in: Europäisches Spitalwesen (wie Anm. 5) 105–134, hier 125. 9  Mit Beispielen aus Franken für das 14. und für die sechziger Jahre des 15. Jahrhunderts Machilek, Frömmigkeitsformen (wie Anm. 3) 165f. 10  Thomas Just–Herwig Weigl, Spitäler im südöstlichen Deutschland und den österreichischen Ländern im Mittelalter, in: Europäisches Spitalwesen (wie Anm. 5) 149–184, hier 151f.



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mit, mitunter aber auch nicht11. Bezüglich der hinter der Gründung von Spitälern stehenden Motivationen kann man, generalisierend gesprochen, nicht zwischen kirchlichen, bürgerlichen und adeligen Stiftungen unterscheiden. Die gottgefällige Absicht dominierte und der Wille, Bedürftigen wichtige Hilfe zu leisten12. Vielerorts gab es Mischtypen von Bürger- und Herrschaftsspitälern. In der steirischen Stadt Judenburg errichteten die städtischen Adeligen und die Bürger gemeinsam 1270 ein Marienspital, weshalb dort auch sechs „adelige“ und sechs bürgerliche Pfründner versorgt werden sollten13. Das größte oberösterreichische Spital – das sogenannte Schifersche Erbstift in Eferding – wurde von der rittermäßigen, aus der Klientel der Familie Schaunberger stammenden Familie Schifer vor 1325 als Adelsspital gegründet. Dieses Erbstift blieb auch bestehen, als die Schaunberger 1367 die Stadt Eferding als Stadtherren übernahmen und weiter für das sowohl den Bürgern als auch Herrschaftsuntertanen gewidmete Spital sorgten14.

Die österreichischen Hofspitäler – der Landesfürst als Spitalstifter und als Vorbild des Adels Schon im Spätmittelalter gehörte es zu den Repräsentationsstrategien der Landesfürsten, eigene Spitäler zu gründen, um damit Memoria und Repräsentation, Versorgung von hofnahen Personen und Caritas im Sinne von guter Herrschaft umzusetzen. Vor dem Wiener Widmertor wurde 1339 das Martinspital (situiert Ecke Babenbergerstraße/Getreidemarkt) vom Habsburger Otto dem Fröhlichen (1301–1339) vermutlich als letztwillige Verfügung zur Versorgung von Hofbediensteten gestiftet15. Das Martinspital – nach Belegen des 15. Jahrhunderts „Herzogsspital“ genannt – versorgte 1343 30 Personen (20 Männer und zehn Frauen) und wurde seit 1471 von Friedrich III. an den St. Georgs-Ritterorden übergeben. Nach der Zerstörung der vorstädtischen Anlage im Zuge der ersten Belagerung Wiens 1529 gab es dann eine Lücke in der Versorgung von Hofbediensteten. Erst 1537 gründete der Spanier und höfische Zuchtmeister der Edelknaben Diego de Serava († 1546) ein in der Schauflergasse gelegenes und damit nahe an der Hofburg situiertes Hofspital „Zur heiligen Barmherzigkeit“ für zwölf Männer und zwölf Frauen16. Der Wiener Chronist Wolfgang Schmelzl bezeichnete es 1548 in seinem „Lobspruch“ als new Spital. Die Gründung eines neuen Hofspitals war schon durch das Testament von Maximilian I. vom 10. Jänner 1519 präfiguriert, der in jedem historisch gewachsenen Land seines deutlich gewachsenen Herrschaftsbereiches ein eigenes Spital, insgesamt neun,   Zur Gründungsgeschichte von Spitälern im österreichischen Raum ebd. 152–154.   Ludmila Hlaváčková, Das Spitalwesen in Böhmen und Mähren vom Beginn des Dreißigjährigen Krieges bis zu den Josephinischen Reformen (1620–1780), in: Europäisches Spitalwesen (wie Anm. 5) 381–402, hier 382. 13   Just–Weigl, Spitäler im südöstlichen Deutschland (wie Anm. 10) 156, 170. 14   Grundlegend für Eferding Karl Grienberger, Das landesfürstliche Baron Schiefer’sche Erbstift oder Das Spital zu Eferding. Eine geschichtliche Darstellung dieser Humanitäts-Anstalt (Linz 1897); Herwig Weigl–Thomas Just, Quellen zur mittelalterlichen Spitalgeschichte aus dem bayerisch-österreichischen Raum, in: Quellen zur europäischen Spitalgeschichte (wie Anm. 7) 243–297, hier 286–293. 15  Richard Perger, Das St. Martinsspital vor dem Widmertor zu Wien (1339–1529). Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 44/45 (1988/89) 7–26. 16  Zu den österreichischen Hofspitälern Martin Scheutz–Alfred Stefan Weiss, Die Spitalordnung für die österreichischen Hofspitäler im 16. Jahrhundert, in: Quellen zur europäischen Spitalgeschichte (wie Anm. 7) 299–349; Martin Scheutz–Alfred Stefan Weiss, Spital als Lebensform. Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit (QIÖG 15, Wien 2015) 83–90. 11 12

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gründen wollte: Hofspitäler sollte es nach diesem Letzten Willen in Antwerpen, Augsburg, Breisach, Graz, Innsbruck, Laibach/Ljubljana, Linz, St. Veit und Wien geben, zudem ordnete er Stiftungen für die Salzspitäler von Hallstatt und Gmunden an. Eine gegossene Büste des bald darauf in Wels verstorbenen Herrschers sollte in jedem dieser Spitäler aufgestellt werden: „ein Pilt von vnnser Pershon vnd vnnserem Angesicht Conterfehet […] mit einer Kherzen in der handt die ein ewig licht sey vnd das allczeit nach dem Hochamt Sannt Johannis Evangelium gesungen darczue das Licht angezunndt werde“17. Wie so häufig ließen sich die weitgespannten Ziele Maximilians I. nicht entsprechend umsetzen, doch bekannte sich sein Nachfolger Ferdinand I. in seinen Testamenten von 1532 und 1543 ausdrücklich zur Vollstreckung dieser testamentarischen Bestimmungen Maximilians18. Eine Belebung des Stiftungskomplexes erfuhr das Projekt erst durch das Ableben Annas (1503–1547), der Gattin Ferdinands, die bei der Geburt des fünfzehnten Kindes verstorben war. Nach einem Schreiben des Königs an den niederösterreichischen Vizedom Christoph Polt erklärte sich Ferdinand 1552 zur Umsetzung eines Teils der vorgeschlagenen Spitalsgründungen bereit: Aussee, Graz, Laibach, Linz, St. Veit und Wien sollten als Hofspitäler begründet bzw. bestiftet werden. Während das Konzept der ferdinandeischen Hofspitäler in Wien an die Gründung von Diego de Serava anknüpfen konnte, gestaltet sich die Suche nach geeigneten Gebäuden als schwierig, auch die Zahl der Spitalstiftungen schwankte anfänglich noch. Ferdinand I. wollte explizit „abkomne klöster oder dergleichen gelegenheiten“19 als Spitäler verwendet wissen. Schließlich konnten um 1555 insgesamt neun Spitäler gegründet werden, wobei die beiden Salzspitäler Hallstatt und Aussee an schon bestehende Einrichtungen anschließen konnten: Aussee, Breisach, Graz, Hallstatt, Innsbruck, Laibach, St. Veit, Wels und Wien. Die mit Abstand größte Spitalstiftung Ferdinands stellt das Wiener Hofspital, auch „Kaiserspital“ genannt, dar, das von Ferdinand I. nach dem Tod Seravas übernommen wurde. Nach dem Tod der Gattin Ferdinands I. erfolgte eine Ausweitung seiner Kapazität auf 100 Pfründnerplätze, wovon 20 Plätze für Waisenmädchen zum Unterricht und zur Ausbildung gewidmet wurden. Die Einkünfte der niederösterreichischen Grundherrschaft Wolkersdorf wurden deshalb dem Kaiserspital überschrieben, auch ein großflächiger Umbau des Gebäudes in Angriff genommen. Die intensive Einbindung Ferdinands I. in seine Wiener Spitalstiftung wird auch daran deutlich, dass der Baumeister Sigismondo de Preda die Neubaupläne, aber auch ein Holzmodell des geplanten Baues 1549 zur Vorlage direkt nach Prag schicken ließ, wo Ferdinand weilte. Eine vierflügelige, freilich nicht vollständig verwirklichte Anlage nach italienischem Vorbild sollte errichtet werden, ein vierseitiger Arkadengang öffnete sich nach diesem Plan zum Hof hin. Die Grundsteinlegung erfolgte nach archäologischem Befund 155020. Noch in seinem Todesjahr 1564 besuchte Ferdinand die Baustelle zwei Mal, allerdings blieb es bei einem L-förmigen Torso, wie auch ein Inventar von 1583 belegt21. Schon Mitte des 1550er Jahre wurde eine der Heiligen Katha17  Franz Bernhard von Buchholtz, Geschichte der Regierung Ferdinand des Ersten. Aus gedruckten und ungedruckten Quellen, Bd. 1, hg. von Berthold Sutter (Nachdr. Graz 1971 [Wien 1831]) 480; Edmund Zimmermann, Das Testament Maximilians I. (Diss. Graz 1949) 20–23. 18   Ernst Nowotny, Geschichte des Wiener Hofspitals. Mit Beiträgen zur Geschichte der inkorporierten Herrschaft Wolkersdorf (Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich 23, Wien 1978) 4. 19  Anton Senoner, Das kaiserliche Hofspital zu Innsbruck (Diss. Innsbruck 1976) 13. 20  Karl Schulz, Ein Grundsteinfund am Ballhausplatz in Wien. Mitteilungen der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft XXIV/Nr. 6 (1984) 93–97. 21  Zur Baugeschichte des Wiener Hofspitals, vorwiegend auf der Grundlage von Wienplänen (Wohlmut,



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rina geweihte, gotische Kapelle aus dem Komplex des Minoritenklosters herausgelöst und in das architektonisch uneinheitliche Hofspital integriert. Wie eng die Verbindung des Hofspitals zur nahen Hofburg war, wird auch daran baulich deutlich, dass ein Zugang zur Hofburg durch eine hölzerne (nach 1683/1710 gemauerte) Brücke über die Schauflergasse bestand. Der gesamte Komplex des ehemaligen Wiener Hofspitals wurde 1903 endgültig abgerissen, nachdem das alte Hofspital schon Mitte des 18. Jahrhunderts an den Rennweg übersiedelt war. Während das Wiener Hofspital in seiner Dimension dem seit Mitte des 13. Jahrhunderts bestehenden Bürgerspital Konkurrenz machte, gestaltete sich die Dimension der restlichen Hofspitäler wesentlich bescheidener. Das Grazer Hofspital konnte nach dem Stiftungsbrief von 1561 40 Männer und Frauen in seinen nahe der ehemaligen Dominikanerkirche (ab 1586 Stadtpfarrkirche) gelegenen Räumlichkeiten aufnehmen22. Das im ehemaligen Augustinerkloster in Laibach untergebrachte und für Invalide wie Bergleute aus Idria/Idrija gewidmete Hofspital versorgte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts durchschnittlich 30 Männer, sechs Frauen und einige Waisenkinder23. Nach dem reformationsbedingten Aussterben der letzten Minoriten in Wels wurde das Kloster 1554 in ein Hofspital umgewandelt, das am Beginn des 17. Jahrhunderts zwölf Insassen beherbergte24. Im aufgelassenen Klarissenkloster untergebracht, dürfte das Hofspital St. Veit nur wenige Spitalbewohnerinnen und -bewohner versorgt haben25. Aufwändiger gestaltete sich die Gründung des Innsbrucker Hofspitals, weil Ferdinand I. dort nach langen Verhandlungen schließlich 1555 ein für zwölf arme Männer gewidmetes Haus in der Innsbrucker Silbergasse (Hölzlsche Behausung in der Silbergasse, Universitätsstraße Nr. 4) ankaufen ließ26. Alte Bergwerksspitäler wie Hallstatt und Aussee wurden neu bestiftet, wobei sich die Neugründung des Hofspitals Aussee aufgrund des Spitalbrandes von 1543 schwierig gestaltete. In den beiden, baulich durch die Stiftung Ferdinands erweiterten Spitälern sollten Bergleute, Pfannhausarbeiter und Holzknechte Aufnahme finden, die Aufnahmekapazität war aber auch hier begrenzt – im Hofspital Aussee befanden sich im 16. Jahrhundert rund 20 Personen27. Die Vorbilder für die ferdinandeischen Herrschaftsspitäler sind bislang noch nicht aufgearbeitet, doch scheinen hierbei südeuropäische Beispiele maßgeblich gewesen Suttinger, Steinhausen) Sibylle Grün, Das Hof- und Kaiserspital, in: Die Wiener Hofburg. Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz, hg. von Herbert Karner (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg 2 = ÖAW phil-hist. Kl. Denkschriften 444 = Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte 13, Wien 2014) 241–248. 22   Herta Haydinger, Fürsorge und Betreuung der Armen, Kranken und Waisen in Grazer Pflegeanstalten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Diss. Graz 1972) 49. 23   Sonja Anžič, Socialna politika na Kranjskem od srede 18. stoletja do leta 1918 [Sozialpolitik in Krain vom 18. Jahrhundert bis 1918] (Zgodovinski arhiv Ljubljana, Gradivo in razprave 22, Ljubljana 2002) 50–52. 24  Walter Aspernig, Das ehemalige Freihaus und Kaiserliche Hofspital in Wels, Pfarrgasse 15. Jahrbuch des Musealvereins Wels 21 (1977/78) 61–76. 25  Zu diesem wissenschaftlich kaum bearbeiteten Hofspital Wilhelm Deuer, Ein landesfürstliches Wappen für das Hofspital in St. Veit an der Glan. Carinthia I 190 (2000) 463–465. Auch das Hofspital in Breisach ist bislang nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht aufgearbeitet. 26  Zur Baugeschichte Senoner, Hospital zu Innsbruck (wie Anm. 19) 12–34; Johanna Felmayer, Das kaiserliche Hofspital. Mit Beiträgen zur Geschichte der Häuser Schlossergasse Nr. 1 bis 7 und des Kräuter­ turmes am Pfarrplatz – Aus den historischen Vorarbeiten zur Kunsttopographie von Innsbruck. Tiroler Heimatblätter. Zeitschrift für Geschichte, Natur- und Volkskunde 37/1–3 (1962) 1–16. 27  Ernst Nowotny, Das Heilig-Geist-Spital in Bad Aussee. Geschichte eines steirischen Spitals und seiner Kirche (ZVHStmk Sonderbd. 21, Graz 1979) 23.

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zu sein. Die planmäßig und zentralistisch erlassenen Spitalordnungen orientieren sich ebenso wie wohl auch der Bauplan für das Wiener Hofspital explizit an spanischen und italienischen Vorbildern28. Die Spitalordnung von Wien (4. Mai 1551/1. Jänner 1568), von Wels (16. Juli 1554), von Innsbruck (9. Juni 1556), von Laibach (2. August 1559), von Graz (19. November 1561), von Aussee (14. April 1568) sowie von St. Veit an der Glan (1568) sind textlich voneinander abhängig29. Einleitend zur grundlegenden Wiener Hofspitalordnung von 1551 erinnert Ferdinand I. unter Betonung der Bindung an die altgläubige Kirche (Maria und die Heiligen) textlich nicht nur an Diego de Serava und seine umfangreiche Stiftung, sondern gedachte auch des Zwecks der Stiftung: „unnserer geliebsten gemachl [Anna] löblichister gedachtnus, unnsern erben und nach khumen zu trosst unnd hilf unnd den armen khrannckhen, dürfftigen menschen zu ergözlichkeit und guettem“30. Die Einrichtung von mehreren Herrschaftsspitälern in einem Territorium durch Ferdinand I. erscheint aber ohne konkrete Vorbilder schwer denkbar. Mögliche Vorbilder wären etwa die hessischen Hohen Spitäler: Vor dem Hintergrund der Neuordnung des Fürsorgewesens und der Reformation gründete der protestantische Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen (reg. 1509/18–1567) erstmals für ein gesamtes Herrschaftsgebiet zwischen 1533 und 1542 Armenhospitäler31. Diese sogenannten Hohen Hospitäler entstanden in den ehemaligen Klöstern Haina und Gronau bei Lorch (für Männer) sowie Merxhausen und Hofheim bei Darmstadt (für Frauen). Auch an das 1573 von Bischof Julius Echter gestiftete, eindrucksvolle Juliusspital in Würzburg wäre zu denken. Möglicherweise könnten auch interkulturelle Vorbilder herangezogen worden sein: Die osmanischen Sultane stiften seit dem Spätmittelalter im Rahmen ihrer Herrschaftsrepräsentation jeweils nicht nur Moscheen und Medresen, sondern auch Spitäler, die zur Versorgung der Armen und Kranken bestimmt waren32.

28  Nowotny, Geschichte des Wiener Hofspitals (wie Anm. 18) 9: „Dieweill dise spitaler an underschidlichen orten erstes anfanngs wenig wiertschaft, achteten wir, das inmassen wie die khü. Mt. die welchischen und spanischen spitalordnungen her gen Wienn erfordert, ain hofspitalordnung und instruction daraus aufrichten lassen, das die khü. Mt. dieselb ordnung an jedem ort verständigen personen zu übersehen und nach gelegenheit jedes orts ain verfassung ainer spitalordnung daraus aufzurichten bevelche“. 29  Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 385–399 (Wien), 408–416 (Wels), 416–419 (Innsbruck), 420–427 (Laibach), 427–434 (Graz), 434–451 (Wien 1568), 451–459 (Aussee). 30   Ebd. 385 (Wien 1551). 31  Christina Vanja, Die Neuordnung der Armen- und Krankenfürsorge in Hessen, in: Reformation und Landesherrschaft. Vorträge des Kongresses anlässlich des 500. Geburtstages des Landgrafen Philipp des Großmütigen von Hessen vom 10. bis 13. November 2004 in Marburg, hg. von Inge Auerbauer (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 24/9 = Quellen und Darstellungen zur Geschichte des Landgrafen Philipp des Großmütigen 9, Marburg 2005) 137–147; dies., Die Stiftung der Hohen Hospitäler als neue „caritas“, in: Landgraf Philipp von Hessen und seine Residenzstadt Kassel, hg. von Heide Wunder–ders.– Berthold Hinz (Veröffentlichung den Historische Kommission für Hessen 24/8, Marburg 2004) 207–220. 32  Arslan Terzioğlu, Die Hofspitäler und andere Gesundheitseinrichtungen der osmanischen Palastbauten unter Berücksichtigung der Ursprungsfrage sowie ihre Beziehungen zu den abendländischen Hofspitälern (Beiträge zur Kenntnis Südosteuropas und des Nahen Orients 30, München 1979) 39 (Fathepur Sikri), 57–61 (Edirne), 91–94 (alter Palast in Istanbul), 122–183 (Topkapi), 190–193 (Galatasaray).



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Die Fürsorge des gesamtösterreichischen Adels – die esterházyschen und liechtensteinischen Grundherrschaftsspitäler im 17./18. Jahrhundert Der neue gesamtösterreichische Adel des 17. Jahrhunderts33 war nicht mehr nur in einem Teil der zusammengesetzten Habsburgermonarchie (etwa Böhmen, Mähren, Land unter der Enns oder Krain) begütert und damit nicht mehr nur auf einem Landtag im Herrenstand vertreten. Bedeutende Familien wie etwa die Althann, Liechtenstein oder Schwarzenberg besaßen umfangreiche Güter in mehreren Ländern, die sie planmäßig bewirtschaften mussten, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein – auch um sich die ökonomische Basis für eine aufwändige Repräsentation bei Hof erwirtschaften zu können. Teil der Repräsentationsstrategie des Adels auf der grundherrschaftlichen Ebene war neben dem Seelgerätsgedanken auch die karitative Fürsorge für die Untertanen der eigenen Grundherrschaft. Adelsfamilien mit größeren, oft territorial zusammenhängenden Besitzungen richteten für ihre Untertanen mehrere Spitäler ein, wodurch die jeweilige Adelsfamilie im Sinne einer herrschaftlichen Landnahme auch den umfassenden Zugriff auf ihre Untertanen verdeutlichte. Neue Adelstitel wie etwa die Verleihung des Fürstenstandes scheinen zudem die Gründungsbewegung von Spitälern beschleunigt zu haben. Neben dem obligaten Schlossbau und dem Mäzenatentum erschienen den aufstrebenden Adeligen auch andere Bauaufgaben als sinnvolle Visualisierung von ökonomischem und symbolischem Kapital. „Dann mann muß auch geistliche sachen bauen, […] gott dem allmächtigen zue dienen, undt nicht alles nur zue seinen aygenen spaß, gelegenheit und nutzen anordnen, ein capital auch in der ewigkeit zue haben, so die verdienst geben der erbauung der gottesheüser, clöster, hospitalien, wordurch die gueten werckh vermehret werden undt der verdinst in der ewigkeit erlanget, so wür alldorten geniessen werden, jeder so viel er werkh gott gefällige gethann hat“34. Deshalb finden sich in den als Arbeitsplatzbeschreibungen angelegten Instruktionen an die Herrschaftsverwalter der liechtensteinischen Grundherrschaften aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch für den Jänner bzw. Dezember nicht nur die Kontrolle der Waisen- und Kirchenkassen, sondern auch die Anweisung, die „Spitalraitungen aufnemmen“35. Zu den Aufsteigern, den Neufürsten des 17. Jahrhunderts und den Gewinnern des Dreißigjährigen Krieges gehörte auch das „gesamtösterreichische“ Haus Liechtenstein, dessen Mitglieder in Niederösterreich, Böhmen, Mähren und Schlesien große Besitzungen erwarb. Die erfolgreiche Bewirtschaftung des Grundherrschaftskomplexes erlaubte 33   Zur Begrifflichkeit und zur damit verbundenen Implikation Thomas Winkelbauer, Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters (MIÖG Ergbd. 34, Wien 1999) 39–46; Martin Scheutz, Die Elite der hochadeligen Elite. Sozialgeschichtliche Rahmenbedingungen der obersten Hofämter am Wiener Kaiserhof im 18. Jahrhundert, in: Adel im 18. Jahrhundert. Umrisse einer sozialen Gruppe in der Krise, hg. von Gerhard Ammerer–Elisabeth Lobenwein–dems. (Querschnitte 28, Innsbruck 2015) 141–194, hier 142–150. 34   So Karl Eusebius von Liechtenstein an seinen Sohn Johann Adam Andreas mit einer Kritik an Schloss Plumenau/Plumlov aus dem Jahr 1681; Herbert Haupt, Von der Leidenschaft zum Schönen. Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein (1611–1684). Quellenband (Quellen und Studien zur Geschichte des Fürstenhauses Liechtenstein 2, Wien 1998) 285–289, hier 289. 35   Thomas Winkelbauer, Gundaker von Liechtenstein als Grundherr in Niederösterreich und Mähren. Normative Quellen zur Verwaltung und Bewirtschaftung eines Herrschaftskomplexes und zur Reglementierung des Lebens der Untertanen durch einen adeligen Grundherrn sowie zur Organisation des Hofstaates und der Kanzlei eines „Neufürsten“ in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (FRA III/19, Wien–Köln–Weimar 2008) 331, siehe auch 334, 342.

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der weitverzweigten Familie eine reiche Bautätigkeit, umfangreiches Mäzenatentum und eine erfolgreiche Präsenz am Wiener Hof. Bezüglich der geistlichen und weltlichen Repräsentation in den Grundherrschaften lassen sich Stiftungen von Messen, von Anniversarien, von Kaplanstellen, von Krankenbetten und Donationen für die Ortsarmen (meist Geld und Lebensmittel) belegen. Als erster wichtiger Spitalgründer innerhalb der Familie betätigte sich der 1599 konvertierte Karl von Liechtenstein (1569–1627), welcher – der späteren Legende nach – im Zuge eine Rombesuches die Barmherzigen Brüder kennenlernte36. Schon 1605 brachte er die Barmherzigen Brüder nach Feldsberg/Valtice, wo diese das dort bestehende Barbaraspital übernahmen und damit das erste Spital der Brüder nördlich der Alpen begründeten. Weitere Stiftungen anderer Familienmitglieder, sowohl aus der regierenden Hauptlinie als auch aus der Nebenlinie folgten bald37: Hartmann I. von Liechtenstein (1613–1686) stiftete am 24. Dezember 1641 ein mit 13 Personen belegtes Pfründnerhaus im niederösterreichischen Mistelbach38. Karl Eusebius Fürst von Liechtenstein (1611–1684), zweiter Fürst der liechtensteinischen Primogenitur, eiferte wenig später diesem Vorbild nach und begründete in Littau/Litovel am 12. Juni 1655 ein für 21 Personen intendiertes Spital39. Der dritte Fürst Johann Adam von Liechtenstein (1657–1712) schloss sich im Jahr 1711 mit der Gründung des für zwölf Personen bemessenen Spitals in Wranau/Vranov40 an. Als große Spitalgründerin und Verehrerin des Johann Nepomuk kann Maria Theresia von Savoyen-Carignan (1694–1772, geb. Liechtenstein) gelten, die einen Neffen von Prinz Eugen heiratete und unter anderem die Savoyische Akademie in Wien gründete. Sie stiftete am 5. Jänner 1732 in ihrem Geburtsort im böhmischen Schwarzkosteletz/Kostelec nad Černými lesy auch ein Spital für 24 Personen41. Rund dreißig Jahre später folgte 1763 in Kaunitz/Kounice eine weitere Einrichtung für sieben Pfründnerinnen42. Auf Veranlassung des achten regierenden Fürsten Franz Josef I. von Liechtenstein (1726–1781) initiierte sein Bruder, der General Karl Borromäus Josef von Liechtenstein (1730–1789), am 29. Juli 1782 die Gründung eines für 20 Personen vorgesehenen Armenhauses im Millonitzer Schlössel bei Butschowitz/ Bučovice43. Neben diesen Neugründungen bzw. den wesentlichen Neubestiftungen verfügten die Liechtenstein über zahlreiche Herrschaftsspitäler, die sie beim allmählichen agglutinierenden Erwerb ihrer Grundherrschaft von ihren „Vorgängern“ übernahmen und weiter betreuten, wie die Grundherrschaftsakten belegen44. 36   Carlos Watzka–Petr Jelínek, Krankenhäuser in Mitteleuropa vor der Aufklärung. Das Beispiel des Ordenshospitals der Barmherzigen Brüder in Feldsberg/Valtice und seiner Patienten 1630–1660. Medizinhistorisches Journal 44 (2009) 235–273, hier 240–243; Petr Jelínek, Der Konvent der Barmherzigen Brüder in Feldsberg und seine Krankenprotokolle (1683–1711). MIÖG 115 (2007) 369–394. 37  Siehe hierfür Ausweis über die sämtliche, in Wien und auf den hochfürstlichen Gütern bestehenden, bis zum Tode weiland Seiner Durchlaucht des Fürsten Alois II. von und zu Liechtenstein (12. November 1858) errichteten Stiftungen jeder Art (o. O. [1858?]) [gedrucktes Exemplar im Hausarchiv Wien]. 38   Siehe den Abdruck des Stiftbriefes des Spitals von Mistelbach in ebd. 26–30. 39  Siehe den Abdruck des Stiftbriefes des Spitals von Littau/Litovel in ebd. 20f. 40  Ebd. 11. Es scheint kein Stiftbrief für diese Stiftung im Hausarchiv vorzuliegen. 41  Siehe den Stiftsbrief für das Spital in Schwarzkosteletz/Kostelec nad Černými lesy in ebd. 41–46. 42  Siehe den Stiftsbrief für das Spital in Kaunitz/Kounice in ebd. 61–67. 43  Ebd. 78f. 44  Als sicherlich nicht vollständige Aufstellung: Spital von Mährisch Aussee/Úsov (ca. 1520 bis ca. 1780) wohl 1519 gegründet, siehe ebd. 34, HAL K. H. 2506; weiters Spital zu Littau/Litovel (Mähren, ab ca. 1600 bis ca. 1750), HAL K. H. 2508; Spital in Landskron/Lanškroun (Böhmen, c. 1630 bis ca. 1790), HAL K. H. 2448; Spital in Ledetsch/Ledeč nad Sázavou (Böhmen, ca. 1700 bis ca. 1730), HAL K. H. 2556. Eine Durchsicht der entsprechenden Kartons im Hausarchiv ergab nur Streufunde.



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Am Beispiel der im ungarisch-österreichischen Grenzgebiet angesiedelten Familie ­ sterházy lässt sich der angesprochene obrigkeitliche Zugriff auf die Dörfer der bäuerliE chen Untertanen über Spitäler gut exemplifizieren45. Nicht weniger als fünf Herrschaftsspitäler ließ diese Familie ab dem 17. Jahrhundert und verstärkt ab dem 18. Jahrhundert im heute burgenländisch-westungarischen Bereich begründen. Das Spital in Neckenmarkt entstand vor 1640 (Neubau 1738–1741), Lockenhaus um 1668, Eisenstadt 1690 (bis 1711, Neugründung 1723–1759), Forchtenau unter dem Esterházy-Stammsitz Forchtenstein 1759 und Pöttsching 1761. Das unweit der Kirche befindliche Neckenmarkter Spital wurde im 18. Jahrhundert als zweigeschossiger Bau für je sechs Männer und sechs Frauen neu errichtet, wobei der Männer- und der Frauentrakt mittig durch die dem Hl. Antonius geweihte Kirche und die Küche getrennt waren. Als repräsentative Ergänzung zum Schlossbau der Esterházy in Eisenstadt ab den 1650er Jahren war auch ein Spital notwendig. Neben der seit 1674 bestehenden Kapelle der Hl. Apollonia und Wilgefortis errichtete Fürst Paul I. Esterházy ein Spital für zwölf verarmte Personen, das später um ein Stockwerk erhöht wurde. In unmittelbarer Nähe zu diesem ersten Eisenstädter Spital entstand 1701/05 der Kalvarienberg mit der Kapelle Maria Einsiedeln. Nachdem das Spitalgebäude 1711/12 den Franziskanern übergeben wurde, konnte erst 1723 an anderer Stelle ein neues Spitalgebäude in Eisenstadt für acht Männer und vier Frauen errichtet werden. Fürst Paul II. Anton Esterházy (1711–1762) berief 1759 – ähnlich wie Karl von Liechtenstein früher – den Orden der Barmherzigen Brüder nach Eisenstadt und übergab ihnen das bestehende Spital, weshalb das Herrschaftsspital nach Forchtenau weichen musste. Diese Transferierungspolitik der Herrschaftsspitäler macht schon deutlich, dass die Esterházy bezüglich der Kranken- und Armenversorgung ihrer Grundholden über die engen Grenzen der jeweiligen Grundherrschaft hinaus dachten und eine arrondierende Versorgungsstrategie auf Ebene des esterházyschen Gesamtbesitzes anstrebten. Die ehemaligen Insassen des Eisenstädter Spitals transferierte man 1759 nach Forchtenau, wo sie im Gemeindehaus (dem an die Gemeinde übergebenen Haus des Wiener Tuchhändlers Georg Wagner) Unterschlupf fanden. Fürst Paul II. Anton Esterházy wollte das Forchtenauer Spital (anders als in Eisenstadt) in geordneten Verhältnissen wissen, damit „in dem neuen Spital die vorhin zu Eisenstadt gewesene Sauerey nicht gestattet, sondern [dort] die saubrigkeit, gute Ordnung, auch fried und einigkeit“ Einzug halten sollte46. Der Fürst ließ deshalb das Forchtenauer Haus vom fürstlichen Architekten ­Johann Ferdinand Mödlhammer umbauen47. Das Spitalgebäude war als eine rechteckige Vierkantanlage mit zwei Geschoßen konzipiert worden (Ausmaße 20 mal 30 Meter) und verfügte über einen rund sieben Meter langen ebenerdigen Anbau am Ostflügel. Im Hof stand ein Brunnen, vom Hof führten hölzerne Stiegen zu einem vor dem Süd-, Ost- und 45  Felix Tobler, Die fürstlich Esterházyschen „Spitäler“ in Neckenmarkt und Forchtenau anhand der Beschreibungen aus den Jahren 1776–1778. Zur grundherrschaftlichen Armen- und Altersversorgung des burgenländisch-westungarischen Raumes am Ende der 70er-Jahre des 18. Jahrhunderts, in: Gesundheit und Hygiene im pannonischen Raum vom ausgehenden Mittelalter bis in 20. Jahrhundert, hg. von Sonia Horn–Rudolf Kropf (Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 120, Eisenstadt 2007) 417–425; Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 301–304. 46   Johann Pöschl, Die Herrschaft Forchtenstein unter den Esterházy 1622–1848 (Diss. Wien 1963) 35. 47   Adelheid Schmeller-Kitt–Evelyn Benesch–Renate Holzschuh-Hofer–Katharina Packpfeifer (Bearb.), Die Kunstdenkmäler des politischen Bezirkes Mattersburg (ÖKT 49, Wien 1993) 195f. (Abb. 309). Siehe den Grundriss des Spitals bei Bollwerk Forchtenstein. Burgenländische Landesausstellung 1993, hg. von Jakob Michael Perschy (Burgländische Forschungen Sonderbd. 11, Trausdorf 1993) 179f. (Abb.), dort auch eine genaue Beschreibung des Gebäudes.

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teilweise auch dem Westtrakt des Gebäudes liegenden Balkon. In jedem Längstrakt befand sich auch ein Klosett. Eine große Männerkammer beherbergte zwölf Männer, eine große „Weiberkammer“ zehn und eine kleine Kammer drei Frauen. Daneben gab es nach einem Inventar von ca. 1778 ein Kranken- und ein Tafelzimmer mit nach Geschlechtern getrennten Tischen, eine Küche, eine Speisevorratskammer, eine Mehl- und eine Krautkammer sowie eine Arrestzelle, ein Hausknechts- und ein Spitalpflegerzimmer48. Im Jahr 1779 befanden sich exakt zwölf Männer und zwölf Frauen mit einem Altersdurchschnitt von mehr als 60 Jahren im Forchtenauer Spital, wobei die über Supplikationen an den fürstlichen Grundherrn erfolgte Aufnahme die Versorgungsstrategie verdeutlicht49: Im oben genannten Jahr stammten zwölf Personen aus der Grundherrschaft Eisenstadt, vier aus der Herrschaft Lackenbach-Landsee, zwei aus der Herrschaft Lockenhaus und je eine Person aus der Grundherrschaft Kittsee, Schwarzenbach, Güns/Kőszeg und nur drei Personen aus der Grundherrschaft Forchtenstein selbst, so dass man das Forchtensteiner Spital als eine überregionale, auf die gesamte Grundherrschaft der Esterházy bezogene Versorgungseinrichtung ansprechen kann. Im Vergleich zum Forchtenauer Spital waren die restlichen grundherrschaftlichen Spitäler der Esterházy deutlich kleiner dimensioniert. Der esterházysche Verwalter von Pöttsching, das seit 1735 wieder unter der Herrschaft der Esterházy stand, Matthias Peyritsch, erfuhr 1760, dass „eine alte arme wittib namen Ostermayerin in der grösten winterskälte auf dem gemeinhausboden erfrohren und todter gefunden und eine andere arme elende weibs persohn, so gegen zwey jahr lang contract ware, bey dem Joseph Gämel in einem stallwinckel, weilen sie niemand in ein zimmer zu liegen gestattet, verstorben“ war50. Der Verwalter veranlasste 1761 die Gemeinde zur Gründung eines Spitals, das unweit der Kirche von Grund auf neu erbaut wurde. Das kleine Pöttschinger Spital beherbergte in den 1770er Jahren in einem großen Zimmer mit vier Betten und einem kleinen Zimmer mit zwei Betten sechs verarmte Untertanen. Das im 18. Jahrhundert recht bescheidene, für sechs Männer und sechs Frauen ausgelegte Lockenhauser Spital (15 Meter lang und ca. acht Meter breit) „lieget gegen mittag von der kloster kirchen [Augustiner], wenn man in dieselbe gehet, links neun klaffter entfernet“51, umfasste drei Zimmer – ein Männerzimmer mit sechs Betten, ein Frauenzimmer mit fünf Betten und ein Zimmer für die Köchin –, eine Küche und eine Speisevorratskammer nebst einem Küchen- und Obstgarten.

Kleine Grundherrschaftsspitäler des Adels – Herrschaft vor Ort Der Regelfall grundherrschaftlicher, institutioneller Versorgung von Armen, Alten und Kranken waren aber nicht große Hofspitäler, sondern die auf dem grundherrschaftlichen Gebiet eines Adeligen bzw. einer adeligen Familie angesiedelten, meist kleinen Herrschaftsspitäler. Nicht immer haben sich die Stiftungsurkunden der Spitäler erhalten, aber wenn, dann sprechen die Herrschaftsinhaber in der Regel mit Stolz von ihren Spitalstiftungen. Hans Wilhelm von Zelking (1568–1623) leitete etwa die mit 1607 datierte   Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 1078–1080.   Zum Folgenden Harald Prickler, Das fürstlich esterházysche Spital Forchtenau im Jahre 1779. Burgenländische Heimatblätter 59 (1997) 142–144. 50  Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 302. 51  Ebd. 302f. 48 49



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Abb. 1: Das dem Grundherrn Johann Joachim Enzmillner, Graf von und zu Windhaag, unterstehende Dorf Münzbach in der Darstellung der „Topographia Windhagiana“ mit dem am Rand des Dorfes befindlichen Barbaraspital (Ausschnitt in Vergrößerung) [Foto: Topographia Windhagiana […] (Frankfurt/ Main 1656) 8].

Ordnung des in seinem Patrimonialmarkt Kefermarkt (Mühlviertel) gelegenen Spitals mit der folgenden Narratio ein: Er habe das Spital „auß Gottes befelch und demselbigen zu lob, den armen gebrechlichen leuthen aber zu nuz und gueten, […] mit des höchstens zuelaß und gnad im 1606ten jahr von grund und auf ainen grüenen feldanger erbauet“52. Mitunter agierten die adeligen Grundherren nicht als Gründer der Herrschaftsspitäler, sondern setzten beim Ankauf einer Grundherrschaft bald auch ein repräsentatives Zeichen der neuen Herrschaft vor Ort, indem sie das alte Spital neu bestifteten oder wesentlich ausbauen ließen. Der neuadelige Aufsteiger und Jurist Johann Joachim Enzmillner, Graf von und zu Windhaag53 (1600–1678) bestiftete das 1620 von Georg Schütter von Klingenberg gegründete Spital in Münzbach unmittelbar nach dem Ankauf der Grund  Ebd. 730 (Kefermarkt 1607).   Walpurga Oppeker, Joachim Graf von und zu Windhag (1600–1678). Reformationskommissär, Großgrundbesitzer und Stifter im Viertel ob dem Manhartsberg, in: Waldviertler Biographien, Bd. 2, hg. von Harald Hitz–Franz Pötscher–Erich Rabl–Thomas Winkelbauer (Waidhofen/Thaya 2004) 53–88. 52 53

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herrschaft im Jahr 1640 neu und ließ das Gebäude auch wesentlich ausbauen54. Über dem Eingang ließ er prominent das 1640 gebesserte Familienwappen (mit dem Affen der Familie Prager im Herzschild) anbringen. Vor allem die erste Gattin Enzmillners war eine Wohltäterin des „wohlzugerichte[n]“55 Barbaraspitals in Münzbach. Im 1691 angelegten Stiftbuch beschrieb die Tochter Eva Magdalena, die erste Priorin des Klosters Windhag, die Spitalgründung ihres Vaters: „Dieses auf Windhag gehörige Spital hat der Stifter noch im Leben seiner ersten Gemahlin gestiftet und eingerichtet auf 6 Männer und 6 Weiber. Diesen hat er machen lassen gleiche braune tücherne Mäntel mit langen Ärmeln. Beim Tisch hat jedes seinen zinnernen Seitelbecher und dreimal in der Woche Fleisch zu essen gehabt. Zu diesen hat er verordnet eine Herrschafts-Pupillin, welche ihren Hofdienst dort abdienen muss für eine Mayerin“56. Enzmillner stiftete dem Spital und den zwölf Bewohnerinnen und Bewohnern in seinem Testament zudem 1.000 Gulden, die zum Ankauf eines Getreidezehents und eines Überlendgrundes verwendet wurden. Die Patres des Klosters in Münzbach mussten zudem am Barbaratag (4. Dezember) und jeweils am Sonntag eine Messe in der Hauskapelle lesen. Bevorzugt sollten im Spital Grundholden aus der Herrschaft des Stifters Aufnahme finden. Die Tochter Enzmillners ordnete zudem an, dass die Spitalinsassen nicht mehr in braunen, sondern in weißtüchernen Mänteln mit langen schwarzen Ärmeln eingekleidet werden sollten. Zudem ließ sie das Spital neu herrichten und mit heute nicht mehr erhaltenen Fresken und dem eigenen Wappen sowie dem ihres Vaters zieren. Die Repräsentation der bedeutenderen und finanzstarken Adelsfamilien implizierte unweigerlich auch die planmäßige Ausstattung der Grundherrschaften mit Spitälern, wie das am Beispiel der Familie Starhemberg, im Speziellen an Otto Gundaker Franz Xaver von Starhemberg (1720–1760) und seinen Mühlviertler Grundherrschaften deutlich wird. Zentralistisch versuchte der Herrschaftsinhaber die Spitäler zu verwalten. Sowohl die Spitalordnung wie auch die Instruktionen für die Spitalverwalter von Gutau, von Perg, von Pregarten und von Tragwein tragen seine Unterschrift57. All diese Herrschaftsspitäler (mitunter in Kombination mit einem Bürgerspital) waren insgesamt kleindimensionierte Einrichtungen: Perg beherbergte sechs, Gutau sechs bis acht, Tragwein acht und Perg zehn Insassen58. Mitunter ging der Herrschaftsinhaber auch einen Verbund mit einem bereits bestehenden Bürgerspital ein, wie sich das am Beispiel des Spitals von Zell bei Zellhof (Mühlviertel) darstellt. Das für rund 15 Personen dimensionierte Spital war nach einem Vertrag von 1602 zwischen Hilleprant Jörger und dem Markt Zell59 „maistens durch die burger und Herrschaffts unterthanen daselbst gestifft und gebaut worden“60. Die Vogtei über das Spital besaß später die Herrschaft Prandegg, zudem vermachte der Herrschaftsinhaber der 54   N. N., Spitäler und sanitäre Fürsorge, in: Münzbach – Land und Leute – Gestern und heute, hg. von der Marktgemeinde Münzbach (Ried 2010) 112–116. 55   Topographia Windhagiana, Das ist: Aygentliche Delineation, oder Contrafaitur, Perspectiv, Auffzüg / Grund: vnd Abriß auff underschiedliche Prospecten vnd Formen / mit beygesetzter kurtzer Historischer Beschreibung beyder Herrschafften / Windhaag vnd Reichenau (Frankfurt/Main 1656) 9. 56  N. N., Spitäler und sanitäre Fürsorge (wie Anm. 54) 113. 57  Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 732–737 (Gutau 1755), 738 (Perg 1757), 739f. (Pregarten 1756), 740f. (Tragwein). 58  Ebd. 236f. 59  Lambert F. Stelzmüller, Das Spital in Zell bei Zellhof. Heimatgaue 9/4 (1928) 209–218, hier 210. 60  Ebd. 211.



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Grundherrschaft immer wieder Stiftungen, so dass realiter großer Einfluss der Grundherrschaft auf das Spital bestand: Das Spital wurde deshalb in den Quellen gegen Ende des 17. Jahrhunderts als „herrschafft Prandegg- und Zellhoferischen spittall in marckt Zell“61 bezeichnet. Der Spitalmeister (1602 werden sogar zwei Spitalmeister genannt62) wurde jeweils beim Pantaiding des Marktes zu Lichtmess im Kontext der Marktrichterwahl vom Richter und Rat des Marktes unter Konsens der Bürgerschaft gewählt. Nach 1790 amtierte über längere Zeit der Marktrichter zugleich als Spitalmeister. Während im Vertrag von 1602 dem Spitalmeister noch das Recht eingeräumt wurde, Insassen selbst ins Spital aufzunehmen, legte die Grundherrschaft 1756 das alleinige Recht der Grundherrschaft auf Vergabe der Plätze im Spital fest. Als Zeichen der „Verherrschaftlichung“ des ehemaligen Bürgerbesitzes unterzeichnete auch Norbert Anton Oswald Graf Salburg († 1765) 1756 die Spitalordnung. In vereinzelten Fällen ließen im Mannesstamm aussterbende Familien ihren Wohnsitz nicht etwa in ein Kloster umwandeln, sondern bestifteten mit diesem Besitz ein Armenspital, wie dies im Fall des Renaissanceschlosses des Verordneten der steirischen Landschaft und Kriegsrates Franz von Teuffenbach (1516–1578) belegt ist. Nach seinem Tod am 22. Jänner 1578 bestattete man Teuffenbach in der Pfarrkirche von Pöls. Elf Jahre zuvor hatte er für den Fall, dass sein Familienzweig im Mannesstamm aussterben sollte, testamentarisch verfügt, dass sein Wohn-, Grund- und Untertanenbesitz in Sauerbrunn zu einem Armenspital umgewidmet werden sollte. Nach dem Tod seiner beiden Söhne Offo und Karl 1612 trat dieser Anlassfall ein und das Testament des Vaters wurde schlagend. Mit dem Schloss war eine Meierei und eine Grundherrschaft verbunden, deren Erträge für eine langfristige Versorgung der Armen hinreichten63. Zunächst wohnten 18 Arme beengt in einem Raum zusammen, 1684 waren es bereits 24, 1719 schon 31 Frauen und Männer64. Sauerbrunn besaß anfänglich keine eigene Kapelle, weshalb der Spitalinspektor Hans Adam Graf Saurau 1684 beim Bischof vom Seckau um Erlaubnis für einen Gottesraum im Schloss ansuchte. Unter Mitarbeit der Spitalinsassen wurde eine Kapelle gebaut und der Unbefleckten Empfängnis geweiht65. Auch das kleine herrschaftliche, etwas abseits gelegene Spital im weststeirischen Ligist wurde im Jahr 1642 von Karl Graf Saurau († 1648) im Kontext eines Testaments gestiftet66 und beherbergte um 1770 acht Frauen, die zur Arbeit verpflichtet waren. Ursprünglich war das Spital für „acht recht arme leuth oder persohnen vorgesehen“, die vom Schloss Ligist „mit allen nothwendigkeiten von kleydung, speissen, holz, und winters-zeit ihren teckhen, wie es auf solche arme leuth gehörig“, versorgt wurden67. Der rund 20   Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 748 (Zellhof 1756).   Ebd. 212. 63   Walter Brunner, Geschichte von Pöls (Pöls 1976) 210f., 107; Walter Brunner, Armut und Armenversorgung, in: Geschichte und Topographie des Bezirkes Judenburg 1, hg. von dems. (Graz 2008) 253–264, hier 255. 64  Zu den Belegzahlen Carlos Watzka, Arme, Kranke, Verrückte. Hospitäler und Krankenhäuser in der Steiermark vom 16. bis zum 18. Jahrhundert und ihre Bedeutung für den Umgang mit psychisch Kranken (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs 36, Graz 2007) 33. 65  Brunner, Pöls (wie Anm. 63) 211. 66  Peter Klug, Wirtschaft und Aufbau im Laufe der Jahrhunderte, in: Ligister Heimatbuch, hg. im Festjahr 1964 (Ligist 1964) 33–146, hier 84f.; Jakob Wichner, Beiträge zu einer Geschichte des Heilwesens, der Volksmedicin, der Bäder und Heilquellen in Steiermark bis incl. Jahr 1700. Mittheilungen des Historischen Vereines für Steiermark 33 (1885) 3–123, hier 65. 67  Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 202. 61 62

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Kilometer von Graz entfernte Markt Ligist zählte Ende des 18. Jahrhunderts kaum 50 Häuser, dazu das Schloss der Grafen Saurau, ein Eisenhammerwerk, eine Sensenschmiede und eben auch ein kleines Herrschaftsspital. Auch der kaiserliche Kämmerer und Geheime Rat Johann Ferdinand Graf Enkevoirt († 1692)68 stiftete 1666 ein herrschaftliches Armenspital in Straß im Straßertal. Enkevoirt widmete sein für sechs alte Männer und sechs alte Frauen vorgesehenes, bescheidenes Herrschaftsarmenspital vor allem seinen Untertanen. Die Spitalkapelle, auf deren Altarblatt Johannes der Täufer dargestellt ist, ist ein zweijochiger Bau und steht in direkter Verbindung zum langgestreckten, eingeschossigen Spitaltrakt.

Kreuzförmige Spitalanlagen des niederösterreichischen Adels – Verbindungen von Erbbegräbnis und Herrschaftsspital in der Frühen Neuzeit Ein Spezifikum innerhalb der österreichischen Spitallandschaft stellen die über einem kreuzförmigen Grundriss angelegten Herrschaftsspitäler im nördlichen Niederösterreich dar, wobei einige der Stifterfamilien unter den Spitalkirchen auch ihre Erbbegräbnisse, d. h. die Grüfte, anlegen ließen. Die als Zentralbauten angelegten Spitäler scheinen im Sinne von Statuskonkurrenz und regionaler Repräsentationsstrategie ein Spezifikum der im nördlichen Niederösterreich ansässigen und durch verschiedenste Bande verknüpften Adelsfamilien Kollonitsch, Kuefstein, Lamberg und St. Julien gewesen zu sein. Die Präsentation konfessioneller Rechtgläubigkeit in Zeiten der um 1650 einsetzenden katholischen Konfessionalisierung spielte für die Errichtung dieser Bauten eine ebenso wichtige Rolle wie die paternalistisch-caritative Haltung der Grundherren. Unmittelbar neben dem kuefsteinischen Schloss Greillenstein, nur einige hundert Meter westlich, findet sich der kleine Markt Röhrenbach, wo die Familie Kuefstein schon im 16. Jahrhundert ein grundherrschaftliches, nachweislich 1592 auf einer bildlichen Darstellung erscheinendes Spital anlegen ließ, ohne dass die näheren Umstände dieser Gründung archivalisch greifbar würden69. Ein das Ensemble überragender mittiger Vierungsturm mit welscher Laternenhaube und davon ausgehend kreuzförmig vier eingeschossige Flügel bildet den Grundriss des Spitals. Die gesamte Anlage des Spitals samt Kirche (und Gruft) ist zudem von einer quadratischen Mauer umgeben. Im 17. Jahrhundert kam es durch Entfernung einer Decke zur Umwandlung des ursprünglichen Südflügels in ein Kapellenlanghaus. Unter Hans Georg IV. von Kuefstein (1645–1699) wurde die Spitalanlage um eine Gruftanlage erweitert – vermutlich weil die Familie Kuefstein 1645 das Erbbegräbnis in Maria Laach am Jauerling verloren hatte. Nach dem Tod von Hans Georg wurden wöchentlich vier Messen gelesen, zwei Messen galten den in der Gruft Ruhenden, je eine war Maria und der Hl. Anna dediziert70. Insgesamt sechs der blau gewandeten Spitalinsassen, drei Männer und drei Frauen, bewachten mit ihren

  Ebd. 270f. Siehe auch den Beitrag von Friedrich Polleroß in diesem Band.   Kurt Bleicher, Die gräflich kuefsteinsche Gruftkirche in Röhrenbach. Ein frühneuzeitlicher Hospitaltypus im nördlichen Waldviertel. Eine baugeschichtliche Untersuchung. ÖZKD 60 (2006) 385–401, hier 386 (nach der ältesten bildlichen Ansicht aus dem Schloss Greillenstein). 70   Zum Vertrag vom 1. Juni 1699 zwischen dem Abt von Altenburg und der Familie Kuefstein Karl Graf Kuefstein, Studien zur Familiengeschichte in Verbindung mit der Landes- und Kulturgeschichte. Bd. 4: 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts (Wien–Leipzig 1928) 42. 68 69



Stoßgebete für adelige Stifter und Stifterfamilien

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Abb. 2: Das kreuzförmig angelegte Herrschaftsspital bzw. die kuefsteinische Gruftkirche Röhrenbach (Foto: Martin Scheutz, Dezember 2015).

Gebeten die Gruft des Grundherrn71. Weitere Baumaßnahmen erfolgten unter der Regierung von Hans Leopold von Kuefstein (1676–1746), wie die Weihedaten 1708, 1723 und eine auf der Fassade vorfindliche Datierung mit 1737 belegen. Die Fassade wird aufgrund stilistischer Kriterien Joseph Munggenast (1680–1741) zugeschrieben, die Familie Kuefstein konnte aber auch auf andere herausragende, im Umfeld der Barockisierung von Stift Altenburg tätige Künstler zugreifen. Paul Troger (1698–1762) signierte etwa 1737 die Deckenmalereien im Chor der Gruftkirche von Röhrenbach72. Schon 1592 wird in Döllersheim zumindest ein Bürgerspital genannt73, ein Neubau erfolgte erst durch eine testamentarische Stiftung von Johann Franz von Lamberg († 1666), der am 2. Jänner 1660 für zwölf verarmte Untertanen seines grundherrschaftlichen Marktes ein neues Herrschaftsspital errichten ließ. Seine Witwe Maria Constantia (geb. Questenberg) ließ den Bau vollenden. Der Döllersheimer Baumeister Georg Wolff errichtete nach 1660 – eine Abschlussrechnung von 1665 über ein Altarbild74 und die Messlizenzerteilung von 166775 sind erhalten – eine streng orthogonale Anlage, die nach 71  Siehe die Spitalordnung des Göllersdorfer Spitals von Hans Leopold von Kuefstein bei Franz Xaver Reil, Der Wanderer im Waldviertel. Ein Tagebuch für Freunde österreichischer Gegenden (Brünn 1823) 120– 122. 72  Andreas Gamerith, „Voca me cum benedictis“. Der Freskenzyklus Paul Trogers in der kuefsteinischen Gruftkapelle in Röhrenbach. Wv 50 (2001) 1–28. 73  Theodor Wiedemann, Geschichte der Reformation und der Gegenreformation im Lande unter der Enns Bd. 2 (Prag 1880) 623. 74  Paul Buberl, Die Denkmale des politischen Bezirkes Zwettl. 1. Teil: Gerichtsbezirk Alltensteig (ÖKT 8, Wien 1911) 26. 75  Alois Plesser, Zur Topographie der verödeten Kirchen und Kapellen im Viertel ober dem Manhartsberg. Blätter für Landeskunde von Niederösterreich 34 (1900) 448–523, hier 458; kurze Zusammenfassung bei

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Abb. 3: Das Herrschaftsspital Döllersheim und die Peter und Paul geweihte spätmittelalterliche Pfarrkirche, heute „Friedenskirche Döllersheim“, im Zustand von 1909 (Foto: Paul Buberl, Bildarchiv der ÖNB, Inventarnr. 101.011 B).

Abb. 4: Das zerstörte Herrschaftsspital Döllersheim im Zustand des Jahres 1958 (Truppenübungsplatz) (Foto: Bildarchiv der ÖNB, Inventarnr. 275.240 C).



Stoßgebete für adelige Stifter und Stifterfamilien

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Abb. 5: Das Herrschaftsspital von Weitersfeld um das Jahr 1910 bei Moritz Hoernes–Johann Krahuletz (Bearb.), Die Denkmale der Gerichtsbezirke Eggenburg und Geras (ÖKT 5, Wien 1911) 256.

außen von einer quadratischen Umfassungsmauer abgeschlossen wurde. Im Zentrum der Anlage, beleuchtet von jeweils zwei hochgelegten Rundbogenfenstern, befindet sich eine turmartig erhöhte, zweigeschossige Kapelle76. Im Geviert um die zentrale, zu Ehre der Maria-Hilf geweihten Kapelle sind durch einen umlaufenden, ebenerdigen und mit Schindelpultdächern gedeckten Gang die vier, jeweils in zwei Zimmer unterteilten, eingeschossigen Spitalflügel in Form eines griechischen Kreuzes rechtwinklig angeordnet. Aus jedem Zimmer führen flachbogige Türen in den umlaufenden Gang, der wiederum eine Türe zur Kapelle aufweist. Im Anschluss an die Spitalflügel befindet sich jeweils ein kleiner Garten innerhalb der Umfassungsmauer77. In Weitersfeld befindet sich ein von Adam Maximilian von St. Julien gestiftetes und zwischen 1669 und 1673 errichtetes Herrschaftsspital, das baulich den vorgenannten BeiJohannes Müllner, Die entweihte Heimat. Ein Stück Österreich, das nur wenige kennen (Allentsteig 21998) 212f. 76  Wolfgang Huber, Die Kunstdenkmäler des Truppenübungsplatzes Allentsteig, in: Der Truppenübungsplatz Allentsteig. Region, Entstehung, Nutzung und Auswirkung. Die Vorträge und Diskussionen des zwölften Symposions des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde Allentsteig, 1.–4. Juli 1991, hg. von Willibald Rosner (STUF 17, Wien 1991) 51–67, hier 55f. 77  Zur weiteren Geschichte des Spitals Plesser, Zur Topographie (wie Anm. 75) 458: Entweihung 1786, 1804 Brand des Spitals und Neubau unter Auflassung der Kapelle (an deren Stelle Wohnräume).

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Abb. 6: Das Herrschaftsspital Kirchberg am Walde im heutigen Zustand (Foto: Martin Scheutz, Dezember 2015).

Abb. 7: Grundriss des kreuzförmigen Herrschaftsspitals von Kirchberg am Walde; aus Zinsler, Bürgerspitalsgebäude (wie Anm. 79) 141 (Entwurf/ Ausführung Erich Zinsler, Horn).



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Abb. 8: Grundriss des kreuzförmigen Herrschaftsspitals von Döllersheim (Bundesdenkmalamt, Planarchiv).

spielen folgt78. Das für zwölf Insassen ausgelegte Spital ist an einer Weggabelung auf leicht abschüssigem Gelände in der Nähe der herrschaftlichen Schäferei errichtet. Auch beim Weitersfelder Beispiel überragt ein rechteckiger, mittig gesetzter und mit Rundbogenfenstern beleuchteter Kapellenturm das viereckige Gebäude mit seinem Zeltdach. Die direkt an die Kapelle gebauten Spitaltrakte (mit einer Seitenlänge von 19,5 Metern) schließen sich viereckig und ebenerdig um den Kapellenturm. Ein einheitliches Dach verbindet die vier mit Tonnengewölben versehenen Spitaltrakte mit dem Turm der Kapelle, mehrere Rauchfänge lassen Rückschlüsse auf Ofenstellen zu. Das durch eine aufwändige, sekundär verwendete Zwillingswendeltreppe hervorstechende Spital in Kirchberg am Walde geht auf eine Gründung des Herrschaftsbesitzers Hans Leopold Graf Kuefstein (1676–1746) und seiner Gemahlin Maria Franziska, geborene Gräfin Kollonitsch (1684–1746), zurück und ist zwischen 1715 und 1719 für sechs alte Herrschaftsuntertanen (drei Männer und drei Frauen) eingerichtet worden79. Ein älteres, in Kirchberg bis 1719 bestehendes Hospital, untergebracht in zwei Häusern, wurde durch diese Stiftung ersetzt – Hans Leopold baute ja auch an seiner Gruftkirche in Röhrenbach intensiv um80. Ähnlich wie der Kreuzbau in Döllersheim hatte das Kirchberger Spital einen wuchtigen, quadratischen Mittelturm, der den Allen Heiligen gewidmeten Altarraum aufnahm, während der Nordflügel das zweijochige Schiff der Spitalkirche darstellte und die übrigen drei Flügel zur Aufnahme der Spitalinsassen dienten. Ein zentraler Gang erschloss die drei Spitaltrakte, die damit auch über Zugang zum Altarraum 78  Alfred Damm, Das Armenspital zu Weitersfeld (Frankfurt/Main u. a. 2008) 29–31, 199–203 (Grundriss nach Umbau S. 202). 79  Siehe den Grundriss bei Erich Zinsler, Das Bürgerspitalsgebäude von Kirchberg am Walde und seine Zwillingswendeltreppe. Wv 53 (2004) 138–147, hier 141; Herbert Berndl-Forstner, Die Kirchen von Kirchberg am Walde, Weissenalbern und Süssenbach (Christliche Kunststätten 257, Salzburg 1994) 12. 80   Bleicher, Gruftkirche (wie Anm. 69) 392. Hans Leopold ließ auch in Namiest ein Spital für zwölf Untertanen errichten. Seine Mutter stiftete in Litschau und Pottenbrunn ein Spital, Gamerith, Freskenzyklus (wie Anm. 72) 4.

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der Spitalkapelle verfügten81. Diese repräsentative, nahe dem Schloss Kirchberg gelegene Anlage des neuen Grundherrn (seit 1707) erfuhr durch den Hochaltar von 1719 und durch Stuckfiguren heiliger Ordensfrauen sowie des Hl. Nikolaus und des Hl. Felix von Cantalice zusätzliche Aufwertung. Einige adelige Stifter von Spitälern ließen sich dann auch in der als Gruftkirche angelegten Spitalkapelle begraben, wie dies testamentarisch für das Herrschaftsspital von Tüffer/Laško für den Grundherrn Johann Baptist von Valvasor 158182 belegt ist. Der Erblasser wollte ebenso wie seine Frau in der Hospitalkirche von Tüffer begraben werden und wünschte sich ein „eheliches epitaphium, wie sich gebürth“. Er stellte 200 Pfund Herrengült zur Verfügung, mit denen 18 bis 20 herrschaftliche Arme verpflegt und wöchentlich drei Messen gelesen werden sollten. Ein besoldeter bürgerlicher Spitalmeister war für die ordnungsgemäße Abwicklung der Stiftung vorgesehen. Diese Kombination von Spitalkapelle und adeligem Erbbegräbnis lässt sich besonders gut an einem niederösterreichischen Beispiel verdeutlichen. Am nordwestlichen Rand des Marktes Göllersdorf in Sichtweite zum schönborni­ schen Schloss Göllersdorf wurde 1618 vom kaiserlichen Feldzeugmeister Hans Christoph II. von Puchheim (1578–1619) ein grundherrschaftliches Spital „für arme leuth“83 gestiftet. Dieser ursprünglich einstöckige Spitalkomplex erfuhr durch die testamentarische Zustiftung einer vom Spital baulich abgesetzten Loretokapelle durch Maria Judith von Puchheim (1664–1694) 1694 eine kirchliche Erweiterung. Zur Ausführung gelangte die Stiftung der Casa Santa Kapelle aber erst nach dem 1710 erfolgten Verkauf der Grundherrschaft Göllersdorf durch die neuen Eigentümer, die Familie Schönborn, im Jahr 1715. Die beiden getrennten Gebäudeteile Spital und Loretokapelle wurde ab 1725 durch eine achteckige, als barocker Zentralbau ausgeführte Gruftkapelle, gestiftet vom neuen Eigentümer und langjährigen Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn (1674–1746), verbunden. Der ausführende Architekt Johann Lucas von Hildebrandt (1668–1745) stellte durch den axialen Einbau einer Gruftkirche ein geschlossenes Kirchen­ensemble her. Die ehemalige Loretokapelle mutierte nun zum Chor und Altarraum der mit einem Glockenturm versehenen Gruft- und Wallfahrtskirche, welche die römische Kirche S. Maria di Loreto nachahmte. Anlass für diesen Umbau war, dass der Reichsvizekanzler 1724 bei der Wahl zum Würzburger Fürstbischof scheiterte, weshalb er beschloss, sich in Göllersdorf eine Gruftkapelle errichten zu lassen und eine finanzielle Beteiligung an der Würzburger Schönbornkapelle ablehnte mit der Bemerkung, „und dieses onverholen bekennen muß, daß endlich, wo man mich nicht lebendig haben wollen, ich tod zu sein auch kein sonderes verlangen zu tragen haben kann“84. Nach seiner dann 81   Wilhelm Zotti, Abgekommene Kirchen, Kapellen und Karner im Waldviertel (Geschichtliche Beilagen zum St. Pöltner Diözesanblatt 22, St. Pölten 2000) 61–63. 82  Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 224. 83  Franz Karl Wissgrill, Schauplatz des niederösterreichischen landsässigen Adels vom Herren- und Ritterstande vom IX. bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts. Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft „Adler“ zu Wien (1889–1890) 153–211, hier 173: „nach deme Ich auch bey meiner Herrschafft Göllerstorf für arme Leuth ain Spittal aufgerichtet und dieses Aintausent Sechshundert achtzehendte Jahr zu pauen angefangen, also soll dasselbige auch vollents, da es in meinem Leben nit Beschäh, aufgebaut und hinfüro alzeit daselbst erhalten werden“. Siehe den Beitrag von Friedrich Polleroß in diesem Band. 84  Maria Antonia Mayrhofer, Loreto- und Gruftkapelle der Familie Schönborn in Göllersdorf in Niederösterreich – Ein Werk von Johann Lucas von Hildebrandt (Dipl. Wien 2008) 48. Immerhin drei Darstellungen in der schönbornischen Schloss- und Gartenserie widmen sich dem Göllerdorfer Spitalensemble: Salomon Kleiner–Johann Balthasar Gutwein, Gräflich Schönbornsche Schlösser, Häuser, Gärten und Kirchen (Würzburg um 1740) [Wien Bibliothek D-5737, Eiserne Kassa].



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Abb. 9: Schönbornische Gruft- und Spitalskapelle von Johann Lucas von Hildebrandt in Göllersdorf im Grundriss, Kupferstich von Johann Balthasar Gutwein, um 1740 (Foto: Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien).

1729 doch erfolgten Wahl zum Würzburger Bischof ließ sich Friedrich Karl von Schönborn dann allerdings doch standesgemäß in der Schönbornkapelle seines Würzburger Domes begraben, seine Eingeweide fanden aber ihre letzte Ruhestätte in Göllersdorf. Das für zwölf Männer und Frauen ausgelegte Spital der Grundherrschaft Göllersdorf (Stiftbrief

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Abb. 10: Das ab 1725 errichtete Gruftkirchenensemble Göllersdorf (Loretokapelle, Gruftkirche, Herrschaftsspital), errichtet von Johann Lucas von Hildebrandt (Foto: Martin Scheutz, Dezember 2015).

1726) wurde durch den Umbau von Hildebrandt in einen zweigeschossigen und zwölfachsigen Bau umgeformt, der sich axial an das Gruftensemble anschließt. An den Spitalbau, der eine durch Stufen hergestellte Verbindung zur Gruftkirche für die Spitalinsassen aufwies, schließt sich ein dreigeschossiger Wirtschaftstrakt im Süden an85. Die vorgestellten Herrschaftsspitäler des nördlichen Niederösterreich waren insgesamt klein dimensioniert und sind (mit Ausnahme von Göllersdorf ) einem kreuzförmigen Spitaltyp zuordenbar. Im Spital von Kirchberg am Walde und in Röhrenbach konnten sechs Personen, in Döllersheim und Weitersfeld zwölf und im überdurchschnittlich großen Gruftensemble von Göllersdorf insgesamt 24 Personen versorgt werden. Während Döllersheim, Weitersfeld und Göllersdorf kleine zellenartige Zimmer aufwiesen, waren dagegen die Spitalräumlichkeiten von Kirchberg am Walde und Röhrenbach saalartig angelegt. Der zentrale Turm in der Mitte der Spitäler machte eine Erschließung von Kapelle und Spitalräumlichkeiten durch einen um den Turm führenden zentralen Gang im Sinne eines Umganges erforderlich. Sowohl Döllersheim als auch Röhrenbach wiesen Einzäunungen auf, die das Spitalgelände begrenzten. Während über die kirchliche Ausgestaltung von Döllersheim 86 und Weitersfeld wenig bekannt ist, zeigen sich die Spitalbauen 85   Mayrhofer, Loreto- und Gruftkapelle (wie Anm. 84) 79f. Hildebrandt erbaute 1709/10 auch für Aloys Thomas Raimund Graf Harrach im nordböhmischen Ober-Branna/Horní Branná ein ebenerdiges, durch durch eine zylindrische, zweistöckige Eingangskapelle akzentuiertes Grundherrschaftsspital, das ansonsten keinen Schmuck und keine Gliederung ausweist; Wilhelm Georg Rizzi, Johann Lucas von Hildebrandt. Ergänzende Forschungen zu seinem Werk (Diss. Wien 1975) 81f. (Abb. 72–74, Grundriss Abb. 73 aus dem Familienarchiv Harrach in Wien). 86  Buberl, Zwettl (wie Anm. 74) 26. Das Patrozinium war Maria Hilf gewidmet, es waren aber auch Statuen der Apostel Peter und Paul vorhanden.



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von Kirchberg am Walde, Röhrenbach und Göllersdorf reich ausgeschmückt. Besonders die beiden Gruftkapellen wurden künstlerisch deutlich akzentuiert. Das Hauptfresko der Röhrenbacher Kapelle von Paul Troger stellt das Jüngste Gericht dar, damit das Thema der Gruftkapelle durch die Bilddarstellung des „Menschensohnes in seiner Herrlichkeit“ (Mt 5,31) kommentierend87. Die Gerechten werden darin von den Verdammten getrennt sowie die Auferstehung der Gerechten aus den Gräbern dargestellt. Die Göllersdorfer Gruftkapelle wurde einerseits durch die genaue Imitation der Kapelle in Loreto und andererseits durch die Ausmalung des Schweizer Freskanten Johann Rudolf Byss (1660–1738) mit einem Marienzyklus ausgestaltet. Auffällig erscheint die Koppelung von baulich und gestalterisch aufwändig ausgeführten Spitalbauten und dem Erbbegräbnis von adeligen Familien (Kuefstein im Fall von Röhrenbach, Schönborn im Fall von Göllersdorf ). Diese Gruftanlagen befanden sich in unmittelbarer Nähe zu den jeweiligen Schlössern. Paul Troger zitierte mit der Freskierung die Auftraggeber Hans Leopold von Kuefstein (1676– 1745) und seine Ehefrau Maria Franziska von Kollonitsch (1686–1746) bildlich neben dem Allianzwappen als ein aus dem Sarkophag auferstehendes Ehepaar. Vorbilder für diesen Typ eines frühneuzeitlichen Spitals mit kreuzförmigen Grundriss und Umgang finden sich in Italien, wo dem Beispiel des 1286 gestifteten Spitals von Santa Maria Nuova in Florenz vor allem im 15. und 16. Jahrhundert zahlreiche kreuzförmige Spitalbauten folgten: etwa das in den 1440er Jahren erbaute Spital Santa Maria Della Scala in Siena, das zwischen 1450 und 1472 erbaute Ospedale Maggiore in Mailand, das zwischen 1504 und 1514 erbaute Hospital de la Santa Cruz in Toledo und das 1575 errichtete Johannesspital in La Valetta88. Auch der einflussreiche Ulmer Architekturtheoretiker und Stadtbaumeister Joseph Furttenbach (1591–1667)89 stellte in seiner 1628 in Ulm erschienenen „Architektura civilis“ unter Verweis auf die hervorragende „Italianische Manier“ der Spitalbaukunst einen kreuzförmigen Spitaltyp vor. Sein kreuzförmiger Idealtyp eines allgemeinen, nach Männern und Frauen getrennten Spitals verfügt über vier Eingänge mit am Gang gelegenen Bettenzeilen (116 „Bettladen / oder kleine Bettstatten“) und einen mittig gesetzten „Altar in der mitten deß Gebäws / dahin angesehen / das / wann der Seelsorger den Gottsdienst verricht / ihne alßdann alle Krancke Personen sehen / und vernemmen könden“90. In der Hofmitte des Furttenbachschen Idealspitals finden sich je eine Küche für Männer und Frauen sowie zwei Gartenanlagen. Nur wenige Jahre später ließ Furttenbach die „Architectura universalis“91 (1635) folgen, wo sich unter dem Titel „Das grosse Latzaretto“ auch ein Idealtyp eines kreuzförmigen, in diesem Fall von einem Bach umgebenen Pestspitals befindet. Die Bettentrakte sind in vier kreuzförmigen Flügeln untergebracht, wobei in der Mitte des Kreuzes nicht der Altar, sondern das Treppenhaus zu den anderen Stockwerken dieses Akutspitals platziert wurde92. Als wahrscheinlichste Vermittlungswege für die genannten Waldviertler Spitäler   Gamerith, Freskenzyklus (wie Anm. 72) 12–26.   Nikolaus Pevsner, A history of building types (Princeton 1976) 142–145; Argumentation nach Bleicher, Gruftkirche (wie Anm. 69) 396. 89  Joseph Furttenbach: Lebenslauff 1652–1664, hg. von Kaspar von Greyerz–Kim Siebenhüner–Roberto Zaugg (Selbstzeugnisse der Neuzeit 22, Köln 2013). 90  Joseph Furttenbach, Architectura Civilis: Das ist: Eigentliche Beschreibung, wie mann nach bester form vnd gerechter Regul /Fürs Erste: Palläst / mit dero Lust: vnd Thiergarten / darbey auch Grotten: So dann Gemeine Bewohnungen: Zum Andern / Kirchen / Capellen / Altär / Gotshäuser: Drittens / Spitäler / Lazareten und Gotsäcker aufführen unnd erbawen soll (Ulm 1628) 70 (Tafel Nr. 38). 91  Joseph Furttenbach, Architectura universalis (Ulm 1635) Kupfertafel Nr. 26. 92  Bleicher, Gruftkirche (wie Anm. 69) 396, führt noch eine andere, eher unwahrscheinliche Herleitung 87 88

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firmieren entweder reisende italienische Bauleute oder das durch die Kavalierstour erweiterte Erfahrungswissen der Adeligen, über das dieser Typ aus Italien/Spanien nach Norden transferiert wurde, wo dann die Bauidee unter den adeligen Familien im nördlichen Niederösterreich zirkulierte.

Spezifika der Grundherrschaftsspitäler Herrschaftsspitäler unterstanden dem jeweiligen Grundherrn und waren damit Teil eines zentral geführten Wirtschafts-, Rechts- und Herrschaftsverbandes, die Aufsichtsund Visitationsrechte standen dem jeweiligen Grundherrn zu. Anders als die Spitalmeister der Bürgerspitäler, die häufig dem Rat oder dem sozialen Umfeld der Ratsobrigkeit entstammen, waren die Spitalmeister entweder vom Grundherrn direkt eingesetzt (und damit Bedienstete der Grundherrschaft) oder im Falle von Patrimonialmärkten und -städten dem Rat und dem Grundherrn unterstellt93. Die nach der Rhetorik der Zeit fußfallenden und demütigen Bitten um Aufnahme ins Spital mussten deshalb direkt an den adeligen Spitalinhaber gerichtet werden; auch die Gewährung neuer Kleider oder baulicher Verbesserungen waren letztlich vom adeligen Haupt der Grundherrschaft abhängig. Anders als die häufig recht gut bestifteten Bürgerspitäler waren die Herrschaftsspitäler mitunter deutlich schlechter mit Eigengütern und auch Legaten ausgestattet. Die Grundherren mussten deshalb finanzielle Abgänge des Spitals aus dem Gesamtbudget der Grundherrschaft ausgleichen, zudem wurde das Herrschaftsspital mit Lebensmitteln aus den Beständen der Herrschaft versorgt94. Gelegentlich scheint auch ein bereits bestehendes Gebäude in ein Spital bzw. Armenhaus umgewandelt worden zu sein95. Lediglich die großen gesamtösterreichischen Adelsfamilien konnten ihre Herrschaftsspitäler deutlich besser als lokale Adelige ausstatten. So stiftete etwa Karl Eusebius von Liechtenstein 1655 für sein mährisches Spital in Littau 15.000 Taler, „bis Wir diesem Spital ein Gütl od. Dorf um diese Summa erkaufen können“96. Das 1641 gestiftete Herrschaftsspital von Mistelbach erhielt vier Viertel Weingärten sowie einige Äcker und Wiesen mit Zehentrechder Waldviertler Spitalbauten an: Stilistisch könnten die angeführten kreuzförmigen Spitaltypen aber auch ältere Bautraditionen wie etwa die seit der Romanik verbreiteten Chorturmkirchen, die sich in den Bezirken von Zwettl und Gmünd häufig finden, zum Vorbild gehabt haben, siehe Gorazd Živkovič, Zur Entwicklung der Chor- und Westturmkirchen in Österreich. Beiträge zur Mittelalterarchäologie 21 (2005) 261–278, hier 263 (Karte), 275 (Chorturmkirchen im Waldviertel). Vgl. Huber, Kunstdenkmäler (wie Anm. 76) 56 für das Bürgerspital Döllersheim: „Durch das streng eingehaltene Zentralbausystem stellt das Döllersheimer Bürgerspital einerseits ein Nachwirken reformatorischer Bedeutungsschichten dar, ander[er]seits wird auf einer relativ frühen Stufe hochbarocke räumliche Konzeption realisiert“. 93   So wurde etwa dem Münzbacher, der Grundherrschaft Windhaag unterstellten Spitalmeister befohlen, dass er „in allen, was ihnnen bei diser instruction in ainen oder andern puncten auf etwann beschechenten zuefahl zu schwer füerkhomen wurde, auf mehrermelte herrschaft Wündthaag angewüssen, alda ihnen alsdan alle gebüehrente hilff und beystandt gelaistet werden sollte“; Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 737 (Münzbach 1656/1755). Zu Spitalmeistern Martin Scheutz, Spitalmeister in der Frühen Neuzeit – zur sozialen Verortung eines bürgerlichen Spitzenamtes am Beispiel der landesfürstlichen Stadt Zwettl. Wv 64/4 (2015) 339–360. 94   Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 1067 (Eisenstadt vor 1759): „zu unterhaltung dißer spittaller alle obspecificirte naturalien, beschribener masßen, von der herrschaft Eyßenstadt richtig und ohne abgang überlifern lasßen“. 95  N. N., Ausweis über die sämtliche […] Stiftungen (wie Anm. 37) 78f. 96  Ebd. 21.



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ten, im Jahr 1665 wurde noch eine Mühle „nachgestiftet“97. Das fürstlich-esterházysche Spital Neckenmarkt verfügte als Eigenausstattung über eine zweigängige, oberschlächtige Mühle98, die an einen Müller gegen Naturalpacht in Bestand vergeben wurde, so dass der Müller für die zwölf Spitalinsassen täglich 24 Pfund Brot ausbacken musste. Andere Herrschaftsspitäler waren dagegen kümmerlich ausgestattet. Das heute in Slowenien gelegene Herrschaftsspital von Tüffer scheint so dürftig mit Eigengütern versehen worden zu sein, dass das Herrschaftsspital unter dem Inhaber Joseph Graf von Moscon im 18. Jahrhundert allmählich verfiel: „Zu disßen spitall gehört auch ein äkherl, daß man krauth undt rueben anpauen kann“99. Bezüglich der Insassen verengten die Grundherren die Gruppe der Anspruchsberechtigten im Regelfall nur auf die unmittelbar innerhalb der Grundherrschaft wohnenden Grundholden100. Dahinter stand eine paternalistische Grundhaltung, die den Zugriff des Grundherrn auf die Untertanen von der Wiege bis zum Grab vorsah. Konkret wurden Spitalstiftungen etwa für „Sieben Arme Dieser“ Herrschaft „unterthänige Weibs Personen“ errichtet101. Letztlich entschied der Grundherr bzw. mittelbar der Verwalter vor Ort über die Aufnahme von Petenten ins Spital, wie zahlreiche Supplikationen belegen102. Die Spitalinsassen wurden in gewisser Weise pars pro toto als Besitz des Inhabers der Grundherrschaft wahrgenommen. So sprach man etwa die Insassen der esterházyschen Herrschaftsspitäler in den Spitalordnungen explizit als „fürstliche spitaller“103 an. Anders als in Bürgerspitälern, wo die Spitalinsassen in der Regel nur beim Hausbetrieb oder bei der Ernte auf den Eigengründen mithelfen mussten, sahen sich Insassen von Grundherrschaftsspitälern auch zur Arbeit für den Grundherrn verpflichtet. Augenfällig wird dies etwa am Beispiel des in der Nähe des herrschaftlichen Schlosses gelegenen Herrschaftsspitals von Ligist, wo die Spitäler „In dem schlosß, so offt man sye begehret, die herrschaftlichen zimmer, säll und plaz zu khören und zu sauberen; den äschen von denen öfen zu nehmen und zu der leinwath sechten und der wäsch zusammen zu   Ebd. 26 (Äcker etc.), 30 (Mühle 1665)   Tobler, Spitäler (wie Anm. 45) 419. 99   Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 717 (Tüffer 1728); siehe auch ebd. 225. 100  Als Beispiel ebd. 740 (Pregarten 1756): „drittens der aufnahm derenselben [Spitalinsassen] der herrschafft Haus allein gebühret, also solle es auch in ihrer freüen willkühr stehen, dise oder aus denen pregattnerischen alt erlebten und unvermöglichen burgern oder derley eigenen unterthannen oder auch aus denen jenigen, welche zu aufnahm des spittals einige mittl hinein zu bringen hetten, zu erwöhlen“. Am Beispiel des liechtensteinischen Spitals von Schwarzkosteletz N. N., Ausweis über die sämtliche […] Stiftungen (wie Anm. 37) 41: „Die Zahl der Vier und zwanzig Armen Unseren Unterthanen solle in zwölf Mann- und zwölf WeibsPersonen – Nembl. so lang diese drey, als Kosteletzer, Aurzynioweser [!], und Schkworezer [!] Herrschaften, unter einer Obrigkeit stehen würden, allezeit von der Kosteletzer Herrschaft an unterthänigen Sechs Mann, und Sechs Weiber ausgesetzt werden […].“ 101  Am Beispiel des Spitals von Kaunitz: N. N., Ausweis über die sämtliche […] Stiftungen (wie Anm. 37) 62. 102   Als Beispiel etwa: HAL, K. H 2508 Spital zu Littau, Supplikation von Dorothea Schullin, undatiert (18. Jh.): Durchlauchtigster hertzog, gnädigster fürst undt herr herr. Euer hochfürstliche durchlaucht ich arm müheseelig und schon erlebtes weib, welche ich mit keinerley arbeyth nicht mehr forthzukommen vermag, umb die große barmhertzigkeith Gottes fueßfallend demüttigst bitte, sich auß angebohrner mildigkeith meiner zu erbarmen undt mich in dero Littauer hospithall auf- und anzunehmen, gnädigen befelch zu ertheylen, vor welch an mier stiefftendes werkch der barmhertzigkeith Gott, der allerhöchste, ein reicher vergelter, ich aber auch hiengegen vor euer hochfürstliche durchlaucht langwürrige regierung Gott zu bietten bey meinen inbrünstigen gebeth niemahlen auslassen wiel […]. 103  Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 1075 (Forchtenau 1759). 97 98

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tragen“104 hatten. Zudem waren die Ligister Spitalbewohner verpflichtet, in der grundherrschaftlichen Meierei mitzuarbeiten, beim Aufschütten von Stroh in den Ställen zu helfen und ähnliches mehr. Damit die Spitalbewohner sich nach Ansicht der Obrigkeit „nicht auf den müssigang gewöhnen“, hatten sie auch im Alter tätig ihren Unterhalt mitzufinanzieren: „alß die ruben eintragen und abschneiden; die sträh und daß laub umb den schlosß zusammen rechnen, wie auch die Schlosßbüchl-wiesen abrechnen; den türckhischen waiz außhepeln unnd eintragen; die garthen sachen einarbeiten und eintragen; die nussen bey den abbäissen zusammen klauben und eintragen“105. Die Gemeinnützigkeit der Arbeiten der Bewohner von Herrschaftsspitäler wird mehrmals betont, wie am Beispiel des Herrschaftsspitals in Straß 1667 ersichtlich. „Nach vollendem gebett soll jede persohn ein stundtlang vor die khürchen, herrschafft oder ihr armes hauß nach erforderung der notturfft arbeithen“106. Sowohl Stiftbriefe als auch Spitalordnungen erwähnen den Seelgerätsgedanken bei der Gründung explizit. Bei den von Ferdinand I. gegründeten österreichischen Hofspitälern stand neben der Person des gründenden Landesfürsten dessen 1547 verstorbenen Gattin Anna im Zentrum, wie die zentralistisch erlassenen Spitalordnungen verdeutlichen107. Viele Spitalordnungen nehmen einleitend auf den Stifterwillen Bezug. Deutlich zeigt sich dies bei der Gebetsordnung des Herrschaftsspitals von Forchtenau 1759, wo an die „intention seiner hochfürstlichen durchläucht Pauli Esterhazy glorreichen gedächtnüß“108 textlich erinnert wird. Besonders eindringlich wird der memorative Charakter auch bei Herrschaftsspitälern, die gleichzeitig als eine Art Erbbegräbnis der adeligen Stifterfamilie dienten. Hartmann I. von Liechtenstein bestiftete 1641 das Spital in Mistelbach neu, auch mit dem Argument, dass dieses Spital nicht allein zur Ehre Gottes begründet worden war, sondern „von unserem Vorfahrer hochseligsten Angedenkens Herrn von Lichtenstein, deren Sechs samt ihren Frauen Gemahlinnen in der Spitalkirche im vorderen Altar“109 kniend gemalt dargestellt wurden. Deutlich wird der memorative Charakter der adeligen Spitalstiftungen auch durch die Auferlegung von umfänglichen Gebetspflichten für die Insassen110. Die acht Spitalbewohnerinnen des saurauischen Herrschaftsspital in Ligist waren „schuldig täglich für die lebende und verstorbene gräflich saurauische familia einen rosenkranz zu betten und alle Quatember miteinander zu beichten und zu communiciren. Ingleichen die pfarr kürchen und daß chor, so offt es nöthig, außzukhören“111. Die Spitalbewohner hatten zudem regelmäßig an den Seelenmessen für die verstorbenen, sich fast in den Reigen der Heiligen einordnenden Stifter bzw. „Guttäter“ teilzunehmen112. Im esterházyschen Herrschafts­   Ebd. 699 (Ligist 1770).   Ebd. 699 (Ligist 1770). 106   Ebd. 894 (Straß 1667). 107   Ebd. 385, 390 (Wien 1551), 412, 415 (Wels 1554), 426 (Laibach 1559), 430 (Graz 1561), 434, 441, 450 (Wien 1568), 484 (Wien 1632), 495 (Hallstatt 1555). 108   Ebd. 1072 (Forchtenau 1759). 109   N. N., Ausweis über die sämtliche […] Stiftungen (wie Anm. 37) 26. 110   Damm, Armenspital zu Weitersfeld (wie Anm. 78) 283–286. 111  Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 699 (Ligist 1770). 112  Ebd. 894 (Straß 1669): Aufforderung für den Kaplan: „alle Mittwoch ein seelmeß am h(eiligen) grab zu lösen vor die stüffter und wohlthätter“. Ebd. 729 (Gutau 1756): „andertens täglich 1 rosenkranz und die lauretan(ische) litaney fur die gutthatten öffent(lich) mit einander betten“. Reil, Wanderer (wie Anm. 71) 121 (Spitalordnung für Röhrenbach 18. Jh.): „Andertes. Rosenkranz und Litanei von unserer lieben Frauen müssen die Spitäler vorbethen öffentlich und laut in ihren Kapellen, mit vorhergegebenen Zeichen der Glocken, als: 104 105



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spital Eisenstadt hatten täglich drei Rosenkränze gebetet zu werden: den ersten am Morgen für die Seele des Gründers Paul Esterházy (1635–1713), den zweiten am Nachmittag „für das hochfürstlich eszterházysche hauß und andere gutthätter“ und den dritten Rosenkranz für die Armen Seelen im Fegefeuer am Abend113. Aber nicht nur die verstorbenen Mitglieder des esterházyschen Fürstenhauses wurden mit Gebeten bedacht, sondern auch die lebenden. Mitte des 18. Jahrhunderts gingen die Eisenstädter Spitalinsassen, geschlechtlich getrennt, in Zweierreihen in die Kirche, wo sie täglich „3 vater unser und 3 ave Maria samt den psalm: de profundis betten vor den gnädigsten fürst und fürstin, also zwar das sie beyde hohe nahmen dabey aussprechen und um vergebung dieser hohen persohnen ihrer sünden solches gebett aufopferen“114.

