Adel - Geheimdienste - Militär - Band 1 - 1776-1945 [Band 1]

Vor über 200 Jahren hatte das britische Imperium sein Ziel erreicht: Kontrolle über Nordamerika und weitere Kolonien, Eu

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German Pages 461 Year 2017

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Adel - Geheimdienste - Militär - Band 1 - 1776-1945 [Band 1]

Table of contents :
Buchvorderseite......Page 1
Inhaltsverzeichnis:......Page 5
Fachleute für die Einschätzung von Machtstrukturen......Page 9
Tresore, Codes und Zerteilung......Page 18
Der Werkzeugkasten der Macht......Page 29
Psychopathie und Narzissmus als entscheidende Faktoren......Page 34
Crashkurs Geheimdienstwesen......Page 42
Warum die Verschwörungsliteratur bis heute keine echte Verschwörungsforschungbetrieben hat......Page 68
John Robison: Proofs of a Conspiracy......Page 76
Abbé Barruel......Page 87
Léo Taxil: Der hauptberufliche Schwindler......Page 90
Das Jahrhundert-Fake: Die Protokolle von Zion......Page 93
Nesta Webster......Page 100
William Guy Carr: Agent der Krone......Page 103
Eustace Mullins......Page 109
Lyndon LaRouche......Page 114
Antony Sutton......Page 118
Gary Allen......Page 122
„Dr. John Coleman"......Page 125
Milton William Cooper......Page 127
Fritz Springmeier und die „13 Blutlinien der llluminaten"......Page 131
Eric John Phelps' „Vatican Assassins"......Page 143
Daniel Estulin: KGB-Altmetall......Page 147
Webster Griffin Tarpley......Page 149
Crazy like Alex Jones......Page 152
David Icke......Page 158
Rechtsrevisionistische Literatur......Page 165
Eine längst überfällige Inventur......Page 176
Der Wandel innerhalb der Verschwörungsszene von der Ära Bush Sr. bis zur Ära Trump......Page 185
Die Deutungshoheit über Machtverhältnisse......Page 190
Das echte Game of Thrones......Page 200
Ein Haus namens Hannover......Page 205
Anne, die letzte Stuart auf dem britischen Thron......Page 230
George I.......Page 233
George II.......Page 235
Der Siebenjährige Weltkrieg......Page 238
Zarin Elisabeth von Russland......Page 240
Peter III. und Katharina II.......Page 241
Pauli......Page 243
Alexander I.......Page 244
George III.......Page 246
Nikolaus I.......Page 249
Alexander II.......Page 251
Alexander III.......Page 253
Nikolaus II.......Page 255
George IV.......Page 257
Wilhelm IV. und Victoria, die Mutter Europas......Page 258
1776: Die Amerikanische Revolution als Scheinerfolggegen die Adeligen......Page 260
Die neuen Oligarchen der Wirtschaft......Page 268
Rothschild: Die Hoffaktoren......Page 273
Politik-Matrix......Page 302
Die Fabian Society......Page 308
Die britische Spionage vor dem Ersten Weltkrieg......Page 314
Russland und die „llluminaten"......Page 321
Die Scheinbetrachtungen von Hitler......Page 325
Drei Hochzeiten und vier Todesfälle......Page 329
Angloamerikanischer Nepp in Hitlers Hirn......Page 339
Hitlers Sexualität als bedeutender Faktor für Erpressung und Spionage......Page 346
Die Hitlers in Liverpool......Page 363
Die Tavistock-Mythen zu Hitler......Page 366
Endlich in München"......Page 369
Deformiert......Page 373
Hitler im Ersten Weltkrieg......Page 375
V-Männer und völkische Logen......Page 382
Die Psyche Hitlers: „Krieg ist Leben."......Page 388
Gönner......Page 396
Der Zweite Weltkrieg......Page 410
Die Frage nach einer Flucht Hitlers und die Fortführung des Mythos......Page 444
Staatliche Säuberungsoperationen und Revisionismus......Page 446
Skull & Bones und das kommunistische China......Page 455
Buchrückseite......Page 461

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Adel, Geheimdienste, Militär

Band I: 1776 - 1945

A l e x a n d e r Benesch

Impressum © 2017 Alexander Benesch Druck: booksfactory Printed in Poland

Cover-Grafik: TonyBaggett, iStockphoto LP

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Inhaltsverzeichnis: Fachleute für die Einschätzung von Machtstrukturen - Seite 9 Tresore, Codes und Zerteilung - Seite 18 Der Werkzeugkasten der Macht - Seite 29 Psychopathie und Narzissmus als entscheidende Faktoren - Seite 34 Crashkurs Geheimdienstwesen - Seite 42 Warum die Verschwörungsliteratur bis heute keine echte Verschwörungsforschung betrieben hat - Seite 68 John Robison: Proofs ofa Conspiracy- Seite 76 Abbé Barruel - Seite 87 Léo Taxil: Der hauptberufliche Schwindler - Seite 90 Das Jahrhundert-Fake: Die Protokolle von Zion - Seite 93 Nesta Webster - Seite 100 William Guy Carr: Agent der Krone - Seite 103 Eustace Mullins - Seite 109 Lyndon LaRouche - Seite 114 Antony Sutton - Seite 118 Gary Allen - Seite 122 „Dr. John Coleman" - Seite 125

Milton William Cooper - Seite 127 Fritz Springmeier und die „13 Blutlinien der llluminaten" - Seite 131 Eric John Phelps' „Vatlcan Assassins"- Seite 143 Daniel Estulin: KGB-Altmetall - Seite 147 Webster Griffin Tarpley - Seite 149 Crazy like Alex Jones - Seite 152 David Icke-Seite 158 Rechtsrevisionistische Literatur - Seite 165 Eine längst überfällige Inventur - Seite 176 Der Wandel innerhalb der Verschwörungsszene von der Ära Bush Sr. Bis zur Ära Trump - Seite 185 Die Deutungshoheit über Machtverhältnisse - Seite 190 Das echte Game of Thrones - Seite 200 Ein Haus namens Hannover - Seite 205 Anne, die letzte Stuart auf dem britischen Thron - Seite 230 George I. - Seite 233 George II. - Seite 235 Der siebenjährige Weltkrieg - Seite 238 Zarin Elisabeth von Russland - Seite 240 Peter III. und Katharina II. - Seite 241 Pauli.-Seite 243

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Alexander I. - Seite 244 George III.-Seite 246 Nikolaus I.-Seite 249 Alexander II.-Seite 251 Alexander III. - Seite 253 Nikolaus II.-Seite 255 George IV. - Seite 257 Wilhelm IV. und Victoria, die Mutter Europas - Seite 258 1776: Die Amerikanische Revolution als Scheinerfolg gegen die Adeligen Seite 260 Die neuen Oligarchen der Wirtschaft - Seite 268 Rothschild: Die Hoffaktoren - Seite 273 Politik-Matrix - Seite 302 Die Fabian Society - Seite 308 Die britische Spionage vor dem Ersten Weltkrieg - Seite 314 Russland und die „llluminaten"- Seite 321 Die Scheinbetrachtungen von Hitler - Seite 325 Drei Hochzeiten und vier Todesfälle - Seite 329 Angloamerikanischer Nepp in Hitlers Hirn - Seite 339 Hitlers Sexualität als bedeutender Faktor für Erpressung und Spionage - 346 Die Hitlers in Liverpool - Seite 363

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Die Tavistock-Mythen zu Hitler - Seite 366 „Endlich in München" - Seite 369 Deformiert - Seite 373 Hitler im Ersten Weltkrieg - Seite 375 V-Männer und völkische Logen - Seite 382 Die Psyche Hitlers: „Krieg ist Leben." - Seite 388 Gönner - Seite 396 Der Zweite Weltkrieg - Seite 410 Die Frage nach einer Flucht Hitlers und die Fortführung des Mythos - Seite 444 Staatliche Säuberungsoperationen und Revisionismus - Seite 446 Skull & Bones und das kommunistische China - Seite 455

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Fachleute für die Einschätzung von Machtstrukturen

Bild: Die deutschstämmigen Monarchen Elisabeth II. und Prinz Philip/Shutterstock Sich ungestraft über Herrschaftsverhältnisse beschweren und kritische Vermutungen über Herrscher äußern zu dürfen, war einer der wichtigsten Fortschritte in der menschlichen Zivilisation. Es führte aber gleichzeitig zu einer beispiellosen Verwirrung, die bis heute anhält und die gewöhnliche Bevölkerung bei der Umsetzung ihrer Interessen behindert. In der Sowjetunion wurde mit fanatischem Eifer die Überzeugung gepredigt, dass der Sozialismus mit der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln die Ausbeutungsverhältnisse und Klassen-Gegensätze beendet hätte und deshalb die Kernursache allen Verbrechens verschwunden sei. Der wahre Grund für die niedrigeren Quoten an Raubüberfällen, Körperverletzungen und Morden im Vergleich zum kapitalistischen Westen waren aber die

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Gulags und die allgegenwärtige Überwachung. Selbst leise Kritik an den sozialistischen Ausbeutungsverhältnissen wurde unter Stalin mit 25 Jahren Lagerhaft bestraft. Der sowjetische Staat war selbst der größte Räuber, Gewaltverbrecher und Mörder, also ein Monopolist durch und durch. Addiert man die Verbrechensquoten von Volk und Regierung zusammen, ergeben sich deutlich höhere Werte als im Westen. Die offizielle Quote für Kindesmissbrauch, eine besonders perfide Form der Ausbeutung abseits der Arbeitswelt, lag bei den Sowjets bei fast null Prozent. Warum? Weil der Staat solchen Verbrechen gar nicht nachging und keine Statistiken darüber führte, denn nach der Staatsdoktrin gab es Kindesmissbrauch im Arbeiter- und Bauernparadies nicht.' Die Herrschaftsmethoden der Kommunisten gingen nicht wesentlich über das Niveau des Mittelalters hinaus und führten zu einer starken Lethargie der Menschen und zu einer geringen Produktions- und Innovationskraft, während die NATO-Sphäre gigantische Reichtümer und technologische Fortschritte anhäufte. Ein fundamentaler Unterschied im Westen war, dass den Menschen gestattet war, ihre Unzufriedenheit zu äußern und verschiedenste Ideen lautstark zu befürworten, mit denen man die Zustände möglicherweise verbessern könnte. Man musste sich nicht konstant fürchten, und seine Meinungen und Emotionen für sich behalten, sondern man konnte sie mit großem Eifer in die Welt hinausbrüllen und sich leidenschaftlich darüber streiten. Dies war das Fundament der Politik. Natürlich vertuschten und übertünchten auch westliche Regierungen miserable Zustände und führten künstliche Debatten darüber, ob bestimmte Zustände denn überhaupt beklagenswert seien, aber letztendlich drehten sich die Politik und die politischen Medien im Endeffekt um nur zwei Fragen:

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Wer oder was ist schuld an den miserablen Zuständen und Gefahren?



Wer oder was ist geeignet, um diese miserablen Zustände und Gefahren zu beenden?

Bild: Der Trabant, Symbol des Stillstandes in der DDR. Extrem lange Lieferzeiten und der Mangel an Ersatzteilen machten die Situation noch schlimmer. Bundesarchiv, Bild 183-P0619-306/Ludwig, Jürgen/CC-BY-SA 3.0 Die Geschichtsforschung und die Politikwissenschaft wurden dabei von politischen Gruppen nur selektiv und verfälschend als Hilfsmittel benutzt, um die eigenen Argumente zu untermauern. Wo sich der Unmut der Bevölkerung im Mittelalter hauptsächlich gegen das Königshaus und den Adel richtete, verteilte sich später zunehmend der Unmut des Volkes auf hunderte politische Abgeordnete, ständig wechselnde Kabinette, Gremien und Koalitionen, verschiedene Ideologien, Banker, Industriebosse und natürlich auf diverse Wählergruppen.

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Bild: Der Jeep Grand Wagoneer, ein beliebtes, geländegängiges Familien-SUV aus den USA, das ab 1963 gebaut wurde. Es war erhältlich mit Sechszylindermotor und Achtzylindermotor, Servolenkung, Klimaanlage usw. Die Wut über Missstände zersplitterte und zerfaserte in unzählige Fragmente und verlief sich in den vier Windrichtungen. Es überstieg die zeitlichen Kapazitäten und den Bildungshorizont des einzelnen Bürgers, hunderte von Politikern gründlich zu untersuchen, die konfusen Ideologien zu verstehen und die Konsequenzen politischer Programme abzuschätzen. Auch heute wissen Politikwissenschaftler, dass Wähler keine Wahlprogramme lesen, sondern grob nach Gefühl, nach ideologischer Präferenz und nach oberflächlichen Sympathien für politische Kandidaten ihr Kreuz machen. Gäbe es ein kurzes Quiz, das auf dem Wahlzettel einigermaßen korrekt beantwortet werden muss, um die Stimme gültig zu machen, wären wohl dauerhaft mehr als zwei Drittel der Wahlzettel ungültig. Schuld sind für Linke prinzipiell das Bürgertum, die Konservativen, Liberale, Konzerne sowie die individuellen Rechte auf Unternehmertum, Privatbesitz

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und Handel. Nur die Sozialdemokratie oder der Sozialismus könnte die Probleme beenden, heißt es, obwohl die Linken sich 100 Jahre lang gegenseitig massakriert haben wegen der Frage, welche Artvon Sozialismus nun die richtige sei. Meinungsforscher fanden heraus, dass junge Amerikaner in erschreckendem Maße den Sozialismus als System bevorzugen, well sie glauben, dass Sozialismus einfach bedeutet, „anderen Menschen zu helfen". Viele kennen also nicht einmal eine grundsätzliche Definition des Sozialismus und können keine fünf Grundrechte aufzählen, dürfen aber wählen gehen. Eine Diskussion zwischen zwei belesenen Vertretern unterschiedlicher sozialistischer Strömungen ist hingegen ein verbissener Kampf um verquaste und realitätsfremde Theorien von Marx (Hochstapler), Lenin (revolutionärer Terrorist) und Mao (kompletter Psychopath). Die politische Mitte hält Abweichungen von der Mitte für die Ursache der miesen Zustände, merkt aber nicht, in welchem Umfang die Industriekartelle und der Staat immer mehr zusammenwachsen (Wesensmerkmal des Faschismus) und wie der Staat zunehmend jeden Aspekt unseres Lebens reguliert und besteuert (Wesensmerkmal des Sozialismus). Die Konservativen machen die Mitte und die Linken verantwortlich für die Misere und predigen Lösungsansätze, die von sinnvoll über altbacken bis hin zu nationalsozialistisch reichen. Je größer die konservative Provokation, umso eher verbünden die Mitte und die Linke sich gegen rechts. Sobald Konservative über klassische Familienwerte und Kultur hinaus ihre Ideen ausformulieren, merkt man leider zu häufig gravierende Bildungslücken und Falschüberzeugungen. So werden in der Partei „Alternative für Deutschland" beispielsweise die gefährlichen Irrtümer geglaubt, Bismarck sei ein dicker Freund des russischen Zarenreichs gewesen, Putins heutiges Regime sei akzeptabel und vertrauenswürdig und wir bräuchten eine wirtschaftliche und politische Integration „Eurasiens" von Lissabon bis Wladiwostok. Dann hatte ein AfDLandtagsabgeordneter in einem Buch geschrieben, die Protokolle von Zion seien „mutmaßlich echt" und der Amerikanismus sei der „alte jüdische Glaube vom neuen irdischen Jerusalem." Weitere Skandale entstanden um Äußerungen von AfD-Funktionären, die Anspielungen auf das Dritte Reich enthielten. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Politiker einfach das glauben, was sie in stereotypen Verschwörungsbüchern und rechtsrevisionistischen Werken gele-

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sen haben und Patriotismus daran messen, wie sehr jemand diese Ansichten teilt. Die Linken nehmen dies zum Anlass, gemäß ihrer „antifaschistischen" Tradition den Kampf aufzunehmen und sich stärker mit der politischen Mitte zu verbrüdern, wobei sie aber von linksrevisionistischer, linksradikaler Literatur getrieben sind. Ein bisschen Recht haben natürlich alle von den verschiedenen politischen Gruppen, aber eben nur ein bisschen. Und unser Nachwuchs wird immer dümmer: Eine Umfrage mit 7500 Schülern aus Deutschland ergab, dass viele den wesentlichen Unterschied nicht nennen können zwischen der Bundesrepublik, der DDR und Nazideutschland.2 Nur die Hälfte wusste überhaupt, dass der NS-Staat zweifellos eine Diktatur war. Nur ein Drittel der Kinder bewertete die DDR als diktatorisch. Es war dabei unerheblich, ob die Schüler irgendwelche Pflichtbesuche in Gedenkstätten absolviert hatten, oder Wanderausflüge ins Grüne. Im Prinzip ist dieser gravierende Bildungsmangel vergleichbar mit Analphabetismus oder der Unfähigkeit zu grundlegenden Rechenarten. Wie zu erwarten, spulte die Politik nach dieser vernichtenden Studie das übliche Programm ab und erklärte, Schuld an den Zuständen seien die Bundesländer und deren Schulen, sowie mangelnde Steuergelder. Nur mehr Steuergelder für mehr Gedenkstätten und mehr Schulunterricht könnten diese Zustände beenden. Während wir immer dümmer werden, wird die Welt immer gefährlicher durch ABC-Waffen, Schuldenberge, den Verlust von Grundrechten und die Zentralisierung von Macht. Die Geschichtsforschung und die Politikwissenschaft haben es nie gewagt, zu untersuchen, ob die hochkomplizierten, sichtbaren westlichen Machtstrukturen nur eine Ablenkungsmaschinerie sein könnten, hinter der sich ein höchst altmodisches Herrschaftssystem verbirgt. Die einzigen, die die Verhältnisse stärker hinterfragt haben, waren die Autoren der Verschwörungsliteratur, aber diese verhedderten sich in Mythen und Legenden und vermochten es nie, eine Art wissenschaftliche Verschwörungsforschung hervorzubringen. Es wäre naheliegend, an einer ernstzunehmenden Universität eine gemischte Fakultät zu etablieren und unter einem Dach ideologiefreie Experten zusammenzubringen für u.a. Kriminologie, Geheimdienste, Geschichte, Politikwissenschaft, Psychopathologie, Sozialwissenschaften und Jura.