Repräsentation, Memoria und Konfessionalisierung – ein Fazit Die bislang kaum erforschten österreichischen Herrschaftsspitäler waren Teil der adeligen Familienmemoria und zeigen die adelige Stifterfamilie repräsentativ als um das Wohl der Untertanen besorgte Patrone ihrer Grundherrschaft. Noch die Wiener Krankenhausstiftungen des 19. Jahrhunderts – etwa das Kaiser-Franz-Josef-Spital oder die Rudolfstiftung – atmen diese Grundhaltung. Diese Herrschaftsspitäler lassen sich als eine Art Wechselstube verstehen, wo Adelsfamilien ökonomisches in symbolisches Kapital konvertierten, wenn auch die Größe und Ausgestaltung dieser Herrschaftsspitäler beträchtlich differierten. Bedeutende und finanzstarke Adelsfamilien wie die Esterházy, die Liechtenstein, die Schönborn und die Starhemberg konnten gestützt auf ertragreiche Grundherrschaftskomplexe auch baulich eindrucksvolle Spitäler umsetzen. Manche der adeligen Spitalstifter kombinierten die Spitalstiftung mit einem Erbbegräbnis, sodass die Spitalinsassen gleichsam als institutionalisierte Trauergemeinde für das Wohl der Stifterfamilie zu beten hatten. Kleinere Adelsfamilien scheinen dagegen die oft schon von früheren Inhabern übernommenen, meist kleinen Spitäler zumindest weiterfinanziert zu haben. Ein eigener baulicher Typus von Herrschaftsspitälern entstand mit den kreuzförmig angelegten Herrschaftsspitälern im nördlichen Niederösterreich (Döllersheim, Kirchberg am Walde, Röhrenbach, Weitersfeld), wo ein zentraler Vierungsturm in der Mitte die Kapelle barg und die anschließenden Wohnräume der Spitalinsassen direkten Zugang zum Kapellenbereich aufwiesen. Gerade in Zeiten von Reformation und Gegenreformation offenbaren die Herrschaftsspitäler auch einen deutlich wahrnehmbaren konfessionalisierenden Aspekt. Schon am Sonntag vor die lebende regierende Herrschaft, Erchtag (Dienstag) zu Ehren der heiligen Mutter Anna, Freitag vor die Abgestorbenen, in den Kruften im Spital ruhenden Herrschaften, und Samstag einen zu Ehren der unbefleckten Jungfrau und Mutter Gottes Maria“. Zum Beten des Ave Maria und des 129. Psalms im Spital von Schwarzkosteletz „so wohl Lebendig, als verstorbene Unsern Herzogl: Hauses v. Savoye und Liechtenstein“, siehe N. N., Ausweis über die sämtliche […] Stiftungen (wie Anm. 37) 43. 113   Scheutz–Weiss, Spital als Lebensform (wie Anm. 16) 1066 (Eisenstadt vor 1759); ähnlich ebd. 1070 (Eisenstadt 1759). 114  Ebd. 1070 (Eisenstadt 1759); ebd. 1073 (Forchtenau 1759): „Betten diese an allen Frauentägen und dero vortägen wie auch an allen Samstägen das gantze jahr zu hauß abends um 6 uhr mit lautter stimme das salve regina, die lauretanische litaney samt den schutzgebettern und 5 vater unser und ave Maria mit einen glauben um vergebung der sünden vor den gnädigsten regirenden fürst und fürstin und dero hohe familia aufzuopfern“. Ebd. 1085 (Neckenmarkt 1776): „Nachmittag um 1 uhr müssen alle wider in die kapellen zusamm kommen und drey rosenkrantz betten: den ersten für den gnädigsten fürsten, den anderten für alle gutthäter und den dritten für die arme seelen im fegfeüer“.

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Ferdinand I. verstand seine Hofspitäler als Teil der altgläubigen Kirchengemeinschaft, indem er den Spitalkaplänen nachdrücklich befahl, den sterbenden Spitalinsassen die Letzte Ölung zu verabreichen und die seelsorgerische Tätigkeit „nach dem verstanndt der heilligen lerrer unnd cristlichen khirchen außlegen“115. Umfangreiche Gebetsprogramme mit täglichen Rosenkränzen, häufigen Messbesuchen, regelmäßigen Beichtgängen und laut dargebrachten Gebeten für die Stifterfamilie ließen die Herrschaftsspitäler als Ort der verdichteten katholischen, von romanischen Vorbildern geprägten Konfessionalisierung erscheinen.

115   Ebd. 390 (Wien 1551), 412 (Wels 1554), 422f. (Laibach 1559), 440f. (Wien 1568), 458f. (Aussee 1568); Bernhardt, Armenhäuser (wie Anm. 4) 53–56.

„alles zur größeren Ehre Gottes und Euer Hochfürstlichen Gnaden Lob“. Adelige Repräsentation im barocken Sakralraum Von Friedrich Polleroß

Obwohl die Konfessionalisierung als Paradigma der Frühen Neuzeit vermehrt in Frage gestellt wurde*1, lässt sich doch die Bedeutung der Religion für die Politik und die Kunst der frühneuzeitlichen Eliten nicht bezweifeln2. Dennoch muss man bei der Suche nach Literatur über die sakrale Repräsentation des Adels feststellen, dass dieses Thema offensichtlich bisher unbeachtet blieb bzw. nur für die Sepulkralkultur3 bearbeitet wurde. Für das Barockzeitalter hat man zwar die „Pietas Austriaca“ der Habsburger in vielen Facetten erforscht4, und natürlich fanden auch die entsprechenden Bemühungen der Kir* Der Aufsatz entstand im Rahmen des Centre for Cross-Disciplinary Research Into Cultural Phenomena in the Central European History, Czech Science Foundation Reg. Nr. 14-36521G. 1   Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, hg. von Joachim Bahlcke–Arno Strohmeyer (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 7, Stuttgart 1999); Márta Fata, Ungarn, das Reich der Stephanskrone, im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Multiethnizität, Land und Konfession 1500 bis 1700 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 60, Münster 2000); Wolfgang Reinhard, Barockkatholizismus statt Konfessionalisierung? HZ 291/2 (2010) 419–429; Arthur Stögmann, Die Konfessionalisierung im niederösterreichischen Weinviertel. Methoden, Erfolge, Widerstände (Saarbrücken 2010) 143–192. 2  Zu den spirituellen bzw. kulturgeschichtlichen Veränderungen siehe z. B. Jens Baumgarten, Konfession, Bild und Macht. Visualisierung als katholisches Herrschafts- und Disziplinierungskonzept in Rom und im habsburgischen Schlesien (1560–1740) (Hamburger Veröffentlichungen zur Geschichte Mittel- und Osteuropas 11, Hamburg–München 2004); Konfession im Kirchenraum. Dimension des Sakralraumes in der Frühen Neuzeit, hg. von Susanne Wegmann–Gabriele Wimböck (Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 3, Korb 2007); Jan Brademann, Mit den Toten und für die Toten. Zur Konfessionalisierung der Sepulkralkultur im Münsterland (16. bis 18. Jahrhundert) (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 43, Münster 2013). 3  Thomas Winkelbauer–Tomáš Knoz, Geschlecht und Geschichte. Grablegen, Grabdenkmäler und Wappenzyklus als Quellen für das historisch-genealogische Denken des österreichischen Adels im 16. und 17. Jahrhundert, in: Die Konstruktion der Vergangenheit. Geschichtsdenken, Traditionsbildung und Selbstdarstellung im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa, hg. von Joachim Bahlcke–Arno Strohmeyer (ZHF Beih. 29, Berlin 2002) 129–177; Andreas Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“. Grabdenkmäler als Quelle für Memoria und Repräsentation von Adel und Bürgertum im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Das Beispiel Niederösterreichs (MIÖG Ergb. 45, Wien–München 2004); Macht und Memoria. Begräbniskultur europäischer Oberschichten in der Frühen Neuzeit, hg. von Mark Hengerer (Köln 2005). 4   Siehe zuletzt: Štěpán Vácha, Der Herrscher auf dem Sakralbild zur Zeit der Gegenreformation und des Barock. Eine ikonologische Untersuchung zur herrscherlichen Repräsentation Kaiser Ferdinands II. in Böhmen (Prag 2009); Marie-Elizabeth Ducreux, Emperors, Kingdoms, Territories: Multiple Versions of the ‚Pietas Aus-

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chenfürsten ein Echo in der Literatur5. Aber die sakrale Repräsentation des nicht-geistlichen Adels wurde anscheinend bisher weder zusammenfassend noch an aussagekräftigen Einzelbeispielen genauer untersucht6. Einer der wenigen Autoren, der die Problematik angesprochen hat, ist Thomas Winkelbauer. Er hat in seinem Überblick zur Geschichte Österreichs im 16. und 17. Jahrhundert den Einfluss der landesfürstlichen Frömmigkeit auf die höfischen bzw. ständischen Eliten sowie deren Beteiligung an der Rekatholisierung der habsburgischen Länder beleuchtet7. Direkt sichtbar wird diese Beziehung vor allem an zwei Phänomenen: einerseits der topographischen, andererseits der ikonographischen Nähe zum Kaiserhaus, wobei beide Varianten sich auch verbinden konnten. Im ersten Falle unterstützen die Hofadeligen ein vom Kaiser oder der Kaiserin bevorzugtes Gotteshaus durch ihre eigenen Stiftungen oder wirkten sogar mit einer Familienkapelle langfristig an der Finanzierung dieser Kirchen mit. Dies gilt vor allem für die Staatsheiligtümer Mariazell, Veitsdom und Altbunzlau sowie für einige Kirchen in Wien, Prag oder Regensburg. Als beispielsweise in Mariazell zwei Jahre nach einer Wallfahrt Ferdinands III. 1644 mit dem Neubau der Wallfahrtskirche begonnen wurde, finanzierten die Stände sowie mehrere Hochadelige die insgesamt zwölf Seitenkapellen. Durch die Bezahlung von 6.000 bis 7.000 Gulden erhielten die Familien Dietrichstein, Liechtenstein und Trauttmansdorff, Nádasdy, Esterházy und Drašković sowie Czernin und Martinitz das Recht, diese Seitenkapellen mit ihrem Wappen zu kennzeichnen und ein eigenes (nationales) Altarpatrozinium zu wählen8. Der 1629 von Karl Graf von Harrach (1570–1628) gestiftete Gnadenaltar wurde 1690 durch eine Stiftung von Paul Fürst Esterházy (1635–1713) ersetzt, der bald danach auch ein Antependium für den triaca‘? The Catholic Historic Review 97 (2011) 276–304; Friedrich Polleross, „Christianae Religionis Propugnatores“. Zur sakralen Repräsentation der Habsburger im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, in: Luther und die Fürsten. Selbstdarstellung und Selbstverständnis des Herrschers im Zeitalter der Reformation. Beiträge zur wissenschaftlichen Tagung vom 29. bis 31. Mai 2014 auf Schloss Hartenfels in Torgau und im Residenzschloss Dresden, hg. von Dirk Syndram–Yvonne Fritz–Doreen Zerbe (Dresden 2015) 308–319. 5  Siehe z. B. Erich Hubala, Die Grafen von Schönborn als Bauherren, in: Die Grafen von Schönborn. Kirchenfürsten – Sammler – Mäzene. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, hg. von Hermann Maué (Nürnberg 1989) 24–52, hier 43–50; Klaus-Jürgen Boecker, Ländliche Kirchen in Franken unter Friedrich Karl von Schönborn. Kunst- und kulturhistorische Erörterung zum ländlichen Sakralbau des Spätbarock in der Region Franken (Europäische Hochschulschriften XXVIII/313, Frankfurt/Main u. a. 1998); Carola Fey, Identifikation geistlicher Fürsten im Medium der sakralen Schatzkunst, in: Höfe und Residenzen geistlicher Fürsten, hg. von Gerhard Ammerer–Wolfgang Wüst–Ingonda Hannnesschläger–Tobias Riedl–Jan Paul Niederkorn–Jutta Baumgartner (Residenzenforschung 24, Ostfildern 2010) 205–223. 6  Norbert Frank, Der Einfluß des Paul Esterházy auf die kirchliche Kunst im burgenländischen Raum, in: Reformation und Gegenreformation im pannonischen Raum, hg. von Gustav Reingrabner–Gerald Schlag, (Schleininger Gespräche 13, Eisenstadt 1999) 365–376; Katarzyna Brezina-Scheuerer, Zu den Stiftungsund Patronatsfragen der Fürsten von Liechtenstein in Troppauer und Jägerndorfer Schlesien in der Zeit des Barock. Die Kirchen in Lichten, in: Das Fürstenhaus Liechtenstein in der Geschichte der Länder der böhmischen Krone, hg. von Marek Vařeka–Aleš Zářický (Documenta Liechtensteiniana Series Nova 1, Vaduz–Ostrava 2013) 267–274; Gernot Mayer, Die Kunst der Wohltätigkeit. Zur erstaunlichen Kunstpatronage von Maria Theresia von Savoyen-Liechtenstein (1694–1777), in: Die Liechtenstein und die Kunst, hg. von Peter Geiger (Veröffentlichungen der Liechtensteinisch-Tschechischen Historikerkommission 3, Vaduz 2014) 201–214. 7   Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (Österreichische Geschichte 1522–1699, Wien 2003) 2 185–239. 8  Siehe zuletzt Géza Galavics, Ungarische Magnaten und die ungarischen Kapellen der Basilika von Mariazell, in: Ungarn in Mariazell – Mariazell in Ungarn. Geschichte und Erinnerung. Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Budapest, hg. von Péter Farbaky–Szabolcs SerfŐzŐ (Budapest 2004) 93–112.



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Hochaltar anfertigen ließ9. 1687 stifteten Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653– 1706) und seine Gattin Katharina Eleonora einen über 18 Kilogramm schweren Silberengel mit Lichtampel in Herzform um 2.000 Gulden sowie jährlich 30 Gulden für ein Ewiges Licht. 1693 oder 1694 bestellte der Diplomat im Auftrag seines Schwagers Leopold Carl von Hoyos (1657–1699) in Augsburg ein Gegenstück dazu10. Der ab 1613 unter der Schirmherrschaft der Kaiser Matthias und Ferdinand II. begonnene Neubau der Wallfahrtskirche Altbunzlau/Stará Boleslav wurde u. a. durch Kapellenstiftungen der Familien Slawata, Martinitz, Morzin, Czernin, Berka von Duba, Waldstein und Sternberg ermöglicht11. Das im Gefolge des Sieges über die Protestanten in der Schlacht am Weißen Berg 1622 von Kaiser Ferdinand II. gegründete Wiener Karmeliterkloster verdankt sein Gotteshaus wohl hauptsächlich der Finanzierung durch den Herrscher. Nach dessen Tod 1637 scheint jedoch Fürst Maximilian von Liechtenstein (1578–1643) als Hauptförderer an die Stelle des Monarchen getreten zu sein, weshalb heute sein Wappen und nicht das des Kaisers an der Fassade prangt. Die mit den Wappen der Familien Pálffy von Erdőd und Harrach versehenen Weihwasserbecken verweisen auf eine finanzielle Mitwirkung auch dieser Adeligen am Kirchenbau. Die Altar- bzw. Kapellenausstattungen der Karmeliterkirche wurden in zwei Phasen (1655–1666 bzw. nach 1683) nicht nur von Kaiser Leopold I. und Erzherzog Leopold Wilhelm bezahlt, sondern auch von Hartmann (1613–1686) und Maximilian Jakob (1641–1709) von Liechtenstein sowie von Mitgliedern der Familien Herberstein, Windischgrätz, Schwanberg, Paar, Harrach und Hallweil. Die Wappen über den Altären oder Kapellenportalen verweisen auf diese Tatsache, durften aber erst nach Begleichung aller Kosten angebracht werden12. Die Wiener Kirche zum Hl. Augustin wurde schließlich 1630 von Kaiser Ferdinand II. den Unbeschuhten Augustinern übergeben und 1634 zur Hofkirche erhoben sowie mit einer neuen Einrichtung versehen. In der Folge erwarben die Adelsfamilien Teuffenbach, Schwarzenberg, Waldstein, Harrach, Starhemberg, Pálffy, Heussenstein, Sprinzenstein, Lamberg, Strozzi sowie Mansfeld dort Grüfte und beteiligten sich mit der Finanzierung der äußerlich gleichartigen Kapellenbauten religionspolitisch und repräsentativ an der Modernisierung der kaiserlichen Hofkirche13. Ähnliches gilt wohl auch für die ebenfalls von Ferdinand II. gegründete Karmeliterkirche und andere Gotteshäuser in Regensburg, die von den kaiserlichen Botschaftern beim Reichstag mit Altarstiftungen

9   Géza Galavics, Der Mariazeller Gnadenaltar und Fürst Paul Esterházy, in: ebd. 113–124; Ingeborg Schemper-Sparholz, Hochaltar, Gnadenaltar und der Schatzkammeraltar in der Basilika von Mariazell, in: ebd. 133–150. 10   Friedrich Polleross, Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653–1706) (Petersberg 2010) 164f., 281–283. 11  Štěpán Vácha, Die Adelskapellen in der Marienkirche zu Altbunzlau. Altarausstattungen und Stiftungen im 17. Jahrhundert. frühneuzeit-info 22 (2011) 129–147. 12  Martin Frank, Die Karmeliterkirche in Wien-Leopoldstadt (Dipl. Wien 2005). 13  Mark Hengerer, Zur symbolischen Dimension eines sozialen Phänomens: Adelsgräber in der Residenz (Wien im 17. Jahrhundert), in: Wien im Dreißigjährigen Krieg. Bevölkerung, Gesellschaft, Kultur, Konfession, hg. von Andreas Weigl (Kulturstudien 32, Wien 2001) 289–297; Herbert Karner, Das Augustinerkloster und seine Verbindung zum kaiserlichen Hof, 1620–1705, in: Die Wiener Hofburg 1521–1705. Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz, hg. von dems. (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktions­ geschichte der Wiener Hofburg 2 = ÖAW phil-hist. Kl. Denkschriften 444 = Veröffentlichungen zur Kunst­ geschichte 13, Wien 2014) 258–262.

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versehen wurden14. Parallel zu dieser Partnerschaft in finanzieller Hinsicht griffen die dem Hof nahestehenden Adeligen häufig die gegenreformatorischen bzw. staatspolitischen Kultformen der Habsburger auf und verbreiteten diese auf ihren Herrschaften. Dies gilt etwa für die Verehrung der kaiserlichen Namens- und neuen Landespatrone Leopold, Josef und Karl Borromäus sowie für die Errichtung von Loretokapellen oder Dreifaltigkeitssäulen15. Von dieser politisch geforderten bzw. karrieretechnisch förderlichen Frömmigkeit wäre nun (zumindest theoretisch) die individuelle oder familienspezifische Sakralrepräsentation des Adels zu unterscheiden. So stellt sich etwa bei der vom kaiserlichen Hofarchitekten Johann Lucas von Hildebrandt (1668–1745) für Fürst Anton Florian von Liechtenstein (1656–1721) ab 1703 beim Kapuzinerkloster in Rumburg/Rumburk errichteten Loretokapelle die Frage16, ob diese Stiftung in Hinblick auf die Tätigkeit des kaiserlichen Botschafters beim Heiligen Stuhl (1689–1695) staatspolitisch konzipiert wurde oder doch nur der persönlichen Erinnerung an die Wallfahrt zur Mater Lauretana in den Jahren 1675 und 1695 dienen sollte. Dieser Unterscheidung soll im Folgenden nachgegangen werden, auch wenn mangels Grundlagenforschung hier noch kein fundierter Überblick geboten werden kann. Stattdessen sollen einige wichtige Aspekte des Themas herausgegriffen und mit konkreten Beispielen vorwiegend aus Niederösterreich und Mähren17 illustriert werden.

Patronatskirche und Stifterporträt Die älteste rechtliche Grundlage für eine Repräsentation der Grundherrschaften im Kirchenraum bot das Patronatsrecht, das den einzelnen Grundherrn zur Instandhaltung und Ausstattung der auf seinen Grundherrschaften liegenden bzw. von ihm gestifteten Gotteshäuser verpflichtete18. Den adeligen Bauherren stand dafür der honor inscriptionis zu19, d. h. die Möglichkeit Wappen und Inschriften am Gotteshaus anzubringen. So findet man über dem Nordportal der Pfarrkirche in Straß im Straßertal das Wappen des Bauherrn, des Hofkanzlers Dr. Johann Baptist Verda von Verdenberg (1582–1648), und folgende Bauinschrift: „ANNO // DOMINI / 1 6 // 38 IN HONOREM / DE[I] / TER OPT(IMI) MAX(IMI) SVB INVOCATIONE GLORIOSAE VIRGINIS / MATRIS MARIAE ASSVMPTAE / IOAN(N)ES BAP(TISTA) COMES DE VERDENBERG   Polleross, Lamberg (wie Anm. 10) 245–248.   Winkelbauer, Ständefreiheit (wie Anm. 7) 187–210. Die Geburtsgrotte der Serviten in Schönbühel (1666–1669) war eine Stiftung des Grafen Konrad Balthasar von Starhemberg im Auftrag der Kaiserinwitwe Eleonora Gonzaga: Walpurga Oppeker, Bethlehem in Niederösterreich. Ein Besuch in der Geburtsgrotte des ehemaligen Servitenklosters Schönbühel an der Donau. Wv 64 (2015) 442–453. 16  Peter Heinrich Jahn, Johann Lucas von Hildebrandt (1668–1745). Sakralarchitektur für Kaiserhaus und Adel (Petersberg 2011) 136–232. 17  Einen Überblick über die Kunstentwicklung in dieser Region bietet: Friedrich Polleross, Prager Gotik, Wiener Barock und Brünner Moderne. Kunst zwischen Zentren und Peripherien, in: Kulturen an der Grenze. Waldviertel – Weinviertel – Südböhmen – Südmähren, hg. von Andrea Komlosy–Václav Bůžek– František Svátek (Wien 1995) 173–190. 18   Norbert Frank, Die Esterházy als Patronatsherren, in: Die Fürsten Esterházy. Magnaten, Diplomaten & Mäzene. Ausstellungskatalog, hg. von Jakob Michael Perschy (Burgenländische Forschungen Sonderbd. 16, Eisenstadt 1995) 120–127. 19  Helmuth Feigl, Entwicklung und Auswirkungen des Patronatsrechtes in Niederösterreich. JbLkNö 43 (1977) 81–114, hier 87. 14 15



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Abb. 1: Schönborn-Wappen an der Westfassade der Pfarrkirche von Johann Lucas von Hildebrandt, 1741; Göllersdorf (Repro: Josef Neumayer, Pfarrkirche zum Hl. Martin in Göllersdorf – Niederösterreich, Salzburg 2005, Titelbild).

ET NAMEST / BARO IN GRAVENEG (et) C(ETERA) SAC(RAE) CAES(AREAE) MA(IESTA)TIS INTIMVS / CONSILIARIVS ET CAMERARIVS A FVNDAMENTIS / EXTRVXIT ET DOTAVIT“20. Im Kontext barocker Repräsentation war aber wohl die Auswahl des Architekten genauso wichtig wie das Recht auf eine Inschrift. So hat Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn-Puchheim (1674–1746) seinem Hausarchitekten Johann Lucas von Hildebrandt sowohl die Planung der Reichskanzlei und seiner niederösterreichischen Residenz bei Göllersdorf übertragen als auch jene für die dazugehörigen Pfarr- bzw. Spitalskirchen in Göllersdorf, Aspersdorf, Stranzendorf und Weyerburg21. Bei der unter Verwendung mittelalterlicher und frühbarocker Mauern 1740/41 vergrößerten Pfarrkirche St. Martin, sozusagen dem spirituellen Zentrum des „schönbornischen Königreiches“, gelang eine durchaus einprägsame Lösung. Während im Osten der gotische Fünfachtelchor übernommen wurde und auf die altehrwürdige Tradition von Pfarre und Herrschaft verwies, hat man an der Westseite des Langhauses eine moderne Vorhalle über halbkreisförmigen Grundriss gegenübergestellt, deren für Hildebrandt typischer Kielbogen das SchönbornWappen unter der Figur des Hl. Martin präsentiert: Patron und Patronatsherr des Gotteshauses wurden dem Besucher also schon an der Fassade nahe gebracht (Abb. 1). Die – wie Hildebrandt am 29. November 1741 an Friedrich Karl schrieb – „zur größeren Ehre Got20  Andreas Zajic, Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems (Die deutschen Inschriften 72, Wien 2008) 471–472, Nr. 482. 21  Bruno Grimschitz, Johann Lucas von Hildebrandt (Wien 1959) 127–130, 145f.; Brigitte Fassbinder, Der „teufelsbauwurmb“ – Der Bauherr Graf Friedrich Karl von Schönborn und sein Architekt Johann Lukas von Hildebrandt, in: Barocke Sammellust. Die Sammlung Schönborn-Buchheim. Ausstellungskatalog im Haus der Kunst, München, hg. von Markus Kersting (Wolfratshausen 2003) 45–61, hier 58–61.

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Friedrich Polleroß Abb. 2: Entwurf für die Turmfassade einer lambergischen Patronatskirche (?), unbekannter Architekt, um 1730; NÖLA, Lamberg-Archiv, Kt. 54 (Foto: Friedrich Polleroß).

tes und Euer Hochfürstlichen Gnaden Lob“ auch mit Altären des Architekten geplante Kirche sollte auf dem Hochaltar durch die „Statuen Friderici et Caroli“ auf die Namenspatrone des Stifters und damit auf diesen verweisen und hatte künstlerisch durchaus einen „städtischen“ Anspruch. Die beiden Statuen wurden nicht ausgeführt, aber dafür geben die Wappen über den Chororatorien einen Hinweis auf die Patronatsinhaber22. Philipp Ludwig Wenzel Graf von Sinzendorf (1671–1742), der Besitzer der Herrschaft Gföhl-Jaidhof23 und Bauherr der Hofkanzlei, ließ schon 1717 vom dort tätigen Johann Lucas von Hildebrandt einen Entwurf für die Pfarrkirche in Gföhl ausarbeiten, der jedoch nicht ausgeführt wurde, während die Planung von 1722 für die Pfarrkirche der sinzendorfischen Herrschaft Groß Seelowitz/Židlochovice in Mähren zur Ausführung 22  Marianne Wang, Die Pfarrkirche von Göllersdorf. Ein Spätwerk Johann Lucas von Hildebrandts (Dipl. Wien 2001); Josef Neumayer, Pfarrkirche zum hl. Martin in Göllersdorf (Christliche Kunststätten 426; Salzburg 2004). 23  Zur Herrschaft der beiden im Text genannten Grafen von Sinzendorf in Gföhl siehe Thomas Winkelbauer, Robot und Steuer. Die Untertanen der Waldviertler Grundherrschaften Gföhl und Altpölla zwischen feudaler Herrschaft und absolutistischem Staat (vom 16. Jahrhundert bis zum Vormärz) (FLkNÖ 25, Wien 1986) 10–16.



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kam24. Mit dem älteren Turm der Pfarrkirche Gföhl wurde auch das dort angebrachte Wappen Sinzendorf-Holstein integriert, welches an die Übernahme von Herrschaft und Patronat im Jahre 1668 durch Georg Ludwig Graf von Sinzendorf (1616–1681) und dessen Gattin Dorothea Elisabeth Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg (1645– 1725) erinnert25. Typologisch mit den einfachen Landkirchenentwürfen Hildebrandts vergleichbar ist auch ein anonymer Entwurf für eine Pfarrkirchenturmfassade mit schlankem Hauptteil samt Voluten und darüber sitzendem niedrigen Turmaufsatz mit zwei Varianten eines Glockendaches. Der Plan befindet sich im Schlossarchiv Ottenstein und ist daher wohl um 1730/35 für eine lambergische Patronatspfarre entstanden (Abb. 2)26. In bezeichnendem Kontrast dazu steht der erste Entwurf für die Pfarrkirche des gerade zum Markt erhobenen Groß Siegharts von Donato Felice d’Allio (1677–1761) aus der Zeit um 1723. Mit dem Engagement des beim Stift Klosterneuburg und bei der Salesianerinnenkirche für den kaiserlichen Hof tätigen Architekten wollte Johann Christoph Ferdinand Graf von Mallenthein (1682–1749) wohl ebenso Eindruck bei den adeligen Standesgenossen machen wie mit dem Auftrag für das Kuppelfresko an den für den Prinzen Eugen von Savoyen und für den Fürsten Wirich Philipp Daun arbeitenden Maler Carlo Innocenzo Carlone (1686–1775)27. Ähnlich ambitioniert erwies sich Wenzel Adrian Graf Enkevoirt († 1738) beim Neubau des 1727 durch einen Brand beschädigten Gotteshauses in Großweikersdorf, das zunächst vom Hofbaumeister Anton Erhard Martinelli (1684–1747) wieder aufgebaut werden sollte. 1733 entschloss sich der Erbe der Familie Verdenberg in der Herrschaft Grafenegg dazu, nicht nur bei seinem Schloss Thürnthal, sondern auch bei der dazugehörigen Patronatskirche den kaiserlichen Hofarchitekten Joseph Emanuel Fischer von Erlach (1693–1742) zu beschäftigen. Dem Pfarrer missfiel Fischers Plan jedoch und er kritisierte die räumliche Enge sowie einen Mangel an Sitzplätzen. Der Bauherr empfand diese Kritik an seinem Geschmack und seinem Architekten hingegen als Unverschämtheit und als Undankbarkeit des Geistlichen: „Ich will die Kirche nach diesem Riß gebaut haben, was ist von […] Fischer zur Korrektion komen; die Kirchen ist so groß als die alte, und zwar noch größer. Wenn aber einer ist, der Kirchen bauen will, und das Geld hergeben, habe ich keine Verschmach [?]; der Maurermeister hat den Riß nicht gemacht, ich habe solchen durch H. Fischer machen lassen, und kann nicht Euer Kappen allen Kappen gleich auf den Kopf seyn […] auf diese Art kenne ich die Undankbarkeit, und bin in einem Verdruß, daß sich wer untersteht. Und der H. muß nicht glauben, als wenn ich keine Gebäu verstündte, daß derselbe mir schreibt, ich solls durch Bau Verständige sehen lassen, das ist ein Vorschlag inter pocula [sinngemäß:

24   Paul Ney, Unsere Pfarre, in: 800 Jahre Gföhl. Heimatbuch, hg. von Johann A. Wurzer (Gföhl 1982) 99–127; Wilhelm Georg Rizzi, Die Barockisierung der ehemaligen Augustiner-Eremitenkirche in Bruck/Leitha und einige neue Beiträge zu den Landkirchenbauten Johann Lucas von Hildebrandts. ÖZKD 34 (1980) 35–47, hier 44f.; Ivo Krsek–Zdeněk Kudělka (Bearb.), Umĕní baroka na Moravĕ a ve Slezsku [Die Barockkunst in Mähren und Schlesien] (Prag 1996) 299f., Kat.-Nr. 72. 25  Friedrich Weber, Zeugen der Jahrhunderte. Schlösser, Burgen, Ruinen, Bildstöcke, Kreuze, Bildbäume, Skulpturen, Gedenksteine u. a. m. der Gemeinden Gföhl, Jaidhof, Krumau, Lichtenau, Pölla, Rastenfeld, St. Leonhard (Gföhl 2010) 42 (Abb.). 26   NÖLA, Lamberg-Archiv Ottenstein, Kt. 54. 27  Wilhelm Georg Rizzi, Donato Felice d’Allio, der Architekt der Pfarrkirche in Groß Siegharts, in: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg N. F. 11 (1979) 87–98, Abb. 1–10; Wolfgang Prohaska, Der Freskant Carlo Innocenzo Carlone (1686–1775) als Maler der fürstlichen Glorie, in: Reiselust & Kunstgenuss. Barockes Böhmen, Mähren und Österreich, hg. von Friedrich Polleross (Petersberg 2004) 103–118.

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unter Saufbrüdern]. W. A. Enkevoirt m.p.“28. In diesem Falle wurde das Wappen der Stifterfamilie nicht an der Kirche angebracht, sondern auf dem prunkvollen Gittertor vor dem Gotteshaus. Graf Enkevoirt hat jedoch nicht nur seinen Architekten, sondern auch einen neuen Standort der Kirche in der Mitte des Marktes durchgesetzt, was mitunter ebenso auf Ablehnung stieß. Als sich etwa Johann Leopold Graf von Dietrichstein (1703–1773) 1754 zum Neubau einer Pfarrkirche in Mährisch-Weißkirchen/Hranice na Moravě durch seinen Hofarchitekten Franz Anton Grimm (1710–1784) entschied, stieß auch hier der gewünschte repräsentative Bauplatz im Zentrum des Marktplatzes anscheinend nicht auf allgemeine Zustimmung, jedoch ließ sich der Bauherr ebenfalls nicht umstimmen: „Wir inhaeriren also unserer bisherigen Entschlussung, dass wiederholte Pfarrkirche an dem von unserem Architect in der Mitte der Stadt ausgemessenen Ort erbaut werden solle“. Tatsächlich geschah es so, und die in ihrem architektonischen Aufwand der Göllersdorfer Pfarrkirche vergleichbare Johanneskirche weist im Giebel der Turmfassade das Wappen des Bauherrn und zu beiden Seiten des Chores ein Herrschaftsoratorium auf29. Aber auch im Innern der Patronatskirchen waren die adeligen Familien präsent. Mit der Umgestaltung der Gotteshäuser etwa durch die Errichtung eines Tabernakels im Zentrum des Hochaltares anstelle des seitlichen Sakramentshäuschens zur Veranschaulichung der Realpräsenz Christi im Gefolge der katholischen Reform30 veränderte sich auch die räumliche Verortung öffentlicher Andacht des Patronatsinhabers. Während der „honor sedis“, also das Anrecht auf einen abgesonderten Kirchenstuhl an besonderer Stelle31, im Mittelalter zur Errichtung von zahlreichen Westemporen geführt hatte, entstanden nun verstärkt eigene Patronatsstühle, Herrschaftsstände, Grafenlogen, Oratorien oder Emporen in Sichtweite des Hochaltares32. Analog zur Vorstufe in der Klosterkirche des Escorial, deren Konstruktion es König Philipp II. von Spanien ermöglichte, von seinem Schlafzimmer aus die Messfeier des Priesters auf dem Hochaltar mitverfolgen zu können, ging es also nicht nur darum, die vorbildliche Frömmigkeit des Landesfürsten bzw. Grundherrn zu zeigen, sondern ebenso dessen privilegierte und dem Allerheiligsten nahestehende Position33. Beim katholischen Adel in Österreich scheint dieses Phänomen jedoch mit einer gewissen Verspätung aufgetreten zu sein und offensichtlich erst, nachdem Ferdinand II. nach 1630 mit der Neugestaltung des Chores der Hofkirche zu St. Augustin ein Vorbild abgab. Rechts vom neuen Hochaltar ließ der Kaiser nämlich 1633 ein zweigeschossiges Kaiseroratorium errichten, in dem an den Hochfesten die Kaiserin und die Erzherzoginnen sowie die Hofdamen untergebracht waren, während der Herrscher, seine Söhne und

28   Zitiert nach der Pfarrchronik in: Alexander Weiger, Grossweikersdorf (Christliche Kunststätten 191, Salzburg 1990) 3f.; Thomas Zacharias, Joseph Emanuel Fischer von Erlach (Wien–München 1960) 105–110. 29  Jiří Kroupa, Dietrichsteinové, Josef Stern a klášter milosrdných bratří v Brnĕ [Die Dietrichstein, Josef Stern und das Kloster der Barmherzigen Brüder in Brünn], in: Josef Stern 1716–1775, hg. von Michaela Šeferisová (Olomouc 2015) 57–66, hier 60. 30  Franz-Heinrich Beyer, Geheiligte Räume. Theologie, Geschichte und Symbolik des Kirchengebäudes (Darmstadt 2008) 121–136; Caroline Skerlan, Bauliche Veränderungen an und in Kirchen im 16. Jahrhundert in Niederösterreich an ausgewählten Beispielen (Dipl. Wien 2013) 41–57. 31   Feigl, Patronatsrecht (wie Anm. 19) 87. 32  Zur Architekturtheorie und (protestantischen) Gestaltung dieser Formgelegenheit siehe: Gotthard Kiessling, Der Herrschaftsstand. Aspekte repräsentativer Gestaltung im evangelischen Kirchenbau (Beiträge zur Kunstwissenschaft 58, München 1995). 33  Polleross, Habsburger (wie Anm. 4) 310–312.



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Abb. 3: Herrschaftsoratorium mit Stifterepitaph, 2. Viertel 18. Jh.; Franzen, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß).

die Vliesritter im Chor der Kirche Platz nahmen34. 1647/48 wurde schließlich auch im Zuge der Neugestaltung des Chores des Stefansdomes – gleichzeitig mit der Abtragung des Sakramentshäuschens – ein prunkvolles Kaiseroratorium errichtet35. Für eine verzögerte Übernahme dieser Form der Sakralrepräsentation durch den Adel spricht zumindest die Tatsache, dass es sich der weder an gegenreformatorischem Sendungs- noch an Standesbewusstsein Mangel leidende Graf von Verdenberg in seinen vollständig neu erbauten Patronatskirchen in Straß im Straßertal (1637/38 und 1646) sowie Namiest/Náměšť nad Oslavou (1639–1641) nicht angelegen sein ließ, ein Oratorium einzurichten. In Straß ließ erst der Sohn 1664 eine Herrschaftsempore installieren, und in Namiest war es gar erst 1744 die nachfolgende Herrschaftsfamilie Kuefstein, die an den Seiten des Chorbogens anstelle von Nebenkapellen (!) je eine Balkonloge einbauen ließ36. Ein frühes Beispiel von Oratorien im Chorbereich könnte in der um 1630 oder 1640 vom Florentiner Architekten Giovanni Battista Pieroni (1586–1654) im Auftrag des kaiserlichen Feldmarschalls Rambaldo XIII. von Collalto (1579–1630) umgebauten, dem Hl. Karl Borromäus gewidmeten und mit einem Paulanerkloster verbundenen Schlosskirche in Pirnitz/Brtnice entstanden sein, falls es sich nicht erst um eine nachträgliche Veränderung handelt. Über dem Triumphbogen verweist das von zwei Putten gehaltene Collalto-Wappen jedoch deutlich auf die Patronatsherren und Benützer des Oratoriums37.

  Karner, Augustinerkloster (wie Anm. 13) 258–262.   Hans Tietze, Geschichte und Beschreibung des St. Stephansdomes in Wien (ÖKT 23, Wien 1931) 234f., Fig. 199. 36  Lukáš Gregor, Das Schloss Namiest an der Oslava und dessen Areal, in: Die Herrschaft Namiest im Wandel der Zeiten. Ein Spiegelbild europäischer Geschichte, hg. von Johanna Haugwitz-El Kalak (Telč 2013) 118–125, hier 122. 37  Krsek–Kudělka, Umĕní baroka (wie Anm. 24) 188–190, Kat.-Nr. 6. 34 35

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Eine bescheidene Variante dieser Bauform finden wir etwa in der Pfarrkirche Franzen im Waldviertel (Abb. 3). Hier hatte der 1702 zum Freiherrn von Dobra ernannte niederösterreichische Regierungsrat Johann Reichard von Scheffer (1651–1722) 1713 eine selbständige Pfarre mit Pfarrhof und Schule errichtet. Das schon vorhandene Gotteshaus wurde 1715–1724 vergrößert, und in diesem Zusammenhang entstand im Chor über der Sakristei ein durch einen Rundbogen zum Altarraum geöffnetes Oratorium auf der zeremoniell bevorzugten linken Seite. Darunter wurde eine Marmortafel mit Inschrift angebracht, die eine Verbindung von Epitaph und Stifterdenkmal darstellt: „MELIOR est MORS, quam VITA AMARA [Weit besser ist der Tod als ein bitteres Leben]. Hier ruehet der wohlgeborne herr Johann Reichardt Scheffer, freijherr zu Dobra und Tieffenbach nach dem er 1651. den 1. martij sein Leben angefangen und den XI. febr. an[n]o 1722 sanfft und selig geendiget. 3 Römi[ischen] Kaijsern Leopold, Josepho und Carolo VI. 45 Jahr in dero Regierung als n. ö. Reg[imen]ts[rat], seiner Königl. maye[stät] in Hispanien Carl den VI. 2 Jahr als obrist Silberkam[m]erer treu gehorsambst gediennet, dises gottes haus ad S. Martinum anno 1713 erhebt, und mit einem Seelsorger versehen hat. In memoriam posuit lugens haeres Phil[ipp] ab Ehrmans in Schlug d[omin]us in Dobra et Tieffenbach“38. Zur Erinnerung an den Pfarrstifter und seine Gattin wurden außerdem zwei Ölgemälde mit deren Porträts im Pfarrhof aufbewahrt. An mittelalterlichen Kirchen hat man damals meist über den ursprünglich im Westen befindlichen und dann neben den Chor verlegten Sakristeien herrschaftliche Oratorien eingerichtet. Das könnte 1721 auch in der Franzen benachbarten Pfarrkirche Rastenfeld der Fall gewesen sein: An der Außenseite des Oratoriums befindet sich das Allianzwappen Lamberg-Sprinzenstein, das auf den damaligen Herrschaftsinhaber von Rastenberg bzw. Ottenstein, Karl Joseph von Lamberg-Sprinzenstein (1686–1743), als Bauherrn einer Erweiterung verweist, falls die 1931 erneuerte Inschrift den Sachverhalt korrekt wiedergibt: „Aedes opes Com. de Lamberg-Ottenstein sub P. Fege 1721 amplificatas“39. Etwa gleichzeitig mit Franzen finden wir in Murstetten eine ganz andere Lösung der Formgelegenheit Herrschaftsempore: In diesem 1616/17 von Quintin Leo von Althann (1577–1634) als protestantische Pfarrkirche mit rundem Chorturm bzw. Mausoleum errichteten Gotteshaus wurde im Zuge der Neuausstattung durch Gundaker von Althann (1665–1747) 1712–1724 auch eine von Antonio Beduzzi (1675–1735) entworfene, dekorativ aufwändige U-förmige Westempore mit gemauerten Stützen und hölzernen Baldachinen errichtet40. Bezeichnenderweise war diese räumliche Trennung von gläubigen Untertanen und gläubigen Herrschaftsinhabern zu ebener Erde und im ersten Stock auch in Murstetten eine Konsequenz oder zumindest eine Nebenwirkung der 1705 eingerichteten Majoratsherrschaft und der 1719 erfolgten Neugründung der Pfarre. 38  Franz Xaver Schweickhardt, Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Enns, Bd. 2 (Wien 1840) 210; Paul Buberl, Die Denkmale des politischen Bezirkes Zwettl (ÖKT 8, Wien 1911) 42f.; Othmar K. M. Zaubek, Franzen. Beiträge zur Pfarrkunde (Franzen 1971) unpag. 39   Wilhelm Zotti, Kirchliche Kunst in Niederösterreich. Diözese St. Pölten, Bd. 2 (St. Pölten–Wien 1986) 307; Weber, Zeugen (wie Anm. 25) 365, Kat.-Nr. 5. Merkwürdigerweise wird der Wappenstein weder in der Kunsttopographie noch in der Pfarrgeschichte erwähnt: Stefan Biedermann, Rastenfeld. Seine Pfarr-, Markt- und Herrschaftsgeschichte (Rastenfeld am Kamp 1926). Die Pfarre Rastenfeld stand seit 1536 unter dem Patronat der Herrschaft Ottenstein: Franz Fux, 900 Jahre Meisling. Urpfarre und Mutterkirche im Kremstal (Meisling 1996) 66. 40  Monika Soffner, Murstetten und Würmla – Kirchen und Kapellen (Peda Kunstführer 653, Passau 2006) 3–16.



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Abb. 4: Chorfassade mit Herrschaftsoratorien, Joseph Emanuel Fischer von Erlach, um 1735; Großweikersdorf, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß).

Den Höhepunkt architektonischer Oratoriumsgestaltung finden wir jedoch bei der Pfarrkirche in Großweikersdorf (Abb. 4). Dort hat Fischer von Erlach nämlich die Lösung der Kaiseroratorien der Karlskirche in vereinfachter Form übernommen und die Chorfassade des Gotteshauses mit symmetrisch positionierten runden Treppentürmen versehen, womit die gräflichen Andachtsräume auch nach außen repräsentativ aufgewertet wurden. Der Wunsch des Patronatsherrn war zumindest dem Autor der Pfarrchronik von 1843 ein Ärgernis, denn die „vielen Oratorien [seien] nutzlos, und bey dem Umstande, daß sie nicht geschlossen werden können, für die Besucher der Kirche, die da nicht beaufsichtigt werden können, sehr verderblich“41. Dem Vorbild der Habsburger folgend errichteten die Hofadeligen und Generäle im 17. Jahrhundert schließlich auch zahlreiche Klöster gegenreformatorischer Orden oder beteiligten sich an deren Bau42. So wurden etwa der Bau von Konvent und Kirche der Serviten in Wien ab 1651 durch eine großzügige Stiftung des Fürsten Ottavio Piccolomini (1599–1656) ermöglicht, der hier auch seine letzte Ruhestätte finden wollte. Anstelle eines Grabmals erinnert eine lebensgroße Bronzebüste von Francesco Mangiotti aus   Zacharias, Fischer (wie Anm. 28) 106.   Friedrich Polleross, Auftraggeber und Funktionen barocker Kunst in Österreich, in: Barock, hg. von Hellmut Lorenz (Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 4. Bd., München–London–New York 1999) 17–50. 41 42

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der Zeit um 1655 im Kreuzgang des Klosters an den Wohltäter43. Um 1670 dürfte die Marmorbüste entstanden sein, die an eine Stiftertätigkeit des Grafen Joachim Enzmillner von Windhag (1600–1678) im 1642 gegründeten Augustiner-Eremitenklosters St. Rochus und Sebastian auf der Landstraße erinnern sollte44. Johann Baptist Verda Graf von Verdenberg galt als zweiter Förderer der Barnabiten nach dem Kaiser. Er hatte im Nordchor der Kirche St. Michael 1627–1629 die Geburt-Christi-Kapelle zu seiner Gruftkapelle umbauen lassen und wurde posthum mit einem Erinnerungsgemälde geehrt, das folgende Inschrift enthält: „EXCELL. D. IOANNES BAPT. S. R. I. COMES DE VERDENBERG & NAMESTI B. IN GRAFENEG. CONSIL. INT. CAMER. & SUPREM. AUSTR. CANCEL. INSIGNIS PROMOTOR DONAT. CBS & POSS. MORT. D. 4. SEPTEMB. A.1648 IBID. SEP. IN SACELLO NATIV. DNI. ETAT. 66“45. Häufiger sind Bildnisse von adeligen Kirchenstiftern oder Patronatsinhabern, welche diese vor dem von ihnen gestifteten Gotteshaus, mit einem Plan des finanzierten Gebäudes oder mit einer Stiftungsurkunde zeigen. Beispiele dafür sind die Stiftergemälde des Grafen Johann Balthasar von Hoyos (1626–1681) und Philipp Josef Innozenz von Hoyos (1695–1762) im Servitenkloster Gutenstein, welche die Aristokraten mit Stifterbrief und Klosteransicht porträtieren46. Der schon genannte Graf Johann Leopold von Dietrichstein betätigte sich ebenfalls nicht nur als Bauherr einer Pfarrkirche, sondern auch als Stifter des Konventes der Barmherzigen Brüder in Altbrünn/Staré Brno. Er wurde daher vor 1769 auf einem 265 x 165 cm großen Gemälde von Josef Stern (1716–1775) ganzfigurig mit einem Grundriss des ebenfalls von Grimm geplanten Klostergebäudes als „FUNDATOR HUJUS MONASTERII“ im Refektorium gewürdigt. Einige Jahre später folgte das Gegenstück eines unbekannten Malers, welches Karl Josef Graf Hrzan von Harras († 1776) vor einem Ausblick auf die von ihm finanzierte Turmfassade der Klosterkirche zeigt, weil er „HANC ECCLESIAM EXTRUI FECIT“47 (Abb. 5). In dieser Darstellungsform finden wir auch überdurchschnittlich viele Damen vertreten, bot ja eine solche wohltätige Stiftung auch Ehefrauen und Witwen die Möglichkeit zur öffentlichen Wirksamkeit und damit zur eigenständigen Repräsentation. So ließ sich Fürstin Johanna Beatrix von Liechtenstein, geb. Fürstin von Dietrichstein († 1676), die Gattin von Karl Eusebius, über dem Portal der Feldsberger Kirche der Barmherzigen Brüder durch das Allianzwappen und folgende Inschrift verewigen: „SanCto aVgVstIno Ioanna beatrIX oppaVIae & CarnoVIae DVCIssa De LIeChtensteIn IVnIorIs prInCIpIs fIlII prosperItatI ereXIt“48. Ein gutes Beispiel dafür bietet auch das Porträt der verwitweten Fürstin Maria Antonia Montecuccoli (1672–1738), die 1706 das Karmeliterinnenkloster in St. Pölten stiftete49. 43  Inge Schemper-Sparholz, Skulptur und dekorative Plastik, in: Barock (wie Anm. 42) 461–548, hier 485f., Nr. 203. 44   Adel im Wandel. Politik – Kultur – Konfession 1500–1700. Ausstellungskatalog Rosenburg, hg. von Herbert Knittler–Gottfried Stangler–Renate Zedinger (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 251, Wien 1990) Kat.-Nr. 12.09 (Abb.). 45  Waltraud Kuba-Hauk, Barocke Bildwerke, in: St. Michael. Stadtpfarrkirche und Künstlerpfarre von Wien 1288–1988. Ausstellungskatalog, hg. von Karl Albrecht-Weinberger (Wien 1988) 190–197 (Abb.); Adel im Wandel (wie Anm. 44) 39f., Kat.-Nr. 1.10 (Farbabb.). 46   Adel im Wandel (wie Anm. 44) Kat.-Nr. 26.09 und 26.19. 47  Josef Stern (wie Anm. 29) Kat.-Nr. IV.27.1 und V.3. 48   Jan O. Eliáš–Bohumír Smutný, Architektura nemocnice a kláštera milosdných bratří ve Valticích [Die Architektur des Krankenhauses und des Klosters der Barmherzigen Brüder in Feldsberg], in: Mĕsto Valtice [Stadt Feldsberg], hg. von Emil Kordiovský (Valtice 2001) 287–300. 49  Prinz Eugen und das barocke Österreich. Ausstellungskatalog Schloss Hof/Niederweiden, hg. von Karl Gutkas (Salzburg–Wien 1986) 382f.



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Abb. 5: Karl Josef Graf Hrzan von Harras als Stifter der Kirche der Barmherzigen Brüder in Brünn, Ölgemälde eines unbekannten Malers, um 1775; Brno, Konvent der Barmherzigen Brüder, Kapitelsaal (Foto: Muzeum umĕní Olomouc).

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Gruft und Grabmal Schon bei einigen der eben genannten Kirchen spielte die Verbindung mit der Grablege des Stifters eine wesentliche Rolle. Zwar zählte das „ius sepulturae“, also das Privileg einer bevorzugten Grabstelle innerhalb der Kirche, zu den mit dem Patronat verbundenen Rechten50. Aber alle Adeligen ohne Patronatsrechte waren mit ihren Grablegen bei Pfarrkirchen auf eigene Kapellenanbauten oder auf die Chorkapellen in Klosterkirchen angewiesen51. Im Zuge der Reformation begannen auch innerhalb der Gotteshäuser die weltliche und geistliche Repräsentation zu verschwimmen. Sichtbarer Ausdruck dieser neuen Verhältnisse sind vor allem die aufgrund ihrer zahlreichen Grabmäler als „Gedächtnis- und Epitaphkirchen“ bezeichneten protestantischen Pfarrkirchen52. Das Vordringen der adeligen Repräsentation in den vorher nicht zugänglichen bzw. aufgrund der Lettner nicht sichtbaren Altarbereich verdeutlichen vor allem jene figuralen Monumente, die sich ursprünglich in der Hauptachse vor dem Hochaltar befanden, aber im Zuge der katholischen bzw. spätestens der josephinischen Reformen ihre den Chorraum beherrschende Position verloren und zur Seite gerückt wurden. Graf Paul Sixt I. Trautson (1550–1621) ließ für seinen 1590 verstorbenen Vater Johann II. Trautson mitten im Presbyterium der Wiener Michaelerkirche ein Hochgrab mit Liegefigur errichten. Schon nach der Übernahme des Klosters durch die Barnabiten im Jahre 1626 setzten die Bestrebungen ein, das dominante Denkmal aus der Sichtachse auf den Hochaltar zu entfernen. Erst 1670 stimmte die Familie Trautson einer Verlegung des Grabmals in eine Nische auf der Evangelienseite des Chores zu53. Ähnliches gilt für das bekannte Hoch- und Freigrabmal des Freiherrn Hans Georg von Kuefstein (1536–1603) in der Kirche von Maria Laach am Jauerling, die von ihm 1580 zur selbständigen evangelischen Pfarre erhoben worden war. Das von Alexander Colin 1604–1607 ausgeführte Marmordenkmal mit der Kniefigur des Verstorbenen befand sich bis 1777 im Chor vor dem Hochaltar. Erst damals wurde es an seinem jetzigen Platz vor der Orgelempore versetzt54. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurden die Adeligen mit ihren Grabmälern also wieder in die Kapellen des Langhauses zurückgedrängt55. Eine Ausnahme von der Regel und damit ein doppeltes Privileg bildeten die einheitlich gestalteten Familienkapellen im Chor der kaiserlichen Hofkirche der Augustiner-Barfüßer in Wien56. Diese war verständlicherweise auch der   Feigl, Patronatsrecht (wie Anm. 19) 87.   Renate Wagner-Rieger, Gotische Kapellen in Niederösterreich, in: Festschrift Karl M. Swoboda zum 28. 1. 1959 (Wien–Wiesbaden 1959) 273–307. 52  Renate Holzschuh-Hofer, Kirchenbau und Grabdenkmäler, in: Adel im Wandel (wie Anm. 44) 90–101; Rudolf Leeb, Die Anfänge des protestantischen Kirchenbaus. Untersuchungen zu einer Typologie des früheren evangelischen Kirchenbaus (Diss. Wien 1994). 53  Ingeborg Schemper-Sparholz, Die Grabdenkmäler, in: St. Michael (wie Anm. 45) 239f.; Cornelia Plieger, Grabmal des Johann II. Trautson, in: Spätmittelalter und Renaissance, hg. von Arthur Rosenauer (Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 3, München u. a. 2003) 386, Kat.-Nr. 177. 54  Zajic, Grabdenkmäler (wie Anm. 3) 212–214, Karin Gludowatz, Alexander Colin-Werkstatt, Grabmal des Johann Georg III. von Kuefstein, in: Spätmittelalter (wie Anm. 53) 388, Kat.-Nr. 180. 55  Zur Bestattung im Kircheninneren und der Kritik daran siehe: Zajic, Grabdenkmäler (wie Anm. 3) 92–102, 104–106. 56   Štěpán Vácha, Sacellum et altare Salvatoris Cruce depositi. Neznámé vyobrazení valdštejnské kaple v Augustinerkirche ve Vídni od Salomona Kleinera (1757) [Salomon Kleiners unbekannte Darstellung der waldsteinischen Kapelle in der Wiener Augustinerkirche], in: Ars linearis III, hg. von Alena Volrábová (Praha 2012) 114–117. 50 51



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bevorzugte Begräbnisplatz des Wiener Hofadels, gefolgt von der ebenfalls der Hofburg benachbarten Michaelerkirche. Erst danach folgen in der Beliebtheitsskala die Schotten-, Franziskaner-, Dominikaner- und Jesuitenkirche sowie der Stephansdom57. Das Spektrum der Repräsentation reichte bei den Wiener Kirchen von einer ganzen Kapelle wie jener des Prinzen Eugen von Savoyen (1663–1736) in St. Stephan58 bis zur Anbringung eines Einzelgrabmals. Die Verdrängung der adeligen Repräsentation aus dem Presbyterium im Zuge der katholischen Reform führte jedoch dazu, dass Familien, die nicht wie die Grafen Althann in Murstetten ihre protestantischen Epitaphkirchen einfach katholisch weiterführen und daher ihre Totenschilde über dem Triumphbogen belassen konnten, eigene Kirchen oder Kapellen für die Familiengruft errichteten59. Stellvertretend für diese von kunsthistorischer Seite noch kaum zusammenfassend untersuchte Architekturaufgabe60 seien einige Erbbegräbnisse genannt, die auch unterschiedliche Typen vertreten. Zu den bekanntesten Beispielen gehört die 1633 vom kinderlosen Feldmarschall Maximilian I. von Liechtenstein (1578–1645) gemeinsam mit einem Paulanerkloster und einer Wallfahrtskirche in Wranau/Vranov u Brna gestiftete und bis 1945 genutzte Familiengruft der Fürsten von Liechtenstein. Diese Gründung steht in der mittelalterlichen Tradition der Familienklöster und präsentiert sich heute im Zustand des 18. Jahrhunderts. Wie das riesige Allianzwappen Liechtenstein-Dietrichstein auf dem Hochaltar von 1738/39 mit den Skulpturen von Gottfried Fritsch (1706–1750) und dem Gemälde von Paul Troger (1698–1762) ausweist, entstand dieser als Stiftung der fürstlichen Witwe Maria Edmunda Theresia von Liechtenstein (1652–1737)61. Architektonisch ungewöhnlicher sind hingegen die Gruftkirche der Fürsten von Dietrichstein in Nikolsburg/Mikulov mit ihrer imposanten Doppelturmfassade62 sowie die Gruftkapelle der Grafen von Althann in Frain an der Thaya/Vranov nad Dyjí über zentralem Grundriss, die man in Verbindung mit dem berühmten Ahnensaal sehen muss63. Zu diesen, die sozial und finanziell anspruchsvollste Form vertretenden Bauten gehört auch die vom kaiserlichen Diplomaten Franz Anton Berka von Duba (1649–1706) nach Plänen Hildebrandts begonnene Dominikanerkirche St. Laurenz in Deutsch Gabel/ Jablonné v Podještědí. Hier war die Wahl des kaiserlichen Hofarchitekten wohl ebenso bezeichnend wie die Zentralform des Gotteshauses, welches nicht nur als Grablege, sondern sozusagen als Erinnerungsbau für ein ausgestorbenes Geschlecht dienen sollte. Der Bauherr und die nach seinem Tod 1706 die Bauleitung übernehmende Schwester wur  Hengerer, Adelsgräber (wie Anm. 13) 332–334.   Luigi A. Ronzoni, Die Prinz-Eugen-Kapelle, in: 850 Jahre St. Stephan. Symbol und Mitte in Wien 1147–1997. Ausstellungskatalog (Wien 1997) 258–260. 59   Zur Tradition und Funktion der Familiengrablegen siehe: Zajic, Grabdenkmäler (wie Anm. 3) 106– 152. 60   Günther Grundmann, Gruftkapellen des achtzehnten Jahrhunderts in Niederschlesien und der Oberlausitz (Straßburg 1916 [!]); Tomáš Knoz, Grablegen und Grabkapellen des mährischen Adels von der Renaissance bis zum Barock, in: Macht und Memoria (wie Anm. 3) 449–482. 61   Knoz, Grabkapellen (wie Anm. 60) 464; Andreas Gamerith, Das Altarbild der Allerheiligsten Dreifaltigkeit von Paul Troger in der Liechtensteinischen Votivkirche in Vranov, in: Franz Anton Maulbertsch und Mitteleuropa. Katalog Museum Langenargen, hg. von Eduard Hindelang–Lubomír Slavíček (Brno 2007) 166–183. 62   Krsek–Kudělka, Umĕní baroka (wie Anm. 24) 246f., Kat.-Nr. 41. 63   Winkelbauer–Knoz, Geschlecht (wie Anm. 3) 162–175; Krsek–Kudělka, Umĕní baroka (wie Anm. 24) 242–247, Kat.-Nr. 38. 57 58

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Friedrich Polleroß Abb. 6a, 6b: Stifterporträts des Grafen Franz Anton Berka von Duba und seiner Schwester Gräfin Franziska Beatrix Rosalia Kinsky, Marmorbüsten von Jan Blommendael (?), um 1700; Jablonné v Podještědí, ehemalige Dominikanerkirche (Fotos: Michael Imhof ).



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Abb. 7: Franz Anton Graf von Rottal als Bau- und Patronatsherr, Grabmalskulptur von Gottfried Fritsch, 1747/48, Holešov, Schwarze Kapelle der Pfarrkirche [Repro: Ivo Krsek, u. a., Umění baroka na Moravě a ve Slezsku (Praha 1996) Abb. 148]

den daher im Chor mit Porträtbüsten unter den Oratorienbalkonen prominent inszeniert (Abb. 6). Ebenso aussagekräftig sind der Fassadenstich von Johann Adam Delsenbach (1687–1765) und die 1713 datierte Weihemedaille von Daniel Warou (1674–1730) mit der Ansicht der Kirche und dem Bildnis der Gräfin Franziska Beatrix Rosalia Kinsky, geb. Berka († 1718)64. Einzigartig sind auch die lebensgroßen Skulpturen des Kreishauptmannes Franz Anton Graf von Rottal (1690–1762) und seiner Gattin Maria Cäcilia Gräfin von Trauttmansdorff (1696–1743) von Gottfried Fritsch in der „Schwarzen Kapelle“ der Pfarrkirche Holleschau/Holešov von 1747/48. Sie gehören zum Familiengrabmal, weisen den Grafen aber mit dem Plan des Kirchengrundrisses in der Hand als Bau- bzw. Patronatsherrn aus65 (Abb. 7). 64 65

  Jahn, Hildebrandt (wie Anm. 16) 416–429.   Krsek–Kudělka, Umĕní baroka (wie Anm. 24) 417f., Nr. 159.

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Bei anderen Adeligen gebot es die Sorge um Finanzen und Seelenheil, die Funktion der Gruftkapelle mit der eines Gotteshauses für ein Armenspital zu verbinden66. Die Kapelle des Ende des 16. Jahrhunderts über kreuzförmigem Grundriss errichteten Armenhauses in Röhrenbach wurde nach 1645 als Ersatz für das oben genannte kuefsteinische Erbbegräbnis in Maria Laach zur Familiengruft ausgebaut. Zwischen 1723 und 1737 wurde das Gotteshaus von Johann Leopold Graf von Kuefstein (1676–1745)67 vielleicht durch Joseph Munggenast modernisiert. Der Auftraggeber und seine Gattin Maria Franziska von Kollonitsch (1686–1746) wurden dabei auf dem Kuppelfresko des Jüngsten Gerichtes von Paul Troger als aus einem Sarkophag mit dem Allianzwappen Kuefstein-Kollonitsch steigendes Ehepaar verewigt68. Auch die Schönborngruft in Göllersdorf basiert auf einer Spitalsstiftung von 1618. 1693 stiftete Maria Judith von Puchheim (1664–1694) in ihrem Testament eine Loreto-Kapelle. Als Friedrich Karl von Schönborn 1710 die Herrschaft erwarb, errichtete er 1715 in Vollstreckung dieses letzten Willens seiner Herrschaftsvorgängerin die Marienkapelle, und zwar in unmittelbarer Nachbarschaft des Spitals. Da der Reichsvizekanzler das italienische Marienheiligtum Loreto von seiner Kavaliersreise im Jahre 1690 selbst kannte, folgte die Göllersdorfer Kapelle in ihrer Innengestaltung diesem Vorbild, während die Architektur außen freier gestaltet wurde. Als Schönborn 1724 zum zweiten Mal die gewünschte Wahl zum Fürstbischof von Würzburg nicht gelang, lehnte er eine finanzielle Beteiligung am Familienmausoleum des Würzburger Domes ab und beabsichtigte, Göllerdorf zu seinem Begräbnisplatz zu erwählen. Er ließ dafür zwischen Spital und Loretokapelle von Johann Lucas von Hildebrandt ein achteckiges Gotteshaus nach dem Muster von S. Maria di Loreto in Rom sowie einen Glockenturm errichten (Abb. 8). Die Wallfahrtskapelle mutierte nun zum Chor bzw. Hochaltar der Familienkapelle, deren vier Altäre und reiche Freskendekoration von Johann Rudolf Byss (1660–1738) auf das Marienthema abgestimmt wurden. Parallel dazu hat man auch das Armenhaus um ein Stockwerk vergrößert69 Da Friedrich Karl schließlich doch noch nach Würzburg berufen wurde, erinnern in Göllersdorf allerdings neben den Bauten nur mehr sein Herz sowie ein Epitaph aus dem 19. Jahrhundert an ihn. Auch bezüglich der in diesen privaten und öffentlichen Gruftkapellen anzutreffenden Epitaphien des 17. und 18. Jahrhunderts waren die Formen qualitativ und quantitativ vielfältig70. Ich möchte jedoch nicht näher auf die bereits gut erforschte Typologie und Topographie der Grabmäler eingehen, sondern auf ein meines Erachtens bisher kaum erwähntes Phänomen aufmerksam machen. An den beiden hier vorzustellenden Beispielen der Familie Lamberg lässt sich zwar auch die ästhetische Spannweite von der   Zu den adeligen Spitalsstiftungen siehe den Beitrag von Martin Scheutz in diesem Band.   Zu den Biographien dieses Ehepaares und ihren Stiftungen siehe: Karl Kuefstein, Studien zur Familiengeschichte in Verbindung mit der Landes- und Kulturgeschichte, Bd. 4 (Wien–Leipzig 1928) 23–49. 68  Andreas Gamerith, „Voca me cum benedictis“. Der Freskenzyklus Paul Trogers in der Kuefstein’schen Gruftkapelle in Röhrenbach. Wv 50 (2001) 1–28; Kurt Bleicher, Die gräflich kuefsteinsche Gruftkirche in Röhrenbach. Ein frühneuzeitlicher Hospitaltypus im nördlichen Waldviertel. Eine baugeschichtliche Untersuchung. ÖZKD 60 (2006) 385–401. 69  Maria Antonia Mayrhofer, Loreto- und Gruftkapelle der Familie Schönborn in Göllersdorf in Niederösterreich – Ein Werk von Johann Lucas von Hildebrandt (Dipl. Wien 2008). 70  Zajic, Grabdenkmäler (wie Anm. 3) 153–238; Ingeborg Schemper-Sparholz, Grab-Denkmäler der Frühen Neuzeit im Einflußbereich des Wiener Hofes. Planung, Typus, Öffentlichkeit und mediale Nutzung, in: Macht und Memoria (wie Anm. 3) 347–380; Mark Hengerer, Adelsgräber im Wien des 18. Jahrhunderts. Beobachtungen zu einer Archäologie des adeligen Gedächtnisses, in: ebd. 381–420. 66 67



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Abb. 8: Schönbornische Gruft- und Spitalskapelle von Johann Lucas von Hildebrandt in Göllersdorf, Kupferstich von Johann Balthasar Gutwein, um 1740; Wien, Stadt- und Landesbibliothek, (Foto: Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien).

schlichten Schrifttafel bis zur dreidimensionalen, mehrfigurigen Skulptur aufzeigen. Es geht dabei aber vor allem um die Errichtung von Denkmälern durch die Geschwister der Verstorbenen außerhalb der traditionellen Familiengrüfte, um sozusagen auch an entfernten Orten heraldische „Erinnerungsorte“ zu hinterlassen. So ließ Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653–1706) gleichzeitig mit dem Epitaph für seine in der Gruft der Wiener Franziskanerkirche bestatteten Eltern beim Halleiner Bildhauer Johann Franz Pernegger (1634–1720)71 auch eine Inschriftenplatte für seine schon zuvor verstorbene Schwester Anna Theresia Gräfin von Althann (1649–1684) anfertigen72. Laut Vertrag vom 3. Juni 1688 sollte der Bildhauer aus Adneter Buntscheckmarmor nicht nur ein ‚Epitavium’ nach dem rieß mit dem gräfl. petschafft gemerckhet, hiesiger maß nach (ohne der darauf gehörigen graf Lamberg. undt Questenberg. wappen, in weißem märmel gehauen, undt neben den wappen zugleich von weissen märml anstatt der sitzende engl, die zeith, undt klag benant) vier werckhschuech in die höhe, undt vierainhalbe werckhschuech braith, sambt der ihme gegebenen schrifft mit großen vergulten buechstaben sauber undt woll ‚proportionirter’ machen undt lengist biß St. Michaeli auf seine gefahr anhero liefern, sondern auch ein zweites Stück von dergleichen rothen märml ohne der darauf gehörigen graf Lamberg. undt Althannischen wappen (so auch von weissen märml sein müssen) vier 71  Zu diesem Bildhauer siehe zuletzt: Tomáš Valeš, „… in ducali ac celeberrima Ecclesia Lucensi …“. Salzburger Künstler im Dienst der Prämonstratenser Stifts in Louka/Klosterbruck bei Znaim. Barockberichte 59/60 (2012) 717–730; Franz Wagner, Archivalische Ergänzungen zu den Bildhauer-Familien Franz Pernegger und Johann Abbt. Ebd. 731f.. 72   Polleross, Lamberg (wie Anm. 10) 209–212.

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Abb. 9: Epitaph für Anna Theresia Gräfin von Althann von Johann Franz Pernegger, 1689/90; Mur­ stetten, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß).

werckhschuech hoch, undt zwey ainen halben werckhschuech braidt, lauth der gemachthen visierung, die schrifft mit vergulden buechstaben auf obbestimbten termin verfertig, undt auf sein gefahr nachher Thulln lieffern, undt aldorten an ain sicheres orth einsetzen solle73. Die Kosten für beide Denkmäler betrugen 280 Gulden und wurden bis zum 21. März 1690 bezahlt (Abb. 9). Die Gedenktafel für Lambergs Schwester entsprach dem Typus der Eltern, hatte allerdings anstelle der Oval- eine Rechteckform und die Inschrift wurde nicht auf einer konvexen Platte, sondern auf einem illusionierten Tuch präsentiert. Der Text unter dem Allianzwappen schließt mit dem Hinweis auf die beiden jüngeren Brüder der Verstorbenen, nämlich Joseph Karl (1655–1689) und Franz Sigmund (1663–1713) von Lamberg, als Auftraggeber: „CAVE VIATOR./ Iniurius es,/ ANNAE THERESIAE/ Comitissae ab ALTHANN, natae D[omi]nae à LAMBERG,/ D[omi]nae in Murstetten, Zwentendorff, & Thurn &c./ Qui/ Eam ac si non diu vixerit luges,/ Maturis moribus nullum supervenit,/ precox Fatum./ Quae iam Deum invenerat/ Quid ultra, quaereret inter homines?/ Coeli moribus assueta terras fastidiens./ Sat ampla vitae credidit spatia,/ Quibus tot capi merita potuissent/ Invidum hic non misericordem te volo,/ & tu sat diu vixeris si sat 73   Vertrag vom 3. 6. 1688 in zwei Exemplaren mit Quittungen: NÖLA, Lamberg-Archiv Ottenstein, Kt. 263, 266, Beilage 1692, Nr. 29.



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bene./ IosephVs, CaroLVs, & sIgIsMVnDVs Fratres, sororI sVae ponVnt”. Das Chronogramm ergibt das Todesjahr 1684. Das Denkmal sollte also in der althannischen Familiengruft Murstetten die Erinnerung an die Gräfin Lamberg wachhalten, nicht zuletzt weil deren Gatte Johann Christoph Graf von Althann (1633–1706) 1691 schon zum dritten Mal verwitwet war und dann noch einmal heiratete. Deutlich wird die Bedeutung eines derartigen halb-öffentlichen Familienwappens aus der Tatsache, dass die Grafen von Mansfeld ihre 1635 erworbene Familiengruft in der Augustinerkirche 1721 nach langem Widerstand zwar aufgaben, aber nur unter der Bedingung, dass das mansfeldische Wappen niemals von der Kapelle entfernt werden dürfe und diese auch weiterhin den Namen der Familie tragen müsse. Als der kaiserliche Oberstkämmerer Johann Maximilian Graf von Lamberg (1608–1682) 1669 eine Gruftkapelle in der Wiener Hofkirche erwarb, wurde ebenfalls im Vertrag festgelegt, dass diese auf ewige Zeiten die lambergische „genandt werden, noch dero Wappen abgenohmen, oder ausgelescht“ werden solle74. Im Mainzer Dom verweisen Skelett und Engel als Sinnbilder für Tod und Auferstehung auf dem ersten hochbarocken Epitaph des Gotteshauses ebenfalls mit ihrer Gestik auf das lambergische Familienwappen als Symbol des Adelshauses. Der eben genannte Franz Sigmund von Lamberg hatte dort um 1690/91 an der Nordwand des Ostchores diesen Epitaph zur Erinnerung an seinen 1689 bei der Belagerung von Mainz gefallenen Bruder errichten lassen. Nach dem Vorbild Berninis wird das den Sargdeckel hebende Skelett zur Allegorie der Überwindung von Tod und Vergessen durch den „Heldentod“ des Offiziers und zum Sinnbild für den Gewinn von Ehre und Prestige der Familie. Fahnen, Trommeln und Waffen unterhalb des Sarges und die flankierenden Rüstungsteile verweisen ebenso auf die militärische Funktion des Verstorbenen wie die auf dem Leichentuch angebrachte lange Grabinschrift (in deutscher Übersetzung, Abb. 10): „Halt ein, Wanderer, sieh und bewundere den toten Kriegshelden, wie er mit dem Tode kämpft, ja sogar des grausamen Todes Joch, Gesetze und Fesseln abschüttelt. Man hat ihn niemals gegen feindliche Übermacht kämpfen gesehen, ohne dass er gesiegt hätte, wie die Berge im befreiten Hennegau, das wiedereroberte Wien, die Städte Raab, Gran, Ofen, Belgrad und die in so vielen Unternehmungen zu Felde glorreich erbeuteten Feldzeichen bezeugen. Er ist von keiner Angst vor irgend einem Feind, nicht einmal vor dem Tod überwunden worden; unerschrocken gegenüber den miteinander verwandten Gefahren des Todes und des Krieges fiel er beim heldenhaften Angriff bei Mainz, als er die feindlichen Mauern bestürmte, nachdem ihm ein Kriegsgeschütz die Beine zerbrochen hatte, selbst ungebrochenen Mutes. Er wich dennoch nicht, sondern vollendete sogar, trotzdem seine Füße vom Körper gerissen waren, aufs rühmlichste seinen Lauf. In einem Zeitraum von zwölf Jahren hat er in Österreich und in Ungarn gegen die Türken, in Belgien und im Reich gegen die Franzosen als Fähnrich, Hauptmann, Oberstwachtmeister, Oberstleutnant und Kommandeur unvergleichlichen Lohn an Anerkennung, Berühmtheit und unsterblicher Ehre erlangt. Durch Familie, Umsicht und Hochherzigkeit einst groß, am größten in der nie verletzten Treue zu Gott, Kaiser und Vaterland, Karl Adam, des Heiligen Römischen Reiches Graf und Herr von Lamberg, Freiherr auf Orteneck und Ottenstein, Herr in Kranichberg und Praunsperg. Seiner Kaiserlichen Majestät Kämmerer, des berühmten Alt-Starhembergischen Regiments zu Fuß Obrist Leutnant und 74   Cölestin Wolfsgruber OSB, Die Hofkirche zu St. Augustin in Wien (Augsburg 1888) 9; Hengerer, Adelsgräber (wie Anm. 13) 291, 294.

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Abb. 10: Epitaph für Joseph Karl Adam Graf von Lamberg von Johann Wolfgang Frölicher, 1691/92; Mainz, Dom (Foto: Friedrich Polleroß).

Kommandant fiel er dennoch, ach, durch einen unseligen Treffer im Krieg in seinem 34. Lebensjahr am 6. September in dem Jahr, in dem die Stadt Mainz aus dem Rachen der Feinde mit Gottes Hilfe errettet worden ist. Klage also und klatsche gleichzeitig Beifall, weil Du sicher sein kannst, daß er jetzt auch nach diesem Geschick aufrecht steht, der jederzeit unerschüttert im Leben einstand für die ganz gerechte Sache des Kaisers, und dann bleib stehen und überlege, ob Du ihm ewige Ruhe wünschen oder ob Du ihn zu ihr beglückwünschen solltest. Dann geh und lebe wohl“75. Das im Vergleich zum Grabmal der Eltern pompöse Denkmal wurde 1789, 1835 und 1868 restauriert bzw. versetzt und stammt von dem in Solothurn geborenen Bildhauer Johann Wolfgang Frölicher (1652–1700), der sich 1676 in Frankfurt am Main und 1689 in Mainz niederließ, wo er für den Dom nach dem Lamberg-Epitaph 1692 einen Altar und 1695 das Denkmal für Kurfürst Anselm Franz von Ingelheim geschaffen hat. Der Künstler verrät auch beim Lamberg-Epitaph nicht zuletzt durch die Kombination von weißem, schwarzem und rotem Marmor den Einfluss des französisch-flämischen Barock. Eine nicht mehr erhaltene gemalte Widmungsaufschrift verwies auf den Auftrag-

75   Fritz Viktor Arens, Die Inschriften des Domes zu Mainz (Mainzer Inschriften von 1651–1800 1, Mainz 1982) 36–40, 103.



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geber: „Memoriae fratris Devotus frater Francsicus Sigismundus F[ieri] F[ecit]“76. Franz Sigmund von Lamberg hat vermutlich als direkter Erbe seines Bruders Joseph Karl den Auftrag vergeben, freilich geschah das wohl wie beim vorhergehenden Epitaph im gemeinsamen Interesse der Familie. Falls die Tätigkeit des ältesten Bruders Leopold Joseph als Botschafter auf dem Reichstag in Regensburg ab 1690 nicht schon eine vermittelnde Funktion bei der Auftragsvergabe erfüllt hatte, war es sicher in seinem Sinne, mit diesem Monument für den Bruder gerade am Sitz des Kurfürsten von Mainz die Verdienste der Familie Lamberg in kaiserlichem Dienst und um die Befreiung der von den Franzosen belagerten Residenzstadt des Erzkanzlers deutlich sichtbar zu machen77.

Altar und Votivbild Häufiger als solche durch den Zufall der Geschichte verursachten Familienmonumente in fremden Gotteshäusern waren jedoch Stiftungen von Kapellen oder Altären, die durch Wappen, Stifterporträt oder Darstellungen der Namenspatrone direkt bzw. indirekt auf den Auftraggeber verwiesen. Dies betraf sowohl Kirchen mit einem Patronats- oder Grabmalsvertrag als auch Sakralbauten, zu denen andere familiäre oder individuelle Kontakte bestanden78. Die Ikonographie dieser Altäre lag ebenso wie bei den auf privatem oder öffentlichem Grund errichteten Sakraldenkmälern teilweise im Ermessen der Stifter und verrät daher individuelle Vorlieben der Verehrung. Bei den Pfarrkirchen war das Altarpatrozinium hingegen meist vorgegeben, aber der Auftraggeber hatte zumindest künstlerisch freie Wahl. Dementsprechend wurden die „Hofmaler“ der Aristokratie vielfach auch grenzüberschreitend eingesetzt. Der schon mehrfach genannte Johann Baptist Verda von Verdenberg bestellte etwa 1636 gleich vier Altarbilder des kaiserlichen Hofmalers Friedrich Stoll (1597–1644) für die Schlosskapellen bzw. Patronatskirchen Grafenegg, Straß im Straßertal, Namiest/Náměšť nad Oslavou sowie Rossitz/Rosice und bezahlte sie auch auf einmal, wie er in seinem „Giornale“ festhielt: „15. Mai 1636 habe ich dem Stoll Hoff Camer Mallern zu völligen Bezallung seiner Arbeit, darunter auch die vier Altarbletter auf Gravenegg, Namiest, Rossiz und Straß begriffen geben vermög habender Quittung 200 fl.“79. Noch interessanter als aufgrund ihrer künstlerischen Qualität sind diese Altargemälde allerdings hinsichtlich ihrer Ikonographie. Das Hochaltarbild in Straß erstaunt nicht nur durch die Verbindung einer Marienkrönung mit der Darstellung des Hl. Michael, des Erzheiligen der Gegenreformation, sondern bildet auch ein Gruppenporträt der Familie des aus Görz stammenden Hofkanzlers: Links sehen wir den Stifter, seinen Bruder Johann Peter (1578–1655), seinen Sohn Ferdinand sowie die Neffen Johann Peter und Philipp und auf der Frauenseite die Gattin des Patronatsinhabers Maria Katharina Freifrau von Coronini zu Cronberg († 1660), die Schwägerin Maria Anna Gräfin von Lamberg (1595– 76  Nicole Beyer, Das Werk des Johann Wolfgang Frölicher. Ein Beitrag zur barocken Skulptur im Deutschland des 17. Jahrhunderts (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 92, Trier 1999) 94–103, Abb. 28 und 29. 77  Zur Tätigkeit in Regensburg siehe: Polleross, Lamberg (wie Anm. 10) 215–299. 78  1677 hat etwa Ferdinand Maximilian Graf von Sprinzenstein in der Wiener Servitenkirche den Altar zu Ehren des Hl. Johannes Baptist gestiftet, dessen Finanzierung später von seinem Schwiegersohn übernommen wurde: Polleross, Lamberg (wie Anm. 10) 212, Abb. 189. 79  Vgl. dazu: Harald Tersch, Prudenter, syncere, constanter. Kanzler Verdenberg (1582–1648) und sein „Giornale“. UH 66 (1995) 82–111.

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Abb. 11: Johann Baptist Verda von Verdenberg in Verehrung des Hl. Johannes Baptist, Hochaltarbild von Friedrich Stoll, 1636; Náměšť nad Oslavou, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß).

1620) sowie eine Tochter oder Nichte80. In Namiest errichtete Verdenberg einen seinem Namenspatron Johann Baptist geweihten Hochaltar und ließ sich auf dem Gemälde von 80  Hans Tietze, Die Denkmale des politischen Bezirkes Krems (ÖKT 1, Wien 1907) 540, Fig. 450; Marina Bressan, L’ambizione temperata della saggezza: note su Giovanni Battista Verda di Verdenberg, in: Gorizia Barocca. Una città italiana nell’ imperio degli Aspurgo. Ausstellungskatalog, hg. von Marino de Grassi (Gorizia 1999) 66–73, hier 68 (Abb.).



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Stoll unter der Darstellung der Taufe Christi zwar andächtig, aber in Lebensgröße und mit seinen Wappen porträtieren (Abb. 11). Das ebenfalls von Stoll stammende Seitenaltarbild zeigt wohl nicht – wie in der Literatur angegeben – die Gattin des Donators, sondern den Sohn Ferdinand von Verdenberg (1615–1666) in Verehrung der Muttergottes81. Unter der Muttergottes als Patrona Hungariae mit einer Landkarte des Königreiches versammelte 1663 auch der kaiserliche Hofmaler Jan Thomas (1617–1678) Kaiser Leopold I. und Papst Alexander VII. sowie die wichtigsten Würdenträger des Königreiches auf einem Altargemälde der Kirche in Árpás bei Győr. Das Gemälde war vom Landrichter Franz Graf Nádasdy (1622–1671) in Auftrag gegeben worden, um die Verhandlungen für eine gemeinsame Türkenhilfe zu dokumentierten, aber wohl auch als Fürbitte82. Noch erstaunlicher ist das Votivbild von Verdenbergs ebenfalls in den Beamtenadel aufgestiegenen Nachfolger als Hofkanzler Julius Friedrich Bucellini Graf von Reichenberg und Sava († 1712) in der Wallfahrtskirche Karnabrunn im Weinviertel. Das von Johann Franz Aigen um 1700 geschaffene und nicht weniger als 316 x 173 cm große Gemälde zeigt vor der in Bildmitte dargestellten Kirche als kompositionellem Schwerpunkt des Bildes den knienden österreichischen Hofkanzler vor einem Bücherschrank und gegenüber die Personifikation des Erzherzogtums Österreich. Im Himmel darüber erscheinen unterhalb des Dreiecks der Dreifaltigkeit die Heiligen Friedrich und Julius, also die Namenspatrone des Stifters. Das untere Bilddrittel beherrschen sozusagen als mythologische Dreifaltigkeit die drei Parzen, die sich beim Spinnen der Schicksalsfäden freundlich gegenüber der durch das Wappen symbolisierten Familie des Stifters erweisen sollen. Dazu kommen noch Inschriften und Sprachrätsel wie der verschlüsselt angegebene Familienname „ENCLIVBE= BVCELLINI“83. Ein späteres Beispiel findet sich – vielleicht aufgrund der Vorgeschichte nicht zufällig – in Namiest, wo Johann Leopold von Kuefstein als verdenbergischer Herrschaftsnachfolger 1743 ein Spital für zwölf arme Untertanen gründete. Für dessen 1745 geweihte Kapelle entstand ein Seitenaltarbild des Trogerschülers Karl Josef Aigen (1685– 1762), welches den Stifter und dessen Gattin Maria Franziska porträtiert, die vom Hl. Ivo von Chartres der Gottesmutter empfohlen werden84. Natürlich verraten solche Bildnisse auf Altarbildern nicht nur den Stolz der Stifter, sondern sollten wohl ebenso wie die Herrschaftsoratorien den Untertanen auf mehr oder weniger deutliche Weise die Herrschaftsordnung „von Gottes Gnaden“ vorführen. Nicht zuletzt deshalb blieben sie wohl auch Einzelfälle. Die meisten Altarstiftungen beschränkten sich auf eine mehr oder weniger prominente Anbringung des Familienwappens oder die indirekte Repräsentation durch die Darstellung der jeweiligen Namenspatrone. Ein schönes Beispiel dafür bildet der Hochaltar der landesfürstlichen Pfarrkirche in Waidhofen an der Thaya von 1721. Dessen Kosten von 1.500 Gulden übernahmen nämlich nicht der Landesfürst als Patronatsinhaber oder die Stadtgemeinde, sondern der Besitzer der Herrschaft Waidhofen, der schon erwähnte Karl Joseph von LambergSprinzenstein, und der gerade genannte Graf Kuefstein als landesfürstlicher Kirchenge  Gregor, Namiest (wie Anm. 36) 122f.   Enikő Buzási, Die Schutzmantelmadonna in Árpás: Ein Werk von Jan Thomas für einen ungarischen Auftraggeber, Ferenc Nádasdy aus dem Jahr 1663 (Bestimmung, Datierung, Zuschreibung). Művészettörténeti Értesítő 54 (2005) 245–286. 83  Prinz Eugen (wie Anm. 49) 397f., Kat.-Nr. 18.41 (Abb.). 84   Petr Arijčuk, The Dominicans and Count Kuefstein, on Commissions by the Painter Karl Josef Aigen in Moravia. Opuscula historiae artium. Studia minora facultatis philosophicae Universitatis Brunensis 52 (2008) 89–110. 81 82

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bäudeinspektor. Auf dem Altar wurden die Statuen der Heiligen Karl Borromäus und Leopold aufgestellt – allerdings nicht als Hinweis auf die habsburgischen Landespatrone, sondern zur Erinnerung an die Namenspatrone der beiden Stifter, deren Wappen unterhalb der Statuen „zur Gedächtnus“ angebracht wurden85. Für den ebenso wie die Architektur von Fischer von Erlach entworfenen Hochaltar der Pfarrkirche in Großweikersdorf lieferte niemand Geringerer als Martino Altomonte (1657–1745) 1734 das 6 x 3,3 Meter große Gemälde „Martyrium des Hl. Georg“ um 500 Gulden86. Das Hochaltarbild zeigt in der Mittelachse unter dem Leichnam des Märtyrers das Allianzwappen der Auftraggeber, welches aber später durch den Tabernakel verdeckt wurde. Solche heraldischen Kennzeichnungen finden wir auch in der Pfarrkirche in Weitra. 1761 stifteten die Brüder Anton († 1748) und Franz Joseph († 1765) Keuffel von Ulberg dort einen Kapellenanbau zum Hl. Kreuz mit eigenem Benefizium. Sowohl das Gitter zum Hauptraum als auch der ungewöhnliche Baldachinaltar tragen das Wappen der Stifter, während auf dem 1749 entstandenen Hochaltar mit den Gemälden von Johann Leopold Daysigner (1701–1788) aus dem Jahre 1774 ein fürstenbergischer Wappenschild als Hinweis auf den fürstlichen Patronatsinhaber erscheint87. Gerade im Falle rein privater Stiftungen von Kapellen, Altären und Standbildern konnten familiäre oder individuelle Kultvorlieben zum Ausdruck kommen. Neben den Namenspatronen waren dies Heilige, die aufgrund ihres Standes, ihrer geographischen Herkunft oder aus ganz persönlicher Frömmigkeit eine besondere Bedeutung für den Stifter erlangt haben. So findet man um 1730 eine Anhäufung von Statuen des Hl. Felix von Cantalice in den Herrschaften Horn-Persenbeug und Schwarzenau-Meires der Grafen Philipp Joseph von Hoyos bzw. Franz Adam von Polheim. Die mit Stifterwappen versehenen Standbilder des 1712 heiliggesprochenen Kapuziners bilden eine Art „Markierung von Herrschaftsgebieten“ und sollten wohl den Grundherren nicht nur eine gewisse sichtbare Präsenz in ihren Ortschaften verleihen, sondern diese „offenbar auch als ‚Gutthäter‘ in mehrfacher Hinsicht bei der Bevölkerung“ vorstellen88. Darüber hinaus konnte die Herkunft eines Künstlers oder Heiligen für den kundigen Besucher ein Hinweis auf eine bedeutende Auslandstätigkeit des Kapellenstifters sein. Besonders aussagekräftig in dieser Hinsicht ist die Tatsache, dass im Wiener Stadtpalast der Grafen Harrach ein Gemälde von Jusepe de Ribera als Altarbild diente und der neapolitanische Vizekönig Aloys Thomas Graf von Harrach (1669–1742) nicht nur ein Andachtsbild „Der Hl. Januarius im Gefängnis“ von Francesco Solimena vermutlich für seine Privatkapelle in Neapel erwarb89, sondern auch die Kapelle im Gartenpalast der Familie dem neapolitanischen Stadtheiligen widmete und dafür 1735 ein Altarbild „Die Enthauptung des Hl. Januarius“ von dem in Neapel geborenen Martino Altomonte anfertigen ließ 90. 85   Franz Eichmayer, Geschichte und Beschreibung der Stadtpfarrkirche zu Waidhofen an der Thaya (Waidhofen an der Thaya 1890) 22f. 86   Hans Aurenhammer, Martino Altomonte (Wien–München 1965) 148, Kat.-Nr. 191, Abb. 47. 87  Wolfgang Katzenschlager, Barocke Frömmigkeit und ihre Äußerungen, in: 800 Jahre Weitra, hg. von Herwig Birklbauer–Wolfgang Katzenschlager (Weitra 1983) 239–249, hier 241f., Abb. 167; Ders., Geschichte der Stadt Weitra (Weitra ²1989) 26. 88  Bernd Euler-Rolle, Statuen des hl. Felix von Cantalice im Waldviertel. ÖZKD 35 (1981) 37–49. 89  Zum Januariuskult bei den Vizekönigen siehe: Ceremoniale del viceregno austriaco 1707–1734, hg. von Attilio Antonelli (I Ceremoniali della corte di Napoli 2, Neapel 2014). 90  Unter dem Vesuv. Kunst und Künstler vom 17. bis zum 19. Jahrhundert in Neapel und seinem Umfeld aus der Sammlung Harrach. Ausstellungskatalog Wien, hg. von Johann Kräftner (München u. a. 2004) Kat.Nr. 7, 29; Annette Hojer, Francesco Solimena 1657–1747. Malerfürst und Unternehmer (Römische Studien der Bibliotheca Hertziana 31, München 2011) 69–86.



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Auch Harrachs Vorgänger als Vizekönig, Kardinal Michael Friedrich Graf von Althann (1680–1734), bestellte 1727 zur Erinnerung an seine Tätigkeit in Neapel ein Gemälde des hl. Januarius von Girolamo Pesce für seine Bischofskirche in Waitzen/Vác. Der schon mehrfach genannte Johann Leopold Graf von Kuefstein hatte offensichtlich zwei „Lieblingsheilige“: einerseits Johannes den Täufer, den Patron des Hauses Kuefstein, nach dem alle männlichen Mitglieder in der Taufe den ersten Vornamen erhielten; andererseits den in unserem Raum selten zu findenden Heiligen Ivo von Chartres, der als Verfasser bedeutender kirchenrechtlicher Werke zum Standespatron der Juristen und auch als „advocatus pauperum“ verehrt wurde. Beim Neubau der Pfarrkirche seiner „erheirateten“ Herrschaft Kirchberg am Walde ließ Graf Kuefstein 1709 daher nicht nur das Patrozinium vom Heiligen Ulrich auf jenes des Heiligen Johannes ändern, sondern auch die Namen aller Familienmitglieder im Tabernakel des Hochaltares eingravieren und Statuen der Namenspatrone Petrus, Leopold, Anna, Franziska, Antonius und Karl aufstellen91. Über dem Triumphbogen der Gruft- und Spitalskapelle in Röhrenbach wurden Stuckfiguren des Familienheiligen und des Hl. Ivo angebracht, wobei der heilige Jurist dem Wegbereiter Christi eine Bittschrift mit der Aufschrift „Pro Justitiae“ überreicht92. Diese juristische bzw. aufgeklärt-wohltätige Funktion des Kirchenrechtlers war wohl der Grund dafür, dass Kuefstein vom Maler Aigen nicht nur das oben erwähnte Votivbild der Spitalskapelle in Namiest, sondern 1740 auch ein Seitenaltarbild mit der Darstellung des französischen Heiligen vor der Muttergottes für seine Patronatskirche in Großweikersdorf anfertigen ließ93. Da es sich bei den Herrschaften Kirchberg, Namiest und Großweikersdorf um Erb- bzw. Heiratsgut seiner Gattin aus dem Besitz der Familien Verdenberg und Kollonitsch handelte, wurden diese durch die neuen Patrozinien auch spirituell dem kuefsteinischen Familienbesitz eingegliedert. Vergleichbar sind auch die Fälle des Reichsvizekanzlers Ferdinand Sigmund Kurz Graf von Senfftenau, der 1656 in Horn eine Altöttingerkapelle zur Erinnerung an seine bayerische Heimat stiftete, sowie von Graf Antonio Rambaldo von Collalto, der 1725 bzw. 1731 für sein Wiener Palais Altargemälde der von ihm besonders verehrten Heiligen Kajetan und Fidelis bestellte94. Die ab 1729 errichtete Januariuskapelle am harrachschen Palais in der Ungargasse ist jedoch nicht nur ikonographisch, sondern auch architektonisch eine Besonderheit, wurde sie doch als eigener Baukörper des Gartenpalastes hervorgehoben (Abb. 12)95. Ebenso wie die relativ große Kapelle im Stadtpalast der Familie auf der Freyung von Antonio Beduzzi und Johann Michael Rottmayr (1719/20) hängt dies offensichtlich mit der Funktion des Bruders des Bauherrn als Fürsterzbischof von Salzburg zusammen96. Denn auch beim gleichzeitig (1727–1731) umgebauten Schloss der mit den Harrachs verwandten und um die Bischofswürden konkurrierenden Fürsten Lamberg in Steyr, die u. a. im 18. Jahrhunderte zwei Kardinäle stellten, bildet die Fassade der Schlosskapelle ein architekto  Kuefstein, Familiengeschichte (wie Anm. 67) 4 43f.   Gamerith, Röhrenbach (wie Anm. 68) 7f. 93   Weiger, Großweikersdorf (wie Anm. 28) 10, 16 (Abb.). 94  Hanns Haas, Die Altöttinger Kapelle in der Horner Vorstadt. Horner Kalender 145 (2016) 52–61; Zdenĕk Kazlepka, „Antico e moderno pennello“. Die Gemäldegalerie von Antonio Rambaldo Graf von Collalto und die mit ihr verbundenen Künstler. Barockberichte 63 (2015) 34–44, hier 36, 38. 95  Géza Hajos, Januariuskapelle, in: Die Kunstdenkmäler Wiens. Die Kirchen des III. Bezirkes (ÖKT 41, Wien 1974) 146–150. 96   Tatsächlich war es der Salzburger Fürstbischof, der den Altar der Wiener Kapelle stiftete: Wilhelm Georg Rizzi, Das Palais Harrach auf der Freyung, in: Palais Harrach. Geschichte, Revitalisierung und Restaurierung des Hauses an der Freyung in Wien (Linz 1995) 11–40. 91 92

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Abb. 12: Gartenpalais Harrach mit Januariuskapelle, Kupferstich von Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, um 1737 (Foto: Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien).

nisch akzentuiertes Gegenstück zum Risalit des Treppenpavillons mit dem Allianzwappen Lamberg-Harrach97. Eine ganz ausgeprägte Symmetrie von Gotteshaus und weltlichem Pavillon kennzeichnet das von Anton Erhard Martinelli erbaute Schloss Breitenfurt des kaiserlichen Buchhalters Gregor Wilhelm von Kirchner (um 1671–1735). In diesem Falle ist die architektonische Betonung der mit einem Armenhaus verbundenen und 1732 geweihten Kirche mit dem Kuppelfresko von Daniel Gran wohl ebenso Ausdruck ihrer öffentlichen Funktion wie vielleicht des schlechten Gewissens des korrupten Bauherrn98. Die Architekturaufgabe der adeligen Palast- oder Schlosskapelle ist meines Wissens für den habsburgischen Raum noch nie näher behandelt worden, obwohl sich zahlreiche Beispiele erhalten haben und einzelne auch schon näher untersucht wurden, z. B. die gegenreformatorische Wenzelskapelle im Prager Palais Waldstein99. In den Stadtpalästen scheint ein eigener Andachtsraum seltener gewesen zu sein. So entstand die Kapelle im Winterpalais des Prinzen Eugen bekanntlich erst unter Maria Theresia, aber sie ersetzte einen Betraum aus dem Jahre 1712100. Bei den großen Wiener Gartenpalästen finden wir hingegen meist eine mehr oder weniger repräsentative Kapelle, die allerdings nach außen normalerweise nicht so sichtbar gemacht wurde wie die Januariuskapelle. Das gilt sowohl   Bruno Grimschitz, Johann Michael Brunner (Wien–München ²1960) 76–80.   Wilhelm Georg Rizzi, Das Kirchnersche Schloß Breitenfurt und seine Ausstattung. Barockberichte 31 (2001) 92–100; Eckhart Knab, Daniel Gran (Wien–München 1977) 75–77. 99  Sylva Dobalová, The Iconography of St. Wenceslas in Early Baroque Prague. The Case of the Wallenstein Palace and Baccio del Bianco. Acta historiae artis Slovenica 16 (2011) 71–85. 100  Richard Kurdiovsky–Klaus Grubelnik–Pilo Pichler, Das Winterpalais des Prinzen Eugen. Von der Residenz des Feldherrn zum Finanzministerium der Republik (Wien 2001) 120–122. 97 98



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für die bekannte Ovalkapelle im Oberen Belvedere101 als auch für den versteckten querrechteckigen Raum mit Ovalkuppel im Palais Schwarzenberg102. Bei den Schlossbauten war ein mehr oder weniger großes Gotteshaus offensichtlich die Regel. Dies geht etwa aus den Instruktionen des Fürsten Karl Eusebius von Liechtenstein (1611–1684) für seinen Sohn hervor. Der Fürst präferierte ein zweigeschossiges und im ersten Stockwerk situiertes Gotteshaus: „Die Capelln soll schen und gross sein und ihr rechte Leng zu ihrer Weiten der Hech haben, dan sie wiert 2 Gahrn hoch, also dass auch diejenige, so in der oberen Stok wohnen, die heilige Mess von oben herab, ohne Herabsteigen anheren konnen. Sie mues auch destwegen 2 Gahrn haben, damit niemandts in der Hech ober ihr wohnen konne, und also bis unter das Tach laufen mues. Dan dergestalt verordtnet es die christliche Kirchen, dass niemand ob der Capelln wohnen sol. Sie soll auch lenger als breidt sein, dan die gefierdten Erdter, Capellen oder Gemach, stehen inwendig nicht wohl, sondern das oblanglicht ist lieblich, so wol zur Heche als Breidte […]“103. Eine erste Welle von Kapellenbauten und Neueinrichtungen ergab sich im Zuge der Reformation und Gegenreformation im frühen 17. Jahrhundert. So verweist eine Inschrift von 1613 im Schloss Spitz an der Donau auf den Neubau der protestantischen Kapelle durch Hans Lorenz von Kuefstein (1578–1628) und die Funktion des der Dreifaltigkeit gewidmeten Heiligtums als „Denkmal sowohl seiner und der seinen“104. Zeitlich parallel dazu entstand 1609–1615 im Schloss Persenbeug eine katholische Kapelle. Der ab 1629 in Rosenburg ansässige Bildhauer Caspar Leusering (1595–1673) lieferte um 1630 den neuen Hochaltar für die Schlosskapelle Drosendorf sowie 1636 denjenigen der Horner Bürgerspitalskapelle im Auftrag der Herrschaftsinhaber, des Reichsvizekanzlers Ferdinand Sigmund Graf Kurz von Senftenau (1592–1659) und seiner Gattin Margaretha Elisabeth Freifrau von Muschinger. Der Drosendorfer Altar zeigt nicht nur ein Gemälde der Marienkrönung mit den Symbolen der Lauretanischen Litanei, sondern auch die Wappen des Stifterehepaares105. Der 1636 datierte Horner Altar trägt hingegen eine Stifterinschrift: „Der hoch vnd wohlgebohrne herr Ferdinand Sigmund / Kurtz Freyherr von Senfftenau herr zu Horn Garsch und Kotze[n] / Der Röm. Kay. May: Reichs hoff Rath vnd Kämmerer / Die hoch vnd wohl gebohrne Frau Frau Martha Elisabeth Kurtzin / Freyin gebohrne Freijin Frauen zu Horn / Garsch vnd Kotzen ANNO MDCXXXVI“106. Die chronologisch und stilistisch übernächste Generation der Schlosskapellen vertreten etwa die Ende des 17. Jahrhunderts geschaffenen frühbarocken Stuckräume der lambergischen Schlösser Ottenstein und Kottingbrunn107, während im Schloss

  Die Schlosskapelle des Belvedere, hg. von Agnes Husslein-Arco (Wien 2010).   Grimschitz, Hildebrandt (wie Anm. 21) 28–36. 103   Victor Fleischer, Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein als Bauherr und Kunstsammler (1611–1684) (Veröffentlichungen der Gesellschaft für neuere Geschichte Österreichs 1, Wien–Leipzig 1910) 121f. 104  Zajic, Inschriften (wie Anm. 20) 401f., Nr. 404. 105  Andere Angaben zur Ikonographie und den Wappen bei: Hans Tietze, Die Denkmale des politischen Bezirkes Horn (ÖKT 5, Wien 1911) 170, Fig. 182. 106  Hanns Haas, Caspar Leusering (1595–1673). Frühbarock im Dienste der Rekatholisierung, in: Waldviertler Biographien, Bd. 3, hg. von Harald Hitz–Franz Pötschner–Erich Rabl–Thomas Winkelbauer (Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 52, Horn–Waidhofen an der Thaya 2010) 71–94; Ralph ­Andraschek-Holzer–Martina Fuchs, Historische Inschriften in der Stadt Horn, in: Höbarthmuseum und Stadt Horn. Beiträge zu Museum und Stadtgeschichte, hg. von Ralph Andraschek-Holzer–Erich Rabl (Horn 1991) 47–100, hier 58. 107  Polleross, Lamberg (wie Anm. 10) 145–149, 172–174, 179–181. 101 102

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Abb. 13: Portiuncula-Kapelle beim Schloss Windhag, Kupferstich von Clemens Beuttler in der „Topographia Windhagiana aucta“, 1654/1673; Wien, Universitätsbibliothek (Foto: Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien).

Schwarzenau eine jüngere, mit plastischen Stuckfiguren gezierte Kapelle erhalten blieb108. Bekannter sind die repräsentativen hochbarocken Andachtsräume in Feldsberg/Valtice und Schlosshof109 sowie die spätbarock-freimaurerische Schlosskirche in Rosenau110. In diesen Fällen waren die Besitzer auch nicht in ihrer Vorliebe für ausgefallene Kultformen oder besondere Heilige eingeschränkt. So ließ etwa Graf Lamberg 1682 in der 108  Ingeborg Schemper-Sparholz, Die Stuckdekorationen im Schloss Schwarzenau, in: Kamptal-Studien, Bd. 3, hg. von. Friedrich Polleross (Gars am Kamp 1983) 79–95, hier 81–85, Abb. 8f. 109   Ingeborg Schemper-Sparholz–Ulrike Knall-Brskovsky, Schloßkapelle, in: Prinz Eugen (wie Anm. 49) 269f. 110   Edith und Wilhelm Wagesreither, Kleine Chronik von Schloß Rosenau (Rosenau 41989); Franz Matsche, Der Freskomaler Johann Jakob Zeiller (1708–1783) (Marburg/Lahn 1970) 143–152.



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Schlosskapelle Ottenstein ein Hochaltargemälde des Seligen Hugo von Lichtenfels, also eines Herrschaftsvorgängers, aufstellen. Gut nachvollziehen lässt sich die ausgeprägte Frömmigkeit von Joachim Enzmillner Graf von Windhag111, dessen zahlreiche Schlosskapellen mit vielfältigen Bildprogrammen 1673 in der „Topographia Windhagiana aucta“ dokumentiert wurden. Der Gegenreformationskommissär hat alle seine Schlosskapellen mit Kopien von Mariengnadenbildern versehen, z. B. das von Mariazell in Groß Poppen112 oder die Altöttinger Madonna in Groß Pertholz. Und bei seinem Hauptsitz Windhag in Oberösterreich ließ er aufgrund seiner Verehrung für den Hl. Franziskus eine Nachbildung der Portiuncula-Kapelle errichten. An deren Fassade war die „Histori/ oder Ursprung dieser Andacht abgemahlt“, darüber die Aufschrift „Porta Coeli“ sowie die „St. Francisci folgende Formal=Wort/ wie im Original, mit grossen Buchstaben geschrieben“ und darunter befand sich eine Information über den Ablass, den man hier gewinnen konnte (Abb. 13)113.

Kirchenmöbel und Paramente Abschließend sei noch auf Kirchenmöbel und liturgische Geräte hingewiesen, die durch Wappen, Ikonographie oder besonderen Gebrauch der adeligen Repräsentation dienen konnten, auch wenn hier seltener als bei den Altären solche Hinweise auf die Stifter zu finden sind. Ein besonders markantes Beispiel gibt es aber in der Pfarrkirche zu Mariä Himmelfahrt der liechtensteinischen Residenzstadt Feldsberg/Valtice114. Die dort vermutlich im frühen 18. Jahrhundert aufgestellte Kanzel zeigt auf ihrem Korb nicht wie sonst üblich ein Relief mit einer auf die Kirchenpatronin oder die Predigt Bezug nehmenden Darstellung, sondern das Wappen des Fürstenhauses, während die Statue von Johannes dem Täufer auf dem Schalldeckel vielleicht auf Fürst Johann Adam Andreas (1662–1712) als Stifter verweist (Abb. 14). In eine alte Tradition fügen sich Wappen und Inschriften als Hinweis auf adelige Stiftungen bei Kirchenglocken. Als der Kremser Glockengießer Mathias Prininger 1713 zwei Glocken für die oben genannte neue Pfarrkirche in Kirchberg am Walde lieferte, trug die größere die Aufschrift „Hanns Leopold Graf v. Kueffstein hat mich gießen lassen und diese Pfarrkirche erbauen lassen Ao 1713“ sowie das Wappen des Stifters. Die kleinere Glocke erhielt hingegen ein Art Votivinschrift „Maria Franzisca Graefin von Kuefstein geb. Graefin von Kollonitsch zur Erhaltung ihres Geschlechts Ao 1713“ und das Kollonitsch-Wappen115. In diesem Zusammenhang verdient auch ein vergoldeter Speisekelch Beachtung, der in Maria Laach verwahrt wird. An einer Seite der Cuppa befinden sich nämlich zwei Wappen mit der Inschrift: „HANS ·LVDWIG H͜ ERR KHVEFSTAI͜NER / FREIHERR ZV GREIILNNSTAN VNND / HERR ZV SPIZ AVFF ZÄSSING; MARIA   Siehe dazu auch Winkelbauer, Ständefreiheit (wie Anm. 7) 230.   Zu dieser Kapelle siehe Johannes Müllner, Die entweihte Heimat. Ein Stück Österreich, das nur wenige kennen (Allentsteig 1998) 88–91. 113  Hyacinth Marian OP, Topographia Windhagiana aucta. Das ist: Vermehrte aigentliche ‚Delineation’ oder ‚Contrafaitur, Perspectiv’, Auffzüg/ Grund- und Abriß auff unterschidliche ‚Prospecten’ und Form/ mit beygesetzter kurtzer historischer Beschreibung der Graf- und Herrschafften Windhaag/ Rosenburg am grossen Khamp und Wolfshofen/ wie auch Groß-Poppen/ Neuntzen/ Wurmbach/ Reichenau […] (Wien 1673) 7f. 114  Zur Kirche Petr Fidler, Die Maria Himmelfahrtskirche in Feldsberg, in: Liechtenstein (wie Anm. 6) 275–294. 115  Kuefstein, Familiengeschichte (wie Anm. 67) 4 44. 111 112

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Friedrich Polleroß Abb. 14: Kanzel mit Wappen der Fürsten von Liechtenstein, frühes 18. Jahrhundert; Valtice, Pfarrkirche (Foto: Institut für Kunstgeschichte der Universiät Wien).

FRAV KHVEF­STAINERIN FREIIN / GEBORN͜ E GRABNERIN VON ROSEN͜ PERG / VND PODENPRVN ·SEIN GEMAHL [1 6] 1 1“. Es handelt sich also um eine Stiftung des Patronatsherren Hans Ludwig von Kuefstein (1582–1656) und seiner Gattin Maria Grabner von Rosenburg (1589–1623). Der Kelch könnte aber ursprünglich als profaner Pokal 1607 ein Hochzeitsgeschenk gewesen und erst nachträglich zum Kirchenschatz gestiftet worden sein116. Dies scheint bei protestantischen Stiftern angesichts der Kommunion in beiderlei Gestalt besonders naheliegend. Doch spätere Beispiele vor allem aus dem katholischen Bereich sprechen eher gegen eine solche sakrale Nutzung weltlicher Trinkgefäße und für die Anschaffung von liturgischen Geräten durch die Herrschaftsinhaber. So gab das Ehepaar Kuefstein 1614 für die Schlosskapelle Buchberg ein Taufbecken aus Kalkstein in Auftrag, welches ebenfalls mit ihren Wappen verziert wurde 117. Außerdem existierte in der Schlosskapelle zu Ottenstein noch 1911 ein Kelch mit dem Allianzwappen Lamberg-Kuenburg und der Inschrift „IES(VS) M(A)R(I)A 1628“. Die Auftraggeber bzw. Stifter des Kelchs waren Hans Albrecht von Lamberg (1585–1650) und seine zweite Frau Maximiliana Barbara von Kuenburg, die auch ein Ziborium mit der Aufschrift „H(ANS) A(LBRECHT) F(REIHERR) V(ON) L(AMBERG) M(AXIMILIANA) B(ARBARA) F(REIIN) L(AMBERG) F(REIIN) V(ON) K(VENBVRG)“ für ihre Schlosskapelle in Auftrag gaben118.   Zajic, Inschriften (wie Anm. 20) 393f., Nr. 395.   Tietze, Krems (wie Anm. 80) 548f., Fig. 456. 118  Buberl, Zwettl (wie Anm. 38) 86. 116 117



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Wahrscheinlicher bzw. in Einzelfällen gesichert ist eine solche Sekundärverwendung allerdings bei liturgischen Textilien, da die besonders wertvollen Stoffe von Hochzeitsoder anderen Festkleidern häufiger zu Messgewändern verarbeitet wurden. Solche Kaseln oder ganze Ornate aus Kaseln, Dalmatiken, Pluviale, Antependium, Velum usw. wurden an die eigenen Patronatskirchen oder an andere bevorzugte Gotteshäuser gestiftet. Die schwarzen Prunkornate waren hingegen mit Erbbegräbnissen verbunden, wo sie der repräsentativen Auszeichnung der Trauer- oder Gedenkgottesdienste dienten. Die Tatsache, dass die meisten Paramente Allianzwappen aufweisen, lässt es naheliegend erscheinen, dass solche textilen Stiftungen von den Ehefrauen ausgingen. Dafür spricht nicht nur die Verwendung der weiblichen Hochzeitskleider, sondern auch die tatsächliche oder legendäre Mitwirkung der Stifterinnen an den Stickmustern der sakralen Gewänder. Gräfin Maria Franziska von Kuefstein beschenkte etwa ihre Patronatskirchen in Röhrenbach, Kirchberg am Walde sowie Hoheneich mit kunstvoll bestickten Paramenten. Im Inventar der letztgenannten Kirche findet man folgende Eintragung: „Den 8. Decb 1716 verehrten Ihr. Gnad. Frau Gräfin Maria Franzisca als regierende Frau der Herrschaft Kirchberg ein blaues reiches Meßgewand, worauf die Kuefstein und Kollonitschen Wappen, sammt Manique und später ein citronfarbenes mit einem genähten Strich von Kreuzl Naht“119. Ein bemerkenswerter Ornat der Stadtpfarrkirche Linz aus der Mitte des 18. Jahrhunderts zeigt nicht nur das Wappen des Grafen Otto Sigismund Hager von Allentsteig (1680–1750) und seiner Gattin Maria Beata Franziska Gräfin Katzianer von Katzenstein (1690–1759), sondern auch ein Porträt der Stifterin, wohl in Witwentracht, auf dem Antependium120. Die Wiener Michaelerkirche besitzt zwei vollständige Ornate der Zeit um 1700 mit den Wappen des Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach (1637–1706) und seiner Gattin Johanna Theresia Gräfin von Lamberg (1639–1716). Ein schwarzer Samtornat mit dem Wappen des Fürsten Leopold Donat von Trautson (1659–1724) und seiner Gattin Maria Theresia Antonia Ungnad von Weißenwolff (1678–1741) erinnert hingegen an dieses Ehepaar, das 1694 in der Michaelerkirche getraut und später dort auch bestattet wurde121. Aus schwarzem Samt mit Goldstickerei besteht auch der Ornat, der um 1750/60 von den Erben des Prinzen Eugen für dessen Gedenkmessen in St. Stephan gestiftet worden ist122. Diesen bekannten Stücken sei eine bisher unbeachtete Wappenkasel zur Seite gestellt, die sich heute in der Pfarrkirche in Rastenfeld befindet. Es handelt sich um eine prachtvolle Textilie vermutlich aus der Zeit um 1710 oder 1720 mit Rosen in naturalistischer Nadelmalerei und Silberstickerei auf gelbem Seidenrips123 (Abb. 15). Das Allianzwappen verbindet unter der Grafenkrone das heraldische Kennzeichen der Familie Lamberg mit jenem der Familie Waldburg-Wolfegg-Waldsee und verweist damit auf Karl Joseph Graf von Lamberg-Sprinzenstein und seine Gattin Maria Franziska Katharina Gräfin von Waldburg-Zeil-Wurzach (1683–1737), die seit 1706 vermählt und Patronatsinhaber von Rastenfeld waren. Dennoch ist nicht eindeutig gesichert, ob die Kasel an diese Pfarre   Kuefstein, Familiengeschichte (wie Anm. 67) 4 45.   Dora Heinz, Der Paramentenschatz der Stadtpfarrkirche in Linz (Wien–München 1962) 56–58, Nr. 38. 121   Dora Heinz, Der Paramentenschatz, in: St. Michael (wie Anm. 45) 222f., Kat.-Nr. 118, 120, 123. 122  Prinz Eugen (wie Anm. 49) Kat.-Nr. 10.16, FB 67f. 123   Solche bunten Seidenstickereien mit naturalistischem Blumendekor treten in Österreich seit dem späten 17. Jahrhundert auf: Dora Heinz, Meisterwerke barocker Textilkunst. Ausstellungskatalog Gobelsburg (Wien 1972) 9f. 119 120

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Abb. 15: Kasel mit Allianzwappen Lamberg und Waldburg-Zeil, um 1710–1720; Rastenfeld, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß).

geschenkt wurde124, ob sie erst 1938 aus der damals aufgehobenen lambergischen Patronatspfarrkirche in Döllersheim hierhergekommen ist125, oder ob sie aus der ebenfalls 1938 aufgehobenen Schlosskapelle in Ottenstein stammt. Dort gab es nämlich 1911 nicht nur eine Kasel mit dem Allianzwappen Lamberg-Questenberg aus der Zeit um 1660 und eine andere mit dem Doppelwappen Lamberg-Metsch um 1730, sondern auch vier Kaseln mit dem Allianzwappen Lamberg-Zeil aus der Zeit um 1720126. Und ein ähnlich wertvolles Stück wie in Rastenfeld, allerdings mit vorwiegend Bandlwerkstickerei auf weißer Seide, schenkte die Gräfin Lamberg um 1730 der Schlosskapelle ihres Heimatortes Wurzach in Schwaben127. Aus Mangel an Grundlagenforschung konnten bei diesem Überblick lediglich einige wesentliche Aspekte angesprochen werden. Die hier vorgestellte Bandbreite der adeligen Repräsentation im sakralen Kontext vermittelt aber wohl doch einen guten Eindruck von der Bedeutung und den vielfältigen Erscheinungsformen des Phänomens und regt hoffentlich zu weiterer Forschung an.

124  Während die Zwettler Kunsttopographie bei Döllersheim keine Paramente nennt, dürfte die Beschreibung einer Rastenberger Kasel in der Kremser Kunsttopographie auf dieses Stück zu beziehen sein: „Kasula. Aus gelber Seide, mit gestickten Blumen, die teils bunt, teils aus Silber sind; mit dem gestickten LambergSprinzensteinschen Wappen, Ende des XVIII. Jhs.“: Tietze, Krems (wie Anm. 80) 351. 125   Müllner, Heimat (wie Anm. 112) 197. Zwei weitere, heute in Rastenfeld befindliche Kaseln vermutlich aus dem 19. Jahrhundert zeigen die Wappen Lamberg und Hoyos. 126  Buberl, Zwettl (wie Anm. 38) 86. 127  Dieter Büchner, Ornamenta ecclesiae. Zur Bewahrung von Kirchenausstattungen aus der Sicht der Denkmalpflege. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 32/1 (2003) 113–120, hier 119 , Abb. 10.

Formen der Spätkonfessionalisierung im Ungarn des 18. Jahrhunderts Von András Forgó

In seinem Beitrag über Konfessionalisierung und Sozialdisziplinierung in den österreichischen und böhmischen Ländern stellt Thomas Winkelbauer fest, dass die Territorialherrschaft während des 16. und 17. Jahrhunderts die lokalen Verhältnisse weitgehend bestimmen konnte. Dagegen begrenzte die stärker ausgebaute staatliche Administration im 18. Jahrhundert mehr und mehr die Möglichkeiten der Grundbesitzer, disziplinierend auf ihre Untertanen einzuwirken1. Im Folgenden versuche ich einerseits der Frage nachzugehen, inwieweit die Grundherren im ehemaligen Königreich Ungarn im Laufe des 18. Jahrhunderts die konfessionellen Verhältnisse beeinflussen bzw. in welchem Maße die zentrale Administration den ansässigen Adel hinsichtlich seiner Position in konfessionellen Fragen in die Schranken weisen konnte. Andererseits gehe ich darauf ein, welche Rolle der hohe Klerus in der konfessionellen Politik des Jahrhunderts spielte, inwiefern die Diözesanbischöfe die Veränderung der konfessionellen Verhältnisse nach dem Ende der osmanischen Herrschaft zugunsten des Katholizismus ausnutzen konnten2. Meine Ausführungen beschränken sich dabei auf das Gebiet des Königreichs Ungarn im 18. Jahrhundert; die übrigen Länder der Ungarischen Krone mit dem Fürstentum (später Großfürstentum) Siebenbürgen, wo eine abweichende Konfessionspolitik verfolgt wurde, werden in der Analyse nicht berücksichtigt3. Im Zentrum steht dabei die Politik gegenüber den beiden anerkannten protestantischen Konfessionen, den Calvinisten und den Lutheranern, während das eindeutig andere Vorgehen gegenüber den (griechisch-) orthodoxen Christen hier nicht behandelt werden kann4. Obwohl Klerus und Gläubige unter „katholischer Expansion“ im 18. Jahrhundert in erster Linie die Wiederherstellung 1  Thomas Winkelbauer, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung durch Grundherren in den österreichischen und böhmischen Ländern im 16. und 17. Jahrhundert. ZHF 19 (1992) 317–339. 2  Dieser Beitrag ist eine für das deutschsprachige Publikum überarbeitete Fassung von András Forgó, A kései konfesszionalizáció magyarországi jellegzetességeiről [Über die Eigenschaften der Spätkonfessionalisierung in Ungarn]. Korall 57 (2014) 92–109. 3   Zu Siebenbürgen: Kirche – Staat – Nation. Eine Geschichte der katholischen Kirche Siebenbürgens vom Mittelalter bis zum frühen 20. Jahrhundert, hg. von Joachim Bahlcke–Krista Zach (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas 98, München 2007). Das Königreich KroatienSlawonien-Dalmatien und das Temescher Banat, das bis 1778 von der ständischen Verwaltung des Königreichs Ungarn ausgeklammert wurde, werden hier nicht behandelt. 4   Mit einem Aspekt dieser Frage habe ich mich früher beschäftigt, András Forgó, Der Weg der Bischöfe des byzantinischen Ritus zur politischen Gleichberechtigung im Königreich Ungarn. Folia Athanasiana 11 (2009) 111–122.

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der Infrastruktur und des Personals ihrer Kirche verstanden, bilden die Konflikte mit den protestantischen Gemeinden ein Feld, auf dem Motive und Ziele der Akteure gut zu beobachten sind, so dass auf diese Weise zentrale Punkte der Spätkonfessionalisierung rekonstruiert werden können. Die in Folge der Vertreibung der Osmanen aus dem Gebiet des mittelalterlichen Königreichs Ungarn in den Jahren zwischen 1683 und 1699 (bzw. 1718) entstandenen neuen kirchenpolitischen Gegebenheiten können dabei gut mit der These von einer „Spätkonfessionalisierung“ in Einklang gebracht werden. Selbst Wolfgang Reinhard betonte in seiner Antwort auf kritische Einwendungen bezüglich des KonfessionalisierungsParadigmas, dass dessen zeitlichen Grenzen in verschiedenen Gebieten Europas, z. B. in der Habsburgermonarchie, weit über das 17. Jahrhundert hinausreichen. In Folge der politischen Verhältnisse prägte sich in diesen Gebieten ein konfessionelles Modell aus, das sich von den Konstellationen im Heiligen Römischen Reich in vieler Hinsicht unterschied5. Ein wichtiges Kennzeichen dieses Modells war bekanntlich die Tatsache, dass die konfessionellen Regelungen des Westfälischen Friedens in den österreichischen und böhmischen Erblanden keine Gültigkeit hatten, noch weniger in den Ländern der Ungarischen Krone, die nicht zum Heiligen Römischen Reich gehörten6. Hier beeinflussten die im 16. und 17. Jahrhundert ausgehandelten konfessionellen Kompromisse auch weiterhin Erscheinungsformen der Konfessionalisierung7. Die ungarische Forschung der letzten Jahrzehnte konnte aufgrund der Anwendung und kritischen Hinterfragung des Konfessionalisierungs-Paradigmas wichtige Ergebnisse erzielen. Mithilfe dieser Beiträge wurden die konfessionell belasteten, oft einseitigen Darstellungen der früheren Historiographie in mehrfacher Hinsicht korrigiert. Die analysierten Fallbeispiele zeigten nicht zuletzt die differenzierten Reaktionen der verschiedenen Konfessionen auf die Herausforderungen der Zeit und stellten heraus, wie eng die konfessionelle Frage mit den politischen und gesellschaftlichen Konflikten des Zeitalters verknüpft war8. 5   Wolfgang Reinhard, „Konfessionalisierung” auf dem Prüfstand, in: Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, hg. von Joachim Bahlcke–Arno Strohmeyer (Forschungen zu Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 9, Stuttgart 1999) 79–88. 6  Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (Österreichische Geschichte 1522–1699, Wien 2003) 2 55–63; Heinz Schilling, Die Konfessionalisierung Europas – Ihre Ursachen und die Folgen für Kirche, Staat, Gesellschaft und Kultur, in: 1648 – Krieg und Frieden in Europa, hg. von Klaus Bussmann–Heinz Schilling, Bd. 1: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft (Münster 1998) 219–228. 7   Zu dieser Frage allgemein Ute Lotz-Heumann, Confessionalization, in: Reformation and Early Modern Europe. A Guide to Research, hg. von David M. Whitford (Sixteenth century essays & studies 79, Kirksville 2008) 136–157. 8  Um die wichtigsten Publikationen zu nennen: Antal Molnár, Mezőváros és katolicizmus. Katolikus egyház az egri püspökség hódoltsági területein a 17. században [Marktflecken und Katholizismus. Die katholische Kirche in den von den Osmanen eroberten Territorien der Diözese Erlau] (METEM Könyvek 49, Budapest 2005); Péter Tusor, Felekezetszerveződés a kora újkorban [Konfessionalisierung in der Frühen Neuzeit]. Vigília 73 (2008) 12–18; Gábor Kármán, A konfesszionalizáció hasznáról és káráról. Egy paradigma margójára [Über Nutzen und Schaden der Konfessionalisierung. Randbemerkungen zu einem Paradigma], in: Felekezeti társadalom – felekezeti műveltség [Konfessionelle Gesellschaft – konfessionelle Bildung], hg. von Anikó Lukács (Rendi társadalom – polgári társadalom 25, Budapest 2013) 27–40; Béla Vilmos Mihalik, „Campus ad fidei catholicae inseminationem”. Katolikus megújulás az egri egyházmegyében a 17. század utolsó harmadában [Katholische Erneuerung in der Diözese Erlau im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts] (Diss. Budapest 2013), http://doktori.btk.elte.hu/hist/mihalikbelavilmos/diss.pdf [Zugriff: 20. 1. 2016]; István Fazekas, A reform út-



Formen der Spätkonfessionalisierung im Ungarn des 18. Jahrhunderts 275

Mithilfe der folgenden Beispiele möchte ich die These stützen, dass das 18. Jahrhundert im Königreich Ungarn fast in seiner ganzen Länge als eine Periode der Spätkonfessionalisierung bezeichnet werden kann. Wie bekannt, öffnete auch hier das Toleranzpatent Josephs II. im Jahr 1781 den beiden rechtlich anerkannten protestantischen Konfessionen den Weg zur politischen Gleichberechtigung, aber diese Grenze des „konfessionellen Zeitalters“ kann nur unter Vorbehalt gelten: Einerseits versuchten der Klerus und die katholischen Beamten die Realisierung der Zugeständnisse, die der protestantischen Bevölkerung mit dem Edikt gemacht worden waren, zu verhindern; andererseits wurde der Status des Katholizismus als Staatsreligion keineswegs angetastet. Anders als die späteren Edikte stellte das Patent keinen völligen Bruch dar; so wurde etwa im Text weiter zwischen öffentlicher und privater Religionsausübung ein eindeutiger Unterschied gemacht. Dies hat Wolfgang Reinhard treffend formuliert: „selbst die Toleranz Josephs II. blieb ‚Toleranz‘ im frühen Verständnis, d. h. bloße Duldung der Andersgläubigen, die am katholischen Charakter des Habsburger-Staates nichts ändern sollte, der denn auch bis Mitte des 19. Jahrhunderts bestehen blieb“9.

Die Zisterzienserabtei Zirc als Handlungsfeld der Spätkonfessionalisierung Die Geschichte der ungarischen Zisterzienserabteien gehört zu den gut aufgearbeiteten Kapiteln der ungarischen Geschichte des 18. Jahrhunderts. Der renommierte Ordenshistoriker Remig Békefi (1858–1924, seit 1911 Abt von Zirc) und seine Nachfolger veröffentlichten zahlreiche Monographien sowie Quelleneditionen zu den ungarischen Ordenshäusern. Auch unter den zeitgenössischen Historikerinnen und Historikern lässt das Interesse für die Geschichte des Ordens nicht nach10. Da die Abtei Zirc im 18. Jahrhundert dem schlesischen Zisterzienserkloster Heinrichau/Henryków unterstand, fand die Geschichte des ungarischen Konvents auch in der schlesischen Geschichtsforschung ihren Niederschlag11. Die Abtei Zirc und die übrigen, nach dem Ende osmanischer Herrschaft neu- oder wiederbegründeten Ordenshäuser der Zisterzienser hatten eine besondere Stellung im ján. A katolikus megújulás Nyugat-Magyarországon [Auf dem Weg der Reform. Die katholische Erneuerung in Westungarn] (A Győri Egyházmegyei Levéltár Kiadványai. Források, feldolgozások 20, Győr 2014) sowie die Beiträge der thematischen Ausgabe „Konfessionalizáció: felekezetiség és politikum a kora újkorban [Konfessionalisierung: Konfessionalität und Politikum in der Frühen Neuzeit]. Korall 57 (2014). 9  Reinhard, Konfessionalisierung (wie Anm. 5) 82; Zur Entstehung und Aufnahme des Toleranzpatents Elemér Mályusz, A türelmi rendelet. II. József és a magyar protestantizmus [Das Toleranzpatent. Joseph II. und der ungarische Protestantismus] (A magyar protestantizmus történetének forrásai, Budapest 1939) sowie Iratok a türelmi rendelet történetéhez [Quellen zur Geschichte des Toleranzpatents], hg. von Elemér Mályusz (A magyar protestantizmus történetének forrásai, Budapest 1940). 10  Eine Auswahl der wichtigsten Publikationen: Lucián Alpár, A zirci apátság függetlenítésének kérdése [Die Frage der Unabhängigkeit der Abtei Zirc] (Budapest 1942); Remig Békefi, A pásztói apátság története 1702–1814 [Geschichte der Abtei Pásztó] (A zirci, pilisi, pásztói és szent-gotthárdi apátságok története 4, Budapest 1902); Ders., A pilisi apátság története 1541–1814 [Geschichte der Abtei Pilis] (A zirci, pilisi, pásztói és szent-gotthárdi apátságok története 2, Pécs 1892); Ferenc Levente Hervay, Repertorium historicum ordinis cisterciensis in Hungaria (Bibliotheca cisterciensis 7, Rom 1984); Benjámin Rajeczky, A pásztói apátság az újkorban [Die Abtei Pásztó in der Neuzeit] (Tanulmányok Pásztó történetéből 2, Pásztó 1991); A ciszterci rend Magyarországon és Közép-Európában [Der Zisterzienserorden in Ungarn und Mitteleuropa], hg. von Barnabás Guitman (Rendtörténeti konferenciák 5, Budapest 2009). 11  Heinrich Grüger, Heinrichau. Die Geschichte eines schlesischen Zisterzienserklosters 1227–1977 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 16, Köln–Wien 1978); sowie die Beiträge der thematischen Ausgabe der Analecta Cisterciensia 38 (1982).

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Königreich Ungarn. In Folge der größtenteils erfolgreichen Rückerwerbung ihrer mittelalterlichen Grundstücke verfügten sie über ein beachtliches Ausmaß an Landbesitz, und sie waren auch politisch aktiv12. Sie gehörten aber keineswegs zu den bedeutenden Institutionen der katholischen Kirche des Königreichs. Einerseits waren nämlich die monastischen Traditionen mit den Zielsetzungen des Konzils von Trient schwer in Einklang zu bringen. Obwohl die Zisterzienser im 18. Jahrhundert bereits Pfarreien und Schulen unterhielten, war ihre Wirkung mit derjenigen der Bettelorden und der nachtridentinischen Ordensgemeinschaften, etwa mit den Jesuiten oder mit den Piaristen, nicht zu vergleichen. Andererseits verursachten die aus dem Mittelalter stammenden Exemtionen des Ordens dauerhafte Konflikte mit den Diözesanbischöfen, die – ebenfalls auf die Regelungen des Konzils gestützt – ihr Aufsichtsrecht auch über die klösterlichen Einrichtungen auszuüben versuchten13. Ein weiteres Hindernis für die Integration ins katholische Kirchensystem des 18. Jahrhunderts bildete die „ausländische“ Zugehörigkeit der ungarischen Ordenshäuser der Zisterzienser. Mit vielen anderen ehemaligen klösterlichen Landgütern fielen im Laufe der Zeit auch die Besitzungen der während der Osmanenherrschaft aufgelösten Zisterzienserabteien Marienberg/Borsmonostor, Pásztó, Pilis, Sankt Gotthard/Szentgotthárd und Zirc an niederösterreichische, mährische und schlesische Mutterabteien. Obwohl Schenkungsurkunden die Wiederherstellung des Ordenslebens und die Wiedererrichtung der verlassenen Klöster und Kirchen vorschrieben, verfügten die meisten ungarischen Filialklöster lediglich über wenige Ordensmänner. Zirc war die einzige Abtei, in der ein vollzähliger Konvent mit zwölf Mitgliedern errichtet werden konnte14. Das zwölfte Mitglied, Martin (Márton) Faust, war sogar in Ungarn geboren worden, so dass die Abtei mit ihm über einen einheimischen Konventualen verfügte, während die übrigen ungarischen Abteien ausschließlich Mitglieder hatten, die nicht aus Ungarn stammten und abgesehen von wenigen Ausnahmen auch kein Ungarisch sprachen. Diese Tatsache und die bereits erwähnte geringe Zahl der Ordensmänner speiste das Vorurteil der kirchlichen und oft auch der weltlichen Behörden, dass die ungarischen Filialklöster der „ausländischen“ Mutterabteien lediglich Einkünfte aus dem Landbesitz beziehen und nicht an der Wiederherstellung des klösterlichen Lebens und an der Seelsorge der Bevölkerung arbeiten wollten15. 12   Klára Dóka, Egyházi birtokok Magyarországon a 18–19. században [Kirchliche Landgüter im Ungarn des 18.–19. Jahrhunderts] (METEM Könyvek 19, Budapest 1997); András Forgó, Az egyházi rend a szatmári megegyezés utáni országos politikában [Der geistliche Stand in der Landespolitik nach dem Abkommen von Szatmár], in: Az 1712. évi pozsonyi diéta egy ciszterci szerzetes szemével [Der Landtag 1712 von Preßburg in der Perspektive eines Zisterzienserpaters], hg. von Dems. (Fontes ex Archivo Sancti Martini editi 1/A Veszprém Megyei Levéltár Kiadványai 32, Pannonhalma–Veszprém 2013) 7–63. 13   Über das widersprüchliche Verhältnis des Konzils von Trient zum geistlichen Ordenswesen siehe Derek Beales, Prosperity and Plunder. European Monasteries in the Age of Revolution 1650–1815 (Cambridge 2003) 29–34. 14  Grüger, Heinrichau (wie Anm. 11) 208. 15   In der „Abtei” Telki bei Ofen/Buda, die sich im Besitz des Wiener Schottenstiftes befand, wirkten im 18. Jahrhundert jeweils lediglich ein bis zwei Benediktiner; Eugen Bonomi, Die ungarische Abtei Telki unter den Wiener Schotten (1702–1881). Deutsche und ungarische Bauern bei Benediktinern (Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks, Reihe B 35, München 1977) 97–101. Allgemein Egyed Hermann, A katolikus egyház története Magyarországon 1914-ig [Geschichte der katholischen Kirche in Ungarn bis 1914] (Dissertationes Hungaricae ex Historia Ecclesiae 1, München 1973) 315–322; Gabriel Adriányi, Geschichte der katholischen Kirche in Ungarn (Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte 26, Köln–Weimar–Wien 2004) 153–157.



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So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Tätigkeit der Zisterzienser der Abtei Zirc nicht ohne Konflikte mit dem zuständigen Diözesanbischof von Wesprim/Veszprém verlief. Seit 1744 hatte einer der kampflustigsten Prälaten der katholischen Kirche Ungarns, Martin (Márton) Padányi Biró († 1762), das Bischofsamt inne. Er stand in seiner ganzen Amtszeit in einem konfliktreichen Verhältnis zu den Ordensgemeinschaften, die auf dem Gebiet seiner Diözese ansässig waren. Wegen des Priestermangels war er nämlich auf die Tätigkeit der Ordensmänner in Seelsorge und Schulunterricht angewiesen, in jurisdiktionellen und ökonomischen Fragen entwickelten sich dagegen ständig Konflikte. Den wahren Feind sah er aber in der protestantischen Bevölkerung seiner Diözese; schon als Kanoniker bemühte er sich um die Abschaffung öffentlicher Religionsausübung für Lutheraner und Calvinisten, und als Diözesanbischof setzte er diese Bestrebungen mit großer Energie fort. Seine berüchtigte lateinische Schrift „Enchiridion de fide“ (1750) gegen den Protestantismus erregte sogar unter europäischen protestantischen Mächten heftige Proteste, sodass Maria Theresia das Werk verbieten musste16. Die Bemühungen des Diözesanbischofs um ein Verbot protestantischer Religionsausübung wurden von den Zisterziensern von Zirc unterstützt, die in den Dörfern ihrer Landgüter bemüht waren, den Katholizismus zu stärken. Das Komitat Wesprim, wo diese Dörfer lagen, war seit dem 16. und 17. Jahrhundert überwiegend calvinistisch, und in Folge der osmanischen Eroberung hatte sich das katholische Kirchensystem größtenteils aufgelöst. Die Diözesanbischöfe residierten seit 1530 im sicherer gelegenen Schimeck/ Sümeg, Wesprim wurde von den osmanischen Truppen mehrmals besetzt. Auch das mittelalterliche Ordenswesen verschwand im Laufe des 16. Jahrhunderts fast gänzlich17. Nachdem die Mutterabtei Heinrichau 1699 die Zircer Güter vom Zisterzienserkloster Lilienfeld angekauft hatte – zunächst versuchte nämlich Lilienfeld, die Abtei Zirc neu zu gründen, allerdings ohne Erfolg –, begannen die schlesischen Mönche mit der Ansiedlung einer deutschsprachigen katholischen Bevölkerung, um für Arbeitskräfte zu sorgen und die konfessionellen Verhältnisse zugunsten des Katholizismus zu verändern. Somit entstanden gemischtkonfessionelle Siedlungen, in denen die einheimischen Reformierten nach alter Gewohnheit über Institutionen wie Kirchen und ansässige Seelsorger verfügten, die katholischen Ansiedler jedoch durch die vom Diözesanbischof oder von der Abtei Zirc geschickten Geistlichen betreut wurden18. Eine von diesen Siedlungen war das Dorf Polány, das nach der Ansiedlung deutschsprachiger Bauern aus dem Dorfteil „Deutsch-Polány“ und „Ungarisch-Polány“ (Magyarpolány – so heißt das Dorf noch heute) bestand. Die Stellung der Siedlung war sowohl hinsichtlich der kirchlichen wie auch der weltlichen Administration umstritten, was für 16  József Pehm [Mindszenty], Padányi Biró Márton veszprémi püspök élete és kora [Leben und Zeit Martins Padányi Biró, Bischof von Wesprim] (A veszprémi egyházmegye múltjából 2, Zalaegerszeg 1934) 241; Joachim Bahlcke, Ungarischer Episkopat und österreichsiche Monarchie. Von einer Partnerschaft zur Konfrontation 1686–1790 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Europa 23, Stuttgart 2005) 225–242. 17   József Hungler, A török kori Veszprém [Wesprim in der Türkenzeit] (A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 4, Veszprém 1986). 18  András Forgó, Ansiedlungspolitik und konfessionelle Konflikte auf den Landgütern der geistlichen Orden in Ungarn (am Beispiel der Tätigkeit der Zisterzienser und der Pauliner), in: Kirchen als Integrationsfaktor für die Migranten im Südosten der Habsburgermonarchie im 18. Jahrhundert, hg. von Rainer Bendel– Norbert Spannenberger (Kirche und Gesellschaft im Karpaten-Donauraum 1, Münster 2010) 81–98. Im Folgenden werden die im zitierten Beitrag stehenden Angaben bezüglich der Abtei Zirc in mehreren Punkten präzisiert.

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lange Zeit auch das Fortbestehen einer protestantischen Gemeinde erleichterte. Polány hatte vor der osmanischen Eroberung zum Besitz der unweit von Zirc entfernten Benediktinerabtei Bakonybél gehört; infolge der Kriegswirren wurde es aber bereits seit 1563 als eine ehemalige Siedlung der Abtei Zirc an weltliche Besitzer vergeben. Später gelangte das Dorf mit den alten Zisterziensergütern im Komitat Wesprim erst in den Besitz von Lilienfeld, später von Heinrichau. Aber auch die kirchliche Zugehörigkeit des Dorfes war nicht eindeutig: In einem Visitationsprotokoll der Nachbardiözese Raab/Győr aus dem Jahr 1698 erscheint Polány als eine ehemalige Pfarrei des Erzdekanats Pápa, also dem Bistum Raab zugehörig, während das Visitationsprotokoll Bischof Padányi Birós aus dem Jahr 1747 das Dorf zur Diözese Wesprim rechnet. Hinter dieser Änderung standen die Bemühungen Bischofs Padányi Biró, die in der Zeit der osmanischen Eroberung an Raab verlorenen Pfarreien der Diözese Wesprim zurückzugewinnen. Da die Abtei Zirc in Polány die Pfarrei für lange Zeit nicht wiedererrichtete, wurden die katholischen Dorfbewohner von den Nachbardörfern seelsorgerisch betreut19. Dieser Zustand währte über ein halbes Jahrhundert, bis die Kirche der Reformierten in den Abendstunden des 7. Juli 1757 durch ein Gewitter schwer beschädigt wurde. Die Abtei als Besitzerin lehnte die Renovierung ab, weshalb die reformierte Gemeinde sich an das Komitat Wesprim und später an den Königlich-Ungarischen Statthaltereirat wandte. Dort wurde eine Inspektion verordnet, welche die Umstände der öffentlichen Religionsausübung der Gemeinde betraf20. Nach den Zeugenaussagen ergab sich, dass die Gemeinde „seit Menschengedenken“ dem reformierten Bekenntnis angehörte und die Kirche benutzte, sie galt also nicht als ursprünglich katholisch. Die Zeugen behaupteten außerdem, dass „Deutsch-Polány“ und „Ungarisch-Polány“ zwei verschiedene Siedlungen gewesen waren21. Andere Quellen belegen auch, dass das protestantische Gotteshaus erst in den 1650er Jahren erbaut worden war und dass die aus dem Mittelalter stammende ehemalige katholische Pfarrkirche an einem anderen Ort gelegen hatte22. Der Prior der Abtei Zirc, der aus Schlesien stammende Peter Schneider (1703–1770), konnte hingegen ohne größere Schwierigkeit beweisen, dass es sich im Fall von Polány lediglich um eine gemeinsame Siedlung handelte, in der die Zahl der katholischen Bevölkerung weit höher lag als die der reformierten Bewohner23. Die reformierte Gemeinde in Polány konnte deshalb auf keine Unterstützung von Seiten der Komitatsbehörden hoffen, da der „ewige Obergespan“, also der Vorsteher des Komitats, seit dem Hochmittelalter traditionsgemäß der Diözesanbischof von Wesprim war, in diesem Fall also Bischof Padányi Biró selbst. Er ließ den reformierten Prediger 19  Pongrác Sörös, A bakonybéli apátság története. A Pannonhalmától való függés kora 1548-tól napjainkig [Geschichte der Abtei Bakonybél. Die Zeit der Abhängigkeit von Pannonhalma von 1548 bis heute] (A Pannonhalmi Szent-Benedek-Rend története 9, Budapest 1904) 10; István Hermann, A veszprémi egyházmegye igazgatása a 18. században (1700–1777) [Die Verwaltung der Diözese Wesprim im 18. Jahrhundert] (A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 37/A veszprémi egyházmegye múltjából 28, Veszprém 2015) 33f. 20   MNL VeML, XII.2.a.: Archiv der Zisterzienserabtei Zirc-Pilis-Pásztó und Sankt Gotthard (Archivum Vetus), B 2/a: Historia Domenstica Monasterii Zirciensis, liber I, 1700–1854, Nr. 211f. 21   MNL VeML, XII.2.a., C 437b, 438a–b. 22  A veszprémi egyházmegye legrégibb egyházlátogatásai (1554–1760) [Die ältesten Visitationen der Diözese Wesprim], hg. von János Pfeiffer (A veszprémi egyházmegye múltjából 10, Veszprém 1947) 136; Kornél Bakay–Nándor Kalicz–Károly Sági, Veszprém megye régészeti topográfiája. A devecseri és sümegi járás [Die Topographie des Komitats Wesprim. Die Kreise Devecser und Schimeck] (Magyarország régészeti topográfiája 3, Budapest 1970) 146. 23  MNL VeML, XII.2.a., C 438c.



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noch vor dem Abschluss der Untersuchung aus dem Dorf ausweisen und erreichte später auch das Verbot einer Renovierung des Gotteshauses. Dies wurde durch einen Befehl des Statthaltereirates vom Oktober 1760 bestätigt, der außerdem die Errichtung einer katholischen Kirche anordnete. Das Verbot reformierten Gottesdienstes musste aber im März nächsten Jahres wiederholt werden, was schon andeutet, dass die Religionsausübung der Gemeinde nicht gleich unterbunden werden konnte24. Bis zu diesem Punkt arbeiteten also Diözesanbischof und Zisterzienserprior zusammen, um die reformierte Gemeinde in Polány aufzulösen. Der nächste Schritt war – entsprechend der Anordnung des Statthaltereirates – die Errichtung einer katholischen Pfarrei samt Pfarrkirche. Der Prior ernannte einen Dorfpfarrer, der im ehemaligen Predigerhaus eine Kapelle einrichtete und den Kirchenbau mit der Unterstützung der Abtei vorbereitete. Gleichzeitig ernannte aber auch Bischof Padányi Biró einen Pfarrer in Polány, den sein Generalvikar im Dorf zu präsentieren suchte, was aber in Folge des Eingreifens des Administrators der Abtei scheiterte. Es begann ein reger Schriftwechsel zwischen dem Bischof und dem Prior, in dem beide die Ernennung eines Pfarrers für sich beanspruchten: Martin Padányi Biró betonte seine bischöfliche Jurisdiktion, während Peter Schneider sich auf die Besitzrechte der Abtei und die Exemtion des Zisterzienserordens berief25. Die Auseinandersetzung endete schließlich mit einem Sieg der Abtei: 1769 wurde der Chor, 1773 die ganze Kirche erbaut; den Pfarrer bestellte auch weiterhin die Abtei. Aber auch die reformierte Gemeinde verschwand nicht gänzlich: Laut einer Konskriptionsliste aus dem Jahr 1775 waren ungefähr zehn Prozent der Dorfbevölkerung immer noch calvinistisch. Der Prior musste auch später noch den Statthaltereirat darum bitten, die öffentliche Religionsausübung der Reformierten zu verbieten26. Aber nicht nur im Dorf Polány versuchten die Zisterzienser von Zirc, die konfessionellen Verhältnisse zugunsten des Katholizismus zu verändern. Im unweit gelegenen Sóly war die reformierte Gemeinde ähnlichen Angriffen ausgesetzt. Wie im behandelten Fall entwickelte sich der Konflikt auch hier aus einem unscheinbaren Zwischenfall: Anfang 1749 wurden die Dorfbewohner bei einem nicht genehmigten Holzschlag im Wald der Abtei ertappt. Aus dem darauffolgenden Prozess ergab sich, dass sie das Holz für den Bau eines reformierten Predigerhauses verwenden wollten27. Einige Monate später bat die Gemeinde den Prior, ihren Prediger zu entlassen und einen neuen zu bestellen. Nach der Entlassung wurde ihnen allerdings die Bestellung eines neuen Geistlichen verboten, lediglich dem Schulmeister erlaubten die Zisterzienser, die Gottesdienste in der Kirche zu leiten, aber die Ausübung anderer kirchlicher Handlungen wurde auch ihm untersagt. Die Protestanten wurden aufgefordert, sich bei diesen Anlässen an den katholischen Pfarrer des Nachbardorfes zu wenden. Diese Entscheidung des Priors wurde von den Komitatsbehörden bestätigt28. Auch dieser Prozess gelangte an den Königlich-ungarischen Statthaltereirat, und auch diesmal endete die Geschichte mit einem Verbot der Tätigkeit des protestantischen Predigers, aber anders als in Polány blieb die Kirche im Besitz der reformierten Gemeinde. Erst 1787, also mehrere Jahre nach dem Erlass des Toleranzpatents Josephs II., wurde der protestantischen Bevölkerung genehmigt, einen Geistlichen zu be    26  27  28  24 25

MNL VeML, XII.2.a, C 437c; C 493a–f. MNL VeML, XII.2.a, B 2/a Nr. 242–245. MNL VeML, XII.2.a, B 2/a Nr. 310, 326, C 557, 829. MNL VeML, XII.2.a, C 356. MNL VeML, XII.2.a, B 2/a Nr. 154.

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rufen, aber Unterhaltszahlungen wurden seitens der Abtei noch über Jahre verhindert29. Aber auch Bischof Padányi Biró trat zu dieser Zeit nicht nur im Dorf Polány gegen die protestantische Bevölkerung auf: In der weiter südlich gelegenen Siedlung Csicsó (heute Balatoncsicsó) bemühte er sich um eine Beendigung protestantischer Religionsausübung, indem er im März 1753 der reformierten Bevölkerung verbot, ihre Kirche weiter zu benutzen. Nachdem die hier ansässigen Pächter sich weigerten, den Befehl zu befolgen, wurden ihre Güter anderweitig vergeben. Aus der darauffolgenden Untersuchung des Statthaltereirates ergab sich, dass das Bistum infolge günstiger Pachtverträge den Gewinn aus den fraglichen Landgütern vergrößern konnte. Auf diese Weise gelang es dem Bischof, gleichzeitig die protestantischen Einwohner loszuwerden und für das Bistum lukrativere Pachtverträge zu schließen30.

Weitere Erscheinungsformen der Spätkonfessionalisierung im Königreich Ungarn Auch auf dem Gebiet anderer Diözesen finden wir ähnliche Fälle wie in Wesprim. Im Folgenden möchte ich zwei Beispiele aus den Bistümern Erlau/Eger und Fünfkirchen/ Pécs näher erläutern. Im Dorf Sarud im Komitat Heves begegnen wir einem ähnlichen Fall wie in Polány. Dort führte nicht eine beschädigte Kirche, sondern ein einsturzgefährdeter Glockenstuhl zur Konfrontation des Diözesanbischofs mit der reformierten Gemeinde. Die Dorfbewohner wandten sich – anders als in Polány – nicht gleich an Bischof Gabriel Anton (Gábor Antal) Erdődy (reg. 1715–1744), den Besitzer des Dorfes, sondern begannen 1739 direkt mit dem Neubau des Glockenstuhles. Der Gutsverwalter des Bischofs, Andreas (András) Németh, wurde auf die Bautätigkeit aufmerksam und verbot die Fortsetzung der Arbeiten, bis weitere Genehmigung eingeholt worden sei. Die Gemeinde schickte eine Abordnung zum Diözesanbischof, setzte aber inzwischen die Bauarbeiten fort. Bischof Erdődy weigerte sich, den Bau zu genehmigen; währenddessen wurde jedoch der neue Glockenstuhl fertiggestellt. Die Gemeinde wandte sich also auch hier an die Komitatsbehörden, die aber die Entscheidung des Besitzers unterstützten und die Wegnahme des Glockenstuhles und sogar der Kirche anordneten. Diese Entscheidung ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass das Amt des Obergespans auch hier vom Diözesanbischof bekleidet wurde. In Sarud geschahen die Konfiskation der Gebäude und die Vertreibung des reformierten Predigers sogar mit militärischer Gewalt. Bischof Erdődy ernannte einen katholischen Pfarrer, der die Kirche für die Bedürfnisse des katholischen Gottesdienstes adaptieren ließ. Anders aber als im Fall des Dorfes Csicsó wurde hier die reformierte Bevölkerung nicht zur Auswanderung veranlasst, sondern im Gegenteil: Die Vorsteher der Gemeinde wurden unter dem Vorwurf festgenommen, sie hätten die Bewohner zur Aussiedlung aufgehetzt. Ein Teil von ihnen wurde aus dem Dorf ausge  MNL VeML, XII. 2.a, B 2/a, Nr. 386, C 1227.   Béla Vilmos Mihalik, A veszprémi püspökség birtokigazgatása a 18. században, különös tekintettel a sümegi uradalomra [Die Besitzverwaltung des Bistums Wesprim im 18. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung der Herrschaft Schimeck], in: Megyetörténet. Egyház- és igazgatástörténeti tanulmányok a veszprémi püspökség 1009. évi adománylevele tiszteletére [Komitatsgeschichte. Kirchen- und verwaltungsgeschichtliche Beiträge anlässlich der Schenkungsurkunde des Bistums Wesprim aus dem Jahr 1009], hg. von István Hermann–Balázs Karlinszky (A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 22/A veszprémi egyházmegye múltjából 22, Veszprém 2010) 141–177. 29 30



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wiesen. Letztendlich folgte ihnen jedoch auch die restliche protestantische Gemeinde und im Dorf wurden katholische Bauern angesiedelt. Ähnliche Fälle kennen wir in den 1730er und 1740er Jahren auch aus Nachbardörfern31. Der Diözesanbischof von Erlau Ferenc Barkóczy (reg. 1744–1765) stand mit der evangelisch-lutherischen Gemeinde von Nyíregyháza bzw. mit dem Besitzer der Siedlung in Auseinandersetzungen bezüglich der öffentlichen Religionsausübung. Graf Ferenc Károlyi (1705–1758) hatte seit 1753 slowakische Bauern evangelischer Konfession in dem Marktflecken angesiedelt, wo bereits eine kleine reformierte und eine griechisch-katholische Gemeinde existierten. Er sicherte den Ansiedlern drei Jahre Steuerfreiheit sowie das Recht auf den Bau einer Kirche und den Unterhalt eines evangelischen Geistlichen zu. In Folge dieser Ansiedlung zählte der Marktflecken in den folgenden Jahren bereits 2.500 Bewohner32. Die Existenz einer so großen evangelischen Gemeinde missfiel natürlich dem zuständigen katholischen Diözesanbischof, der den Statthaltereirat um Stellungnahme bat, da er die öffentliche Religionsausübung der Lutheraner in Nyíregyháza als rechtswidrig ansah. Der Statthaltereirat ordnete eine Untersuchung an, aber seitens des zuständigen Komitats Szabolcs zögerte man. Gründe dafür sind einerseits darin zu suchen, dass der Obergespan Imre Barkóczy († 1764) sowohl mit dem Bischof als auch mit Graf Károlyi verwandtschaftlich verbunden war. Andererseits unterstützte der im Komitat ansässige Adel ein Vorgehen gegen die Ansiedler nicht. Eine eventuelle Vertreibung der lutherischen Bauern von Nyíregyháza hätte nämlich auch bezüglich anderer Siedlungen unangenehme Konsequenzen zur Folge haben können. Der Statthaltereirat nahm aber auf diese Umstände keine Rücksicht und verordnete nach einer erneuten Initiative des Bischofs den Abriss der evangelischen Kirche und die Vertreibung des Predigers33. Graf Károlyi musste nach dieser Verordnung des Statthaltereirates zurückstecken und befahl deren Durchführung. Der evangelische Geistliche hatte also die Stadt zu verlassen, kehrte aber mit Wissen des Grundherrn regelmäßig zurück, um seine Gemeinde zu betreuen. Der nächste Schritt war auch hier die Ernennung eines katholischen Pfarrers, aber jetzt stieß Bischof Barkóczy auf Hindernisse: Zur Bestellung des Pfarrers musste er nämlich die Genehmigung des Patronatsherrn, in diesem Fall Graf Károlyi selbst, einholen, die dieser aber verweigerte, obwohl die Pfarrei vom Bistum finanziert werden sollte. Die Streitigkeiten dauerten bis zum Frühjahr 1756, als schließlich Barkóczy und Károlyi auf Vermittlung von Wiener Hofkreisen zu einem Kompromiss kamen. Laut der Vereinbarung wurde der evangelischen Gemeinde erlaubt, einen Vorbeter zu halten, der aber keine weiteren kirchlichen Zeremonien durchführen durfte. Ein Geistlicher konnte die Gemeinde dreimal im Jahr zu Hochfesten aufsuchen, um Gottesdienste zu halten. Zu diesen Zwecken stellte Károlyi ein Gebäude zur Verfügung. Als Gegenleistung wurde festgelegt, dass in der Stadt eine katholische Pfarrei eingerichtet werden sollte, aber der Pfarrer durfte seine Tätigkeit nur ohne Zwang und ohne Stolgebühren ausüben. Der eindeutige Verlierer dieser Vereinbarung war die kleine reformierte Minderheit: Ihre Kirche sollte konfisziert 31  Béla Vilmos Mihalik, Felekezeti konfliktusok a poroszlói Tisza-tájon az 1730–1740-es években [Konfessionelle Konflikte in der Theißlandschaft Poroszló in den 1730er–1740er Jahren]. Agria 46 (2010) 123–155. 32  Erik Fügedi, Szlovák települések az Alföldön a 18. században [Slowakische Siedlungen in der (ungarischen) Tiefebene im 18. Jahrhundert], in: Tanulmányok Nyíregyháza újabbkori történetéből [Studien aus der neueren Geschichte von Nyíregyháza], hg. von Péter Hársfalvi–Miklós Mann (Nyíregyházi kiskönyvtár 11, Nyíregyháza 1976) 7–13. 33  István Sugár, Az egri püspökök története [Geschichte der Bischöfe von Erlau] (Az Egri Főegyházmegye Sematizmusa/Schematismus Archidioecesis Agriensis 1, Budapest 1984) 410f.

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und als katholische Pfarrkirche eingerichtet werden. Der Grundherr musste sich außerdem verpflichten, auch katholische Bauern in der Gemeinde ansiedeln zu lassen34. Dieses Abkommen zeitigte offensichtlich nur bedingten Erfolg, denn der Nachfolger Barkóczys, Bischof Karl (Károly) Eszterházy (reg. 1761–1799), forderte im Jahr 1766 den Sohn des Grafen, Anton (Antal) Károlyi (1732–1791), zum wiederholten Male zur Bestellung eines katholischen Pfarrers und zur Beschränkung evangelischer Religionsausübung auf. Auch die aus dem Mittelalter stammende, später von der reformierten Gemeinde benutzte Kirche war nicht den Katholiken übergeben worden. Erst zwei Jahre später erfolgte endlich die Anstellung eines katholischen Pfarrers und eines Schulmeisters. Der Pfarrer durfte nach den früher ausgehandelten Bedingungen seine Tätigkeit ausüben. Katholische Gottesdienste mussten allerdings in einer provisorischen Kapelle gehalten werden, denn die Pfarrkirche wurde nach langer Bautätigkeit erst 1815 fertiggestellt und geweiht35. Für die evangelische Gemeinde in Nyíregyháza bedeutete das Toleranzpatent die eigentliche Zäsur: Zwischen 1784 und 1786 wurde eine Kirche errichtet, in der die öffentliche Religionsausübung ohne Beschränkungen möglich war36. Nicht nur in der Stadt Nyíregyháza versuchten weltliche Grundherren für die Rechte ihrer protestantischen Untertanen einzutreten. Die evangelischen Gemeinden im Komitat Tolnau/Tolna im Südwestungarn haben auch in der deutschsprachigen Geschichtsschreibung bereits Interesse gefunden, da es sich bei ihren Einwohnern um Siedler aus dem Alten Reich handelte. Die Tätigkeit des kaiserlichen Feldmarschalls und kommandierenden Generals des Temescher Banats Claudius Florimund de Mercy (1666–1734) und seines Neffen Anton Mercy d’Argenteau (1692–1767) wurde in der Literatur bereits eingehend dargestellt37. In der Darstellung mischt sich freilich fromme Legende mit den durch Quellen belegten historischen Fakten; die wichtigsten Ereignisse können trotzdem rekonstruiert werden. Nach einem Patent Karls VI. aus dem Jahr 1722 zog eine größere Anzahl deutschsprachiger Ansiedler in Richtung des Temescher Banats. Auf ihrem Zug erreichten sie die Landgüter des Feldmarschalls, und dieser gestattete dort mehreren evangelischen Familien aus Hessen-Darmstadt die Ansiedelung. Dabei sicherte er den neuen Bewohnern freie Religionsausübung unter der Betreuung zweier aus Ungarn stammender evangelischer Geistlicher, Georg (György) Bárány (1682–1757) und Jeremias Schwartzwalder (1684–1731), zu. Umgehend trat aber auch hier der zuständige katholische Diözesanbischof, Franz Wilhelm von Nesselrode (reg. 1703–1732), gleichzeitig „ewiger Obergespan“ der Komitate Tolnau und Baranya, gegen die öffentliche Religionsausübung der evangelischen Bewohner auf. Graf Mercy konnte diese Religionsausübung dank seines Einflusses für einige Zeit mit Erfolg verteidigen, später wurde aber der Prediger Bárány unter dem Vorwurf verhaftet, gesetzwidrig Gottesdienste abgehalten zu haben38. Auch andere Besitzer be34  Gábor Éble, Károlyi Ferenc gróf gazdasági tevékenységéből. II. Nyíregyháza újraalapítása [Aus der wirtschaftlichen Tätigkeit des Grafen Ferenc Károlyi. II. Die Neugründung von Nyíregyháza]. Magyar Gazdaságtörténeti Szemle 4 (1897) 145–167, 241–252, 269–284. 35   Imre Soós, Az egri egyházmegye plébániáinak történeti áttekintése [Historischer Überblick der Pfarreien der Diözese Erlau] (Az Egri Főegyházmegye Sematizmusa/Schematismus Archidioecesis Agriensis 2, Budapest 1985) 435–438. 36  Ödön Lukács, Nyíregyháza története [Eine Geschichte von Nyíregyháza] (Nyíregyháza 1886) 218. 37  Siehe die in Anm. 39 genannte Literatur. 38  Zoltán Csepregi, Brüderlich verfeindet? Luthertum und Reformiertentum in der neu besiedelten Tolnau, in: Kirchen als Integrationsfaktor für die Migranten im Südosten der Habsburgermonarchie im 18. Jahr-



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nachbarter Landgüter versuchten, der protestantischen Bevölkerung Religionsausübung zu ermöglichen, wie zum Beispiel Ferenc Kun (1692–1730) in Bonyhád: Er genehmigte einen Kirchenbau und die Bestellung eines Geistlichen und versuchte ihn zu verteidigen, als er von den Komitatsbehörden vertrieben wurde39. Aber diese Bemühungen weltlicher Grundherren hatten langfristig nur sehr bedingten Erfolg, wie die Auflistungen einer 1733 auf Befehl Karls VI. in den Komitaten Tolnau und Baranya durchgeführten Konskription zeigen. Sie erwähnt zwar in den betroffenen Siedlungen eine deutschsprachige, evangelische Bevölkerung, der aber nur eine private Religionsausübung gestattet war; protestantischen Geistlichen wurden jegliche kirchliche Handlungen untersagt40. Aber auch dort hielten diese oft mit Einverständnis der katholischen Grundherren zu ihren Gemeinden Kontakt. Erst das Toleranzpatent ermöglichte diesen Gemeinden dann ebenfalls die freie Religionsausübung und den Bau protestantischer Gotteshäuser41.