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Bisher gibt es so etwas nicht und deshalb werkeln einzelne Akademiker und Studenten in ihrem begrenzten Bereich vor sich hin. Der Journalismus-Student lernt in seinen Vorlesungen nichts über Geheimdienste, Kriminologie, Militärgeschichte oder Psychopathologie, soll aber später in einer Redaktion über bewegende Weltereignisse schreiben. Der angehende Jurist erstickt in Paragraphen und hat keine Zeit, über seinen Tellerrand zu gucken. Der Psychiater diagnostiziert depressive und emotional instabile Patienten, versteht aber das Ausmaß der Psychopathie und des Narzissmus in der Gesellschaft nicht. Der Historiker weiß zu wenig über die Psyche der von ihm betrachteten zeitgeschichtlichen Personen oder über die Rolle von Geheimdiensten und er muss um irgendwelche Forschungsgelder buhlen und gefällige Arbeiten abliefern. Niemand in diesen akademischen Fächern ist scheinbar zuständig für das Thema Verschwörungen. Weil es unnötig ist? Weil überhaupt nur amateurhafte Verschwörungstheoretiker systematische und bewusste Bösartigkeit als Ursache betrachten für bedeutende Ereignisse weltweit? Man nimmt reale Verschwörungen äußerst ernst bei den Landeskriminalämtern, beim Bundeskriminalamt, beim Verfassungsschutz, beim Bundesnachrichtendienst, beim Militärischen Abschirmdienst, bei den Sicherheitsabteilungen von Großkonzernen, bei privaten Sicherheitsfirmen und erst recht im Kanzleramt. Einige Beamte verbringen ihren gesamten Tag damit, Verschwörungen aufzuspüren, die von anderen Ländern, Geheimdiensten, Terrorgruppen oder dem organisierten Verbrechen unternommen werden. Diese Beamten stammen aus dem gehobenen Polizeidienst oder hatten ursprünglich Jura studiert oder wurden direkt an den Universitäten angeworben, weil sie bestimmte Kriterien erfüllten. Man testet solche Kandidaten gründlichst auf ihre Eignung und steckt die besten davon in besondere Ausbildungseinrichtungen, zu denen der Rest der Bevölkerung keinen Zutritt hat. Gerade bei den höheren Ebenen der Geheimdienste laufen die Fäden diverser Wissenschaften zusammen und man bedient sich munter bei einer Bandbreite verschiedenster Forschungsergebnisse. Weiter unten sind die einzelnen Bereiche getrennt, sodass Sprachexperten Textfragmente übersetzen, deren inhaltliche Bedeutung sie nicht verstehen, Analysten Berichte schreiben und nie erfahren, ob diese einen Einfluss auf höhere Stellen haben, oder Agenten irgendwelche Missionen erfüllen, deren letztendlichen Sinn sie gar nicht erfahren dürfen. Kriminalbeamte

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praktizieren natürlich auch eine Aufgabenteilung und spezialisieren sich beispielsweise auf die Drogenfahndung oder auf die Jagd nach Terroristen. So werden allerhand Verschwörungen aufgedeckt und bekämpft. Aber was wäre mit Verschwörungen, die die höchsten Ebenen der deutschen Regierung und der deutschen Geheimdienste selbst betreffen? Dafür ist der gewöhnliche Geheimdienstler oder BKA-Fahnder nicht zuständig, dafür werden keine Dienstanweisungen erteilt und keine Mittel bereitgestellt, dafür gibt es keine Mechanismen und keine Ausbildung. Als einmal talentierte Steuerfahnder in den Geldströmen der hohen hessischen Politik fachmännisch herumstocherten, wurden sie kurzerhand versetzt, als paranoid und dienstunfähig eingestuft. 3 Wer ist also in Deutschland zuständig dafür, nach Verschwörungen in den höchsten Ebenen der Regierung zu fahnden und diese konsequent zu bekämpfen? Genau genommen die Regierung selbst. Und das ist das genaue Gegenteil von Gewaltenteilung. Die Presse kann diese Aufgabe nicht übernehmen, weil sie dafür weder die Ausbildung besitzt, noch die notwendigen Strukturen. Als herauskam, dass die amerikanische Spionagebehörde NSA das Handy der Kanzlerin und einige weitere wichtige Ziele in Deutschland abhörte, wurde praktisch klar, dass die US-Regierung aktiv nach Verschwörungen in den höchsten Ebenen des deutschen Staates Ausschau hält. Wer aber ist nun dafür zuständig, in den höchsten Ebenen der USA nach Verschwörungen zu forschen? Die US-Regierung selbst und die amerikanischen Massenmedien. Dies scheint oberflächlich zu funktionieren, angesichts solcher Skandale wie Richard Nixons Watergate oder Donald Trumps Russland-Verwicklungen. Aber trotz Nixons Rücktritt wegen einer kleinen illegalen Abhöraktion schnüffelten die NSA, die CIA und das FBI weiter, was das Zeug hielt. Trotz der theatralischen Ermittlungen wegen den Russland-Kontakten von Trump und dessen Team wagt niemand die These, dass Trump wahrscheinlich eher im Sinne westlicher Geheimdienste agierte als im Auftrag östlicher. Auch beleuchtet praktisch niemand, wie die mächtigsten US-Konzerne und politischen Elite-Clubs die letzten 100 Jahre lang verheerende Russlandgeschäfte tätigten. 4 Man darf nicht pauschal den Fehler machen, die mangelnde Qualität der Verschwörungsliteratur und der Verschwörungs-Medien des Internetzeitalters als

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Grund dafür herzunehmen, keine besseren Forschungen zu betreiben und sich mit der Widerlegung gängiger Mythen zu begnügen. In meinem vergangenen Buch „Das Böse entschlüsselt" habe ich moderne Erkenntnisse über das Böse aus verschiedenen Wissenschaften zusammengetragen, um mich einem zeitgemäßen, möglichst vollständigen Erklärungsmodell anzunähern. Nun erfolgt der Versuch, mich den konkreten Verantwortlichen für die miserablen Zustände auf der Welt und ihren Methoden anzunähern. Auch dafür ist eine fachübergreifende Untersuchung notwendig, die sich hauptsächlich auf Kriminologie, Geheimdienste, ausgewählte Geschichtsforschung, Politikwissenschaft und Psychopathologie stützt.

Quellen: [11 http://factsanddetails.com/russia/People and Life/sub9 2i/entrv-5024.html [2] https://www.welt.de/print/welt kompakt/print wissen/article107284093/DDRDrittes-Reich-Demokratie.html [3] http://www.rp-online.de/wirtschaft/finanzen/fuer-paranoid-erklaertesteuerfahnder-aus-hessen-von-gericht-rehabilitiert-aid-1.5630086 [4] https://en.wikipedia.org/wiki/Antony C. Sutton

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Tresore, Codes und Zerteilung

Bild: Shutterstock Was tut man, wenn man verhindern will, dass Unbefugte Zugang zu heiklen Daten erlangen? Man kann die Daten schreddern, in einen Tresor sperren, man kann sie verschlüsseln, man kann sie in einzelne Puzzleteile zerteilen und getrennt lagern, man kann gezielt Falschinformationen daruntermischen oder man kann mehrere dieser Techniken gleichzeitig anwenden. Regierungen stopfen bekanntermaßen so viele Daten wie sie nur können in ihre Tresore, verschlüsseln das Ganze nach unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen und lagern die einzelnen Teile auch noch getrennt, damit auch jemand mit „Top Secret"-Zugang keinen echten Überblick gewinnen kann. Bei bedeutenden Ereignissen entstehen in demokratischen Ländern Daten, die sich nicht alle wegsperren, schreddern und verschlüsseln lassen, aber man kann diese Daten immer noch zerteilen, getrennt aufbewahren, Falschinformationen daruntermischen und eine andere Form der Verschlüsselung benutzen: Man lässt den Papierberg voller Details dermaßen anwachsen, dass niemand

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mehr durchblickt, es sei denn, man hat „den Schlüssel", d.h. man weiß genau, wo man hinschauen muss und was die wesentlichen Aspekte sind. Auch die starre akademische Unterteilung in die Politikwissenschaft, Geschichtsforschung, Kriminologie, Psychopathologie usw. ist eine weitere Form der Zerteilung und der Verschlüsselung, denn jeder Fachbereich hat seine eigene Sprache, seine eigene begrenzte Denkweise. Eines der größten Hindernisse, um bedeutende Sachverhalte einzuschätzen, ist der schiere Umfang und der Detailreichtum. Der wichtigste Untersuchungsausschuss über den NSU-Skandal, bei dem die deutsche Regierung praktisch gegen sich selbst ermittelte und wo stapelweise Akten vernichtet wurden und Zeugen überraschend verstarben, produzierte weit über 100.000 Seiten Akten; mehr als die meisten Menschen in ihrem Erwachsenenleben jemals lesen. Gelöst war der Fall damit aber noch lange nicht. Stefan Aust und sein Partner benötigten mehr als ein Jahr Zeit, um über diesen Papierberg ein Buch in normaler Länge zu schreiben. Selbst wenn man 20 Stunden aufwendet, um das Buch zu lesen, ist man immer noch meilenweit davon entfernt, den Fall wirklich zu verstehen. Der Abschlussbericht der offiziellen 9/11 -Untersuchungskommission basierte auf 2,5 Millionen Seiten an Dokumenten, ist aber trotzdem keine zufriedenstellende Angelegenheit. Auch die doppelte Menge an Aktenmaterial hätte daran nichts geändert, denn die wichtigsten Daten blieben geheim und waren der Kommission nicht zugänglich. Ein Bericht für den US-Senat über das Folterprogramm nach 9/11 ist 6700 Seiten lang und als geheim eingestuft, wobei kaum ein Senator sich schlappe 112 Stunden Zeit genommen hat, um ihn zu lesen. Bei acht Stunden Lesen am Tag bräuchte man zwei Wochen dafür. Online findet sich eine nicht-geheime Zusammenfassung, die inklusive Anhang 525 Seiten lang ist, was immer noch mehr darstellt, als der durchschnittliche Bürger pro Jahr liest. Es befinden sich übrigens sehr viele Schwärzungen im Text und man bräuchte als Kontext zum besseren Verständnis eigentlich noch ein paar Fachbücher zu dem Thema obendrauf. Ausgangsmaterial für den Bericht waren atemberaubende 6,3 Millionen Seiten Akten. Macht 13125 Tage Lesearbeit zu je 8 Stunden, also insgesamt 36 Jahre. Das klingt, als hätte man einen Roman geschrieben über jeden

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wichtigen Dschihadisten von hier bis Mekka. Es geht aber in Wirklichkeit nur um 39 Terroristen und Terrorverdächtige. In den Geheimgefängnissen seien zum Höhepunkt ganze 119 Gefangene gewesen. Das Attentat auf Präsident John F. Kennedy? Millionen Seiten an Akten wurden veröffentlicht und 2017 kam noch ein Berg bisher geheimer Dokumente dazu, aber wir können heute trotzdem nur mit einer gewissen Sicherheit abschätzen, dass es weitere Täter gegeben hat mit unbekannter Herkunft und mit unbekanntem Motiv. Die Linken und die gängigen Verschwörungsautoren machten aus Kennedy einen strahlenden Helden und Rebellen gegen das Establishment, obwohl er in Wirklichkeit mit seinem Bruder von der CIA gebremst werden musste, was illegale Operationen anbetraf, nicht umgekehrt. 1 Seine Administration war voller gefährlicher Insider und es gab bei ihm keine Spur einer Rebellion. Weder die Sowjets noch die amerikanischen Eliten hatte ein erkennbares Mordmotiv. Wir sind trotz Millionen an Akten ratlos und die Verschwörungsautoren gaben uns einen Haufen falscher Mythen. Als die Organisation Wikileaks die Log-Dateien des Irak- und AfghanistanKrieges in die Hände bekam, hatte das Ganze den Umfang von fast einer Million Seiten. Wikileaks verfügte nicht einmal annähernd über genug Manpower, um das Material zu sichten und zu bewerten. Also übertrug man es in ein praktischeres Datenbankformat und übergab es an Rechercheteams der NY Times, vom SPIEGEL und vom guardian. Es gibt wahrscheinlich keinen einzigen Redakteur oder irgendeinen Leser, der wirklich alles von dem Quellmaterial gelesen hat. Selbst wenn jemand alles gelesen hätte, wäre das daraus resultierende Bild höchst unvollständig und irreführend, weil die zugrundeliegenden Datenbanken von vorneherein vom US-Militär bereinigt und mit falschen Informationen angereichert waren. So berichteten dann die großen Zeitungen, dass insgesamt nur knapp 100.000 Tote im Irakkrieg zu verzeichnen waren und dass die meisten Iraker von anderen Irakern getötet worden seien. Wer's glaubt wird selig. In den Parlamenten läuft das gleiche Spielchen: Gesetze werden in aller Regel von Lobbygruppen oder speziellen Juristen-Teams als hochkomplizierte Gesetzespakete entworfen und den Parlamentariern oft noch in unlesbarer Form mit zu wenig Vorlaufzeit auf den Tisch geknallt. Das Gesetzespaket kann sogar nur

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eine Auflistung sein von Änderungen an bestehenden Gesetzestexten; ausgetauschte Halbsätze und veränderte Kommata und allerhand juristisches Fachchinesisch. Die Abgeordneten winken so etwas meistens einfach durch, ohne es gelesen oder verstanden zu haben. Manche Parlamentarier haben wenigstens noch früher mal Jura studiert, aber sind dennoch nicht zwangsläufig in der Lage, spezialisierte Rechtsgebiete zu verstehen. Wenn ein Biochemie-Konzern argumentieren will, dass die eigenen gentechnisch veränderten Produkte sicher seien, produziert er so viele Akten, dass diese in zwei LKWs hineinpassen, und schickt das Ganze dann an die zuständige Regulierungsbehörde, die gar nicht die Kapazitäten hat, um den Papierberg zu bearbeiten. Meistens wird nur eine grobe Stichprobe des Materials vorgenommen. Man erkennt also, dass Papierberge und vermeintliche Wissenschaftlichkeit unsere zeitlichen und bildungstechnischen Kapazitäten völlig überfordern. Es ist nichts Weiteres als eine Art Verschlüsselung von Daten. Entschlüsseln kann man sie nur, wenn man weiß, aufweiche wichtigen Puzzleteile man achten muss. Dabei helfen uns die Kriminologie und die Kriminalistik, denn diese Fachrichtungen verstehen genau, wie man beispielsweise das verschachtelte Geflecht aus Briefkastenfirmen von organisierten kriminellen Banden entwirrt. Diese Banden wissen genau, wie man Informationen schützt. Und Ermittler wissen, wie man trotzdem da drankommt. Von Geheimdienstlern können wir auch enorm viel lernen. Das gemeinsame, verbindende Element sämtlicher Vorgänge und „Verschwörungen" ist der Mensch an sich und dieser ist relativ gut überschaubar. Mein Buch „Das Böse entschlüsselt" handelt davon. Es gibt einen lehrreichen Witz über die unnötige Verkomplizierung von Zusammenhängen. Dieselbe Rechenaufgabe wird an verschiedenen Schulen in unterschiedlich umständlicher Form gestellt: Hauptschule Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 50 Euro. Die Erzeugerkosten betragen 40 Euro. Berechne den Gewinn.