Formen der Spätkonfessionalisierung im Königreich Ungarn – Schlussfolgerungen Die behandelten Beispiele zeigen die Methoden, mit denen versucht wurde, die protestantische Religionsausübung fast das ganze 18. Jahrhundert hindurch zugunsten des Katholizismus zurückzudrängen. Juristische Grundlage dieser Verfahrensweise bildeten in erster Linie die Artikel 25 und 26 des Landtags von Ödenburg/Sopron aus dem Jahr 1681, also aus der Zeit kurz vor dem Beginn einer allmählichen Befreiung des Königreichs Ungarn von osmanischer Herrschaft. Sie bestätigten einerseits die Religionsklausel des zwischen Rudolf II. (eigentlich Erzherzog Matthias) und dem Fürsten von Siebenbürgen Stephan (István) Bocskai (1557–1606) geschlossenen Wiener Friedens von 1606, die faktisch die freie Religionsausübung der Anhänger der beiden anerkannten protestantischen Konfessionen festhielten, diese aber auf bestimmte Ortschaften begrenzten, in denen Kirchen und Schulen gebaut werden durften42. hundert, hg. von Rainer Bendel–Norbert Spannenberger (Kirche und Gesellschaft im Karpaten-Donauraum 1, Münster 2010) 99–113; Márta Fata, Migration im kameralistischen Staat Josephs II. Theorie und Praxis der Ansiedlungspolitik in Ungarn, Siebenbürgen, Galizien und der Bukowina von 1768 bis 1790 (Münster 2014) 55–57. 39   Heinrich Kéri, Der Untergang des deutschen Luthertums im Tolnau-Baranya-Schümeger Seniorat, in: ders., Franken und Schwaben in Ungarn. Aufsätze zur Geschichte und Siedlungsgeschichte der Tolnau und der Oberen Baranya (Veröffentlichungen der Neue-Zeitung-Stiftung 2, Budapest 2002) 273–281; ders., A Tolna megyei lutheránusok. Megjegyzések egy tanulmányhoz [Die Lutheraner von Tolnau. Bemerkungen zu einer Studie]. Századok 132 (1998) 916–926; Norbert Spannenberger, Immigrationspolitik und interkonfessionelles Zusammenleben im 18. Jahrhundert in Süd-Transdanubien, in: Kirchen als Integrationsfaktor für die Migranten im Südosten der Habsburgermonarchie im 18. Jahrhundert, hg. von Rainer Bendel–Dems. (Kirche und Gesellschaft im Karpaten-Donauraum 1, Münster 2010) 29–42. 40  Conscriptio ecclesiarum et parochiarum inclyto comitatui de Baranya et exemptae abbatiae Pécsváradiensi adjacentium anno 1733 peracta, in: Baranya és Tolna vármegye plébániáinak összeírása 1733 [Die Konskription der Komitate Baranya und Tolnau 1733], hg. von Zoltán Gőzsy (Seria Historiae Dioecesis Quinqueecclesiensis 9, Pécs 2012) 147–231, hier 166–173. 41  János Krähling, Architektur und Gedächtnisgemeinschaft. Die Kirchen der evangelisch-lutherischen Deutschen im Komitat Tolnau in Ungarn, in: Migration im Gedächtnis. Auswanderung und Ansiedlung im 18. Jahrhundert in der Identitätsbildung der Donauschwaben, hg. von Márta Fata–Katharina Drobac (Schriftenreihe des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde 16, Stuttgart 2013) 169–186. 42  Corpus Juris Hungarici – Magyar Törvénytár, 1657–1740, hg. von Dezső Márkus (Budapest 1901)

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Diese Gesetzesartikel wurden auf dem Landtag 1687 in Preßburg, also nach der Rückeroberung der mittelalterlichen Hauptstadt Ofen/Buda 1686, bestätigt. Und im Jahr 1691, nachdem bereits große Teile des Königreichs von der osmanischen Herrschaft befreit worden waren, erließ Kaiser Leopold I. ein Edikt, mit dem diese Religionsgesetze gemäß der neuen Lage „erläutert“ wurden. Diese „Explanatio Leopoldina“ genehmigte den beiden protestantischen Konfessionen die freie Religionsausübung in den sogenannten „Artikularorten“. Anderswo wurde den Protestanten nur eine private Religionsausübung gestattet, also nur die Abhaltung von Gottesdiensten in Privathäusern, ohne Mitwirkung eines protestantischen Geistlichen. Auch die protestantischen Bewohner standen unter der Jurisdiktion des zuständigen katholischen Pfarrers. Sie durften zwar zur Teilnahme an katholischen kirchlichen Zeremonien nicht gezwungen werden, falls sie aber protestantische religiöse Handlungen (wie Taufe, Eheschließung oder Bestattung) in Anspruch nehmen wollten, mussten sie einen protestantischen Geistlichen an einem „Artikularort“ aufsuchen und zudem dem lokal zuständigen katholischen Pfarrer die Stolgebühren bezahlen43. In Folge dieser eindeutigen Beschränkung der Rechte der protestantischen Bewohner des Königreichs, die rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachten, ist es nicht verwunderlich, dass die konfessionelle Frage auch am Anfang des 18. Jahrhunderts einen Zankapfel der ungarischen Innenpolitik bildete. Die katholische Mehrheit, an deren Spitze der Klerus stand, versuchte in der neuen politischen Situation die Rechte der Protestanten weiter zu beschränken, da nach ihrer Auffassung die Zugeständnisse mit Gewalt erpresst worden waren. Die protestantischen Stände kämpften jedoch um die Verwirklichung der Religionsklausel des Wiener Friedens, also um die Anerkennung ihrer unbeschränkten Religionsausübung. Diese Debatten lähmten jegliche Verhandlungsführung und machten eine Regelung unmöglich. Deswegen wurde die Religionsfrage auf kaiserliche Initiative aus den Landtagsthemen herausgenommen und mit einem Edikt geregelt44. Dieses Edikt, die sogenannte „Carolina Resolutio“ von 1731, machte den beiden protestantischen Konfessionen zwar Zugeständnisse (zum Beispiel bezüglich ihrer kirchlichen Verwaltung), bestätigte jedoch die „Explanatio Leopoldina“, also die strikte Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Religionsausübung. Die von Karl VI. selbst sowie von Königin Maria Theresia mehrmals bestätigte Resolution war dann bis zum Erlass des Toleranzpatents Josephs II. in konfessionellen Fragen maßgebend, auch wenn sie nicht 284–286; Imre Gyenge, Der ungarische Landtag zu Ödenburg 1681 und die Artikulargemeinden, in: Im Lichte der Toleranz. Aufsätze zur Toleranzgesetzgebung des 18. Jahrhunderts in den Reichen Josephs II., ihren Voraussetzungen und ihre Folgen, hg. von Peter F. Barton (Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte 2/9, Wien 1981) 33–58. 43  Ferenc Eckhart, Magyar alkotmány- és jogtörténet [Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte], hg. von Barna Mezey (Millenniumi magyar történelem, Budapest 2000) 254. 44  István M. Szijártó, A vallási kérdés az országgyűléseken a 18. század első évtizedeiben [Die konfessionelle Frage auf den Landtagen in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts], in: Katolikus megújulás és a barokk Magyarországon. Különös tekintettel a Dél-Dunántúlra [Katholische Erneuerung und der Barock in Ungarn. Mit besonderer Berücksichtigung auf das südliche Transdanubien], hg. von Zoltán Gőzsy–Szabolcs Varga–Lázár Vértesi (Seria Historiae Dioecesis Quinqueecclesiensis 7, Pécs 2009) 87–101; ders., Die Reformierten und die Frage des Widerstands im Königreich Ungarn im 18. Jahrhundert, in: Calvin und Reformiertentum in Ungarn und Siebenbürgen. Helvetisches Bekenntnis, Ethnie und Politik vom 16. Jahrhundert bis 1918, hg. von Márta Fata–Anton Schindling–Katharina Drobac–Andreas Kappelmayer–Dennis Schmidt (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 155, Münster 22011) 340–353.



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nur seitens der Protestanten, sondern auch in den Reihen des katholischen Klerus teilweise abgelehnt wurde45. Die oben geschilderten Konflikte zeigen also die Umsetzung dieser Konfessionspolitik in die alltägliche Praxis und ermöglichen uns, die Schritte ihrer Realisierung genauer zu betrachten. Beim Vorgehen gegen die öffentliche Religionsausübung übernahm der Klerus, genauer formuliert der zuständige Diözesanbischof, im Allgemeinen eine führende Rolle. Wenn sich die weltlichen Behörden, in der Regel das Komitat und der Statthaltereirat, in den Konflikt einschalteten, verteidigten sie explizit oder implizit die gültige Rechtslage: Eine öffentliche Religionsausübung war den beiden protestantischen Konfessionen gemäß der zitierten Gesetzesartikel und Resolutionen lediglich an bestimmten Orten gestattet, anderswo hatte sie zu unterbleiben. Wenn wir aber die Tätigkeit der Diözesanbischöfe näher betrachten, können wir feststellen, dass sie durchaus differenziert auftraten. In denjenigen Gebieten, in denen sie über die geistliche Jurisdiktion, nicht aber über Besitzrechte verfügten, traten sie ohne Rücksicht auf weitere Folgen hart gegen die protestantische Bevölkerung auf. Das prägnanteste Beispiel war dafür der Konflikt zwischen Bischof Barkóczy und Graf Károlyi in Nyíregyháza. Hier beharrte der Bischof auf seinem Standpunkt und versuchte ihn auch angesichts der Gefahr einer Auswanderung der Bevölkerung durchzusetzen. Bischof Erdődy trat in Sarud bereits vorsichtiger auf: Er verbot den Dorfbewohnern die Siedlung zu verlassen – wenn auch ohne größeren Erfolg. Bischof Padányi Biró wartete die Untersuchung des Statthaltereirates ab, erst danach ließ er seine Pächter in Csicsó vertreiben und berief neue. Auch die Zisterzienser traten in Polány kompromisslos gegenüber den Reformierten auf, da sie hier nur die Minderheit der Bewohner ausmachten, die Mehrheit wurde von katholischen Ansiedlern gebildet. Aber in Sóly, das mehrheitlich von Protestanten bewohnt war, verhandelte die Abtei viel vorsichtiger: Sie ließ zwar den reformierten Prediger ausweisen, konfiszierte aber der Gemeinde ihre Kirche nicht, sondern gestattete, unter der Leitung des Schulmeisters Gottesdienste abzuhalten. Eine weitere Feststellung bezieht sich auf die Interessen der weltlich-adeligen Grundherren. In der Zeit der Konfessionalisierung des 16. und 17. Jahrhunderts spielte deren Patronatsrecht eine immense Rolle – auch unter der osmanischen Besatzung wurde die konfessionelle Zugehörigkeit der Bevölkerung in der Regel durch die Grundherren bestimmt, die das Recht hatten, den Dorfgeistlichen zu bestellen und ihn auch unterhalten mussten. Selbst der Wiener Friede 1606 änderte an dieser Situation nichts46. Diese Praxis wurde teils auch im 18. Jahrhundert beibehalten, wie die Debatte zwischen Barkóczy und Károlyi über den Pfarrer in Nyíregyháza zeigt: Der Bischof konnte die Bestellung gegen den Willen des Grundherrn nicht durchsetzen. Dasselbe geschah auch in Polány während des Konfliktes zwischen Bischof Padányi Biró und Prior Schneider. Andererseits konnte aber das Patronatsrecht der Grundherren den Einfluss der staatlichen Konfessionspolitik nicht mehr aufhalten. Das Abkommen zwischen Barkóczy und Károlyi bedeutete eigentlich die Umsetzung des Grundsatzes der privaten Religionsausübung in die Praxis, wenn auch mit geringfügigen Zugeständnissen. Diese private Religionsausübung wurde in den deutschsprachigen evangelischen Dörfern des Komitats Tolnau eingeführt. Keines von den Dörfern unterschied sich hinsichtlich der Rechtslage zum Beispiel von Sóly   Eckhart, Jogtörténet (wie Anm. 43) 255; Bahlcke, Episkopat (wie Anm. 16) 211–213.   Katalin Péter, Az 1608. évi vallásügyi törvény és a jobbágyok vallásszabadsága [Das Religionsgesetz aus dem Jahr 1608 und die Religionsfreiheit der Hörigen]. Századok 111 (1977) 93–113. 45 46

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im Komitat Wesprim. Der weltliche Grundherr versuchte zwar in manchen Fällen, seine protestantischen Bauern zu unterstützen, er war jedoch nach dem Beginn eines Prozesses gewöhnlich nicht mehr in der Lage, sie vor den Folgen zu schützen. Die Feststellung Thomas Winkelbauers hinsichtlich der böhmischen und österreichischen Länder kann also auch für das Königreich Ungarn Gültigkeit beanspruchen: Während die Grundherren im 16. und 17. Jahrhundert die Motoren der Konfessionalisierung und Sozialdisziplinierung waren, wurden sie im nächsten Jahrhundert von der zentralen Administration stark zurückgedrängt47. Letztendlich wäre auch darüber nachzudenken, welche Ziele die Zentralgewalt und die katholischen Prälaten mit ihrer Konfessionspolitik verfolgten. Die protestantische Kirchengeschichtsschreibung beurteilt die Jahrzehnte bis zum Erlass des Toleranzpatents als eine Zeit der Unterdrückung: Die Gemeinden wurden ihrer Rechte auf Religionsausübung beraubt, ihre Geistlichen ausgewiesen, ihre Kirchen beschlagnahmt oder zerstört usw. Andererseits standen im Hintergrund der Entscheidungen, wie wir gesehen haben, auch wirtschaftliche Überlegungen, die zur Abmilderung kategorischer Entscheidungen führten. Die Vertreter zentraler und lokaler Gewalten waren in der Regel nicht an der Auswanderung der Bevölkerung interessiert, man musste also eine Lösung finden, mit der einerseits die dominierende Stellung des Katholizismus als Staatsreligion bewahrt, andererseits aber eine Konsolidierung in wirtschaftlicher wie sozialer Hinsicht erreicht werden konnte. Diese Lösung stellte seit der „Explanatio Leopoldina“ und der Resolution Karls VI. die private Religionsausübung dar. Protestantische Gemeinden durften keine öffentlichen Gottesdienste mehr halten und wurden formell der Jurisdiktion der katholischen Pfarrer unterstellt, die zugleich als Repräsentanten der Staatsgewalt Einfluss auf das Leben der Bevölkerung vor Ort nehmen konnten48. Trotzdem war es der nicht katholischen Bevölkerung auf diese Weise möglich, ihre konfessionelle und gegebenenfalls auch ihre ethnische Identität zu bewahren und ihre Traditionen weiterzugeben. Nach unserer heutigen Auffassung kann die private Religionsausübung kaum als ein Mittel des Ausgleichs betrachtet werden, wurde doch damit die Religions- und Gewissensfreiheit der protestantischen Bevölkerung schwerwiegend eingeschränkt. Im Kontext der Konfessionspolitik des Hauses Habsburg in anderen Territorien fällt aber ein anderes Licht auf die Verfahrensweise im Königreich Ungarn. Im Jahre 1734, als Karl VI. seine Resolution über die Protestanten Ungarns bestätigte, begann die „Transmigration“, die Zwangsaussiedlung österreichischer protestantischen Familien auf „Königsboden“ im Fürstentum Siebenbürgen. Die ungarischen Protestanten mussten das Schicksal der „Landler“ nicht teilen: Ihr im Vergleich zu den böhmischen und österreichischen Territorien markant unterschiedlicher Bevölkerungsanteil, wirtschaftliche Interessen und nicht zuletzt ihre guten Kontakte zu ausländischen protestantischen Mächten49 zwangen die Zentralmacht, eine defensivere Lösung zu finden. Die Genehmigung der privaten Religionsausübung bildete dabei das Maximum, das gerade noch mit der Auffassung eines Katholizismus als Staatsreligion in Einklang gebracht werden konnte, das aber auch den Gegebenheiten Rechnung trug. In diesem engen Rahmen des Spätkonfessionalisierungs  Siehe Anm. 1.   Zoltán Gőzsy, Ebenen und Phasen der kirchlichen Normenkommunikation in Transdanubien und in Slawonien im 18. Jahrhundert, in: Normsetzung und Normverletzung. Alltägliche Lebenswelten in Königreich Ungarn vom 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, hg. von Karl-Peter Krauss (Schriftenreihe des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde 19, Stuttgart 2014) 59–79. 49  Bahlcke, Episkopat (wie Anm. 16) 214–224. 47 48



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zeitalters existierte die protestantische Bevölkerung des Königreichs nun bis zum Erlass des Toleranzpatents und bis zu dessen gesetzlicher Anerkennung im Artikel 26 des Jahres 179150.

50   Corpus Juris Hungarici – Magyar Törvénytár, hg. von Dezső Márkus, 1740–1835 (Budapest 1901) 168–178; vgl. auch Robert J. W. Evans, Über die Ursprünge der Aufklärung in den habsburgischen Ländern. Das Achtzehnte Jahrhundert und Österreich 2 (1985) 9–31, hier 18f.

Die Gräfin und der Mönch, oder: sind sich Maria Anna Pignatelli Althann und Bernhard Pez je begegnet? Von Pia Wallnig und Thomas Wallnig

Historische Irrtümer? Der 1953 von Hellmuth Rößler verfasste Artikel über Maria Anna Gräfin von ­ lthann, geborene Pignatelli, lautet wie folgt: „Die feingeistige und schöne Spanierin, die A Karls VI. Hofstaat bereits in Spanien angehört hatte und ihm zuliebe ihre Heimat verließ, wurde in Österreich durch ihre Ehe mit des Kaisers Günstling A[lthann] eingebürgert. Als Vertraute des Kaisers wie der Gräfin Batthyány-Strattmann, der Freundin Prinz Eugens, einer der bestimmenden Frauen des kaiserlichen Hofes, verwandte sie ihren großen Einfluß nicht nur zur Förderung italienischen Künstler und Dichter (A. Zeno, P. A. Metastasio und Garelli), sondern ebensosehr zur Unterstützung der großen Geschichtsarbeiten der Benediktiner B. Pez und J. G. Bessels. Ob sie sich als Angehörige der ‚spanischen Partei‘ des Hofes auch politisch betätigte, ist bisher nicht geklärt worden“. Als Quellen verweist Rößler auf die „Allgemeine Deutsche Biographie“ sowie auf Wurzbachs „Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich“1. In dessen erstem Band liest sich die Passage folgendermaßen: „Als König Karl III. (als deutscher Kaiser Karl VI.) 1711 nach Deutschland sich begab, um nach Joseph I. Tode 1711 den deutschen Kaiserthron einzunehmen, folgten ihm mehrere spanische vornehme Familien, darunter auch die Marchesa Pignatelli. Am Hofe Karls VI. lernte sie Graf Michael Johann III. Althann kennen, warb um sie und erhielt das Jawort. Von nun an übte die Gräfin einen mächtigen Einfluss zur Ermunterung und Förderung der Künste und Wissenschaften in Wien. In der Genealogie und Heraldik wohl bewandert, sah sie die ersten Männer der Wissenschaft jener Zeit in ihren Zirkeln. Sie war Freundin und Beschützerin des Apostolo Zeno, Metastasio, Garelli, des Abtes Gottfried Bessel, Bernhard und Hieronymus Pez.2“ Wurzbach referiert auch Maria Annas Naheverhältnis zu Eleonore Batthyány-Strattmann und gibt als Quelle Moritz Bermanns „Österreichisches Biographisches Lexikon“ an. Dieses Lexikon, erschienen im Eigenverlag des Wiener Kunsthändlers, reichte zwar nicht über drei Lieferungen und das Lemma „Babenberger“ hinaus, umfasste damit aber immerhin eine bemerkenswerte Menge an Ansetzungen zur Familie Althann. Der Eintrag zu Maria Anna, den Bermann nebst einigen wenigen anderen in seiner Einleitung stolz 1 2

  Hellmuth Rössler, Art. Althann, Maria Anna Josepha Gräfin von. NDB 1 (1953) 219.   Wurzbach 1 18.

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heraushebt3, ist einer von 40 zu sonst (bis auf eine Ausnahme) nur männlichen Familienmitgliedern4, und er ist bei Weitem der ausführlichste. Die einschlägige Stelle zeigt, dass sich alle späteren biographischen Einträge offensichtlich hier bedient haben, dabei aber auch erfolgreich um Verknappung und Versachlichung bemüht gewesen sind: „Graf Michael Johann III. von Althann (s. d.) wurde von den Reizen der Marchesa bezaubert u. er wagte es den Kaiser um die Einwilligung zu seiner Vermählung mit ihr zu bitten, wobei er die Worte gebrauchte: ‚er wolle nicht länger warten u. den ‚[sic] ihm vom schalen Höflingswitze beigelegten Spottnamen Alt Hahn verdienen.‘ Anfangs war der Kaiser überrascht durch diesen Antrag u. er frug ihn, ob er auch der Beistimmung der Marchesa gewiß wäre. Althann erwiederte, vorerst hätte er die Willensmeinung seines Monarchen einholen müssen, sonst würden ihm seine Umstände nicht erlauben, an eine solche Verbindung zu denken. Der Kaiser gab nun seine Einwilligung. Althann warb um die Hand der Marchesa u. erhielt ihr Jawort. Von da an gebrauchte die ‚spanische Althann‘, wie man sie in Wien allgemein nannte, ihren mächtigen Einfluß zur Ermunterung u. Emporhebung der Künste u. Wissenschaften in Wien, besonders der Dichtkunst und Malerei. Unter ihre Freunde und Schützlinge gehörten die damals so berühmten Notabilitäten Apostolo Zeno, Metastasio, der Leibarzt Garelli, Abt Gottfried Bessel, Bernhard und ­Hieronymus Pez (siehe diese). Auch war sie eine große Kennerin der Genealogie und Heraldik, in welchem Fache ihr der gelehrte Reichshofratspräsident Graf Wurmbrand (s. d.) hilfreich zur Seite stand.5“ Bermann verschob die Nennung seiner Quellen freilich auf den letzten Band seines Werkes: „Was die, oft höchst seltenen, Quellen meines Werkes betrifft, die ich theils in besonderer Reichhaltigkeit selbst besitze, und die mir theils von großmüthigen Gönnern und Freunden bereitwillig zur Benützung überlassen wurden, darüber werde ich am Schlusse des Ganzen strenge Rechenschaft legen.6“ Dazu kam es nicht, und auch Wurzbach bemerkt an der oben zitierten Stelle, dass Bermann „erzählt – ohne die Quelle, woher er geschöpft, anzugeben“, wie überhaupt Wurzbach wenig freundliche Worte zu Bermanns Vorhaben findet7. All dies mag unterhalten, ist aber für die heutige Forscherin, den heutigen Forscher äußerst unbefriedigend, wenn die oben vorgebrachten, doch recht weitreichenden Ansagen zu einer bis heute nur unzureichend erforschten Geschichte des intellektuellen Klimas unter Karl VI. auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft werden sollen8. Was ist zu halten von der Behauptung, Maria Anna Pignatelli Althann habe die Benediktinergelehrten Bernhard und Hieronymus Pez sowie Abt Gottfried Bessel in ihren Studien unterstützt und gefördert, gar protegiert? Wie plausibel ist es, dass diese auf ihre Weise recht schillern  Moritz Bermann, Vorrede. Österreichisches Biographisches Lexikon 1 (1851) IV–VIII, hier V.   Die 40 Artikel – mit einem Einleitungsartikel: 41 – zur Familie Althann finden sich in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1 (wie Anm. 3) 108–114; der Beitrag zu Maria Anna 109–111. 5  Moritz Bermann, Art. Althann, Maria Anna. Österreichisches Biographisches Lexikon 1 (1851) 109– 111, hier 110. 6  Bermann, Vorrede (wie Anm. 3) VI. 7   Constant von Wurzbach, Vorrede, in: Wurzbach 1 III–XIV, hier V. 8  Robert Evans’ monumentales Werk – Robert J.W. Evans, The Making of the Habsburg Monarchy. An Interpretation (Oxford 1979) – behandelt den Zeitraum bis etwa 1700, und für die Zeit danach bis 1740 ist die Forschung an Überblicksdarstellungen bisher nicht wirklich hinausgekommen über Heinrich Benedikt, Das Königreich Neapel unter Kaiser Karl VI. Eine Darstellung auf Grund bisher unbekannter Dokumente aus den österreichischen Archiven (Wien–Leipzig 1927); Maximilian Braubach, Prinz Eugen von Savoyen. Eine Biographie, 5 Bde. (Wien 1963–1965); Eduard Winter, Barock, Absolutismus und Aufklärung in der Donaumonarchie (Wien 1971). 3 4



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den Figuren des (engeren und weiteren) höfischen Umfelds im Wien der 1720er, 1730er und 1740er Jahre tatsächlich in einem Naheverhältnis zueinander standen? War es denkbar, dass die Gräfin mit dem Abt oder gar den gelehrten Mönchen engeren Austausch pflegte? Wir werden auf den folgenden Seiten für keine dieser Fragen erschöpfende Antworten finden. Was wir versuchen möchten, ist diese Fragen von Seiten der beteiligten Personen und den mit ihnen in Beziehung stehenden Quellencorpora her zu diskutieren. Das enttäuschende Ergebnis kann vorweg genommen werden: Wenn sich die Gräfin und der Mönch je begegnet sein sollten, so haben sie ihre Spuren gut verwischt.

Die „spanische Althann“ – und die Benediktiner? Maria Anna Josepha Pignatelli wurde am 26. Juli 1689 in Alcudia in der Nähe von Valencia geboren9. Ihr Vater Dominik (Domingo) Pignatelli entstammte dem spanischen Zweig des neapolitanischen Geschlechts der Pignatelli und war Gouverneur von Navarra und Galizien, ihre Mutter war Dona Anna d’Aimerigo y Criullas, Condesa de Monistrol10. Ein prominenter Verwandter der Familie aus dem neapolitanischen Familienzweig war Papst Innozenz XII. (reg. 1691–1700). Von vier überlebenden Brüdern sind Biographien überliefert. Ein Bruder stand im spanischen diplomatischen Dienst, ein Bruder lebte in Neapel und zwei Brüder erhielten am Wiener Hof die Kämmererwürde, wohl durch Protektion ihrer Schwester. Über Maria Annas Jugend und Erziehung ist wenig bekannt, nachweisbar ist ein Aufenthalt in einem Kloster in Barcelona, wo auch der spätere Karl VI. noch als Karl III. von Spanien mit seinem Gefolge Zuflucht suchte. In der Folge wurde Maria Anna Kammerfräulein bei Königin Elisabeth Christine, als diese in Barcelona eintraf, und lernte ihren späteren Mann Michael Johann III. Graf von Althann (1679–1722) kennen11. Michael Johann III. Graf von Althann hatte Erzherzog Karl 1703 als Kämmerer nach Barcelona begleitet. Der Neffe von Karls Obersthofmeister Anton Florian Fürst Liechtenstein (1656–1721) wurde zum erklärten Favoriten des jungen Habsburgers und erfreute sich bis zu seinem frühen Tod 1722 der uneingeschränkten Gunst Karls. Er bekleidete nie einen hohen politischen Posten bei Hof, konnte aber durch seine unmittelbare Nähe zum Erzherzog, König und späteren Kaiser Karl VI. erheblichen Einfluss auf diesen ausüben und nützte das auch nach Kräften zur Förderung seiner Familie. Seine Eheschließung mit der Marchesa Pignatelli förderte seine Nähe zum Kaiser ebenfalls, da auch Karl Maria Anna große Sympathien entgegen brachte12. 9   Die umfassendste Biographie zu Maria Anna Pignatelli Althann ist immer noch die unpubliziert gebliebene Diplomarbeit von Franz Pichorner aus dem Jahr 1985: Franz Pichorner, Die „spahnische“ Althann. Maria Anna Josepha Gräfin Althann, geborene Marchesa Pignatelli (1689–1755). Ihre politische und gesellschaftliche Rolle während der Regierung Karls VI. und Maria Theresias (Dipl. Wien 1985). 10  Das Geschlecht der Mutter soll angeblich aus Sizilien stammen; Pichorner, Althann (wie Anm. 9) 6. 11  Für das Jahr 1706 kann man einen Aufenthalt im Kloster San Pedro zu Barcelona nachweisen: Pichorner, Althann (wie Anm. 9) 8. 12  Eine amouröse Beziehung von Karl mit Maria Anna Pignatelli wird sowohl in der älteren Literatur wie auch in der Arbeit von Pichorner als nicht realistisch angesehen: Hugo Hantsch, Die drei großen Relationen St. Saphorins über die inneren Verhältnisse am Wiener Hof zur Zeit Karls VI. MIÖG 58 (1950) 625–636, hier 632f.; Alphons Lhotsky, Kaiser Karl VI. und sein Hof im Jahre 1712/13. MIÖG 66 (1958) 52–80, hier 66–68; Pichorner, Althann (wie Anm. 9) 18f.

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Nachdem Karl nach dem Tod seines Bruders Joseph I. zum römisch-deutschen Kaiser gewählt worden war, begleitete das Ehepaar Althann Pignatelli den neuen Herrscher nach Wien und nahm bald eine bedeutende Rolle am Kaiserhof und in der Wiener Hofgesellschaft ein13. Michael Johann von Althann erhielt von dem neuen Kaiser Karl VI. zahlreiche Ämter und Gunstbeweise, er wurde Vliesritter, Erzschenk und 1716 Oberststallmeister, ein Amt, durch welches er immer in der Nähe des Kaisers sein konnte14. Michael Johann war einer der wenigen engen Vertrauten von Kaiser Karl VI15. Er sah den Herrscher fast täglich und wurde von ihm offensichtlich immer wieder bei wichtigen Entscheidungen zu Rate gezogen, ohne dass er je ein politisches Amt in einem hohen Gremium wie der Geheimen Konferenz bekleidet hätte16. Johann Michael versuchte also nicht, ein bedeutendes politisches Amt zu erlangen, aber er trachtete danach „seinen Einfluß mit den Mitteln einer Protektions- und Patronagepolitik zu steigern“17. Seine Aktivitäten lassen sich besonders gut aus den Gesandtschaftsberichten der Zeit ersehen, besonders aus den Berichten des englischen Gesandten François Louis de Pesme, Seigneur de Saint-Saphorin (1668–1737)18 und aus einer sehr ausführlichen Relation des savoyischen Gesandten Conte Martino di Baldissero aus 171319. In den Gesandtschafts13  Lady Mary Montague schildert in einem ihrer Briefe aus Wien ihre Teilnahme an einer Gala für den Grafen Althann, die sie als besonders prächtig beschreibt: “I saw t’other day the gala for count Altheim, the emperors favourite, and never in my life saw so many fine clothes illfancied. They embroider the richest gold stuffs; and provided they can make their clothes expensive enough, that is all the taste they shew in them”; Letters from the Right Honourable Lady Mary Montague 1709 to 1762, hg. von Reginald Brimley Johnson (London 1906) 76. 14   Pichorner, Althann (wie Anm. 9) 31: Von Amts wegen musste er am Hof wohnen und konnte im Wagen des Kaisers sitzen, wenn dieser ausfuhr. 15  Es bleibt aber bis heute ungeklärt, welchem Umstand er diese Rolle verdankte. Andreas Pečar vermutet, dass es sich wohl um eine echte persönliche Sympathie des Kaisers handelte, da Karl zwar alle Adeligen, die ihn bereits am Hof in Barcelona gedient hatten, nach der Rückkehr in Wien förderte, aber nur Althann eine so enge Beziehung zum Herrscher unterhielt: Andreas Pečar, Favorit ohne Geschäftsbereich. Johann Michael Graf von Althann (1679–1722) am Kaiserhof Karls VI., in: Der zweite Mann im Staat. Oberste Amtsträger und Favoriten im Umkreis der Reichsfürsten in der Frühen Neuzeit, hg. von Michael Kaiser–dems. (ZHF Beih. 32, Berlin 2003) 331–344. Neue Erkenntnisse zur Beziehung zwischen Althann und Karl VI. werden sich durch die Edition der Tagebücher Karls VI. ergeben, an der Franz-Stefan Seitschek derzeit im Rahmen eines Dissertationsprojekts arbeitet. Bislang vgl. hierzu: Oswald Redlich, Die Tagebücher Kaiser Karls VI., in: Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe für Heinrich Ritter von Srbik zum 60. Geburtstag am 10. Nov. 1938, hg. von Wilhelm Bauer (München 1938) 141–151; als neuerer Zugang Stefan Seitschek, Die sogenannten Tagebücher Kaiser Karls VI. – Ein Editionsprojekt, in: Neuere Editionen der sogenannten „Ego-Dokumente“ und andere Projekte in den Editionswissenschaften, hg. von Helmut Flachenecker–Janusz Tandecki (Publikationen des Deutsch-Polnischen Gesprächskreises für Quellenedition/Publikacje Niemiecko-Polskiej Grupy Dyskusyjnej do Spraw Edycji Źródeł 7, Toruń 2016) 107–140. 16   Pečar stellt in seinem Aufsatz bedauernd fest, dass die Gespräche zwischen dem Kaiser und seinem Favoriten, die gewissermaßen das Rückgrat der besonderen Vertrauensstellung waren, keinerlei Spuren in den Quellen hinterlassen haben: Pečar, Favorit (wie Anm. 15) 338. 17  Ebd. 340. 18  Besonders ausführliche Beschreibungen des Hofes enthalten drei diplomatische Relationen der Jahre 1719, 1720 und 1721, die in der Literatur immer wieder als Quelle für den Hof Karls VI. herangezogen worden sind: Hantsch, Die drei großen Relationen (wie Anm. 12). Theo Gehling hat sich in seiner Dissertation von 1964 mit der gesamten Zeit Saint-Saphorins am Wiener Hof beschäftigt: Theo Gehling, Ein europäischer Diplomat am Kaiserhof zu Wien. Francois Louis de Pesme, Seigneur de Saint-Saphorin als englischer Resident am Wiener Hof 1718–1727 (Bonner Historische Forschungen 25, Bonn 1964). 19  Graf San Martino di Baldissero verließ Wien im Spätsommer 1713 und musste auf seiner Heimreise zweimal aufgrund von Pestepidemien in Quarantäne. Während dieser längeren Unterbrechungen seiner Reise verfasste er eine ausführliche Schilderung des Wiener Hofs: Relazione della corte di Vienna del conte San



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berichten wird am Wiener Hof stets von einer starken Parteienbildung gesprochen, wobei besonders der „spanischen Partei“ – mit den von Karl VI. aus Barcelona mitgebrachten Amtsträgern, wie etwa dem Erzbischof von Valencia Antonio Folch de Cardona (1657– 1724), dem Grafen Rocco Stella (1662–1720) und auch Ramon Vilana Perlas, später Marchese di Rialp (1663–1741) – ein übermächtiger und meist negativer Einfluß auf den Kaiser zugesprochen wird. Eine weitere Gruppierung wird um den Reichsvizekanzler Friedrich Karl Graf von Schönborn (1674–1746) verortet und als „deutsche Partei“ bezeichnet, während eine dritte Gruppierung von den leitenden Ministern der Geheimen Konferenz gebildet wurde, dem Österreichischen Hofkanzler Philipp Ludwig Graf von Sinzendorf (1671–1742), Gundaker Graf von Starhemberg (1663–1745), Obersthofmeister Johann Leopold Fürst Trautson (1659–1724) und dem Prinzen Eugen von Savoyen (1663–1736); letztere wurden als „österreichische Partei“ bezeichnet. Allerdings waren die Gruppierungen stets einer gewissen Fluktuation unterworfen, und nur die „spanische Partei“ scheint als Gruppierung auch jenseits des Hofes erkennbar (und in der Bevölkerung misstrauisch beäugt) gewesen zu sein20. Michael Johann bemühte sich, vor allem für die gemeinsam mit Karl aus Barcelona gekommenen vornehmlich katalanischen, spanischen und zum Teil auch neapolitanischen Adeligen kaiserliche Gunstbeweise zu erreichen21, protegierte aber auch andere Hofmitglieder22. Die Herrschaften der Familie konnten ebenfalls durch die kaiserlichen Gunstbeweise vergrößert und ausgebaut werden. 1719 schenkte der Kaiser Michael Johann die Herrschaft Murinsel/Međimurje mit der Feste Csakathurn/Čakovec, welcher Besitz auch mit dem Titel eines Erbobergespans des Zalaer Komitats verbunden war. Bereits kurz nach der Ankunft in Wien hatte die Familie ein Palais in der Schenkenstraße zur Verfügung gestellt bekommen23. Das Lehen von Roccaguglielma in Neapel wurden erst nach Johann Micheals Tod 1722 an seine Witwe übertragen24. 1727 erhielt sie auch das Eigentum am Martino di Baldissero, in: Relazioni di ambasciatori Sabaudi, Genovesi e Veneti durante il periodo della grande alleanza e della successione di Spagna (1693–1713), hg. von Carlo Morandi (Fonti per la storia d’Italia 1, Bologna 1935) 89–140; ausgewertet in: Lhotsky, Kaiser Karl VI. (wie Anm. 12). 20  Siehe Peter Gasser, Das spanische Königtum Karls VI. in Wien. MÖStA 6 (1953) 184–196. 21  Saint-Saphorin schreibt in seiner Relation vom 5. Juni 1721 von dem schlechten Einfluss, den der Favorit und seine spanische Fraktion ausübten: „d’un coté le favori et sa faction espagnole“. Saint-Saphorin an Lord Townshend, 5. Juni 1721, London, National Archives, State Papers 80/43, fol. 185v. 22  Pečar bringt das Beispiel eines Hofkammerrats: Pečar, Favorit (wie Anm. 15) 340; aus dem heute in der ÖNB verwahrten Briefwechsel Althanns aus den Jahren 1719–1722 mit dem Statthalter in Mailand Hieronymus Graf von Colloredo lässt sich deutlich seine Position als „Broker“ in einem System höfischer Patronage ersehen: ÖNB, Cod. 5632. Von Interesse ist auch der Briefwechsel zwischen Johann Michael Althann und Johann Wenzel Graf von Gallas aus den Jahren 1715–1719: ÖStA, AVA, FA Harrach, Kt. 67. Ein Kontext, in welchem Anna Maria gemeinsam mit ihrem Gatten in den späten 1710er Jahren in einer Patronageposition nachweisbar ist, stellt die der Konversion der Gräfin von Schwerin dar: Mémoires de la comtesse de Schwerin. Une conversion au XVIIIe siècle, hg. von Maurice Daumas–Claudia Ulbrich, unter Mitarbeit von Sebastian Kühn–Nina Mönich–Ines Peper (Pessac 2013) 258. Freilich verdeutlicht dieselbe Quelle, wie peripher gemessen an Vertretern der „reichischen“ Partei der Beitrag des Ehepaars Althann war. Für den Hinweis auf diese Quelle sei Ines Peper herzlich gedankt. 23   Es handelte sich dabei um das ehemalige Palais der spanischen Könige in Wien, das bis zum Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs Wohnsitz der spanischen Botschafter am Wiener Hof gewesen war. Vgl. Relazione della corte di Vienna (wie Anm. 19) 120; Wilhelm Hauser, Das Geschlecht derer von Althann (Diss. Wien 1949) 84. 24  Maria Anna hatte bei ihrer Eheschließung 1709 eine Mitgiftrente von 3.000 Dukaten zugesagt bekommen, aber nie Geld erhalten. Die Übertragung des Lehens erfolgte an Zahlungsstatt ihrer Mitgiftforderung: Benedikt, Königreich Neapel (wie Anm. 8) 361, sowie ÖStA, HHStA, ISR, Neapel Collectanea, Kt. 24 (alt fasc. 42), nicht foliiert.

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Wiener Palais25. Michael Johann Graf von Althann verstarb am 16. März 1722 überraschend und hinterließ eine 33jährige Witwe und mehrere Kinder, für die der Kaiser sich selbst als Vormund deklarierte und denen er zahlreiche weitere Gnadenerweise gewährte: Neben den bereits erwähnten Besitzungen, bezahlte er auch die Schulden26. Maria Anna blieb weiterhin in der Gunst des Kaisers und widmete sich in den folgenden Jahren vor allem ihren Kindern und den familiären Besitzungen. Einen Eindruck von ihrer Persönlichkeit und ihrem Befinden in dieser Zeit gestatten die zahlreichen Briefe, die sie an ihren Verwandten Franz Josef Graf von Czernin (1697– 1733) und seine Frau Isabella Maria (1703–1780) schrieb27. Im Familienarchiv Czernin wird die Korrespondenz zwischen Maria Anna und Franz Josef Graf von Czernin aus den Jahren 1723 bis 1732 aufbewahrt. Die Briefe von Maria Anna sind in französischer bzw. italienischer Sprache verfasst und kreisen thematisch vor allem um Familienangelegenheiten. Ein großer Teil der Nachrichten betrifft die Krankheiten der einzelnen Familienmitglieder, die Entwicklung der Kinder, die Verwaltung der Güter sowie Reisen, vor allem jene Maria Annas nach ihren mährischen Besitzungen, besonders Schloss Joslowitz/Jaroslavice. Ein weiterer mährischer Besitz, der Maria Anna sehr am Herzen lag, Schloss Frain/ Vranov nad Dyjí, wurde in dieser Zeit von ihr aus- und umgebaut28. Die Herrschaft Frain war seit 1618 und erneut seit 1680 im Besitz der Familie Althann und wurde 1722 gemeinsam mit der sich seit 1609 im Familienbesitz befindlichen Herrschaft Joslowitz an Maria Annas siebenjährigen Sohn Michael Anton (1716–1774) übertragen. Seine Mutter übernahm die Herrschaft als Vormünderin ihres Sohnes, und da Michael Anton eine militärische Laufbahn einschlug, übertrug er seiner Mutter die Verwaltung auf Lebenszeit. Schloss Frain war bereits im späten 17. Jahrhundert von Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656–1723) erweitert und umgestaltet worden, Maria Anna setzte diese Bautätigkeit fort, um sich eine angemessene ländliche Residenz zu schaffen, wie sie dies bei anderen Mitgliedern des Hofes, auf deren Landsitze sie eingeladen wurde, sehen konnte29. Gut ablesen lässt sich an den Briefen auch, wie Graf Czernin versuchte, Maria Annas Kontakte bei Hof für seine Karriere zu nützen. Freilich kam es trotz ihrer immer wiederholten Versicherungen, ihm in allem beistehen zu wollen, zu keinen Erfolgen. Einerseits hatte Franz Josef Czernin stets mit Gichtanfällen zu kämpfen und fuhr statt nach Wien   Pichorner, Althann (wie Anm. 12) 43f.   Pečar, Favorit (wie Anm. 15) 342. 27   Isabella Maria, geborene Gräfin von Merode, war die Tochter von Johann Philipp Eugen Graf von Merode-Westerloo, seit 1717 kaiserlicher Feldmarschall, und seiner ersten Frau Maria Theresia Pignatelli, Herzogin von Monteleone. Der Feldmarschall beschreibt in seinen Memoiren ausführlich die Brautwerbung und Eheschließung seiner Tochter mit dem Grafen Czernin und erwähnt dabei auch, dass der Ehevertrag dem Kaiser durch den Grafen Althann überbracht wurde: Jean-Philippe-Eugène de Merode-Westerloo, Mémoires de Feld-Maréchal Comte de Merode-Westerloo, Chevalier de la Toison d’Or, Capitaine de Trabans de l’Empereur Charles VI., Bd. 2 (Bruxelles 1840) 145. Petr Maťa sei für den Hinweis auf den Briefwechsel, der sich im SOA Třeboň/JH befindet, sowie die Überlassung von Scans herzlich gedankt. Der Briefwechsel wurde von Pichorner nicht ausgewertet. Eine biographische Skizze von Franz Josef Czernin: Petra Vokáčová, Příběhy o hrdé pokoře. Aristokracie českých zemí v době baroka [Geschichten der stolzen Demut. Aristokratie der böhmischen Länder im Barockzeitalter] (Praha 2004) 413–465. 28  Vgl. Pichorner, Althann (wie Anm. 12) 81–94 (ein Kapitel über Schloss Frain). 29  Maria Anna Pignatelli Althann an Franz Josef Czernin, 13. Aug. 1729, SOA Třeboň/JH, RAČ, Kt. 350, worin die Autorin von einem Jagdausflug nach Schloss Hof berichtet: J’etois partie ce meme jour pour un des biens de Mr. Le prince Eugene situe a environ 8 lieues d’icy nomme Hoff, c’est l’endroit le plus agréable et le mieux conditionné […]. 25 26



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meist nur nach Teplitz/Teplice zur Badekur; andererseits war Maria Anna primär damit beschäftigt, die eigenen Kinder zu versorgen30. Sie teilte Czernin auch mit, dass sie bei ihren Besuchen beim Kaiser nicht einmal über die Angelegenheiten ihrer eigenen Familie sprechen könne31 und dass ihre Verpflichtungen bei Hof sie sehr beschäftigen würden32. Hinsichtlich der Anliegen eines Cousins von Franz Josef, Wenzel Graf von Czernin, lässt sich aber doch ersehen, wie Maria Anna ihre Verbindungen nützen konnte. In dieser Angelegenheit, bei dem es um einen Posten des Altstädter Hauptmanns in Prag ging, suchte sie den böhmischen Oberstkanzler Franz Ferdinand Kinsky (1678–1741) auf, um sich für Wenzel Czernin einzusetzen; im weiteren Briefwechsel hält sie Franz Josef über den Gang der Geschehnisse auf dem Laufenden33. Die bisher behandelten Briefe bewegen sich klar im Bereich aristokratischer Familienkorrespondenzen; Gelehrsamkeit und ihre Exponenten kommen praktisch nicht vor. Eine andere Perspektive bietet hingegen jene Korrespondenz, auf die sich die Behauptung von Maria Annas Mäzenatentum von Poeten und Gelehrten mit dem meisten Recht stützen kann: jene des seit 1730 in Wien lebenden Hofpoeten und Librettisten Pietro Metastasio (1698–1782). Die Korrespondenz Metastasios – vornehmlich mit Italien – liegt gedruckt vor34, und das Register verzeichnet 110 Nennungen von Anna Maria Pignatelli zwischen 1738 und 1755 in seinen Briefen. Diese Nennungen bestehen oft in Grüßen, nicht selten jedoch auch in substantielleren Mitteilungen, die von Franz Pichorner ausgewertet wurden35. Maria Anna hatte Metastasio bereits 1720 in Neapel bei der Hochzeit ihres Bruders Antonio mit Francesca Pinelli kennengelernt. Das Ehepaar Pignatelli Pinelli förderte Metastasio in Neapel, und er schrieb den Eheleuten auch nach seiner Übersiedlung nach Wien regelmäßig. Seine Berufung zum Hofpoeten dürfte Metastasio dann auch den guten Kontakten der Familie Althann Pignatelli verdanken, er wurde aber auch von anderen Mitgliedern der „spanischen“ Partei gefördert. Die engen Verbindungen zu Maria Anna lassen sich an Metastasios Korrespondenz ablesen, da er sie in zahlreichen Briefen an unterschiedliche Empfänger erwähnte. Ebenso geht aus den Briefen hervor, dass er sich ab dem Jahr 1738 bis zu Maria Annas Tod 1755 regelmäßig auf ihren mährischen Schlössern Frain und Joslowitz aufhielt. Von September 1741 bis 1742 lebte er mit ihr auf Schloss Csakathurn, nachdem beide Wien aufgrund der gefährlichen Situation während des ­Österreichischen Erbfolgekriegs verlassen hatten. Aber auch in Metastasios Korrespondenz geht es primär um Maria Annas Gesundheit, 30  Im gesamten ersten Halbjahr 1728 ist Maria Anna damit beschäftigt, ihre älteste Tochter zu verheiraten, und hat keine Zeit für Czernins Angelegenheiten. Sie vertröstet ihn in den Briefen immer wieder, auch wenn die Hochzeit von Maria Theresia mit dem Grafen Leopold Dietrichstein bereits im Mai 1728 stattfand, siehe Ehevertrag vom 11. Mai 1728, ÖStA, HHStA, Hofarchive, Obersthofmeisteramt, Sonderreihe 12-6, fol. 1r–17v. 31   non posso avere l’ardire di parlargliene perche ne meno de li affari di mia casa, di figli non li parlo, Maria Anna Pignatelli Althann an Franz Josef Czernin, 16. Juli 1727, SOA Třeboň/JH, RAČ, Kt. 347. 32   Kaiserin Elisabeth Christine ist krank und Maria Anna muss jeden Tag ihre Pflichten bei Hof erfüllen: d’y rendre toute les jours mes tres humbles devoirs, Maria Anna Pignatelli Althann an Franz Josef Czernin, 17. Dez. 1727, ebd., Kt. 348. 33   Maria Anna Pignatelli Althann an Franz Josef Czernin, 21. Mai 1727, ebd., Kt. 346: Maria Anna verspricht, dass sie sich für den Verwandten Wenzel Czernin verwenden wird, der eine Stelle als Hauptmann der Altstadt Prag erreichen möchte. 34  Tutte le opere di Pietro Metastasio, hg. von Bruno Brunelli, Bd. 3: Lettere (Milano 1951); Bd. 4: Lettere (Milano 1954); Bd. 5: Lettere (Milano 1954). 35  Pichorner, Althann (wie Anm. 12) 63–89 (Kapitel „Die Beziehungen zum Hofpoeten Pietro Metastasio“).

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Familie und Reisen sowie um ihre Position als Mäzenin. Eine Erwähnung ihres Interesses für Gelehrsamkeit oder gar eines Kontaktes mit gelehrten Benediktinern ist nicht zu finden. Man kann aus Metastasios Briefen nur den Personenkreis rekonstruieren, den sie in Wien und auf ihren Landsitzen versammelte; hier handelte es sich, wenig überraschend, vor allem um die in Wien lebenden Italiener. Dieser Befund wird durch einem Bericht des venezianischen Gesandten Antonio Diedo (1703–1785) zum Jahr 1748 bestätigt, in welchem die Wiener Gesellschaft charakterisiert wird: „Die spanische Althann, geborene Pignatelli, deren verstorbener Gatte Michael Althann als Oberstallmeister bei Karl VI. viel galt, gibt trotz ihres hohen Alters noch Abendgesellschaften, bei welchen es etwas förmlich hergeht. Die wenigen Besucher sind Spanier und Italiener, darunter der päpstliche Nuntius und der Textdichter Abbate Metastasio.36“

Bernhard und Hieronymus Pez, Gottfried Bessel – und die „spanische Althann“? Bernhard (1683–1735) und Hieronymus Pez (1685–1762), Benediktinergelehrte aus dem niederösterreichischen Kloster Melk, und Gottfried Bessel (1672–1749), Abt des nahegelegenen und ebenfalls benediktinischen Stiftes Göttweig, traten in der älteren Historiographie, meist gemeinsam genannt, als die ersten Exponenten moderner Quellenkritik in den österreichischen Ländern auf37. Alle drei waren auf dem Gebiet der historischkritischen Gelehrsamkeit tätig. Bernhard Pez initiierte das letztlich gescheiterte Projekt einer benediktinischen Literargeschichte, aus welchem eine Anzahl von Quelleneditionen hervorging; sein Bruder Hieronymus übernahm die Bearbeitung und Herausgabe des bei den Recherchen anfallenden historiographischen Materials, insbesondere zur „österreichischen“ Geschichte38. Gottfried Bessel dagegen bemühte sich um die Erarbeitung einer „deutschen“ Diplomatik – eine Überarbeitung von Jean Mabillons (1632–1707) „De re diplomatica“ auf der Basis „deutscher“ Urkunden39. Während für die Brüder Pez, wie gezeigt werden soll, der Kontakt mit Honoratioren außerhalb des Klosters keineswegs selbstverständlich war, bewegte sich Bessel als Prälat, Ständeverordneter, Mainzer Offizial und Hoftheologe auch in den Kreisen der Wiener 36  Ignaz Philipp Dengel, Ein Kulturbild von Alt-Wien vor 200 Jahren. UH 17 (1946) 1–11, hier 4. Die Übersetzung stammt von Dengel. – Ein anschauliches Bild der Wiener Hofgesellschaft aus dieser Phase findet sich bei: Elisabeth Garms-Cornides, On n’a qu’a vouloir, et tout est possible oder i bin halt wer i bin. Eine Gebrauchsanweisung für den Wiener Hof, geschrieben von Friedrich August Harrach für seinen Bruder Ferdinand Bonaventura, in: Adel im „langen“ 18. Jahrhundert, hg. von Gabriele Haug-Moritz–Hans-Peter Hye–Marlies Raffler (Zentraleuropa-Studien 14, Wien 2009), 89–111. 37  Etwa Anna Coreth, Österreichische Geschichtschreibung in der Barockzeit (1620–1740) (VKNGÖ 37, Wien 1950). 38   Zu den Brüdern Pez: Christine Glassner, Verzeichnis der im Nachlaß der Melker Historiker Bernhard und Hieronymus Pez erhaltenen Briefe. StMBO 110 (1999) 195–243; Eduard Ernst Katschthaler, Über Bernhard Pez und dessen Briefnachlass. Jahres-Bericht des k. k. Obergymnasiums der Benedictiner zu Melk 39 (1889) 3–106; Thomas Wallnig, Gasthaus und Gelehrsamkeit. Studien zu Herkunft und Bildungsweg von Bernhard Pez OSB vor 1709 (VIÖG 48, Wien–München 2007). Siehe auch die weiter unten (Anm. 41 und 42) zitierten Bände der Pez-Korrespondenz. 39  Zu Gottfried Bessel: Gregor Martin Lechner–Michael Grünwald, Gottfried Bessel (1672–1749) und das barocke Göttweig. Zum 250. Todesjahr des Abtes. Ausstellung des Archivs und der Sammlungen des Stiftes Göttweig/Niederösterreich, 24. April bis 15. November 1999 (Furth bei Göttweig 1999); Peter G. Tropper, Urkundenlehre in Österreich vom frühen 18. Jahrhundert bis zur Errichtung der „Schule für Österreichische Geschichtsforschung“ 1854 (Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 28, Graz 1994).



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Hocharistokratie. Die Brüder Pez stammten aus einer Gastwirtsfamilie in Ybbs an der Donau. Sie brachten vorwiegend Kontakte ins Kloster mit, die auf die Verwobenheit von kleinstädtische-ländlicher Elite und den großen Prälatenklöstern deuten40; Bessel hingegen entstammte einer Familie von Militärs aus Buchen im Odenwald, und war aus dem Kloster Seligenstadt heraus von Lothar Franz Graf von Schönborn (1655–1729), Erzbischof von Mainz, in seine Dienste genommen und als politischer Agent aufgebaut worden. Die Brüder Pez (insbesondere Bernhard) rangen unter Berufung auf die Notwendigkeiten monastischer Gelehrsamkeit um eine Ausweitung ihres Aktionsradius in Form von finanziellen Zuwendungen, um einen gewissen Eigen-Ermessensspielraum im Hinblick auf Reisen und Korrespondenz41 sowie um die Schaffung eigener Strukturen für diese Form von akademischem Monastizismus. Insbesondere im Rahmen der seit dem 17. Jahrhundert in Wien immer wieder ventilierten Pläne zur Gründung einer Akademie der Wissenschaften spielte Bernhard Pez in den 1710er und 1720er Jahren eine nicht unwesentliche Rolle42. Dies und in Verbindung damit das bei Hof Platz greifende Bewusstsein für die Notwendigkeit systematisierter historisch-rechtsgeschichtlicher Arbeit im Dienste der „Monarchia Austriaca“ bildeten demnach die natürlichen Schnittstellen der ansonsten vornehmlich benediktinischen Pez-Korrespondenz mit Kreisen des Wiener Hofes. Hier ist freilich einerseits hinzuweisen auf die nicht unerhebliche Beeinträchtigung dieser Kontakte durch die andauernden Spannungen zwischen Bernhard Pez und seinem Abt Berthold Dietmayr (1670–1739)43. Auch ist zu unterscheiden zwischen den gleich näher zu besprechenden Personen meist im Umfeld der Hofbibliothek, die allenfalls aus kleinadeligen Familien stammten, einerseits; andererseits den wenigen überlieferten Kontakten – und damit auch der ableitbaren Kommunikationsschwelle – mit tatsächlich hochadeligen und einflussreichen Personen. Dabei konnte Pez schon früh in seiner Karriere die Hofbibliothek konsultieren44; der Kontakt mit Präfekt Johann Benedikt Gentilotti von Engelsbrunn (1672–1725) dauerte 40  Edgar Krausen, Aufstiegsmöglichkeiten für soziale Unterschichten. Beispiele aus katholischen Prälatenklöstern, in: Gesellschaftliche Unterschichten in den südwestdeutschen Städten, hg. von Erich Maschke– Jürgen Sydow (Stuttgart 1967) 161–166. 41  Thomas Stockinger, Stabilitas loci und vita activa. Die Mobilität der Konventualen des barocken Benediktinerstiftes Melk anhand der Prioratsephemeriden, in: Leben und Alltag in böhmisch-mährischen und niederösterreichischen Klöstern in Spätmittelalter und Neuzeit, hg. von Heidemarie Specht–Tomáš Černušák (Monastica Historia 1, St. Pölten–Brno 2011) 245–265. Zu den nicht direkt angesprochenen Hindernissen für ein gelehrtes Zusammensein in Wien 1714: Johann Christoph Bartenstein an Bernhard Pez, 24. Nov. 1714, Thomas Wallnig–Thomas Stockinger (Bearb.), Die gelehrte Korrespondenz der Brüder Pez. Text, Regesten, Kommentare, 1: 1709–1715 (QIÖG 2/1, Wien–München 2010) 622–626, Nr. 375. 42   Thomas Stockinger–Thomas Wallnig–Patrick Fiska–Ines Peper–Manuela Mayer, unter Mitarbeit von Claudia Sojer (Bearb.), Die gelehrte Korrespondenz der Brüder Pez. Text, Regesten, Kommentare, 2: 1716–1718 (QIÖG 2/2, Wien–München 2015) 2–42. 43   Ines Peper, Bernhard Pez und der Wiener Hof. Ein labiles Verhältnis, in: Melk in der barocken Gelehrtenrepublik. Die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez, ihre Forschungen und Netzwerke, hg. von Cornelia Faustmann–Gottfried Glassner–Thomas Wallnig (Thesaurus Mellicensis 2, Melk 2014) 135–139; Thomas Wallnig, Der Konflikt zwischen Bernhard Pez und Abt Berthold Dietmayr, in: ebd. 189–195; Hugo Hantsch, Bernhard Pez und Abt Berthold Dietmayr. MIÖG 71 (1963) 128–139. 44  Diese Kontakte sind gut nachvollziehbar in Wallnig–Stockinger, Gelehrte Korrespondenz 1 (wie Anm. 41). Christine Glassner, Bernard Pez et les tentatives pour créer une académie bénédictine en Autriche, in: Académies et sociétés savantes en Europe (1650–1800), hg. von Daniel-Odon Hurel–Gérard Laudin (Paris 2000) 491–507.

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trotz der öffentlichen Kontroverse mit Bernhard Pez 1717/18 auch in den 1720er Jahren an. Der Kreis der in diesen Austausch involvierten Personen erweiterte sich 1721 um Georg Wilhelm von Hohendorff († 1719), Celestino Lorefice († 1726) und Apostolo Zeno (1668–1750)45. Mit dem Sizilianischen Historiographen und Benediktiner Lorefice besprach Bernhard Pez gegen Ende der 1720er Jahre auch die Akademiepläne46, in die er in der Folge der gemeinsam mit Obersthofkanzler Philipp Ludwig Graf von Sinzendorf unternommenen Frankreichreise 1728/29 auch zentral involviert war. Weitere Gesprächspartner bei Hof in dieser Phase waren der Hofhistoriograph Gottfried Philipp Spannagel († 1749) und Hofbibliothekspräfekt Pio Niccolò Garelli (1670–1739); ersichtlich ist die aktive Position Sinzendorfs47, ableitbar die passive Haltung anderer Hocharistokraten. Bereits beim ersten Pezschen Akademie-Anlauf 1718 waren Personen aus dem Umfeld der Hofbibliothek und Kreise der Wiener Hocharistokratie involviert gewesen. Der unter anderem mit diesen Plänen in Zusammenhang stehende Konflikt mit Abt Dietmayr scheint aber ebendiese Kreise veranlasst zu haben, auf sichtbare Distanz zu Pez zu gehen48. Als wenig hilfreich erwiesen sich dieselben Kreise auch, als Bernhard Pez und ein Teil des Konvents 1722/23 Kaiser und Nuntius in ihre Auseinandersetzung mit dem Abt einzubeziehen suchten. Kontakte der Brüder Pez zu Maria Anna Pignatelli Althann sind in keiner dieser Phasen nachweisbar (auch nicht auf der Ebene der Dedikationsepisteln) und aufgrund des anhaltenden Konflikts mit den Superioren auch sehr unwahrscheinlich. Die Phase verstärkter Zusammenarbeit Bernhard Pez’ mit Sinzendorf kam 1731 durch einen weiteren Skandal zu einem Ende, in den auch Sinzendorf unmittelbar verwickelt war49. Zwei Gegenproben erhärten diesen grundsätzlichen Befund. Die – freilich nur fragmentarisch erhaltene – Korrespondenz des in den Eingangszitaten ebenfalls erwähnten Reichshofratspräsidenten Johann Wilhelm Graf von Wurmbrand (1670–1750)50 kennt Pez, Bessel und zahlreiche andere historisch-kritisch tätige Gelehrte, auch Sinzendorf; kaum Kontakte existieren aber nach Italien oder zu Italienern in Wien, keiner zu Johann Michael oder Maria Anna (Pignatelli) Althann. Die weitaus umfangreichere und bereits im 18. Jahrhundert gedruckte Korrespondenz von Apostolo Zeno – ebenfalls einer der vermeintlichen Salonbesucher bei Gräfin Pignatelli Althann – dokumentiert hingegen nicht nur dessen mehr als zehnjährigen Aufenthalt 45  Die in der Folge zitierten Briefe wurden für die verbleibenden Bände der Pez-Edition von Ines Peper erstbearbeitet. Autorin und Autor danken für die Möglichkeit der Einsichtnahme. Johann Benedikt Gentilotti von Engelsbrunn an Bernhard Pez, 1. Nov. 1721, StiA Melk, Kt. 7/7, PKB III, 260r–261v [ebenso in: Vinzenz Staufer, Litterae Viri Clarissimi Joannis Benedicti Gentilotti ab Engelsbrun ad PP. Bernardum et Hieronymum Pez. Jahres-Bericht des kaiserlich-königlichen Ober-Gymnasiums zu Melk 13 (1863) 3–28, hier 22f.]; Celestino Lorefice an Bernhard Pez, 21. Sept. 1721, StiA Melk, Kt. 7/7, PKB II, fol. 346r–v. Der Kontakt mit Zeno war ursprünglich von dem Benediktinergelehrten Giuseppe Maria Sandi aus S. Giustina zu Padua angebahnt worden; siehe Apostolo Zeno an Bernhard Pez. 23. Sept. 1722; ÖNB, HAS 4/2-1. 46  Celestino Lorefice an Bernhard Pez, 6 Aug. 1729, StiA Melk, Kt. 7/7, PKB II, fol. 354r–355r; ders. an dens. 28. Aug. 1729, ebd. fol. 356r–v; Gottfried Philipp von Spannagel an Bernhard Pez, 7. Juli 1730, ÖNB, HAS 36/65-1. 47  Vgl. etwa Marquard Herrgott an Bernhard Pez, 18. Juni 1729, ÖNB, 36/63-1. 48  Johann Christoph Bartenstein an Bernhard Pez, 22. Sept. 1718, Stockinger et al., Gelehrte Korrespondenz 2 (wie Anm. 42), 1010–1014, Nr. 977. 49  Peper, Pez und der Wiener Hof (wie Anm. 43). 50  Die Originale befinden sich im Wurmbrandschen FA auf Schloss Steyersberg, Abschriften in ÖNB, Cod. S. N. 2770/1. Die Korrespondenz wurde ausführlich verwertet in: Stefan Benz, Zwischen Tradition und Kritik. Katholische Geschichtsschreibung im barocken Heiligen Römischen Reich (Historische Studien 473, Husum 2003). Dort werden auch zahlreiche andere hier angerissene Thematiken diskutiert.



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als Hofdichter in Wien zwischen 1718 und 1729, sondern auch sein Wiener Gesichtsfeld. Der Tod Johann Michael von Althanns 1722 wird lapidar in einem Postskriptum anlässlich des Besuches von Herzog Gianfederico von Modena (1700–1727) erwähnt: „I comici italiani sono stati congedati da questo imperiale servigio. Hanno perduto il loro principale appoggio il fu conte Althan, al quale si è terminato a celebrare i funerali.51” 1723 erwähnt Zeno das Erscheinen des vierten Bandes des Pezschen „Thesausrus anecdotorum novissimus“ – unter „novità letterarie“, ohne Enthusiasmus oder nähere Beziehung zu Werk und Autor sowie mit einem Anflug von Fadesse52. Erwähnenswert an Pez erscheint Zeno in diesem Brief an Bernardo de Rubeis (1687–1775) denn auch eher der einige Jahre zurückliegende Streit mit Hofbibliothekspräfekt Gentilotti53. Zenos benediktinische Zirkel in Italien und in Wien waren andere als die der Brüder Pez, sieht man von Lorefice ab54; andere waren generell auch die Gelehrtenkreise in Wien55 sowie die Kontakte bei Hof56. Nach Zenos Rückkehr nach Venedig enthalten die wenigen Briefe in Richtung Wien keine Grüße. Metastasio war Zenos Nachfolger in Wien, und es wurde weiter oben deutlich, wie stark Maria Anna Pignatelli Althann in der entsprechenden Kor­respondenz präsent ist – freilich erst seit den späten 1730er und verstärkt in den 1740er Jahren, als Bernhard Pez schon seit geraumer Zeit tot war. Was verrät nun die Korrespondenz Abt Gottfried Bessels57 über mögliche Kontakte zu Maria Anna Pignatelli Althann? Eine Verbindungslinie führt – wie schon im Fall der Brüder Pez – zu den kaiserlichen Sammlungen, konkret zum Münzkabinett, dem Karl Gustav Heräus (1671–1725) vorstand. Er arbeitete bisweilen eng mit Johann Emanuel Fischer von Erlach (1693–1742) zusammen58, der seinerseits, wie gezeigt wurde, für Maria Anna tätig war. Nichtsdestoweniger bewegen sich die Aussagen, die Heräus Bessel gegenüber zur Familie Althann macht, im Bereich der Neuigkeiten von Hof und zeugen nicht notwendigerweise von Vertrautheit: persenex quaedam vidua comes [!] ab Althann innubere cogitat Holsatiae duci; et altera in serenissimam familiam Wirtembergicam collocabitur, quin et viduata coniux Mikoschiana, quam caesar C mille florenis dotaturus esse dicitur59. Johann ­Michaels Tod 1722 wird beklagt und Maria Annas Rolle bei den Trauerzeremonien erwähnt – Quum ante aliquot dies ad aras apud Scotos defunctus comes ab Althann inferialibus sacris expiaretur, domina comes vidua [!] par officium induxit, quod etiam reverendus pa-

51   Apostolo Zeno an Andrea Cornaro, 28. März 1722, Lettere di Apostolo Zeno, cittadino veneziano, istorico e poeta cesareo, 2 (Venezia 1752) 246. 52   Ders. an dens., 19. Juni 1723, ebd. 277f. 53   Ebd. Konkret geht es darum, dass der Gegenstand des Streites, der „Codex Udalrici, per cui il P. Pez e ‘l Sig Gentilotti vennero in contesa, come a lei è noto“, nun in Johann Georg Eckharts „Corpus historicum medii aevi“ erschienen ist. 54   Apostolo Zeno an Pier Caterino Zeno, 23. Dez. 1724, ebd. 356. 55   Ders. an dens., 8. Dez. 1725, ebd. 400–402. 56   Ders. an dens., 26. Feb. 1726, ebd. 407–410. 57   Die Korrespondenz von Gottfried Bessel verteilt sich auf mehrere Handschriften der StiB Göttweig und wird gegenwärtig zum ersten Mal umfassend katalogisiert; sie dürfte, abhängig von der Definition, mehrere Tausend Briefe enthalten. In der Vergangenheit am meisten herangezogen wurden die Bände Cod. 687–692; Kurzregesten einiger weniger Briefe finden sich bei: Edmund Vašiček, Abt Gottfried Bessel von Göttweig. Ein Lebensbild (Wien 1912). 58   Anders Hammarlund, Famam servare. The Adventures of Carl Gustav Heraeus (1671–1725). Politics and Art in the Baroque of Vienna, Stockholm and Uppsala (Institutionen för Östeuropastudier, Arbetsrapporter 48, Uppsala 1999) 459. 59   Karl Gustav Heräus an Gottfried Bessel, 31. Jan. 1722, StiB Göttweig, Cod. 691, fol. 3r–4v.

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ter praefectus inibi persolvit60. Der benediktinische Kontakt hier ist der zu den Schotten, und der Fokus im weiteren Textverlauf liegt auf Hofbaudirektor Gundaker von Althann (1655–1744) und einer Inschrift zu dessen Ehren, die Heräus für das Gestüt Halbturn entwarf. Ein wenig später verfasster Brief erwähnt noch einmal kurz die kaiserliche Fürsorge für die halbverwaisten Kinder Althanns: Imperator superstitibus dominis comitis ab Althann III filiis palatium, quo vocant, Hispanicum et praesignia munera alia donavit61. Dieses Schlaglicht auf Heräus’ und Bessels Blick auf die Familie Althann – einmal mehr aus der Perspektive der kaiserlichen Gunstbeweise – ist insofern bedeutsam, als der Kontext ein klar höfisch-aristokratischer und nur insofern ein gelehrter ist, als die für Heräus und Zeno kennzeichnende Schnittstelle zwischen Antiquarianismus und literarisch-epigraphischer Produktion im Dienste politischer Repräsentation den Hintergrund bildet. Diese Gemengelage charakterisiert im Wesenlichen auch die übrigen Althann-Kontakte der Bessel-Korrespondenz. Namentlich der erwähnte Gundaker von Althann berichtete Bessel 1724 von einer Jagd gemeinsam mit dem Kaiser62, während Bessel 1732 eine Münze an den Numismatiker und Historker Johann David Köhler (1684–1755) in Altdorf sendete, die vom Kaiser aus Anlass der Grundsteinlegung des Göttweiger Neubaus nach dem Brand von 1718 durch Gundaker von Althann ausgegeben worden war63. Gut fügt sich in dieses Bild, dass Karl Newen von Newenstein (1683–1767) aus demselben Anlass eine Festschrift publiziert hatte64. Bekannt ist auch Althanns bildliche Präsenz in der Freskierung von Göttweig65. 1739 bemühte Gundaker Bessel abermals, weil er eine Grabinschrift für sich selbst verfasst haben wollte66. Noch weiter entfernt von gelehrten Themen ist der kurze Austausch Bessels mit Kardinal Michael Friedrich von Althann (1680–1734): 1720 empfahl der Abt dem in Rom weilenden kaiserlichen Botschafter seinen Bruder Johann Franz Bessel, Sekretär der Rota67; Kardinal Althann sendete dann zu den Festtagen und zum Jahreswechsel 1720/21 Glückwünsche68. Sieht man also von der ephemeren Erwähnung bei Heräus 1722 ab, so spielt Anna Maria von Althann in keiner der bisher besprochenen Korrespondenzen eine Rolle. Während dieser Befund bei den Brüdern Pez in Ermangelung hochadeliger Kontakte wenig   Ders. an dens., 29. März 1722, ebd. fol. 5r–6v. Vgl. auch Hauser, Geschlecht (wie Anm. 23) 88.   Ders. an dens., 5. Apr. 1722, ebd. fol. 7r–8v. Vgl. auch Hauser, Geschlecht (wie Anm. 23) 88f. 62  Gundaker Althann an Gottfried Bessel, 20. Okt. 1724, StiB Göttweig, Cod. 687, fol. 178r–179v. 63  Gottfried Bessel an Johann David Köhler, 4. Dez. 1732, ebd. fol. 373r–374v. 64  Johann Karl Newen von Newenstein, ΠΡΩΤΟΛΙΘΟΣ invetustae aedis sacrae Gottwicensis, auspice imperatore Caesare Augusto Pio, Carolo VI, antiquae gloriae restauratore, auctore novae, ab illustrissimo et excellentissimo domino domino Gundaccaro Sacri Romani Imperii comite ab Althann positus [Wien 1719]. Zu Newen vgl. Elisabeth Klecker–Franz Römer, Comitia centuriata in regia Pisonis, in: Decus Sapientiae. Sambucus supplementum III, hg. von Ľudmila Buzássyová–Erika Juríková–Nicol Sipekiová (Trnava 2011) 156–169. 65  Österreichs Glorie am Trogerhimmel: Die Göttweiger Kaiserstiege. Zum 250. Todesjahr Paul Trogers (1698–1762). Sonderausstellung Benediktinerstift Göttweig, hg. von Gregor M. Lechner–Bernhard Rameder (Göttweig 2012) 20, 23. 66   Gottfried Bessel an Gundaker Althann, 17. Aug. 1739, StiB Göttweig, Cod. 687, fol. 409r–410v; ders. an dens., 1. Sept. 1739, ebd., fol. 411r–413v; ders. an dens., 19. Jan. 1740, ebd., fol. 414r–415v. Zwei autographe Schreiben G. (wohl Gundaker) Althanns aus Murstetten ohne Jahresdatierung (ebd., fol. 405r–406v; 407r–408v) kreisen primär um militärische Fragen. 67  Gottfried Bessel an Michael Friedrich Althann, 23. Nov. 1720, StiB Göttweig, Cod. 689, fol. 177r– 178v. 68  Michael Friedrich Althann an Gottfried Bessel, 18. Jan. 1721, StiB Göttweig, Cod. 687, fol. 83r–85v. 60 61



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überrascht, mag der selben Beobachtung bei Bessel, der mit einigen hochadeligen Akteuren brieflich verkehrte, mehr Bedeutung zukommen. Es ist freilich keineswegs ausgeschlossen, dass persönliche Kontakte nicht dokumentiert oder im reichhaltigen Quellenmaterial noch nicht aufgefunden wurden; dennoch findet sich an den Stellen, wo eine engere Beziehung in Form von Grüßen oder Berichten dokumentiert sein könnte, kein Hinweis darauf. Viel deutet darauf hin, dass tatsächlich Unterschiede zwischen den „reichischen“ und den „italienisch/spanischen“ Kreisen bei Hof bestanden. Eine letzte Gegenprobe bestätigt diesen Befund abermals: Auch die Wiener Kontakte des gelehrten St. Blasianers Marquard Herrgott (1694–1762) – der freilich um 1730 auch in politischer Mission in Wien weilte – deuten nicht in Richtung von Maria Anna69.

Anstelle einer Lösung: Noch mehr Fragen Fassen wir zusammen: Für die Brüder Pez kann überhaupt kein Kontakt zu Maria Anna Pignatelli Althann nachgewiesen werden, für Gottfried Bessel lediglich peripher und mittelbar durch Dritte. Gemeinsame Kontaktpersonen waren bei den Brüdern Pez die „Italiener“ am Hof, die ebenfalls an Akademieplänen interessiert waren, sowie andere Personen im Umkreis der kaiserlichen Sammlungen; bei Bessel zusätzlich andere Mitglieder der Familie Althann. In beiden Fällen handelte es sich nicht um zentrale Kontakte im Umfeld der Pez oder Bessels. Hinzu kommt, dass Bessel Zeit seines Lebens der Familie Schönborn, damit Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn und der „reichischen“ Partei in Wien verbunden blieb; seine italienischen Verbindungen waren vor allem römisch und kurial. Engere Kontakte zu Mitgliedern der „spanischen Partei“ in Wien sind nicht augenfällig70. Woher kommt also die farbenfrohe Geschichte von der adeligen spanischen Salonnière, welche im fernen Wien die lokalen benediktinischen Geistesgrößen um sich geschart haben soll? Gehen wir noch einmal zurück zu Moritz Bermann und der Vorrede zum 1851 erschienenen ersten Band seines „Österreichischen Biographischen Lexikons“. Wir lesen71: „Das vorliegende biographische Lexikon ist die Frucht achtzehnjährigen Fleißes. Aus Liebe zu meinem Vaterlande Oesterreich und aus besonderer Vorliebe zu biographischen Studien machte ich schon als neunjähriger Knabe in dieser Hinsicht vielfache Excerpte, welche als die Grundlage des vorliegenden Werkes mit Recht betrachtet werden können“. Noch konkreter wird Bermann – zur Zeit der Abfassung des Textes 28 Jahre jung – bei den Dankesworten an die Personen, auf deren Rat und Material er sein Vorhaben stützen konnte. Die Liste kulminiert: „Was soll ich ferner sprechen von Franz Gräffer, meinem nachbarlichen Freunde, der in mir den Trieb nach Wissen bestärkte, in dessen Nähe ich meine ganze Jugend zugebracht, dessen Schriften ich zum Theile als eine kostbare 69  Josef Peter Ortner, Marquard Herrgott (1694–1762). Sein Leben und Wirken als Historiker und Diplomat (VKNGÖ 5, Wien 1972) 34–44, 55f. 70  Einzuräumen ist bei diesem Befund, dass sich die vorliegende Studie auf die Kenntnis von Korrespondenzen stützt – eine hinreichend genaue der Pez- und Althann-Korrespondenz und auf eine summarische der Bessel-Korrespondenz –, jedoch keine systematische Durchsicht anderer relevanter Quellen, etwa der Melker und Göttweiger Prioratsephemeriden/-diarien erfolgen konnte. Ebensowenig eingesehen wurde die Große Korrespondenz im HHStA, wo insbesondere die Korrespondenz Sinzendorfs von Bedeutung ist. 71  Bermann, Vorrede (wie Anm. 3) I.

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Fundgrube vaterländischer Erinnerungen betrachte und von dessen Lippen ich mit Eifer die köstlichen Perlen seiner Litteratur- und Quellenkenntnis schöpfte!! – Endlich mein würdiger verstorbener Vater Sigmund Bermann, der mir von früher Kindheit an Gefühl für wissenschaftliche Bestrebungen einzuflößen gewußt, der seine Kunst-Erfahrungen in unschätzbaren Notaten hinterließ und dessen Grabstein mit vollem Rechte die eherne Inschrift Trägt: ‚Unvergeßlich den Seinen und der Kunstwelt!‘72“ Ist es zu gewagt, annehmen zu wollen, dass eine der Grundlagen für die „Litteratur- und Quellenkenntnis“ Franz Gräffers – mit Johann Cikann Herausgeber der „Österreichischen Nationalencyklopädie“ –, dass eine der Grundlagen für Vater Sigmund Bermanns „unschätzbare Notate“ und Sohn Moritz’, zarten Alters, gelehrtes Exzerpieren in Joseph von Hormayrs „Taschenbuch für die vaterländische Geschichte“ zu suchen sein könnte? Der in der Folge zitierte Artikel erschien im fünften Jahrgang der Neuen Folge besagten „Taschenbuchs“, bereits in München, im Jahre 1834 – Moritz Berman war elf Jahre alt, arbeitete also bereits seit zwei Jahren an seinem Lexikon. Er steht ohne namentliche Zeichnung unter dem wenig einschlägigen Titel „Die Abwendung des Umsturzes der ungarischen Verfassung durch zwei edle Frauen“73. Rahmenthema ist die (angebliche) Verhinderung einer militärischen Intervention gegen die ständische Verfassung in Ungarn durch den persönlichen Einsatz von Eleonore Batthyány-Strattmann und eben Maria Anna Pignatelli Althann. Von Interesse für unseren Zusammenhang ist freilich die Weise, in welcher Letztere vorgestellt wird: „Die schöne und geistreiche Herzogin von Pignatelli-Belriguardo war Carln nach Wien gefolgt, mit so vielen edlen Familien Spaniens und beider Sicilien. So wenig der Kaiser von der herrlichen Frau lassen wollte, so ernsthaft dachten beide daran, durch ihre Verheiratung am Hofe desto sicherer einander vereinigt zu bleiben. – Darauf dachte der Kämmerer und Stallmeister Althann sich ein dauerhaftes Glücksloos zu gründen. Carl hatte ihm Güter in Spanien geschenkt, das Loos des Krieges hatte sie ihm wieder genommen. Er warf sich nun seinem vielgeliebten Herrn zu Füßen und bat ihn, als Ersatz für das um seinetwillen Verlorne, um die Sicherheit seiner Anstellung am Hofe. Er denke, sich zu vermählen, er liebe innig, um so weniger wolle er länger zuwarten und dem, ihm vom schaalen Höflingswitze beigelegten Zunamen: ‚alt Hahn‘ verdienen. – Der Kaiser fragte ihn nach dem Namen der Geliebten und da Althann die Pignatelli nannte, mit Befremden und zugleich mit wohlverborgener, innerer Freude: ob denn Althann auf ihr Jawort rechnen dürfe? Der kluge Höfling erwiederte: Vorerst hätte er des Monarchen Willensmeinung einholen müssen, anders erlaubten ihm seine Umstände nicht, an eine so edle Verbindung zu denken. Carl befahl ihm, um die Pignatelli zu werben und seiner Zustimmung zu erwähnen. Der Kaiser schenkte dem Brautpaar die große Insel der Mur, die herrliche, ungarische Herrschaft Muraköz, beförderte ihn nach und nach zum Obergespan des Szalader-Comitates, zum Oberststallmeister, Ritter des goldnen Vließes und beim Erlöschen der Grafen von Limburg zum Erbschenken des heiligen, römischen Reiches. – Die ‚spanische Althann‘ (so hieß sie von nun an in Wien) gebrauchte ihren ganzen Einfluß zur Emporhebung der Nationalbildung, insonderheit der Dichtkunst und der Malerei. – Apostolo Zeno, Metastasio, der Leibarzt Garelli waren ihre Freunde und Schützlinge. – Sie war den großen   Ebd. VII.   [Anonymus,] Die Abwendung des Umsturzes der ungarischen Verfassung durch zwei edle Frauen. Taschenbuch der vaterländischen Geschichte [hg. von Joseph von Hormayr] N. F. 5 (1834) 281–290. 72 73



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Benedictinern von S. Maure, von St. Blasien, von Melk, von Göttweig, (dem Abte Gottfried Bessel und den berühmten Herausgebern, Bernhard und Hieronymus Pez) enge verbunden. – Der Staatskanzler Ludwig Philipp, Graf von Sinzendorf durfte keinen Congreß besuchen, ohne österreichische Gelehrte und Künstler in seinem Gefolge zu haben. Selbst Kennerin der Genealogie und Heraldik, war hierin der gelehrte Reichshofrathspräsident, Graf Wurmbrand ganz ihr Mann.74“ Die Szene, in welcher die beiden „edlen“ Frauen den Kaiser tränenreich beknien, die Ungarn nach dem Frieden von Passarowitz nicht ihrer Freiheiten zu berauben, wurde in einem Fresko und einem Ölgemälde auf Schloss Csakathurn dargestellt. „Jeder Castellan, jeder Beamte“ – so der Text in Hormayrs „Taschenbuch“ abschließend zur Geschichte des „längst nicht mehr Althannischen, sondern Festetitsischen Schlosses Csàktornya“75 – „erzählt die Geschichte mit vielen Nebenumständen, aus alter, vom Vater zum Sohne fortgepflanzter Überlieferung. […] Die interessantesten Nebenumstände darüber, erzählte den zahlreichen, in- und ausländischen Verehrern und Besuchern (aus den Althannischen und Batthianyischen, Szechenyischen, Illeshazyschen und aus seinen eigenen Familienpapieren) der edle Stifter des Georgicons im nahen Keszthely, Graf Georg Festetits, auch aus der Geschichte des Reichstags von 1790, als damaliger Rittmeister von Gräven-Husaren, allen Patrioten bekannt und werth“. Hat Georg Festetics (Juraj Feštetić, † 1819) zusammen mit dem Schloss auch die Sage von der Gräfin und dem Mönch erworben? Hat sich eine oral tradierte Fremdenführeranekdote aus der Zeit um 1800 dadurch, dass sie oft genug ohne Beleg abgeschrieben wurde, zu einem Drittel der maßgeblichen Biographie Maria Annas verfestigt?

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  Ebd., 285f.   Ebd., 289.

Bekehrungen zum Katholizismus im Maria-Theresianischen Zeitalter: Erwartungen und Realität Von Olga Khavanova

Nachdeme ich hier in Hungarn meine studia vollendet hätte, auch andere länder und universitäten besuchet, allwo mich in zu meinen stand erforderlichen wissenschaften, lebensarten und sprachen dermassen geübet, daß glück mit meiner in Hungarn zurückkunft, durch die so genannte augustinische confessions stände neuer pfahr in Pester gespanschaft bin vorgesetzet, von danen nach Presspurg in die jeszenakische stift als regens berufen, hernach aber vor einen praecticanten nach Pongyelak in Kis-Hontenser district gestellt worden, folgens durch ganze zwanzig jahre die lehre des Lutheri beständig gelehrt und verkündigt, anbei doch das wahre licht zu erkennen mich bemüht, ursache dessen auch unterschiedliche römisch-catholische bücher gelesen, und die wahrheit zu ergründen gegen einander gestellt. Nun aber durch meine angewendete mühe und absonderliche gnade des heiligen geistes bin also erleuchtet, das ich den 29te des nächst verflossenen monats Martii zu Presspurg bei denen erwürdigen p.p. jesuiten in gegenwart aller adelichen ständen, der fremden lehre frei und öffentlich wieder gesprochen und des wahren glaubens bekäntnuß abgelegt […]1. Mit diesen Worten fasste der ehemalige lutherische Pfarrer Johann Baptist Sztanovszky († 1776) im April 1762 die Geschichte seines Lebens zusammen, wenige Wochen nach seiner Konversion zum Katholizismus. Der Text ist Bestandteil einer Supplik, in der er Kaiserin Maria Theresia ersuchte, ihn bei der Bewerbung um eine Senatoren- oder Ratsstelle in der Stadt Bösing/Pezinok/Bazin zu unterstützen. Die Bitte wurde schließlich gewährt; sicherlich nicht ohne Unterstützung der einflussreichen Kleriker und Staatsmänner, die den „reuigen“ Sünder zur Bekehrung bewegt hatten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die Epoche der spektakulären Bekehrungen von aristokratischen Protestanten einerseits und von einfachen Taufzeremonien für gewöhnliche Untertanen andererseits allmählich vorbei. Ein Beweis dafür ist nicht zuletzt das spärliche Budget der so genannten Konvertitenkassa, die von Kaiserin Eleonora Magdalena 1720 testamentarisch eingerichtet worden war, aber erst um 1741 über ausreichend Kapital verfügte, um zumindest an einige Bedürftige aus dem Umfeld des Wiener Hofes2 geringe Pensionen zu zahlen. Nichtsdestotrotz gingen diejenigen, die aus verschiedenen Ursachen zum Katholizismus konvertiert waren, davon aus, dass dieser persönliche Akt gleichzeitig eine soziale und politische Dimension hatte, auf welche Obrigkeiten und Monarchen reagieren sollten.   ÖStA, FHKA, Hoffinanz Ungarn und Siebenbürgen, Fasz. r. Nr. 908, 16. Apr. 1761, fol. 376r.   Ines Peper, Konversionen im Umkreis des Wiener Hofes um 1700 (VIÖG 55, Wien 2010) 71–84.

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Diese Zuversicht auf fürstliche Gnade und Unterstützung war nicht zuletzt mit den Entwicklungen des sogenannten konfessionellen Zeitalters3 verbunden. In der Habsburgermonarchie war es bekanntlich aufgrund einer konsolidierenden Verknüpfung von weltlicher Macht und Gegenreformation im 17. Jahrhundert gelungen, Spannungen zwischen Adel und Dynastie zu überwinden und die Gesellschaft politisch zu festigen. Der Katholizismus avancierte in den meisten Ländern der Monarchie zum einzig offiziell anerkannten Bekenntnis4. Freiwillige oder erzwungene Konversionen in allen sozialen Schichten waren ebenso Bestandteil dieses Prozesses wie die Flucht bzw. Auswanderung jener, die standhaft beim protestantischen Bekenntnis bleiben wollten5. Ein Bericht des Grafen Nikolaus Esterházy (1711–1764), kaiserlichen Botschafters am Petersburger Hof, spiegelt die im 18. Jahrhundert verbreitete Auffassung wider, dass ein habsburgischer Untertan nur Katholik sein dürfe. Im April 1754 schrieb er empört an Staatskanzler Graf Wenzel Anton Kaunitz (1711–1794), dass der böhmische Graf Franz Josef von Waldstein (1719–1758), der sich seit 1749 in Russland befand, die Tochter eines russischen Aristokraten heiraten wolle. Die Zustimmung der Zarin Elisabeth sei zu dieser heurat nur in so lange nicht erfolget, bis sich der Graf Wallenstein zu der russischen religion bekennet haben wird. Der aufgeregte Diplomat behauptete: Nun hat der Graf von Wallenstein seit meiner hiesigen anwesenheit mein haus zwar wenig besuchet, nach einem so gestalteten absprung aber werde ich ihme selbsten alle gelegenheiten entziehen, solches für das zukünftige betreten zu können6. Der Triumph des Barockkatholizismus war in der Mitte des 18. Jahrhunderts so offensichtlich, dass die Frage der Konversion allmählich an Schärfe verloren hatte. In der Tat wurde der Adel in den habsburgischen Erblanden fast ohne Ausnahme, in Ungarn zumindest zu einem erheblichen Teil, rekatholisiert. Schon Grete Klingenstein formulierte, dass fast das ganze 18. Jahrhundert lang Toleranz und Intoleranz in der Habsburgermonarchie nebeneinander existierten7. Das trifft nicht nur für Siebenbürgen zu, wo die Habsbur3  Harm Klueting, Das konfessionelle Zeitalter, 1525–1648 (Stuttgart 1989); Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfession, 1500–1650, hg. von Anton Schilling–Walter Ziegler, 7 Bde. (Münster 1989–1997); Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993, hg. von Wolfgang Reinhard–Heinz Schilling (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 135, Münster 1995); Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa: Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, hg. von Joachim Bahlcke–Arno Strohmeyer (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 7, Stuttgart 1999); Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter, 2 Bde. (Österreichische Geschichte 1522–1699, Wien 2003); Gabriela Erdélyi, Confessional identity and models of aristocratic conversion in seventeenth- and eighteenth-century Hungary. Social History 40/4 (2015) 473–496. 4   Martin Scheutz bezeichnete dies als staatlich betriebene Konfessionalisierung, siehe Martin Scheutz, Glaubenswechsel als Massenphänomen in der Habsburgermonarchie im 17. und 18. Jahrhundert – Konversionen bei Hof sowie die „Bekehrung“ der Namenlosen, in: Geheimprotestantismus und evangelische Kirchen in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg (17./18. Jahrhundert), hg. von Rudolf Leeb–Martin Scheutz–Dietmar Weikl (VIÖG 51, Wien 2008) 431–455, hier 431. 5  Robert J. W. Evans, The Making of the Habsburg Monarchy, 1550–1700 (Oxford 1979) 157–274; Arno Herzig, Der Zwang zum wahren Glauben. Rekatholisierung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (Göttingen 2000) 11–14. 6  Nikolaus Esterházy an Wenzel Anton Kaunitz, Post Scriptum secundum zum Bericht Nr. 10, 13. Apr. 1754 (Moskau), ÖStA, HHStA, Staatenabteilungen, Russland II., Kt. 36, Berichte Jänner–April 1754, fol. 3r–v. 7  Grete Klingenstein, Modes of religious tolerance and intolerance in eighteenth-century Habsburg politics. AHY 24 (1993) 1–16, hier 3.



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ger das Edikt von Thorenburg/Turda/Torda von 1568 nicht förmlich widerrufen hatten8, oder für Ungarn, wo das Gesetz von 1608 (später begrenzt und öfters gebrochen) religiöse Verfolgung der Lutheraner und Calvinisten untersagte9, sondern dies gilt auch für Niederösterreich, wo noch nach dem Westfälischen Frieden von 1648 Protestanten adeliger Herkunft ihre Religion nur privat ausüben durften10. Ein Beispiel selbstbewussten Kampfes für die religiösen Rechte in Ungarn vor dem Toleranzpatent von 1781 stellt die Bittschrift der Calvinistin Juliana Bíró dar. Deren Mann Paul Ondrejkovics war Katholik und sprach ihr das im Ehevertrag fixierte Recht ab, die gemeinsamen Kinder im calvinistischen Bekenntnis zu erziehen. Sie wandte sich deshalb mit folgenden Worten an die Königliche Ungarische Statthalterei: „Ohne Zweifel setzte die Natur auf mich, weil sie mich zur Mutter meiner Kinder gemacht hatte. Ich übernahm die Verpflichtungen und Sorgen für ihre Nahrung und Erziehung, und obendrein, wie ich das für nötig halte, ließ ich sie in den Wissenschaften und in derjenigen Religion ausbilden, von deren Wahrheit ich überzeugt bin“. Aufgrund der Gesetze des Königreichs verlangte sie ihr „von der Natur und dem Ehevertrag abgeleitetes Recht, die eigenen Kinder in meinem Glauben erziehen zu lassen“11. Mit anderen Worten: Das protestantische Bekenntnis blieb eine Option für viele, die aus Familientradition, aus politischen oder moralischen Gründen dieser Konfession verbunden waren, auch wenn es klar war, dass dieses Bekenntnis zur Aberkennung politischer Rechte führen konnte und ein Hindernis für soziale wie politische Karrieren darstellte12. Allerdings wurden natürlich Beispiele spektakulärer Bekehrungen (wie das erwähnte Exemplum des Pastors Sztanovszky) von der katholischen Kirche in Szene gesetzt, um das soziale Potential von Konversionen in der Öffentlichkeit anzudeuten. Für die Beantwortung der Frage, warum der eine oder andere Untertan sich zu einer Konversion bewegen ließ, stehen Historikern bestenfalls meist lückenhafte Angaben aus Tagebüchern, Korrespondenzen und anderen Ego-Dokumenten zur Verfügung. Thomas Winkelbauer warnte in seinem Aufsatz „Karrieristen oder fromme Männer“13 vor vor8   Mihály Balázs, Tolerant country – misunderstood laws. Interpreting sixteenth-century Transylvanian legislation concerning religion. Hungarian Historical Review 2 (2013) 85–108. 9  Robert J. W. Evans, Die Grenzen der Konfessionalisierung. Die Folgern der Gegenreformation für die Habsburgerländer (1650–1781), in: Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa (wie Anm. 3) 395–412, hier 408; Jean Bérenger, Tolérance ou paix de religion en Europe Centrale (1415–1792) (Bibliothėque d’histoire moderne et contemporaine 3, Paris 2000) 111–147. 10   William D. Godsey, Adelsautonomie, Konfession und Nation im österreichischen Absolutismus ca. 1620–1848. ZHF 33 (2006) 197–239, hier 220. 11  MNL – OL, C 43, Magyar Királyi Helytartótanács Levéltára [Archiv der Königlichen Ungarischen Statthalterei], Acta secundum referentes, Hlavács János, 265. cs., 1780, Nr. 19 (Original Latein). Die Bittschrift findet sich unter den Akten des Rates Johann von Hlavács, der in den 1780er Jahren die Gesuche der Untertanen in konfessionellen Fragen referierte, also zu rechtlichen Fragen, konfessionell-gemischten Ehen oder finanzieller Unterstützung von Konvertiten. 12   In der ungarischen Geschichte ist der Fall des Schriftstellers György Bessenyeis (1746/47–1811) besonders bekannt: Der junge Protestant aus dem Szabolcser Komitat kommt 1765 nach Wien als Offizier der ungarischen Leibgarde, 1779 bekehrte er sich zum Katholizismus in der Hoffnung, eine Stelle an der Hof­ bibliothek zu erhalten, aber nach dem Tod Maria Theresias musste er nach Ungarn zurückkehren, wo er sich mit Komitatsgeschäften beschäftigte. 13   Thomas Winkelbauer, Karrieristen oder fromme Männer? Adelige Konvertiten in den böhmischen und österreichischen Ländern um 1600. frühneuzeit-info 10 (1999) 9–20; ders., Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters (MIÖG, Ergbd. 34, Wien–München 1999).

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schnellen und einseitigen Interpretationen dieses Phänomens: Neben Pragmatikern, die vorrangig ihre Positionen am Wiener Hof festigen wollten, und tiefgläubigen Christen, die erst nach quälenden Zweifeln zum Katholizismus (als dem in ihren Augen ganzheitlichen, wohl auch emotional attraktiveren Glauben) gekommen waren, findet man eine ganze Reihe von Fällen, in denen sehr unterschiedliche Argumente ineinander spielten. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam auch Ines Peper an Hand von Material der 1670er bis 1720er Jahre. Sie konnte darin keine scharfe Trennung zwischen rein religiös motivierten, „echten“ Konversionen einerseits und rein weltlich motivierten „opportunistischen“ Glaubenswechseln feststellen und hält diese Unterscheidung nicht für zielführend. Auch die individuelle „Bekehrung“ zum katholischen Bekenntnis schloss keineswegs das Bewusstsein darüber aus, dass ein Konversionswechsel oft erhebliche Auswirkungen auf die soziale und materielle Situation des/der Konvertiten hatte14. Dies formulierte etwa der gebildete Richter und Senator Vazul Damjanovich aus der südungarischen Stadt Sombor/Zombor. Dieser Amtsträger, der neun Sprachen beherrschte und über gründliche Kenntnisse in der Rechts- und Kameralwissenschaft verfügte (Verfasser eines Arithmetik-Lehrbuches15), konvertierte 1767 zum griechisch-katholischen Bekenntnis. Als er sich in der Folge um die Stelle eines Kameral-Administration-Assessors bewarb, betonte er deutlich: „Zur heiligen Union bin ich nicht durch Vorteil bewegt, denn ich leide an keiner Geldverlegenheit, sondern einzig und allein durch die Erkenntnis, in welch Irrtum ich bislang gelebt habe“16.

Motive und Anlässe für Konversionen: Schule, Karriere und Armut Im Folgenden werden Fälle von Konversionen17 vom lutherischen oder calvinischen Bekenntnis zum Katholizismus thematisiert, die Supplikanten bei Gesuchen um Stellen, Stipendien, Pensionen oder Gnadengelder ins Treffen führten. Darüber hinaus wird versucht, die Beweggründe dieser Konvertiten zu analysieren und den Erfolg ihrer Strategie zu ermessen. Quellengrundlage bilden dabei Suppliken an Zentral- und Landesbehörden der Habsburgermonarchie wie die Hofkammer in Wien, die Ungarische Kammer in Pressburg, die Ungarische Hofkanzlei in Wien sowie die Königlich Ungarische Statthalterei in Pressburg. Die Hofkammer ist dabei von besonderem Interesse, denn ihr waren Zoll-, Maut-, Salz- und Post-Ämter unterstellt, so dass dort eine erhebliche Zahl vakanter Stellen zu besetzen war. Um diese Stellen bewarben sich immer wieder konvertierte Untertanen. Die Obrigkeiten führten keine Statistik, die den Anteil der Konvertiten im Personal beleuchtet hätte, aber die Einzelfälle – in Zusammenschau betrachtet – gewähren einen guten Einblick in die Interessen des Wiener Hofs bezüglich dieser gesellschaftlichen Gruppe. Freilich bleibt zu betonen, dass die hier verwendeten Quellen die wahren Ursachen einer Bekehrung nur sehr selten verraten. Nur in Einzelfällen kann es gelingen, die Vorgeschichte dieser Gesuche zu rekonstruieren und durch tiefergehende Quellen wie Tagebücher und Briefe zu ergänzen. Zum Beispiel bat Oberleutnant Engelhardt Sonntag   Peper, Konversionen (wie Anm. 2) 232.   Vasul Damjanovich, Novaja serbskaja aritmetika [...] (V Mletkach [Venedig] 1767). 16  ÖStA, FHKA, UC, Fasz. r. Nr. 592, Subd. 2, Nr. 43 ex Aug. 1776 (Original Latein). 17  Zur Problemstellung siehe: Kim Siebenhüner, Glaubenswechsel in der Frühen Neuzeit. Chancen und Tendenzen einer historischen Konversionsforschung. ZHF 34 (2007) 243–272. 14 15



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(* 1733)18 im Infanterieregiment Graf Anton Károlyis (1732–1791) seinen Kommandeur um Beistand, weil er den Rang eines Oberleutnants so schnell wie möglich niederlegen wolle, um sich in ein Kloster zurückzuziehen: So unterstehe mich den umstand meines gedanken in untertanigkeit schriftlich zu entdeken. Dieser bestehet mit wenigem darinnen, meine noch übrige lebenszeit Gott in der einsamkeit zu wiedmen. Zu diesem ende habe mir die gegend des stifftes S[ank]ti Blasii in dem Schwartzwald auserlesen, als in welchem mein vater durch einen ausgesezten probsten dem ruf nach in ansehen gestanden und allwo ich von denen sehr eyfrig catholischen inwohnern als ein convertit alle erdenkliche liebe zu erwarten nicht zweifeln darf. Eine vollkommene innerliche prüfung hat mich zu dieser standesveränderung in allen stücken geschikt gemacht und meine gemüths-neigung sichert mich zur gnüge, daß diese unternehmung keiner zeit mich gereuen machen werde19. Allerdings erlauben es die Gesuche, die Amtskorrespondenz und andere administrative Dokumente, den diskursiven Charakter einer Konversion zum Katholizismus nachzuvollziehen, weil dieser Religionswechsel in der Dialogsituation der Untertanen mit der Obrigkeit eine wichtige Rolle spielen konnte. Als die Kehrseite der diskriminierenden Maßnahmen gegen Nicht-Katholiken in der Habsburgermonarchie galten materielle Belohnung und moralische Ermutigung für diejenigen, die in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehrten. Mit aller Deutlichkeit zeigte sich dies etwa im Schulwesen. Die Allianz der Habsburger mit der katholischen Kirche führte dazu, dass deren erfolgreichster Agent im Bereich der Ausbildung – die Gesellschaft Jesu – den Markt der Erziehungsdienstleistungen nahezu monopolisierte und mit jesuitischen Unterrichtsmethoden mehr als eine Generation von Menschen zu loyalen Katholiken erzog20. Die Gesellschaft praktizierte verschiedene Formen der „weichen“ Rekatholisierung: Die Jesuiten hatten nichts dagegen, wenn auch Protestanten ihre Schulen besuchten; sie versuchten, durch eigenes Beispiel zu überzeugen21. Allerdings hatte das Collegium Nobilium Theresianum Societatis Jesu22, eine adelige Schule in Wien, welche die Patronage des Wiener Hofs genoss, in dem Vierteljahrhundert unter jesuitischer Leitung keinen Protestanten aus Siebenbürgen aufgenommen; alle Zöglinge aus diesem Fürstentum, Aristokraten wie Kleinadelige, waren entweder Katholiken oder entstammten den bereits rekatholisierten Zweigen ihrer Familien23.   Ich danke Balázs Lázár für die Hilfe bei der Ergänzung der biografischen Angaben.   Engelhardt von Sonntag an Graf Anton Károlyi, 8. Juli 1764 (o. O). MNL – OL, P 398, Károlyi család levéltára, Missiles, 147. d. Nr. 6588. 20   Robert Bireley SJ, The Refashioning of Catholicism, 1450–1700. A Reassessment of the Counter Reformation (Washington 1999) 121–146. 21  Olga Khavanova, Königliche Stipendien als Instrument der Sozialpolitik im Ungarn des 18. Jahrhunderts, in: Schulstiftungen und Studienfinanzierung. Bildungsmäzenatentum im Spannungsfeld von Konfession, Landespatriotismus und frühmodernen Nationsgedanken in den böhmischen, österreichischen und ungarischen Ländern 1500–1800, hg. von Joachim Bahlcke–Thomas Winkelbauer (VIÖG 58, Wien 2011) 351–369. 22   Max Freiherr von Gemmell-Flischbach, Album der k. k. Theresianischen Akademie (1746–1913). Verzeichnis sämtlicher Angehörigen der k. k. Theresianischen Akademie (ehemals k. k. Theresianische Ritterakademie) [...] mit kurzen biographischen Daten (Wien 1913); Eugen Guglia, Das Theresianum in Wien (Wien 1912); Olga Khavanova, Der ungarische Adel am Wiener Theresianum im 18. Jahrhundert: die sozialen und kulturellen Grenzen einer politischen Nation, in: Österreichisch-ungarische Beziehungen auf dem Gebiet des Hochschulwesens, hg. von Zsolt K. Lengyel–József Zsigmond Nagy–Gábor Ujváry (Székesfehérvár–Buda­pest 2010) 107–122. 23   Wertvolle Angaben zu den religiösen Bekenntnissen der siebenbürgischen Aristokratie findet man in den Memoiren Georg von Rettegis, siehe: György Rettegi, Emlékezetre méltó dolgok, 1718–1784 [Erinnerungen an die bemerkenswerten Dinge, 1718–1784], hg. von Zsigmond Jakó (Bukarest 1970). 18 19

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Um die Aufnahmepolitik für die vom Landesherr finanzierten Stipendienplätze im Königreich Ungarn zu verstehen, ist eine Randbemerkung Maria Theresias in einem Memorandum der Ungarischen Hofkanzlei aus dem Jahr 1773 hilfreich: Vor die […] erledigte stift-plätze, werden theils convertiten, theils aber verwayste und wohlmeritirter vättern ihre kinder vorgeschlagen24. Das spiegelte zweifelsohne eine ältere Praxis wider. Als Beispiel d ­ afür kann das Schicksal des ungarischen Adeligen Paul Kaspar Szunyoghi aus dem ­Szabolscer Komitat dienen. Im Jahre 1751 konvertierte der damals Achtjährige gemeinsam mit seinem Vater zum Katholizismus. Schon 1754 legte der Vater eine Supplik vor, in der er die Kaiserin bat, seinen Sohn in eine Erziehungsanstalt aufzunehmen. Um sein Ansuchen zu unterstützen, begleitete er es mit einem Gesuch seines Sohnes, das aller Wahrscheinlichkeit nach der Vater oder ein erfahrener Agent konzipiert hatte25. In jenem Jahr stiftete Maria Theresia neue, aus ihrem „Kammerbeutel“ zu finanzierende Stiftplätze ausschließlich für ungarische Adelige im Alter von 8 bis 14 Jahren in der Chaos’schen Stiftung26. Paul Gaspar hatte das Glück aufgenommen zu werden. Im darauffolgenden Jahr wurde er in die Ingenieurakademie versetzt27, und schon im März 1758 findet sich sein Name unter den Kadetten im Husarenregiment des Grafen Franz Nádasdy (1708– 1783)28. Ein derart erfolgreicher Weg war allerdings nur wenigen vergönnt. Die Mehrheit genoss ein Stipendium in dem einen oder anderen Jesuitenkonvikt in der Provinz. Die Obrigkeiten führten keine Statistiken, aber die erhalten gebliebenen Memoranda der Ungarischen Hofkanzlei zeigen, dass jedes Jahr zwischen ein und vier (oder sogar fünf ) Konvertiten aufgenommen oder zumindest empfohlen wurden. Hinter vielen solcher Fälle in den staatlichen Unterlagen verbargen sich dramatische Familiengeschichten. So blieb zum Beispiel nach dem Tod Stephan Ujvárys († 1756), eines Angestellten des Tokayer Salzamtes, dessen Witwe, die der calvinischen religion zugetan war, mit fünf Söhnen zurück, die Katholiken waren. Nach der Pensions-Normale erhielt sie jährlich 30 Gulden unter der Bedingung, dass ihre Kinder in katholischen Schulen erzogen würden. Maria Theresia schrieb als Randbemerkung eigenhändig zu deren Supplik: Sollen mir alle jahr berichten, wo die kinder sind und wie sie erzogen werden29. Wie gesagt, bei Weitem nicht alle Konvertiten, die mit finanzieller Unterstützung des Ärars erzogen worden waren, machten spektakuläre Karrieren, aber ein königliches Stipendium eröffnete Möglichkeiten, mit denen die jungen Männer je nach ihrer Geschicklichkeit und Begabung umgehen konnten. Von dem zwölfjährigen László Rátonyi (1765–1824) aus dem Szatmárer Komitat beispielsweise gab die Ungarische Hofkanzlei 24  MNL – OL, A 39: Magyar Királyi Kancellária Levéltára [Archiv der Königlichen Ungarischen Kanzlei], Magyar Királyi Kancellária Regisztratúrája [Registratur der Königlichen Ungarischen Kanzlei], Acta generalia, 5516/1773. 25  MNL – OL, A 34: Magyar Királyi Kancellária Levéltára, Magyar Királyi Kancellária Regisztratúrája, Conceptus referadarum, 132/1754; Ebd., A 1: Originales referadae, 148/1754. 26  Die Chaos‘sche Stiftung war eine Erziehungsanstalt im Wien des 18. Jahrhunderts, benannt nach ihrem Gründer, dem kaiserlichen Hofkammerrat Johann Richthausen, Freiherrn von Chaos (1604–1663). Den merkwürdigen Namen erhielt er „wegen seiner Verdienste um den Bergbau in Ungarn, dessen Verhältnisse sich, als er die Leitung übernommen, in einem Chaos befunden hatten“. Siehe Bernhard von Poten, Geschichte des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens in den Landen deutscher Zunge, Bd. 3: Österreich (Monumenta Germaniae Paedagogica 15, Berlin 1893) 15. 27  ÖStA, FHKA, HZAB, Bd. 240 (1755), pag. 524, 538. 28  ÖStA, FHKA, HZAB, Bd. 243 (1758), pag. 764. 29  ÖStA, FHKA, HFU, Fasz. r. Nr. 861, 3. Feb. 1756, fol. 114v.



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1779 folgende Charakteristik ab: konvertit, aus einer guten adeligen familie stammender hoffnungsvoller jüngling, der unter anderem von seiner eminenz dem primas empfohlen worden ist30. Er wurde am Jesuitenkolleg in Tyrnau/Trnava/Nagyszombat aufgenommen, danach diente er vier Jahre im Esterházyschen Infanterie-Regiment und zwei Jahre in der ungarischen adeligen Leibgarde. Im Jahr 1792 schied er aus dem Dienst aus und verbrachte die folgenden 34 Jahre seines Lebens auf seinem ererbten Gut31. Betrachtet man die zahlreichen Gesuche von Konvertiten um Ämter, Beförderung, Pensionen, einmalige Geldsubventionen oder um Stipendien sowie die entsprechenden Entscheidungen der Behörden nicht isoliert, erscheinen sie als ein Element sozialer Politik und gleichzeitig als Argumentationsstrategie. Ines Peper lenkte die Aufmerksamkeit darauf, dass im Vergleich zu anderen europäischen (katholischen und protestantischen) Mächten der Wiener Hof erst mit einer Verzögerung von einem halben Jahrhundert die Notwendigkeit eines speziellen Fonds (Konvertitenkassa) begriff. Jahrzehnte nachdem in anderen Ländern das konfessionelle Zeitalter endete, griffen die österreichischen Habsburger im Bemühen um konfessionelle Homogenität der Bevölkerung noch zu diesem bewährten Instrument der Gegenreformation32. Supplikanten nutzten dies und schilderten ihre eigene Bekehrung nicht nur als eine erwähnenswerte Episode des eigenen Lebens, sondern als Argument, als einen Vorteil, der sie aus der Masse der übrigen Bittsteller hervorhob. Im Grunde genommen präsentierte der Hof mit dieser Kasse die Möglichkeit eines pragmatischen Tauschhandels: Protestanten schlossen sich der katholischen Mehrheit an, während ihnen der Hof eine Kompensation für moralische Verluste und für materiellen Schaden (wie den Bruch mit der Familie, der nicht selten zur Enterbung führte) anbot, indem er eine Stelle, eine Pension oder eben ein Stipendium zur Verfügung stellte. Die Gleichstellung von Konvertiten mit Waisen und Kindern von verdienstvollen Amtsträgern wie in der oben zitierten Randbemerkung war kein Zufall. Wie in vielen anderen Reformen der Theresianischen Epoche wurde Philanthropie eng mit Meritokratie verbunden, oder mit anderen Worten: Unterstützung genossen die Verdienstvollen und die Bedürftigen33. Die supplizierenden Konvertiten kann man in zwei Gruppen teilen: in jene, die ihr Recht auf Gnade mit der fehlender finanziellen Ausstattung begründeten, und in jene, die mit ihren Verdiensten für der Dynastie argumentierten. Auf der einen Seite dieses Spektrums stand beispielsweise der siebenbürgische Graf Dénes Bánffy (1723–1780), Sprössling eines der reichsten und einflussreichsten Geschlechter des Fürstentums, der in seinem Gesuch um Aufnahme in den Sankt Stephans-Orden (der auch den inoffiziellen Namen „Verdienstorden“ trug) daran erinnerte, dass sein Großvater der erste Gouverneur Siebenbürgens unter habsburgischer Herrschaft war34, und er selbst der erste Konvertit in seiner Familie35. Auf der anderen Seite standen die Witwe Antonia Schauroth und vergleichbare   MNL – OL, A 39 (wie Anm. 23), 5930/1779.   Kálmán Hellebronth, A magyar testőrségek névkönyve, 1760–1918 [Namensverzeichnis der Ungarischen Leibgarden, 1760–1918] (Budapest 1939) 313. 32  Peper, Konversionen (wie Anm. 2) 84. 33   Khavanova, Königliche Stipendien (wie Anm. 20) 364. 34  Kurze Geschichte Siebenbürgens hg. von Béla Köpeczi u. a. (Budapest 1990); Katalin Péter, Papok és nemesek: magyar művelődéstörténeti tanulmányok a reformációval kezdődő másfél évszázadból [Priester und Adelige: Kulturgeschichtliche Studien aus den ersten einundeinhalb Jahrhunderten der Reformation] (Budapest 1995). 35  MNL – OL, P 1058: Kisebb testületi, egyesületi és intézményi fondok [Kleinere Bestände von Firmen, Vereinen und Institutionen], Szent István Rend [Sankt Stephans-Orden], Lajstromozott kérvények [Registrierte 30 31

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Fälle. Als sie um ein kleines Almosengeld ansuchte, schlug der Referent der Wiener Hofkammer vor, dass dieser unglücklichen person einiges almosen gereicht werden könnte, da nach dem innhalt ihrer bittschrift ihr elend aufs äußerste gestiegen, und sie mit ihren kindern schon durch mehrere tage nichts zu essen hat, auch diese noth bloß der entsagung ihres glaubens, und dass sie hindurch von ihrer familie zugleich verlassen worden, zuzuschreiben hat36. Es versteht sich von selbst, dass sich zwischen diesen beiden idealtypischen Fällen ein ganzes Spektrum von differenzierten Beispielen findet. Dafür, dass die Konversion Basis einer erfolgreichen Karriere wurde, gibt es viele Belege. Manchmal erlauben die Bestände der zentralen Behörden, den ganzen Aufstieg auf der Karriereleiter detailliert zu rekonstruieren. Johann Georg Metzner (1715–1778) war Deutscher und nach eigener Aussage ungarischer Adeliger37 aus der königlichen freien Stadt Bartfeld/Bardejov/Bártfa. Metzner wurde in eine lutherische Familie hineingeboren; wo und was er genau studierte (wahrscheinlich Jura), ist unbekannt. Im Jahre 1737, mitten im Krieg gegen die Osmanen, wurde er Sekretär am Provinzialkommissariat der Stadt Kaschau/Košice/Kassa38. Zwei Jahre später nahm ihn Graf Karl d‘Aspremont (1689–1772) mit in seine 1620 zur Reichsgrafschaft erhobene Herrschaft Reckheim/Rekem an der Grenze zu den Niederlanden. Dort diente Metzner 21 Jahre als Rat und Prätor, bildete sich im öffentlichen und zivilen Recht weiter, befasste sich mit den ökonomischen Gegebenheiten des Landes, lernte Französisch und konvertierte 1743 zum katholischen Glauben. Die Quellen verraten nicht, ob der Konversion eine Abwägung lutherischer und katholischer Glaubenssätze vorangegangen war, oder ob er einfach entschieden hatte, dass eine Karriere in einem katholischen Milieu besser als Glaubensgenosse zu machen sei. Auf alle Fälle erlebte Metzner nach seiner Rückkehr nach Ungarn die Vorteile dieses Schrittes. 1762 war im ungarischen Markt Tárkány der Salzeinnehmer gestorben, und die vakante Stelle war ausgeschrieben. Der Verkauf von Salz war eine Branche, in der man keine hohen Einkünfte erwarten durfte; die Obliegenheiten verlangten jedoch umso mehr Verantwortlichkeit, spezifische Kenntnisse und tadellose Ehrlichkeit, denn Amtsvergehen kamen häufig vor39. Aber es winkte ein stabiles Einkommen und die Möglichkeit, sich im ungarischen Beamtentum zu etablieren. Im Vorschlag an die Kaiserin, bei dem die Ungarische Hofkammer die Namen von drei ausgewählten Kandidaten in Vorschlag brachte, rangierte Metzner an erster Stelle unter Umgehung anderer, einheimischer Supplikanten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein mächtiger Patron ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte. Wie dem auch sei, deutlich betont wurde, dass es sich bei Metzner um einen Konvertiten handle. Die Wiener Hofkammer zeigte sich von diesem Vorschlag überrascht, weil dieser Metzner in dem camerali sich weder verdienste erworben, noch vermutlich von der salzwesensmanipulation viele kanntnuß besitze, mithin ihme schwer fallen dörfte, solche erst in seinem schon ziemlich betagt sein mögenden alter zu erlernen, er ist nebst deme in bedürftigen umständen, mithin etwann nicht vermögend, die vorgeschriebene amts-caution zu erlegen, und müsste anderen meritirten salzbeamten wohl schmerzlich fallen, wann ihnen nach vielGesuche], 29. cs., Nr. 155. 36   ÖStA, FHKA, ÖC, Fasz. r. Nr. 2178, Nr. 40 ex Nov. 1773, fol. 152r. 37   Das adelige Geschlecht von Metzner wird in genealogischen Handbüchern nicht erwähnt, so dass heute der Adel nicht mehr nachweisbar ist. 38  ÖStA, FHKA, UC, Fasz. r. Nr. 592. Subd. 1, Nr. 31 ex Nov. 1777, fol. 349r. 39  Zoltán Fallenbüchl, A sóügyi hivatalnoksága Magyarországon a XVIII. században [Beamtentum im Salzwesen in Ungarn im 18. Jahrhundert]. Levéltári Közlemények 50/2 (1979) 225–290.



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jährig treu- und eifrig geleisteten diensten bei denen sich ergebend höheren erledigungen auswärtige, von der salzmanipulation nicht die genugsame kanntnuß habende leute vorgezogen, und über dieses noch als oberbeamte vorgesetzt werden sollten40. Indessen war die Kaiserin anderer Meinung. Ihre Entscheidung lautete: Ich ernenne um so mehr den von der Hungarischen Hofkammer primo loco in vortrag gebrachten Metzner, als nicht allein dessen personalqualitäten und umstände, sondern auch weiter bei dem amt eines salzeinnehmers zu betrachten kommt, dass diese dienstleistung, und derer manipulation nicht schwer zu erlernen, sondern ganz leicht zu begreifen ist41. Das war umso überraschender, als Unerfahrenheit und fehlende Kenntnisse gewöhnlich die häufigsten Ablehnungsgründe für unerwünschte Fremde waren. Trotz aller Zweifel fand Metzner sich mit den Aufgaben schnell zurecht, bewies seine berufliche Eignung und fühlte sich in der katholischen Umgebung wohl. 1769 wurde er zum Berg- und Salzgruben-Obereinnehmer zu Rohnen/Coștiui/Rónaszék befördert. Im Jahr 1777 waren zwei von seinen acht Kindern katholische Priester geworden, zwei weitere traten in die Fußstapfen ihres Vaters und wurden an der Ungarischen Hofkammer angestellt, zwei Töchter hatten gleichfalls Hofkammerbeamte geheiratet42; der Jüngste, Josef, studierte als Konvertit im Jesuitenkolleg im Tyrnau43. Zur dritten, minderjährigen Tochter gibt es keine Angaben. Der älter werdende Metzner dachte mittlerweile an eine höhere und weniger arbeitsintensive Position. In einem Gesuch an die Kaiserin schrieb er: Da nun bei meinem dermaligen 62-jährigen alter die bei allhiesig weitläufigen manipulation erforderlichen kräfte abzunehmen scheinen, und dass mit so schwerer verantwortung verknüpfte rechnungswesen mich ungemein zu drucken beginnt, ich mit nichts, als der einzige wunsch übrig zu einem ruhigeren leben, wobei Euer Majestät allerhöchsten dienst nach aller meiner möglichkeit und in denen verschiedenen bedienungen von jugend an, fürnehmlich in der wirtschaft, dann salzgrubenwesen erworbenen erfahrung und kenntnissen mit nicht geringeren nutzen befördern könnte, versetzt zu werden44. Gerade um diese Zeit wurde eine Assessors-Stelle an der Maramurescher Kameral-Administration frei, und der Supplikant hoffte sie zu erhalten. Seine Vorgesetzten unterstützten die Kandidatur des alten Beamten. Der Vize-Präsident der Ungarischen Hofkammer, Graf Paul Festetics (1722–1782), beurteilte ihn in einem weitläufigen Empfehlungsbrief – schon nicht mehr erwähnend, dass Metzner Konvertit sei – nach Gebühr: Die Marmaroscher Kameral Administration kann und darf in der tat nicht so wie die übrigen betrachtet werden, sondern die muss unumgänglich mit solchen individuen besetzet sein, die vorzüglich und vor allen andern in der dasigen höchstwichtigen salzmanipulation nach allen ihren absätzen gründlich und durch längere erfahrung wohl geübt sind, und so zu sagen, das ganze handwerk vollkommen innen haben […] so glaube ich, dass zu dieser vacanten assessorsstelle kein tüchtigerer und mehr erfahrner mann fürgewählt werden könnte, als eben besagte supplicierender Metzner45. Das neue Amt bekleidete Metzner allerdings nur wenige Monate, da er 1778 verstarb46. Seine Laufbahn dokumentierte zugleich den hohen Grad horizontaler und vertikaler Mobilität in der Habsburgermonarchie im 18.     42   43   44   45   46   40 41

ÖStA, FHKA, HFU, Fasz. r. Nr. 923, 14. Juli 1762, fol. 187v–188r. Ebd. fol. 189r. ÖStA, FHKA, UC, Fasz. r. Nr. 592, Subd. 1, Nr. 31 ex Nov. 1777, fol. 349v. MNL – OL, A 39 (wie Anm. 23), 4778/1775. ÖStA, FHKA, UC, Fasz. r. Nr. 592, Subd. 1, Nr. 31 ex Nov. 1777, fol. 351r. Ebd. fol. 352v. ÖStA, FHKA, UC, Fasz. r. Nr. 591, Subd. 1, Nr. 62 ex Aug. 1778, fol. 10r.

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Jahrhundert: Geboren in nordöstlichen Ungarn, zog er zu den nordwestlichen Grenzen des Heiligen Römischen Reichs, kehrte zurück in seine Heimat, um als Späteinsteiger einen neuen Beruf zu ergreifen und bis in eine führende Position aufzusteigen. Dies wäre unmöglich gewesen, wenn Metzner nicht zum Katholizismus konvertiert wäre. Dieser Aufstieg wäre aber auch ohne Talent und besondere Fähigkeiten unmöglich gewesen.

Allgemeine Beobachtungen und einzelne Schicksale Das Schicksal Johann Georg Metzners zeigt Typisches, das sich auch in den Lebensläufen anderer Konvertiten erkennen lässt. Dazu gehört erstens, dass dieser Schritt oft im klaren Bewusstsein darüber erfolgte, dass Bekehrung ein Verdienst sei, sowohl in den Augen des Untertans als auch des Hofes. Noch präziser als Metzner formulierte das der siebenbürgische Adelige Martin Töviss(y). Er suchte 1746 um eine Gegenschreiberstelle bei einem Zollamt an, konnte aber keine glaubwürdige Kopie seines Adelsdiploms beibringen; angeblich war sie auf dem Postweg verloren gegangen. Darüber in Verlegenheit, den Verlust der Stelle fürchtend, schrieb er: „Auch wenn ich kein Adeliger wäre, und obwohl mein Adelstand nicht in Frage steht, da ich ihn früher oder später mit der Hilfe Gottes beweisen werde, darf ich meine Konversion, mir huldreichst von dem Heiligen Geist geschenkt, zu meinen Verdiensten zählen“47. Die Adressaten der Supplikation teilten diese Ansicht und vermerkten zu seiner Person: […] welcher gegenschreibers function dann dem hierumben supplicirenden Martin Tövissy, so ohnehin vor etwelchen jahren von dem calvinischen zu dem catholischen glauben sich bekehrt hat, auch sondere gute qualitäten besitzt, allergnädigst verleihen werden könnte48. Zweitens spielte in jedem Fall das Patronat einflussreicher Aristokraten eine wichtige, wenn nicht entscheidende Rolle. Wenn in den Gesuchen Metzners dies nur zwischen den Zeilen zu lesen ist, wurde im Fall von Samuel Baranyi aus Debrezin/Debrecen der Name des hohen Patrons explizit genannt als zusätzliche Empfehlung für das erstrebte DreißigstAmt zu Großwardein/Oradea/Nagyvárad. Der Präsident der Wiener Hofkammer schrieb, dass obbesagter ratsverwandte Samuel Baranyi, welcher vor wenigen tägen die römisch-catholische glaubens-bekenntnis in der hiesig- erzbischöflichen capellen [in Wien] abgeleget hat, von dem Erzbischofen Grafen von Migazzi nachdrucksamst recommendiert werde. Über den frischgebackenen Konvertiten wurde zudem angemerkt, dass seine Frau und die drei Kindern noch in dem unrechten glauben wären, aber wenn die ganze Familie nach Großwardein umziehe, werde sie, allda unter denen catholischen leuten leben, folglich desto ehender seinem beispiel folgen, und den alleinig seeligmachenden catholischen glauben ebenfalls annehmen. Kaiserin Maria Theresia entschied zu seinen Gunsten und gegen einen früheren Bewerber: Placet, anstatt des Delpini49 dem Baranyi, recommendirt von Erzbischof50. Konvertiten ohne einflussreichen Patron konnten dagegen leicht in Schwierigkeiten geraten, wie der Fall des jungen ungarischen Adeligen Sigismund von Petroczy zeigt, der in einem ausführlichen Gesuch ausführte: […] nachdeme ich zwar von protestantischen eltern in Hungarn zu Pressburg bin erzeiget, und auch in solcher religion auferzogen worden, nachdeme ich aber bei reifern verstand und anwachsenden jahren von tag zu tag immer mehr     49  50  47 48

ÖStA, FHKA, HFU, Fasz. r. Nr. 797, 1. Jan. 1746, fol. 14r (Original Latein). Ebd. fol. 43r. Hier geht es um den anderen Bewerber, den Dreißigst (Tricesimator) zu Tokay Martin Delpini. ÖStA, FHKA, HFU, Fasz. r. Nr. 886, 5. Mai 1759, fol. 45r.



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bisher habe eingesehen, in was vor irrigen lehre ich lebe und was gefahr meiner seeligkeit deswegen stecke, so habe ich mir aus überzeugung meines gewissens, ein besseres erwählet, und habe mich öffentlich zu den wahren römisch-katholischen glauben bekennet, darinnen ich auch mein leben beschließen will. Zur Haltung seiner Familie zu seinem Schritt betonte er, dass sich dadurch die müterliche liebe in einen haß gegen mich verwandelt [habe], und ihr unwille so weit erstreckt, dass ich nunmehro so wohl von ihnen als von allen meinen brüdern, die mir alle hülfen versagen, gänzliche verlassen bin. […] Ich bin nicht vermögend auszusprechen, wie sehr mir dieses am herzen lieget, dass ich mich jetzo auf niemal muß von aller welt, bloß desswegen dass ich einen wahren glauben angenommen, verlassen sehen 51. Er bat deshalb um eine kleine Stelle mit einem geringen Gehalt, wo er wissenschaften und viererlei in meinem vaterlande ganz nötigen sprachen, in denen er sorgfältigst unterwiesen worden war, verwenden könne. Petroczy hoffte offenbar, dass seine desperate Lage die Herzen der Wiener Amtsträger erweiche, von denen sein Schicksal abhing – letztendlich blieb das das Gesuch des unbemittelten und unbekannten Adeligen aber unbeantwortet und geriet in Vergessenheit. Drittens darf man davon ausgehen, dass eine Konversion an Wert gewann, wenn sie weitere nach sich zog, wie in den Fällen der Kinder Metzners oder der erhofften Bekehrung der Familie von Baranyi. Der oben bereits zitierte Tövissy schrieb: „Seit meiner Konversion habe ich zum Lob Gottes zwei Prediger, drei Bürger und etliche aus dem gemeinen Volk zurückgewonnen und werde noch mehrere das Licht des wahren Glaubens erkennen lassen“52. Ein Supplikant, der um eine Stelle an der Ungarischen Hofkammer ansuchte, unterzeichnete sein Gesuch als allerunterthänigst, treu allergehorsamster vassal und mit weib und drey kinder convertirter Gottlob Ehrnfried Streckenbach53. Dabei kann man auch die Frage stellen, ob es relevant war, dass die Frau eines Bittstellers namens Johann Memminger Holländerin war, die wegen ihres Mannes zum Katholizismus konvertierte. Offensichtlich schätzten die Obrigkeiten diese Tatsache nicht weniger als die Laufbahn des Bittstellers – dieser hatte mehrere Jahre an der kaiserlichen Mission in Konstantinopel gedient, sprach Italienisch, Holländisch und Französisch, und hatte von einem holländischen Goldschmied die Goldschmiedekunst erlernt. Hofkammerexpeditor Ernst Zahlheimb, an den Memminger sich wandte, nahm dies zur Kenntnis und schrieb: Dieser bey mir sich selbst angemeldeten supplicant scheint ein geschickter mann zu seyn, deme gar nichts auszustellen können, und nachdeme sich selber mit einer convertitin vereheliget hat, welch’ derley personen jederzeit eine besondere reflexion zugewendet wird, so obwaltet kein bedenken, gedachtem supplicanten hierinfalls willfahren zu können54. Letzten Endes wurde Memminger als Hofkammerkurier in Wien angestellt. Dabei waren den Ratgebern Maria Theresias sowohl das propagandistische Potential wie die Gefahr einer eiligen Entscheidung wohl bekannt. Im Jahr 1769 ersuchte der Konvertit und gewester calwinistischer prädicant Martin Silaghy aus Siebenbürgen um eine finanzielle Unterstützung zu erhaltung des weltlichen priesterstandes. Die Wiener Hofkammer gab nach detaillierter Reflexion zu bedenken, dass diese convertiten gemeiniglich von der vorigen irrlehren noch etwas beibehalten oder mit der zeit gänzlich in jene zurückfallen.   ÖStA, FHKA, HFU, Fasz. 865, 28. Juni 1756, fol. 414r–415r.   ÖStA, FHKA, Fasz. r. Nr. 797, 1. Jan. 1746, fol. 14v (Original Latein). 53  MNL – OL, E 47: Magyar kincstári levéltárak [Archiv der Ungarischen Kammer], Magyar Kamarának regisztratúrája [Die Registratur der Ungarischen Kammer], Cancellariae et registraturae necnon postae negotia negotia, item honorifica et gremialia, necnon extraordinaria. 16. cs., Nr. 132 ex Oct. 1773. 54  ÖStA, FHKA, ÖC, Fasz. r. Nr. 3, Subd. 1, Nr. 102 ex Jun. 1767. 51 52

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Die Kaiserin entschied allerdings: Wünsche vill solche zu bekommen, diesen gleich anzufolgen, nur zu schicken, was tax zu zahlen55. Allerdings muss gesagt werden, dass ehrgeizige, geschickte und nachdrückliche Supplikanten durchaus im Stande waren, auch ohne Patron mehr zu erreichen als nüchterne Bittsteller; so zum Beispiel der Advokat Johann Szöllössy, der vom Erzbischof von Gran/ Esztergom, Nikolaus Csáky (1698–1757), bei welchem er mehrere Jahre als Fiskalprokurator gedient hatte, zur Konversion veranlasst worden war. Nach dem Tod seines Patrons und Dienstgebers gelangte Szöllössy zu Ruhm und Ehre als geschickter Advokat. In einem Gesuch zählte er etwa ausführlich auf, dass es ihm gelungen sei, mehrere Dörfer und Märkte des königlichen Fiskus oder der katholischen Kirche in Siebenbürgen, die aufgrund gefälschter Dokumente veräußert bzw. säkularisiert worden waren, für die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugewinnen56. Die Wiener Hofkammer bemerkte dazu, dass er durch all dieses aber sich soviel feinde und verfolgungen zugezogen hätte, dass ihn behörig hierwider zu schützen durch ein allerhöchstes rescript verordnet worden wäre 57. Die von ihm angestrebte Position eines Salzeinnehmers aber bedürfe spezifischer Kenntnisse des Produktionsprozesses, die dem ehemaligen Fiskalprokurator und damaligen Anwalt fremd waren. Genauso wie im Fall von Johann Georg Metzner wurde die Kandidatur Szöllössys von der Wiener Hofkammer deshalb abgelehnt: Er sein zwar ein fürtreflicher advocat, jedoch in dem rechnungswesen, wo es auf ein einnahm und respective ausgab vieler tausend gulden ankommt, nicht so geübt, dass er einem solchen salzamt, allwo nebst dem tauglichen sehr betrachtlichen salzverschleiß, eine große anzahl transporten vorfallen, vollkommen, wie es sich gebührt, vorstehen könne. Über dieses wäre er nicht mehr in solchen jahren, allwo hoffnung sich gemacht werden könnte, dass er sich in der salzwesensmanipulation, und in dem rechnungswerk die vollständige kanntnuß beilegen werde58. Ein weiteres Mal entschied die Kaiserin anders, diesmal im Sinne einer salomonischen Lösung: Ich ernenne den primo loco vorgeschlagenen Winkler; was den gelehrten und geschickten advocaten Szöllössy gelanget, da benenne denselben zum Fiscaliextraordinario in Hungarn und Siebenbürgen mit einer bestallung von 500 fl. gegen welcher ihme die verführung der von ihme entdeckten fiscalitäten mit der versicherung aufzugeben ist, dass er nach maß des aus seinen arbeiten sich ergebenden nutzens weiter werde belohnt werden59. Viertens können die Lebensläufe von Konvertiten vielfach als Belege der ausgreifenden horizontalen Mobilität im frühneuzeitlichen Europa sowie des hohen Grads der Adaptierung an neue kulturelle und sprachliche Milieus dienen. In den Akten der Wiener Hofkammer sind unter anderem auch Bittschriften eines Schweden namens Johann Florian Diesing erhalten, der 1773 um eine Lohnerhöhung ansuchte. Es ist nicht klar, wie er, ein geborener Stockholmer, 1739 nach Breslau/Wrocław gelangte, wo er sich dem irrtume der lutherischen lehre abschwörend […] zu dem katholischen glauben bekennte. Acht Jahre später, 1747, gelang es ihm, eine Stelle an die Wiener Hofkammer zu erhalten. In seinem Gesuch an den Hofkammerpräsidenten hob der Supplikant seinen langjährigen Dienst hervor, während er in der Bittschrift an die Kaiserin bat, mit einem armen, kranken Konvertiten, der vor nicht langer Zeit seine geliebte Tochter verloren habe und sich derzeit um     57  58  59  55 56

ÖStA, FHKA, ÖC, Fasz. r. Nr. 2142, Nr. 161 ex Dec. 1769, fol. 68r–v. ÖStA, FHKA, UC, Fasz. r. Nr. 925, Nr. 13 ex Sept. 1763, fol. 181r–v. Ebd. fol. 188r–v. Ebd. fol. 189r–v. Ebd. fol. 191r.



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die schwangere Ehefrau kümmern müsse, Mitleid zu haben – mit einem Konvertiten, der in der tat die schwerste proben eines wahren christen in der schule Christi abgelegt. Ihm sei es als einem Fremden besonders schwer gefallen, sein täglich Brot zu verdienen, und doch habe er bei so vielen unglücksfallen noch niemals dem allerhöchsten aerario einige beschwerde verursachet und auch durch so langwierige dienstjahre aus mangel einiger partocinanz nie einige aushülfe überkommen 60.

„Wahre“ Religion versus professionelle Kompetenz Glaubenswechsel bildeten nie einen universalen Passierschein für den Hofdienst oder in die Berufseliten, wie dies etwa das Schreiben des oben bereits zitierten Oberleutnants von Sonntag an Graf Károlyi verdeutlicht wird: Seit denen zwei jahren meines austritts vom militärstand […] reise ich an denen meisten catholischen höfen im Reich herum, ohne weder unter dem militari noch civili eine nur geringe anständige versorgung erhalten zu können. Über dieses wird zum größten unglück meine im Durlachischen noch unbekannt gewesene religionsänderung kund, wodurch mir der zu zeiten erhaltene geldbeistand von meinen angehörigen ferner durchaus versagt wird61. Mit jedem Jahrzehnt des fortschreitenden 18. Jahrhunderts tendierten die Gremienvorsteher bei der Nachbesetzung erledigter Stellen mehr dazu, konsequenter aufgrund von Kompetenz und beruflicher Eignung und nicht aus christlichem Mitgefühl heraus zu entscheiden. In den 1770er Jahren beschrieben Supplikanten zwar nach wie vor ihre Entfremdung von der protestantischen Familie und die daraus entstehende Not wie Einsamkeit aufgrund der Konversion, was nicht zuletzt die Bedeutung von Glaubenswechseln als grenzziehendem Phänomen verdeutlicht62. Aber bei Personalentscheidungen spielte das eine immer geringere Rolle. So wies etwa Alexander (Elek) Okolicsányi (* 1744), Sprössling eines alten adeligen Geschlechts, ehemaliger Offizier der ungarischen Leibgarde und Angestellter an der Kameral-Administration zu Kaschau, in jeder Supplik um Beförderung oder Lohnerhöhung darauf hin, dass er ein Konvertit sei. Seine erste Bittschrift um Anstellung an der Hofkammer unterzeichnete er mit jubilirter leutenant und convertitt63. Auch später versäumte er keine Gelegenheit, an diesen Umstand zu erinnern, beispielsweise als er 1779 darum ansuchte: Geruhen allerhöchst dero selben in allergnädigster anbetracht […,] dass ich ein convertit seie und von einer wohlverdienten, urahlten adelichen familie herstammen, mir die bei der zomborer administration in erledigung gekommene actuarius bedienstung um so allermildester zu verleihen, als ich solcher gestalten meine missliche umstände verbessern und endlichen eine meinem vorhin beiliegenden character gleich kommende bedienstung von der allerhöchsten milde erlangen könnte64. Deutlich adäquater klang diese emotionale Argumentation in Gesuchen um Unterstützung beim ungarischen Adeligen Ladislaus Draweczky, der 1774 schrieb, dass er sich nach genauer prüfung in meinem gewissen überzeugt gehalten, die lehre Lutheri, in der ich erzogen worden und in welcher meine mutter nebst vier geschwistern zur zeit verharren, zu verlassen und mich kürzlich in dem hiesigen professhause Am Hof öffentlich zu dem allein­     62  63  64  60 61

ÖStA, FHKA, ÖC, Fasz. r. Nr. 2143, Nr. 293 ex Jul. 1773, fol. 217r–v. MNL – OL 398, Nr. 65882, Engelhardt Sonntag an Grafen Anton Károlyi, 10. März 1767 (München). Vgl. Peper, Konversionen (wie Anm. 2) 6; Scheutz, Glaubenswechsel (wie Anm. 4) 432. ÖStA, FHKA, UC, Fasz. r. Nr. 591, Nr. 61 ex Sept. 1773, fol. 165r. ÖStA, FHKA, UC, Fasz. r. Nr. 592, Subd. 1, Nr. 122 ex Jul. 1779, fol. 241r–v.

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seligmachenden glauben der heiligen römischen katholischen kirche zu bekennen. Da nun meine mutter dieses mein heiliges vorhaben vermutlich längst gemercket, hat sie mich […] gänzlich verlassen und mir bereits 11 monate meinen vormaligen gehalt entzogen, dadurch dann in die elendesten umstände versetzt worden. Die Wiener Hofkammer schlug daraufhin vor, dem Bittsteller ein Almosen auszusetzen, worauf Maria Theresia mit einer lakonischen Randbemerkung reagierte: 100 fl.65. Die ganze Praxis der bevorzugten Anstellung von Konvertiten glich fallweise einer gegenseitigen Manipulierung – Konvertiten betonten ihre Bekehrung und versuchten damit, moralischen Druck auf die Entscheidungsträger auszuüben. Behörden, Vorgesetzte, Hofämter und nicht zuletzt die Kaiserin selbst distanzierten sich im Laufe der Zeit zwar nicht von der Unterstützung und dem Schutz für Konvertierte, aber sie nahmen sich das Recht, in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob der Bittsteller das Erwünschte verdiene oder nicht. Als 1777 Bernhard Gottlieb Ans ansuchte, ihm die noch unersetzte kassaoffiziers stelle bei der Universalstaatsschuldenkasse allergnädigst zu verleihen, verwies er auf seine Konversion und die daraus folgende Not. Hofkammervizepräsident Graf Leopold Kolowrat (1727–1809) blieb aber ungerührt: habe ich bisher in solchen fallen immerhin den fähigen söhnen der würklich dienenden und sich verdienstlich gemachten kassenbeamten den vorzug gegeben, weil man bessere gelegenheit hat, sich von ihrem lebenswandel und ihren neigungen zu versichern. Es würde sehr gefährlich sein, einen konvertit, dessen eigenschaften hier gar nicht bekannt sind, zur kassamanipulation anzustellen66. Im Dialog zwischen Konvertiten und Repräsentanten der Macht wurden im Laufe der Zeit Kriterien formuliert, Mechanismen der Wohltätigkeit perfektioniert und diesen „vernünftige“ Grenzen gesetzt. Als die Ehefrau eines Freiherrn Lamarre sich 1771 mit der Bitte um Unterstützung an die Monarchin wandte, weil ihr ehemann vor 10 jahren den katholischen glauben angenommen, und eben dießwegen, da er aus seinem vaterland dem Würtembergischen nichts anzuhoffen habe, sich in eine elende noth versenket finde, wies die Hofkammer darauf hin: Der ehemann der supplicantin hat niemals in hiesigen diensten gestanden, auch keine andere verdienste anzuführen, als dass er die katholische religion angenommen, die hofalmosen cassa aber ist damit bestimmet, not leidenden beamten oder deren witwen und waisen eine rettung zu schaffen. Die Kaiserin teilte die Meinung des Gremiums67. Ebenso wurde 1777 das Gesuch des schlesischen Flüchtlings und Konvertiten Bernhard Stransky abgelehnt. Als er um eine Erhöhung seiner Pension supplizierte, äußerte sich die Wiener Hofkammer dazu abschlägig, da übrigens bittsteller weder einige verdienste beibringet, noch sonst einiger grund aus seiner vorstellung abzusehen ist, um auf eine weitere pension aus dem universal cameral zahlamte einen anspruch machen zu können68.

Fazit Konversionen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts sind mittlerweile mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung geworden69. In der zweiten Hälfte des 18.   ÖStA, FHKA, ÖC, Fasz. r. Nr. 663, „D. T.“, Nr. 324 ex Aug. 1774.   ÖStA, FHKA, ÖC, Fasz. r. Nr. 2144, fol. 171v–172r. 67  ÖStA, FHKA, ÖC, Fasz. r. Nr. 2142, Nr. 61 ex Sept. 1771, fol. 445r. 68  ÖStA, FHKA, ÖC, Fasz. r. Nr. 2144. Nr. 436 ex Maj. 1777, fol. 186r–187r. 69  Siehe z. B. Peper, Konversionen (wie Anm. 2); Siebenhüner, Glaubenswechsel (wie Anm. 16); Scheutz, Glaubenswechsel (wie Anm. 4). 65 66



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Jahrhunderts waren die Grenzen zwischen den Konfessionen scheinbar schon so gefestigt, dass der Übertritt zur dominierenden Konfession in den Augen des Wiener Hofes und der Untertanen an Wert verloren hatte. Im Gegensatz dazu belegen aber die in diesem Aufsatz angeführten Bittschriften, dass auch noch von den 1740er bis zu den 1780er Jahren Beamte und Gelehrte, aber auch „namenlose“ Supplikanten aus verschiedenen Ländern der Habsburgermonarchie auf ihre Konversion als Verdienst verweisen, wenn sie um eine Stelle oder um finanzielle Unterstützung ansuchten70. Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass es sich hier um Fälle von sozialer Disziplinierung handelte – noch während des 18. Jahrhunderts signalisierte der Wiener Hof den Untertanen durch explizite oder implizite Bevorzugung von Konvertiten seine Erwartungen und Präferenzen. Zwar verschwand nach 1750 die Bekehrungsliteratur fast völlig vom Buchmarkt71, aber die Praxis der Bevorzugung von Konvertiten hielt noch einige Jahrzehnte länger an. Erst nach 1770 scheinen differenziertere Anforderungen an die Qualifikation der Bewerber um Beamtenstellen den Umstand der Konversion allmählich entwertet zu haben. Behördenvorsteher etwa beließen Konvertiten in ihren Ämtern, aber deutlich mehr Aufmerksamkeit gewannen nun andere Zielgruppen (etwa begabte Kinder verdienstvoller Amtsträger oder Beamter, erfahrene Protegés einflussreicher Patrone). Die materielle Unterstützung von Konvertiten wurde in die Sphäre kirchlicher oder privater Wohltätigkeit verlagert. Im frühen 19. Jahrhundert fand dann die Bekehrung zum Katholizismus kaum noch Erwähnung bei Suppliken – im Archiv von Kaiserin Karoline Charlotte Augusta (1792–1873), die sich in der Unterstützung von Armen, Witwen und Waisen sehr engagierte, kommen Konvertiten nur noch sehr selten vor72.

70  Die Notwendigkeit, auf die pragmatische Dimension einzelner Konversionen zu achten, betont auch Scheutz, Glaubenswechsel (wie Anm. 4) 454. 71  Peper, Konversionen (wie Anm. 2) 185–229. 72  HHStA, Kabinettskanzleim, Bittschriften, Fasz. 1–25 (1816–1835).

Adelige Intoleranz. Die antijüdische Aufnahmeordnung des niederösterreichischen Ritterstandes aus dem Jahr 1808 Von William D. Godsey

Zum ersten Mal seit dem 17. Jahrhundert setzte der niederösterreichische Ritterstand im Frühjahr 1808 neue Vorschriften für die Aufnahme von Mitgliedern in die eigenen Reihen in Kraft. Dieses aus Kleinadeligen bestehende Konsortium stellte einen der insgesamt vier Landstände des Erzherzogtums Österreichs unter der Enns dar, die auch im Zeitalter des europäischen Umbruchs um 1800 den jährlich im Wiener Landhaus abgehaltenen Landtag bildeten. Im Gegensatz zum Prälatenstand sowie zum vierten Stand, bestehend aus der Stadt Wien und den 18 landesfürstlichen Städten und Märkten, deren Mitgliederkreise damals in sich weitgehend geschlossen waren, regelten die zwei adeligen Stände – die sogenannten zwei politischen Stände von Herren und Rittern – ihre Aufnahmepraxis jeweils durch eigene Ordnungen, die wiederum auf einem landesfürstlichen Privileg beruhten. Mit den Vorschriften von 1808 lassen sich die (auch in früheren Zeiten durchaus üblichen) Abschließungstendenzen gegenüber Personen, die als „fremd“ galten, aufzeigen. Im vorliegenden Fall gab es eine durchaus seltsam anmutende Neuerung: Gleich der erste Teil des ersten Absatzes der neuen Ordnung bestimmte, [d]erjenige, der in den n. ö. ritterstand aufgenommen werden will, muss zur christlichen religion sich bekennen, und von ältern abstammen, welche in eben dieser religion gebohren wurden1. Weiters sollte der Kandidat seine Herkunft durch ein erbländisches ritterstandsdiplom und die Ansässigkeit als Adeliger seit mindestens 20 Jahren in den k. k. erblanden nachweisen. Der zweite Absatz schrieb – daran anknüpfend – vor, dass eine Person, die sich durch zweydeutiges öffentliches benehmen oder durch verächtliche, insbesondere wucherische handlungen der allgemeine[n] schätzung unwürdig gemacht hat, zur aufnahme nicht geeignet sey. Ebenfalls unerwünscht waren Amtsträger und Beamten minderer gattung sowie Gewerbetreibende (§ 3). Begünstigt werden sollten hingegen Personen, die sich um den Staat oder die Landstände verdient gemacht hatten (§ 4). Obwohl nicht direkt in der Aufnahmeordnung ausgesprochen, geht aus den Sitzungsprotokollen des Ritterstandes klar hervor, dass sich die neuen Vorschriften in erster Linie gegen Juden bzw. gegen Konvertiten vom Judentum und deren Nachkommen richteten. Dabei hielt der Ritterstand die jüdische Abstammung sowohl väterlicher- als auch müt*  Der Autor bedankt sich bei Barbara Haider-Wilson für die kritische Lektüre einer früheren Fassung dieses Beitrages. 1  NÖLA, RSA, AI, fol. 262r–265r, Vorschriften, welche bey Aufnahme neuer Landesmitglieder des n. ö. ritterstandes zur genauen richtschnur zu nehmen sind, 27. Apr. 1808.

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terlicherseits bis in das 3te grad, wie es in den betreffenden Quellen heißt, für unvereinbar mit der Aufnahme in sein Konsortium2. Der Grund für diese überaus strenge und außerordentliche Verfügung war, dass – so der unerbittliche Befürworter Joseph Freiherr von Mayenberg (1776–1860) – in generationen die religion und sitten der Juden nicht verlohren gehen3. Im zentraleuropäischen Vergleich scheint das durchaus als rassistisch zu bezeichnende Statut des Ritterstandes selbst unter den damaligen antijüdischen Bestimmungen rechtlicher oder gesellschaftlicher Natur einzigartig gewesen zu sein. In der noch ständisch organisierten Gesellschaft der österreichischen Monarchie gestaltete sich die Stellung der Juden – wie auch anderer Gruppen – im Rahmen ihrer spezifischen, beschränkten Privilegien. Diese hatte Kaiser Joseph II. in vielfacher Hinsicht in Hinblick auf die Juden zwar erweitert, schwerwiegende Beschränkungen blieben aber dennoch bestehen4. Auch im aufkommenden Vereinswesen als neuer Form der Geselligkeit im frühen 19. Jahrhundert lehnten manche Organisationen – wie etwa das Kasino in Budapest – die Aufnahme von Juden bzw. ehemaliger Juden ab5. Dagegen gibt es bisher keine bekannten Fälle, in denen die Diskriminierung die christlichen Nachkommen von Juden eingeschlossen hätte bzw. eine nichtjüdische Abstammung über beide Elternteile nachgewiesen werden musste. Einerseits erinnert die Verfügung der Ritterkurie an die berüchtigten Blutreinheitsgesetze des frühneuzeitlichen Spanien, andererseits lässt sich eine Assoziation zu den antisemitischen Nürnberger Rassengesetzen im 20. Jahrhundert heute nicht ausblenden6. Sowohl die Bestimmungen auf der iberischen Halbinsel als auch diejenigen im Dritten Reich bezogen sich – auch wenn sie sich aus unterschiedlichen ideologischen Traditionen speisten, unter unterschiedlichen Vorzeichen zur Anwendung kamen und unterschiedliche Folgen zeitigten – bekanntlich auf Abstammung statt auf Konfession. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die niederösterreichischen Ritter durch das frühere spanische Vorbild inspiriert wurden. Ebenso wenig lässt sich ein Zusammenhang zwischen ihren Vorschriften und den viel späteren nationalsozialistischen Verordnungen herstellen. Bis zum Aufkommen des rassischen Antisemitismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts werden sie im Gegenteil vermutlich bereits gänzlich in Vergessenheit geraten gewesen sein. Dennoch verlangt die Radikalität des Statuts von 1808 nach einer Erklärung. Wie kam es dazu und warum gerade zu diesem Zeitpunkt? Stellte die Bestimmung vielleicht eine Reaktion auf die fortschreitende Judenemanzipierung und den gesellschaftlichen Aufstieg von Juden dar? Damals lag das Toleranzpatent Kaiser Josephs II. immerhin mehr   NÖLA, RSA, Hs. 20, S. 208–209, Sitzungsprotokoll des Ritterstandsausschusses, 19. Apr. 1808.   Ebd. S. 217, Sitzungsprotokoll des niederösterreichischen Ritterstands, 27. Apr. 1808. 4  Dazu Christoph Lind, Juden in den habsburgischen Ländern 1670–1848, in: Eveline Brugger–Martha Keil–Albert Lichtblau–ders.–Barbara Staudinger, Geschichte der Juden in Österreich (Österreichische Geschichte, Wien 2006) 394–407; Derek Beales, Joseph II, Bd. 2: Against the World 1780–1790 (Cambridge 2009) 196–213; siehe auch Hannelore Burger, Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden. Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart (Studien zu Politik und Verwaltung 108, Wien–Köln– Graz 2014) 15–58. 5  Michael K. Silber, The Entrance of Jews into Hungarian Society in Vormärz. The case of the „Casinos“, in: Assimilation and Community. The Jews in nineteenth-century Europe, hg. von Jonathan Frankel–Steven J. Zipperstein (Cambridge 1992) 284–323, hier 291f. 6  Max Sebastián Hering Torres, Rassismus in der Vormoderne. Die „Reinheit des Blutes“ im Spanien der Frühen Neuzeit (Campus Forschung 911, Frankfurt/Main–New York 2006); Rainer Faupel–Klaus Eschen, Gesetzliches Unrecht in der Zeit des Nationalsozialismus (Veröffentlichungen der Potsdamer Juristischen Gesellschaft 3, Baden-Baden 1997). 2 3



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als ein Vierteljahrhundert zurück, die erste Erhebung eines Juden in den Adelstand sowie die erste Erwerbung eines adeligen Gutes durch einen Juden fast zwanzig Jahre und die erste Verleihung des Freiherrentitels an einen Juden mehr als ein Jahrzehnt. Dieser Beitrag versucht, die wesentlichen Zusammenhänge rund um das Ereignis von 1808 auszuleuchten und dieses damit einzuordnen. Das Vorgehen der Ritter wirft ein Schlaglicht auf die Beschaffenheit nicht nur des landständischen Adels, sondern auf die Landstände insgesamt. Wie war es um ihren Anspruch, ihren Mitgliederkreis eigenständig zu ergänzen – oder eben zu begrenzen –, bestellt? Bildete dieser Anspruch nur mehr ein absonderliches Relikt aus vergangenen Zeiten? Welche Bedeutung dürfen wir ihm beimessen? Inwieweit teilte der im Herrenstand versammelte hohe Adel die antijüdischen Ansichten der kleinadeligen Ritter? Können wir von einer allgemeinen „Adelsreaktion“ ausgehen? Schließlich stellt sich die Frage nach der Haltung der Staatsgewalt zur Aufnahmepolitik des Ritterstandes. Erfuhr diese eine Bestätigung oder zumindest eine Duldung von oben?

Die Landstände Die traditionelle Historiographie stellte die Zurückdrängung bzw. Domestizierung der Stände- und Adelsmacht als vornehmliches Ziel – und Errungenschaft – der Reformen in Staat und Gesellschaft seit der Mitte des 18. Jahrhunderts dar. Bekannte Eckpunkte dieser Fortschrittsgeschichte bildeten die Steuerrezesse zwischen Staat und Ständen um das Jahr 1748, eine Behördenreorganisation, die auf eine Reduzierung des Territorialadels in der Zentrale abzielte, die Ausweitung staatlicher Macht auf Kosten der lokalen Machthaber durch die Einrichtung bzw. Erneuerung von Kreisämtern, die Modernisierung des Heeres durch die Abschaffung des bis dahin bestehenden Regiments­ inhabersystems und die Schaffung von Rekrutierungsmethoden an Ständen und Patrimonialverwaltung vorbei sowie allerlei Agrar- und Rechtsreformen. Trotz diverser Studien harren der Charakter und die tatsächlichen Auswirkungen dieser Reformen vielfach noch einer wissenschaftlichen Neubewertung. Die zahlreichen Maßnahmen, die der Reformstaat ergriff, um die Fortexistenz der Landstände als privilegierte Korporation zu sichern, sind bis heute wenig beachtet. Für das Regime stellte ihr Bestehen nichts weniger als eine Lebensnotwendigkeit da, denn gerade in der Zeit des Siebenjährigen Kriegs (1756–1763) stiegen die Landstände der böhmisch-österreichischen Länder zu den bedeutendsten Kreditgebern des Wiener Hofes auf7. Von den 370 Millionen Gulden in ordentlichen und außerordentlichen Kriegseinkünften brachten die Landstände ungefähr ein Viertel (94 Millionen Gulden) über ihren Kredit auf. Der zweitwichtigste Gläubiger, die Wiener Stadtbank, mobilisierte im Vergleich „nur“ 59 Millionen Gulden Kredit. Ohne die ständische Geldquelle wäre die Habsburgermonarchie danach im 18. Jahrhundert kaum mehr in der Lage gewesen, die ungeheuren Kriegskosten zu bestreiten. Die Kreditwürdigkeit der Stände – ihre Fähigkeit, Schulden unter dem eigenen Namen aufzunehmen und gegebenenfalls das entsprechende Geld an den Hof weiter zu leihen oder auch für den eigenen Gebrauch zu verwenden – beruhte wiederum zum Teil auf ihrer Existenz als durch Privilegien an der Spitze einer ständisch gegliederten Gesellschaft herausgehobene Körperschaften und als intermediäre Gewalten. In den österrei7   Dazu William D. Godsey, The Sinews of Habsburg Power. Lower Austria in a Fiscal-Military State c. 1650–1820 (im Druck).

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chischen Ländern zählte seit dem späten 16. Jahrhundert das Recht des landständischen Adels, formal den jeweils eigenen Mitgliederkreis zu bestimmen, zu den vornehmsten dieser Privilegien. Dieses Recht stellte ein nach außen sichtbares Zeichen der Autonomie gegenüber der Zentralgewalt dar, die wiederum eine unabdingbare Voraussetzung für die finanziellen Dienstleistungen der Landstände bildete. Nicht von ungefähr hatte daher Kaiserin Maria Theresia gerade in der Zeit der finanziellen Bedrängnis nach dem Siebenjährigen Krieg ihre Aufnahmefreiheit dahingehend bestätigt, dass es bey der wegen ertheilung des indigenats hierlandes bishero bestandenen verfassung noch fernershin sein verbleiben haben möge8. In Niederösterreich ging die betreffende Freiheit auf ein landesfürstliches Privileg aus dem Jahr 1572 zurück. Diese Freiheit hatte Leopold I. bestätigt, und selbst Kaiser Joseph II. – bekanntlich kein Freund des Adels bzw. der Stände als Gruppe – hob sie nicht auf9. Die Vorschriften des Ritteradels aus dem Jahr 1808 setzten eine Reihe von Aufnahmeordnungen des eigenen Konsortiums fort, die sich letztendlich auf diese Freiheit beriefen. Gewiss kam es im Laufe der Zeit immer wieder zu Konflikten zwischen Landesfürst und Ständen über Einzelfälle. In der Ständegesellschaft bedeutete die Aufnahme eines Geadelten durch ein ständisches Konsortium schließlich eine Art gesellschaftliche Akzeptanz durch den schon etablierten Adel, der folglich diesen Zugang zum eigenen Kreis möglichst beschränkt wissen wollte. Allerdings sollten auch Günstlinge des Herrschers auf diese Weise aufsteigen können. Gerade der Ritterstand, den gewisse politische und gesellschaftliche Vorgänge seit dem frühen 17. Jahrhundert entscheidend geschwächt hatten, erwies sich im Gegensatz zum Herrenstand als besonders anfällig für den Druck von oben – freilich ohne dass die formale Aufnahmefreiheit ausgesetzt gewesen wäre 10. Das zeigte sich nicht zuletzt an einem für unser Thema relevanten Fall, der auch in Zusammenhang mit den Bemühungen der Regierung Maria Theresias gesehen werden muss, geadelten Großhändlern mit entsprechendem Gutsbesitz Zutritt zu den Ständen zu verschaffen: Kurz nach seiner Konversion vom Judentum zum Katholizismus und nach der Erhebung durch Joseph II. in den Reichsfreiherrenstand suchte im Jahr 1778 der reich gewordene Kriegslieferant und kaiserliche Hofagent Karl Abraham Freiherr Wetzlar von Plankenstern (1725–1799), der die Gunst der Kaiserin genoss, um die Aufnahme in den niederösterreichischen Herrenstand an11. In einer Abstimmung im Plenum lehnten die Herren, angeführt durch den Landmarschall Johann Anton Graf Pergen (1725–1814), seine Bewerbung allerdings ab, wenn auch nur mit knapper Mehrheit. 8  NÖLA, StB, Nr. 582, S. 439f., Hofdekret an die niederösterreichischen drei oberen Stände, 9. Dez. 1765. Zur Adelspolitik Maria Theresias William D. Godsey, Adel, Ahnenprobe und Wiener Hof. Strukturen der Herrschaftspraxis Kaiserin Maria Theresias, in: Die Ahnenprobe in der Vormoderne. Selektion – Initiation – Repräsentation, hg. von Elizabeth Harding–Michael Hecht (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereiches 496/37, Münster 2011) 309–331. 9   Zu Joseph II. und den Landständen William D. Godsey, Habsburg Government and Intermediary Authority under Joseph II (1780–90). The Estates of Lower Austria in Comparative Perspective. Central European History 46 (2014) 699–740. 10  Zum niederösterreichischen Ritterstand Thomas Winkelbauer, Der Adel in Ober- und Niederösterreich in der Frühen Neuzeit. Versuch eines Literaturüberblicks (seit etwa 1950), in: Spojující a rozdělující na hranici – Verbindendes und Trennendes an der Grenze, hg. von Václav Bůžek (Opera Historica 2, České Budějovice 1992) 13–33, hier 16f. 11   Zu diesem Fall William D. Godsey, Nation, Government, and Anti-Semitism in early nineteenthcentury Austria. The Historical Journal 51 (2008) 49–85, hier 60–63; siehe auch Klaus Edel, Karl Abraham Wetzlar Freiherr von Plankenstern 1715(16)–1799 (Dissertationen der Universität Wien 125, Wien 1975).



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Nach diesem Misserfolg ließ die Kaiserin zu Gunsten Wetzlars beim Ritterstand intervenieren. Durch den Landmarschall teilte sie in einer für sie typischen gnädig-bestimmenden Art und Weise mit, dass sie keineswegs entgegen [sei], daß Freyherr Wetzlar von Planckenstein [sic!] in das consortium des löb[lich]en ritterstand aufgenohmen und als dann als landmann bey denen geßamten ständen introduciret werde12. Dabei hatte die Kaiserin schon einmal den Präsidenten des Ritterstandes, den bejahrten, aufbrausenden Landuntermarschall Carl Leopold von Moser (1688–1770), wegen seines fortwährenden Widerstandes gegen ihre Politik kurzerhand abgesetzt – obgleich fast selbstverständlich unter gleichzeitiger Verleihung des Freiherrenstandes und der Geheimratswürde. Unter diesen Umständen erfolgte die Aufnahme Wetzlars in den Ritterstand nunmehr ohne Gegenstimme. Aus dem entsprechenden Sitzungsprotokoll sind jedoch die Skepsis und das Unbehagen der Ritter deutlich zu erkennen. Die erbliche Aufnahme, die sie beschlossen, galt nur denjenigen Nachkommen Wetzlars, die katholisch waren bzw. es werden sollten13. Unter den Rittern, die bei der Debatte und Abstimmung über Wetzlar anwesend waren, befanden sich zwei Adelige, Carl von Moser (1744–1823) und Joseph von Aichen (1745–1818), die fast genau auf den Tag dreißig Jahre später eine Rolle bei der Verabschiedung der antijüdischen Bestimmung von 1808 spielen sollten. Auf Jahrzehnte sollte Wetzlar der letzte geadelte Konvertit jüdischen Glaubens bleiben, der Zugang zu den Ständen erhielt. Nach seiner feierlichen Einführung in eine ständische Versammlung am 26. Oktober 1778 in Anwesenheit auch einer Reihe von Äbten der großen Klöster Niederösterreichs nahm er seine neuen Rechte durchaus wahr. Er pflegte die Versammlungen im Landhaus gelegentlich zu besuchen und nahm in seiner ständischen Eigenschaft an der niederösterreichischen Erbhuldigung für Leopold II. im Jahr 1790 teil. Die Kränkung, nicht in den Herrenstand aufgenommen worden zu sein, zu dem Wetzlars Rang in der Adelshierarchie als Freiherr eigentlich berechtigt hätte, scheint tief gesessen zu haben. Aus der politischen Wende 1790 schöpfte er möglicherweise Hoffnung. Gleich zweimal suchte Wetzlar Anfang der 1790er Jahre um den Übertritt in den Herrenstand an – erfolglos. Beim zweiten Mal im Jahr 1792 scheiterte er noch deutlicher als beim allerersten Versuch im Jahr 1778. Seine Gegner nahmen weiterhin Anstoß daran, dass manche seiner Familienangehörigen, insbesondere seine Ehefrau, jüdisch blieben14. Wetzlar war der Erste in einer zwar überschaubaren, aber doch bemerkenswerte Reihe von Juden und Konvertiten, insgesamt etwa zwei Dutzend Personen aus einer noch kleineren Anzahl von Familien, die vom letzten Viertel des 18. Jahrhunderts bis zur Verabschiedung der Aufnahmeordnung des Ritterstandes im Jahr 1808 den Adels- bzw. Freiherrenstand in der österreichischen Monarchie erlangten15. Mit dem Adelsbrief besaßen sie gegebenenfalls eine wichtige Voraussetzung für die Aufnahme in eine ständische Körperschaft. Bis dahin war Angehörigen dieser Gruppen in der Frühen Neuzeit nur ganz vereinzelt der Aufstieg in den Adel gelungen. Noch gegen Ende der Regierungszeit Maria Theresias gab es neben Wetzlar nur noch einen weiteren Fall von Konvertiten, alle Angehörige derselben Familie, die den Adelstitel erhielten. Wenige Jahre später nahm 12   NÖLA, RSA, Aufnahmeakten, Kt. 28, Landmarschall Graf Pergen an den Ritterstandspräses Ludwig von Hacqué, 20. Apr. 1778. 13  NÖLA, RSA, Hs. 16, S. 176, Sitzungsprotokoll des niederösterreichischen Ritterstands, 22. Apr. 1778. 14  ÖStA, HHStA, Nachlass Zinzendorf, Tagebuch des Grafen Karl Zinzendorf, 14. Apr. 1792. 15  Die neue Standardliste bei Kai Drewes, Jüdischer Adel. Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts (Frankfurt/Main–New York 2013) 378–385, setzt allerdings erst mit der Alleinregierung Josephs II. ein.