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Realschule Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 50 Euro. Die Erzeugerkosten betragen 4/5 des Erlöses. Wie hoch ist der Gewinn? Gymnasium Ein Agrarökonom verkauft eine Menge subterraner Feldfrüchte für eine Menge Geld (G). G hat die Mächtigkeit 50. Für die Elemente aus G gilt: G ist 1. Die Menge hat die Herstellungskosten (H). H ist um 10 Elemente weniger mächtig als die Menge G. Zeichnen sie das Bild der Menge H als die Tilgungsmenge der Menge G und geben sie die Lösung (L) für die Frage an: Wie mächtig ist die Gewinnsumme? Wissenschaft kann uns in ein Labyrinth hineinziehen, aus dem wir nicht mehr herauskommen, kann uns aber auch die richtigen Wege aufzeigen, um unsere Probleme zu lösen. Verschwörungsliteratur und andere Verschwörungsmedien bieten meist fehlerhafte Codes an zum Entschlüsseln von Daten und dem Herausarbeiten von wiederkehrenden Mustern. Wenn jemand beispielsweise glaubt, dass die „Protokolle von Zion" echt sind und dass ein paar jüdische Händler aus dem Frankfurter Ghetto im Handumdrehen die Macht über das britische Imperium und die USA übernommen hätten, dann wird derjenige dieses Muster auf alle vergangenen und aktuellen Fragen anwenden und damit immer danebenliegen. Auch wenn jemand einen ganzen Stapel Verschwörungsbücher liest und entsprechende Webseiten und Filmchen konsumiert, fehlen demjenigen immer noch elementares Wissen über Geschichte, Geheimdienste, Kriminologie und Psychopathologie. Die akademische Welt und die Massenmedien haben sich damit begnügt, gängige Verschwörungspublikationen zu kritisieren und größtenteils zu widerlegen, anstatt selbst bessere Forschungen über Verschwörungen zu betreiben. Die medizinischen Publikationen von vor 300 Jahren waren auch ziemlich armselig, aber glücklicherweise hatten Leute dies nicht als Signal aufgefasst, ihre Forschungen einzustellen. Das gängige Mantra lautet, dass Verschwörungstheoretiker sich einfache Erklärungen suchen für eine hochkomplizierte Welt, die ihnen Angst macht. Verschwörungstheorien böten das beruhigende

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Gefühl, dass die Welt mit all den zufälligen, schlimmen Ereignissen doch zumindest erklärbar sei. Allerdings bricht in der Realität bei Geheimdiensten und Regierungen nach schockierenden Überraschungen sofort der Alarm aus und man begnügt sich nicht mit irgendwelchen Beschwichtigungen über Zufälle, sondern man untersucht sofort mit allem Nachdruck mögliche Verschwörungen hinter dem Ereignis. Die Sowjets befürchteten nach dem Attentat auf Präsident Kennedy zunächst, dass rechte Kreise Amerikas dahintersteckten, um öffentlich die Sowjetunion zu beschuldigen und den militärischen Druck erhöhen zu können. Der Schütze Lee Harvey Oswald hatte zu allem Übel noch Zeit im Ostblock verbracht und in Mexiko City Kontakte unterhalten zum KGB.2 Jetzt könnte man die Paranoia des Kalten Krieges belächeln, aber die Analysten des Kremls waren alles andere als Spinner und Anfänger, sondern evaluierten einfach sachlich die verschiedenen Szenarien. Die US-Führung wiederum glaubte nicht an eine sowjetische Verschwörung, denn diese hätte den Sowjets letztendlich nur geschadet, und vertuschte nach Kräften die Akten über Oswalds Kontakte zum KGB, damit das amerikanische Volk nicht denkt, der dritte Weltkrieg stünde vor der Tür. Bei einem Terroranschlag beginnt sofort die Suche nach weiteren Zellen der Tätergruppe sowie nach staatlichen und nichtstaatlichen Hintermännern. Die Sowjets hatten in der DDR, im mittleren Osten, auf Kuba und an weiteren Orten verschiedene Arten von Terroristen ausgebildet, während die CIA in Bayern oder Südamerika „Freiheitskämpfer" trainierte. Die CIA siedelte gleich in München die radikale Muslimbruderschaft an, weil man sich spionagetechnisch und geostrategisch einen Nutzen davon erwartete. 3 Bricht eine neue Supergrippe aus, werden unsere Behörden sofort untersuchen, ob der Erreger nicht vielleicht von einem fremden Staat im Labor gezüchtet und dann bei uns in Umlauf gebracht worden war. Im Zweiten Weltkrieg bereiteten die Briten und Amerikaner eine Operation vor, um notfalls ganz Deutschland mit Milzbranderregern zu verseuchen.4 Sogar eine Reaktorkatastrophe wird nicht einfach so hingenommen: Da Russland und Weißrussland nun ein Kernkraftwerk in einer Erdbebenzone an der Grenze zu Europa bauen und es bereits Zwischenfälle gab, befürchten Sicherheitsexperten, dass ein größerer Vorfall inszeniert werden könnte, damit die

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Menschen aus dem Baltikum evakuiert werden müssen. Das entstehende Chaos könnte von Russland ausgenutzt werden, um das Baltikum zu erobern.5 Akademiker haben schon versucht, öffentlich bestätigte Verschwörungen wie etwa den dünnen Watergate-Skandal zu zählen, die Anzahl der beteiligten Personen zu schätzen und dann Pi mal Daumen gerechnet, dass Verschwörungen umso eher ans Tageslicht kämen, je mehr Beteiligte es gibt und dass deshalb größere Verschwörungen unwahrscheinlich seien. Dass die Erfolge von Geheimdiensten und generell das meiste an Geheimdienstarbeit nie an die Öffentlichkeit dringt, erwähnen diese Forscher nur am Rande. Genauso wenig fragen sie Psychologen danach, inwiefern sich die antisoziale Persönlichkeitsstörung und die narzisstische Persönlichkeitsstörung auswirken auf systematisches bösartiges Verhalten im Verborgenen. Man geht davon aus, dass man für einen einfachen akademischen Grad rund 150 Fachbücher sowie eine Vielzahl an Fachartikeln gelesen haben muss. Rund 300 Bücher sind für einen Doktortitel nötig, und insgesamt ca. 450 Bücher für einen Professor-Titel. Natürlich sind damit Fachbücher aus einem einzelnen akademischen Fach gemeint und es „gehört sich nicht", sich außerhalb des eigenen Fachbereichs irgendwo einzumischen. Natürlich macht es wenig Sinn, wenn jemand, der auf einen Fachbereich innerhalb der Physik spezialisiert ist, sich einmischen will in eine hochspezialisierte Debatte aus der Geschichtsforschung. Aber wenn wir Machtstrukturen und organisiertes Verbrechen des höchsten Organisationsgrades auf nationaler und internationaler Ebene erforschen möchten, dann stellen wir fest, dass es dafür keine ausgebildeten Fachleute gibt. Man müsste sich seine Bildung aufteilen auf ausgewählte Fachliteratur über

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Kriminologie/Kriminalistik



Psychopathologie



Geschichte



Militärwesen



Geheimdienstwesen



Politikwissenschaft

.

Etc.

Ich selbst führe auf meiner Webseite recentr.com eine Liste mit der Fachliteratur, die ich gelesen habe und Sie können schnell erkennen, dass ich in etwa eine solche Aufteilung in verschiedene Fachgebiete vorgenommen und insgesamt so viele Titel gelesen habe wie es für einen Professortitel nötig wäre. Das heißt, ich habe nicht die Spezialisierung auf einen einzelnen Fachbereich, sondern mir eine auf mein Ziel maßgeschneiderte, fachübergreifende Bildung angeeignet. Diese Fachliteratur ist in den vergangenen 12 Jahren deutlich und nachvollziehbar in meine Arbeit eingeflossen. Nur ein kleiner Bruchteil der von mir gelesenen Literatur zählt zu der Kategorie der klassischen, stereotypen Verschwörungswerke. Solche Bücher sind von stark unterschiedlicher Qualität und können sowohl in die Irre führen, als auch interessante Denkanstöße bieten. Verschwörungsautoren waren fast die einzigen, die zumindest mit einem stärkeren Bewusstsein für Kriminologie und Geheimdienstwesen die Geschichte betrachtet und die Dogmen der Politikwissenschaft hinterfragt haben. Solche Autoren nutzten aber leider immer wieder fahrlässig oder in voller Täuschungsabsicht Fälschungen als Quellmaterial und verkauften blanke Spekulation als Fakt. Viele Kernbehauptungen über verborgene Mächte aus der Verschwörungsliteratur der letzten 200 Jahre lösen sich bei näherer Betrachtung in Luft auf, was aber kein Anlass sein darf, das Interesse an Forschungen über Machtstrukturen zu verlieren. Wie bereits erwähnt: Die medizinischen Publikationen vor 200 Jahren waren auch ziemlicher Murks. Ein Akademiker, derein Buch veröffentlicht, braucht nur seinen akademischen Titel, seine Universität und sein spezielles Fachgebiet im Klappentext angeben, damit der Leser ungefähr weiß, welche Bildung der Autor sich angeeignet hat. Bei typischen Verschwörungsbüchern hingegen haben die Autoren meistens keine akademischen Grade oder nur universitäre Abschlüsse in Feldern, die für Verschwörungen nicht oder nur teilweise relevant sind. Also bleibt oft nur der Blick in das Quellenverzeichnis des Verschwörungsbuches und der Abgleich, um einzuschätzen, ob der Autor überhaupt eine Ahnung hat. Der inzwischen äußerst erfolgreiche amerikanische Radiomoderator und Internet-Guru Alex Jones, der sogar mit dem US-Präsidenten Trump nach dessen Wahlsieg telefonierte, galt ab den späten 1990er Jahren als Figur der aufgeklärten, weltlichen und rationa-

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len Verschwörungsmedien, aber leider sanken die Qualitätsstandards im Laufe der Jahre immer mehr. Er gab 2017 in seiner Sendung zu, dass er in den vergangenen fünf Jahren nicht ein einziges Buch gelesen hat und in den fünf Jahren davor nur etwa 4 Bücher pro Jahr.6 Es gibt heutzutage mehr Verschwörungsblogger und Youtuber als jemals zuvor, aber die Masse und die Qualitätsmängel der produzierten Medien vernebeln eher die Realität, anstatt sie zu enthüllen. Meistens landen diejenigen in der Verschwörungsszene, die beruflich viel Zeit vor dem Computer verbringen, Leute die zum ersten Mal mehr Freizeit haben und sich privat weiterbilden möchten, sowie diejenigen, die von vorneherein ein größeres Misstrauen gegenüber Autoritäten hegen. Diese Leute studieren eine gewisse Anzahl an echten und vermeintlichen Verschwörungen, ohne die einzelnen Fälle wirklich einschätzen zu können und ohne sich ein grundlegendes Wissen über geheimdienstliche Mechanismen, Geschichte und das menschliche Böse anzueignen. Wie stark jemand von Verschwörungen allgemein überzeugt ist, hängt in aller Regel davon ab, für wie überzeugend derjenige die ganzen verschiedenen Einzelfälle hält. Wenn jemand sich in zu vielen Details und Falschinformationen verheddert oder wenn gegenteilige Informationen für Verwirrung und Zweifel sorgen, kann die gesamte Sichtweise dieser Person über Machtstrukturen ins Wanken geraten. Bei dem Versuch, Mitmenschen von Verschwörungen zu überzeugen, probiert der typische Verschwörungstheoretiker in aller Regel, seine Mitmenschen zu überladen mit Einzelfällen, was aber wegen der Masse an Daten selten zum Erfolg führt. Wählt er dabei auch noch eine ungeeignete Präsentation, oder benutzt er dabei fehlerhafte Informationen, wird der Verschwörungstheoretiker auf Ablehnung stoßen und sich zunehmend isolieren. Es ist enorm schwierig, einen Mitmenschen mit der klassischen Methode zum Verschwörungstheoretiker zu machen. Man müsste diesen Mitmenschen von einer hohen Zahl an komplexen Einzelfällen überzeugen, diverse wiederkehrende Muster von Verschwörungen vermitteln und dabei noch gegenteilige Propaganda bekämpfen. Die wenigsten lassen sich von jemand anderem derart umfangreich beeinflussen und mit Material versorgen. Erlebt der Verschwörungstheoretiker beim Missionieren Misserfolge, isoliert er sich zunehmend, hält die Masse der Menschen für zu blöd und zieht sich in die Blase seiner Szene zurück, was den Blick auf die Realität vollends vernebelt. Die allermeisten typischen Verschwörungsbücher sind Flickenteppiche aus Versatzstücken vergan-

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gener Verschwörungsbücher, garniert mit einem esoterischen oder radikalpolitischen Glaubensbekenntnis, plus dem Aufruf zum Missionieren. Verschwörungstheoretiker, die genügend Material (oft zweifelhafter Qualität) über Einzelfälle konsumiert haben, glauben irgendwann, die relevanten Muster erkannt zu haben und pressen fortan jeden neuen wichtigen Vorfall in diese Muster. Wenn das konsumierte Material beispielsweise nur Verschwörungen westlicher Machtkreise behandelte, denkt der Verschwörungstheoretiker fortan in diesem eng gesteckten Rahmen und wird blind für Verschwörungen Chinas und Russlands. Jedes Mal, wenn etwas Bedeutendes passiert, wird dann automatisch die amerikanische CIA dahinter vermutet, obwohl ganz andere Geheimdienste oder nichtstaatliche Akteure hinter der Sache stecken könnten. Ein ganz typischer Irrsinn aus der heutigen Verschwörungsszene ist, die russische Diktatur in den schönsten Farben zu malen und den inkompetenten und wahrscheinlich psychopathischen Diktator Putin als politischen Messias zu betrachten, der heldenhaft gegen die (jüdische) Neue Weltordnung der llluminaten kämpft. Gerade die Mythen und Märchen über eine jüdisch dominierte Weltverschwörung führten zu allerhand zirkulärem Denken: Die Protokolle von Zion werden beispielsweise als überzeugend wahrgenommen, weil sie angeblich genau die Entwicklungen des 20. Jahrhunderts voraussagten. Wie interpretieren aber solche Verschwörungstheoretiker das 20. Jahrhundert? Nach dem Denkmuster aus den Protokollen von Zion. So dreht man sich geistig im Kreis, ist gefangen in einer Denkfalle, man fühlt sich aber geistig befreit. Es ist daher absolut notwendig, zuallererst die Muster des organisierten Bösen, der organisierten Kriminalität und der geheimdienstlichen Arbeit zu verstehen, relevantes Grundwissen über Geschichte zu erlangen, sowie kritisches Denken und Screening-Techniken zur Beurteilung von fremden Personen zu trainieren. Wenn man dies verstanden hat, wird man künftig die Welt mit anderen Augen betrachten. Es ist wesentlich einfacher und lohnenswerter, jemand anderem diese grundlegenden Sachen zu vermitteln, anstatt seinen Mitmenschen mit 100 verschiedenen Verschwörungstheorien zu erschlagen. Geheimdienste und Ermittler gehen methodisch vor, bestimmen einen Kreis von verschiedenen Verdächtigen, entwickeln verschiedene Szenarien und fahnden dann in die vielversprechenden Richtungen. Selbst wenn man zu keinem 100% eindeuti-

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gen Ergebnis gelangt, weist man verschiedenen Szenarien Wahrscheinlichkeiten zu. Auch Geheimdienstler sind leider in der Praxis diversen politischen Beschränkungen unterworfen und werden immer wieder ausgebremst oder ihre Einschätzungen werden von der Politik schlicht ignoriert. Bei dem US-Präsidenten Richard Nixon stapelten sich bald die täglichen Lageberichte der CIA ungelesen im Tresor, worauf der Strippenzieher Henry Kissinger der Agency zu verstehen gab, dass man gar keine mehr zu schicken braucht. Auch der aktuelle Präsident Trump geht lieber Golf spielen, anstatt die Berichte seiner Geheimdienste zu studieren. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der heute für einen russischen Energiekonzern arbeitet, interessierte sich im Amt wenig für die Warnungen der deutschen Geheimdienste über russische Spionage. Dennoch kann man sich an der generellen nachrichtendienstlichen Analysemethodik orientieren und ideologische sowie politische Verzerrungen vermeiden. Quellen: [1] CIA: Die ganze Geschichte, Tim Weiner, Fischer Verlag [2] https://kurier.at/chronik/weltchronik/veroeffentlichte-akten-kennedysmoerder-und-der-kgb/294.671.248 [3] Die vierte Moschee: Nazis, CIA und der islamische Fundamentalismus, lan Johnson, Klett-Cotta [4] Deckname Artischocke: Die geheimen Menschenversuche der CIA, Egmont R Koch und Michael Wech, Goldmann Verlag [5] http://www.bild.de/bild-plus/politik/ausland/wladimir-putin/putinatomkraftwerk-53185050.bild.html [6] Alex Jones admits he doesn't read any books, https://www.youtube.com/watch?v=h8DAHyqipxw

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Der Werkzeugkasten der Macht

Bild: US-Präsident Trump, Shutterstock Historiker wissen eigentlich, dass sich Verschwörungen und Gegenverschwörungen aufeinandertürmen. Man kann bis ins alte Griechenland oder Rom zurückgehen, wo die Verschwörung zu einer Kunstform gemacht wurde und viele Texte überliefert sind über die Mechanismen einer tyrannischen Herrschaft. Wenn man im Lateinunterricht die gallischen Kriege durchkaut, kann man sich zwar für gebildet halten, es entgehen einem aber die eine Million Toten und eine Million Versklavten des Konflikts. Auch relativ bekannt in gebildeteren Kreisen ist Machiavellis Werk „Der Fürst" von 1513, wobei auch hier nur wenige jemals den gesamten Text lesen und einordnen. Kapitel 17 enthält die gemeinhin bekannte Empfehlung, im Zweifelsfall lieber Furcht zu verbreiten anstatt Sympathien zu wecken, denn das Volk sei undankbar, wankelmütig, falsch und feige. Wenn die Lage insgesamt nicht rosig ist, wuchern die Verschwörungen inmitten der unzufriedenen Bürger, um den Fürsten abzusägen, es sei denn, der Abschreckungseffekt ist hoch genug. Das Buch bietet einen Überblick über den mittelalterlichen Werkzeug-

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kästen für Machthaber, ist aber viel zu kurz, hoffnungslos veraltet und sehr oberflächlich. Die russischen Zaren waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts trotz ihres gesammelten Wissens über die Unterdrückung von Menschen und die Bekämpfung von Verschwörungen am Ende ihres Lateins angekommen. Ihr Werkzeugkasten befand sich auf dem Stand des Mittelalters und war völlig ungeeignet, um ein Großreich damit anzuführen und mit den europäischen Mächten zu konkurrieren. Unzufriedene Militärs und revolutionäre Gruppen hatten nur ein Ziel: Die Zaren durch Attentate umbringen. Die Eliten von Großbritannien und den USA hingegen hatten sich längst einen moderneren Werkzeugkasten zugelegt, sich in den Hintergrund begeben und einen Haufen Agenten, Strohmänner und Tarnorganisationen benutzt, um in den Parlamenten politisches Theater zu spielen und auf den Märkten die Illusion des Kapitalismus zu schaffen. Die Kommunisten übernahmen nach der Revolution in Russland einfach die Handbücher der alten zaristischen Geheimpolizei und verpassten diesen nur neue Deckblätter. Die alten Straflager und Exil-Kommunen, aus denen der junge Stalin früher noch mühelos mehrfach geflohen war, wurden runderneuert zu viel härteren Gulags, aus denen es so gut wie kein Entrinnen mehr gab. Anstatt die modernen europäischen Machtstrukturen zu kopieren, orientierten sich Lenin und seine Revolutionäre an den altbackenen Methoden der Zaren und erhöhten einfach den Grad an Grausamkeit und Überwachung. Historiker haben dokumentiert, dass insbesondere zu Beginn des „roten Terrors" mittelalterliche Folterstrafen benutzt wurden. Das kommunistische System konnte zwar dauerhaft den Widerstand in der Bevölkerung brechen, aber die Gesellschaft war viel zu gelähmt, um eine lebendige Wirtschaft möglich zu machen. Nur massenhafte Technologietransfers aus dem Westen hielten den Sozialismus am Leben. Es gibt eine Evolution von Herrschaftsmethoden, bei denen sich die effektiveren und besser an die wechselnden Umstände angepassten durchsetzen. Es gibt tatsächlich wissenschaftliche Forschungen für effektivere Unterdrückung und auch (groß angelegte) Experimente dazu. Die allermeisten Herrschaftsformen in der Geschichte waren relativ offen und direkt, wobei natürlich hinter

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den Kulissen regelmäßig die Fetzen flogen und es auch eine gewisse Verteilung der Kontrolle gab. Aber im Großen und Ganzen wussten die gewöhnlichen Menschen, wer die Macht besaß und wie diese angewandt wurde, dementsprechend richtete sich der Ärger über die miserablen Zustände sofort gegen die sichtbare Obrigkeit. Erinnern Sie sich an die zwei einzigen entscheidenden Fragen in der Politik: Wer oder was ist für die Misere verantwortlich und wer oder was kann die Misere beheben? Die Obrigkeit hatte begrenzte Werkzeuge, um die Bevölkerung einzuschüchtern, die Wut abzulenken oder irgendwie abzumildern. Genau solche Werkzeuge und Strategien beschrieb Machiavelli in seinem Buch. Ein Klassiker war das Judenpogrom, wo sich die angestaute Wut des Volkes in einer Gewaltorgie entlud und die Täter nach dem Massaker wieder nach Hause gingen. Besonders in Russland wurde diese Karte lange Zeit unter der Zarenherrschaft regelmäßig gespielt und ging schließlich nach hinten los, weil die Juden sich hoffnungsvoll den Kommunisten anschlossen und dabei mithalfen, die Zaren zu stürzen. Machiavelli betonte immer wieder die notwendigen Grenzen der Grausamkeit, um nicht diesen Kontrollmechanismus zu überdehnen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich durch den Handel, den technischen Fortschritt und den Beginn der Industrialisierung ein neues Wohlstands* und Bildungsniveau in der Bevölkerung. Auch der Zugang zu billigen, modernen Schusswaffen und den Erzeugnissen der Druckerpresse waren eine neue Situation. Die Eliten konnten davon einerseits profitieren, weil sich mehr Steuereinnahmen abschöpfen und technische Erfindungen für die Rüstung nutzen ließen, aber es barg auch andererseits ein gewaltiges Risiko für die Herrscher, weil das Volk in zunehmendem Maße über sich selbst bestimmen wollte und keine gierigen Könige mehr brauchte. Die alten Tricks, wie etwa plumpe Einschüchterungsversuche, Propaganda oder Judenpogrome funktionierten nicht mehr so richtig, da die Menschen selbst entschieden, was sie lesen wollten und weil es schlicht zu teuer wurde, mit einem stehenden Heer aus Berufssoldaten eine große Bevölkerung einzuschüchtern, die über Gewehre verfügte. Es mussten also neue Tricks und Methoden her, um die Herrschaft des Adels auch für die Zukunft abzusichern. Die wichtigsten Veränderungen waren die Verlagerung auf geheimdienstliche Methoden und eine Verschleierung der Herrschaftsverhältnisse. Man musste nur genügend Tarnorganisationen und Agenten etablieren, um den Eindruck zu schaffen einer hochkomplizierten und ständig wechselnden Machtstruktur, die nicht einmal von Experten mehr wirklich verstanden werden kann, geschweige denn vom gewöhnlichen Volk. Das

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britische Imperium war dabei am talentiertesten und begann frühzeitig, mit Parteien und Freimaurerlogen und wundersam reich gewordenen Unternehmern (Strohmännern) zu experimentieren. Im begrenzten Umfang war es auch möglich geworden, Kriege und Bürgerkriege zu führen, um die Bevölkerungen zu schwächen, zu traumatisieren und in ihrer Entwicklung zurückzuwerfen. Zu Machiavellls Zeiten wäre ein solches Manöver in den allermeisten Fällen viel zu riskant gewesen, da es noch zu viele konkurrierenden Imperien gab. Für das britische Imperium jedoch hätte es beispielsweise Sinn ergeben, den Krieg gegen die amerikanischen Kolonien zu führen und zum Schein zu verlieren. Auf diese Weise konnte man die Entwicklung der amerikanischen Bevölkerung bremsen und die Illusion schaffen, Amerika sei nun eine unabhängige Republik mit einem demokratischen Parteiensystem. Die amerikanischen Bürger hatten plötzlich nicht mehr einen König über sich, dessen Steuereintreiber und Soldaten man hasste, sondern einen riesigen Wust an Politikern, Beamten, Großkapitalisten und Bankiers. Auch die neuen Ideologien und zahllosen neuen Kirchen hielten die Leute auf Trab. Heute noch wird von Politikwissenschaftlern die Welt als „summendes und brummendes Chaos" beschrieben, welches man nicht wirklich verstehen könne. Meine eigene Politik-Professorin damals an der Universität gestand mir gegenüber ein, geistig kapituliert zu haben. Während ich hier versuche, moderne Formen der Herrschaft zu verstehen und Gegenstrategien zu entwickeln, arbeiten Herrscher daran, ihre Methoden zu perfektionieren. Der gebildete Durchschnittsbürger ist weitestgehend auf dem Stand von Machiavelli und dem Mittelalter stehengeblieben, während die Schüler von heute kaum noch wissen, ob die DDR oder Nazideutschland Diktaturen waren. Es existieren sehr viele bedeutende und aufschlussreiche Texte über kriminelle Methoden der Herrschaft, die öffentlich zugänglich sind. Zudem lassen sich weitere Forschungsarbeiten aus verschiedenen Wissenschaften hinzuziehen: •

Erkenntnisse über Persönlichkeitsstörungen wie Narzissmus und Psychopathie

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Weitere wissenschaftliche Erkenntnisse über das menschliche Böse



Algorithmen, die anhand bestimmter Faktoren vorhersehen können, wann und wo es zu Unruhen und Aufständen kommt.



Die Psychometrie: Neue Methoden der automatisierten digitalen Vermessung einer Persönlichkeit durch Algorithmen



Forschung zu Mechanismen, die die Akzeptanz von Unterdrückung begünstigen (oftmals unter dem Sammelbegriff Stockholm-Syndrom zusammengefasst)



Handbücher für geheimdienstliche und militärische Operationen wie Attentate, Staatsstreiche, Zersetzungen, Infiltrationen oder Sabotageakte



Allgemeine Bücher aus der Militärgeschichte



Historische Aufzeichnungen über Taktiken, Strategien, Erfolge und Misserfolge von totalitären Diktaturen



Kritische Geschichtsforschung zu verschiedenen Imperien



Ausbildungshandbücher für Verhöre (inklusive Folter)



Handbücher und Ausbildungsmaterial für Aufständische und Guerillatruppen sowie für Aufstandsbekämpfung

• •

Historische Bücher über Sklaven und Sklavenhandel Untersuchungen zur Entstehung absichtlich komplizierter und überteuerter Rechtssysteme als Zwangsjacke für die Bevölkerung mit Gummiparagrafen und Fachchinesisch



Fachwerke zur Kriminologie und Kriminalistik; insbesondere über das organisierte Verbrechen



Bücher von (ehemaligen) Geheimdienstlern bzw. Überläufern



Kritische Bücher aus der Politikwissenschaft



Etc.

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Psychopathie und Narzissmus als entscheidende Faktoren

Die antisoziale Persönlichkeitsstörung (Psychopathie) und die narzisstische Persönlichkeitsstörung sind sehr gefährlich und mit insgesamt rund 6% Anteil an der Bevölkerung auch noch weit verbreitet. Die Forschung darüber wird leider nur benutzt, um Serienkiller, Gewaltverbrecher und gewöhnliche Kriminalität besser zu verstehen. Kaum jemand traut sich, oder ist in der Lage dazu, mit dieser Forschung unser Verständnis von vergangenen und modernen Machtstrukturen zu erweitern. Die Verschwörungsautoren hinterfragten zwar Machtstrukturen stärker, benutzten dabei aber keine Erkenntnisse aus der Psychopathologie, sondern verwendeten religiöse, irrationale und rassistische Erklärungsmuster um eine Antwort darauf zu bieten, warum Verschwörereine außergewöhnliche Bösartigkeit demonstrierten. Populär war in der Verschwörungsliteratur immer die Sichtweise, Juden seien von vorneherein intrinsisch böse und die llluminaten seien vom Teufel getrieben. Ich habe mich in meinem vergangenen Buch „Das Böse entschlüsselt" im Detail mit den modernen Erkenntnissen zur Bösartigkeit aus verschiedenen Wissenschaften eingehend befasst. Es ist der Versuch, sich einer einheitlichen wissenschaftlichen Theorie über das Böse anzunähern und natürlich sind die Erkenntnisse über einen Serienkiller oder Mafiaboss auch übertragbar auf einen Politiker oder Monarchen oder Wirtschaftsboss.

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Die meisten alten Zivilisationen praktizierten noch unverhüllt und mit einer dreisten Selbstverständlichkeit Eroberungskriege, ethnische Säuberungen, Sklaverei, öffentliche Folterungen und (wie z.B. in Mittel- und Südamerika) sogar Menschenopfer. Heute kann man in der westlichen Welt zwar keine Sklaven mehr auf dem Markt kaufen, aber man kann illegale Bordelle besuchen, in denen Zwangsprostituierte aus Osteuropa und Russland arbeiten müssen und man kann sich alle möglichen Waren kaufen, die von Menschen in einem anderen Teil der Welt unter Sklavenbedingungen hergestellt worden sind. Eroberungskriege heißen heute „Militäraktionen" und „Verteidigung" oder werden über Tarnorganisationen abgewickelt. Folter wird nach wie vor benutzt von westlichen Regierungen, allerdings in abgeschotteten Einrichtungen. Soldaten werden in unnötigen Kriegen massenhaft geopfert. Eine kriminelle Gruppe von Psychopathen, denen jedes Mittel recht ist, kann sich mit anderen kriminellen Familien zu einem Kartell zusammenschließen und sich unter Umständen staatliche Macht aneignen. Die Adelshäuser in der Vergangenheit hatten nie eine echte Legitimation zur Herrschaft, sondern behaupteten ein Gottesgnadentum, hielten die Bauern als Sklaven und stahlen.

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was sie in die Finger bekommen konnten. Die Politikwissenschaft und die Geschichtsforschung arbeiten mit dem absurden Dogma, dass Wahlurnen und Politiker in der westlichen Welt das Böse und die organisierte Kriminalität in den Griff bekommen hätten. Die schlimmsten Persönlichkeitsstörungen zeigen uns, dass das Böse systematisch, organisiert und bewusst sein kann, und dass es für die schlimmsten Akteure keinerlei moralische Hindernisse gibt. Solche Raubtiere existieren in jeder Bevölkerung, unabhängig von der Hautfarbe oder Religion. Auch bei uns im Westen gab es nie die Entwicklung und Implementierung von modernen, wissenschaftlichen Werkzeugen zur Eindämmung des Problems psychopathischer und narzisstischer Machtstrukturen. Deshalb ist es höchst fahrlässig, bei westlichen Eliten von vorneherein systematische, organisierte, bewusste, heimtückische und zielgerichtete Bösartigkeit auszuschließen und stattdessen nur nach harmlosen Erklärungen zu suchen. Bei einem normal entwickelten Menschen funktioniert das Zusammenspiel der einzelnen Teile des Gehirns, wie es unsere Evolution festgelegt hat, und reguliert zwischen Aggression und Mitgefühl, zwischen Egoismus und Gemeinwohl. Ein glatter Psychopath hingegen ist völlig unbeeindruckt oder sogar erregt vom Leid anderer Menschen, empfindet Harmonie als unerträglich langweilig und kann nur von der Aussicht auf einen Raubzug wirklich begeistert werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie jemals einem filmreifen Serienkiller zum Opfer fallen, ist fast null, aber es ist garantiert, dass Sie in Ihrem Leben auf viele gefährliche Psychopathen treffen werden. Niemand testet Menschen auf Psychopathie oder eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, wenn diejenigen für ein politisches Amt antreten, zum Militär gehen oder in die Justiz oder an die Spitzen von Konzernen streben. Mit gewöhnlichen Persönlichkeitstests auf PapierFragebögen sind solche Raubtiere auch nicht zuverlässig aufzuspüren. Da bräuchte es schon Gehirnscans und Gentests. Mit solchen ScreeningWerkzeugen können aber auch umgekehrt psychopathische Eliten ihr Regime festigen und gezielt Leute anwerben, die solche Störungen haben. In vergangenen Zeiten konnte man Kandidaten natürlich auch ohne Hightech testen, wie beispielsweise mit offensichtlich unmoralischen Befehlen und Bewährungsproben. Die Geheimdienste sind fast die einzigen, die ein professionelles Screening betreiben und inzwischen gibt es auch vollautomatisierte Algorith-

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men, um Menschen anhand ihres Online-Verhaltens und anderer Daten einzuschätzen. Auch wenn die Popkultur inzwischen voll ist mit Geschichten über psychopathische Serienkiller und sich ein paar grundlegende Informationen über Psychopathie verbreitet haben, fehlt es in der breiten Bevölkerung immer noch an ausführlicherem Wissen und Einschätzungsvermögen. Viele weigern sich sogar, eine Psychopathie Hitlers in Erwägung zu ziehen, weil sie fälschlicherweise glauben, dass dies eine verminderte Schuld bedeutet. In Wirklichkeit sind Psychopathen durchaus schuldfähig, im Gegensatz zu Schizophrenen oder Psychotikern, die Stimmen in ihrem Kopf hören. Früher hatte man als Erklärungsmodell für das Böse und die miserablen Zustände noch den Teufel, Dämonen, Hexen und den Unglauben. Als gängige Methoden zur Bekämpfung des Bösen galten die Unterwerfung unter eine (grausame) Kirche, die Einhaltung von religiösen Regeln, die Abwehr böser Geister durch Rituale sowie die Folterung und Ermordung von Ungläubigen. Heute suchen sich Leute andere, fehlerhafte Erklärungsmodelle über das Böse heraus und stochern damit an dem eigentlichen Problem nur ein bisschen herum. Die Linken glauben, dass das Böse in der bürgerlichen Kleinfamilie und im Privatbesitz und Individualismus entsteht und bekämpfen somit all das, was sie für die Brutstätte des Bösen halten. Im Extremfall auch mit KGB und Gulags. Leute aus der demokratischen politischen Mitte denken, alles Böse komme von Abweichungen von ihrer schwammig definierten Mitte. Mit ihren Ritualen wie dem Gucken von Dokus über das Dritte Reich und mit dem Schulunterricht wollen sie die bösen Geister vertreiben. Die Rechten glauben, dass Andersdenkende, andere Rassen und die Ablehnung eines rechten Regimes das Böse heraufbeschwören. Psychopathen und Narzissten sind die geborenen und gemachten Anführer des Bösen, ob nun als alltägliche Unterdrücker oder als mächtige Weltenlenker. Den Unterschied macht die Größe ihres Machtbereichs, ihr Organisationsgrad und ihre Kompetenz. Der Normalbürger kann solche Narzissten und Psychopathen bisher fast überhaupt nie erkennen. Geht es um ertappte Serienkiller, die ihre Opfer portionsweise in die Kühltruhe packten, erkennt auch der Laie, dass es sich um einen Psychopathen handeln muss. Sobald aber ein Psycho-

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path in einem religiösen oder politischen Kontext handelt und einen Apparat zur Vertuschung und Verklärung zur Verfügung hat, verstehen die Bürger meist nur noch Bahnhof, lassen sich spielend leicht austricksen und glauben das, was sie glauben wollen. Der Normalbürger geht davon aus, dass die schiere Anzahl an Politikern, Beamten, Gerichten, Konzernen und anderen Institutionen in unseren westlichen Ländern eine effektive Gewaltenteilung und damit relativ hohe Sicherheit bietet vor apokalyptischen Zuständen, aber letztendlich sind alle Gruppierungen gleichermaßen verseucht mit Psychopathen und Narzissten. Die normalen Gruppenmitglieder können die gefährlichen Individuen weder zuverlässig identifizieren noch wirksam bekämpfen. Die Gesellschaft und die Machtstrukturen sind weitaus weniger komplex, als die meisten ahnen. In demokratischen, kapitalistischen Marktwirtschaften haben Bürger zumindest mehr Möglichkeiten, sich gegen Raubtiere zu wehren und sich weiterzubilden, aber letztendlich wurde unser begrenztes Maß an Freiheit nur deshalb von Eliten zugelassen, damit mehr Produktivität entsteht, die man (über Steuern etc.) abschöpfen kann. Mindestens 1% jeder Bevölkerung, egal welcher Hautfarbe oder Religion, sind volle Psychopathen. Weitere geschätzte 5% gehören zum Spektrum der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Das heißt noch nicht, dass alle oder die meisten dieser Figuren bewusst zusammenarbeiten. Das wäre auch überhaupt nicht notwendig. Es ist für ein verdecktes Regime ohnehin besser, wenn es nicht selbst direkt die Bürger drangsalieren muss, sondern wenn gewöhnliche Narzissten und Psychopathen diesen Job übernehmen, ohne dafür bezahlt zu werden und ohne direkten Auftrag. Die Geschichtsforschung zeigt uns unmissverständlich, wie die Zusammensetzung eines echten Regimes aussieht. Rund 5% einer Bevölkerung können problemlos die anderen 95% unterdrücken. Das heißt nicht, dass die höheren Gesellschaftsschichten komplett aus Menschen mit voll ausgeprägten Persönlichkeitsstörungen bestehen müssen, aber die Forschung deutet stark darauf hin, dass ein scharfer gesellschaftlicher Gegensatz besteht zwischen den Verrückten und den Normalen, ohne dass dies jemals offen zugegeben wird. Fast niemand, abgesehen von ausgebildeten Profis, beherrscht die Fähigkeit des Screenings, also der akkuraten Einschätzung anderer Personen hinsichtlich der Persönlichkeitsstruktur, Vertrauenswürdigkeit und potenzieller Gefährlichkeit. Solange dies so bleibt, schützen uns keine religiösen, wirtschaftlichen oder politischen Systeme vor dem Bösen.