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das Toleranzpatent für Juden (Niederösterreich 1782) keinen Bezug auf den Adel und in der Folge zeitigte es auch keine Auswirkungen auf die Adelsfähigkeit von Juden. Das Toleranzpatent für nichtkatholische Christen aus dem Jahr davor (1781) stieß hingegen eine mehr als anderthalb Jahrhunderte andauernde gegenreformatorische Politik in Bezug auf das Landhaus um: Den ständischen Adelskonsortien wurde unter besonderen Auflagen freigestellt, Angehörige der betreffenden konfessionellen Gruppen aufzunehmen16. Im Jahr 1784 gewährte der niederösterreichische Ritterstand zähneknirschend den ersten Protestanten den Zutritt.

Aufstieg Der Praxis aus den letzten Jahren seiner Mutter folgend erhob Kaiser Joseph II. bis zum Ende seiner Alleinregierung vier Konvertiten vom Judentum in den Adelsstand. Im Herbst 1789 erhielt dann erstmals ein noch jüdischer Großhändler und Steuerpächter, Israel Hönig (1724–1808), dessen Bruder einige Jahre zuvor konvertiert und adelig geworden war, ein Adelsdiplom mit dem Prädikat Edler von Hönigsberg. Wohl mit Recht hat zuletzt ein Historiker festgestellt, dass mit diesem Schritt weder eine Signalwirkung intendiert war, noch dass von ihm eine solche ausging, wie spätere Kommentatoren vermuteten17. Eine Erwähnung von Hönigsbergs religiösem Bekenntnis in Zusammenhang mit der Standeserhebung erfolgte schließlich nicht. Dennoch wird diese in betroffenen und informierten Kreisen – dem sehr überschaubaren Kreis wohlhabender Juden und in manchen Adelskreisen – genau registriert worden sein. In der Tat kam Hönigsberg mit seinem neuen Rang innerhalb kürzester Zeit ins Visier des ständischen Adels im niederösterreichischen Landhaus. Durch ein Reskript Josephs II. vom 24. September 1789, das wohlbemittelten Juden die Erwerbung von in Niederösterreich gelegenen, durch öffentliche Versteigerung zu veräußernden Staatsgütern ermöglichte, kaufte sich Hönigsberg die vormals zur aufgehobenen Kartause Mauerbach zugehörige Herrschaft Velm im Viertel unter dem Manhartsberg (dem heutigen Weinviertel)18. Bis zur Aufhebung dieses Klosters im Zuge der josephinischen Reformen nur wenige Jahre davor hatte der Prior von Mauerbach von alters her als Prälat Sitz und Stimme bei den niederösterreichischen Ständen inne gehabt. Zwischen Hönigsbergs Standeserhebung am 2. Oktober 1789, die gleichzeitig mit der Bekanntmachung des Reskripts über den Ankauf von Staatsgütern (ebenfalls am 2. Oktober 1789) erfolgte, und seinem beabsichtigten Kauf eines Gutes bestand ein direkter Zusammenhang19. Durch den Aufstieg in den Adel bezweckte er nämlich, den zu erwerbenden Besitz gleich im Voraus abzusichern. Darin sollte er sich jedoch täu16   Gustav Frank, Das Toleranz-Patent Kaiser Josephs II. Urkundliche Geschichte seiner Entstehung und Folgen (Wien 1881) 40. 17  Drewes, Jüdischer Adel (wie Anm. 15) 167f. 18  Hofdekret von 24. Sept. 1789 gedruckt in: Joseph Kropatschek, Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph des II. für die K. K. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze in einer sistematischen Verbindung, Bd. 17 (Wien 1790) 78f. Schon einige Jahre davor hatte Joseph II. Juden in Galizien die Erwerbung von Grundeigentum erlaubt. Horst Glassl, Das österreichische Einrichtungswerk in Galizien (1772–1790) (Veröffentlichungen des Osteuropa-Institutes München, Reihe Geschichte 41, Wiesbaden 1975) 192; Josef Karniel, Die Toleranzpolitik Josephs II. (Schriftenreihe des Instituts für deutsche Geschichte der Universität Tel Aviv 9, Gerlingen 1985) 448f. 19  Ingrid Mittenzwei, Zwischen Gestern und Morgen. Wiens frühe Bourgeoisie an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert (Bürgertum in der Habsburgermonarchie 2, Wien–Köln–Weimar 1998) 93.



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schen, denn nach dem Kauf wies die Mehrheit im niederösterreichischen Landhaus den nunmehr adeligen Hönigsberg als Herrschaftsbesitzer und in der Folge als ihr quasi mitglied zurück. Wenngleich ein Adelsdiplom auch nicht ohne weiteres die Türen des Landhauses öffnete, so brachte der Gutsbesitz Hönigsberg – nach der Meinung eines führenden Mitglieds – doch in gefährliche Nähe der Stände. Nur wenige teilten die Auffassung ihres Mitstandes, Graf Karl von Zinzendorf (1739–1813), dass den Juden die Möglichkeit gegeben werden sollte, ihre kapitalien auf rechtschaffene art anzulegen, wodurch sie von dem wucher immer mehr abgebracht würden. Zudem vertrat Zinzendorf die Meinung, dass [d]em bauern […] es gleichgültig seyn [würde], welchem herrn er seine gaben entrichte20. Für den Großteil der Mitglieder verletzte die jüdische Erwerbung eines Gutes, das adelige (Dominikal-)Qualität aufwies, jedoch ihre gerechtsame und die alt hergebrachte landesverfassung – ganz abgesehen von etwaigen Befürchtungen über Konkurrenz auf dem Immobilienmarkt21. Seit der Vertreibung aus Wien 1670 waren Juden prinzipiell von Grundbesitz ausgeschlossen, auch wenn im 18. Jahrhundert Erwerbungen in der Stadt über christliche „Namensträger“ ein bekanntes, immer wieder durch die Behörden bekämpftes Phänomen darstellten. Dank der Abschaffung ihres sogenannten Einstandsrechts unter Joseph II. zu Gunsten einer marktwirtschaftlichen Öffnung des Agrarwesens fehlte den Ständen nunmehr die herkömmliche Berechtigung, Güter wie Velm, die sich nicht mehr in ihrer Hand befanden, zurück zu kaufen. Um Hönigsberg seinen Besitz streitig zu machen, bot sich freilich die Möglichkeit der Nichteinschreibung des Besitzerwechsels bei der Landtafel bzw. beim Gültbuch an. Durch ihre ausgeprägte Kredittätigkeit im staatlichen Auftrag bildeten die Stände bzw. ihre Verordneten mit Obereinnehmer und Buchhalter zwangsläufig eine führende Steuerinstanz mit entsprechendem Einfluss auf Besitzveränderungen – eben durch ihre Verfügung über die relevanten Register. Die Steuereinnahmen dienten letztendlich der Sicherung ihres Schuldenwesens. In der Frage der Einschreibung im Fall Hönigsberg entfachte die Verweigerung der Landstände schließlich einen langjährigen Disput, der erst durch einen Kompromiss im Jahr 1794 vorläufig beigelegt werden konnte. Im Gegenzug für die ständische Bereitschaft, die Gülteinschreibung vorzunehmen, wurde Hönigsbergs Eigentumsrecht auf Velm nachträglich durch eine landesfürstliche außerordentliche dispensation, die der eigenen Person, jedoch nicht seinen Nachkommen jüdischen Glaubens galt, ganz im Sinne einer auf Privilegien gestützten Ständegesellschaft bestätigt. Den Ständen ging es letztlich darum, keinen Präzedenzfall schaffen zu lassen. In der Tat sollte Israel von Hönigsberg als jüdischer Herrschaftsinhaber die große Ausnahme bleiben. Auf Jahrzehnte bildete der Dominikalbesitz eine Schwelle, die nicht mehr überschritten werden sollte. Etwas anders verhielt es sich dagegen mit jüdischem Besitz von bürgerlichen Grundstücken und Rustikalgründen. Wie die Gesellschaft unterlag auch der Boden einer ständischen Gliederung, wobei die Qualität (dominikal, rustikal, bürgerlich) unabhängig vom Stand des Besitzers erhalten blieb. Eine Grundherrschaft behielt zum Beispiel ihre Dominikalqualität, auch wenn ihr Besitzer bürgerlich war22. Im   NÖLA, StB, 280, Syndikatsprotokoll, 31. Juli 1790.   Eine fast zeitgenössische Darstellung des Falls befindet sich im NÖLA, Landes-Registratur 1793–1904, F. 16, Kt. 2: Bericht zu handen der k. k. vereinigten hofkanzlei, 12. Aug. 1817. 22  Die diesbezügliche Sachlage verhielt sich anders in Frankreich; dazu Rafe Blaufarb, The Politics of Fiscal Privilege in Provence, 1530s–1830s (Washington 2012). 20 21

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gleichen Jahr wie die einstweilige Beilegung des Streites um den Besitz des Gutes Velm erwarb der jüdische Großhändler und Bankier Nathan Arnstein (1748–1838), dessen jüngerer Bruder Michael Joseph († 1811) damals längst katholisch und adelig war, von Gräfin Ernestina von Rappach, geb. Lamberg († 1800) ein Haus samt Garten außerhalb der Wiener Mariahilferlinie23. Die weiterhin geltende formale Besitzunfähigkeit von Juden in Niederösterreich, abgesehen von der umstrittenen Ausnahme aus dem Jahr 1789, die wiederum lediglich den Ankauf bei öffentlicher Versteigerung gestattete, machte jedoch auch in diesem Fall ein landesfürstliches Privileg erforderlich. In der Gewährung derselben berief sich die zuständige Zentralbehörde immerhin darauf, dass Seine Majestät den von Hönigsberg wegen der erkauften herrschaft Velm so gar in die landtafel zu bringen befohlen haben24. Entscheidend für das Zugeständnis war aber nicht der vermeintliche Präzedenzfall, sondern die bekannten wichtigen diensten, welche die Arensteinische [sic!] familie und vorzüglich in jetzigen umständen Nathan Arnstein dem staat geleistet hat. Seit 1792 befand sich Kaiser Franz II. bekanntlich im Krieg gegen Frankreich, der mit wenigen Unterbrechungen über eine Generation fortdauern sollte und mit einem beispiellosen Bedarf an Geld, Rekruten, Proviant und Material einherging. Schon im Ersten Koalitionskrieg (1792–1797) mit den Kämpfen österreichischer Truppen am Rhein und in den südlichen Niederlanden beteiligte sich Arnstein als Heereslieferant und Finanzmann maßgeblich an der Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen. Noch vor der Jahrhundertwende galt er bei den Staatsstellen daher nicht nur als rechtschaffener und verdienstvoller Mann, sondern auch als patriot25. In der Folge verlieh ihm der Kaiser den Freiherrenstand, ohne dass er vorher schon den einfachen Adels- oder Rittertitel gehabt hätte. Damit wurde Arnstein Österreichs erster jüdischer Baron (1798). Zudem erhielt er eine weitere Sonderbewilligung, um ein Grundstück zur Vergrößerung seines Gartens anzukaufen. Nach dem Ausscheiden Österreichs aus dem Zweiten Koalitionskrieg (1798–1801) bekam er schließlich ein breit gefasstes Privileg, das ihm erlaubte, ohne irgend einer weiteren consequenz bürgerliche und rustikal realitäten an sich [zu] bringen und besitzen26. Dass sich sein Bankhaus während der österreichischen Beteiligung an einem weiteren Krieg – dem Dritten Koalitionskrieg 1805–1806 – vor allen anderen hiesigen Wechselhäusern so rühmlich ausgezeichnet hatte, erklärte ferner die Ausweitung des letztgenannten Privilegs auf seinen Schwiegersohn, den aus reichem sephardisch-portugiesisch-niederländischem Haus stammenden Henry Pereira (1773–1835), der Arnsteins einziges Kind geheiratet hatte27. Der gesellschaftliche Aufstieg des Hauses Arnstein erreichte einen ersten Höhepunkt schon im ersten Dezennium des 19. Jahrhunderts im luxuriösen und auch von der Aristokratie vielbesuchten Salon von Nathans berühmter Frau, Fanny Arnstein-Itzig (1758– 23  NÖLA, NÖReg, H1, 1799, Nr. 12914. Zur Familie Arnstein Georg Gaugusch, Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938, Bd. 1: A–K (Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft „Adler“ Wien III/16, Wien 2011) 26–33. 24  NÖLA, NÖReg, H, 1794, Nr. 8768, Resolution des direktoriums in cameralibus der hungarischen, siebenbürgischen und deutschen erblande wie auch in publico politicis, 4. Juli 1794. 25  NÖLA, NÖReg, H1, 1799, Nr. 12914, Bericht der Landesregierung an die Hofkanzlei, 6. Aug. 1799; siehe auch Herman Freudenberger, Lost Momentum. Austrian Economic Development 1750s–1830s (Studien zur Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftspolitik 8, Wien–Köln–Weimar 2003) 183f., 187. 26  NÖLA, NÖReg, H1, 1804, Nr. 19116, Hofdekret, 12. Juni 1801. 27  Ebd. H1, 1808, Nr. 4662, Oberstkämmerer Rudolf Graf Wrbna an Hofrat Graf Chorinsky, 23. Juni 1806.



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1818). Ohne die hohe Wertschätzung des Wiener Hofes für ihn, welche sich in der Erteilung von Privilegien und Auszeichnungen als Dank für seinen Kriegseinsatz ausdrückte, die wiederum den äußeren Prunk im Lebensstil der Arnsteins mit Titeln und herrschaftlichen Häusern ermöglichten, wäre der bisher überwiegend mit den persönlichen Eigenschaften Fannys assoziierte gesellschaftliche Durchbruch kaum denkbar gewesen. Der fast andauernde Kriegsnotstand ab 1792 hatte auf diese Weise eine gesellschaftliche Öffnung entscheidend begünstigt, für die freilich auch ein Mentalitätswandel im Zuge der Aufklärung und der Toleranzpolitik Josephs II. bedeutsam war. Im Gegensatz zur Erfahrung früherer Kriegsfaktoren – wie etwa Samuel Oppenheimer (1630–1703) um 1700 – ging der angehäufte Reichtum nunmehr mit einer herausragenden gesellschaftlichen Stellung einher. Obwohl das Phänomen auf Arnstein, verwandte Bankiers wie Bernhard Eskeles (1753–1839) und Salomon Herz (1743–1825) sowie einige weitere jüdische und nichtjüdische Finanziers begrenzt blieb, war es doch für alle, die sehen konnten oder wollten, sichtbar. Von der Ritterstube des Landhauses aus gesehen schien es auf jeden Fall die Grenzen der ständischen Gesellschaft zu sprengen. Gerade zur selben Zeit, als die neue Aufnahmeordnung dort vorbereitet wurde, braute sich ein schriftlicher Protest von ständischer Seite gegen die Erteilung der Grundbesitzfähigkeit an Arnsteins Schwiegersohn zusammen. Überreicht wurde er nur Wochen nach der Annahme des antijüdischen Statuts von 1808 durch den Ritterstand. Mit dem Hinweis darauf, dass das betreffende Privileg sich nicht auf dominical-realitäten erstreckte, wies der Hof den ständischen Einspruch freilich zurück28. Damit war impliziert, dass die Landstände keine Mitbestimmung in Hinblick auf den Boden bürgerlicher oder bäuerlicher Qualität besaßen.

Der Ritterstand unter Druck Auch auf andere Weise bildeten die Bankenwelt und ihre Vertreter nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich-finanziell aus der Sicht der Ritterstube eine Bedrohung. Die Sachzwänge des Krieges spielten auch hier eine entscheidende Rolle. Während der französischen Okkupation von Wien 1805 hatten die Landstände mit dem Einverständnis der Besatzer ihre Verwaltungstätigkeit fortgesetzt. Ebenso wenig wie der österreichische Staat konnte Napoleon auf die Mitwirkung der intermediären Gewalt im Steuer-, Kredit- und Lieferwesen verzichten, zumindest wenn er seine hohen Forderungen ohne Anwendung von Gewalt durchsetzen wollte. Um den auferlegten Verpflichtungen an Nachschub und Verpflegung gegenüber den Franzosen nachzukommen, gingen die Landstände ihrerseits fallweise Geschäftsverbindungen mit einzelnen Lieferanten ein. In diesem Zusammenhang taucht der Name des großherzoglich-badischen Hoffaktors Elkan Reutlinger (1766–1818) am häufigsten in den Quellen auf. Im Auftrag der Stände beschaffte er etwa Stroh für Militärspitäler und vereinbarte die Lieferung von vielen tausenden Paar Schuhen. Auch Emmanuel Baptist Arnstein († 1838), ein konvertierter Cousin Nathans, beteiligte sich am ständischen Schuhgeschäft für die fremden Truppen. Bis Anfang 1806, als die Franzosen noch in Wien standen, schuldeten Reutlinger die Stände nach eigener Angabe mehr als eine halbe Million Gulden für seine Dienste. Auf eine entsprechende Zahlung drängte er angeblich mit ungestüm29. 28 29

  NÖLA, StB, 616, Nr. 127, Hofdekret, 14. Juni 1808.   NÖLA, StB, 294, Sitzungsprotokoll der Versammlung des verstärkten niederösterreichischen ständi-

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Aber auch auf dem ureigenen Tätigkeitsfeld des Kreditwesens schien ein Auskommen der Stände ohne die Beihilfe der neuen Finanzwelt eine Zeitlang nicht möglich. Im Dezember 1805 verlangte Napoleon vom Land unter der Enns eine Kriegskontribution in der Höhe von 12 Millionen Franken (umgerechnet etwa 4.800.000 fl.). Um die dafür nötigen Gelder aufzubringen, erhoben die Landstände eine Zwangsanleihe von der Stadt Wien, den Dominikalbesitzern und dem Handelsstand. Verschiedene nach dem Krieg im Landhaus entstandene Pläne für die Rückzahlung dieser Gelder, die 1807 ihren Anfang nehmen sollte, sahen die Beteiligung von Bankhäusern vor. Der Ritterstandsverordnete Ignaz von Kees († 1817), ein Finanzfachmann, führte diesbezügliche Gespräche mit dem Bankier von Hönigstein, einem Verwandten des inzwischen verstorbenen Israel von Hönigsberg30. In weiterer Folge beschloss die zuständige ständische Stelle, sich über das Problem mit denjenigen Bankiers zu beraten, die den Reihen der Stände selbst angehörten. Die sich wenige Tage darauf ergebende Besprechung zwischen einer Gruppe von ständischen Würdenträgern und einer Gruppe „ständischer Bankiers“ stellte ebenfalls ein Novum dar. Die anwesenden Finanzleute erklärten sich zwar bereit, eine entsprechende Summe ohne Provision aufbringen zu wollen, machten aber auf die Schwierigkeit aufmerksam, dass im auslande der wahn bestehe, daß die herren stände ohne begnehmigung des höchsten hofes eine solche unterhandlung zu treffen nicht vermöchten31. An dieser Sitzung nahmen neben Kees weitere Angehörige des Ritterstandes teil, die im folgenden Jahr die neue Aufnahmeordnung ihres Konsortiums gestalten und verabschieden würden. Gleichwohl greift es zu kurz, die antijüdische Bestimmung von 1808 allein aus dem gesellschaftlichen und finanziellen Aufstieg einer neuen Geldaristokratie zu erklären. Vielmehr sind in diesem Kontext zweitens auch die Abstiegserfahrungen des Ritteradels in Folge der Kriege seit den 1790er Jahren sowie das angespannte politische Klima im Vorfeld des sich anbahnenden erneuten bewaffneten Konflikts mit Napoleon, der 1809 ausbrach, zu berücksichtigen. Einerseits schwappte seit den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts eine gewaltige Teuerungswelle über das Land infolge der Münzverschlechterung und vor allem der Papiergeldvermehrung im Zuge der steigenden staatlichen Kriegskosten. Zunehmend finanzierten die Druckerpressen den Krieg. Zu den Gruppen, die am meisten durch die Inflation verloren, zählten Staatsdiener und Amtsträger, auch auf Landesebene: „Als Gehaltsempfänger waren die Beamten der wachsenden Zerrüttung der Staatsfinanzen am unmittelbarsten und vielfältigsten ausgesetzt und der Kampf ums Dasein, den sie unter den mörderischen Lebensbedingungen ihres Zeitalters führen mußten, war außerordentlich schwer und hart“32. Selbst relativ hohe und schen Ausschusses, 4. Jan. 1806; siehe Leopold Auer, Die Aufenthalte Napoleons in Niederösterreich in den Jahren 1805 und 1809. Eine Spurensuche, in: Niederösterreich und die Franzosenkriege, hg. von Willibald Rosner–Reinelde Motz-Linhart (STUF 49, St. Pölten 2010) 43–58. 30  NÖLA, StB, 294, Sitzungsprotokoll der Versammlung des verstärkten niederösterreichischen ständischen Ausschusses, 12. Jan. 1807. 31  Ebd. Sitzungsprotokoll der Versammlung des verstärkten niederösterreichischen ständischen Ausschusses, 15. Mai 1807. Die Gruppe „ständischer Bankiers“ setze sich aus folgenden Personen zusammen: Graf Fuchs, Graf Fries, Freiherr von Brentano, Karl von Puthon, Gottlieb von Thom und Freiherr von Fellner. 32  Josef Karl Mayr, Wien im Zeitalter Napoleons. Staatsfinanzen, Lebensverhältnisse, Beamte und Militär (Abhandlungen zur Geschichte und Quellenkunde der Stadt Wien 6, Wien 1940) 174; siehe auch Waltraud Heindl, Gehorsame Rebellen. Bürokratie und Beamte in Österreich 1780 bis 1848 (Studien zu Politik und Verwaltung 36, Wien–Köln–Graz 1991) 169–172.



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gutsituierte Dienstnehmer litten unter der schwindenden Kaufkraft ihrer Gehälter und dem damit verbundenen Preisanstieg, der eine allmähliche Verteuerung ihrer Wohn- und Lebenskosten zur Folge hatte. Die ab 1802 bewilligten Teuerungszulagen für Beamten glichen die Verluste nicht aus. Im Sommer 1808 stellte der Staat die Teilauszahlung der Gehälter in klingender Münze ein. Als Ersatz diente das immer mehr entwertete, weil in immer größeren Mengen gedruckte Papiergeld – die sogenannten Bankozettel. Bei den damaligen Angehörigen des niederösterreichischen Ritterstandes handelte es sich kaum um Vertreter des klassischen, grundbesitzenden Adels. In erster Linie waren sie kleinadelige Amtsträger, die in hohem Maße auf ihre Gehälter vom Staat oder von den Landständen angewiesen waren. Dieser Umstand galt selbst für die ranghöchsten Ritter, die am 27. April 1808 ihre Unterschriften unter die neue Aufnahmeordnung mit ihrem antijüdischen Paragraphen setzten: Carl von Moser, Joseph von Aichen, Emmanuel Freiherr von Doblhoff (1775–1830), Joseph Freiherr von Mayenberg, Ignaz von Kees, Joseph Freiherr von Waldstätten († 1825) und Ferdinand von Hackher zu Hart (1760–1835). Als Juristen standen Aichen und Hackher in Staats- bzw. Landesdiensten, dieser am Appellationsgericht, jener am Landrecht. Als Amtsträger des Ritterstandes bezog Aichen, wie auch Doblhoff, Mayenberg und Kees, eine Gage. Die beiden Letztgenannten gehörten dem geschäftsführenden Ausschuss der Landstände, dem Verordnetenkollegium, an. Schon Ende der 1790er Jahre hatte Mayenberg den Verlust des Familiengutes Würmla am westlichen Rand des Wienerwaldes erlebt, das sein Urgroß­vater, ein geadelter niederösterreichischer Regierungskanzler, seinerzeit angekauft hatte. Mit der ihm verbliebenen rustikalwirtschaft genügte Mayenberg keinesfalls den noch formal in Kraft stehenden Anforderungen für einen ständischen Amtsträger, der gleichzeitig Herrschaftsbesitzer im Land sein sollte. Unter seinen Standesgenossen bildete sein fehlender Dominikalbesitz indessen keinen Einzelfall. Im Gegenteil: Längst verfügte nur mehr eine kleine Minderheit der Ritterfamilien über eine Grundherrschaft. Daher musste der Ritterstand die ständischen Ämter auch an nicht entsprechend Begüterte vergeben. Dass die Mosers – die Familie des als Präsident des Ritterstandes amtierenden Landuntermarschalls – noch beträchtliche Güter um Aachau und Ebreichsdorf südlich von Wien besaßen, war nur die Ausnahme, welche die Regel bestätigte. Aber gerade die zwei Landuntermarschälle dieses Namens, der 1764 durch Maria Theresia abgesetzte Carl Leopold von Moser und sein 1802 durch Franz II. in dasselbe Amt eingesetzter Sohn Carl, profilierten sich als politische Traditionalisten. Beim jüngeren Moser ist seine Unterstützung für die neue Aufnahmevorschrift allerdings weniger rückwärtsgewandt als vielmehr als Zeichen der eigenen Zeit zu deuten.

Die niederösterreichische Ritterschaft und die „Nation“ Die antijüdische Verfügung des Ritterstands kann drittens nicht ohne Rücksicht auf die politische Hochspannung und patriotische Aufwallung jener Jahre verstanden werden. Die napoleonische Herrschaft stellte weiterhin eine potenzielle Bedrohung für das Kaisertum Österreich dar, wie das Schicksal Preußens nach Jena 1806 und die Absetzung des spanischen Königshauses 1808 Wiener Beobachtern auf geradezu erschreckende Weise

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zeigten33. Um der erwarteten neuerlichen Herausforderung durch Napoleon zu begegnen, schien die vorhandene dynastisch-österreichische Gesinnung in ihren mannigfachen, zum Teil auch neuartigen National- und Landesausprägungen von Tirol bis Ungarn und von Böhmen bis nach Krain für die Staatsführung als ein wirksames Instrument im Sinne der Massenmobilisierung anzubieten34. Eine entsprechende Lenkung dieser Loyalitäten versprach erhöhte Erfolgsaussichten bei der Aufbringung von Ressourcen für einen allfälligen Krieg. Die mit dieser Politik verbundenen Namen wie Johann Philipp Graf Stadion (1763–1824), Erzherzog Johann (1782–1859) und Joseph Freiherr von Hormayr († 1848) sind hinlänglich bekannt. Auch den Ländereliten – mit den Landständen an der Spitze – in den jeweiligen Territorien war eine Rolle dabei zugedacht, nicht zuletzt in der Aufstellung einer bewaffneten Volksmiliz zur Heeresverstärkung: der Landwehr. Schon bei der Rückkehr des Kaisers in seine Haupt- und Residenzstadt nach dem Preßburger Frieden Anfang 1806 hatten die niederösterreichischen Landstände als erstes privilegiertes Korps in den böhmisch-österreichischen Ländern die Erlaubnis erhalten, eine landständische Uniform als Zeichen ihrer patriotischen Gesinnung zu tragen35. Die patriotische Sprache dieser Jahre bediente sich des seit den 1790er Jahren aufkommenden und gerade in der Zeit nach 1806 verstärkt bemühten (österreichischen) Nationsbegriff, der neuartige Unterscheidungen zwischen „Einheimischen“ und „Fremden“ ermöglichte. Es ging dem Nationalisten Hormayr – wie auch Nationalisten jeglicher Couleur bis heute – letzten Endes darum, die vermeintlichen Angehörigen der Nation einzuverleiben und das erstrebte Phänomen auf diese Weise entstehen zu lassen36. Demgemäß war die Nation nicht naturgegeben, sie musste geschaffen werden. Dazu dienten unter anderem rhetorische Grenzen zwischen denjenigen, die ihr angehörten, und denjenigen, die nicht dazu zählten. Die entsprechende politische Sprache lieferte dem Ritteradel im Wiener Landhaus ein passendes Medium, um seine Abstiegsängste durchaus zeitgemäß zu artikulieren. Zwischen angeblich benachteiligten eingebohrnen und angeblich begünstigen Fremden außerhalb oder innerhalb der Staatsgrenzen wusste der radikalste Verfechter der neuen Aufnahmeordnung, Joseph Freiherr von Mayenberg, klar zu unterschieden: Diese eigenschaften eines dem ständischen körper, somit dem staat nützlich seyn sollenden mitgliedes kann ich in einem fremden, daher selten zu unseren angellegenheiten auch nur in weiteren sinne vorbereiteten individuo kaum voraussetzen, vielmehr vermiße ich bey demselben den hauptbestimmungs grund patriotischer gesinnungen und handlungen, nämlich die liebe zu unserem vatterlande ganz, da ihm die natur eine anhänglichkeit an das seine einpflanzte, welche sich mit einer gleichen an das unsere nicht wohl vereinbahren lässt. Die erfahrung, vorzüglich der lezteren zeiten, zeiget uns nur zu sehr, was wir von denen, mit so mancher hindansetzung der eingebohrnen zu vorkommend aufgenohmenen fremden zu erwarten hat  Paul W. Schroeder, The Transformation of European Politics 1763–1848 (Oxford 1994) 351f.   Die neuere Forschung hebt die Elastizität und Verschränkung der damals herrschenden Formen von dynastischen, National-, Landes- und Lokalloyalitäten hervor; dazu Brian E. Vick, The Congress of Vienna. Power and Politics after Napoleon (Cambridge, Massachusetts–London 2014) 40–47. 35  Die Erlaubnis erfolgte zunächst mündlich. Ein Hinweis darauf befindet sich im NÖLA, StB, 294, Sitzungsprotokoll der Versammlung des verstärkten niederösterreichischen ständischen Ausschusses, 20. Jan. 1806; Georg J. Kugler–Monica Kurzel-Runtscheiner–Wilfried Seipel, Des Kaisers teure Kleider. Festroben und Ornate, Hofuniformen und Livreen vom frühen 18. Jahrhundert bis 1918 (Wien 2000) 49f. 36   Dazu André Robert, L’idée nationale autrichienne et les guerres de Napoléon. L’apostolat du baron du Hormayr et le salon de Caroline Pichler (Paris 1933) 273: „Ainsi Hormayr espérait stimuler le patriotisme autrichien, infuser un sang nouveau à ce grand corps dont il voulait faire une nation“. 33 34



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ten. Sie wissen, bey staatsbedienstungen so viellen fähigen und erprobt biederen eingebohrnen den vorzug abzugewinnen, ohne jedoch auf solchen posten die staatswohlfarth besser zu begründen. Mann bewundert zwar ihre vorzüglichen geistesfähigkeiten, berücksichtiget aber nicht, wie sehr noch nebst dem verfehlten zwecke durch solche begünstigungen die ausbildung und verwendung der eingebohrnen im keime ersticket wird. Sie wissen sich auf verschiedenen wegen in kurzer zeit beträchtliche reichtümer zu verschaffen. Dieß nennt man spekulazions geist und übergroße kenntniß in handlungsfache, vergisst aber darüber, dass es das geld unserer landsleute ist, mit dem sie prangen, und dass sie durch verbindungen mit ihrem vatterlande so manchen unseren staatsoperationen gerade entgegen arbeiten. Endlich ist man der meinung, dass durch die possessionirung der fremden, unserem vatterlande viel fremdes geld zum vortheil des inländischen verkehrs zugeführet werde. Es scheinet aber noch keine entschiedene sache zu seyn, dass viel schlechtes geld in zweydeutigen händen dem staate zuträglicher seye als anhängliche staatsbürger mit wenigeren geld; vielmehr bewähret die geschichte, dass national geist und national tugenden vorzüglich untergraben werden, wenn bürger eines staates von fremden abhängen, sie mögen sich nun außerhalb oder innerhalb deßelben befinden, gleich viel ihre gesinnungen bleiben dieselben37. Für Mayenberg beschränkte sich die österreichische Nation, auf die er sich in seinen mit antijüdischen Klischees durchsetzten Ausführungen bezog, nicht auf die Einwohner des Landes Niederösterreich. Der häufig mit Fremdenhass behaftete Partikularismus früherer ständischer Aufnahmeordnungen wich hier neuerem nationalen Verständnis. Die Aufnahme in den Ritterstand des Landes unter der Enns sollte nach der Auffassung Mayenbergs folglich denjenigen Personen vorbehalten sein, die entweder in den österreichischen Erbländern geboren worden oder mindestens 20 Jahre als Adelige dort sesshaft waren. Dieser Vorschlag, der im Übrigen über die Bestimmungen einer landesfürstlichen Verordnung aus der Zeit Maria Theresias hinausging, die lediglich den Besitz eines Adelsdiploms einer der Hofkanzleien für den Zutritt zu den Landständen zur Bedingung gemacht hatte, fand schließlich Eingang in die neuen Vorschriften. Zusammengefasst wurde diese Bestimmung mit der antijüdischen Regel gleich im ersten Absatz der neuen Aufnahmeordnung. Auf diese Weise entstand ein wesentlicher Zusammenhang zwischen der erwünschten konfessionellen (christlichen = nichtjüdischen) und der erwünschten nationalen (erbländischen) Herkunft. Das Adelskonsortium sollte nur mehr für unsere landesleute – um Mayenberg nochmals zu zitieren – unter Ausschluss von als fremd wahrgenommenen Personengruppen auch im Inland zugänglich sein. Wie im deutschen Fall ging also diese Frühform des Nationalismus österreichischer Prägung mit der Judenfeindschaft einher. Die Nation sollte demnach christlich sein38. Mayenberg wollte gar den ursprünglich vom Ausschussrat Freiherrn von Doblhoff vorgeschlagenen antijüdischen Paragraphen dahin verschärfen, dass der neu aufzunehmende wenigstens im vierten grade, von vätterlich und mütterlich jüdischen vorältern entfernt seyn solle39. Angesichts des drastischen Wortlauts des Originalentwurfs, der dann nahezu ohne Wider37  NÖLA, RSA, AI, fol. 269v–271r, Votum des Verordneten Freiherrn von Mayenberg über den Entwurf der Aufnahmeregeln, 9. März 1808. 38  Zum deutschen Frühnationalismus Klaus L. Berghahn, Grenzen der Toleranz. Juden und Christen im Zeitalter der Aufklärung (Köln–Weimar–Wien ²2001) 263–294; siehe auch George L. Mosse, Die Juden im Zeitalter des modernen Nationalismus, in: Die Konstruktion der Nation gegen die Juden, hg. von Peter Alter–Claus-Ekkehard Bärsch–Peter Berghoff (München 1999) 18f. 39  NÖLA, RSA, A1, fol. 270v–271r, Votum des Verordneten Freiherrn von Mayenberg über den Entwurf der Aufnahmeregeln, 9. März 1808.

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spruch gutgeheißen werden sollte, kann die fehlende Zustimmung zu dieser Idee nicht als Mäßigung der übrigen Ritter bewertet werden. Lediglich der Landrechtsvizepräsident Joseph von Aichen befürwortete insofern eine Abschwächung, als das Erfordernis der Abstammung von Christen durch ein einfaches Bekenntnis zum Christentum zu ersetzen gewesen wäre. Diese Umänderung hätte die Vorschriften allenfalls mit der Toleranzgesetzgebung aus der Zeit Josephs II. in Einklang gebracht, die keine Aufnahme von Juden – im Gegensatz zu nichtkatholischen Christen – in landständische Körperschaften vorgesehen hatte. Inwieweit spiegelte die Haltung innerhalb der Ritterstandstube die Stimmung außerhalb wider? Repräsentativ für den Adel im Wiener Landhaus waren die Ritter auf jeden Fall nicht. Von einer allgemeinen „Adelsreaktion“ in diesem Zusammenhang kann daher nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Ein in der ständischen Geschichte durchaus typischer innerständischer Gegensatz tat sich dabei auf; wie schon in der Vergangenheit bildete die landständische Körperschaft schließlich keine monolithische Einheit40. Noch 1809 lehnte der Herrenstand auf direkte Anfrage des Ritterstandes eine Umarbeitung seiner Aufnahmeregeln ab41. Der Fall von Graf Joseph Breuner (1765–1813), eines niederösterreichischen Fideikommissherrn aus prominentem Adelsgeschlecht, der sich im Vorfeld des Kriegs für die Beibehaltung seines Landwehrbataillons statt für die Übernahme des ihm zugedachten Landmarschallamts entschied, liefert nur ein Beispiel dafür, dass die nationalpatriotische Anwandlung jener Zeit auch den hohen Adel erfasste42. Andererseits hatte der reiche und grundbesitzende Adel, der im Herrenstand zusammengefasst war, die Kriegslasten und Finanzverwerfungen der vorausgegangenen Jahre anders erlebt als die auf ihre Gehälter angewiesenen Amtsträger im Ritterstand. Auch wenn die Gutsbesitzer wohl nicht „in voller Blüte“ dastanden, wie ein Zeitgenosse meinte, war diese Gruppe den Zeitläufen nicht im selben Ausmaß ausgeliefert wie reine Amtsträger und Beamte: „Grund- und Klassensteuer spürten sie kaum und der Preis ihrer Erzeugnisse [aus der Landwirtschaft] folgte leichten Schrittes der Geldentwertung“43. Folgerichtig findet man bei ihnen keine so deutlichen Anzeichen einer geschlossenen, aus Abstiegsängsten gespeisten Ablehnung der gesellschaftlichen Vertreter der damals neuen Finanzwelt. Abgesehen von einer vorübergehenden „Verbürgerlichung“ der Gäste Fanny Arnsteins in dieser Zeit erlitten Wiens jüdische Salons nicht das Schicksal ähnlicher Einrichtungen in Berlin, die im Zuge der antijüdischen Reaktion nach der preußischen Niederlage bei Jena endgültig verschwanden44. Der gesellschaftliche Höhepunkt Fanny Arnsteins zur Zeit des Wiener Kongresses stand schließlich noch bevor. Gerade als sich die finanzpolitischen Verwerfungen mit der Geldentwertung von 1811 ihrem dramatischen Gipfel näherten, sollte Fanny 1810 als einziges neuadeliges Gründungsmitglied in das sonst von Damen der hohen Aristokratie dominierte Komitee des neuen Wohltätigkeitsvereins 40  Dazu Petr Maťa, Landstände und Landtage in den böhmischen und österreichischen Ländern (1620– 1740). Von der Niedergangsgeschichte zur Interaktionsanalyse, in: Die Habsburgermonarchie 1620 bis 1740. Leistungen und Grenzen des Absolutismusparadigmas, hg. von dems.–Thomas Winkelbauer (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 24, Stuttgart 2006) 345–400, hier 365–371. 41   NÖLA, RSA, AI, fol. 312r, Schreiben des Herrenstands an den Ritterstand, 6. März 1809. 42   NÖLA, Ständische Akten, Reihe 2, Kt. 365, Hofdekrete, 29. Apr. und 3. Mai 1809. 43  Mayr, Wien im Zeitalter Napoleons (wie Anm. 32) 123. 44   Hilde Spiel, Fanny von Arnstein oder die Emanzipation. Ein Frauenleben an der Zeitenwende 1758– 1818 (Frankfurt/Main 1962) 309f.; Deborah Hertz, Jewish High Society in Old Regime Berlin (New Haven– London 1988) 253, 269f.



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der „Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen“ gewählt werden. Diese Aufnahme öffnete ihr weitere Türen zu den höchsten Kreisen Wiens45. Während des Wiener Kongresses sollte sich der niederösterreichische Herrenstand noch deutlicher als zuvor von der Aufnahmeordnung des Ritterstands distanzieren. Er gewährte Fannys Schwiegersohn, dem unter dem Namen „Pereira-Arnstein“ inzwischen in den Freiherrenstand erhobenen und konvertierten Henry, den Eintritt in seine Reihen46. Am 17. Juni 1815 wurde er unter Hervorhebung der Tatsache, dass er eine Anzahl von Herrschaften im Land unter der Enns sowie ein Freihaus in Wien käuflich an sich gebracht hatte, feierlich ins Landhaus eingeführt. Dadurch wurde Pereira-Arnstein der erste Konvertit vom Judentum seit Wetzlar im Jahr 1778, der Zugang zu den Ständen gefunden hatte. Obwohl der Ritterstand keinesfalls eine repräsentative Körperschaft im modernen Sinne darstellte, scheint sein Antijudaismus paradoxerweise einer in der Wiener Bevölkerung verbreiteten Stimmung Ausdruck gegeben zu haben. Eine 1810 vom Magistrat festgestellte entsprechende Gesinnung unter den Einwohnern – im Zusammenhang mit der Frage der Erwerbung von Grundeigentum – wird allemal keine neue Erscheinung gewesen sein47. Darauf deuten die wiederholt seit der Jahrhundertwende gemachten Versuche der Behörden hin, die Zahl vornehmlich armer Juden in Wien zu begrenzen. Trotz der Gunst, in der er bei Hof stand, bekam auch Nathan Arnstein die Auswirkungen dieser Stimmung zu spüren. Bei einem Gesuch an die niederösterreichische Regierung im Jahr 1803 fühlte er sich zu versichern bemüßigt, dass sein Schwiegersohn nicht in Wien naturalisiert werden wollte, um etwa auf dem hiesigen platz handel zu treiben und die zahl der spekulanten zu vermehren48. Dieser Versuch, Rücksicht auf die aktuelle Stimmung zu signalisieren, führte freilich nicht zum erwünschten Ergebnis. Der zuständige Referent bei der Landesregierung Joseph Freiherr von Mannagetta (* 1756), der bezeichnenderweise ein Angehöriger des Ritterstandes war, lehnte in einer Stellungnahme an die Hofkanzlei nicht nur die begehrte Naturalisierung, sondern auch die Toleranzverleihung ab. Über Jahre hinweg legte sich der an einer Schlüsselstelle in der Landesverwaltung tätige Mannagetta gegenüber den Anliegen Arnsteins – und der Juden überhaupt – quer. Dass ein Mann wie Mannagetta sich dort halten konnte, ist nicht zuletzt auf den Sachzwang zurückzuführen, dass der österreichische Staat auch nach dem Reformschub des 18. Jahrhunderts weiterhin auf die Mitwirkung ortsansässiger Personen, deren Ansichten 45   Spiel, Fanny von Arnstein (wie Anm. 44) 374; SOA Praha, FA Chotek, Kt. 149, Tagebuch des Grafen Johann Nepomuk Chotek, 3., 6. und 25. Feb. 1811, pag. 46, 55, 87. Der sich in vergleichsweise geschlossenen aristokratischen Kreisen in Wien bewegende Chotek zeichnete die erste Teilnahme seiner Frau, einer geborenen Gräfin Rotenhan, am 3. Feb. 1811 an einer Sitzung des Ausschusses der Gesellschaft (zugegen war auch Fanny Arnstein) sowie ihren ersten Besuch am 6. Feb. 1811 bei frau von Arnsteiner wegen der gemeinsamen Mitgliedschaft im Ausschuss auf. Wenige Wochen später ging er selbst zum Nachmittagsbesuch zu den Arnsteins. Der Eintrag für den 6. Feb. 1811 ist veröffentlicht bei Rita Steblin, Beethoven in the Diaries of Johann Nepomuk Chotek (Veröffentlichungen des Beethoven-Hauses Bonn, Reihe IV/24, Bonn 2013) 126. 46  NÖLA, Herrenstandsarchiv, Aufnahmeakte Pereira-Arnstein, Rede des Verordneten Grafen Cavriani anlässlich der Einführung des Freiherrn von Pereira-Arnsteins in die Ständeversammlung, 17. Juni 1815. 47  NÖLA, NÖReg, H1, 1810, Nr. 28440, Bericht der niederösterreichischen Regierung an die Hofkanzlei, 16. Nov. 1810. Aus demselben Grund herrschte eine ähnliche Stimmung zur gleichen Zeit in Prag: Ruth Kestenberg-Gladstein, Neuere Geschichte der Juden in den böhmischen Ländern, T. 1: Das Zeitalter der Aufklärung 1780–1830 (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo-Baeck-Instituts 18,1, Tübingen 1969) 341f. 48  NÖLA, NÖReg, H1, 1803, Nr. 13338, Gesuch des Nathan Freiherrn von Arnstein an die niederösterreichische Regierung, 2. März 1803.

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sich nicht unbedingt mit denjenigen in der Zentrale decken mussten, angewiesen war49. Letzten Endes trug diese Praxis zur politischen Absicherung des Regimes auf Territorialund Lokalebene bei. Ganz abgesehen von der Frage ihrer finanzpolitischen Bedeutung bedingte die gleiche Logik auch die Beibehaltung der Landstände. In der Tat sollte der Wiener Hof der neuen Aufnahmeordnung des Ritterstandes seine Zustimmung versagen. Noch bevor man bei Hof davon Kenntnis erhalten hatte, wurden die niederösterreichischen Stände im Herbst 1808 dazu eingeladen, ihre Zutrittsregeln zu überarbeiten, um sie den jetzigen zeitumständen mehr anpassend zu machen und allerhöchsten Ortes bestätigen zu lassen50. Wieder hatte ein konkreter Vorfall den Anlass zu dieser Aufforderung geliefert: die Weigerung des Ritterstandes, einen neugeadelten Hofzahnarzt, einen Günstling des Herrschers, in seine Reihen aufzunehmen. Als Folge der kaiser­lichen Intervention willigten die Ritter zwar schließlich ein, ihm förmlich den Zutritt zu gewähren. Da sie eine allfällige landesfürstliche Bestätigung als eine Verletzung ihrer Aufnahmeautonomie auffassten, legten sie ihre bereits ein halbes Jahr davor überarbeiteten Vorschriften dem Hof aber nur zur wissenschaft vor. Erst nach den Rückschlägen des verlorenen Krieges von 1809 und der Finanzkrise von 1811 erfolgte von kaiserlicher Seite die Entgegnung auf eine Aufnahmeordnung, die keinesfalls als „zeitgemäß“ im Sinne der Aufforderung von 1808 und der dahinter stehenden gesellschaftlichen Vorstellungen gelten konnte. Dem Ritterstand wurde bedeutet, daß Seine Majestät es nicht in der zeit finden, in der ständischen verfassung einer einzelnen provinz dermahlen etwas zu verfügen, weshalb dieser gegenstand lediglich auf sich zu beruhen habe. Diesen an sich unmissverständlichen Fingerzeig legten die Ritter durch Stimmenmehrheit ihrerseits aus, dass es bey den neuen vorgeschriebenen statuten zu verbleiben, da selbe von höchsten orten nicht verworfen worden und man doch bey aufnahme eines mitgliedes einen anhaltspunkt haben müße51. Selbst Landrechtsvizepräsident von Aichen, der mit der ursprünglichen Verfügung, dass die Eltern eines Kandidaten christlich geboren sein müssten, nicht einverstanden war, stimmte dieser Linie zu. In weiterer Folge wurde die Ordnung, auch die antijüdische Bestimmung, als Richtlinie bei Aufnahmegesuchen herangezogen. Im Jahr 1819 vermerkte Freiherr von Mayenberg etwa in einem Gutachten über die Qualifikationen eines Eintrittskandidaten, dass die abstammung jedoch von christlich gebohrnen aeltern […] mit keiner urkunde bewiesen wird52. Aufgehoben wurde die antijüdische Bestimmung vom Ritterstand erst am 28. April 1827 im Zusammenhang mit der Bewerbung eines Konvertiten und dann doch unter Hinweis darauf, dass die statuten des ritterstandes vom Jahre 1808 die genehmigung Seiner Majestät nicht erhalten hätten und auch gegen die staatsgrundsätze verstießen53. Dessen ungeachtet hatte sich die Haltung gegenüber angeblichen spekulanten nicht wesentlich geändert – der in Frage stehende Kandidat wurde schlussendlich abgewiesen –, aber die politischen Umstände nach Jahren des Friedens gestalteten sich nunmehr doch ganz anders als in der aufgeladenen 49  Zu diesem Sachzwang siehe Europäische Aufklärung zwischen Wien und Triest. Die Tagebücher des Gouverneurs Karl Graf Zinzendorf 1776–1782, hg. von Grete Klingenstein–Eva Faber–Antonio Trampus, Bd. 1: Grete Klingenstein, Karl Graf Zinzendorf. Erster Gouverneur von Triest, 1776–1782. Einführung in seine Tagebücher (VKNGÖ 103/1, Wien–Köln–Weimar 2009) 115–118. 50  NÖLA, RSA, Hs. 20, Sitzungsprotokoll des niederösterreichischen Ritterstandes, 31. Okt. 1808. 51  Ebd. 23. Nov. 1811. 52  NÖLA, RSA, Aufnahmeakten, C37, Gutachten des Verordneten Freiherrn von Mayenberg über das Aufnahmegesuch des Ritters von Borsch, 27. Feb. 1819. 53  NÖLA, RSA, Hs. 21, Sitzungsprotokoll des niederösterreichischen Ritterstandes, 28. Apr. 1827.



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Epoche der napoleonischen Kriege. Drei weitere Jahre sollten allerdings vergehen, bis der Ritterstand im Jahr 1830, mehr ein halbes Jahrhundert nach der erzwungenen Aufnahme von Wetzlars, einen weiteren Konvertiten aufnehmen sollte. Auch weil die staatliche Gesetzgebung weiterhin die Möglichkeit nicht gewährleistete, sollte aber bis 1848 keiner der bis dahin zahlreichen adeligen Juden den Weg in die Landstände finden.

Die „Fürsorge der Väter für ihr Geschlecht und den Glanz ihres Hauses“. Archiv, Bibliothek und Erinnerungskultur der Schaffgotsch in Schlesien vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert Von Joachim Bahlcke

Adel und Gedächtnisforschung Eine lebhafte Beschäftigung mit der Vergangenheit des heimischen Adels, seiner Herkunft, Zusammensetzung und politisch-gesellschaftlichen Rolle, ist an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert an zahlreichen Höfen Schlesiens zu beobachten. Das Bemühen, nicht nur ältere Überlieferungen möglichst umfassend zu sichten, sondern auch neue Quellen zu erheben und das eigene Wissen durch gezielte Reisen und briefliche Anfragen zu erweitern, deutet auf ein verändertes und zunehmend kritisches Verständnis von Geschichtsschreibung in der Zeit der Frühaufklärung hin. Das beachtlichste, bis zur Gegenwart nicht übertroffene Ergebnis dieser Bestrebungen ist ein zweibändiges, mehr als 2.200 Seiten umfassendes Adelslexikon, das der aus Oberungarn gebürtige, zunächst am Brieger Hof tätige und dann nach Liegnitz gewechselte Gymnasialrektor, Bibliothekar und Historiker Johannes Sinapius erarbeitete1. Den ersten Band veröffentlichte er 17202, ein zweiter Band erschien postum 1728, drei Jahre nach dem Tod des Autors3. In 1  Eine Biographie des gelehrten Konfessionsmigranten, der sich zunächst als „Exul Hungaricus“ sah – vgl. [Johannes Sinapius,] Clava Herculis, Potentissimo Et Serenissimo Principi Ac Domino, Dn. Friderico Wilhelmo, S. R. I. Electori, Marchioni Brandeburgico, Duci Magdeburgensi, &c. Domino Clementissimo, In perennem memoriam & honorem [...] ab infra scripto Exule Hungarico (Ienae 1681) –, steht unverändert aus. Zur Geschichte seiner Familie, besonders zu seinem ebenfalls als Autor hervorgetretenen Vater Daniel, gab Sinapius in einem früheren Werk Auskunft. Vgl. ders., Olsnographia, Oder Eigentliche Beschreibung Des Oelßnitzschen Fürstenthums in Nieder-Schlesien/ welche in zwey Haupt-Theilen/ so wohl insgemein Dessen Nahmen/ Situation, Regenten/ Religions-Zustand/ Regiments-Wesen und andere notable Sachen/ Als auch insonderheit Die Städte und Weichbilder des Oelßnischen Fürstenthums mit ihren Denckwürdigkeiten vorstellet, Th. 1 (Leipzig–Frankfurt/Main 1707) 447–449. Die informativsten Biogramme zu Vater und Sohn finden sich in: Slovenský biografický slovník [Slowakisches biographisches Lexikon] 5 (Martin 1992) 261 (Ján Sinapius), 261–263 (Daniel Sinapius-Horčička). 2  Johannes Sinapius, Schlesischer Curiositäten Erste Vorstellung, Darinnen die ansehnlichen Geschlechter Des Schlesischen Adels, Mit Erzehlung Des Ursprungs, der Wappen, Genealogien, der qualificirtesten Cavaliere, der Stamm-Häuser und Güter beschrieben, Und dabey viele, bißhero ermangelte Nachrichten von Edlen Rittern und löblichen Vor-Eltern, aus alten brieflichen Urkunden und bewährten MSCtis zum Vorschein gebracht werden (Leipzig 1720, Nachdr. Neustadt an der Aisch 1999). 3  Ders., Des Schlesischen Adels Anderer Theil/ Oder Fortsetzung Schlesischer Curiositäten, Darinnen

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der Absicht, „die Genealogien der renommirten Schles. Häuser, von denen so gar wenig im Druck vorhanden ist, vollkommener zu machen“, beschrieb er die Entwicklung von insgesamt 135 gräflichen, gut 200 freiherrlichen und einigen hundert weiteren Adelsfamilien im Oderland. Dass sein Vorhaben, sich zur Vergangenheit von Geschlechtern zu äußern, die zu seiner Zeit eine exponierte Stellung innehatten, mitunter „delicat“ sei, war Sinapius bewusst. Gleichwohl könne er versichern, wie er mit Nachdruck betonte, dass in seinem Werk „sich das meiste auf alte Briefliche Urkunden, bewährte MSCta, kostbare und rare Autores, wie solche gehörigen Ortes benennet werden, gründe“; freilich könne er nicht leugnen, „daß auch zuweilen Relationes ex traditione, wie mir selbige communiciret worden, mit vorkommen, welche man, als erhaltene Nachrichten hinzugesetzt, jedoch niemanden pro apodicticis aufbürdet, dabey beßere Gewißheit zu finden wüntschet, nicht aber auf lächerliche Art mit überwitzigem Urtheil bald verwirfft, so warlich leichter gethan, als daß man dem Zwecke in Erforschung des Ursprunges, bey deßen Dunckelheit auch die Erfahrensten im finstern tappen, näher kommen solte“4. Dass zwei, drei Generationen nach Ende des Dreißigjährigen Krieges das Interesse an der Schichtung und Struktur des Adels in Schlesien groß war, hing freilich nicht nur mit der allgemeinen Wissbegierde von Geschichtsschreibern und deren Lesern zusammen. Ein solches Interesse resultierte auch aus dem Bedarf nach Orientierung, hatte sich doch die Zusammensetzung der politisch und sozial privilegierten Führungsschicht im Oderland infolge der Adelspolitik des Wiener Hofes nach 1648 merklich verändert. Schon Anfang des 17. Jahrhunderts hatten die Habsburger heimgefallene Lehen gezielt an loyale Adelige aus anderern Regionen ihres weitläufigen Herrschaftsgebietes vergeben, die so zu Mediatfürsten aufstiegen. Nach dem Krieg setzte in Schlesien ein starker Zuzug auswärtiger, dem Hof nahestehender und überwiegend katholischer Geschlechter ein. Wie in Böhmen und Mähren wurden auch im Oderland neue Adelstitel eingeführt. Die innerhalb weniger Jahrzehnte entstandene Schicht fürstlicher und gräflicher Häuser ging vielfach Eheverbindungen zum Hochadel in den österreichischen Ländern ein und verstand es, diese Kontakte und die Nähe zum Kaiserhof für die eigene Karriere zu nutzen. Noch größer wurde die Unübersichtlichkeit der schlesischen Adelslandschaft durch die Verleihung von Adelsprädikaten, die während des 17. Jahrhunderts stark an Attraktivität gewann, zumal sie für die landesfürstliche Kammer eine nicht unbedeutende Einnahmequelle bot5. Diese adelige Lebenswelt in Schlesien mit ihren vielfältigen inneren SpannunDie Gräflichen, Freyherrlichen und Adelichen Geschlechter/ So wohl Schlesischer Extraction, Als auch Die aus andern Königreichen und Ländern in Schlesien kommen, Und entweder darinnen noch floriren, oder bereits ausgangen, In völligem Abrisse dargestellt werden (Leipzig–Breslau 1728, Nachdr. Neustadt an der Aisch 2000). 4   Ders., Schlesischer Curiositäten Erste Vorstellung (wie Anm. 2), Vorrede (ohne Paginierung). 5   Jarosław Kuczer, Baronowie, hrabiowie, książęta. Nowe elity Śląska (1629–1740) [Barone, Grafen, Fürsten. Die neuen Eliten Schlesiens (1629–1740)] (Zielona Góra 2013); Joachim Bahlcke, „Der Glanz des Schlesischen Adels“. Die adeligen Eliten Schlesiens vom Mittelalter bis zum Ende der habsburgischen Herrschaft – „Blask śląskiej szlachty“. Szlacheckie elity Śląska od średniowiecza po schyłek panowania Habsburgów, in: Adel in Schlesien. Mittelalter und Frühe Neuzeit – Szlachta na Śląsku. Średniowiecze i czasy nowożytne, hg. von Markus Bauer u. a. (Dresden 2014) 18–29; Petr Maťa, Der Adel Böhmens und Schlesiens in der Frühen Neuzeit in vergleichender und beziehungsgeschichtlicher Perspektive, in: Adel in Schlesien, Bd. 1: Herrschaft – Kultur – Selbstdarstellung, hg. von Jan Harasimowicz–Matthias Weber (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 36, München 2010) 223–262; Ulrich Schmilewski, Der schlesische Adel – Herkunft, Zusammensetzung und politisch-gesellschaftliche Rolle vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, in: Adel in Schlesien, Bd. 2: Repertorium. Forschungsperspektiven – Quellenkunde – Bibliographie, hg. von Joachim Bahlcke–Wojciech Mrozowicz (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 37, München 2010) 69–91.



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gen und Konflikten unter den einzelnen Gruppierungen beschrieb der aus Groß-Glogau stammende Jurist und Schriftsteller Paul Winckler in seinem 1696 veröffentlichten Roman „Der Edelmann“, der sich in Teilen durchaus als zeitgenössische Gesellschaftssatire lesen lässt6. Auch das Geschichtswerk von Sinapius erlaubt Rückschlüsse auf die Situation des Adels in Schlesien in den 1720er Jahren. Dass Sinapius mit dessen Lage gut vertraut war, hing nicht zuletzt mit seinem Wirkungsort, mit Liegnitz, zusammen. In der ehemaligen Piastenresidenz stand ihm eine traditionsreiche, gut bestückte Hofbibliothek zur Verfügung, die auch seltene Drucke, Manuskripte, Handschriften, Abschriften und genealogische Materialien beherbergte7, und hier existierte seit 1708 mit der bikonfessionellen Ritterakademie eine elitäre Ausbildungsstätte, die zahlreiche Adelige, Katholiken wie Lutheraner, in die Stadt führte8. Gewidmet hatte Sinapius den ersten Band seines Adelslexikons 1720 Johann (Hans) Anton Graf Schaffgotsch, dem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bedeutendsten Landespolitiker Schlesiens. Als Vorsitzender der nach Abschluss der Altranstädter Konvention ins Leben gerufenen kaiserlichen Religionskommission war Schaffgotsch mit der Gründung der Ritterakademie befasst gewesen und hatte auch persönlich an deren festlicher Eröffnung in Liegnitz teilgenommen9. Durch die Entscheidung Kaiser Karls VI., ihm 1719 das Direktorium des Oberamts und gleichzeitig das Präsidium des schlesischen Fürstentags zu übertragen, erlangte er, wie es in der Widmung hieß, „fast die höchste Stelle im Lande“. Sinapius hob aber nicht nur die politisch herausgehobene Stellung des schlesischen Adeligen hervor und erging sich im Lob der „Unvergleichlichen Schaffgotsche“, sondern würdigte auch, dass die „curieuse[n] Wißenschafften“ in Schaffgotsch einen besonderen Förderer hätten: „Die wohl angelegte Bibliothec zu Hermsdorff dient zum Zeugniße, daß nebst den Regiments-Sorgen, ein gutes Buch, Ewr. Hoch-Reichs-Gräfl. Excell. angenehmster Zeit-Vertreib sey, wie Sie denn auch, durch eben solche Liebe angetrieben, die Denckwürdigkeiten Dero Illustren, und insonderheit von Mütterlicher Piastischen Seite, mit Kayser-Königl. und Fürstl. Häusern, verknüpften Geschlechts, durch eine hochgelehrte 6  [Paul Winckler,] Der Edelmann (Frankfurt/Main–Leipzig 1696). Zu Autor und Werk vgl. Terry R. Griffin, Paul Winckler’s „Der Edelmann“. A Study in a seventeenth-century German novel (Diss. Ann Arbor, Michigan 1976); Lynne Tatlock, Einleitung, in: Paul Winckler, Der Edelmann. Faksimiledruck der Ausgabe von 1697, hg. von ders. (Nachdrucke deutscher Literatur des 17. Jahrhunderts 64, Bern u. a. 1988) 9–48; Kirsten Endres, Paul Winckler (1630–1686), in: Schlesische Lebensbilder, Bd. 11, hg. von Joachim Bahlcke (Insingen 2012) 161–174. 7   Klaus Garber, Die ‚Bibliotheca Rudolphina‘ zu Liegnitz, in: Geistiges Leben in Liegnitz vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Aufsätze zur Literatur-, Musik- und Kunstgeschichte, hg. von Edward Białek–Hubert Unverricht (Orbis linguarum, Beih. 96, Dresden–Wrocław 2010) 9–32; ders., Die Piastenhöfe in Liegnitz und Brieg als Zentren der deutschen Barockliteratur und als bibliothekarische Schatzhäuser, in: Dzie­ dzictwo reformacji w księstwie legnicko-brzeskim. Das Erbe der Reformation in den Fürstentümern Liegnitz und Brieg, hg. von Jan Harasimowicz–Aleksandra Lipińska (Źródła i materiały do dziejów Legnicy i księstwa Leg­nickiego 4, Legnica 2007) 191–209. 8   Norbert Conrads, Gründung und Bedeutung der Ritterakademie Liegnitz in habsburgischer Zeit (1708–1740), in: ders., Schlesien in der Frühmoderne. Zur politischen und geistigen Kultur eines habsburgischen Landes, hg. von Joachim Bahlcke (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 16, Köln–Weimar– Wien 2009) 269–290. 9  ders., Die Durchführung der Altranstädter Konvention in Schlesien 1707–1709 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 8, Köln–Wien 1971) 191; ders., Johann Anton Graf von Schaffgotsch (1675–1742), in: Schlesier des 14. bis 20. Jahrhunderts, hg. von Arno Herzig (Schlesische Lebensbilder 8, Neustadt an der Aisch 2004) 121–128.

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Feder, mehr und mehr aus alten und bewährten Schrifften eruiren zu laßen, belieben tragen.“10 Die Aufzählung von Sinapius ist höchst aufschlussreich, liefert sie doch mehrere Anhaltspunkte für die adelig-familiäre Erinnerungsarbeit und Geschichtspflege der Schaffgotsch, die gerade unter Johann Anton in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachhaltige Impulse erfuhr. Tatsächlich war die Sammlungstätigkeit der Schaffgotsch, die im Auf- und Ausbau der Hermsdorfer Bibliothek zum Ausdruck kam, ähnlich imposant wie die Förderung von Kunst und Wissenschaft. Dieses kulturelle Engagement war allerdings nicht nur auf das Gemeinwohl ausgerichtet, sondern diente auch den Interessen des eigenen Geschlechts: der Akzentuierung und Verankerung eines auf Abstammung und Tradition gegründeten Selbstbildes, das einzelne Elemente – wie die Verschwägerung mit den Piasten, die Sinapius in seiner Widmung ansprach – hervorhob, andere dagegen in den Hintergrund treten ließ. Die Schaffgotsch zählten zwar zu den ältesten und angesehensten Adelsgeschlechtern Schlesiens, doch war ihr gesellschaftlicher und ökonomischer Aufstieg seit dem Spätmittelalter alles andere als kontinuierlich verlaufen11. Die tiefe existentielle Krise, die sie während des Dreißigjährigen Krieges erlebten, lässt sich an einem konkreten Datum festmachen: dem 23. Juli 1635. An diesem Tag war der vom Kaiser des Hochverrats angeklagte Hans Ulrich Schaffgotsch, der sich zum Luthertum bekennende Großvater Johann Antons, öffentlich enthauptet worden. Der umfangreiche Grundbesitz wurde konfisziert und an katholische Gefolgsleute des Kaisers (Hatzfeldt, Czernin von Chudenitz, Pálffy von Erdőd und andere) verkauft12. Diesem Tiefpunkt folgte jedoch – nach der erzwungenen Konversion der Kinder Hans Ulrichs – bereits in der nachfolgenden Generation ein geradezu schwindelerregender Wiederaufstieg der Familie in kaiserlichen Diensten, so dass Sinapius in seinem Adelslexikon von Christoph Leopold Graf Schaffgotsch, dem ältesten Sohn Hans Ulrichs, ohne jede Übertreibung als „einem treuen Oesterreichischen Diener“ sprechen konnte13. Die spezifischen Erinnerungskulturen des Adels, die dieser Gruppe eigenen Formen der Traditionsstiftung und Vergangenheitskonstruktion sowie damit verbundene Muster kollektiver Selbstvergewisserung waren in den vergangenen zwei Jahrzehnten Gegenstand einer Vielzahl historisch-empirischer Abhandlungen, die methodisch an Erkenntnisse vor allem der soziologischen und kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung anknüpfen14. Was die markanten Adelslandschaften im östlichen Mitteleuropa betrifft, so verdan  Sinapius, Schlesischer Curiositäten Erste Vorstellung (wie Anm. 4), Widmung (ohne Paginierung).   Zur Geschichte der einzelnen Familienzweige der Schaffgotsch vgl. Das Haus Schaffgotsch. Konfession, Politik und Gedächtnis eines schlesischen Adelsgeschlechts vom Mittelalter bis zur Moderne, hg. von Joachim Bahlcke–Ulrich Schmilewski–Thomas Wünsch (Würzburg 2010). Speziell zur Genealogie der Familie vgl. Arkadiusz Kuzio-Podrucki, Schaffgotschowie. Zmienne losy śląskiej arystokracji [Die Schaffgotsch. Die wechselvollen Schicksale der schlesischen Aristokratie] (Bytom 2007); Ulrich Schmilewski, Schaffgotsch, Freiherren (seit 1592), Grafen (seit 1654), Reichsgrafen (seit 1708), schlesisch-böhmisches Adelsgeschlecht (kath.). NDB 22 (2005) 536–538; Hans Jürgen von Witzendorff-Rehdiger, Die Schaffgotsch, eine genealogische Studie. Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 4 (1959) 104–123. Die schmale Studie von Irena Twardoch, Z dziejów rodu Schaffgotschów [Aus der Geschichte der Familie Schaffgotsch] (Ruda Śląska 2001) behandelt ausschließlich die oberschlesischen Schaffgotsch im 19. und 20. Jahrhundert. 12  J[ulius] Krebs, Hans Ulrich Freiherr von Schaffgotsch. Ein Lebensbild aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges (Breslau 1890); ders., Aus dem Leben des kaiserlichen Feldmarschalls Grafen Melchior von Hatzfeldt 1632–1636. Ein Beitrag zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, hg. von Ernst Maetschke (Breslau 1926). 13  Sinapius, Des Schlesischen Adels Anderer Theil (wie Anm. 3) 200–207 („Die Grafen von Schaffgotsch“), hier 203. 14  Die Zahl der einschlägigen Veröffentlichungen ist kaum noch zu überblicken. Vgl. exemplarisch Maxi10 11



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ken wir dem Wiener Historiker Thomas Winkelbauer eine Reihe wichtiger Beobachtungen zu diesem Themenkomplex. Die konziseste Erörterung des „Zusammenhang[s] von Herrschaft und Herkunft, von Herrschaft und Geschlecht“ in den österreichischen, böhmischen und ungarischen Ländern findet sich in seiner zweibändigen Darstellung über die Geschichte der Habsburgermonarchie im 16. und 17. Jahrhundert, wo Winkelbauer zur „Bedeutung von Gedächtnis und Erinnerung (memoria) – insbesondere in Gestalt der Totenmemoria, lokalisiert und materialisiert in Familiengrablegen, seit dem 16. Jahrhundert auch in Porträt und Ahnengalerien – für die Konstituierung des adeligen Geschlechts und damit des ‚Adels‘ überhaupt“ Stellung nimmt15. Er verweist auf die großen genealogischen und heraldischen Sammlungen, die Belege des adeligen Familienbewusstseins seien, und hebt besonders die zwischen 1614 und 1628 von Franz Christoph Khevenhüller und mehreren Gehilfen verfasste, prachtvoll illustrierte Hausgeschichte hervor, das „wohl eindrucksvollste, jedenfalls aber (mit 4761 Seiten) umfangreichste familienhistorische Werk einer Adelsfamilie der österreichischen Erbländer aus der Zeit um 1600“16. Die Geschichte und das ‚alte Herkommen‘ hatten darüber hinaus, wie Winkelbauer an anderer Stelle ausführt, noch eine weitere Funktion: Sie dienten immer auch „als mit Argumenten gefüllte Rüstkammern in Rangkonflikten zwischen einzelnen Adeligen und zwischen Ständegemeinden sowie in den politischen Konflikten zwischen Landständen und Landesfürsten“17. In einer gemeinsam mit dem Brünner Historiker Tomáš Knoz verfassten Studie über Grablegen, Grabdenkmäler und Wappenzyklen des österreichischen Adels nahm er sodann Quellengattungen in den Blick, die von der Gedächtnisforschung nicht selten unbeachtet bleiben: milian Eiden, Das Nachleben der schlesischen Piasten. Dynastische Tradition und moderne Erinnerungskultur vom 17. bis 20. Jahrhundert (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 22, Köln–Weimar–Wien 2012); Malte Prietzel, Krieg als Standespflicht. Die militärische Erinnerungskultur spätmittelalterlicher Fürsten und Adliger, in: Militärische Erinnerungskulturen vom 14. bis zum 19. Jahrhundert. Träger – Medien – Deutungskonkurrenzen, hg. von Horst Carl–Ute Planert (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 15, Göttingen 2012) 29–46; Adel in Hessen. Herrschaft, Selbstverständnis und Lebensführung vom 15. bis ins 20. Jahrhundert, hg. von Eckart Conze–Alexander Jendorff–Heide Wunder (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 70, Marburg 2010); Jens Lieven, Adel, Herrschaft und Memoria. Studien zur Erinnerungskultur der Grafen von Kleve und Geldern im Hochmittelalter (1020 bis 1250) (Schriften der Heresbach-Stiftung Kalkar 15, Bielefeld 2008); Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungskulturen, hg. von Carola Fey–Steffen Krieb–Werner Rösener (Formen der Erinnerung 27, Göttingen 2007); Zwischen Schande und Ehre. Erinnerungsbrüche und die Kontinuität des Hauses. Legitimationsmuster und Traditionsverständnis des frühneuzeitlichen Adels in Umbruch und Krise, hg. von Martin Wrede–Horst Carl (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz. Abteilung für Universalgeschichte 73); Erinnerung, Gedächtnis, Wissen. Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, hg. von Günter Oesterle (Formen der Erinnerung 26, Göttingen 2005); Tradition und Erinnerung in Adelsherrschaft und bäuerlicher Gesellschaft, hg. von Werner Rösener (Formen der Erinnerung 17, Göttingen 2003); Vinzenz Czech, Legitimation und Repräsentation. Zum Selbstverständnis thüringisch-sächsischer Reichsgrafen in der frühen Neuzeit (Schriften zur Residenzkultur 2, Berlin 2003); Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Werner Rösener (Formen der Erinnerung 8, Göttingen 2000); Steffen Krieb, Erinnerungskultur und adeliges Selbstverständnis im Spätmittelalter. ZWLG 60 (2001) 59–75. 15  Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (Österreichische Geschichte 1522–1699, Wien 2003) 1 263. 16  Ebd. 264. 17   Thomas Winkelbauer, Kollektive Identitäten des Adels der österreichischen und der böhmischen Länder im 16. und 17. Jahrhundert, in: Schulstiftungen und Studienfinanzierung. Bildungsmäzenatentum in den böhmischen, österreichischen und ungarischen Ländern, 1500–1800, hg. von Joachim Bahlcke–dems. (VIÖG 58, Wien–München 2011) 73–90, hier 76.

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dingliche, bildliche, epigraphische und heraldische Geschichtsquellen. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob und inwieweit sich das vergangenheitsbezogene Familienbewusstsein des Adels „als Keimzelle des frühneuzeitlichen ständischen Geschichtsdenkens und des ständischen Landesbewußtseins“ interpretieren lasse18. Auch in anderen Arbeiten wendet sich Winkelbauer immer wieder Fragen von Gedächtnis, Geschlecht und Geschichte zu. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang vor allem auf die Forschungen zu den Herren bzw. Fürsten von Liechtenstein, die seit 1614 bzw. 1623 – in jenen Jahren wurden sie mit den schlesischen Herzogtümern Troppau und Jägerndorf belehnt – auch in engerer Verbindung zum Oderland standen19. Regional weist die Adelsforschung innerhalb der Habsburgermonarchie des 16. und 17. Jahrhunderts ein sehr unterschiedliches Niveau auf. Besonders augenfällig sind die Forschungsdefizite für das Herzogtum Schlesien, trotz der für die Geschichte und politische Kultur des Landes unzweifelhaft hohen Bedeutung des Adels. Die Gründe dafür sind vielfältig, und sie weisen in Teilen zurück bis in die Anfänge des preußisch-österreichischen Dualismus um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich und in Ostmittel­ europa20. Aus diesem Grund und weil sich die österreichische Historiographie mit der Vergangenheit ihres nördlichsten Territoriums seit der Zäsur von 1740/42 immer etwas schwer tat, soll in diesem Beitrag mit den Schaffgotsch ein schlesisches Adelsgeschlecht im Mittelpunkt stehen. Dabei können notgedrungen nicht alle Aspekte von Erinnerungskultur, Mäzenatentum und Geschichtspflege erschöpfend behandelt werden. Besonders auf zwei Punkte soll im Folgenden näher eingegangen werden: zum einen auf die materiellen und institutionellen Voraussetzungen für jede Art adelig-familiärer Wissensproduktion und Wissensspeicherung, konkret auf die Anlage und Ausrichtung von Archiv und ­Bibliothek der Schaffgotsch, zum anderen auf die Dauer und Beharrlichkeit der damit verbundenen Traditionspflege, die sich in beachtlicher Kontinuität bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts verfolgen lässt. Es sind vorzugsweise diese beiden Punkte, durch die sich die Erinnerungskultur der Schaffgotsch von derjenigen anderer schlesischer Adelsgeschlechter deutlich unterscheidet.

18  Thomas Winkelbauer–Tomáš Knoz, Geschlecht und Geschichte. Grablegen, Grabdenkmäler und Wappenzyklen als Quellen für das historisch-genealogische Denken des österreichischen Adels im 16. und 17. Jahrhundert, in: Die Konstruktion der Vergangenheit. Geschichtsdenken, Traditionsbildung und Selbstdarstellung im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa, hg. von Joachim Bahlcke–Arno Strohmeyer (ZHF Beih. 29, Berlin 2002) 129–177, hier 175f.; mit Blick auf Quellenbasis und -typologie ist ferner heranzuziehen: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch, hg. von Josef Pauser–Martin Scheutz–Thomas Winkelbauer (MIÖG Ergbd. 44, Wien–München 2004). 19  Thomas Winkelbauer, Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters (MIÖG Ergbd. 34, Wien–München 1999) 417–450, 455–458; ders., Repräsentationsstreben, Hofstaat und Hofzeremoniell der Herren bzw. Fürsten von Liechtenstein in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Život na dvoře a v rezidenčních městech posledních Rožmberků [Das Leben am Hof und in den Residenzstädten der letzten Rosenberger], hg. von Václav Bůžek (Opera historica 3, České Budějovice 1993) 179–198. 20   Matthias Weber, Szlachta na Śląsku – władza, kultura, autoprezentacja [Adel in Schlesien – Herrschaft, Kultur, Selbstdarstellung], in: Śląska Republika Uczonych – Schlesische Gelehrtenrepublik – Slezská Vědecká Obec, hg. von Marek Hałub–Anna Mańko-Matysiak, Bd. 2 (Wrocław 2006) 530–553; Norbert Conrads, Adelsgeschichte, in: Historische Schlesienforschung. Methoden, Themen und Perspektiven zwischen traditioneller Landesgeschichtsschreibung und moderner Kulturwissenschaft, hg. von Joachim Bahlcke (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 11, Köln–Weimar–Wien 2005) 347–381.