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Wenn ein offenes oder verdecktes Regime sich in seiner Leitungsebene und seiner Verwaltungsebene zu einem wesentlichen Teil aus Narzissten und Psychopathen speist, entsteht dadurch auch ein gewisses Chaos. Solange bis also irgendwann künstliche Intelligenz und Roboter wichtige Arbeiten erledigen können, muss sich eine bösartige Elite eine gewisse Menge an normalen Bürgern als privilegierte Mittelschicht warmhalten. Ansonsten wäre ein solches Regime nicht lebensfähig und könnte nie genug produzieren, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und um mit anderen Regimen konkurrenzfähig zu sein. Dieser Chaos-Faktor zeigt sich immer wieder, wenn Adelige oder schräge Milliardäre aus dem westlichen Establishment miteinander heftig um Nebensächliches streiten oder sich gegenseitig umbringen und einkerkern wie in Russland. Diverse Mafia-Gruppen konnten sich in Europa und den USA relativ lange erfolgreich betätigen und diverse Territorien und Geschäftsfelder untereinander verteilen, ohne dabei jedoch nennenswerte staatliche Macht zu erlangen. In Kolumbien drängte der Drogenboss Pablo Escobar, der aus einfachsten Verhältnissen stammte, zeitweise ins Parlament und träumte davon, Staatsoberhaupt zu werden, aber der Staat zog in einen Krieg gegen ihn und holte sich Profis von den amerikanischen Behörden dazu, die ihn letztendlich zu Fall brachten. Nordkorea als offensichtlich psychopathisches Regime ist bekannt dafür, ständig wichtige Funktionsträger auf spektakuläre Weise hinzurichten, wenn sich kleinste Anzeichen für Verrat ergeben. Stalins Herrschaft in Russland war gekennzeichnet von politischen Säuberungen und eklatanten Fehlentscheidungen. Nur das amerikanische Lend-Lease-Programm konnte für die Russen die Wende bringen gegen die Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Dieser ChaosFaktor stiftet bei Beobachtern immer wieder Verwirrung, weil es ein scheinbarer Widerspruch ist zu dem Gedanken groß angelegter, hochorganisierter und geheimer Verschwörungen von Eliten gegen die breite Bevölkerung. Aber letztendlich handelt es sich auch bei den erfolgreichsten Psychopathen nur um Menschen, die teils irrationale Entscheidungen treffen und von Emotionen getrieben sind. Wenn Sie also das nächste Mal im Fernsehen oder in der Zeitung einen bekannten Politiker sehen oder einen Popstar, einen hohen Juristen, einen „visionären

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Firmenboss" oder einen einflussreichen „Menschenrechtler", dann ist diese Person mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von mindestens 6% ein Narzisst oder Psychopath. Da solche Zeitgenossen kaum oder keine inneren Hemmungen haben und auf den Laien wie geborene Anführer wirken können, ist die Gefahr dementsprechend groß. Dazu kommt noch eine weitere Quote an denjenigen, die zwar eine Persönlichkeit aus dem normalen Spektrum haben, aber unter dem direkten und indirekten Einfluss von anormalen Personen getäuscht oder gar einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Der Zusammenhang zwischen organisierter Kriminalität des höchsten Organisationsgrades und Persönlichkeitsstörungen liegt auf der Hand: •

Die betroffenen Personen lernen oft von einem frühen Alter ab konspiratives Vorgehen und eine Geheimhaltung ihrer Andersartigkeit. Nur mit der „Maske der Normalität" lassen sich andere Menschen dauerhaft täuschen.



Leute mit Persönlichkeitsstörungen können sich gegenseitig zuverlässig aus einer Masse heraus erkennen und verstehen den Vorteil der Kooperation. Mächtige Leute aus der Geschichte verfügten schließlich immer über schlagkräftige Gruppen. Organisierte Kriminalität ist eine Abkürzung, um Ziele zu erreichen



Der Narzisst verlangt einen steten Zufluss an „narzisstischer Nahrung" in Form von Bewunderung, Geld und Aufmerksamkeit, ohne dafür unbedingt entsprechende Leistungen abzuliefern. Auch eine Gruppe in jeder beliebigen Größe kann eine narzisstische Dynamik aufweisen



Der Psychopath hat kein normales Empfinden von Schuld und Mitgefühl. Schnelle Gewinne und Machtausübung werden als äußerst stimulierend empfunden. Moralische Begrenzungen gibt es keine, sondern nur physische Hürden.

Die Kriminologie in den USA nutzt inzwischen stärker denn je eine psychologische, sozialwissenschaftliche, genetische und auch neurologische Analyse von Tätern und Verdächtigen. Ein echter „Profiler" hat keinen sechsten Sinn oder kann wie in TV-Serien und Kinofilmen aus kleinsten Details Unmengen an ln-

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formationen herauslesen, sondern wendet konsequent Screening-Techniken an. Auch bei den Geheimdiensten ist es notwendig, eigene Agenten hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen einzuschätzen, sowie Zielpersonen möglichst akkurat zu verstehen, um jene als Informanten zu rekrutieren oder um jenen zu schaden. In den allerwenigsten Fällen wurden Adelige und Personen aus anderen einflussreichen Familien fachmännisch mit Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert, obwohl gerade erbliche Faktoren für Psychopathie hier eine entscheidende Rolle spielen. Auch diejenigen ohne besonderen familiären Hintergrund werden kaum ihr wahres Wesen der Welt offenbaren. Aus diesem Grund können wir oft nur Vermutungen anstellen hinsichtlich möglicher Störungen und bestimmte Warnzeichen benennen.

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Crashkurs Geheimdienstwesen

Bild: Die Ehrung gefallener CIA-Agenten In der Schule erfahren wir in aller Regel rein gar nichts über Geheimdienste und geheimdienstliche Methoden, was natürlich eine der gefährlichsten Bildungslücken der Welt darstellt. Die Geschichte und Politik ohne das Wirken von Geheimdiensten verstehen zu wollen, ist in etwa so absurd, wie der Versuch, sich die Biologie ohne Kenntnisse über die Zelle zu erklären. In Deutschland gab es nach der Wende ein wenig Aufklärung über das Wirken der Stasi, wobei sich dies vornehmlich auf Maßnahmen innerhalb der DDR gegen Dissidenten beschränkte, und man richtete Gedenkstätten ein, aber viel mehr ist im öffentlichrechtlichen Fernsehen und im Schulunterricht nicht passiert.

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Bildung Wie lernt man über das geheimste Business der Welt, ohne selbst in ihm zu arbeiten? Sachbücher zu dem Thema geben uns zwar allerhand Informationen, müssen aber unbedingt mit Vorsicht genossen und im Kontext verstanden werden, denn sie stammen hauptsächlich von •

Überläufern ausländischer Geheimdienste und sind zensiert, weil der Überläufer bei uns im Westen natürlich von unseren heimischen Diensten abgeschöpft wurde und nichts veröffentlichen darf, das nicht abgesegnet wurde



Aussteigern mit zweifelhaften Motiven, die sich vielleicht nur rächen oder möglichst viel Geld und Aufmerksamkeit erlangen wollen



suspekten Journalisten, die sogar selbst eine heimliche Beziehung zu einem Geheimdienst haben könnten und entsprechende Propaganda verbreiten



Hochstaplern, die ihre Kenntnisse übertreiben oder erfinden



ideologischen Fanatikern und einseitigen Gefälligkeits-Schreibern, die beispielsweise nur über westliche Geheimdienste lästern, aber gleichzeitig östliche Dienste in Schutz nehmen bzw. in den Himmel loben



suspekten Historikern mit zweifelhafter Qualifikation und Motivation



prominenten Geheimdienstlern im Ruhestand, die ihre verzerrte und selektive Sichtweise darbieten



verdeckt agierenden Agenten, die gezielte Desinformation verbreiten oder ihre Gegner bloßstellen wollen

Dokumentarische TV-Programme weisen natürlich die gleichen Probleme auf wie die Sachbücher. Dazu kommen noch Berge an populären Romanen, fiktionalen Filmen und TVSerien, in denen der Spionagealltag unterschiedlich realitätsgetreu dargestellt

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wird. James Bond war immer massentaugliche Unterhaltung sowie eine platte Werbung für den Geheimdienst MI6 gewesen und entstammte der Feder von lan Fleming, der selbst nie eine richtige Spionagekarriere hatte. John le Carrés Geschichten waren dagegen weitaus realistischer und inspirieren heute noch TV-Serien wie Homeland oder The Night Manager. Carré war sowohl beim britischen Inlands-, wie auch beim Auslandsgeheimdienst, besaß einen guten Einblick in das Geschäft und beleuchtete insbesondere beim Ost-West-Konflikt die moralischen Grenzen, die regelmäßig im Kampf gegen den KGB überschritten wurden. Dennoch enthüllte er keine echten Geheimnisse seines alten Arbeitgebers oder geheime Methoden. Steven Spielberg blies mit „Munich" und „Bridge of Spies" in das gleiche Horn und brachte sogar etwas Kritik unter am israelischen Mossad, aber der verfilmte Stoff ist ziemlich soft und der Hollywood-Mogul hätte sich stattdessen nie herangewagt an eine Verfilmung der Geschichte des Mossad-Aussteigers Victor Ostrovsky. Die allermeisten Werke der Popkultur und der Sachliteratur zeigen nur grundlegendste Geheimdiensttechniken und Methoden, die ohnehin längst nicht mehr der Geheimhaltung unterliegen. Als die DDR unterging und mit ihr der Geheimdienst aufgelöst wurde, ergab sich eine Goldmine an Informationen, die leider wieder durch die Filter der Bundesrepublik und ihrer Presse gelaufen sind. Je mehr man sich bildet, umso eher gelingt es einem, ein vollständigeres Bild über Geheimdienste zu erhalten und hierbei spielt auch die Psychopathologie wieder eine entscheidende Rolle, denn für Mitgefühl ist bei Operationen meist kein Platz und diverse Eigenschaften aus dem psychopathischen Spektrum erleichtern dem Agenten das Anwerben von Personen. Auch lassen sich Zielpersonen effektiv mit Methoden bearbeiten, die auf deren Persönlichkeitsstruktur zurechtgeschnitten wurden. In der gängigen Literatur muss man sich Details über die schwärzesten aller schwarzen Missionen zusammensammeln, wie Attentate, Folterverhöre, Gewalt zur Einschüchterung, die Unterstützung an kriminelle Regime, die Unterdrückung von Dissidenten zuhause, Terroranschläge unter falscher Flagge, Erpressung und Ähnliches. Man muss von Bekanntem auf Unbekanntes schließen und auch Mutmaßungen vornehmen hinsichtlich moderner Technologien, die bei den Geheimdiensten zum Einsatz kommen.

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Es ist zwingend notwendig, breit gestreut über verschiedene Geheimdienste der Welt aus verschiedenen Epochen zu lesen. Wer sich über Geheimdienste bildet, wird für immer die Welt mit anderen Augen betrachten. Hightech Moderne Technologie kann klassische Geheimdienstarbeit nur ergänzen, aber nicht wirklich ersetzen, und birgt die Gefahr von Schwachstellen, die der Gegner ausnutzen kann. Im Kalten Krieg experimentierte man noch bei der CIA wild mit Substanzen wie LSD, um Zielpersonen geschwätzig zu machen. Jedes noch so obskure Gift wurde beschafft und weiterentwickelt, um damit Herzinfarkte, Krebserkrankungen und andere tödliche Folgen auszulösen. Heute können sogar auf eine Zielperson maßgeschneiderte biologische Waffen im Labor erzeugt werden, die je nach Bedarf krankmachen, töten oder psychische Probleme auslösen. Auch wird seit geraumer Zeit an elektromagnetischen Geräten gearbeitet, um Stimmungen damit zu beeinflussen und gesundheitliche sowie psychische Probleme zu erzeugen. Bekanntermaßen sind „Romeo-Spione" und „Schwalben" erfahren darin, bei ihren Zielpersonen romantische Gefühle und sexuelle Begierden zu wecken, aber darüber hinaus müssen der Agent und die Analysten hinter ihm die Persönlichkeitsstruktur jeder Zielperson verstehen sowie deren Ängste, Hoffnungen und Motive. Was liegt näher, als hier nachzuhelfen mit dem heimlichen Verabreichen von Neuropeptiden mit Auswirkungen auf das Hormonsystem und die Hirnfunktionen? •

Testosteron und Dopamin machen die Zielperson abenteuerlustig und sexuell erregbarer



Serotonin und Oxytocin schaffen Verbundenheit, Vertrauen und sexuelle Begierde



Ein Serotonin-Antagonist löst Depressionen und Hoffnungslosigkeit aus



Eine Substanz, die den Dopamin-Haushalt durcheinanderbringt, kann emotionale Instabilität bewirken

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Gentechnisch veränderte Viren können Stoffe ins Gehirn transportieren, die bestimmte Hirnregionen bzw. Rezeptoren schwächen. Damit ließe sich Aggression fördern oder vermindern, Psychosen auslösen etc.

Früher musste der Agent sich alleine auf seine Künste verlassen, um bei der Zielperson diverse Arten von Gefühlen auszulösen. Heute gibt es für jede Mission den passenden chemischen Cocktail. Die Forschung ist bereits mehrere Schritte weiter und testet Gehirnimplantate oder das Sichtbarmachen von Gedanken. Wenn man sich über die technologischen Möglichkeiten bewusstwird, muss man vergangene und aktuelle Ereignisse von Bedeutung unter Berücksichtigung dieser Technologien neu bewerten. Denn wenn erst einmal ein bestimmtes Werkzeug öffentlich bekannt ist, gilt es in Geheimdienstkreisen längst als alt oder gar obsolet. In dem vierten Teil der „Jason Bourne"-Filmreihe zeigt man fortschrittliche Methoden des Dopings, um aus Agenten wahre Superagenten zu machen, die schneller, aggressiver und geistig leistungsfähiger sind. Gehirnwäsche ist ein Thema der ursprünglichen Trilogie. Mittlerweile gibt es auch Doping auf der genetischen Ebene, um mehr Ausdauer und Kraft zu erzeugen, wobei solche Methoden noch nicht unbedingt ausgereift sind und das Risiko von schweren Komplikationen bergen. Die elektronische Spionage hat bereits seit einigen Jahren eine hohe Dominanz erreicht, die Schätzungen zufolge bei über 90% der gewonnenen Informationen liegt. Moderne Wanzen sind keine Platinen mehr mit Mikrofon und Drahtantenne wie noch zu Zeiten der Stasi, sondern können so klein sein, dass sie mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind. Es werden keine Schallwellen gemessen, sondern Vibrationen, die von Geräuschen wie etwa Stimmen in diversen Materialien verursacht werden. In den letzten Jahren wurden krabbelnde und auch fliegende Mikro-Wanzen möglich. Computer jeder Art sind prinzipiell immer verseucht, auf der Ebene von Hard- und Software. Sogar über Spuren im Stromnetz kann ein Computer ausgehorcht werden. Keine Tricks und keine Softwaretools können daran etwas ändern. Die Stasi nutzte früher noch ein unsichtbares, radioaktives Spray, um heimlich den Boden von vermuteten Treffpunkten subversiver Aktivitäten einzunebeln.