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Materielle Rahmenbedingungen adelig-familiärer Erinnerung: Archiv, Bibliothek, Personal Die räumliche und sachliche Trennung von Archiv und Bibliothek (und einem mit dieser häufig verbundenen Kuriositäten-, Naturalien- und Kunstkabinett, das vor allem im 16. und 17. Jahrhundert einen wichtigen Sammlungstypus darstellte) ist beim nichtdynastischen Adel bis zum Ende der Frühen Neuzeit in aller Regel schwierig21. Die Übergänge waren meist fließend, zumal häufig dieselben Personen für den einen wie für den anderen Aufbewahrungsort zuständig waren. In der Hermsdorfer Bibliothek der Schaffgotsch konnte der Besucher noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als es längst interne Vorschriften für die archivalische Ablage gab, auch handschriftliche Akten, Rechnungen und Belege über Rechtsstreitigkeiten vorfinden: „eine Menge Bände Schlesischer Acta publica“ beispielsweise, wie ein Besucher im Jahr 1809 feststellte, „mehrere Bände Fürstentags-Acta“, „mehrere Bände Steuerrechnungen der Fürstenthümer Jauer und Schweidnitz“ sowie ein „Manuscriptum, die Fürstenthümer Brieg und Wohlau und deren Lehnsrecht betreffend“, für die Jahre 1316 bis 169422. Erst in den 1890er Jahren wurden die in Schloss Warmbrunn aufbewahrten Korrespondenz- und Wirtschaftsakten der Herrschaft dem Archiv einverleibt. Seit dieser Zeit war auch nicht mehr der Bibliothekar, sondern ein eigens beauftragter, von einem Gehilfen unterstützter Archivar für die Familienüberlieferung zuständig23. Die Praxis, rechtsrelevante Urkunden und Dokumente an einem gesicherten und festen Ort zusammenzuführen, lässt sich bei den Schaffgotsch in Schlesien schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts beobachten. Bereits im Spätmittelalter stand eine adelige Archivbildung, die freilich stets vom Umfang des Güterbesitzes und von den finanziellen Möglichkeiten eines Geschlechts abhängig war, in engem Zusammenhang mit familiärer Identitätsstiftung, Herrschaftsanspruch und Abgrenzung des eigenen Standes gegenüber niederen Gesellschaftsgruppen. Da aus dieser Zeit keine Familienchroniken in Schlesien bekannt sind, ist eine entsprechende Archivbildung auch, wie Tomasz Jurek unterstreicht, als Ersatz adeliger Geschichtsschreibung zu verstehen24. Besitzurkunden, Kaufbücher, Schriftwechsel 21  Wolfgang Ernst, Museum, Bibliothek, Archiv. Einheit, Trennung und virtuelle Wiedervereinigung?, in: Kooperation und Konkurrenz. Bibliotheken im Kontext von Kulturinstitutionen, hg. von Peter Vodosek–Joachim-Felix Leonhard (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 36, Wiesbaden 2003) 31–55; Franz-Georg Kaltwasser, Die gemeinsamen Wurzeln von Bibliothek und Museum im 16. Jahrhundert, dargestellt vorzüglich am Beispiel Münchens, in: ebd. 58–81; Jörg-Ulrich Fechner, Die Einheit von Bibliothek und Kunstkammer im 17. und 18. Jahrhundert, dargestellt an Hand zeitgenössischer Berichte, in: Öffentliche und private Bibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert. Raritätenkammern, Forschungsinstitute oder Bildungsstätten?, hg. von Paul Raabe (Wolfenbütteler Forschungen 2, Bremen–Wolfenbüttel 1977) 11–31; Johannes Rogalla von Bieberstein, Archiv, Bibliothek und Museum als Dokumentationsbereiche. Einheit und gegenseitige Abgrenzung (Bibliothekspraxis 16, Pullach bei München 1975) 19–43. 22   Joh[ann] Gustav Büsching, Die Probstei Warmbrunn und die Gräflich Schafgotsch’sche Bibliothek zu Hermsdorf, in: ders., Bruchstücke einer Geschäftsreise durch Schlesien, unternommen in den Jahren 1810, 11, 12, Bd. 1 (Breslau 1813) 291–310, hier 301. 23   Emil Voigt, Die Verwaltung der Gräflich Schaffgotsch’schen Herrschaften. Schlesische Bergwacht 11 (1960) 22, 44, 58f., 98, Nachtrag: ebd. 133, 156, hier 98. Die Anstellung speziellen Archivpersonals lässt sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in anderen Herrschaftsarchiven in Schlesien beobachten. Hermann (I.) Fürst von Hatzfeldt-Trachenberg hatte bereits 1862 mit Theodor von Rosenberg einen „Archivar und Hülfsarbeiter“ bestellt. Vgl. Karl G. Bruchmann, Das Fürstlich Hatzfeldtsche Archiv in Schloß Trachenberg. ZVGS 73 (1939) 248–267, hier 265. 24   Tomasz Jurek, Vom Rittertum zum Adel. Zur Herausbildung des Adelsstandes im mittelalterlichen Schlesien, in: Adel in Schlesien (wie Anm. 5 [2010]) 1 53–76, hier 70–73. Zum Verhältnis kirchlicher, städti-

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und andere Familiendokumente wurden zunächst an verschiedenen Orten aufbewahrt, am Stammsitz des Geschlechts in Kemnitz, aber auch auf Burg Greiffenstein und auf Burg Kynast. Auf der hoch über dem Dorf Hermsdorf liegenden Burg Kynast, die seit den frühen 1380er Jahren im Besitz der Schaffgotsch war, wurden in Kriegszeiten mitunter auch Dokumente von Kirchen und Klöstern eingelagert25. Spezifiziert werden die einzelnen Überlieferungen nicht; überhaupt finden sie meist nur dann Erwähnung, wenn sie – wie durch den Brand des Schlosses in Kemnitz 1616 oder der Burg Kynast 1675 – verlorengingen26. Besonders der durch einen Blitzschlag ausgelöste Brand auf Burg Kynast hatte verheerende Folgen – der Verlust der „umfangreichen Urkundenschätze“, so der letzte Archivar der Schaffgotsch, Emil Voigt, sei für die Geschichte des Hauses „unersetzlich“ gewesen27. Eine Neuordnung der archivalischen Überlieferungen zeichnete sich nach dem Tod Christoph Leopold Graf Schaffgotschs im Jahr 1703 ab, als Johann Anton, alleiniger Erbe des gesamten Familienbesitzes, die Verwaltung der Güter neu gestaltete. 1705 begann man mit der Errichtung eines neuen Amtshauses in Hermsdorf, in das nach Fertigstellung die gesamte Güterverwaltung, die nach dem Brand der Burg Kynast zwischenzeitlich in ein Gebäude des Vorwerks von Hermsdorf verlegt worden war, untergebracht wurde28. In den 1730er Jahren schließlich wurden die Bestände der Herrschaftsarchive Kemnitz, Greiffenstein und Kynast im Hermsdorfer Verwaltungsgebäude zu einem Gesamtarchiv vereinigt; auf eine „große Ordnungswelle“, die nach Auffassung Karl G. Bruchmanns Mitte des 18. Jahrhunderts „wohl unter dem Einfluß der neuen preußischen Verwaltung [...] über die schlesischen Archive und Registraturen hinweggeht“29, kann die Reform der Schaffgotschschen Archivordnung nicht zurückgeführt werden. Eine Aktenstreuung wie bei den Hatzfeldt – wo zu dieser Zeit vermehrt Klagen auftraten, dass sich einschlägige Familiendokumente mittlerweile auf jedem Gut finden ließen30 – konnte so bei den Schaffgotsch vermieden werden. Nur interimistisch war im zweiten Stock des Amtsschlosses die Bibliothek untergebracht, die gut ein Jahrhundert später, Anfang der 1830er Jahre, in das Propsteigebäude nach Warmbrunn überführt wurde. Nach dem Muster des bei der Hatzfeldtschen Herrschaft Trachenberg eingerichteten Kameralamtes wurde 1828 auch in Hermsdorf eine zentrale Verwaltungsstelle unter derselben Bezeichnung geschaffen, an deren Spitze ein Generalbevollmächtigter als Kameraldirektor fungierte31. Seither wurde das Archiv als „Archiv Schaffgotsch im Kameralamt zu Hermsscher, herzoglicher und adeliger Archive in Schlesien während des Mittelalters vgl. Josef Joachim Menzel, Die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts. Studien zum Urkundenwesen, zur Siedlungs-, Rechtsund Wirtschaftsgeschichte einer ostdeutschen Landschaft im Mittelalter (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 19, Würzburg 1977) 150f. 25   Ambrosius Rose, Grüssauer Zisterzienser aus dem Eichsfeld. ASK 28 (1970) 93–108, hier 95. 26   Emil Voigt, Die Burg Greiffenstein bei Greiffenberg/Schlesien. Schlesische Bergwacht 11/28 (1960) 514, 534, 554, 570, 610, 648, hier 570; ders., Die Burg Kynast und ihre Besitzer im Mittelalter. ASK 17 (1959) 118–152, hier 127. 27  Ders., Verwaltung (wie Anm. 23) 22. Über das Ausmaß der Verluste gibt es unterschiedliche Auffassungen. Vgl. Heinrich Schubert, Beschreibung und Geschichte der Burg Kynast im Riesengebirge (Breslau 1890) 43; Konrad Wutke, Das Schicksal der Warmbrunner Propsteiurkunden. ZVGS 69 (1935) 238–297, hier 248–250. 28   Günther Grundmann, Schlesische Architekten im Dienste der Herrschaft Schaffgotsch und der Propstei Warmbrunn (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 274, Strassburg 1930) 76–81, 209. 29   Karl G. Bruchmann, Das Reichsgräflich von Oppersdorffsche Schloßarchiv zu Oberglogau. Schlesische Geschichtsblätter 3 (1937) 91–103, hier 92. 30   Ivo Nussbicker–Rafael Sendek, Adelsarchive in Schlesien als Orte des kulturellen Gedächtnisses: Entstehung – Überlieferungsproblematik – Erschließung, in: Adel in Schlesien (wie Anm. 5 [2010]) 2 119–137, hier 132. 31   Voigt, Verwaltung (wie Anm. 23) 58.



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dorf/Kynast“32, kurz „Kameralamtsarchiv“33 oder „Kameralarchiv“34, bezeichnet. Bis in die frühen 1940er Jahre konnten die Bestände durch Zugang von Urkunden, reponierten Aktenbeständen und Familienmaterialien planmäßig ergänzt werden. Bestandsveränderungen gab es aber auch durch Abgaben von Archivgut. Größere Unruhe entstand beispielsweise im Zuge der Säkularisation im Jahr 1810, in die das Kameralarchiv wegen der Warmbrunner Propsteiurkunden – die Bestandteil des ebenfalls in Hermsdorf lagernden Grüssauer Klosterarchivs waren – involviert war35. 1848/49 wurden sodann nach Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit in Schlesien die Gerichtsakten an die staatliche Justizverwaltung übergeben36. Die Zusammensetzung der Bestände beschrieb der Hermsdorfer Archivar Anfang der 1930er Jahre in einer Kurzvorstellung für die Minerva-Handbücher wie folgt: „Das Archiv setzt sich zusammen: a) aus dem Urkundenbestande, b) den ehemal. Warmbrunner Schloßakten, c) den Archiv- u. lauf. Verwaltungsakten des gräfl. Kameralamtes zu Hermsdorf (Kynast), d) den Verwaltungsakten d. Herrschaft Greiffenstein, e) den Verwaltungsakten der ehemal. Warmbrunner Probsteigüter, f ) den Resten des ehemal. Kynastischen Burg­ archivs, g) aus Archivalien üb. früh. Schaffgotschschen Besitz in Schlesien u. Böhmen, h) aus genealog. Sign. zur Geschichte des Gesamt-Geschlechts Schaffgotsch, i) aus den Rent- u. Wirtschaftsrechnungen mit den Belegen seit der Mitte des 17. Jahrh.“; ferner wurden ein Urkundenbestand von etwa 2.000 Stück und ein Aktenbestand von rund 10.000 Bänden angeführt.37 Im Jahr 1955 gab der bereits genannte Emil Voigt – „Gräfl. Schaffgotsch’scher Archivinspektor i. R.“, wie er auf seinen Veröffentlichungen nach Ende des Krieges schrieb – eine Beschreibung des tiefen Umbruchs, den das Archiv nach Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte. So musste er „infolge der Kriegsauswirkungen das gesamte Gräflich Schaffgotsch’sche Archiv mit allen Urkunden und Aktenbeständen am 15. September 1945 an die polnische Sudeten-Inspektion übergeben“38. Im Gegensatz zu vielen anderen Adelsarchiven in Schlesien, die unter den Kriegshandlungen gelitten hatten oder in den Folgejahren zerstreut wurden, blieb das Hermsdorfer Kameralarchiv nahezu vollständig erhalten. Das Schaffgotschsche Archiv ist nicht auf Dauer „verloren“39, wie Voigt noch 1960 schrieb, als das Material längst wieder in geordneter Form in Polen zugänglich war. Der heute im Staatsarchiv Breslau („Archiwum Państwowe we Wrocławiu“) aufbewahrte, noch immer lediglich in kleinen Teilen ausgewertete Bestand umfasst mit 29.730 Archiveinheiten 686 laufende Meter – es ist der größte Bestand unter den einst beinahe 80 Herrschafts- und Adelsarchiven in Schlesien überhaupt40. 32  Curt Liebich, Werden und Wachsen von Petersdorf im Riesengebirge. Siedlungskundliche und volkswirtschaftliche Untersuchung eines schlesischen Waldhufendorfes von der Gründung bis zum Jahre 1945 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 6, Würzburg 1961) 21. 33   Wutke, Schicksal (wie Anm. 27) 246. 34   Voigt, Burg Kynast (wie Anm. 26) 137. 35  Wutke, Schicksal (wie Anm. 27) 246–252. 36  Minerva-Handbücher, Bd. 2/1: Deutsches Reich, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz, hg. von Paul Wentzcke–Gerhard Lüdtke (Berlin–Leipzig 1932) 162f.; Voigt, Verwaltung (wie Anm. 23) 44. 37   Minerva-Handbücher, Bd. 2/1 (wie Anm. 36) 162. 38   Emil Voigt, Geschichte der Entwicklung der Herrschaft Kynast. Schlesische Bergwacht 6/3 (1955) 3–4, 6/4 (1955) 3, 6/5 (1955) 3–4, 6/6 (1955) 5, 6/8 (1955) 5, 6/9 (1955) 5, 6/10 (1955) 7, hier [6/3] 3. 39  Ders., Verwaltung (wie Anm. 23) 98. 40  Rościsław Żerelik, Staatsarchiv Breslau (Archiwum Państwowe we Wrocławiu), in: Adel in Schlesien (wie Anm. 5 [2010]) 2 141–151; ders.–Andrzej Dereń, Staatsarchiv Breslau. Wegweiser durch die Bestände

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Ein gänzlich anderes Schicksal, dies sei schon zu Beginn der Beschreibung der Bibliothek vorweggenommen, nahmen die Schaffgotschsche Büchersammlung und die anderen reichhaltigen Sammlungen aus Warmbrunn, die zerrissen wurden und nach 1945 nach Warschau, Posen, Krakau, Breslau, Thorn und an andere Orte gelangten41. Ähnlich wie im Fall des Archivs finden sich über die Anfänge der Bibliothek nur spärliche Hinweise in den Quellen42. So ist in Leichenpredigten und Testamenten hin und wieder von einem Bücherbestand im Amtshaus zu Giersdorf die Rede. Diese und andere Werke wurden 1716 von Johann Anton Schaffgotsch im neuen Amtshaus in Hermsdorf zusammengeführt, das für gut ein Jahrhundert Sitz der im Laufe der Jahre durch gezielte Ankäufe systematisch erweiterten Bibliothek war, die in vier Räumen des zweiten Stockwerks, geordnet nach den vier Fakultäten, ihren Platz fand (Abb. 1)43. Für die Ergänzungs-, Aufstellungs- und Katalogisierungsarbeiten hatte der schlesische Oberamtsdirektor mit Gottlob Krantz und Christian Stieff zwei in Breslau tätige, bis zum Jahr 1945 – Archiwum Państwowe we Wrocławiu. Przewodnik po zasobie archiwalnym do 1945 roku (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 9, München 1996) 302–309. Erste systematische Auswertungen bei Roman Stelmach, Archiwum majątku Schaffgotschów w Cieplicach – dokumenty [Das Schaffgotschsche Gutsarchiv in Warmbrunn – Dokumente], 2 Tle. Rocznik Jeleniogórski 35 (2003) 33–40, 36 (2004) 79–104; Leszek Ziątkowski, Korespondencja z archiwum Schaffgotschów jako źródło do historii Polski drugiej połowy XVII i początku XVIII w. [Die Korrespondenz aus dem Archiv Schaffgotsch als Quelle zur Geschichte Polens in der zweiten Hälfte des 17. und am Anfang des 18. Jahrhunderts], in: Z przeszłości Rzeczypospolitej w czasach nowożytnych [Aus der Vergangenheit der Adelsrepublik in der Neuzeit], hg. von Krystyn Matwijowski–Stefania Ochmann-Staniszewska–Bogdan Rok (Prace Historyczne 25, Wrocław 1998) 91–100. Vgl. ferner die (nicht abgeschlossene) Reihe: Die Inventare der nichtstaatlichen Archive Schlesiens, Bd. 1–8 (Codex diplomaticus Silesiae 24, 28, 31–36, Breslau 1908–1933). Eine Übersicht der bis zum Zweiten Weltkrieg in Schlesien bestehenden Herrschafts- und Adelsarchive – von Althann (Mittelwalde) bis Zedlitz (Eichholz, Kreis Liegnitz) – bietet Wilhelm Dersch, Schlesische Archivpflege. Schlesische Geschichtsblätter 1 (1933) 1–26, hier 23–26. Vgl. auch Andrzej Dereń, Archiwa na Dolnym Śląsku przed drugą wojną światową [Die Archive in Niederschlesien vor dem Zweiten Weltkrieg]. Archeion. Czasopismo naukowe poświęcone sprawom archiwalnym 18 (1948) 131–154. 41  Stanisław Firszt, Nieszczęsne losy zbiorów Schaffgotschów na tle odradzającego się muzealnictwa polskiego po 1945 roku [Die unglücklichen Schicksale der Schaffgotschschen Sammlungen während des neu entstehenden polnischen Museumswesens nach dem Jahr 1945]. Rocznik Jeleniogórski 42 (2010) 193–226; ders., Losy zbiorów, kolekcji i muzealiów jeleniogórskich w latach 1939–1967 [Die Schicksale der Hirschberger Sammlungen, Kollektionen und musealen Ausstellungsstücke in den Jahren 1939–1967]. Ebd. 34 (2002) 125–146; Janusz Gołaszewski, Spuścizna kartograficzna Schaffgotschów w zasobie Archiwum Państwowego we Wrocławiu [Das kartographische Erbe der Schaffgotsch im Bestand des Staatsarchivs in Breslau]. Ebd. 37 (2005) 127–146. Zum Forschungsstand vgl. ferner: Kommentierte Bibliographie zum Buch- und Bibliothekswesen in Schlesien bis 1800, hg. von Detlef Haberland–Weronika Karlak–Bernhard Kwoka (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 39, München 2010); Hans-Joachim Koppitz, Das Buch- und Bibliothekswesen, in: Geschichte Schlesiens, Bd. 3: Preußisch-Schlesien 1740–1945, ÖsterreichischSchlesien 1740–1918/45, hg. von Josef Joachim Menzel (Stuttgart 1999) 477–489, 699–702. 42  Alfred Świerk, Beiträge zur Geschichte schlesischer Privatbibliotheken bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. ASK 27 (1969) 75–97. 43  Zur Geschichte der Bibliothek vgl. die Überblicksdarstellungen von Marian Iwanek, Biblioteka Schaffgotschów w Cieplicach Śl. Zdroju [Die Schaffgotsch-Bibliothek in Bad Warmbrunn]. Rocznik Jeleniogórski 24 (1986) 43–57; Gerhard Anter, Hundert Jahre Majoratsbibliothek in Bad Warmbrunn. Der Wanderer im Riesengebirge 54/8 (1934) 130f.; Georg Nave, Die Reichsgräflich Schaffgotschschen Sammlungen in Warmbrunn. Ebd. 46/4 (1926) 57–60; A[gnes] Siebelt, Die Reichsgräflich Schaffgotsch’sche Majoratsbibliothek zu Warmbrunn. Ebd. 34/14 (1914) 23–26; [Heinrich] Nentwig, Die gräflich Schaffgotsch’sche Bibliothek in Warmbrunn. Ebd. 27/11 (1907) 161–165; ders., Zwei schlesische Majoratsbibliotheken, in: Beiträge zur Bücherkunde und Philologie. August Wilmanns zum 25. März 1903 gewidmet (Leipzig 1903) 129–138.



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Abb. 1: Exlibris der Schaffgotschschen Bibliothek in Hermsdorf aus dem 18. Jahrhundert, das den Namen des Stifters, des schlesischen Oberamtsdirektors Johann Anton Graf Schaffgotsch (1675–1742), trägt (Projektbereich Schlesische Geschichte an der Universität Stuttgart).

durch historische, buchkundliche und bibliothekarische Arbeiten ausgewiesene Gelehrte gewinnen können, die mehrere Wochen im Jahr nach Hermsdorf kamen; zusammen mit dem gebildeten, in aufgeklärten Sozietäten engagierten Gutsdirektor Johann Karl Neumann waren sie für den Ausbau der Sammlungen verantwortlich44. Das Ergebnis ihrer Tätigkeit lässt sich zumindest ansatzweise an dem 96 Seiten umfassenden, später bedauerlicherweise nicht fortgesetzten Verzeichnis („Catalogus Bibliothecae Schafgotschianae In Hermsdorff“) ablesen, das der Schweidnitzer Theologe und Büchersammler Gottfried Balthasar Scharff als Anhang der von ihm herausgegebenen Aufklärungszeitschrift Gelehrte Neuigkeiten Schlesiens, die regelmäßig „von Bibliothequen und Cabineten“ im Oderland berichtete, im Jahr 1738 veröffentlichte; Scharff hatte seine Leser seit 1734 bereits mehrfach in kürzeren Beiträgen über die Bibliotheksarbeiten in Hermsdorf unterrichtet45. Mit der Errichtung eines Familienfideikommisses hatte Johann Anton Schaffgotsch, der mit Abstand bedeutendste Sammler, Mäzen und Förderer von Kunst und Wissen44  Klaus Garber, Das Alte Breslau. Kulturgeschichte einer geistigen Metropole (Köln–Weimar–Wien 2014) 162–164, 347–351, 546; ders., Bücherhochburg des Ostens. Die alte Breslauer Bibliothekslandschaft, ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und ihre Rekonstruktion im polnischen Wrocław, in: Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit, Bd. 2, hg. von dems. (Frühe Neuzeit 111, Tübingen 2005) 539–653. 45  Krzysztof Migoń, Pastor G. B. Scharff, jego księgozbiór i czasopismo [Pastor G. B. Scharff, seine Bibliothek und seine Zeitschrift]. Roczniki Biblioteczne 33/1–2 (1989) 41–51; Anita Frank, Gottfried Balthasar Scharff – ein schlesischer Bibliophile, in: Neerlandica Wratislaviensia, Bd. 9, hg. von Norbert Morciniec– Stanisław Predota (Acta Universitatis Wratislaviensis 1893, Wrocław 1996) 43–57. Nachweis der früheren Artikel Scharffs in: Kommentierte Bibliographie (wie Anm. 41) 437–439.

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schaft innerhalb des weitverzweigten Geschlechts46, auch Vorsorge für seine mächtig angewachsenen Sammlungen getroffen. So hieß es in seinem Testament („lex familiae“) vom 19. Oktober 1738 über die „mit nicht geringen Unkosten aufgerichtete Bibliotheca“ und das Archiv: „Drittens [soll] das durch meine Sorgfalt sowohl in Herrndorff als Greiffenstein in gute Ordnung gebrachte Herrschaftliche Archiv bey diesem perpetuirlichen Fideicommiss-Fundo beybehalten und Niemanden daraus einige dahin gehörige oder die Familie concernirende Original-Uhrkunden abgefolget werden, als worüber ebenfalls nach meinem Todt eine richtige Verzeichnüss, wann nicht schon dergleichen unter meiner Fertigung sich finden sollte, verfertiget werden muss. Es wird aber der FideicommissPossessor seinen Brüdern zu besagter Bibliotheca so wohl als zu dem daselbst in gute Ordnung befindlichen Archivo den Zutritt nicht verweigern wie auch auf Verlangen einige Abschrifften ex Archivo ertheilen lassen und darob seyn, womit die Bücher und Original-Documenta Familiae nicht distrahiret, wohl aber die letzteren vermehret folgsam Niemanden ausgefolget werden. Und, de ratione librorum prohibitorum die Erlaubnüss habe, solche zu asserviren, so solle auch der Possessor Fideicommissi jederzeit verbunden seyn, ein gleiches zu besorgen.“47 Es war vor allem den politisch-gesellschaftlichen Umbrüchen nach dem Tod Kaiser Karls VI. geschuldet, dass die Hermsdorfer Sammlungen zunehmend vernachlässigt wurden und in der gelehrten Welt an Beachtung verloren. Als höchster Amtsträger der Krone in Schlesien hatte Johann Anton Schaffgotsch am 18. Dezember 1740 ein scharf formuliertes Patent gegen den Einmarsch der preußischen Truppen erlassen. Vorsorglich schickte er bereits am nächsten Tag seine Kinder nach Prag und ließ auch wichtige Archivalien aus seinem Oberamt und aus verschiedenen Städten Niederschlesiens auf böhmisches Territorium schaffen. Wenig später von König Friedrich II. des Landes verwiesen, begab er sich ebenfalls ins Exil nach Prag. Der letzte Inhaber des Oberamts im habsburgischen Schlesien, der weiterhin loyal zum Wiener Hof stand, konnte zwar im November 1741 nach Hermsdorf zurückkehren, starb allerdings nur vier Monate später im Alter von 67 Jahren. Die anschließenden Erbschaftsangelegenheiten zogen sich aufgrund der politischen Gesamtlage im Oderland, aber auch wegen heftiger innerfamiliärer Gegensätze über Jahre hin und konnten erst nach Ende des Siebenjährigen Krieges endgültig geklärt werden48. Weder Majoratsherr Karl Gotthard Graf Schaffgotsch noch dessen ältester Sohn Johann Nepomuk, der 1780 nach dem Tod des Vaters den Familienbesitz übernahm, zeigten offenbar größeres Interesse für die in der ersten Jahrhunderthälfte zusammengetra46  Michał Mencfel, „Hier wohnt an allen Ecken Kunst und Werth und Seltenheit.“ Graf Hans Anton Schaffgotsch (1675–1742) als Sammler, in: Das Haus Schaffgotsch (wie Anm. 11) 291–306. In breiterem Kontext vgl. ders., Skarbce natury i sztuki. Prywatne gabinety osobliwości, kolekcje sztuki i naturaliów na Śląsku w wiekach XVII i XVIII [Schatzkammern der Natur und der Kunst. Private Raritätenkabinette, Kunst- und Naturaliensammlungen in Schlesien im 17. und 18. Jahrhundert] (Warszawa 2010); ders., Rariora naturae et artis. Gabinety osobliwości uczonych śląskich pierwszej połowy XVIII w. [Rariora naturae et artis. Raritätenkabinette schlesischer Gelehrter aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. Barok. Historia – Literatura – Sztuka 15/29 (2008) 89–109. 47  Fideicommiss-Stiftung und Testament des Reichsgrafen Hans Anton Schaffgotsche, 19. October 1738, in: Johannes Kaufmann, Die Erhaltung der Schaffgotschischen Stammgüter durch Fideicommisse (Hausgeschichte und Diplomatarium der Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch II/2, Leipzig 1925) 359–398, hier 380f. 48   Peter Baumgart, Die Familie Schaffgotsch zwischen Habsburg und Preußen. Zur Bewältigung einer Krise, in: Das Haus Schaffgotsch (wie Anm. 11) 127–140; Kaufmann, Erhaltung (wie Anm. 47) 74–101.



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genen Sammlungen. Nach einer Besichtigung der Bibliothek im Jahr 1783 schrieb der Theologe und Reiseschriftsteller Jakob Elias Troschel, dass die Sammlung „noch so wenig in Ordnung gesezt ist, daß oft ein Band eines Werks in diesem und der andre in einem andern Zimmer steht“, so dass sie dem Besucher gegenwärtig „nichts nüzt“49. Vergleichbare Beobachtungen machte Johann Gustav Büsching noch ein Vierteljahrhundert später: In der Bibliothek herrsche eine große „Unordnung“, eine angemessene Nutzung der rund 12.000 Bände sei „ganz unmöglich“50. Ein neuerlicher Aufschwung der Sammlungstätigkeit setzte erst nach dem Ende der Napoleonischen Kriege unter Leopold Gotthard Graf Schaffgotsch ein, der sich dazu der Hilfe des niederschlesischen Gutsbesitzers Karl Freiherr von Stillfried-Rattonitz versicherte. Die Würdigung der umfassenden Ordnungsarbeiten, die Stillfried bis zum Jahr 1824 leistete, lässt sich daran erkennen, dass man ein Gemälde von ihm direkt neben das des Stifters in die Bibliothek hängte; das von Johann David Grüson 1815 gemalte Porträt zeigt ihn vor dem Hintergrund der Majoratsbibliothek51. Stillfrieds 1804 in Hirschberg geborener Sohn Rudolf, der später umfangreiche Forschungen zur Geschichte des schlesischen Adels vornahm und dabei Archiv wie Bibliothek der Schaffgotsch intensiv nutzte, war durch die jahrelange Tätigkeit des Vaters in Hermsdorf entscheidend geprägt worden52. Nach Ankauf der gesamten Bestände des Liegnitzer Buchladens von David Siegert 1819 stießen die Unterbringungsmöglichkeiten in Hermsdorf endgültig an ihre Grenzen. Anfang der 1830er Jahre wurde die Majoratsbibliothek daher in die seit der Säkularisation leerstehenden Räume der ehemaligen Propstei in Warmbrunn bei Hirschberg überführt, die Leopold Gotthard Graf Schaffgotsch 1812 vom preußischen Staat für seine Familie zurückgekauft hatte53. Die Verantwortung für die innere Gestaltung der neuen Räumlichkeiten, die am 1. Juli 1834 offiziell eröffnet wurden, lag bei Joseph Kutzen, der als Hauslehrer bei den Schaffgotsch den Zustand der Bibliothek kennengelernt und als Erster deren Verlegung angeregt hatte; er lehrte später am Historischen Institut in Breslau und war auch in der dortigen Universitätsbibliothek tätig54. Mit festen Öffnungszeiten und einer neuartigen Benutzungs- und Ausleihordnung gewann die Sammlung in der Folgezeit immer deutlicher den Charakter einer öffentlichen Bibliothek. Dazu trug auch bei, dass Graf Schaffgotsch der Breslauer Buchhandlung von Ferdinand Hirt die Erlaubnis erteilte, in einigen Räumen der alten Propstei eine Lesehalle einzurichten und dort Neuerscheinungen auf dem Zeitungs- und Buchmarkt auszulegen55; 1842 nahm man von dieser Regelung allerdings wieder Abstand, da man die 49   J[akob] E[lias] T[roschel], Reise von Berlin über Breslau nach dem schlesischen Gebirge im Sommer 1783 (Berlin 1784) 167f. 50   Büsching, Bruchstücke (wie Anm. 22) 293. 51   Magdalena Palica, Die Portraitgalerie im Warmbrunner Palais Schaffgotsch, in: Das Haus Schaffgotsch (wie Anm. 11) 317–328, hier 327; Joh[ann] G. Bergemann, Beschreibung und Geschichte von Warmbrunn und seinen Heil-Quellen (Hirschberg 1830) 31. 52  Von den Arbeiten zur Geschichte der Schaffgotsch vgl. vor allem Rudolph Stillfried, Stammtafel und Beiträge zur älteren Geschichte der Grafen Schaffgotsch (Berlin 1860); ders., Beiträge zur Geschichte des schlesischen Adels, 2 Bde. (Berlin 1860–1864); ders., Geschichtliche Nachrichten vom Geschlechte Stillfried von Rattonitz, 2 Bde. (Berlin 1860–1869). Zu Stillfrieds publizistischer Tätigkeit vgl. Roland Gehrke, Rudolf Graf von Stillfried-Alcántara (1804–1882), in: Schlesische Lebensbilder, Bd. 11 (wie Anm. 6) 333–347. 53  Wutke, Schicksal (wie Anm. 27) 245–247. 54  [Colmar] Grünhagen, Professor Dr. Joseph Kutzen †. ZVGAS 14/1 (1878) 248–253. 55  Rudolf Schmidt, Deutsche Buchhändler, deutsche Buchdrucker. Beiträge zu einer Firmengeschichte des deutschen Buchgewerbes, Bd. 3 (Berlin 1905, Nachdr. Hildesheim–New York 1979) 458–460.

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Joachim Bahlcke Abb. 2: Innenaufnahme der Anfang der 1830er Jahre in die ehemaligen Räume der Warmbrunner Propstei überführten Majoratsbibliothek der Schaffgotsch vom Anfang des 20. Jahrhunderts (Firszt, Nieszczęsne losy [wie Anm. 41] 206).

Räumlichkeiten für die Waffenkammer benötigte. Die neue Ausrichtung der Schaffgotschschen Sammlung wurde von der Öffentlichkeit aufmerksam registriert. Hatte Karl Gabriel Nowack, der Herausgeber der Schlesischen Provinzialblätter, die Warmbrunner Bibliothek noch 1836 als „Privat-Institut“ bezeichnet 56, so gewann Karl Friedrich Wilhelm Wander nur knapp ein Jahrzehnt später einen gänzlich anderen Eindruck: „Zwar Privateigen­ thum des Grafen, wird sie doch mit einer Liberalität geöffnet und zur Benützung geboten, daß man dies vergessen und annehmen kann, sie sei eine Volksbibliothek. [...] Sie ist auch nicht bloß den Gelehrten und Schriftstellern geöffnet, sondern Jedem, der sich belehren will und durch seinen Charakter die nöthige Bürgschaft für die gute Haltung und Rücklieferungen der Bücher leistet“57 (Abb. 2). Die Katalogisierungsarbeiten in Warmbrunn gingen seit Beginn des 19. Jahrhunderts kontinuierlich voran. Bei der Fixierung regionaler Regeln für die Titelaufnahme fiel Breslau in gewisser Weise eine Vorreiterfunktion zu. Im Jahr 1886 erschien erstmals eine gedruckte Instruktion für die Universitätsbibliothek in der schlesischen Hauptstadt, die der Direktor Karl Dziatzko ausgearbeitet hatte58. Für die Ordnung und Aufnahme der Titel wurden 1899 (zweite Ausgabe 1908) schließlich die Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der preußischen Bibliotheken und für den preußischen Gesamtkatalog als verbindlich erklärt, an denen sich auch die Schaffgotschsche Majoratsbibliothek seither orientierte59. Auf die sogenannten Preußischen Instruktionen wies Heinrich Nent56  K[arl] G[abriel] Nowack, Die Reichsgräfl. Schaffgotsche Bibliothek zu Warmbrunn betreffend. Schlesische Provinzial-Blätter 103 (1836) 281–282, hier 281. 57  [Karl Friedrich Wilhelm Wander,] Die Schaffgotsch’sche Bibliothek in Warmbrunn. Schlesische Provinzialblätter 122 (1845) 635–636. 58  Karl Dziatzko, Instruction für die Ordnung der Titel im Alphabetischen Zettelkatalog der Königlichen und Universitäts-Bibliothek zu Breslau (Berlin 1886). Dziatzkos bibliothekswissenschaftliche Arbeiten verzeichnet Alfred Schneider, Bibliographie der Veröffentlichungen Karl Dziatzkos. Beiträge zur Kenntnis des Schrift-, Buch- und Bibliothekswesens 8 (1904) 1–12. 59  Dietmar Strauch–Margarete Rehm, Lexikon Buch – Bibliothek – Neue Medien (München 22007) 250–252.



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wig, der in Warmbrunn seit 1895 für Bibliothek und Archiv gleichermaßen zuständig war, im Vorwort seines Werkes „Silesiaca in der Reichsgräflich Schaffgotsch’schen Majoratsbibliothek zu Warmbrunn“ hin, das er in den Jahren 1901 und 1902 in zwei Teilbänden veröffentlichte60. Bereits 1899 hatte er die Druckschriften zur Geschichte der Familie Schaffgotsch in einem separaten Verzeichnis publiziert; die „Schaffgotschiana“ verstand er allerdings nicht als Bibliothekskatalog, seien sie doch vor allem „ein gut Stück Familiengeschichte“61. Auf die historischen Arbeiten Nentwigs wird noch genauer einzugehen sein. Der aus Bertholdsdorf, Kreis Striegau, gebürtige Mitarbeiter der „Gräflich Schaffgotsch’schen Archiv- und Bibliothek-Verwaltung“ war nach dem Studium zunächst mit der Ordnung der Stadtbibliothek Hildesheim beauftragt worden und hatte sich im Anschluss mit den mittelalterlichen Handschriften der Braunschweiger Stadtbibliothek beschäftigt, bevor er in Warmbrunn tätig wurde62. Er war ohne Frage der beste Kenner der Bibliotheks- und Archivbestände, die er umfassend für eigene wissenschaftliche Studien nutzte. Weit über die Pflege und Erschließung der Schaffgotschschen Majoratsbibliothek hinaus gebührt ihm das Verdienst, die bibliographische Arbeit in Schlesien im frühen 20. Jahrhundert befördert und professionalisiert zu haben63. In den 1930er Jahren verzeichnete die Bibliothek, in der die Benutzer fachkundige Ansprechpartner und gute Arbeitsmöglichkeiten vorfanden, mehr als 3.800 Besucher und rund 2.000 Ausleihen jährlich. Der Bestand war auf rund 80.000 Bände angewachsen. Durch den Anschluss an den öffentlichen Leihverkehr der deutschen Bibliotheken war es möglich, in Warmbrunn nicht vorhandene Werke zu bestellen. Auch Akten aus Staatsarchiven konnten dem Benutzer durch Vermittlung der Bibliothek in deren Räumlichkeiten zugänglich gemacht werden64. All dies waren Bedingungen, die in anderen Adelsbibliotheken, die zeitgleich mit der Schaffgotschschen Büchersammlung entstanden waren und zum Teil ebenfalls beachtliche Bestände aufwiesen, so nicht gegeben waren.

Sammeln, fördern, forschen: Frühneuzeitliche Traditions- und Geschichtspflege Das Archiv und die „wohl angelegte Bibliothec zu Hermsdorff“, von der Sinapius in der Widmung des ersten Bandes seines Adelslexikons gesprochen hatte, dienten während der gesamten Frühneuzeit als Arbeitsgrundlage für die Traditions- und Geschichtspflege der Schaffgotsch. Zur regionalen wie überregionalen Bekanntheit beider Einrichtungen trugen vor allem schlesische Humanisten, Gelehrte und Schriftsteller bei, die meist 60  Heinrich Nentwig, Silesiaca in der Reichsgräflich Schaffgotsch’schen Majoratsbibliothek zu Warmbrunn, 2 Hefte (Leipzig 1901–1902). 61  Ders., Schaffgotschiana in der Reichsgräflich Schaffgotsch’schen Majoratsbibliothek zu Warmbrunn (Leipzig 1899) VI. 62  Jahrbuch der deutschen Bibliotheken 1 (1902) 96f. 63   Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang lediglich auf die drei umfangreichen Ergänzungshefte zum Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, in denen Nentwig die „Literatur der Landes- und Volkskunde der Provinz Schlesien“ (umfassend die Jahre 1900–1903, 1904–1906 und 1907–1912) dokumentierte. Vgl. Michael Rüdiger Gerber, Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur (1803– 1945) (Beih. zum Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 9, Sigmaringen 1988) 80f.; darüber hinaus erfasste Nentwig über Jahre hinweg die „Literatur zur schlesischen Geschichte“, die in der ZVGS dokumentiert wurde. Vgl. Wolfgang Kessler, Zeitschrift des Vereins für Geschichte (und Altertum) Schlesiens 1855–1943, Schlesische Geschichtsblätter 1908–1943. Gesamtinhaltsverzeichnis (Schlesische Kulturpflege 1, Hannover 1984) 47. 64  Anter, Hundert Jahre Majoratsbibliothek (wie Anm. 43) 131.

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überschwenglich und mit wohlgesetzten Worten über die Sammlungen Bericht erstatteten65. Typisch für diese Art der Sammlungsbeschreibung ist beispielsweise das Urteil des Breslauer Mediziners und Naturwissenschaftlers Johann Christian Kundmann aus dem Jahr 1741, wonach unter den „vornehmsten Privat-Bibliothequen“ diejenige des Grafen Schaffgotsch „eine der magnifiquesten Bibliothecken Schlesiens“ zu werden verspreche; auch die anderen Sammlungen in Hermsdorf seien derart reichhaltig, „daß dieser ­Bibliothec an vielen Merckwürdigkeiten wenig abgehet“66. Den Reichtum einer Sammlung und den Sammler selbst zu loben – und en passant die eigene Zugehörigkeit zur respublica litteraria zu unterstreichen – gehört zu den feststehenden Topoi der humanistischen Tradition67. Dass Archiv und Bibliothek schon während des 18. Jahrhunderts als Forschungsstätten genutzt wurden, können wir am ehesten bei auswärtigen Besuchern voraussetzen, die eine beschwerliche und kostspielige Anreise auf sich nehmen mussten. Der österreichische Augustinerchorherr und Ordenshistoriker Raimund Duellius etwa sprach 1724 in einem seiner Werke von der „praestantissima Bibliotheca Schafgotschiana“68. Sein Besuch „in der Schafgotschischen Bibliothec zu Hermansdorff bey Hirschberg“, die Duellius während einer Reise durch Böhmen, Mähren und Schlesien aufgesucht hatte, war sogar der renommierten Leipziger Zeitschrift Deutsche Acta Eruditorum eine Mitteilung wert69. Nur wenige Monate später reiste der französische, seit Langem in Berlin tätige reformierte Theologe und Kirchenhistoriker Jacques Lenfant, der an einer umfangreichen Darstellung der Hussitenkriege und des Basler Konzils arbeitete, nach Breslau. Dort wollte er verschiedene Manuskripte und Handschriften einsehen, von deren Existenz er durch Hinweise des lutherischen Pastors Johann Friedrich Burg wusste. Die im Vorfeld der Reise gewechselte Korrespondenz zwischen Breslau, Hermsdorf und Berlin lässt einen intellektuellen Austausch über Konfessions- und politische Grenzen hinweg erkennen, der typisch ist für den Wissensdrang einer ganzen Epoche. Über den katholischen Oberamtsdirektor Graf Schaffgotsch schrieb Lenfant in seinem noch 1725 publizierten Reisebericht: „Il me fit d’abord la grace de m’offrir la communication de ce qu’il a dans sa belle Bibliotheque. Mais comme elle est à Herensdorff près des Bains de Hirschberg à quinze milles de Breslau, où le temps ne me permettoit pas de me transporter, il envoya d’abord des ordres pour en transcrire ce qui pourroit servir à mon dessein, & c’est ce que j’attens par avance avec beaucoup de gratitude.“70 65  Dabei wurden auch andere Adelsbibliotheken in Schlesien gewürdigt. Vgl. Richard Šípek, Die Jauerer Schlossbibliothek Ottos des Jüngeren von Nostitz, 2 Tle. (Frankfurt/Main 2014) 1 41–47, 62–69; Klaus Garber, Adelsbibliotheken in Schlesien – eine Annäherung, in: Adel in Schlesien (wie Anm. 5 [2010]) 1 479–497. 66  Johann Christian Kundmann, Academiae Et Scholae Germaniae, praecipuè Ducatus Silesiae, Cum Bibliothecis, In Nummis. Oder: Die Hohen und Niedern Schulen Teutschlandes, insonderheit Des Hertzog­ thums Schlesiens, Mit ihren Bücher-Vorräthen in Müntzen (Breslau 1741) 391, 395. 67  Manfred Fleischer, Späthumanismus in Schlesien. Ausgewählte Aufsätze (Silesia 32, München 1984) 1–24, 171–176. Als Regionalstudie vgl. ferner Eva Pleticha, Adel und Buch. Studien zur Geisteswelt des fränkischen Adels am Beispiel seiner Bibliotheken vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte 9/33, Neustadt an der Aisch 1983). 68  Raimundus Duellius, Miscellaneorum, Quae Ex Codicibus Mss. Collegit, Bd. 2 (Augustae Vind[elicorum]–Graecii 1724) Observatio praevia ad Librum II. (ohne Paginierung). 69  Deutsche Acta Eruditorum, Oder Geschichte der Gelehrten, Welche den gegenwärtigen Zustand der Literatur in Europa begreiffen, Th. 97 (Leipzig 1724) 547–556, hier 553. 70   [Jacques Lenfant,] Relation du Voyage de Mr. L. ... à Breslau, addressée à Mr. le Baron Dobr’zenski. Bibliotheque Germanique Ou Histoire Litteraire De l’Allemagne, de la Suisse, Et Des Pays Du Nord 10 (1725) 85–123, hier 99. Auch in Lenfants Geschichtswerk, das 1731, drei Jahre nach dem Tod des Autors, von Isaac



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Zunächst einmal aber waren Archiv und Bibliothek in Hermsdorf für die familiären Interessen und Bedürfnisse der Schaffgotsch selbst bedeutsam. Die Herkunft eines adeligen Geschlechts und das Wissen um diese Herkunft waren seit dem Spätmittelalter unmittelbar mit der Herrschaft verbunden und damit Teil der Herrschaftssicherung und -legitimation. Dies erklärt, warum gerade der Genealogie, die im Unterschied zu Einzelporträts oder Epitaphien das Gesamtgeschlecht darstellt, besondere Bedeutung im Rahmen adeliger Gedächtniskultur zugemessen wurde. Durch die Erinnerung an die Vorfahren sicherte man dem eigenen Geschlecht eine generationenübergreifende Identität, manifestierte Alter, Vornehmheit und Verdienst des Hauses und grenzte sich von konkurrierenden Adelsfamilien ab. Parallel zur genealogischen, heraldischen und künstlerischen Selbstdarstellung kam es zur Unterstützung einzelner Humanisten und Gelehrter, eine Anteilnahme, die als individuelles Mäzenatentum ihren Anfang nahm und schon bald in eine umfassende Förderung der Wissenschaften und Künste mündete. Die Einrichtung eines Archivs, einer Bibliothek und einer Gemäldegalerie besaß in diesem Zusammenhang hohen symbolischen Wert: als Ausdruck adeligen Familienbewusstseins und Repräsentationsstrebens ebenso wie als Demonstration von Macht, Reichtum und Ehrgeiz des Besitzers. Die „Rückbesinnung auf die eigene Geschichte“71 prägte nicht nur nachhaltig die Mentalität adeliger Familien in der Frühen Neuzeit, sondern auch deren Lebensgestaltung, Selbstgefühl und gesellschaftliches Auftreten. In seinem monumentalen Geschichtswerk „Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten oder vollkommene Chronica Von Ober- und NiederSchlesien“ beschrieb der aus dem Oderland gebürtige Theologe und Historiker Friedrich Lucae 1689 die markanten Unterschiede, die sich seit dem Dreißigjährigen Krieg „zwischen dem alten und neuen Adel in Schlesien“ beobachten ließen. Um ihre bevorrechtigte Stellung zu belegen, hätten „etliche alte adeliche fürnehme Familien“, unter ihnen auch die Schaffgotsch, „ihre Genealogien, und StammRegister herauß gegeben/ und ihrer Vorfahren Ruhm dadurch unvergänglich gemacht/ ihre Posterität aber aufgemuntert/ daß sie auf gleicher Tugend-Bahn insistiren möchte“. Lucae lieferte zugleich eine Erklärung für die politische Absicht einer solchen Erinnerungsarbeit, die sich den eingangs beschriebenen Umbrüchen in der adeligen Führungsschicht verdankte: „Eben dergleichen in Druck gegebene Stamm-Register vergeringern gewaltig deß neuen Adels Schein/ weil er hierinnen dem alten Adel unmöglich aemuliren kan.“72 de Beausobre in zwei Bänden in Utrecht (Bd. 1) und Amsterdam (Bd. 2) herausgegeben wurde, sind die Erfahrungen des reformierten Theologen in Breslau nochmals beschrieben. In einer der historischen Abhandlung vorangestellten Biographie Lenfants von Beausobre heißt es: „Il [Lenfant] fit depuis des voyages, à Helmstad en 1712, à Leipsig en 1715, à Breslau en 1725. Son but étoit de decouvrir les Livres rares & les Manuscrits, dont il avoit besoin, pour composer les Histoires qu’il a écrites. Mr. le Comte de Schaffgotsch, Gouverneur, pour sa Majesté Impériale, de la belle & grande Province de Silésie, lui témoigna beaucoup d’estime à Breslau.” Jaques [sic] Lenfant, Histoire De La Guerre Des Hussites Et Du Concile De Basle, Bd. 1 (Utrecht 1731) XIII. 71   Renate Zedinger, Sammeln, forschen, fördern – Aspekte adeliger Lebensgestaltung im konfessionellen Zeitalter, in: Adel im Wandel. Politik – Kultur – Konfession 1500–1700, hg. von Herbert Knittler–Gottfried Stangler–Renate Zedinger (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 251, Wien 1990) 461–468, hier 464. Zum Stand der Forschung vgl. Markus Friedrich, Die Geburt des Archivs. Eine Wissensgeschichte (München 2013); Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der Frühen Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürsten- und Fürstinnenbibliotheken der Zeit, hg. von Jill Bepler–Helga Meise (Wolfenbütteler Forschungen 126, Wiesbaden 2010); Speicher des Gedächtnisses. Bibliotheken, Museen, Archive, 2 Bde., hg. von Moritz Csáky–Peter Stachel (Wien 2000–2001); Werner Arnold, Die Erforschung von Adelsbibliotheken. Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 31 (2006) 35–45. 72  Friedrich Lucae, Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten oder vollkommene Chronica Von Ober- und NiederSchlesien [...] (Frankfurt/Main 1689) 1770.

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Joachim Bahlcke Abb. 3: Die 1715 von dem Schweidnitzer Juristen und Literaturhistoriker Theodor Krause (Crusius) vorgelegten „Miscellanea Gentis Schaffgotschianae“ waren ein letzter panegyrischer Hymnus auf die Verdienste des Hauses Schaffgotsch. (Theodor Krausen, Miscellanea Gentis Schaffgotschianae, Oder Historisch-Genealogischer Bericht/ Von dem Uralten Geschlechte Derer Herren von Schaff-Gotschen/ Aus unterschiedlichen so wohl gedruckten als ungedruckten Nachrichten zusammen getragen [Striegau 1715]. Stiftung Kulturwerk Schlesien, Würzburg, Sign. ST 630 S 296 K 91).

Die von Lucae angesprochenen Arbeiten, die von den Schaffgotsch während des 17. Jahrhunderts initiiert worden waren, erfuhren unter Johann Anton nach 1700 einen gewaltigen Aufschwung. Die ältere Tradition des humanistischen Adelslobs, die in der Zeit von Johannes Tralles („Mausoleum SchaffGotschianum“, 1621) bis Christian Gryphius („Hoch-Gräfliches Schaffgotschisches Ehren-Mahl“, 1709) nicht wenige Autoren aufrechterhielten73, wurde noch eine Zeitlang weitergepflegt. Den Höhepunkt dieser Bemühungen, die Verdienste des Hauses Schaffgotsch, die „nicht allein in Schlesien/ sondern wohl durch gantz Europa“ bekannt seien74, zu würdigen, markiert ein von Theodor Krause (Crusius) 1715 vorgelegtes umfangreiches Werk (Abb. 3). Obwohl der Schweidnitzer Jurist und Literaturhistoriker darin den Stand der „Genealogischen Wissenschafften“ wortreich referierte und seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, ein gutes Geschichtswerk müsse auf dem Studium der „Diplomata und Acta publica“ basieren und daher „Zuflucht zu denen Originalien“ nehmen, war sein Buch alles andere als eine quellennahe, kritische Abhandlung. Bei Lichte besehen handelte es sich um eine Kompilation älterer panegyrischer Texte und Reden über einzelne Mitglieder des Hauses Schaffgotsch, erweitert um verschiedene, bereits drei Jahre zuvor von Johann Seifert veröffentlichte „Genealogische Tabellen“75. 73  Johannes Tralles, Mausoleum Schaff-Gotschianum. Ehren und GedechtnißKirchlein Des Uralten hochlöblichen Schaff-Gottschen-Hauses, Herrn und Ritterstandes [...] (Leipzig 1621); Christian Gryphius, Hoch-Gräfliches Schaffgotschisches Ehren-Mahl (Leipzig 1708). Weitere Drucke sind bibliographisch erfasst bei Nentwig, Schaffgotschiana (wie Anm. 61) 3–6, 12–42; Johann George Thomas, Handbuch der Literaturgeschichte von Schlesien (Hirschberg 1824) 118f. 74   Gryphius, Ehren-Mahl (wie Anm. 73) 6. 75   Theodor Krausen, Miscellanea Gentis Schaffgotschianae, Oder Historisch-Genealogischer Bericht/ Von dem Uralten Geschlechte Derer Herren von Schaff-Gotschen/ Aus unterschiedlichen so wohl gedruckten als ungedruckten Nachrichten zusammen getragen (Striegau 1715) Vorrede (ohne Paginierung). Bei dem genannten Tabellenwerk handelt es sich um: Johann Seifert, Verschiedener florirender Häuser recht auf einander gehende Ahnen (Regensburg 1712). Zu Krauses Werk vgl. Johannes Wiedner, Eine Familienkunde der



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Auf Krause bezog sich Sinapius gewiss nicht, als er 1720 von einer „hochgelehrte[n] Feder“ sprach, die von Johann Anton Graf Schaffgotsch damit beauftragt worden sei, die Geschichte seines Geschlechts „mehr und mehr aus alten und bewährten Schrifften eruiren zu laßen“. Damit war zweifelsohne der hochgebildete Breslauer Stadtrat und Ratskämmerer Ferdinand Ludwig von Breßler und Aschenburg gemeint, der – folgt man den Ausführungen Kundmanns – zum schlesischen Oberamtsdirektor „intimam admissionem“ gehabt habe76. Tatsächlich verband beide Adelige ein ausgesprochen enges Vertrauensverhältnis. Breßler, der verschiedene genealogische Studien und eine (verlorengegangene) Hausgeschichte verfasste, „erarbeitete die Grundlagen der adeligen Erinnerungskultur der Schaffgotsch“77. Er war es auch, der 1722 den einschlägigen Artikel über das schlesische Adelsgeschlecht in dem von Thomas Fritsch in Leipzig verlegten „Allgemeine[n] Historische[n] Lexicon“ schrieb, der zwei Jahrzehnte später Johann Heinrich Zedler als Grundlage für sein „Grosses Vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste“ diente. Neben Breßler gewann Johann Anton Graf Schaffgotsch mit Friedrich Wilhelm Sommer (von Sommersberg) einen zweiten namhaften Gelehrten in Breslau für die Erforschung der Familiengeschichte des eigenen Hauses. Auch er konnte das Archiv und die Bibliothek in Hermsdorf ausgiebig für seine Studien nutzen, die in eine Reihe von Veröffentlichungen Eingang fanden78. Der schlesische Oberamtsdirektor, der 1728 den Grundstein für den Neubau der Universität in Breslau legte und vier Jahre später auch die Einweihung der Aula Leopoldina vornahm79, hatte fraglos eine tiefe Beziehung zu allen Fragen von Bildung und Wissenschaft. Deutlich wird dies nicht zuletzt daran, dass ihm bedeutende Gelehrte, nicht nur Sinapius, ihre Werke zueigneten – Historiker und Juristen ebenso wie Theologen und Mediziner80. Gleichwohl stand dieses Interesse nicht im politikfreien Raum. Gerade bei Johann Anton Graf Schaffgotsch wird das Bemühen deutlich, die Herkunft der Familie als Nachkommen der schlesischen Piasten, also ehemals semisouveräner Landesherren königlichen Geblüts, herauszustellen. Am 24. Dezember 1707 war mit Charlotte von Liegnitz, Brieg und Wohlau die letzte Piastin in Schlesien gestorben; nur wenige Monate später, am 15. April 1708, wurde Johann Anton von Kaiser Joseph I. zum Reichsgrafen erhoben. In das mit der Standeserhöhung erhaltene neue Wappen der Schaffgotsch wurde das alte Liegnitz-Brieger Fürstenwappen integriert. Die genealogischen Studien namentlich Schaffgotsch. Das erste in Striegau gedruckte Buch, in: Schlesische Studien, hg. von Alfons Hayduk (Silesia 7, München 1970) 122–124; Hans Dahlke, Johann Christian Günther. Seine dichterische Entwicklung (Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft 10, Berlin 1960) 56f. 76  Johann Christian Kundmann, Silesii In Nummis, Oder Berühmte Schlesier In Müntzen/ So durch Grosse Helden-Thaten, Durch Hohe und wichtige Amts-Würden/ Oder durch Gelehrsamkeit und Schrifften, Ihren Nahmen unvergeßlich gemacht (Breslau–Leipzig 1738) 198. 77   Eiden, Nachleben (wie Anm. 14) 130. 78  Ebd. 133; ders., Die Piasten in der Erinnerungskultur des schlesischen Adels. Zum Selbstverständnis der Schaffgotsch als Nachkommen der polnischen Könige und schlesischen Landesfürsten (17.–19. Jahrhundert), in: Das Haus Schaffgotsch (wie Anm. 11) 141–175, hier 153f., 165f. 79   Norbert Conrads, Die Universität Breslau in ihrem ersten Jahrhundert, in: Die tolerierte Universität. 300 Jahre Universität Breslau 1702 bis 2002, hg. von dems. (Stuttgart 2004) 113–129, hier 116. 80  Vgl. exemplarisch Georg Thebesius, Liegnitzische Jahr-Bücher, Worinnen so wohl die Merckwürdigkeiten dieser Stadt, Als auch die Geschichte der Piastischen Hertzoge in Schlesien [...] untersuchet [...], 3 Tle., hg. von Gottfried Balthasar Scharffen (Jauer 1733); Joh[ann] Christian Kundmann, Kurtze Abhandlung Vom Verstande des Menschen vor und nach dem Falle, Wie auch von dem Unterschiede desselben: Insonderheit denen natürlichen Würckungen nach (Breslau 21720). Auf die hohe Zahl akademischer Dissertationen, die Johann Anton Schaffgotsch gewidmet wurden, kann an dieser Stelle nur pauschal hingewiesen werden.

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Breßlers dienten als Vorlagen für zwei monumentale, 1722 von Georg Drescher gefertigte Ölgemälde mit den Stammbäumen der Schaffgotsch und der Piasten, die ihren Platz im Bibliothekssaal des Hermsdorfer Schlosses fanden. Die Gemälde sollten vor allem eines zeigen: dass der königliche Stamm der Piasten in den Schaffgotsch fortlebe81.

Höhe- und Endpunkt familiärer Erinnerungskultur im 19. und 20. Jahrhundert: „Hausgeschichte und Diplomatarium der Grafen Schaffgotsch“ Die Traditions- und Geschichtspflege der Schaffgotsch im 18. Jahrhundert war in Anspruch und Umsetzung gewiss bemerkenswert, sie war aber nicht singulär im frühneuzeitlichen Schlesien. Auch andere Geschlechter unternahmen große Anstrengungen, durch eine breit angelegte Erinnerungsarbeit die Vergangenheit des eigenen Hauses zu nutzen, um die eigene Position zu festigen oder als symbolisches Kapital für den weiteren Aufstieg einzusetzen. Die Grafen Hochberg etwa erkannten den Prestige- und Repräsentationscharakter ihrer 1609 angelegten Bibliothek in Fürstenstein ungleich früher als die Schaffgotsch82, und die von Melchior Friedrich von Stosch verfasste „Genealogia Des Hoch-Gräflich- Freyherrlich- und Hoch-Adelichen Geschlechts Derer von Stosch“, die 1736, ein Jahrzehnt nach dem Tod des Verfassers, in zwei Bänden im Druck erschien, übertraf sowohl qualitativ als auch quantitativ die gleichzeitigen Bestrebungen in Hermsdorf83. Dass historische Abhandlungen wie die vorliegende „ihres allgemeinen Nutzens“ wegen Konjunktur hätten, betonte der Verfasser des Vorworts, ein Verwandter von Melchior Friedrich, gleich zu Beginn seiner Ausführungen. Tatsächlich wurde, wie es weiter hieß, mit der Stoschschen „Genealogia“ ein Werk vorgelegt, „desgleichen man in Schlesien noch nicht gedruckt gesehen“84. Einzigartig für die erinnerungskulturellen Bestrebungen der Schaffgotsch dagegen ist, dass diese im 19. und 20. Jahrhundert nahtlos fortgesetzt, systematisiert und mit der Zeit verwissenschaftlicht wurden. Am Historischen Seminar der 1811 in Breslau neugegründeten Universität, aber auch in der Archiv- und Bibliotheksverwaltung der schlesischen Hauptstadt fand man erfahrene und an der Adelsgeschichte interessierte Ansprechpartner85, die wichtige Hinweise für die laufenden Ordnungs- und Erschließungsarbeiten in Hermsdorf und Warmbrunn gaben, gleichzeitig aber auch Kontakte zu Landeshistorikern und Archivaren innerhalb wie außerhalb Schlesiens vermittelten. Die Ergebnisse der Forschungen, die vor allem niederschlesische Historiker in den Schaffgotschschen Samm81  Eiden, Die Piasten (wie Anm. 78) 148–172. Zur politischen Stellung der Piasten im frühneuzeitlichen Schlesien vgl. Joachim Bahlcke, Gegenkräfte. Studien zur politischen Kultur und Gesellschaftsstruktur Ostmitteleuropas in der Frühen Neuzeit (Studien zur Ostmitteleuropaforschung 31, Marburg 2015) 305–329. 82  Karl Johannes Endemann, Die Reichsgräflich von Hochbergsche Majoratsbibliothek in den ersten drei Jahrhunderten ihres Bestehens 1609–1909 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte 11, Breslau 1910, Nachdr. Aalen 1981) 3–33, 42–49, 53–57. 83   Melchior Friedrich von Stosch, Genealogia Des Hoch-Gräflich- Freyherrlich- und Hoch-Adelichen Geschlechts Derer von Stosch/ Zu Ehren und Gedächtniß Aller mit Demselben/ Beydes dem Wappen und Geschlecht nach, Verwandten und Befreundeten, Und zum Nutzen Anderer Hoch-Adelichen Geschlechter [...], Bd. 1: Die Historie Des gantzen Geschlechts Nach dessen Ursprung, Vermehrung, und Zergliederung In Besondere Häuser, Bd. 2: Die zu der Historie gehörigen Geschlechts-Tabellen, Bestehende In Stamm- und Ahnen-Taffeln (Breslau–Leipzig 1736). 84  Ebd. 1 Vorwort (ohne Paginierung). 85   Joachim Bahlcke, Die Geschichtswissenschaft an der Universität Breslau 1811 bis 1945. Fachentwicklung – Personalstand – Forschungsschwerpunkte. Jahrbuch für schlesische Kultur und Geschichte 53/54 (2012/13) 569–588.



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lungen betrieben, gingen immer häufiger in Fachpublikationen ein86. Die personellen Möglichkeiten in Warmbrunn waren gleichwohl begrenzt, zumal der Bibliothekar bis in die 1890er Jahre noch zusätzlich für die Archivpflege und -betreuung zuständig war. Bezeichnend ist eine Stellenanzeige, die 1868 in einer in Breslau erscheinenden landeskundlichen Zeitschrift aufgegeben wurde: „Das Archiv des Grafen Schaffgotsch zu Hermsdorf u./K. enthält so reiches Material zu einer Regestensammlung, daß es längst eine wissenschaftliche Ausbeute verdient hätte, wozu es dem Bibliothekar von Warmbrunn allerdings an Zeit gebricht. Indeß ist es eine Ehrensache der Grafschaft, dafür eine capable Kraft zu gewinnen, welche uns die Regesten resp. Urkunden des bis noch in die neueste Zeit vermehrten, auch bereits übersichtlich geordneten Archives durch den Druck bekannt machte, wenn schon Manches daraus von Graf Stillfried v. A. benutzt worden ist.“87 Als eine solche „capable Kraft“ erwies sich namentlich Heinrich Nentwig, der vor allem Wert darauf legte, die reichen Bestände der Schaffgotschschen Sammlungen der Fachwelt bekannt zu machen. Die beiden Bibliographen über die Schaffgotschiana und die Silesiaca in der Majoratsbibliothek, die er 1899 und 1901/02 veröffentlichte, wurden bereits erwähnt. Um darüber hinaus auch die reichen Bestände des Hermsdorfer Archivs nach und nach zu erschließen, begründete er im Jahr 1896 die Schriftenreihe „Mittheilungen aus dem Reichsgräflich Schaffgotsch’schen Archive“. Bis 1908 gab Nentwig vier, zur Gänze von ihm verfasste Bände heraus88. Der Anspruch seiner Arbeit wurde schon im ersten Band deutlich, der die Wanderbühnen in Schlesien und konkret das Warmbrunner Theater behandelte. Für die Ausarbeitung hatte Nentwig, unterstützt durch den örtlichen Archivar Colmar Grünhagen, auch umfangreiches Aktenmaterial im Königlichen Staatsarchiv zu Breslau herangezogen. Noch gründlicher fiel, wie nicht zuletzt der Anmerkungsapparat belegt, die Abhandlung über die Schaffgotschschen Gotteshäuser und Denkmäler im Riesen- und Isergebirge aus. Der Ausbruch des Weltkriegs brachte die Schriftenreihe dann jedoch, ebenso wie manch anderes Publikationsvorhaben der Familie, nach nicht einmal zwei Jahrzehnten zum Erliegen. 86   Einige Beispiele müssen als Belege genügen. Vgl. [Johann George] Thomas, Hans Ulrich SchaffGotsche (Hirschberg 1829). Bemerkenswert ist ein Quellenanhang, zu dem Thomas angibt, von wem er die Hinweise dazu erhalten habe: „Durch gütige Mittheilung des Hrn. Freiherrn Rudolph Stillfried“. Der schon genannte Stillfried publizierte bereits in jungen Jahren zu seinen Funden in den Schaffgotschschen Sammlungen, die er durch die Tätigkeit seines Vaters kennengelernt hatte. Vgl. ders., Bemerkungen zu des Past. Thomas Nachrichten von dem wüsten Schlosse Falkenstein und dem Schlosse und Dorfe Fischbach in Schlesien. Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staates 2 (1830) 305–311; ders., Einige Bemerkungen zu dem neuesten Aufsatze des Herrn Professor Bandtke in den schlesischen Provinzialblättern. Ebd. 3 (1830) 153–159; ders., Einige Nachrichten von dem Schlosse Neuhof zu Schmiedeberg. Ebd. 172–178; ders., Geschichtliche und genealogische Nachrichten von dem Geschlechte Sulkowski. Ebd. 5 (1831) 97–110; ders., Einige Nachrichten von dem erloschenen Geschlechte Talkenberg und der Burg Talkenstein in Schlesien. Ebd. 6 (1831) 346–356; ders., Etwas über die Rechtschreibung der Familiennamen. Ebd. 10 (1833) 200–208; ders., Von Ulrich dem Aeltern, Schaff-Gotsche genannt, Ritter und Hauptmann der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer. Neues Lausitzisches Magazin 18 (1840) 158–174. Von späteren Benutzern der Sammlungen in Hermsdorf und Warmbrunn vgl. exemplarisch: K[arl] A. Müller, Vaterländische Bilder, in einer Geschichte und Beschreibung der alten Burgfesten und Ritterschlösser Preussens, Th. 1: Die Burgfesten und Ritterschlösser Schlesiens (beider Antheile), so wie der Grafschaft Glatz (Glogau 1837); E[ugen] von Czihak, Schlesische Gläser. Eine Studie über die schlesische Glasindustrie früherer Zeit, nebst einem beschreibenden Katalog der Gläsersammlung des Museums Schlesischer Altertümer zu Breslau (Breslau 1891). 87  Rübezahl. Schlesische Provinzialblätter 72 [N. F. 7] (1868) 174. 88  Heinrich Nentwig, Geschichte des Reichsgräflichen Theaters zu Warmbrunn; ders., Schaffgotsch’sche Gotteshäuser und Denkmäler im Riesen- und Isergebirge; ders., Schoff II. Gotsch genannt. Fundator (c. 1346–1420); ders., Der gräflich Schaffgotsch’sche Orden der Ritter und Damen von der Alten Hacke (Mit­ theilungen aus dem Reichsgräflich Schaffgotsch’schen Archive 1–4, Warmbrunn 1896–1908).

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Dies gilt in besonderer Weise für das monumentale Projekt einer vielbändigen Hausund Familiengeschichte, das an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert unter Friedrich Graf Schaffgotsch, dem letzten Freien Standesherrn der Linie Kynast-Warmbrunn, initiiert wurde. Der unmittelbare Anlass für die verstärkte Hinwendung zur Vergangenheit des eigenen Hauses war freilich kein akademischer, sondern ein juristischer: 1891 war Ludwig Graf Schaffgotsch gestorben, der 1883 geborene Sohn Friedrich, der neue Fideikommissherr, war also beim Tod des Vaters noch minderjährig. Gegen die Entscheidung des Gerichts, die Mutter als Vormund einzusetzen, legte der nächste Fideikommissanwärter, Hans Ulrich Schaffgotsch aus der oberschlesischen Linie der Familie in Koppitz, allerdings Rechtsmittel ein. Um die Vormundschaft entbrannte ein heftiger Konflikt, der 1904, mit der Großjährigkeitserklärung Friedrichs, zwar formal endete, unter anderen Vorzeichen aber noch lange Jahre gerichtlich weitergeführt wurde. Der Streit drehte sich um die Auslegung der Stiftungsurkunde des Fideikommisses von 1738. Im Jahr 1906 kam dann noch eine weitere Auseinandersetzung mit einem anderen Familienmitglied, das ein „Exposé betreffend die Stiftungsurkunde“ vorlegte und neue Ansprüche erhob, auf Graf Friedrich zu. Die Zurückweisung dieser Ansprüche oblag dem gräflichen Kameralamt, das hierzu umfassende Recherchen in den Überlieferungen der Familie in Auftrag gab89. Das im Rahmen der geplanten Haus- und Familiengeschichte zunächst mit Nachdruck an einer Darstellung über den Erhalt der Schaffgotschschen Stammgüter durch Fideikommisse gearbeitet wurde, war insofern kein Zufall. Im Nachwort des in den Grundzügen vor dem Krieg erarbeiteten, dann aber erst 1925 – mithin nach Auflösung aller Familienfideikommisse in Preußen – in erweiterter Form publizierten Teilbandes bekannte der Autor, Johannes Kaufmann, dies in aller Offenheit: „Als die vorliegende Arbeit begonnen wurde, hatte sie außer ihrer chronikalischen Aufgabe auch den Zweck, einige Zweifel zu beheben, welche unter den Kynastischen Fideicommißanwärtern bei Auslegung der Fideicommiß-Stiftung des Reichsgrafen Hans Anton Schaffgotsch vom 19. Oktober 1738 entstanden waren und zu Streitigkeiten geführt hatten. [...] Da schließlich die Fideicommisse seit ihrer staatlich beschlossenen und zum Teil schon ausgeführten Auflösung vielleicht bald der Vergessenheit anheimgefallen sein werden, so möge diese ausführlichere, mit einem erschöpfenden Quellenmaterial ausgestattete Abhandlung künftigen Generationen ein umfassendes Bild jener nachmittelalterlichen Bestrebungen geben, welche der großen Fürsorge der Väter für ihr Geschlecht und den Glanz ihres Hauses und zugleich vielhundertjähriger Erfahrung entsprungen sind.“90 Der aus Sagan gebürtige Johannes Kaufmann, Pfarrer der katholischen Kirche in Kupferberg im Riesengebirge und quasi in Nebentätigkeit Archivar bei den Schaffgotsch in Hermsdorf, war – mit den Worten des Provinzialkonservators der Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien, Günther Grundmann, der den Geistlichen persönlich kannte – „ein außerordentlich historisch versierter Mann“91. Kaufmann entwarf das Gesamtkonzept der Familiengeschichte; unterstützt wurde er dabei von Nentwig und dem gebürtigen Berliner Emil Voigt, der seit 1897 als Registraturbeamter in Schaffgotschschen Diensten 89  Der langjährige Konflikt wird detailliert dargestellt bei Kaufmann, Erhaltung (wie Anm. 47) 139– 147. Zur lokalen Feier der Großjährigkeit 1904 vgl. [Oswald] Baer, Zur Großjährigkeitserklärung des Grafen Schaffgotsch. Der Wanderer im Riesengebirge 24/10 (1904) 49f. 90   Kaufmann, Erhaltung (wie Anm. 47) Nachwort, [895]. 91   Günther Grundmann, Erlebter Jahre Widerschein. Von schönen Häusern, guten Freunden und alten Familien in Schlesien (München 1972) 79.



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stand92. Voigt, dem später die Verwaltung des Archivs übertragen wurde, hatte eigenem Bekunden nach für den „geplanten Druck der Familiengeschichte den Schriftwechsel mit den Bearbeitern der einzelnen Abschnitte zu führen“93. Nur während des Krieges, als Voigt zum Militärdienst eingezogen wurde, übernahm Kaufmann erneut für einige Jahre die Verantwortung für das Archiv. Trotz der sehr kleinen Zahl der in Hermsdorf wirkenden Mitarbeiter ist der Aufwand beachtlich, den man betrieb, um nicht nur das vor Ort liegende Archivmaterial, sondern auch auswärtige Bestände für das eigene Vorhaben zu identifizieren und auszuwerten. Aus der „Freistandesherrlichen Kameral-Amts-Registratur zu Hermsdorf u./K.“ liegt im Staatsarchiv Breslau zum Beispiel ein mehr als 80 Seiten umfassendes Manuskript, das die Ergebnisse einer Forschungsreise in die Prager und Wiener Archive zusammenfasst, die der im Staatsarchiv Breslau tätige Archivar Erich Randt im August 1927 im Auftrag Friedrich Graf Schaffgotschs unternommen hatte94. Neben solchen gezielten Recherchereisen gab es auch Werkaufträge für Archivare vor Ort, die Graf Schaffgotsch finanzierte95. Die Gesamtkonzeption der schaffgotschischen Haus- und Familiengeschichte übertraf selbst vergleichbare Bemühungen regierender Dynastien. Der „Plan des Gesamtwerkes“, der im ersten Band von 1925 abgedruckt wurde, sah drei Abteilungen mit insgesamt 17 Teilbänden und einem Registerband vor: Abteilung Allgemeine Hausgeschichte („Name, Ursprung und Verbreitung der Schoff’schen Uradels-Geschlechter“; „Schaffgotschische Wappengeschichte“; „Beruf, Adelsrang und Titel der Herren und Grafen Schaffgotsche“, „Schaffgotschische Genealogie“), Abteilung Besitzgeschichte („Stammgutsgeschichte der Herren Schoff, Gotschen genannt, bis 1600“; „Schaffgotschische Fideicommißgeschichte“; „Der bauliche Besitz der Grafen Schaffgotsch“; „Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte der Grafen Schaffgotsch“), Abteilung Personengeschichte („Urgeschichte bis zur Teilung der Gotschen im Jahre 1478“, „Von 1478 bis zum Erwerbe der Dynastie Trachenberg 1592“; „Von 1592 bis zum Tode des Freiherrn Hans Ulrich 1635“; „Lebensgeschichte des Freiherrn Hans Ulrich Schaffgotsch“; „Lebensgeschichte des Grafen Christoph Leopold Schaffgotsch“; „Lebensgeschichte des Grafen Hans Anton Schaffgotsch“; „Die Grafen des Böhmischen und Schlesischen Schaffgotschischen Hauses von 1645 bis 1742“; „Der Fürstbischof Philipp Gotthard von Breslau“; „Die Grafen des Böhmischen und Schlesischen Schaffgotschischen Hauses von 1742 bis heute“). Für jeden einzelnen Band der Familiengeschichte war ein umfangreicher Quellenanhang („Diplomatarium“) vorgesehen. Bedenkt man, dass der eine, technisch und künstlerisch durch die Staatliche Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig aufwendig gestaltete Teilband von 1925, dessen Papier das Wasserzeichen des ältesten schaffgotschischen Herrenwappens trägt, insgesamt 896 Seiten umfasst, so erhält man eine ungefähre Vorstellung vom Anspruch, Umfang und Erscheinungsbild des avisierten Gesamtwerkes. Von Historikern und Archivaren wurde die Idee der schaffgotschischen Haus- und Familiengeschichte insgesamt anerkennend aufgenommen. Mit Blick auf den ersten, von 92  Curt Liebich, Emil Voigt †. Sein Wirken für die Herrschaft Schaffgotsch. Ostdeutsche Familienkunde. Zeitschrift für Familiengeschichtsschreibung im deutschen Osten 10–12/3 (1962–1964) 317f.; Nussbicker–Sendek, Adelsarchive in Schlesien (wie Anm. 30) 134–136. 93   Voigt, Verwaltung (wie Anm. 23) 98. 94  APW, AMS, UK, Sign. 857. Zu Randt vgl. Adolf Diestelkamp, Erich Randt zum Gedächtnis. Der Archivar 2 (1949) Sp. 82–88; Karl B. Bruchmann, Erich Randt (1887–1948). Zeitschrift für Ostforschung 6 (1957) 403–411. 95  Voigt, Geschichte (wie Anm. 38) [6/3] 3.

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Abb. 4: Die Verbindungen der „Gräflich Schaffgotsch’schen Archiv- und Bibliotheks-Verwaltung“ nach Breslau waren traditionell eng. Der Direktor des Breslauer Staatsarchivs Konrad Wutke, der 1928 das hier abgebildete Schreiben an Friedrich Graf Schaffgotsch verfasste, hatte ein Jahr zuvor, nach Ende seiner Dienstzeit, die Verwaltung des Hermsdorfer Archivs übernommen (APW, AMS, UK, Sign. 591).

Kaufmann verfassten Teilband, „herausgegeben im Auftrage des erlauchten FamilienRepräsentanten der Kynastischen Linie Herrn Friedrich Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch von Kynast und Greiffenstein zu Bad Warmbrunn durch die Gräfliche Archivleitung“, sah der Breslauer Archivar Wilhelm Dersch in dem Vorhaben „ein Zeugnis stolzen Familiensinnes und wissenschaftlicher Verantwortung“96. Die mit Abstand 96

  Wilhelm Dersch, Vierzig Jahre schlesische Geschichtsforschung. ZVGS 65 (1931) 1–53, hier 53.



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längste Besprechung erschien 1928 in der renommierten Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte von Herbert Meyer, einem zu jener Zeit an der Universität Göttingen wirkenden Juristen und Rechtshistoriker, der selbst lange zu Familienfideikommissen in Deutschland geforscht hatte. Sein Urteil fiel differenziert aus: Zwar wusste er die „überaus lehrreiche, umfassende Publikation“ zu würdigen, doch stellte er ebenso unmissverständlich fest, dass die Nichtheranziehung der neueren Fachliteratur „zu einer isolierten und zum Teil auch unrichtigen Betrachtung gerade der ältesten Fideikommißstiftungen des Hauses Schaffgotsch“ geführt habe. Wie in anderen Rezensionen gab auch Meyer seiner Hoffnung Ausdruck, dass „die weiteren Bände in absehbarer Zeit“ erscheinen würden97. Die Vorarbeiten für diese Bände hatten bereits einen erheblichen Umfang erlangt. Im Staatsarchiv Breslau liegt eine große Zahl teils hand-, teils maschinenschriftlicher Manuskripte zu Einzelaspekten der Schaffgotschschen Haus- und Familiengeschichte; hinzu kommen unzählige Exzerpte und Urkundenabschriften. Längere Ausarbeitungen liegen besonders von Kaufmann – der 1926 starb – und dem ehemaligen Direktor des Breslauer Staatsarchivs Konrad Wutke, der 1927 nach dem Ende seiner Dienstzeit die Verwaltung des Hermsdorfer Archivs übernahm (Abb. 4), vor98. Zumindest zwei umfangreiche Teilbände wurden faktisch abgeschlossen, aber nie publiziert: die von Willy Klawitter verfasste Biographie von Hans Ulrich Schaffgotsch99 sowie die von Emil Voigt erarbeitete „Titelgeschichte des Erlauchten Reichsgräflich Schaffgotschen Hauses“, in deren Vorwort – das auf Juli 1912 datiert ist – der Verfasser ein interessantes Detail zur Erarbeitung gerade dieses Werkes nennt: „Die durch Se. Hochgeboren, den Freien Standesherren auf Kynast, Herrn Friedrich Reichsgraf Schaffgotsch auf Warmbrunn in die Wege geleiteten Arbeiten für eine vollständige Familiengeschichte des gräflichen Hauses, führten zu Erörterungen, die Herrn Kameraldirektor Hertel zu der Erwägung veranlaßten, ob es nicht möglich wäre, aus dem bisher von berufener Hand recht wenig durchforschten Hermsdorfer Archive Material zu beschaffen, auf das Bestrebungen, die Erneuerung der alten Ehren und Würden und deren Anerkennung im Königreiche Preußen zu erlangen, mit Aussicht auf Erfolg gestützt werden könnten.“100 97  ZRG GA 48 (1928) 557–568. Weitere Besprechungen erschienen: HZ 138 (1928) 715f.; Jahresberichte für deutsche Geschichte 1 (1925) 538. 98  APW, AMS, UK, Sign. 637, 654, 693, 722–724, 729, 734, 736f., 742, 747, 752f., 762 (Auswahl). Zutreffend ist das Urteil von Curt Liebich, der die Hermsdorfer Bestände gut kannte und mit Blick auf sein Forschungsthema zu dem Urteil kam, dass „durch die handschriftlichen Sammlungen zum Urkundenbuch des Geschlechtes Schaffgotsch von Pfarrer Kaufmann und zuletzt von Geheimrat Wutke schon alle erdenkliche und schwierige Vorarbeit geleistet worden ist“. Liebich, Werden und Wachsen von Petersdorf (wie Anm. 32) 21. Zu Wutke vgl. Karl G. Bruchmann, Konrad Wutke. Ein Leben im Dienste Schlesiens. Der Archivar 4 (1951) Sp. 88–96. Nur wenige seiner Arbeiten zu den Schaffgotschschen Sammlungen erschienen nach 1927 im Druck. Vgl. Wutke, Schicksal (wie Anm. 27); ders., Das Geburtsdatum des Breslauer Fürstbischofs Philipp Gotthard Schaffgotsch (geb. 3. Juni 1716 zu Jauer). ZVGS 68 (1934) 168–177. 99  APW, AMS, UK, Sign. 726. In einer kürzeren Lebensbeschreibung des 1635 hingerichteten Schaffgotsch schrieb Klawitter am Ende seines Beitrags: „Die Darstellung beruht ganz auf der ausführlichen Lebensbeschreibung des Freiherrn, die ich im Auftrage des Herrn Reichsgrafen Schaffgotsch für die großangelegte Geschichte seines Geschlechtes geschrieben habe.“ Willy Klawitter, Hans Ulrich Freiherr von Schaffgotsch, in: Schlesier des 17. bis 19. Jahrhunderts, hg. von Friedrich Andreae u. a. (Schlesische Lebensbilder 3, Breslau 1928 [Sigmaringen 21985]) 27–36, hier 36. Zur Beauftragung Klawitters durch Friedrich Graf Schaffgotsch vgl. auch Hans-Ludwig Abmeier, Professor Dr. Willy Klawitter (1887–1964). Jahrbuch der Schlesischen FriedrichWilhelms-Universität zu Breslau 29 (1988) 287–299, hier 290f. 100  APW, AMS, UK, Sign. 738, fol. 18r. Der Direktor des Hermsdorfer Kameralamtes, Justizrat Paul

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Im Druck erschienen ist – und zwar bezeichnenderweise außerhalb des familiengeschichtlichen Gesamtwerkes – einzig eine kunstwissenschaftlich-architekturgeschichtliche Arbeit des bereits genannten Günther Grundmann über die schlesischen Architekten im Dienst der Herrschaft Schaffgotsch und der Propstei Warmbrunn. Die finanziell vom Haus Schaffgotsch geförderte Studie sollte ursprünglich, wie der Autor in seinem Vorwort mitteilte, „in den Plan der Schaffgotschen Hausgeschichte“ einbezogen werden101. Da sich deren Herausgabe aber immer weiter verzögerte, erschien die Friedrich Graf Schaffgotsch zugeeignete Monographie 1930 separat als „Veröffentlichung aus dem Graf Schaffgotschen Archiv“. Es war den politischen Rahmenbedingungen, aber auch den ökonomischen Engpässen des Hauses Schaffgotsch nach dem Ersten Weltkrieg geschuldet, dass die Fortführung des ambitionierten Projektes mit den Jahren ins Wanken geriet und schließlich ganz scheiterte. Emil Voigt hatte seiner 1912 abgeschlossenen „Titelgeschichte“ 1925 ein zweites Vorwort vorangestellt, in dem er auf die Folgen „der völligen Umwälzung der politischen Verhältnisse und der infolgedessen erfolgten Abdankung aller deutschen Herrschergeschlechter“ für den Plan einer Familiengeschichte der Schaffgotsch einging102. Immer häufiger wurden auch die „mißlichen Wirtschaftsverhältnisse“ als Grund für die schleppende Fortführung der Arbeiten genannt103. Am 30. November 1927 hatte Wutke noch in einem Antwortschreiben an den Hirschberger Landrat Schmeißer voller Tatendrang mitgeteilt, dass er „tagtäglich im Interesse der Reichsgräfl. Schaffgotsch’schen Hausund Familiengeschichte im hiesigen [Breslauer] Staatsarchiv“ arbeite; ein Jahrzehnt später, am 14. Januar 1937, teilte er auf eine Anfrage der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen mit, dass seit 1925 keine weiteren Bände der Schaffgotschschen Familiengeschichte erschienen seien: „Die wirtschaftlichen Verhältnisse lassen die Fortsetzung der Arbeit nicht zu, sodaß mit dem Erscheinen weiterer Bände der Hausgeschichte vorerst nicht zu rechnen ist.“104

Hertel, hatte bereits den Vormundschaftsstreit für die Kynast-Warmbrunner Linie mit Erfolg geführt. Vgl. Kaufmann, Erhaltung (wie Anm. 47) 145. Zur Entstehungsgeschichte der „Titelgeschichte“ und deren Konzeption vgl. Michał J. Witkowski, Niepublikowane studium Emila Voigta o rodzie Schaffgotschów w zbiorach Archiwum Państwowego we Wrocławiu [Die unveröffentlichte Materialsammlung Emil Voigts über die Familie Schaffgotsch in den Beständen des Staatsarchivs Breslau], in: Materiały do dziejów Rudy Śląskiej [Materialien zur Geschichte von Ruda Śląska], hg. von Piotr Greiner–Michał Lubina (Ruda Śląska 2007) 42–53. 101  Grundmann, Schlesische Architekten (wie Anm. 28) 2. Grundmann bedankte sich nicht nur bei Graf Schaffgotsch für die finanzielle Förderung, sondern auch bei Konrad Wutke, „dem derzeitigen Verwalter des Graf Schaffgotschen Archivs in Hermsdorf und der Graf Schaffgotschen Bibliothek in Warmbrunn“, sowie bei Emil Voigt, der ihm „seine Aktennotizen über den Hermsdorfer Schlossbau und die gräflichen Baubeamten“ zur Verfügung gestellt habe (3). Auf seine Arbeiten in Hermsdorf und Warmbrunn ging Grundmann später auch in seiner Autobiographie – ders., Widerschein (wie Anm. 91) – mehrfach ein. 102  APW, AMS, UK, Sign. 738, fol. 21r. 103  Nave, Sammlungen (wie Anm. 43) 57. 104  APW, AMS, UK, Sign. 591.