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Wenn eine Person dann genau diese radioaktiven Spuren an den Schuhen aufwies, wusste man, dass sie sich an dem betreffenden Ort aufgehalten hatte. Inzwischen wurde bekannt, dass Menschen überall mit ihren Händen eine individuelle bakteriologische Spur hinterlassen. Weitere moderne Möglichkeiten, jemanden zu verfolgen, der kein Smartphone bei sich trägt, sind Überwachungskameras mit biometrischer Gesichtserkennung, Überwachungsgeräte die die individuelle Infrarotsignatureines Menschen erkennen und die Erkennung eines Menschen anhand dessen Herzfrequenz über reflektierte WiFiStrahlung. Nichtsdestotrotz ist das Führen von Agenten und Anwerben von Informanten, Verrätern und Überläufern nach wie vor Brot und Butter des Geheimdienstwesens. Oftmals muss man einen Agenten führen, damit man überhaupt eine elektronische Wanze an stark bewachten Orten anbringen kann. Während der US-Präsidentschaftskampagne 2016 prahlte die Firma Cambridge Analytica damit, sehr genaue Persönlichkeitsprofile der Bevölkerung erstellen zu können durch eine computerisierte Auswertung des Verhaltens in Sozialen Medien. Je öfter eine Person auf den „Gefällt mir"-Button klickt und je mehr Webseiten sie aufruft, umso mehr kann ein moderner Algorithmus die Daten vergleichen und ausmessen, wie introvertiert oder extrovertiert beispielsweise eine Person ist. Cambridge Analytica misst, wie stark fünf verschiedene Persönlichkeitsmerkmale ausgeprägt sind, sodass man der Zielperson maßgeschneiderte Wahlwerbung präsentieren kann. Dieses Microtargeting ist vom Kernprinzip her ähnlich wie bisherige Technologie der Werbebranche, aber die neuen Qualitätssprünge machen einen gewaltigen Unterschied. Je mehr Daten man hat, umso genauer kann man eine Person blitzschnell vermessen, bis hin zu einer Genauigkeit, die selbst das Verständnis der Person über sich selbst übersteigt. Je mehr man einen Algorithmus ergänzt um die Vermessung von Kriterien wie das Maß an narzisstischem oder psychopathischem Denken oder das Maß an emotionaler Instabilität, umso gefährlicher wird der Algorithmus und je besser eignet er sich für geheimdienstliche Arbeit. Das, was Cambridge Analytica benutzt, ist wohl nur eine primitive Version von dem, über was Geheimdienste längst verfügen. Die Stasi hätte liebend gerne ein solches Werkzeug und eine solche Datenbank besessen, um innerhalb der DDR geeignete Personen zu finden für die Unterdrückungsmaschinerie und um außerhalb der DDR die Schwachstellen der Gegner zu erraten und die passenden Geheimdienstoperationen zu entwerfen.

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Mit einer solchen Datenbank ließen sich spielend leicht Suchvorgänge durchführen, um sofort das Persönlichkeitsprofil einer Person von Interesse anzuzeigen oder um in einem eingegrenzten Gebiet Personen zu finden, die ein bestimmtes Persönlichkeitsprofil aufweisen. Stellen wir uns vor, ein Geheimdienstler sucht in der rechtsextremen Szene einer bestimmten Stadt nach psychopathischen, ehrgeizigen Personen mit heimlichen homosexuellen oder pädophilen Neigungen oder mit Schulden. Die Suchmaschine spuckt sofort die passenden Namen samt Profil und möglichen Rekrutierungsstrategien heraus. Mit althergebrachten Methoden hätte eine solche Suche Monate gedauert und weniger genaue Ergebnisse geliefert. Kann man so auch Konsumenten von Verschwörungsmedien aufspüren und analysieren? Selbstverständlich. Man könnte auch genau messen, wie sich die Masse der Verschwörungstheoretiker aufteilt in Christen, Esoteriker, UFO-Gläubige, Russland-Anhänger, Neonazis usw. und was die jeweils populären Themen sind. So ließen sich passende Geheimdienstoperationen entwerfen, um Unfug und Chaos zu fördern. Moderne Technologien sind zwangsläufig notwendig, um auf landesweiter und internationaler Ebene den Überblick zu behalten und die begrenzten Ressourcen möglichst effektiv einzuteilen. Low Tech und No Tech In dem James Bond-Film SKYFALL wird in dramatischer Hollywood-Manier gezeigt, wie der britische Geheimdienst trotz neuester Technik gehackt wird, worauf Bond mit seiner Chefin M in einem alten Aston Martin in die Einöde flüchtet. Der leitende Mann für Ausrüstung namens Q hatte noch angemerkt, er könne in seinem Bademantel mit seinem Laptop mehr Schaden anrichten, als Bond in einem Jahr mit Fäusten und Pistole schaffen würde. Natürlich müsse ab und an ein Abzug gedrückt werden. Worauf Bond antwortet, dass eventuell der Abzug eben nicht gedrückt werden dürfe und man das schwer entscheiden kann, wenn man weit entfernt in seinem Bademantel herumsitzt. Q händigt Bond ein Flugticket aus, eine Pistole und einen einfachen Funktransmitter, und fragt dann sarkastisch, ob er einen explodierenden Stift erwartet hätte. Diese Szene beschreibt treffend das komplizierte Zusammenspiel zwischen moderner Technik, altmodischen Werkzeugen, sowie Fähigkeiten die ganz ohne Technik auskommen. Improvisation, Menschenkenntnis, Kreativität,

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Durchhaltevermögen, Geduld, methodisches Denken und Weiteres gehört zur Grundausstattung eines Agenten und das entsprechende Training nimmt so viel Zeit in Anspruch, dass ein einzelner Agent sich spezialisieren muss und nicht gleichzeitig ein Technik-Guru und Analyst sein kann. Struktur Ein Geheimdienst kann offiziell existieren, mit pompösem Hauptquartier in der Hauptstadt und zugebilligtem Budget (nebst schwarzen Kassen versteht sich), oder aber er hält sogar seine komplette Existenz und seine Geldmittel geheim. Als Victor Ostrovsky zum israelischen Mossad kam, wurde immer noch in der Öffentlichkeit so getan, als sei der Dienst nur ein Mythos und es wurde ihm sofort bei der Begrüßung verboten, den Namen jemals zu verwenden. Stattdessen solle er immer nur über „das Büro" reden. Das bedeutet natürlich, dass es mehr Geheimdienste gab und gibt, als gemeinhin in der Literatur anerkannt wird. Dies ist vor allem insbesondere bei der Analyse des Hochadels wichtig, da dieser sich wegen der Familienstruktur und den gemeinsamen Interessen perfekt als zentraler Geheimdienst eignete. Erst im 20. Jahrhundert wurde die Existenz vieler westlicher Geheimdienste öffentlich zugegeben, wobei diese wahrscheinlich schon deutlich früher bestanden und eine außerordentlich wichtige Rolle spielten. Die Geheimdienste der Sowjetunion hatten eher den Stil von starren Ämtern und Institutionen, während in Großbritannien und den USA ein familiärer und sektenartiger Charakter vorherrschte und rituell untermauert wurde. Ein KGBAgent verstand sich als Rädchen eines Apparats mit gewissen Privilegien. Ein MI6-Agent verstand sich vielmehr als Teil einer sakralen Bruderschaft und Familie. Auch die CIA und die anderen US-Geheimdienste nutzen bis heute den Familiencharakter. In einem Land existieren meistens mehrere Geheimdienste, die sich verschiedene Aufgaben teilen und ständig können Umstrukturierungen vorgenommen werden. Dies liegt zum einen daran, dass sich leitende Figuren um Prestige und Verantwortung streiten, zum anderen soll auf diese Weise verhindert werden, dass Geheimdienstler ein allzu vollständiges Bild über die Gesamtsituation erhalten. Nur die adelige Elite oberhalb der Geheimdienste darf den Überblick haben.

In Russland entwickelte sich aus einer Reihe an Vorläufern irgendwann der KGB für das Inland und das Ausland mit vielen verschachtelten Unterabteilungen; heute gibt es eine Aufteilung mit dem FSB für zuhause sowie den SWR für den Rest der Welt. Daneben gesellt sich immer noch der Militärgeheimdienst GRU dazu. Unter Putin sehen wir wieder eine Konvergenz hin zu einer einheitlichen Organisation, wobei diese auch wieder aus vielen Abteilungen bestehen würde für verschiedene Aufgabengebiete. Es war nicht ungewöhnlich, dass eine Abteilung die Identität ihrer Top-Spione im Ausland sogar vor der Sowjetführung geheim hielt. Nur auf gesonderte Anfrage wurde ein solches Geheimnis gelüftet. Solche abschirmenden Maßnahmen sollten verhindern, dass diese TopGeheimnisse an den Gegner durchsickern. Ganze Geheimoperationen können auch gezielt mit Falschinformationen gefüttert werden, mit der Absicht, dass der Gegner diese Geheimoperationen entdeckt und die Desinformation schluckt. In den Zeiten der Sowjetunion gab es in den Satellitenstaaten diverse Partner-Dienste, die letztendlich unter Kontrolle des KGB standen, aber gleichzeitig eine gewisse Eigenständigkeit wahrten, wie beispielsweise das ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit. Die Stasi war wiederum unterteilt in Abteilungen wie etwa die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), eine Abteilung für Desinformation, eine für technisch-wissenschaftliche Spionage, eine für den Betrieb von elektronischer Spionage, eine Fälscherwerkstatt usw. Es ist auch üblich, bei einem Auslandsgeheimdienst eine separate Abteilung für jede wichtige Region der Welt zu schaffen. Der israelische Mossad ist so klein, dass Agenten praktisch ungebremst von einer Abteilung in die andere laufen und alles kennenlernen konnten. Die USA verfügen über eine auffällig hohe Zahl an Geheimdiensten, wobei der Auslandsdienst Central Intelligence Agency (CIA) und die National Security Agency (NSA) für elektronische Spionage in der Öffentlichkeit am bekanntesten sind. Man spricht von offiziell 17 verschiedenen Organisationen innerhalb der „Intelligence Community", die dem Direktorat für das Nationale Geheimdienstwesen unterstehen und ein Gesamtbudget von offiziell 50 Milliarden Dollar pro Jahr verbrauchen. Von den meisten dieser 17 hat der Durchschnittsbürger noch nie etwas gehört, wie etwa von der „Marine Corps Intelligence Activity" oder der „Defense Intelligence Agency". Es wäre höchst naiv, anzunehmen, dass es neben den offiziell existierenden Geheimdiensten keine weiteren gibt. Schließlich besitzen die Eliten genügend Mittel und Werkzeuge, um einen eigenen Supergeheimdienst zu

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führen, der sich aus dem Material der gewöhnlichen Geheimdienste speist. Längst haben Großkonzerne wie Microsoft, Google oder amazon immer größere Geschäftsbeziehungen zu den Diensten und bauen deren Infrastrukturen und betreiben deren Cloud-Dienste. Der Aufstieg solcher Firmen ist ein weiteres interessantes Kapitel.

Dann gibt es noch allerhand Privatfirmen, die nachrichtendienstliche Leistungen verkaufen, Telekommunikationskonzerne die allerhand Daten beschafften und immer wieder mit den Geheimdiensten kooperierten, die Gesundheitsbranche, die wichtige Patientendaten ansammelt, Transportunternehmen,

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datensaugende Soziale Netzwerke und vieles mehr. Es gibt zwar offiziell Gesetze, die den Zugriff auf solche Daten regeln und zugunsten der Privatsphäre begrenzen sollen, aber in der Praxis hat niemand die Möglichkeit, sich ohne Weiteres vor den neugierigen Augen der Dienste zu schützen. Schließlich bleibt ja nichts anderes übrig, als Windows-Computer, Apple-Computer, LinuxSysteme, die Internet-Infrastruktur und diverse Datenprotokolle und Verschlüsselungen zu benutzen, die keine echte Sicherheit bieten. IBM baute auch schon Codebrecher-Maschinen für die NSA. Bell und AT&T kooperierten auch mit der NSA. Das gesamte Internet ist eine Entwicklung des amerikanischen militärischindustriellen Komplexes und muss daher entsprechend misstrauisch beäugt werden. Es gibt also nicht unbedingt eine klare Trennung zwischen den Geheimdiensten und den Konzernen, wobei hier wieder der Familienaspekt eine wichtige Rolle spielt, denn die Besitzer von Großkonzernen und Banken sind häufig miteinander verwandt oder verkehren zumindest in den gleichen Kreisen. Auch muss man mit Tarnfirmen rechnen und mit Strohmännern, die öffentlich die Besitzer eines Konzerns mimen, ohne wirklich die Kontrolle zu haben. Es gibt keine Organisationsstruktur, die einem Geheimdienst überlegen wäre. Ganze Staaten und Imperien lassen sich so gestalten und verwalten. Eine Militärdiktatur oder Parteiendiktatur oder eine demokratische Republik wäre ohne starke geheimdienstliche Tätigkeiten nicht zu halten und würde schnell unterwandert und gestürzt werden. Wichtig ist auch zu verstehen, dass die allermeisten Geheimdienstler in westlichen Ländern recht anständige und pflichtbewusste Personen sind und nur ein Bruchteil der Agenten für illegale und moralisch höchst verwerfliche Missionen benutzt werden. Die Nachrichtendienstmitarbeiter haben praktisch nie einen größeren Überblick über das Geschehen und dürfen höchstens zum Zwecke der Abwehr nach Verrätern in den eigenen Reihen suchen, aber niemals den Eliten hinterherschnüffeln, um mögliche illegale Aktivitäten aufzuspüren. Verschwörungstheoretiker haben oft ein verzerrtes, übermäßig negatives und unrealistisches Bild von dem durchschnittlichen westlichen Geheimdienstler. In der Zeit des Kalten Krieges gab es wegen dem gemeinsamen sowjetischen Feind gewisse Sympathien zwischen manchen Figuren aus der Szene der Ver-

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schwörungstheoretiker und manchen Geheimdienstlern. Heute aber hegt die Verschwörungsszene aber praktisch nur noch Sympathien für Russland und macht sich somit unnötig zum Feindbild der aktuellen Generation von Geheimdienstlern. Residenturen im Ausland Ein Geheimdienst versucht prinzipiell, im Ausland verschiedenartige SpionageZentren und die nötige Infrastruktur zu etablieren. Agenten sind teuer, denn sie brauchen die nötige Ausbildung, Tarnidentitäten, sichere Räumlichkeiten, Abschirmung, sichere Kommunikationsmittel, Bargeld, medizinische Versorgung, Tarnfirmen, Fahrzeuge usw. In aller Regel sind in den Botschaften im Ausland solche Geheimdienststationen (Residenturen) untergebracht und die leitenden Agenten dort sind gleichzeitig Diplomaten und genießen diplomatische Immunität. Beispielsweise beherbergen russische Botschaften in Deutschland russische Geheimdienststationen und der deutschen Regierung ist dies auch bewusst, aber es gehört zum diplomatischen Alltag, solche Zustände zu tolerieren. Treiben es die als Diplomaten getarnten Russenagenten zu bunt oder lassen sich gar bei einer heiklen Aktion erwischen, werden sie von Deutschland des Landes verwiesen. Verhaftet werden können sie nicht wegen der diplomatischen Immunität, deshalb ist es auch bei der Bundesrepublik üblich, ausländischen Botschaften nur eine begrenzte Zahl an Diplomaten zuzugestehen und diese Zahl notfalls als Bestrafungsaktion zu reduzieren. Diplomaten haben auch das Recht, Gegenstände ins Gastland zu bringen, ohne dass diese vom Gastland beim Grenzübertritt oder am Flughafen überprüft werden dürfen. Dabei kann es sich um alles Mögliche handeln, wie zum Beispiel eine hochgefährliche biologische Waffe. In einem Botschaftsgebäude haben Spione den nötigen Platz für ihre technische Ausrüstung und Bürobedarf, sowie einen ungestörten Ort, um Einsätze zu planen. Dabei steht man selbstverständlich in regelmäßigen Kontakt mit der Spionage-Zentrale in der Heimat. Auch gilt die russische Botschaft in Deutschland als Territorium der russischen Föderation und die Bundesregierung darf keinen Fuß unerlaubt dorthin setzen, denn dies käme fast einer Kriegserklärung gleich. Im Extremfall, meistens kurz vor einem Krieg, würde Deutschland sämt-

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liches russisches Botschaftspersonal des Landes verweisen und das Gebäude (nach einer gewissen Vorwarnzeit) in Besitz nehmen. Ein Spion vom russischen Botschaftspersonal, der keine diplomatische Immunität besitzt, läuft Gefahr, im Ernstfall von der Bundesrepublik verhaftet und schwer bestraft zu werden, allerdings findet man für gewöhnlich für solche Spione mit ausländischer Staatsbürgerschaft eine Lösung, die nicht zu viel Aufregung erzeugt, wie etwa der Austausch von verhafteten Agenten auf beiden Seiten. Die russische Botschaft wird natürlich permanent von der deutschen Spionageabwehr beobachtet und man verfolgt auch russisches Botschaftspersonal, wenn es die Botschaft verlässt, aber oftmals ist eine lückenlose Überwachung finanziell zu aufwändig. Umgekehrt ist es für deutsche Agenten in deutschen Botschaften in Russland praktisch unmöglich, sich außerhalb des Gebäudes zu bewegen, ohne dabei auf Schritt und Tritt observiert zu werden. Dann gibt es noch Spione, die eine völlig andere Tarnung aufweisen, wie etwa die eines Geschäftsmannes. Sogenannte Tarnfirmen können aussehen wie normale Unternehmen, oder auch reine Briefkastenfirmen sein. Bewährt hat sich das Konzept, verschachtelte Konstrukte zu schaffen mit Holdings, Beteiligungsgesellschaften und Zwischenstationen in anonymen Steuerparadiesen. Deutsche Fahnder stoßen hier regelmäßig an ihre Grenzen. Für eine bestimmte Geheimdienstmission kann auch eine Firma gezielt aufgebaut und hinterher gleich wieder geschlossen werden. Bei weniger heiklen Missionen reichen eine Visitenkarte, eine Adresse, ein einfacher Eintrag ins Firmenregister und eine Telefonnummer die von einer Sekretärin (Agentin) beantwortet wird. Prinzipiell eignet sich jede Art von Tarnorganisation für Spionage, ob nun Vereine oder Kirchen oder Sportmannschaften. Ein Auslandsagent kann im Laufe seiner Karriere viele verschiedene Rollen spielen und Identitäten annehmen. Je nach Wichtigkeit und möglichem Zeitaufwand wird eine unterschiedlich aufwändige Legende gestrickt. Der russische SWR kann natürlich seinen Agenten jeden beliebigen russischen Pass drucken, aber ein solcher Pass würde in der Bundesrepublik natürlich sofort suspekt erscheinen. Besser ist es, man fälscht einen deutschen Pass bis ins

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Detail. Dieser würde bei einer Polizeikontrolle nicht auffallen, aber eine genauere Überprüfung würde die Legende nicht überleben. Alternativ kann der SWR entweder einen Deutschen als Agenten anwerben und heimlich ausbilden oder einen ausgebildeten russischen Agenten in Deutschland ansiedeln und Ihm ein normal aussehendes Leben mit Beruf und Krankenversicherung usw. ermöglichen. Solche Schläfer-Agenten führen jahrelang oder jahrzehntelang ein scheinbar normales Leben im Zielland. Die Sowjets hatten zu diesem Zweck Agenten zunächst eine Weile in Polen leben lassen, dann in die DDR umgesiedelt, dann nach Kanada geschickt und schließlich als Migranten in die USA geschleust. Wenn also die amerikanische Einreisebehörde eine Überprüfung veranlasste, mussten schwierige Recherchen in den Herkunftsländern betrieben werden. Selbst Schnüffeleien hinter dem Eisernen Vorhang hätten ergeben, dass das unscheinbare Migranten-Pärchen tatsächlich in den betreffenden Ländern gelebt und gearbeitet hat. Es Klassiker, der inzwischen kaum noch funktioniert, ist das Stehlen der Identität eines Toten. Früher war das bürokratische Netz noch nicht so eng gestrickt; vor allem nicht im ländlichen Bereich. Wenn ein Kind aus einem bestimmten Jahrgang verstorben war und dies nicht den Behörden angezeigt wurde, konnte ein Agent unter Umständen dessen Identität stehlen, einen Pass erhalten und alle Vorteile der Staatsbürgerschaft nutzen. Heutzutage ist das bürokratische Netz deutlich enger und biometrische Merkmale sind feste Bestandteile von Ausweisdokumenten. Identitätsdiebstahl lässt sich heute eher digital betreiben, indem persönliche Daten kopiert werden, aber damit kann ein Agent natürlich nicht ohne Weiteres in Person auftreten. Im Internet lassen sich selbstverständlich in Windeseile Fake-Profile erstellen. Auch eine gängige Taktik ist das Einschleusen eines Agenten ins Zielland unter der Tarnung eines Flüchtlings. Gerade während der Flüchtlingskrise von 2016 führte der deutsche Staat nur sehr oberflächliche Überprüfungen durch und fing sich damit auch Terroristen des Islamischen Staats ein. Ein als Flüchtling getarnter Agent wird eine glaubhaft konstruierte Geschichte erzählen, sich höflich geben, schnell die Sprache des Ziellandes beherrschen und gesellschaftlich aufsteigen. So bekommt man einen Pass und eine Staatsangehörigkeit.

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Ein etablierter Agent im Ausland darf nur eine begrenzte Zahl an Verbindungspersonen kennen, um das Risiko zu verringern, dass ein ganzer Ring auffliegt. Dennoch unterstützen sich Agenten insbesondere dann gegenseitig, wenn es um die Penetration einer Organisation geht. Der Spion, dem als erster die Penetration gelingt, wird versuchen, weitere Spione in die Organisation zu schleusen. Zu dem Aufgabenbereich von Spionen im Ausland gehören: • •

Das Anwerben von neuen Agenten, Spitzeln und Informationsquellen Die tiefe Penetration gegnerischer Strukturen, bis hin an die Spitzenebenen



Das Stehlen von wertvollem Datenmaterial über Pläne und Geheimstrukturen des Gegners, militärische Operationen, gegnerische Spionagemissionen, technische Baupläne, Verschlüsselungscodes usw.



Kompromittierendes Material beschaffen zum Zweck der Diskreditierung oder Erpressung von Personen



Die Vermittlung von Desinformation



Das Anbringen von Wanzen an schwer zugänglichen Orten



Der Betrieb von Tarnorganisationen, darunter auch politische Parteien



Unterstützungshandlungen für diverse Spionagemissionen anderer Agenten, wie die Beschaffung von Deckadressen, Fahrzeugen, oder Waffen

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Attentate, Krankmachen von Zielpersonen



Die Entführung von Zielpersonen



Durchführung von Sabotageaktionen



Zersetzung der Zielgesellschaft



Organisation von Aufständen und Revolutionen

Ein Auslandsgeheimdienst ist gleichzeitig Informationsbeschaffer und auch eine Truppe für den verdeckten Kampf. Iniandsspionage Die Spionage im eigenen Land ist wesentlich einfacher zu bewerkstelligen, denn hier lassen sich leicht neue Agenten anwerben und ausbilden, der Geheimdienst kann in perfekter Qualität beliebig Ausweisdokumente fälschen und Legenden zusammenzimmern und falls mal ein Agent auffliegt, lässt sich die Angelegenheit schnell vertuschen. Die Inlandsspionage soll hauptsächlich •

Terroristen, politische Extremisten und feindliche Agenten aufspüren



Tarnorganisationen betreiben



heimlich Organisationen betreiben, die Unzufriedene und Radikale anlocken



Informanten an allen wichtigen Stellen der Bevölkerung anwerben und an den wichtigsten Positionen Agenten platzieren

• •

Analysen erstellen massenhaft Kommunikationsdaten der Bevölkerung abfangen und auswerten



Postsendungen überprüfen



Bevölkerungsteile je nach Wunsch stabilisieren oder destabilisieren



Listen von Staatsfeinden führen



Dissidenten aufspüren, einschüchtern, behindern und verhaften

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notfalls Attentate durchführen



bei Bedarf Anschläge unter falscher Flagge verüben



Politiker als Agenten führen oder verwirren



Staatschefs beraten



eine Art „Staat im Staat" betreiben



Insiderhandel ermöglichen und bestimmten Personen unfaire Vorteile verschaffen

Anwerbung und Ausbildung Es gibt verschiedene Arten, auf denen man zum Nachrichtendienstagenten wird: Man kann sich heutzutage sogar oftmals direkt bewerben, allerdings eher nur für spezifische Aufgaben, wenn man beispielsweise über besondere mathematische oder sprachliche Fähigkeiten verfügt. Traditionell gehen die Dienste unter Einhaltung strenger Sicherheitsbedingungen auf vielversprechende und vorab aus der Distanz überprüfte Kandidaten zu und loten aus, ob die Person Interesse hat. Ein Kandidat muss allerhand Hintergrundprüfungen und Vorlauftests bestehen, die von Dienst zu Dienst unterschiedlich aussehen. Bei der CIA nahm man zu Beginn häufig Absolventen der Eliteuniversitäten und gab jenen einen einfachen Crashkurs. Heute ist die Ausbildung standardisiert und einige Agenten verbringen nach der Grundausbildung an der „Farm" den Rest ihrer unspektakulären Karriere am Schreibtisch. In Britannien hatte man traditionell als Freimaurer oder Elitesoldat mit entsprechenden Familienkontakten gute Chancen und das Ausbildungsniveau war generell sehr hoch. Irgendwann warb man sogar gewöhnliche Männer und auch Frauen aus dem Volk an mit Hilfe von komplizierten Kreuzworträtseln. Die Gewinner traten bei einem weiteren Test gegeneinander an und die besten davon durften zu der geheimen Codebrecher-Einheit in Bletchley Park.

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Beim israelischen Mossad gab es aus Geldmangel dermaßen wenige Plätze, dass man nur die besten der besten auswählte und gnadenlos drillte, bis das Agentendenken in Fleisch und Blut überging und die Agenten auf Abruf die gefährlichsten Aufträge übernehmen konnten. In Deutschland werden zumeist Verwaltungsbeamte und Polizisten aus dem höheren Dienst zu Agenten gemacht, aber natürlich auch an den Universitäten und bei Firmen Leute angeworben. Es kam schon vor, dass BND-Agenten aus reiner Langeweile anfingen, Geheimnisse ans Ausland zu verkaufen. Der Bundesnachrichtendienst galt lange Zeit als einer der am schlimmsten unterwanderten Dienste der Welt und hat bis heute international den Ruf, unzuverlässig zu sein und eher als Datensammel-Stelle für die Amerikaner zu fungieren. Der KGB rekrutierte zeitweise viel zu viele Agenten und setzte eine große Zahl davon im Inland ein, wo es keine spannenden Missionen gab. Wladimir Putin wurde nach der Universität angeworben und durfte eine Zeit lang nur inländische Dissidenten jagen, bevor er einen Auslandsposten in der DDR bekam, der völlig unspektakulär war. Inspiriert wurde Putin schon als Kind durch propagandistische Filme und Romane über heldenhafte russische Agenten, die die deutsche Abwehr infiltrierten. Die Bezahlung Ist meist nicht das Gelbe vom Ei, man darf mit seiner Arbeit nicht gegenüber Unbefugten prahlen und der Job kann hart, gefährlich oder aber eintönig werden. Der klassische Auslandsspion muss improvisieren können, sich genau an Details erinnern, unzählige fehlerfreie Berichte schreiben, Verfolger aufwändig abschütteln, andere Menschen manipulieren, notfalls töten, und muss vor allem bei der Sache bleiben ohne in eine Falle zu tappen. Wird man geschnappt, kann man nicht unbedingt damit rechnen, gerettet zu werden. Die Verlockung ist natürlich da, Geheimnisse an fremde Dienste zu verkaufen und damit Geld anzuhäufen für einen versilberten Ruhestand. Der Geheimdienst-Analyst wird hingegen tagaus, tagein am Computer sitzen und irgendwelchen Extremisten hinterherschnüffeln, oder Einschätzungen über irgendeine Sache eintippen, die dann mehrfach geändert werden und dann meist ungelesen in einem Aktenschrank landen. Ein Agent kann auch eine andere Person ausbilden in den grundlegenden Techniken, wie geheime verschlüsselte Kommunikation, die Bedienung einer

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Spionagekamera für Dokumente oder das Prozedere, wie der Verräter sich regelmäßig mit seinem Führungsoffizier zu treffen hat. Der Agent bzw. der Führungsoffizier kann den neu angeworbenen Verräter auch zu speziellen Ausbildungskursen im Ausland bzw. in einem neutralen Drittstaat schicken; getarnt als Urlaub und mit gefälschten Papieren versteht sich. Warum lässt sich jemand, ob Agent oder Normalbürger, von einem (fremden) Geheimdienst anwerben und wird zum Verräter? Es gibt verschiedene Motivationen, die oft in Kombinationen funktionieren: Geld ist ein offensichtlicher Anreiz, wobei Geheimdienste notorisch knapp bei Kasse sind und nur eine TopInformation oder ein lange anhaltender Strom an Informationen wirklich lukrativ ist. Die Bezahlung kann auch in Form von Insiderinformationen über Investments erfolgen oder in Form von Firmenanteilen im Ausland. Sowohl eine Verschuldung als auch simple Gier sind Auslöser. Ideologische Motive können politischer oder religiöser Natur sein und manche Angeworbenen handeln ohne Bezahlung und lassen sich höchstens noch Auslagen ersetzen. Zwangsmethoden sind beispielsweise die Erpressung oder physische Bedrohung der Zielperson und/oder des Umfelds der Zielperson. Der Klassiker sind SexGeheimnisse und heimliche Sexaufnahmen zu diesem Zweck. Ego-Gründe funktionieren bei Leuten, die sich nach Abenteuern und Status sehnen und Gefahr als aufregend empfinden. Eine Zielperson, die unzufrieden ist mit ihrem derzeitigen Status, gefällt sich möglicherweise mit ihrer neuen Identität als Spion. Simple Rachegefühle motivieren besonders narzisstische Personen, die sich wegen ihrem mangelnden Erfolg und der mangelnden Anerkennung gekränkt fühlen und sich vom Verrat die Erfüllung ihrer Bedürfnisse versprechen. Persönliche, romantische Beziehungen haben immer wieder funktioniert und hatten den Reiz des Verbotenen und Besonderen. Auch simple Täuschungsmanöver ziehen: Der Agent behauptet, für einen ganz anderen Dienst zu arbeiten und stellt seine Tätigkeit als legal dar. In der amerikanischen TVSendung „The Americans" verführt der Protagonist eine Sekretärin des FBIBüros und lässt diese eine Wanze bei ihrem Chef verstecken. Ein Russenagent könnte sich beispielsweise mit Hilfe eines gefälschten Auswelses einer deutschen Person gegenüber als Mitarbeiter einer deutschen staatlichen Sicherheitsbehörde ausgeben und seine Hilfe anbieten oder Forderungen stellen. Oder aber eine russische Frontorganisation bietet der Zielperson auf

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eine legal wirkende Weise Geld und geldwerte Vorteile an, kultiviert die Beziehung weiter und fragt die Person zunehmend aus über deren Kontakte zu Politkern oder Firmen-Managern. Selbstanbieter, Überläufer, Diener mehrerer Herren und Umgedrehte Was tut jemand, der an einem Geheimdienst Informationen verkaufen will, aber noch keine Kontaktperson hat? Wie findet jemand den Kontakt zum Geheimdienst? Man betritt die entsprechende Botschaft des ausgesuchten Landes und verlangt, jemanden von der „Sicherheit" zu sprechen. Man präsentiert Proben von Geheimmaterial und erklärt, was man von welcher Qualität in welchem Umfang beschaffen kann. Im nächsten Schritt wird eine Prüfung des Selbstanbieters vorgenommen und über die Bezahlung verhandelt. Überläufer, die aus verschiedenen moralischen oder egoistischen Gründen die Seiten wechseln, steuern auch oft zielstrebig Botschaften an. Selbstanbieter und Überläufer können eine wahre Goldgrube sein, es kann sich jedoch aber auch um Doppelagenten mit Täuschungsabsicht handeln. Überläufer und Selbstanbieter haben einige der wichtigsten Informationen in der Geschichte der Geheimdienste geliefert und waren für die Geheimdienste oft das beste Mittel, um feindliche Agenten in den eigenen Reihen aufzuspüren. Entweder konnten die Überläufer die genaue Identität von Spionen verraten oder zumindest so viele Details, dass man auf die Identität mit Ermittlungen stoßen konnte. Ein weiteres Phänomen sind die Diener mehrerer Herren, die sich gleich an mehrere verschiedene Geheimdienste verkaufen (auch bis zu zehn oder mehr), ohne dies den einzelnen Diensten zu enthüllen. Eine solche Vorgehensweise ist natürlich sehr gefährlich. Ertappt man einen Spion bzw. einen Verräter, kann man versuchen, diesen „umzudrehen" und zur Kooperation zu zwingen. Über diesen Umgedrehten kann man dem gegnerischen Geheimdienst gefälschte Informationen und Desinformation füttern. Kommunizierte der Ertappte ohnehin nur digital oder schriftlich oder per Funk mit seinem Führungsoffizier, kann man dessen Identität auch komplett stehlen und die Kommunikation selbst führen. Unzählige antikommunistische Kämpfer waren im Kalten Krieg von der CIA ausgebildet und in den Ostblock geschleust worden, wo sie prompt gefangen genommen wurden, da ein enorm hoher sowjetischer Spion im britischen Sicherheitsappa-

rat diese Operationen an Moskau verriet. Die Kommunisten funkten nach solchen Festnahmen einfach an die Amerikaner zurück: „Alles bestens, schickt mehr Geld." Es wurde auch der falsche Eindruck lanciert, es gäbe hinter dem Eisernen Vorhang massive Nester an Widerständlern. Groß angelegte Täuschungsmanöver Täuschungen gibt es in allen Größenordnungen und je größer die Lüge ist, die man dem Gegner andrehen will, umso dicker ist das Preisschild, das an solch einer Operation hängt und je mehr Zeit wird benötigt. Die gewöhnliche Geschichtsforschung behandelt allerhöchstens mittelgroße Kampagnen zur Täuschung, aber alles was darüber hinausgeht, wird entweder nicht mehr wahrgenommen oder von vorneherein nicht untersucht. Es wurde bekannt, dass britische Geheimdienste beispielsweise ihre eigenen Agenten absichtlich an der norddeutschen Küste in Nazi-Gefangenschaft geraten ließen, damit diese Agenten dann im Verhör die Falschinformation preisgaben, die alliierte Invasion würde woanders als in der Normandie stattfinden. Dazu gab es noch eine massive Zurschaustellung von Fake-Panzern, die von der deutschen Luftaufklärung für echt gehalten und als Beweis gewertet wurden dafür, dass die Invasion nicht an der Normandie kommen würde. Ein solches Täuschungsmanöver wird in Geschichtsbüchern zweifellos anerkannt. Aber wenn es um die systematische Hilfe der Briten und Amerikaner an die Nazis geht in den 1930er Jahren, stoßen die gewöhnlichen Historiker an ihre Grenzen oder müssen vor ungeschriebenen Grenzen haltmachen. Es wurde viel geforscht zu Kommandomissionen der britischen Special Operations Executive im Zweiten Weltkrieg, der Vorläufer modernen Spezialeinheiten, und wir finden spannende DokuBeiträge im Fernsehen darüber. Aber es herrscht eisiges Schweigen darüber, wie hoch die britischen Dienste ihre Spione in der Nazi-Führung platzieren konnten und welche Auswirkungen dies gehabt haben könnte. Auch tabu sind die Betrachtungen von geheimdienstlich gesteuerten Regierungen, inszenierten Kriegen und generell von allem, was der Bevölkerung hohe Opfer abverlangt. Die einzigen, die sich tatsächlich mit der Untersuchung von groß angelegten Missionen zur Täuschung beschäftigten, waren die Verschwörungsautoren, wobei diese oft nicht professionell forschten, sondern nur alte Mythen wieder-