Abbildungsverzeichnis

Beitrag Petr Maťa Abb. 1: Jaroslav Bořita von Martinitz (1583–1649) bald nach seiner Rückkehr von der Kavalierstour; Burg Clam, Privatsammlung (Foto: Petr Maťa). Abb. 2: Die martinitzsch-lobkowitzsche Kapelle im Prager Veitsdom: Blick auf die östliche Wand, an der Jaroslav Bořita von Martinitz den privilegierten Altar errichten ließ (Zustand nach der Regotisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) (Foto: Jindřich Eckert (1833–1905); Archiv hlavního města Prahy, Sbírka fotografií, XII 245). Abb. 3: Der wohl um 1628 errichtete privilegierte Altar der Hl. Andreas und Laurentius, ursprünglich in der martinitzschen Kapelle im Veitsdom, heute in der Dreifaltigkeitskirche des ehemaligen Franziskanerklosters in Slaný. Foto aus: Ferdinand Velc, Soupis památek historických a uměleckých v politickém okresu slanském [Verzeichnis der historischen und Kunstdenkmäler im politischen Bezirk Schlan] (Soupis památek historických a uměleckých v Království českém od pravěku do počátku XIX. století 20, Praha 1904) 253. Abb. 4: Das wahrscheinliche Retabel des kurz nach 1600 in der martinitzschen Kapelle errichteten privilegierten Altars des Hl. Andreas. Slaný, Vlastivědné muzeum ve Slaném (Foto: Petr Maťa). Abb. 5: Die Pressburger Pietà. Holzschnitt aus Michael Kopcsányis Werbeschrift Narratio rei admirabilis ad Posonium gestae [...] (Posonii 1643). Abb. 6: Die Darstellung des angeblichen Handabdrucks der Armen Seele des Pressburger Bürgers Hans Clement. Holzschnitt aus Michael Kopcsányis Werbeschrift Narratio rei admirabilis ad Posonium gestae [...] (Posonii 1643). Abb. 7: Die Pressburger Pietà aus der martinitzschen Familienkapelle im Prager Veitsdom (mit übermalten Attributen). Slaný, Vlastivědné muzeum ve Slaném (Foto: Martin Mádl [Ústav dějin umění, AV ČR, Praha]). Abb. 8: Jaroslav Bořita von Martinitz auf dem Sterbebett; Slaný, Vlastivědné muzeum ve Slaném (Foto: Martin Mádl [Ústav dějin umění, AV ČR, Praha]). Abb. 9: Das Quälen der Seelen an fünf Sinnen und ihre Erlösung aus dem Fegefeuer durch die Messopfer Gregors des Großen; Slaný, Vlastivědné muzeum ve Slaném (Foto: Martin Mádl [Ústav dějin umění, AV ČR, Praha]). Beitrag Martin Scheutz Abb. 1: Das dem Grundherrn Johann Joachim Enzmillner, Graf von und zu Windhaag, unterstehende Dorf Münzbach in der Darstellung der „Topographia Windhagiana“

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Abbildungsverzeichnis

mit dem am Rand des Dorfes befindlichen Barbaraspital (Ausschnitt in Vergrößerung) [Foto: Topographia Windhagiana […] (Frankfurt/Main 1656) 8]. Abb. 2: Das kreuzförmig angelegte Herrschaftsspital bzw. die kuefsteinische Gruftkirche Röhrenbach (Foto: Martin Scheutz, Dezember 2015). Abb. 3: Das Herrschaftsspital Döllersheim und die Peter und Paul geweihte spätmittelalterliche Pfarrkirche, heute „Friedenskirche Döllersheim“, im Zustand von 1909 (Foto: Paul Buberl, Bildarchiv der ÖNB, Inventarnr. 101.011 B). Abb. 4: Das zerstörte Herrschaftsspital Döllersheim im Zustand des Jahres 1958 (Truppenübungsplatz) (Foto: Bildarchiv der ÖNB, Inventarnr. 275.240 C). Abb. 5: Das Herrschaftsspital von Weitersfeld um das Jahr 1910 bei Moritz Hoernes–Johann Krahuletz (Bearb.), Die Denkmale der Gerichtsbezirke Eggenburg und Geras (ÖKT 5, Wien 1911) 256. Abb. 6: Das Herrschaftsspital Kirchberg am Walde im heutigen Zustand (Foto: Martin Scheutz, Dezember 2015). Abb. 7: Grundriss des kreuzförmigen Herrschaftsspitals von Kirchberg am Walde; aus Zinsler, Bürgerspitalsgebäude 141 (Entwurf/Ausführung Erich Zinsler, Horn). Abb. 8: Grundriss des kreuzförmigen Herrschaftsspitals von Döllersheim (Bundesdenkmalamt, Planarchiv). Abb. 9: Schönbornische Gruft- und Spitalskapelle von Johann Lucas von Hildebrandt in Göllersdorf im Grundriss, Kupferstich von Johann Balthasar Gutwein, um 1740 (Foto: Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien). Abb. 10: Das ab 1725 errichtete Gruftkirchenensemble Göllersdorf (Loretokapelle, Gruftkirche, Herrschaftsspital), errichtet von Johann Lucas von Hildebrandt (Foto: Martin Scheutz, Dezember 2015). Beitrag Friedrich Polleroß Abb. 1: Schönborn-Wappen an der Westfassade der Pfarrkirche von Johann Lucas von Hildebrandt, 1741; Göllersdorf (Repro: Josef Neumayer, Pfarrkirche zum Hl. Martin in Göllersdorf – Niederösterreich, Salzburg 2005, Titelbild). Abb. 2: Entwurf für die Turmfassade einer lambergischen Patronatskirche (?), unbekannter Architekt, um 1730; NÖLA, Lamberg-Archiv, Kt. 54 (Foto: Friedrich Polleroß). Abb. 3: Herrschaftsoratorium mit Stifterepitaph, 2. Viertel 18. Jh.; Franzen, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß). Abb. 4: Chorfassade mit Herrschaftsoratorien, Joseph Emanuel Fischer von Erlach, um 1735; Großweikersdorf, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß). Abb. 5: Karl Josef Graf Hrzan von Harras als Stifter der Kirche der Barmherzigen Brüder in Brünn, Ölgemälde eines unbekannten Malers, um 1775; Brno, Konvent der Barmherzigen Brüder, Kapitelsaal (Foto: Muzeum umění Olomouc). Abb. 6a, 6b: Stifterporträts des Grafen Franz Anton Berka von Duba und seiner Schwester Gräfin Franziska Beatrix Rosalia Kinsky, Marmorbüsten von Jan Blommendael (?), um 1700; Jablonné v Podještědí, ehemalige Dominikanerkirche (Fotos: Michael Imhof ). Abb. 7: Franz Anton Graf von Rottal als Bau- und Patronatsherr, Grabmalskulptur von Gottfried Fritsch, 1747/48, Holešov, Schwarze Kapelle der Pfarrkirche­[Repro: Ivo Krsek, u. a., Umění baroka na Moravě a ve Slezsku (Praha 1996) Abb. 148].

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Abb. 8: Schönbornische Gruft- und Spitalskapelle von Johann Lucas von Hildebrandt in Göllersdorf, Kupferstich von Johann Balthasar Gutwein, um 1740; Wien, Stadt- und Landesbibliothek, (Foto: Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien). Abb. 9: Epitaph für Anna Theresia Gräfin von Althann von Johann Franz Pernegger, 1689/90; Murstetten, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß). Abb. 10: Epitaph für Joseph Karl Adam Graf von Lamberg von Johann Wolfgang Frölicher, 1691/92; Mainz, Dom (Foto: Friedrich Polleroß). Abb. 11: Johann Baptist Verda von Verdenberg in Verehrung des Hl. Johannes Baptist, Hochaltarbild von Friedrich Stoll, 1636; Náměšť nad Oslavou, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß). Abb. 12: Gartenpalais Harrach mit Januariuskapelle, Kupferstich von Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, um 1737 (Foto: Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien). Abb. 13: Portiuncula-Kapelle beim Schloss Windhag, Kupferstich von Clemens Beuttler in der „Topographia Windhagiana aucta“, 1654/1673; Wien, Universitätsbibliothek (Foto: Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien). Abb. 14: Kanzel mit Wappen der Fürsten von Liechtenstein, frühes 18. Jahrhundert; Valtice, Pfarrkirche. Abb. 15: Kasel mit Allianzwappen Lamberg und Waldburg-Zeil, um 1710–1720; Rastenfeld, Pfarrkirche (Foto: Friedrich Polleroß). Beitrag Joachim Bahlcke Abb. 1: Exlibris der Schaffgotschschen Bibliothek in Hermsdorf aus dem 18. Jahrhundert, das den Namen des Stifters, des schlesischen Oberamtsdirektors Johann Anton Graf Schaffgotsch (1675–1742), trägt (Projektbereich Schlesische Geschichte an der Universität Stuttgart). Abb. 2: Innenaufnahme der Anfang der 1830er Jahre in die ehemaligen Räume der Warmbrunner Propstei überführten Majoratsbibliothek der Schaffgotsch vom Anfang des 20. Jahrhunderts (Firszt, Nieszczęsne losy 206). Abb. 3: Die 1715 von dem Schweidnitzer Juristen und Literaturhistoriker Theodor Krause (Crusius) vorgelegten „Miscellanea Gentis Schaffgotschianae“ waren ein letzter panegyrischer Hymnus auf die Verdienste des Hauses Schaffgotsch. (Theodor Krausen, Miscellanea Gentis Schaffgotschianae, Oder Historisch-Genealogischer Bericht/ Von dem Uralten Geschlechte Derer Herren von Schaff-Gotschen/ Aus unterschiedlichen so wohl gedruckten als ungedruckten Nachrichten zusammen getragen [Striegau 1715]. Stiftung Kulturwerk Schlesien, Würzburg, Sign. ST 630 S 296 K 91). Abb. 4: Die Verbindungen der „Gräflich Schaffgotsch’schen Archiv- und Bibliotheks-Verwaltung“ nach Breslau waren traditionell eng. Der Direktor des Breslauer Staatsarchivs Konrad Wutke, der 1928 das hier abgebildete Schreiben an Friedrich Graf Schaffgotsch verfasste, hatte ein Jahr zuvor, nach Ende seiner Dienstzeit, die Verwaltung des Hermsdorfer Archivs übernommen (APW, AMS, UK, Sign. 591).

Verzeichnis der Adressen von Autorinnen und Autoren Joachim Bahlcke, Universität Stuttgart, Historisches Institut, Lehrstul Geschichte der Frühen Neuzeit, Keplerstr. 17, D-70174 Stuttgart; [email protected] Alessandro Catalano, Dipartimento di Studi Linguistici e Letterari, Università degli Studi di Padova, Via Beldomandi 1, I-35137 Padova; [email protected] Marie-Elizabeth Ducreux, Directrice de recherche au CNRS, Centre de Recherches Historiques, EHESS, 190 avenue de France, F-75013 Paris; [email protected] István Fazekas, ELTE BTK Középkori és Kora Újkori Magyar Történeti Tanszék, Múzeum krt. 6-8. I. em. 128, H-1088 Budapest; [email protected] András Forgó, Lehrstuhl für Neuere Geschichte, Universität Pécs, Rókus utca 2, H-7624 Pécs; [email protected] Elisabeth Garms-Cornides, A-1030 Wien, Neulinggasse 26/3; [email protected] William D. Godsey, Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Strohgasse 45/4, A-1030 Wien; william.godsey@oeaw. ac.at Josef Hrdlička, Historisches Institut, Philosophische Fakultät, Südböhmische Universität Budweis, Branišovská 31a, CZ-37705 České Budějovice; [email protected] Katrin Keller, Institut für Österreichische Geschichtsforschung/Institut für Geschichte der Universität Wien, Universitätsring 1, A-1010 Wien; [email protected] Olga Khavanova, Institut für Slawischen Studien der RAdW, 119991, Russische Föderation, Moskau, Leninskij prospekt, 32a, [email protected] Petr Maťa, Institut für Österreichische Geschichtsforschung/Institut für Geschichte der Universität Wien, Universitätsring 1, A-1010 Wien; [email protected] Géza Pálffy, Ungarische Akademie der Wissenschaften, Forschungszentrum für Humanwissenschaft, Institut für Geschichte, Úri utca 53, H-1014 Budapest; Palffy.Geza@btk. mta.hu

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Verzeichnis der Adressen von Autorinnen und Autoren

Friedrich Polleroß, Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien, Universitätscampus Hof 9, Spitalgasse 2, A-1090 Wien; [email protected] Martin Scheutz, Institut für Österreichische Geschichtsforschung/Institut für Geschichte der Universität Wien, Universitätsring 1, A-1010 Wien; [email protected] Arno Strohmeyer, Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg, Rudolfskai 42, A-5020 Salzburg; [email protected] Pia Wallnig, Allgemeines Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv, Nottendorfer Gasse 2, A-1030 Wien; [email protected] Thomas Wallnig, Institut für Geschichte der Universität Wien/Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Universitätsring 1, A-1010 Wien; [email protected]



Personenregister Abensberg-Traun, Johann Wilhelm von 193, 205 Agosti, Giovanni Battista 64 Aichen, Joseph von 325, 331, 334, 336 Aicholt, Franz Josef von 205 - Johann Anton von 205 Aigen, Johann Franz 263 - Karl Josef 263, 265 Alaghy von Bekény, György (Georg) 46, 49 - Ferenc (Franz) 49–52 - Fruzsina, geb. Wárday 46, 49 - Melchior 89, 98 - Menyhért (Meinhard) 50, 54, 56 Albani, Alessandro 197 Allio, Donato Felice d’ 245 Althann (Familie) 191, 217, 253, 289, 294f., 300f., 303 - Anna Theresia von, geb. Lamberg 257–259 - Gundaker von 248, 300 - Johann Christoph von 259 - Maria Anna von, geb. Pignatelli 18, 289–296, 298–303 - Michael Anton von 294 - Michael Friedrich von 192, 205, 265, 300 - Michael Johann III. von 289–294, 296, 299, 302 - Michael Karl von 208 - Quintin Leo von 248 Altomonte, Martino 264 Alvinczy, Péter 50 Anastagi, Paolo SJ 123 Andreas, Dechant von Ungarisch Brod 28 Ans, Bernhard Gottlieb 318 Apponyi, Pál (Paul) 98 Aquilinas, Pavel 28 Arnstein (Familie) 328f. - Emmanuel Baptist 329 - Fanny, geb. Itzig 328f., 334f. - Nathan Adam 328f., 335 Arzoni, Costanto OBarn 131 Aspremont, Karl von 312 Athanasius a Sant’Andrea, CMI 57 Attems (Familie) 205 - Kaspar von 202 Ávila, Teresa de 57 Balassa (Familie) 89 Balbín, Bohuslav 66

Baldissero, Martino di 292 Banér, Johan 161 Bánffy, Dénes (Dionysius) 311 - György (Georg) 311 - Kristóf (Christoph) 87, 98f. Bárány, György (Georg) 282 Baranyi, Samuel 314f. Barbo von Waxenstein, Ernst Theophil 203 - Wolf Eberhard 203 Barkóczy von Szala, Ferenc (Franz) 281f., 285 - Ferenc (Franz) 52 - Imre (Emmerich) 281 Basilius von Aire OFMCap 127 Bassevi, Jakob 159 Báthory (Familie) 44, 58 Báthory von Ecsed, András (Andreas) 45 - György (Georg) 58 - István (Stefan) 44, 47f., 51 - Miklós (Nikolaus) 44, 58 Báthory von Somlyó, István (Stefan) 44, 58f. Batthyány (Familie) 303 - Balthasar (?) 205 - Ferenc (Franz) 89f., 92–94, 97f. - Eleonore, geb. Strattmann 289, 302f. Bay, István (Stefan) 51 - Mihály (Michael) 51 Beck (Familie) 159 Beckovský, Jan 66 Bedegh (Familie) 50 Beduzzi, Antonio 248, 265 Bekes, Gáspár (Kaspar) 46 Belwitz von Nostwitz (Belvic z Nostvic), Mikuláš Kašpar 156 Berka von Duba (Familie) 34f., 241 - Franz Anton 191, 204, 253f. Bessel, Gottfried OSB 289–291, 296–301, 303 - Johann Franz 300 Bethlen, Gábor (Gabriel) 14, 55, 58, 86–96, 97–100, 103–107 Bieberstein, Karl von 160 Billichgrätz, Franz Adam von 208 Bocskai, István (Stefan) 44, 53, 58, 87, 89f., 97, 102, 283 Bonaventura di Mauro 196 Bonnyers, Marc de 129 Bořita von Martinitz (Familie) s. Martinitz Bornemissza, István (Stefan) 95

372 Personenregister Boskowitz, Johann von 29 Bosnyák (Familie) 89 - Tamás (Thomas) 97 Breßler und Aschenburg, Ferdinand Ludwig von 357f. Breuner (Familie) 209 - Ferdinand Ernst von 202 - Franz Albrecht von 202 - Joseph von 334 - Philipp Friedrich von 126, 130, 135 Brisigell, Johann Albrecht Dominik von 205 Broggio, Giulio 162 Brtnický von Waldstein, Heinrich 33 - Hynek 33 - Wenzel 33 - Zuzana, geb. Lomnitz 33 Bubna (Warlich von Bubna), Wilhelm 208 Bubna und Lititz, Anton Ignaz 205 - Innozenz Ferdinand 204, 191 - Jarolav Kunata 204, 191 Bucellini von Reichenberg, Julius Friedrich 263 Burg, Johann Friedrich 354 Büsching, Johann Gustav 351 Bylina, Johann 128 Byss, Johann Rudolf 233, 256 Caetani (Familie) 191 Caetano, Ruggiero 191f. Calasanz, José PS 136 Caraffa, Carlo 104 Carlone, Carlo Innocenzo 245 Cavriani, Franz Joseph von 205 Černohorský von Boskowitz, Albrecht 27f. - Johann Šembera 29 Chytraeus (Chytreus), Matthias 33 Cienfuegos, Juan Alvaro 194 Clement, Hans 124, 129, 134 Colin, Alexander 252 Collalto, Antonio Rambaldo 265 - Rambaldo 247 Colloredo (Familie) 205 - Hieronymus 209 Colombi, Antonio Francesco 64 Colonna von Völs (Fels), Leonhard 75f., 82f. - Georg Bernhard 202 - Gustav 202 Csáky, Anna, geb. Wesselényi 55 - István (Stefan) 55 - Miklós (Nikolaus) 316 Csapy von Eszeny (Familie) 50 - Kristóf (Christoph) 47 Czernin von Chudenitz (Familie) 240f. - Franz Josef 294f. - Hermann 158, 179, 342 - Humprecht Johann 190, 202 - Isabella Maria, geb. Merode-Westerloo 294 - Wenzel 295

Cziráky (Familie) 99 Czobor (Familie) 89, 205 - Imre (Emmerich) 97 - Klára, geb. Melith 49 - Mihály (Michael) 58 Dačický, Mikuláš 65 Damjanovich, Vazul 308 Dänemark, Christian IV. von 175 Daróczy, Ferenc (Franz) 51, 54 Daun (Familie) 205 - Wirich Philipp von 245 - Wilhelm Johann Anton von 202 Daysinger, Johann Leopold 264 Delpini, Martin 314 Delsenbach, Johann Adam 255 Dersch, Wilhelm 362 Diesing, Johann Florian 316f. Dietmayr, Berthold OSB 297f. Dietrichstein (Familie) 195, 240, 253 - Beatrix Regina von, geb. Orsini-Rosenberg 195f. - Ferdinand Gundaker von (?) 195, 205 - Franz de Paula von 209 - Franz von 73f., 115 - Johann Karl von 209 - Johann Leopold von 246, 250 - Leopold Maria von 195, 208 - Philipp Sigmund von 191f., 204 - Sophie Agnes von, geb. Mansfeld 191f., 198, 204 Digby, Simon 92 Dinzl von Angerburg, Anton Christoph 205 Doblhoff, Emmanuel von 331, 333 Dobó, István (Stefan) 46 Dóczy, András (Andreas) 55, 89 Dollinger von Grünau, Georg Achaz 205 Drágfi, Anna, geb. Báthory von Somlyó 53 - Gáspár (Kaspar) 53 Draskovich (Drašković) (Familie) 88, 240 - Mátyás (Matthias) 51 Draweczky (Familie) 317f. - László (Ladislaus) 317f. Drescher, Georg 358 Dubský von Třebomyslice, Johann 38f. - Wilhelm 37f. Duellius, Raimund CRSA 354 Duval de Dampierre, Henri 103 Dziatzko, Karl 352 Echter von Mespelbrunn, Julius 216 Ecker, Lukas d.J. 102 Ehrmanns, Johann Philipp von 248 Enckevoirt, Johann Ferdinand von 224 - Wenzel Adrian von 245–246 Engl von Wagrain, Karl Franz 208

Personenregister 373 Enzmillner von Windhaag, Eva Magdalena 222 - Johann Joachim 221, 250, 269 - Maria Magdalena, geb. Kirchstetter 222 Erdődy (Familie) 88, 205 - Gábor Antal (Gabriel Anton) 280, 285 - Johann Nepomuk (?) 209 - Tamás (Thomas) 88, 93f. Eskeles, Bernhard 329 Este s. Modena Esterházy (Familie) 16, 89, 219f., 237, 240 - Joseph 205 - Károly (Karl) 282 - Krisztina (Christine), geb. Nyáry, verw. Thurzó 50, 52, 61 - Maria Anna, geb. Lunatti-Visconti 183 - Miklós (Nikolaus) 306 - Miklós (Nikolaus) 50, 52, 54, 87, 91–94, 96–100 - Pál (Paul) Anton 183, 197, 219 - Pál (Paul) 105, 219, 236f., 240 Fabricius von Rosenfeld und Hohenfall, Philipp 159f. Faust, Márton (Martin) OCist 276 Ferrari d’Occhieppo, Karl 205 Ferus-Plachý, Georg 129f. Festetics, György (Georg) 303 - Pál (Paul) 313 Ficino, Marsilio 48 Firmian, Leopold Ernst von 197 Fischer von Erlach, Joseph Emanuel 245f., 249, 264, 294, 299 Fließenbach, Václav (Wenzel) von 155 Florio, Cesare 64, 77, 82 Folch de Cardona, Antonio 293 Forgách (Familie) 89 - Mihály (Michael) 48 - Miklós (Nikolaus) 97 - Zsigmond (Sigismund) 87f., 90, 93 Francken, Christian 48 Frangepan (Familie) 88 - Miklós (Nikolaus) 88, 96 Frankenberg, Johann Wolfgang von 204 Freisleben von Bischoffen, Daniel 159f. - Katharina, geb. Glauchau 159 Fritsch, Gottfried 253, 255 Fritsch, Thomas 357 Frölicher, Johann Wolfgang 260 Fürstenberg, Ludmila von 136 Furttenbach, Joseph 233 Gallas (Familie) 208 - Johann Wenzel von (?) 205 Galler, Karl Ernst von 205 Gallo, Cesare 158 Gämel, Joseph 220 Gans, Johannes SJ 126

Garelli, Pio Niccolò 289f., 303 Garnier, Leopold Heinrich von 204 Gaschin von Rosenberg, Franz Karl 205 - Johann Joseph 205 Gentilotti von Engelsbrunn, Johann Benedikt 298f. Ghezzi, Pier Leone 187 Giustinian, Giorgio 64, 73 Gladich, Hieronymus SJ 15, 134–138, 140, 143 Glauchau, Hans Matthias von 159 Goëss, Johann Peter von 191, 193, 204 Gonzaga di Castiglione delle Stiviere (Familie) 136 - Luigi 136 Greiffenklau zu Vollrads, Alexander von 15f., 165–181 - Anna Katharina von, geb. Truchsess von Rheinfelden 165 - Georg Friedrich von 165 - Johann von 165 - Richard von 165 Grimm, Franz Anton 246, 250 Groß, Konrad 212 Grünhagen, Colmar 359 Grüson, Johann David 351 Gryphius, Christian 356 Gudenus, Jakob Christoph von 205 - Philipp Friedrich von 205 Guérin de Tencin, Pierre-Paul 183 Habsburger/Haus Habsburg 53, 67, 70–72, 78, 81, 87, 92, 94, 102, 109, 147, 150, 164f., 171, 176– 178, 180, 239, 242, 249, 286, 306f., 309, 340 - Anna, Kaiserin, geb. Habsburg-Tirol 70 - Anna, Königin von Ungarn und Böhmen 214, 216, 236 - Eleonora Gonzaga, Kaiserin 14, 85, 101, 103f., 106 - Eleonore Magdalena, Kaiserin, geb. Pfalz Neuburg 85, 105, 195, 305 - Elisabeth Christine, Kaiserin, geb. Braunschweig-Wolfenbüttel 291 - Ferdinand I., Kaiser 16, 23, 27, 45, 214–216, 236, 238 - Ferdinand II., Kaiser 14f., 70, 83, 86–88, 90–95, 99, 101–104, 106f., 114, 146, 153f., 157–161, 164, 241, 246 - Ferdinand III., Kaiser 105, 126, 135, 146, 153, 159, 161, 167–173, 175–181, 240 - Ferdinand IV., König 85 - Franz I. Stefan, Kaiser 200 - Franz II., Kaiser 328, 331, 336 - Friedrich III., Kaiser 213 - Johann, Erzherzog 332 - Joseph I., Kaiser 193, 248, 275, 289, 292, 357 - Joseph II., Kaiser 279, 284, 322, 324, 326f., 329, 334 - Karl II., König von Spanien 192 - Karl VI., Kaiser 85, 195, 248, 282–284, 286, 289–296, 300, 302f., 350

374 Personenregister - Karoline Charlotte Auguste, Kaiserin, geb. Bayern 319 - Leopold I., Kaiser 153, 190, 241, 248, 263, 284, 324 - Leopold II., Kaiser 325 - Leopold Wilhelm, Erzherzog 241 - Maria Theresia, Kaiserin 266, 277, 284, 305, 310, 312–316, 318, 324f., 331, 333 - Matthias, Kaiser 14, 46, 64, 68–75, 77–80, 82f., 85, 87, 241, 283 - Maximilian, Erzherzog 45 - Maximilian I., Kaiser 213f. - Maximilian II., Kaiser 27, 36 - Otto IV., Herzog 213 - Philipp II., König von Spanien 246 - Rudolf II., Kaiser 39, 68f., 73, 111, 113, 283 Hackher, Ferdinand von 331 Hager von Allentsteig, Maria Beata Franziska, geb. Katzianer 271 - Otto Sigismund 271 Haliaeus Žďárský, Šimon 34 Hallweil (Familie) 205, 241 - Franz Anton von 204 Hardegg (Familie) 209 - Christoph von 32 - Johann Friedrich von 32f. Harrach (Familie) 241, 264–266 - Aloys Thomas Raimund von 195, 197, 264f. - Ernst Adalbert von 123f., 126–130, 138 - Ernst Guido von 197–199, 209 - Ferdinand Bonaventura von 271 - Ferdinand Bonaventura von 195, 197, 209 - Franz Anton von 265 - Johann Ernst von 195, 197, 209 - Johanna Theresia von, geb. Lamberg 271 - Karl von 240 - Maria Rosa von, geb. Harrach 197–199 Harsch, Ernst Amadeus von (?) 205 Hartig (Familie) 151f. - Franz von 205 - Ludwig von 205 Hatos, Valentin 101 Hatzfeld (Familie) 346 - Melchior von 342 Heräus, Karl Gustav 299f. Herberstein (Familie) 197, 205, 241 - Franz Albrecht von 202 - Karl Johann von (?) 209 - Maximilian Sigmund von 204 Hering, Johann Georg 119 Hermann, Friedrich 100 Herrgott, Marquard OSB 301 Herz, Salomon 329 Hessen, Philipp I. von 216 Hessen-Darmstadt, Joseph Ignaz Philipp von 197 Heussenstein (Familie) 241 - Franz Maximilian von 202

Hildebrandt, Johann Lucas von 230, 232, 242–244, 253, 256 Hirt, Ferdinand 351 Hoch, Hans 187–190 Hochberg (Familie) 358 Hochburg, Johann Joseph von 205 Hodějovský von Hodějov, Přech 38 Hoffman, Georg d.J. 97 Hofkirchen (Familie) 205 Hohendorff, Georg Wilhelm von 298 Hohenfeld (Familie) 192, 204 Hohenlohe, Georg Friedrich von 75f., 82f. Holstein (Familie) 299 Homonnai Drugeth (Familie) 58 - György (Georg) 54, 57f., 88, 96, 99f., 102 - János (Johann) 52, 99f. Hönig von Hönigsberg, Israel 326–328, 330 - Moses 326 Hönigstein, Joseph von 330 Hormayr, Joseph von 332 Horváth, Gáspár (Kaspar) 88, 90, 98 Hoyos, Johann Balthasar von 250 - Leopold Karl von 241 - Philipp Joseph Innozenz von 250, 264 Hrzan von Harras, Karl Josef 250 Hýzrle (Familie) 159 Ibrahim, Sultan 169, 172, 176, 178f. Illesházy (Familie) 303 Ingelheim, Anselm Franz von 260 Inzaghi (Familie) 205 Istvánffy, Miklós (Nikolaus) 48 Ivanovich (von Cattaro?), Jonathan Johannes Joachim von 206 Jabornegg von Gamsenegg, Maximilian Philipp 206 Janinall, Franz von 206 Jičínský, Benedikt 28 Jöchlinger von Jochenstein, Johann Joseph Ignaz 206 - Joseph Anton von 206 Jöchlinger von Pfannberg, Georg Seyfried 202 - Johann Karl 202 Jörger von Tollet, Hilleprant 222 - Johann Joseph 204 Juhász, Péter Melius 53 Juritsch, Adam Seyfried von 206 Kaiserstein, Clemens Ferdinand von 204 - Rudolf Christian von 206 Káldy, Ferenc (Franz) 99, 101 Kállay, János (Johann) 54 Kamenický, Jakob 33f. Károlyi (Familie) 49f., 89 - Ádám 52 - Anna, geb. Segnyey 51, 55 - Antal (Anton) 282, 309, 317

Personenregister 375 - Ferenc (Franz) 17, 281, 285 - Gáspár (Kaspar) 50 - Mihály (Michael) 51f., 55, 57 Káthay, Mihály (Michael) 48, 57 Kaufmann, Johannes 360f., 363 Kaunitz, Maximilian Ulrich von 206 - Wenzel Anton von 306 Kavka von Říčany, Zdeněk 29f. Kees, Ignaz von 330f. Keglevics (Keglević) (Familie) 88 Keuffel von Ulberg, Anton 264 - Franz Joseph 264 Khevenhüller, Franz Christoph von 343 - Franz Ferdinand Anton von 206 - Georg Augustin von 190, 202 - Johann Franz Anton von 209 - Johann Leopold von 209 - Paul Christoph von 190, 202 Khlesl, Melchior 66, 69, 71f., 74, 77, 80 Khuen von Belasy, Johann Eusebius 74 Kinsky (Wchynsky, Vchynský) (Familie) 206 - Franz Ferdinand von 295 - Franziska Beatrix Rosalia von, geb. Berka von Duba 253–255 - Wenzel von 65, 80 Kirchner, Gregor Wilhelm von 266 Kocker, Andreas 138 Koháry (Familie) 89, 99 Köhler, Johann David 300 Kokořowetz von Kokořowa (Familie) 206 Kollonitsch (Familie) 224, 265 - Johann Ferdinand von 206 - Johann Heinrich von 206 - Seyfried von 206 - Sigmund von 206 Kolowrat (Familie) 206 Kolowrat-Krakowsky, Leopold von 318 Kolowrat-Liebsteinsky (Familie) 114 - Franz Wilhelm von 204 - Heinrich von 115, 158 - Lucia Ottilia von, geb. Martinitz 114, 131, 133, 135, 138f., 158 - Norbert Leopold von 204 - Ulrich Franz von 114, 135, 156, 158 - Zdeněk Lev von 161 Königsegg, Andreas Bernhard von 202 - Friedrich von 202 - Georg Ernst von 202 - Leopold Wilhelm von 202 Konsky (Familie) 88 - György Gáspár (Georg Kaspar) 95 Kopcsányi, Michael 124, 127, 129, 130 Korzensky, Helena von (?) 196, 199, 209 Kracker, Sigismund OM 134 Krakowsky von Kolowrat s. Kolowrat Krantz, Gottlob 348 Krause (Crusius), Theodor 356f.

Kropáč von Nevědomí, Johann d.Ä. 27–29 Kuefstein (Familie) 206, 224, 233, 247, 265 - Hans Georg IV. von 224 - Hans Georg von 252 - Hans Leopold von 229, 233, 256, 263, 265, 269 - Hans Lorenz von 267 - Hans Ludwig von 269f. - Maria Franziska von, geb. Kollonitsch 229, 233, 256, 263, 265, 269, 271 - Maria von, geb. Grabner von Rosenburg 269f. Kuenburg, Ferdinand Ludwig von 209 - Franz Ferdinand von (?) 193, 206 Kun, Ferenc (Franz) 283 Kunasch von Machowitz, Wilhelm Felix 206 Kundmann, Johann Christian 354, 357 Künigl, Johann Georg von 202 Kunowitz (Familie) 29–31 - Anna von, geb. Boskowitz 29 - Dietrich (Jetřich) von 27–29 - Johann Dietrich von 31f. - Johann von 29 Kurz von Senftenau, Ferdinand Sigmund 265, 267 - Margaretha Barbara Elisabeth, geb. Muschinger 267 Kutzen, Joseph 351 Kyrmezer, Pavel 29f. Lackner, Christoph 101 Laetus Čáslavský, Johann 37 Lagnasco, Maria Josepha von, geb. Waldstein 194, 209 Lamarre (Familie) 318 Lamberg (Familie) 224, 241, 260, 265f., 271f. - Franz Sigmund von 258f., 261 - Hans Albrecht von 270 - Johann Adam von 206 - Johann Franz von 257, 260 - Johann Maximilian von 190, 198f., 202, 259 - Joseph Karl von 258–261 - Karl Adam von 191, 204 - Karl Joseph von 195, 209, 248, 263, 271 - Katharina Eleonora von, geb. Sprinzenstein 241 - Leopold Joseph von 191–193, 195, 204, 241, 257, 260, 268 - Maria Franziska von, geb. Waldburg-Zeil 271f. - Maria Konstanze von, geb. Questenberg 257, 260 - Maximiliana Barbara von, geb. Kuenburg 270 Lammingen, Wolf Ferdinand von 202 - Wolf Friedrich von 202 Lamormaini, Heinrich SJ 15, 154 - Wilhelm SJ 15, 154 Landeck, Johann Nekeš von 30 - Sigismund von 30 - Wenzel von 30 Larisch (Familie) 206

376 Personenregister Lassels, Richard 184, 199 Lažanský von Bukowa (Familie) 204, 191 - Franz Adam 203 - Rudolf Georg 203 Leleszi, Johannes SJ 54 Lembruch, Johann Karl Ignaz von 206 Lenfant, Jacques 354 Lengheim, Otto Christian von 206 Leo von Löwenberg, Franz Sigmund 204 Lépes, Valentin 105 Leslie (Familie) 206 Leusering, Caspar 267 Lichnowsky, Karl Joseph Leopold von 209 Lichtenfels, Hugo von 269 Lichtenstein-Castelcorn, Franz Anton von 206 Liebsteinsky von Kolowrat s. Kolowrat Liechtenstein (Familie) 16, 145, 217, 236f., 240, 253, 270 - Anna Maria von, geb. Liechtenstein 194f., 199, 209 - Anton Florian von 191f., 195, 198, 204, 242, 291 - Franz Josef I. von 218 - Gundaker von 12, 15, 145 - Hartmann I. von 218, 236, 241 - Johann Adam von 218, 269 - Johanna Beatrix von, geb. Dietrichstein 250 - Josef Wenzel von 194f., 199, 209 - Karl Borromäus Josef von 218 - Karl Eusebius von 218, 234, 250, 267 - Karl von 218f. - Maria Edmunda Theresia von, geb. Dietrichstein 253 - Maximilian Jakob von 241 - Maximilian von 241, 253 Lindegg von Mollenburg, Johann Caspar 206 Lippay, György (Georg) 135 Liszthy (Familie) 89 Lobkowitz, Popel von Lobkowitz (Familie) 117, 207 - Anna Elisabeth von, geb. Salm 30 - August Anton von 210 - Ferdinand August von 192, 204 - Johann Georg von 197, 206 - Joseph Anton von 207 - Joseph Maria von 210 - Ladislaus von 30 - Philipp Hyazinth von 207 - Ulrich Adam von 156, 158 - Wenzel Eusebius von 192 - Wilhelm von 135f. - Zdenko Adalbert von 68, 71, 76 Lodron, Franz Nikolaus von 203 - Joseph Johann Michael von (?) 210 Lorefice, Celestino 298f. Losenstein, Ferdinand Wenzel von 189, 199, 203 - Franz Adam von 189, 199, 203 - Georg Achaz von 189

Lossonczi (Familie) 50 - Antal 45 Lucae, Friedrich 355f. Lumago, Ottavio 159 Luther, Martin 24–26, 305, 317 Mabillon, Jean OSB 296 Mallenthein, Johann Christoph Ferdinand von 245 Mangiotti, Francesco 249 Manilli, Giacomo 184 Manincor (Familie) 207 Mannagetta, Joseph von 335 Mansfeld (Familie) 207, 241, 259 Marianus, Markus SJ 127 Marra, Placido de 64, 69, 72f., 77 Martinelli, Anton Erhard 245, 266 Martinitz, Bořita von Martinitz (Familie) 14f., 111, 117, 121–123, 131f., 134, 137, 139, 160, 201, 240, 241 - Adolf Bernhard von 194f., 199, 209 - Bernhard Ignaz von 114, 121f., 127, 131–133, 137–139 - Elisabeth Corona von, vereh. Žďárský 114 - Elisabeth Maria von, geb. Wrtba, verw. Sternberg 121, 137 - Ferdinand Leopold Benno von 114, 122, 136, 138–140 - Georg von 111 - Georg von 111, 113 - Georg Adam I. von 114, 132f., 135f., 138f. - Georg Adam II. von 191f., 194, 204 - Giovanna von, geb. Gonzaga di Castiglione delle Stiviere 135–137, 139 - Helena Barbara von, geb. Vřesovec 133f. - Hynko von 118 - Jaroslav von 14, 66, 76, 109, 111–115, 117– 122, 127f., 130–135, 138f., 143, 199 - Johann Jaroslav von 121, 136 - Katharina Ludmila von OCD 114 - Maria Eusebia von, geb. Sternberg 113, 121f., 131, 135f., 138 - Maximilian Valentin von 114, 122, 133, 139 - Veronika Polyxena von, geb. Sternberg 131 Martinuzzi, Georg 45, 48 Matthesius, Johann 25f. Mauschwitz von Armenruh, Christoph 38 - Joachim 38 Mayenberg, Joseph von 322, 331–333, 336 Medici, Giuliano 64, 76, 78, 80, 82 Mednyansky von Medgyes, Franz Ladislaus 207 Melith von Briber (Familie) 13, 43, 45, 48, 54, 57, 89 - Anna, geb. Csaholyi 48 - Dorottya (Dorothea), geb. Chapy 49 - Erzsébet (Elisabeth), geb. Szakolyi 46, 48f., 61 - György (Georg) 49, 52, 56 - György (Georg) 48f., 51

Personenregister 377 - István (Stefan) 48f., 51 - Krisztina (Christine), geb. Csapy 49 - Magdolna (Magdalena), geb. Káthay 49 - Pál (Paul) 49 - Pál (Paul) 49, 51f., 59 - Péter 49, 61 - Péter 46, 48,f., 52, 55f., 58f., 61 Melzi, Camillo 188f. Memminger, Johann 315 Menesses, Juan 167 Mercy d’Argenteau, Anton 282 Mercy, Claudius Florimund de 282 Metastasio, Pietro Antonio 289f., 295f., 299, 303 Metsch (Familie) 272 Metzner (Familie) 313, 315 - Johann Georg 312–314, 316 Meziříčský von Lomnitz, Alena, verw. Helt von Kement 32–34 - Ludwig 33 - Tas 33f. Michna von Waizenhofen, Paul 159 - Wenzel 157 Migazzi, Christoph Anton 197, 200, 314 Millner s. Müllner Minczenta von Minczent, Katharina 31 Modena, Gianfederico Este von 299 Mödlhammer, Johann Ferdinand 219 Mollensis, Johannes 52 Montecuccoli, Maria Antonia, geb. Colloredo 250 Montfort, Johann von 203 - Sebastian von 207 Móricz, Martin 99 Morzin (Familie) 204, 241 Moscon, Joseph von 235 Moser, Carl Leopold von 325, 331 - Carl von 325, 331 Müller (Millner) von Mühlhausen, Johann 160 - Peter 160 Multz von Waldau, Wolfgang Georg 207 Munggenast, Joseph 256 Münsterberg, Herzöge von 35 - Karl I. von 36 - Karl II. von 36 Nádasdy (Familie) 102, 207, 240 - Ferenc (Franz) 310 - Ferenc (Franz) 263 - Pál (Paul) 89, 97, 106 Napoleon Bonaparte 329f., 332 Nefestýn, Georg 127 Németh, András (Andreas) 280 Nentwig, Heinrich 352f., 359f. Nesselrode, Franz Wilhelm von 282 Neumann, Johann Karl 349 Newen von Newenstein, Karl 300 Nostitz (Familie) 207 Nowack, Karl Gabriel 352

Nussler, Martin 38 Nyáry (Familie) 50 - Anna, geb. Telegdy 46f., 50, 61 - István (Stefan) 46–48, 50, 56f., 61, 89 - István (Stefan) 58 - Klára, geb. Kapy, vereh. Melith 50, 61 - Pál (Paul) 47, 50, 52, 58, 61 Okolicsányi, Elek (Alexander) 317 Oñate, Íñigo Vélez de Guevara y Tassis, Conde de 94, 96, 104 Ondrejkovics, Juliana, geb. Bíró 307 - Paul 307 Oppenheimer, Samuel 329 Orlé, István (Stefan) 99 Orsini (Familie) 196 Osovský von Doubravice, Katharina, geb. Waldstein 34 - Smil 34 Ostermayerin, NN. 220 Osztrosics (Familie) 89 Päpste - Alexander VII. 263 - Benedikt XIV. 183, 194–196 - Clemens VIII. 112, 117 - Clemens X. 192 - Gregor I. 143 - Gregor XV. 104, 106 - Innozenz XII. 192, 291 Paar (Familie) 95, 191, 241 - Karl Joseph von (?) 204 Paczensky von Tenczin, Josef 207 Padányi Biro, Márton (Martin) 277–280, 285 Pálffy von Erdőd (Familie) 89, 207, 241 - Miklós (Nikolaus) 88 - Miklós (Nikolaus) 88, 342 - Pál (Paul) 88, 97 Payer vom Thurm, Johann Baptist 207 Pázmány, Pál (Paul) 88, 91f., 94, 98, 105 Pereira, Henriette (Judith), geb. Arnstein 328 Pereira-Arnstein, Henry 328, 335 Perényi (Familie) 50 - György (Georg) 57 - Péter 53 Pergen, Johann Anton von 324 - Karl von 204 Perlas de Rialp s. Rialp Pernegger, Johann Franz 257 Pernstein, Adalbert von 28 - Jaroslav von 28 - Johann von 27f. - Vratislav von 28 Pesce, Girolamo 265 Pethő von Gerse (Familie) 50 - István (Stefan) 52, 56, 58 - Mihály (Michael) 52

378 Personenregister Petróczy von Petrócz, Zsigmond (Sigismund) 314f. Petrovics, Péter 53 Petrozelin Kunštátský, Jakub 34 Peyritsch, Matthias 230 Pez, Bernhard OSB 289–291, 296–299, 301, 303 - Hieronymus OSB 289–291, 296f., 299f., 303 Pfalz, Friedrich V. von der 86 Piasten (Familie) 342, 357f. Piccolomini, Ottavio 249f. Pieroni, Giovanni Battista 247 Pignatelli (Familie) 291 - Antonio 295 - Domingo 291 - Ana d’Aimerigo y Criullas, geb. Monistrol 291 - Francesca, geb. Pinelli 295 Plachý s. Ferus Plaz, Joseph Anton von 207 Podiebrad, Georg von 35 Polen, Cecilia Renata von, geb. Habsburg 146, 159 - Wladislaw Sigmund von 158 Polheim, Franz Adam von 264 Polt, Christoph 214 Popel von Lobkowitz (Familie) s. Lobkowitz Porcia, Hannibal Alphons von 207 Porphyrius, Johann 34 Pötting, Franz Karl von 207 Prager (Familie) 222 Preda, Sigismondo de 214 Přehořovský z Kvasejovic, František Karel (Franz Karl) 153 - Kryštof Karel (Christoph Karl) 153 Prépostváry (Familie) 50 - Zsigmond (Sigismund) 51, 58 Pressius, Pavel 30f. Preußen, Friedrich II. von 350 Prininger, Mathias 269 Proskau (Familie) 207 - Erdmann Christoph von 207 Prusinovský von Víckov, Wilhelm 27 Puchheim, Hans Christoph von 230 - Maria Judith von, geb. Hrzan 230, 256 Purgstall, Michael Joseph von 207 Putz von Adlersthurn (Familie) 15, 145, 147f., 150–154, 160, 164 - Johann Franz Edmund 147, 149–152, 154f., 160f., 163 - Johann Ignaz Dominik 147, 150–155, 160–164 - Johann 15, 147–164 - Johanna Clara, geb. Fabricius 159 - Juliana, geb. Rinckart von Miltenau 156 - Katharina, geb. Simonetti, verw. Lumago 159f. - Maria, geb. Tilmann 156 - Markus 150f., 159 - Theresia, geb. Freisleben von Bischoffen 153, 155 Questenberg (Familie) 272

- Johann Adam von 207 - Norbert von 203 Rabenhaupt von Suchá (Familie) 146f. Rabutin, Amadeus de (?) 207 Rache, Pierre de 129 Radbusa, Kaspar Arsenius von 119 Rákóczy (Familie) 89 - Borbála (Barbara), geb. Telegdy, verw. Csapy 47f., 50, 55 - Ferenc (Franz) II. 195 - György (Georg) 89, 168, 175, 177 - Jószef (Joseph) 195 - Lajos (Ludwig) 58 - Pál (Paul) 47, 52, 54, 57 - Zsigmond (Sigismund) 47, 50 Rappach, Ernestine von, geb. Lamberg 328 Rasch von Aschenfeld, Johann Franz 121f. Rátonyi, László (Ludwig) 310f. Ráttkay (Familie) 88 Redern, Melchior von 37f. Reiffenberg, Hans Dietrich von 99 Reutlinger, Elkan 329 Révay, Maria, geb. Forgách 106 - Péter 48, 89f., 97f., 106 Rialp (Vilana Perlas de), Ramon 293 Ribera, Jusepe de 264 Říčany, Georg von 207 Rimay, János (Johann) 48f., 59 Roa, Martín de 129 Rosenberg (Familie) 207 Roskoványi, Lászlo (Ladislaus) 102 Rossetti von Rossenegg, Karl Bernhard 207 Rottal, Franz Anton von 255 - Maria Cäcilia von, geb. Trauttmansdorff 255 Rottmayr, Johann Michael 265 Rožmberk (Rosenberg) (Familie) 146 Rubeis, Bernardo de 299 Ruppa, Wenzel Wilhelm von 75 Russland, Elisabeth von 306 Saint Julien (Familie) 224 - Adam Maximilian von 227 Saint-Saphorin, François Louis de Pesme de 292 Salburg, Norbert Anton Oswald von 223 Salm (Familie) 207 Sarnthein, Ferdinand Joseph von 210 Sauer (Familie) 207 - Georg Friedrich von 203 Saurau, Hans Adam von 223 - Karl von 223f., 236 Savoyen-Carignan, Emanuel Thomas von 218, 245, 253, 266, 271, 289, 293 - Eugen Franz von 218 - Maria Theresia von, geb. Liechtenstein 218 Schaffgotsch (Familie) 19, 339, 342, 344–347, 350, 352–362, 364

Personenregister 379

- Christoph Leopold von 342, 346, 361 - Ernst Wilhelm von 209 - Friedrich von 360f., 363f. - Hans Ulrich von 158, 342, 361, 363 - Hans Ulrich von 360 - Johann Anton von 342, 346, 348–350, 354, 356f., 360 - Johann Nepomuk von 350 - Karl Gotthard von 350 - Leopold Gotthard von 351 - Ludwig von 360 - Maria Hedwig von, geb. Maubeuge 360 - Philipp Gotthard von 361 - Wenzel Ernst von 209 Schallenberg (Familie) 207 Scharff, Gottfried Balthasar 349 Schaunberger (Familie) 213 Schauroth, Antonia 311f. Scheffer von Dobra, Johann Reichard 248 - Magdalena Henriette 248 Schenken von Limburg (Familie) 302 Scherffenberg (Familie) 207 Schifer (Familie) 213 Schleswig-Holstein-Sonderburg-Wiesenburg, Charlotte von, geb. Liegnitz, Brieg und Wohlau 357 Schlick (Familie) 24-26 - Hieronymus von 26 - Joachim Andreas von 82 - Lorenz von 26 - Sebastian von 24f. - Stefan von 25f. Schmelzl, Wolfgang 213 Schmid zum Schwarzenhorn, Johann Rudolf 167 Schneider, Peter OCist 278f., 285 Schönborn (Familie) 230, 233, 237, 301 - Erwin Eugen von (?) 210 - Friedrich Karl von 230f., 243f., 256, 293, 301 - Lothar Franz von 297 Schröpfl von Mannsperg, Karl Theophil 207 Schütter von Klingenberg, Georg 221 Schwanberg (Švamberk) (Familie) 146, 241 Schwartzwalder, Jeremias 282 Schwarzenberg (Familie) 146, 217, 241 - Adam Franz zu 193, 207 - Ferdinand Wilhelm zu (?) 198, 207 Schweden, Christine von 191 Seifert, Johann 356 Selb, Anton von 209 Sennyey, István (Stefan) 52 - Sándor 52 Serava, Diego de 213f., 216 Serédy, István (Stefan) 46, 50 - Klára, geb. Wárday 46, 50 Serényi, Karl 207 Seyfried, Johann 74 Sibrik, Paul 99 Siegert, David 351

Silaghy, Martin 315 Sinapius, Johannes 19, 339f., 342, 353, 357 Sinzendorf, Dorothea Elisabeth von, geb. SchleswigHolstein-Sonderburg 245 - Georg Ludwig von 150, 245 - Johann Weikhard Michael von 204 - Michael Adolf Thomas von 204 - Philipp Ludwig Wenzel von 244, 293, 298, 303 Skála, Pavel 65 Skrbensky von Hříště (Familie) 207 - Karl Dietrich 203 Škréta, Karel 131 Slawata (Familie) 146, 241 - Anna Susanna von, geb. Rappach 127 - Lucia Ottilia von, geb. Neuhaus 112, 115 - Wilhelm von 66, 76, 111–113, 115, 137f., 158, 199 Smiřický von Smiřitz, Albrecht Wenzel 39f. - Jaroslav 37 Sofian von Wolkenberg, Jakub 29 Solimena, Francesco 264 Sommer von Sommersberg, Friedrich Wilhelm 357 Sommerfeld, Franz Albert von 203 Sonntag, Engelhardt 308f., 317 Sorina, Claudio 64, 74, 79 Spannagel, Gottfried Philipp 298 Španovský von Lisau, Johann 37 - Michael 37 Spaur, Franz Anton von 208 Spindler von Hoffegg, Franz Adam 203 - Jakob Friedrich 203 - Johann Ignaz 203 Sporck, Franz Anton von 193f., 198, 208 Sprinzenstein (Familie) 208, 241, 248 Stadl (Familie) 208 Starhemberg (Familie) 222, 237, 241 - Gotthard von 75 - Gundaker von 293 - Gundomar Joseph von 208 - Otto Gundaker Franz Xaver von 222 Statileo, János (Johann) 53 Steckenbach, Gottlob Ehrenfried 315 Štelcar Želetavský, Johann 37 Stella, Rocco 293 Stern, Josef 250 Sternberg (Familie) 114, 208, 241 - Adam von 24, 76, 82, 113, 131 - Anna von 30 - Elisabeth von 30 - Franz Leopold von 208 - Heinrich von 30 - Maria Maximiliana von, geb. Hohenzollern 131 - Ursula Polyxena von, geb. Martinitz 114, 134 Stieff, Christian 348 Stillfried-Rattonitz, Karl von 351, 359 - Rudolf von 351 Stoll, Friedrich 261, 263

380 Personenregister Stosch, Melchior Friedrich von 358 Stransky, Bernhard 318 Stránský, Pavel 66 Strozzi (Familie) 241 Stubenberg, Georg von 209 - Wolf von 203 Svorník Rychnovský, Martin 34 Swéerts-Sporck, Johann Christian von 210 Szakolyi von Kisvárda (Familie) 13, 43, 45, 47 - Albert 47, 59 - Anna, geb. Wárday 45, 47, 50, 61 - István (Stefan) 45, 47, 61 - Katalin (Katharina), geb. Telegdy 47, 61 - Klára, geb. Telegdy 47, 50, 61 - Miklós (Nikolaus) 46–48, 50, 52, 59, 61 Szánto (Arator), István (Stefan) SJ 46, 52 Szapolyai, Johann Sigismund 46 Széchenyi (Familie) 208, 303 Széchy, György (Georg) 89, 97, 105 Szentkereszti, Jakob 100 Szepsy, János (Johann) 102 Szöllössy, János (Johann) 316 Sztanovsky, Johann Baptist 305, 307 Szuhay, István (Stefan) 51 Szunyoghi (Familie) 310 - Pál Gáspár (Paul Kaspar) 310 Talmberg, Johann Ernst von 203 Taxis, Franz Werner von 203 Telegdy von Mezőtelegd (Familie) 13, 43, 45, 46f. - Anna, geb. Segnyey 47 - Ferenc (Franz) 48 - János (Johann) 47 - Mihály (Michael) 46f., 61 - Miklós (Nikolaus) 46 - Pál (Paul) 46f., 50, 52, 59, 61 - Zsófia (Sofia), geb. Lossonczi Bánffy 47 Tersztyánszky, Gáspár (Kaspar) 100, 102 Tetaur von Tetau, Burian 31 Teubner, Wenzel Ulrich 161 Teuffenbach (Familie) 159, 241 - Franz von 223 - Karl von 223 - Katharina von, geb. Meziříčský von Lomnitz 34 - Offo von 223 - Rudolf von 157f. - Sigismund von 34 Teyřowsky von Einsiedel, Paul Franz 208 Thomas, Jan 263 Thun, Johann Maximilian von 193, 208 Thürheim, Johann Christoph Wilhelm von 204 Thurn-Valsassina, Franz von 33 - Heinrich Matthias von 66, 75f., 82f. - Johann Ernst von 203 Thurzó, György (Georg) 89, 94, 99 - Imre (Emmerich) 61, 89, 91 - Szaniszló (Stanislaus) 89–94, 97, 104f.

Tielko, Johann 28 Tőrös, Georg SJ 54 Torre s. Thurn-Valsassina Torre, Raimondo della 112, 117 Toskana, Violante Beatrix von, geb. Bayern 195 Tövissy, Márton (Martin) 314f. Tralles, Johannes 356 Trautson, Ernst von 189, 203 - Ferdinand von 189, 203 - Franz Anton von 208 - Johann Franz von 189, 198, 203 - Johann II. von 252 - Johann Karl von 208 - Johann Leopold von 293 - Leopold Donat von 271 - Maria Margarethe von, geb. Rappach 189, 203 - Maria Theresia von, geb. Ungnad von Weißenwolff 271 - Paul Sixt I. von 252 - Paul Sixt II. von 189, 203 Trauttmansdorff (Familie) 240 - Adam Christoph von 208 - Franz Anton von 188, 203 - Franz Anton von 208 Trčka von Leipa, Johann Rudolf 40 Troger, Paul 233, 253, 256, 263 Troschel, Jakob Elias 351 Troyer, Franz Anton von 208 Tuněchodský von Poběžowitz, Karl Heinrich 208 Überacker, Wolfgang Maximilian von 193, 208 Ujváry (Familie) 310 - István (Stefan) 310 Ulfeld, Leo von 193, 208 Ungnad von Weißenwolf, Franz Anton 208 - Michael 205 Valesio, Francesco 194 Valvasor, Johann Baptist von 230 - NN., Gemahlin des Johann Baptist 230 Vanoviczy, János (Johann) 56 Vasoli, Alessandro 64, 73 Vchynský s. Kinsky Vencelík von Vrchoviště, Christoph 37 Verdenberg, Verda von Verdenberg (Familie) 245, 265 - Ferdinand von 247, 261, 263 - Johann Baptist von 203, 242, 247, 250, 261f. - Johann Peter von 261 - Johann Peter von 261 - Maria Anna von, geb. Lamberg 261 - Maria Katharina von, geb. Coronini zu Cronberg 261, 263 - Philipp von 261 Vilana Perlas s. Rialp Virga, Samuel 32 Voigt, Emil 347, 361, 363f.

Personenregister 381 Vřesovec z Vřesovic (Wrzesowetz) (Familie) 147 Wagner, Georg 219 Waldburg-Zeil (Familie) 271f. Waldstätten, Joseph von 331 Waldstein s. Brtnický von Waldstein Waldstein (Familie) 159, 208, 241, 266 - Adam von 76, 79, 159 - Adam Franz von 203 - Albrecht von 149, 157–159, 165f. - Franz Augustin von 188, 203 - Franz Joseph von 306 - Katharina von, geb. Harrach 127 - Ladislaus Burian von 131 Walldorf, Gottfried von 208 Wallenstein, Albrecht s. Waldstein Wander, Karl Friedrich Wilhelm 352 Wárday von Kisvárda (Familie) 13, 43–45, 47, 50 - Dorottya (Dorothea), geb. Lossonczi 45, 61 - Erzsébet (Elisabeth), geb. Sarmasághy 45, 61 - István (Stefan) 45, 47 - János (Johann) 45, 61 - Katalin (Katharina), vereh. Telegdy bzw. Nyáry 45–48, 50, 52, 61 - Krisztina (Christine), geb. Dobó 46, 61 - Mihály (Michael) d.Ä. 45, 47, 61 - Mihály (Michael) d.J. 45f., 58, 61 - Miklós (Nikolaus) 45, 52, 61 - Pál (Paul) 45 - Zsófia (Sofia), geb. Perényi 45 Warlich von Bubna s. Bubna Warou, Daniel 255 Wchynsky, Vchynský (Familie) s. Kinsky Wetzlar von Plankenstern, Eleonore, geb. Schluchtern 325 - Karl Abraham 324f., 335, 337 Windischgrätz (Familie) 208, 241 - Adam von 203

- Gottlieb von 203, 190 - Johann Jakob von 203 Winkler (Familie) 316 Witte, Anna de, geb. Glauchau 159 - Hans de 159 Woračicky (Voračický) von Paběnitz, Wenzel 208 Wratislaw von Mitrowitz, Johann Adam Bernhard 208 Wrtba (Familie) 114 - Barbara Eusebia von, geb. Martinitz 114 Würben und Freudenthal, Hynko d.Ä. von 35 - Johann d.Ä. von 35 Wurmbrand, Johann Wilhelm von 298, 303 - Rudolf Maximilian von 208 Württemberg (Familie) 299 Wutke, Konrad 363f. Zabardy, Mátyás (Matthias) 53 Zahlheimb, Ernst 315 Žákavec, Wenzel Franz Anton von 205 Žďárský (Familie) 114 Zedler, Johann Heinrich 357 Zeidler gen. Hoffmann, Johann 161, 164 Zelking, Hans Wilhelm von 220f. Zeno, Apostolo 289f., 298f., 303 Zichy (Familie) 43, 49, 99 - István (Stefan) d.J. 61 - Mária, geb. Melith 61 - Pál (Paul) 89, 95, 99, 102 Zierotin, Žerotín (Familie) 208 - Johann Dietrich von 31 Zinzendorf, Karl von 327 Zrínyi (Zrinski) (Familie) 48 - György (Georg) 87, 96 - Miklós (Nikolaus) 96 - Miklós (Nikolaus) 89



Ortsregister Aachau 331 Abaúj, Komitat 44, 91 Agram s. Zagreb Alpen 15, 114, 156, 183f., 191, 202, 218 Alsósebes s. Nižná Šebastová Altbrünn s. Staré Brno Altbunzlau s. Stará Boleslav Altdorf 300 Altötting 156, 269 Altsohl s. Zvolen Amonine 154 Anatolien 169 Andechs, Kloster 156 Antwerpen 214 Aragon 156 Arpás 263 Aspersdorf 243 Augsburg 25, 156, 197, 214, 241 Aurschinowes s. Uhříněves Aussee (Bad) 214–216 Aussee s. Úsov Baden-Durlach 317 Bakonybél, Kloster 278 Balatoncsicsó 280, 285 Bánov 31 Banská Bystrica 86, 88, 104 Baranya, Komitat 282f. Barcelona 291, 293 Bardejov 51, 312 Bártfa, Bartfeld s. Bardejov Bayern 133, 188 Bazin s. Pezinok Belgien 154 Bereg, Komitat 46, 49, 91 Berlin 354, 360 Bertholdsdorf s. Gościsław Besztercebánya s. Banská Bystrica Bihar, Komitat 46, 48 Bisenz s. Bzenec Böhmen 13, 15, 21–26, 36f., 39f., 65f., 68f., 71–77, 80–82, 109, 111, 113, 115, 131–133, 139, 145– 150, 152f., 155, 157–160, 163–165, 192, 217, 332, 340, 343, 354 Böhmisch-Mährische Höhe 37f. Bonyhád 283 Bordeaux 156 Borsmonostor, Kloster 276 Borsod, Komitat 44, 91 Bösing s. Pezinok Brabant 156 Branná 35 Bratislava 15, 85f., 88–90, 95–97, 100, 102–104, 124, 127, 129f., 134–137, 284, 305, 308, 314

Braunschweig 353 Breisach 214 Breitenfurt 266 Breslau s. Wrocław Bribir, Burg 48 Brieg s. Brzeg Brieg, Fürstentum 345 Brixen 196 Brno 33–35, 251 Brtnice 33, 247 Brumov 29–31 Brünn s. Brno Bruntál 35 Brüssel 129, 155f. Brzeg 339 Buchberg 270 Buchen im Odenwald 297 Buchlov 31 Buda 284 Budapest 169, 322 Budweis s. České Budějovice Burgos 156 Burgund 155 Butschowitz s. Bučovice 218 Byzanz 178 Bzenec 31 Čakovec 18, 293, 295 Carei 55 Čáslav 146 České Budějovice 70 Chojnik, Burg 346f. Cieplice Śląskie-Zdrój 345, 347f., 351–353, 359, 363f. Cordoba (Spanien) 156 Coştiui 313 Csakathurn, Csáktornya s. Čakovec Csanad, Komitat 46, 54 Csenger 48f., 54 Csicsó s. Balatoncsicsó Dänemark 175 Darmstadt 216 Daroc s. Fülpösdaróc Debrecen (Debrezin) 43, 53, 314 Deutsch Gabel s. Jablonné v Podještědí Deutschland 289, 312 Děvín (Dewin) 147, 153, 161f., 164 Dobruška 40 Dochamps 154 Döllersheim 226, 229, 232, 237, 272 Donau, Fluss 90 Drau, Fluss 88f. Drosendorf 267

Ortsregister 383 Ebreichsdorf 331 Ecsed 44 Eferding 213 Eger 46, 49, 53f., 88, 280f. Eisenburg, Komitat s. Vas Eisenstadt 52, 96, 219f., 237 Elbogen s. Loket England 155, 166, 180 Eperies, Eperjes s. Prešov Erblande 17, 92, 177, 183, 321, 323, 333 Erdőd 53 Erlau s. Eger Érsekújvár s. Nové Zámky Esztergom 45, 88, 105, 124, 135, 169, 316 Europa 154, 274, 316, 356 Extremadura 156 Făgăraș 89 Falkenau s. Sokolov Feldsberg s. Valtice Fiľakovo 57, 95 Flandern 156 Florenz 126, 197f., 233, 247 Fogaras, Fogarasch s. Făgăraș Forchtenau 219f., 236 Forchtenstein 96, 219f. Frain an der Thaya s. Vranov nad Dyjí Franken 82 Frankfurt am Main 86, 153, 260 Frankfurt an der Oder 32 Frankreich 147, 166, 177, 180, 298, 328f. Franzen 247f. Freudenthal s. Bruntál Frýdlant (Friedland) 37f., 147, 161 Fülek s. Fiľakovo Fülpösdaróc 54 Fünfkirchen s. Pécs Fürstenstein, Schloss s. Książ Füzér-Regéc, Herrschaft 102 Galizien (Spanien) 291 Gars am Kamp 267 Generalstaaten 166, 177, 180 Genua 112 Gföhl 245 Gföhl-Jaidhof, Herrschaft 244 Giersdorf s. Podgórzyn Glatz, Grafschaft 158 Głogów 341 Gmunden 214 Goldenstein s. Branná Göllersdorf 230–233, 243, 246, 256f. Gömör, Komitat 44, 305 Görz (Gorizia) 261 Gościsław 353 Göttingen 363 Göttweig, Stift 18, 296, 300, 303

Grafenegg, Herrschaft 245, 261 Gran s. Esztergom Gran, Fluss s. Hron Granada 156 Graupen s. Krupka Graz 52, 121, 214–216, 224 Greiffenstein, Burg s. Gryf Greillenstein, Schloss 224 Gronau, Kloster 216 Groß Pertholz 269 Groß Poppen 269 Groß-Glogau s. Głogów Groß-Meseritsch s. Velké Meziříčí Groß-Siegharts 245 Großwardein s. Oradea Großweikersdorf 245, 249, 264f. Grüssau, Kloster s. Krzeszów Gryf, Burg 346f., 350 Güns s. Kőszeg Gutau 222 Gutenstein 250 Gyöngyös 57 Győr 52, 95, 100f., 263, 278 Habsburgermonarchie 11, 12, 14, 16, 19, 59, 85f., 88, 90, 104, 106f., 109, 145f., 151, 167f., 171, 193, 199, 217, 274, 306, 313, 319, 322–324, 331, 343f. Haina, Kloster 216 Halbturn, Schloss 300 Hallstatt 214f. Heinrichau, Kloster s. Henryków Henryków, Kloster 275, 277f. Hermsdorf unterm Kynast s. Sobieszów Hessen-Darmstadt 282 Heves, Komitat 280 Hietzing bei Wien 160 Hildesheim 353 Hirschberg s. Jelenia Góra Hofheim, Kloster 216 Hoheneich 271 Holešov (Holleschau) 30, 255 Holland 155 Homonna s. Humenné Horn 265, 267 Horn-Persenbeug, Herrschaft 264 Hranice na Moravě 29, 246 Hrnčiarska Ves 305 Hron, Fluss 103 Humenné 51, 55 Idrija 215 Igel 152, 154 Iglau s. Jihlava Ingrowitz s. Jimramov Innsbruck 214–216

384 Ortsregister Istanbul 15, 18, 90, 158, 165f., 169, 171–176, 178, 180, 315 Italien 47, 111, 113f., 118, 133, 156, 159, 192, 197, 233f., 295f., 299, 301 Jablonné v Podještědí 253f. Jáchymov 25f. Jägerndorf, Herzogtum 344 Jamnitz s. Jemnice Jaroměřice nad Rokytnou 34 Jaroslavice 294f. Jasov (Jászó) 54, 88 Jauer, Fürstentum 345 Jelenia Góra 351, 354 Jemnice 33 Jena 331 Jerusalem 171 Jičín 157 Jihlava 24, 37 Jimramov 38f. Jindřichův Hradec 115, 146, 158 Joachimsthal s. Jáchymov Joslowitz s. Jaroslavice Jossau s. Jasov Judenburg 137, 213 Jungbunzlau s. Mladá Boleslav Kálló 44, 47, 49, 54 Kalocsa 105 Karnabrunn 263 Karpatenbecken 88 Kaschau, Kassa s. Košice Kastilien 156 Katalonien 156 Kaunitz s. Kounice Kefermarkt 221 Kemnitz s. Stara Kamienica Kirchberg am Walde 228–230, 232f., 237, 265, 269, 271 Kis-Hontenser Distrikt s. Gömör, Komitat Kismarton s. Eisenstadt Kisvárda 44–49, 52, 54, 56, 59 Kittsee 220 Kláštor pod Znievom 51 Klosterneuburg, Stift 245 Knin 51 Komárno (Komorn, Komárom) 52, 95, 99 Konstantinopel s. Istanbul Kopice (Koppitz) 360 Košice 55, 91, 97, 312, 317 Kostelec nad Černými lesy 37, 39, 218 Kőszeg 220 Kottingbrunn 267 Kotzen, Herrschaft 267 Kounice 218 Krain 217, 332 Kraków (Krakau) 55, 57, 348

Kreta 169, 174f. Kroatien 48, 87f. Krupka 24 Krzeszów, Kloster 347 Książ, Schloss 358 Kunštát 32 Kupferberg im Riesengebirge s. Miedzianka Kynast, Burg s. Chojnik La Valetta 233 Lackenbach 220 Laibach s. Ljubljana Lamormainil 154 Laško 230, 235 Legnica 339, 341, 351 Leiden 66 Leipnik s. Lipník nad Bečvou Leipzig 357, 361 Leitmeritz s. Litoměřice Leles 54, 59 Letovice 32 Leutschau s. Levoča Levice (Léva, Lewenz) 95 Levoča 106 Liberec 37 Liegnitz s. Legnica Ligist 223f., 235f. Ligurien 112 Lilienfeld, Kloster 277f. Lille 128f. Linz 214, 271 Lipník nad Bečvou 35 Liptó, Komitat 43f. Litoměřice 147, 152, 158f. Litovel (Littau) 29, 218, 234 Ljubljana 193, 214–216 Lockenhaus 219f. Lőcse s. Levoča Loket 25 Lombardei 112 Longuyon 165 Lorch 216 Loreto 112, 160, 162, 190, 198f., 256 Lothringen 156, 165 Löwen (Louvain) 156 Lukov 30 Luxemburg 15, 151, 154–156 Madrid 156 Magyarpolány 277–280, 285 Mähren 13, 21–27, 29–34, 36, 40f., 69f., 73f., 146, 148, 157f., 217, 244, 340, 354 Mährisch Trübau s. Moravská Třebová Mährisch-Weißkirchen s. Hranice na Moravě Mailand 112, 156, 195, 197, 233 Mainz 165, 259–261, 297 Mainz, Kurfürstentum 165

Ortsregister 385 Makovica 55 Malta 188 Mantua 64 Maramuresch, Komitat 313 Marchegg 88 Maria Laach am Jauerling 224, 252, 256, 269 Mariazell 201, 240, 269 Marienberg, Kloster s. Borsmonostor Marienthal, Kloster 149 Marken 199 Mauerbach, Kloster 326 Međimurje 87, 293, 302 Melk, Stift 18, 296, 303 Merxhausen, Kloster 216 Mezőkeresztes 47 Miedzianka 360 Mikulov 91–93, 97, 100, 102, 115, 253 Milevsko 38 Mimoň 15, 147, 153f., 156, 160–164 Mistelbach 218, 234, 236 Mitteleuropa/Zentraleuropa 63, 109, 117, 151, 342, 344 Mladá Boleslav 147, 161 Modena 64 Mohács 45 Moldau, Fürstentum 179 Montserrat 156 Moravská Třebová 29 Mosonmagyaróvár 95 Mühlhausen s. Milevsko Mühlviertel 222 Mukatschewe (Munkács) 55, 96 München 156 Münster 190, 201 Münzbach 221f. Muraköz s. Međimurje Muráň (Murány) 95 Murinsel s. Međimurje Murstetten 248, 253, 258f. Náchod 39 Nagykároly s. Carei Nagyszombat s. Trnava Náměšť nad Oslavou (Namiest) 247, 261–263, 265 Navarra 291 Neapel 183, 195–197, 264f., 295 Neapel, Königreich 293, 302 Neckenmarkt 219, 235 Neudorf s. Ostrožská Nová Ves Neuhaus s. Jindřichův Hradec Neuhäusel s. Nové Zámky Neusohl s. Banská Bystrica Neustadt am Zeltberg s. Sátoraljaújhely Niederlande, spanische bzw. südliche 151, 312, 328 Niederlausitz 23, 73 Niederösterreich (Land unter der Enns) 13, 73, 78, 88, 146, 153, 159, 217, 224, 232, 237, 307, 321, 324–326, 328, 333, 335

Niederschlesien 350, 355 Niemes s. Mimoň Nikolsburg s. Mikulov Nižná Šebastová 57 Nógrad 95 Nógrád, Komitat 44 Nové Zámky 93, 95f. Novi Vinodolski 48 Nový Světlov 31 Nyíregyháza 281f., 285 Oberlausitz 23, 73, 147, 149, 161 Oberösterreich (Land ob der Enns) 73, 75, 78, 146, 269 Oberschlesien 355 Oberungarn 13, 43, 45, 48, 50–52, 56, 58, 87–89, 93, 96f., 102, 339 Ödenburg s. Sopron Ofen s. Buda Olomouc (Olmütz) 27, 33–35, 115 Oppeln, Fürstentum 91f., 158 Oradea 53, 314 Osmanen/Osmanisches Reich 54, 58, 88, 92, 96, 106, 166–169, 171f., 174, 178f., 274, 312 Osnabrück 190 Österreich 19, 69, 75, 133, 146, 148, 157, 240, 246, 263, 289, 328, 343 Ostrožská Nová Ves 31 Ottenstein 245, 248, 267, 269f., 272 Óvári 53 Pácin 55 Pacov 37 Padua 112, 165 Pápa 101, 278 Paris 156 Parma und Piacenza, Herzogtum 64 Passau 113, 156 Pásztó, Kloster 276 Patzau s. Pacov Pécs 280 Pera 173, 180 Perg 222 Persenbeug 267 Perugia 112, 189 Pest, Gespanschaft 305 Pezinok 305 Pilis, Kloster 276 Pilsen s. Plzeň Pirnitz s. Brtnice Plumlov (Plumenau) 27 Plzeň 158 Podgórzyn 348 Podsedice 147, 158, 162, 164 Poitiers 156 Polány s. Magyarpolány Polen 57, 88, 152

386 Ortsregister Pöls 223 Pongyelok s. Hrnčiarska Ves Portugal 156 Posen s. Poznań Pöttsching 219f. Poznań 348 Pozsony s. Bratislava Prag 14f., 27, 40, 64, 70, 72, 76f., 80, 111f., 114, 117f., 121f., 127–129, 131, 134–138, 153–157, 160, 214, 240, 266, 295, 350 Prandegg 222f. Pregarten 222 Prešov 57, 97 Pressburg s. Bratislava Preußen 165, 331, 360, 363 Prostějov (Proßnitz) 27f. Prštice (Pürschitz) 33 Putnók 99, 102 Qasr-e Schirin 167f. Raab s. Győr Rad 49, 56 Ragusa, Republik 179 Rastenberg, Burg 248 Rastenfeld 248, 271f. Ratibor, Fürstentum 90f., 158 Reckheim s. Rekem Regensburg 156, 240f., 261 Reich, Heiliges Römisches 11, 63, 69, 86, 92, 95, 99, 106, 157, 162, 169, 172, 177, 186, 193, 199, 274, 282, 314, 317, 344 Reichenberg s. Liberec Reichstadt s. Zákupy Rekem, Herrschaft 312 Rhein, Fluss 328 Roccaguglielma, Herrschaft 293 Rohnen s. Coştiui Röhrenbach 224, 229, 232f., 237, 256, 265, 271 Rokytnice v Orlických horách (Rokitinitz im Adlergebirge) 38 Rom 15f., 69, 112, 114, 135f., 156, 160, 162f., 183–201, 218, 256, 300 Rónaszék s. Coştiui Rosenau 268 Rosenburg 267 Rosice (Rossitz) 261 Rumburk 242 Sachsen 25, 161, 164 Sádek 33f. Safawidenreich (Persien) 90, 167–169 Sagan s. Żagań Sajólad 56 Šaľa 51 Salamanca 156 Salzburg 138, 156, 265

Sambir (Sambor) 57 San Lorenzo de El Escorial 156, 246 Santiago de Compostela 156, 201 Sáros, Komitat 44 Sarud 280, 285 Sátoraljaújhely 53, 56 Satu Mare 44, 55f., 60, 85 Schimeck s. Sümeg Schlesien 12, 19, 23, 35f., 69f., 73–75, 133, 158, 217, 278, 339–341, 344f., 347, 354, 356, 358 Schüttenitz s. Žitenice Schwaben 272 Schwabitz s. Svébořice Schwarzenau-Meires, Herrschaft 264 Schwarzenbach 220 Schwarzkosteletz s. Kostelec nad Černými lesy Schwarzwald 309 Schweden 175–177, 316 Schweidnitz s. Świdnica Schweidnitz, Fürstentum 345 Schweiz 187 Seckau 197, 223 Seelowitz s. Židlochovice Seidenberg s. Zawidów Seligenstadt, Kloster 297 Senec 102 Serednje 56 Siebenbürgen 14, 44, 48, 53f., 58, 60, 86f., 89, 168, 177, 179, 273, 283, 306, 311, 315, 316 Siena 112, 117, 187–189, 193f., 233 Sizilien 195 Škvorec 39 Slaný 119f., 141f. Slavičín 31 Slavonice 158 Slawonien 87f. Slowenien 235 Smečno 111, 118, 120 Sobieszów 341f., 345–351, 354f., 357–361, 363 Sokolov 25 Solothurn 260 Sóly 279, 285 Sombor s. Zombor Sopron 14, 85–87, 91–94, 96, 98–101, 103–107, 283 Sopron, Komitat 89 Sorrent 196 Spanien 234, 289, 296, 302, 322 Spitz an der Donau 267 St. Blasien, Kloster 301, 303, 309 St. Gotthard, Kloster s. Szentgotthárd St. Petersburg 306 St. Pölten 250 St. Veit an der Glan 214–216 Stará Boleslav 160, 240f. Stara Kamienica 346 Staré Brno 250

Ortsregister 387 Stařeč 34 Steiermark 82, 133, 138 Šternberk 35f. Steyr 265 Stockholm 316 Strahov, Stift 115 Stranzendorf 243 Straß im Straßertal 224, 236, 242, 247, 261 Strážnice (Straßnitz) 31 Striegau s. Strzegom Stropkov 56 Strzegom 353 Sümeg 277 Svébořice 161 Świdnica 349, 356 Swietlau s. Nový Světlov Szabolcs, Komitat 43–45, 47, 53, 57f., 91, 281, 310 Szatmár s. Satu Mare Szatmár, Komitat 43f., 48f., 53f., 57f., 91, 310 Szempc s. Senec Szendrő 99, 102 Szentgotthárd, Kloster 276 Szentmiklós s. Tschynadijowo Szepes, Komitat 44, 93 Szerednye s. Serednje Szőny bei Komárom 168 Sztropko s. Stropkov Tárkány 312 Telgte 201 Temescher Banat 282 Teplice (Teplitz) 295 Terebes s. Trebišov Theiß, Fluss 43f., 50, 54, 57, 59f. Thorenburg s. Turda Thorn s. Toruń Thürnthal, Schloss 245 Tirol 82, 332 Tloskov 38 Toledo 233 Tolnau, Komitat 282f., 285 Torna, Komitat 44 Toruń 348 Toskana 64, 114 Toulouse 156 Trachenberg s. Żmigród Tragwein 222 Transdanubien (Ungarn) 87, 89, 96–98, 102 Traunkirchen 138 Třebíč 34 Trebišov 56 Třeboň 146, 158f. Trenčín (Trencsén, Trentschin) 97 Trencsén, Komitat 100 Třešť 37 Trient 109, 197 Trier 152, 154

Trier, Kurfürstentum 165 Triesch s. Třešť Trnava 51, 311, 313 Troppau, Herzogtum 70, 344 Tschaslau s. Čáslav Tschynadijowo 46 Tüffer s. Laško Turda (Torda) 307 Tuttlingen 172 Tyrnau s. Trnava Ugocsa, Komitat 91 Uherský Brod 28–32, 35 Uherský Ostroh 28, 31f. Uhříněves 39 Ulm 233 Ung, Komitat 44, 49 Ungarisch Altenburg s. Mosonmagyaróvár Ungarisch Brod s. Uherský Brod Ungarisch Ostra s. Uherský Ostroh Ungarn 12–14, 17f., 32, 43f., 46f., 50–53, 60, 69, 73, 85–87, 89–92, 94–97, 99–101, 103f., 106f., 148f., 152, 263, 273f., 276f., 280, 282–284, 286, 302, 305–307, 310, 312, 314, 316, 332, 343 Ungvár s. Uschhorod Unterthurm, Herrschaft 258 Uschhorod 49, 55 Úsov 29 Vác 265 Vágsellye s. Šaľa Valencia 293 Valtice 218, 250, 268–270 Varaždin 88 Vas, Komitat 89 Velké Meziříčí 32–35 Velm, Herrschaft 326–328 Venedig 112, 117, 195, 198, 299 Venedig, Republik 64, 166, 174, 179f. Veselí nad Moravou 31 Veszprém 89, 99, 101f., 105, 277f., 280 Viertel unter dem Manhartsberg 326 Vizovice 31 Vlasatice 33 Vollrads, Schloss 165 Vranov nad Dyjí 253, 294f. Vranov 218, 253 Vsetín 30 Waidhofen an der Thaya 263 Waizen s. Vác Walachei, Fürstentum 179 Waldviertel 248 Warasdin s. Varaždin Warmbrunn s. Cieplice Śląskie-Zdrój Warszawa (Warschau) 158, 348 Wartberg s. Senec

388 Ortsregister Wasserliesch 154 Weinviertel 263 Weitersfeld 227, 229, 232, 237 Weitra 264 Wels 214–216 Wesprim s. Veszprém Wesprim, Komitat 277f., 286 Wessely an der March s. Veselí nad Moravou Weyerburg 243 Wien 15, 44–47, 51–53, 58f., 66, 71, 88, 90, 94–96, 100, 104, 106, 126, 130, 134f., 138, 150, 152–154, 158–162, 164, 166, 169, 186, 188, 190, 200, 213–216, 218, 240f., 249, 252, 257, 259, 265f., 271, 292–299, 301f., 305, 308f., 311, 314f., 319, 321, 327–335 Wienerwald 331 Wimpfen am Neckar 91 Windhag 222, 268f. Wisowitz s. Vizovice Wittenberg 26, 29, 38 Wittingau s. Třeboň Wohlau, Fürstentum 345 Worms 165 Wostitz s. Vlasatice Wranau s. Vranov Wrocław 115, 316, 347f., 351f., 354, 357–359, 361–363 Wsetin s. Vsetín Würmla 331 Württemberg 318 Wurzach (Bad) 272 Würzburg 216, 230f., 256 Ybbs an der Donau 297

Żagań 360 Zagreb 88 Zákupy 161 Zala, Komitat 293, 302 Zatín 46 Zawidów 37 Zell bei Zellhof 222f. Zemplén, Komitat 44, 46, 91, 98 Zétény s. Zatín Židlochovice 244 Zips, Komitat s. Szepes Zirc, Kloster 17, 275–279 Žitenice 139 Zlín 29, 31 Żmigród 346 Znióváralja s. Kláštor pod Znievom Zólyom s. Zvolen Zombor 308 Zsitvatorok 167, 178 Zuhab 167f. Zvolen 96 Zwentendorf 258 Zwettl, Stift 74, 212