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holten und Sensationen für ihre Bücher konstruieren wollten. Teilweise wurden Verschwörungen behauptet, die sich über tausende Jahre in die Vergangenheit erstrecken, was den realistischen Rahmen natürlich sprengt und auch nicht beweisbar ist. Und natürlich kontaminierten neben Irrtümern und Falschinformationen auch irreführende Denkmuster diese Literatur, wie z.B. die ständige Fixierung auf Juden. Revolution Das Rezept zum Anfachen einer Revolution und zum Sturz einer Regierung ist im Kern denkbar einfach, in der Praxis allerdings schwierig. Auch kommentierten Experten nach dem sogenannten arabischen Frühling, dass es wesentlich schwieriger ist, nach einer geglückten Revolution eine neue stabile Ordnung zu etablieren. Schritt 1: Demoralisierung und Destabilisierung. Dieser Prozess findet statt durch alle Formen der wirtschaftlichen Sabotage, durch Propaganda, mit Hilfe von Narzissmus und Versprechungen über eine bessere Zukunft, mit dem Schüren von Rache und mit den Untergraben aller wichtigen gesellschaftlichen Strukturen. Terroranschläge sorgen dafür, dass die Menschen ihre bisherige Regierung nicht mehr als stark wahrnehmen oder wegen den Repressalien als zu despotisch. Die professionellen Anführer der Revolution predigen lautstark Slogans über Freiheit und Veränderung. Schritt 2: Eskalation. Mit geschürten Krisen, mit Massendemonstrationen und verschiedenen offenen und verdeckten Mitteln erzeugt man eine Situation, in der selbst die gemäßigteren Menschen sich gezwungen fühlen, für ihre jeweilige Seite zu kämpfen. Schritt 3: Sturz der alten Ordnung. Die verschiedenen Machtzentren (Regierungssitz, Medien, Militär usw.) werden möglichst schnell übernommen Schritt 4: Etablierung der neuen Ordnung. Die professionellen Revoluzzer setzen alle Hebel in Bewegung, um diese neue Ordnung abzu-

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sichern. Es ist keine Rede mehr von Freiheit und Veränderung. Kritiker der neuen Ordnung werden brutal unterdrückt. Geheimgesellschaften Geheimgesellschaften gab und gibt es viele verschiedene und bei all den Unterschieden erkennt man doch Gemeinsamkeiten. Elemente von Kirchen, Sekten und Geheimdiensten sind in unterschiedlich starkem Mischungsverhältnis vorhanden und diese Zusammensetzung ist auch innerhalb einer einzelnen Geheimgesellschaft auf den diversen Hierarchieebenen unterschiedlich ausgeprägt.

Am populären Beispiel der Freimaurer bedeutet das, dass der Großteil der Logen hauptsächlich wie eine exklusive Kirche mit Zugangsbeschränkungen funktioniert, manche geheimdienstliche Elemente praktiziert und leichte Sektenmechanismen benutzt werden. Freimaurerlogen gaben sich ein christliches und später auch universelleres, aufklärerisches Image, wobei sie definitiv un-

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christliche bzw. vorchristliche Elemente wie zum Beispiel aus uralten Mysterienreligionen verwendeten. Kabbalistische Zahlenmystik, altägyptische Symbole und die Suche nach „Licht" sind nicht kompatibel zum Christentum, werden aber trotzdem auch in den einfachen Logen praktiziert. Der Freimaurer geht regelmäßig zu Logentreffen, so wie jemand anderes in die Kirche geht, lernt dort über Moralvorstellungen und den Kosmos, nimmt an Ritualen teil und pflegt Beziehungen zu seinen Ordensbrüdern. Ein System der Grade, die erworben werden müssen, die Selbstbeweihräucherung der exklusiven Bruderschaft und die Abwertung von Nichtmitgliedern sind mehr oder minder subtil verwendete, klassische Sektentechniken. Die Geheimniskrämerei mit Codewörtern, Schweigeverpflichtungen, Racheandrohungen für Verräter, verschlüsselten Texten sowie der Überwachung der Mitglieder, inwiefern diese Regeln eingehalten werden, erinnert an grundlegende Techniken eines Gehelmdienstes. Es ist sinnlos und kontraproduktiv, mit Falschinformationen und Mythen aus der Verschwörungsliteratur zu versuchen, die Freimaurer zu attackieren, weil solche Angriffe nur Eindruck bei denjenigen schinden, die ohnehin schon zu dem Verschwörungspublikum zählen. Skandale in der Führung von Siemens bedeuten auch nicht, dass jeder Siemens-Angestellter nun unter Generalverdacht steht. Der Schwindler Léo Taxil fabrizierte eine Menge Fälschungen über Satanismus bei den Freimaurern und verseuchte damit auch die folgenden Jahrhunderte der Verschwörungsliteratur. Untersuchungen gehören in die Hände von Profis und man kann von vorneherein davon ausgehen, dass von echtem Satanismus praktisch niemals schriftliches oder anderweitiges Beweismaterial einfach so durchsickern würde. Zähneknirschend müssen Freimauer natürlich bestimmte Skandale aus der Vergangenheit zugeben, wie das korrupte P2-Netzwerk oder historische Morde an Verrätern, die ans Tageslicht kamen. Natürlich wird meistens gleichzeitig erwähnt, dass die P2 keine „reguläre" Loge gewesen war, und dass ja schließlich auch keine Sippenhaft gilt für Millionen Freimaurer, nur weil einzelne davon Verbrechen begehen. Es brauchte jedoch nicht viel, um problematischere Formen des Freimaurertums zu schaffen, denn dazu mussten nur die ohnehin schon vorhandenen Sektenmechanismen und geheimdienstlichen Elemente hochgefahren werden: Gnostizismus ist die Vorstellung, dass man durch Rituale und Geheimwissen außergewöhnliche und sogar übermenschliche Kräfte entwickeln kann. Die Jagd nach immer höheren

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Graden und immer weiteren scheinbaren Geheimnissen kostet den Freimaurer oberhalb des gewöhnlichen Drei-Grade-Systems nicht nur viel Geld und Zeit, sondern bindet ihn immer stärker an die Organisation und beeinflusst ihn in seinem Denken und Handeln bis hin zum Fanatismus. Die ganze Sache wurde entworfen, um möglichst spannend und geheimnisvoll zu wirken, ohne dass tatsächlich jemals bahnbrechende Geheimnisse offenbart werden. Hier ist ein Vergleich: Läden für Zauberkünstler packten alte Restbestände aus ihrer Ware in verzierte Schachteln und verkauften so die Katze im Sack. Solange die Kunden über den Inhalt rätselten, war Spannung geboten. Die Schachtel zu öffnen und das Geheimnis wirklich zu lüften, bringt nur eine Enttäuschung. Nach diesem Prinzip arbeiten auch die Schreiber von Romanen und Drehbüchern, wenn sie dem Publikum alle möglichen Mysterien anbieten, die nie oder möglichst spät aufgelöst werden. Die Freimaurer nutzen schlicht psychologische Hebel und die Verschwörungsliteratur war bisher zu wenig rational und nüchtern, um diese Sachverhalte wirklich akkurat darzustellen. Im Internetzeitalter konnte jeder sich Publikationen durchlesen von führenden Freimaurern wie Manly Palmer Hall und entdecken, welche abstrusen Inhalte in den Logen zelebriert wurden. Halls Buch mit dem Titel "THE SECRETTEACHINGS OF ALL AGES, AN ENCYCLOPEDIC OUTLINE OF MASONIC, HERMETIC, QABBALISTIC AND ROSICRUCIAN SYMBOLICAL PHILOSOPHY Being an Interpretation of the Secret Teachings concealed within the Rituals, Allegories, and Mysteries of all Ages" ist das Paradebeispiel. Die Unterwanderung der Gesellschaft durch Ordensbrüder bietet mit Hilfe der geheimdienstlichen Techniken die Möglichkeit zu Korruption und politischer Manipulation. Es ist dabei egal, ob solche Freimaurer dabei primär die Macht der Organisation oder ihre persönliche Macht vergrößern wollen. 2015 gelangten Mitgliederlisten aus Großbritannien an die Öffentlichkeit mit zwei Millionen Namen, darunter fünf Könige, der Duke of Kent, Winston Churchill, Lord Kitchener, der Duke of Wellington (siehe auch das Kapitel zum Zweiten Weltkrieg), Sir Alexander Fleming und Oscar Wilde. Zeitgenossen hatten im 19. und 18. Jahrhundert durchgehend angemerkt, dass fast jeder von Bedeutung irgendeiner geheimen Gesellschaft angehörte. Der Freimaurer und Wissenschaftler John Robison, der mit seinem Buch „Proofs of a Conspiracy" die moderne Verschwörungsliteratur begründete, demonstrierte aber sehr deut-

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lich, wie viel Streit und Konkurrenzkampf und Misstrauen vorherrschten in den Logen. Er attackierte Weißhaupts bayerischen Illuminatenorden und diverse französische und deutsche Freimaurerlogen aufs Schärfste, verbreitete aber gleichzeitig eine schwärmerische und naive Sichtweise auf die britische Maurerei. Auch der Vatikan wurde immer wieder zu recht beschuldigt, die Freimaurer zu infiltrieren und katholische Inhalte bzw. Tempelritter-Mystik dort einfließen zu lassen. Die abgedrehten Logen, die es mit dem Okkultismus heillos übertrieben, betrachteten die braven Drei-Grade-Logen als langweilige Spießer und unerleuchtete „Treppenbrüder", die nur außerhalb des symbolischen Tempels auf den drei Treppenstufen vor dem Eingang sitzen.

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Warum die Verschwörungsliteratur bisher noch keine echte Verschwörungsforschung betrieben hat

Die Szene der Verschwörungstheoretiker hat es zumindest geschafft, aus den komplett naiven und tranigen Gedankenmustern auszubrechen, das Undenkbare zu denken und den systematischen, bewussten Charakter des Bösen zu untersuchen. Natürlich finden wir auch in der Szene der Verschwörungstheoretiker, bei prominenten Enthüllungsjournalisten und bei Hackern mit spektakulären Leaks die gesamte Bandbreite an Irrsinn und Fehlverhalten. Wie in jeder anderen Branche auch, geht es in der Verschwörungstheoretiker-Industrie oftmals nur um Geld, Aufmerksamkeit und Einfluss, wobei natürlich Schummeln der schnellste Weg zum Erfolg ist. Wirklich qualitative Forschungsarbeit ist mühselig, teuer, riskant und wird nicht unbedingt vom Publikum gewürdigt, weil das Publikum meistens nur das glaubt, was es hören will und was bereits bestehende Überzeugungen bestätigt. Auch ist alles gewissen Trends und Modeerscheinungen unterworfen. Der Markt ist inzwischen dermaßen übersättigt, dass es immer schwieriger wird, aus der Masse hervorzustechen und Geld zu verdienen. In den 1980er Jahren und davor konnte man noch mit zusam-

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mengeklautem, älterem Material Bestseller verfassen, ohne sich sonderlich anstrengen zu müssen, während heute die Geschwindigkeit des Internets fast tägliche Sensationen erfordert, sich schnell zusammengepfuschte Beiträge rasend schnell über soziale Netzwerke verbreiten und bedeutende Vorfälle nur noch wenige Tage lang amateurhaft behandelt werden, bevor das Interesse erlischt und sich auf den nächsten Vorfall gestürzt wird. Folgendes sind die üblichen Tricks und Marotten von schwarzen Schafen aus der Branche: •

Geheimdokumente fälschen und Lügen erfinden, wie man an dieses Material herangekommen ist. Meistens wird dazu eine Geschichte aufgetischt von hochrangigen Quellen bzw. Aussteigern aus mächtigen Kreisen



Altbekanntes und fehlerhaftes Material, das man mühelos im Netz zusammengeklaut hat, hübsch aufbereiten und für teuer Geld verkaufen



Von der Russenpropaganda abschreiben ohne echte Prüfung des Materials



Den Eindruck erwecken, mit mächtigen Kreisen verbündet zu sein. Ob nun der russische Staat, Außerirdische oder geheime Ninja-Gruppen aus Asien



Gnadenlose Übertreibung des eigenen Einflusses, der Publikumsgröße und der qualitativen Zusammensetzung des Publikums. Man kann sich heute notfalls hunderttausende Fake-Freunde auf Facebook oder Klicks auf Youtube kaufen



Religiöse bzw. esoterische Denkfallen und theatralisches PriesterGetue



Ablehnung von logischem Denken und die Bewerbung von unwissenschaftlichen Maßstäben und Bewertungskriterien



Übersteigerte Emotionalität: Sowohl negative Emotionen wie Wut als auch übertrieben-gekünstelte Glückseligkeit

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Verdummung und Übersimplifizierung der Botschaft: Alles außer kurzen, schnell geschnittenen Youtube-Videos mit einfachen Inhalten überfordert heutzutage die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums



Ideologischer Fanatismus: Kommunisten, Nazis, libertäre Anarchisten, erzkonservatives Mittelalterdenken usw.



Klassische Sektenmechanismen



Wissens-Bluff und oberflächliche Untersuchungen, statt aufwändiger Recherchearbeit und Bildung



„Crowd-Pleasing", also das manipulative Einschmeicheln beim Zielpublikum und Bedienen aktueller Trends und Leitmeinungen

Jeder mit ein klein wenig Schreibtalent und Sendungsbewusstsein kann hier quereinsteigen und beginnen, ein Publikum aufzubauen und abzukassieren. Es ist natürlich genauso leicht, absichtlich falsche bzw. teilweise falsche Informationen in Umlauf zu bringen, um die Szene der Verschwörungstheoretiker zu verwirren, ins Chaos zu stürzen und fehlzuleiten. Die Masse des Verschwörungstheoretiker-Publikums ist nicht angetrieben von Täuschungsabsichten, sondern von einer Kombination aus Leichtgläubigkeit gegenüber Verschwörungsautoren und einem absoluten Misstrauen gegenüber Publikationen außerhalb der Verschwörungsszene. Psychopathie und Narzissmus sind ebenfalls gravierende Probleme in der Szene, die bisher nur in sehr begrenztem Umfang verstanden werden. Ein verlässliches Bild der Realität liefert die Verschwörungsszene bisher nicht und kann deshalb auch keine praktikablen, sinnvollen Lösungen entwickeln. Die Erforschung der Machtstrukturen und der Methoden zur Absicherung der Machtverhältnisse kann nur dann funktionieren, wenn der Forscher die Leistungsfähigkeit seines Gehirns bewahrt und verzerrende Faktoren soweit wie möglich ausschließt. Die Menschen können ebenfalls nur dann die Ergebnisse von Forschungen nachvollziehen und effektiv in ihrem Leben anwenden, wenn die notwendige geistige Leistungsfähigkeit vorhanden ist. Die allgegenwärtige Müdigkeit und die lähmenden Eigenschaften des populären Alkohols machen es enorm schwierig, in der Freizeit längerfristig und regelmäßig die Konzentra-

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tion aufzubringen, um wichtige Sachverhalte zu lesen und logisch zu verarbeiten. Adolf Hitler hielt deshalb schon früh in seiner Karriere bevorzugt zur Abendzeit und in Bierhallen emotionale Reden und vermied Logik und Argumente. Nur eine einzige, heimlich beschaffte Tonbandaufnahme existiert, auf der er in seiner normalen Alltagsstimme spricht und sie bestätigt, was einige Zeitgenossen berichtet hatten, nämlich sein wenig beeindruckendes Wesen abseits der Bühne. Inhaltlich dreht sich die Aufnahme um das Thema Winterkrieg und die überraschend hohe Rüstung der Sowjets, wobei er sein eigenes Versagen mit keinem Wort erwähnt. Stellt man sein Hirn auf Durchzug, kann man sich von seinen Erklärungen manipulieren lassen. Strengt man sein Denken an und hinterfragt kritisch das Gesagte, ist man völlig baff angesichts Hitlers Dreistigkeit und Inkompetenz. Die moderne Unterhaltungsindustrie hat die Aufgabe, die Zeit des Publikums zu verplempern mit dem Auslösen von grundlegenden Emotionen wie Furcht, Romantik, Freude oder Spannung. Auch die Verschwörungsszene hat sich größtenteils zu einer Zeitverschwendung und zu emotionalem, irrationalem Agitprop entwickelt. Früher, als es nur das Fernsehen und noch kein Internet gab, dominierten in der Verschwörungsszene die Bücher und in den USA auch vereinzelte Radiosendungen, dann folgte im frühen Internet die Zeit der sogenannten Message Boards, in denen Gleichgesinnte sich austauschten. Je mehr Bandbreite verfügbar war, umso mehr kamen im Netz die Audio-Podcasts und Videos auf und selbstverständlich hatten diejenigen Programme am meisten Erfolg, die Emotionen bedienten und einfache Antworten präsentierten. Der Umstieg vom bewussten und ausdauernden Lesen und Zuhören hin zur totalen Berieselung ist inzwischen vollzogen. Alkohol hat eher den Ruf, die Massen zu betäuben und deren „Aufwachen" zu verhindern, während Marihuana-Konsum in der Verschwörungsszene oft direkt und indirekt beworben wird als Mittel zur geistigen Befreiung, wobei leider keine kritische Distanz gewahrt wird. Studien zu den Auswirkungen von unterschiedlich starkem Konsum in unterschiedlichen Zeiträumen auf die Gehirnleistung sind widersprüchlich und oftmals wenig aussagekräftig. Der Wirkstoff THC kann unter Umständen festgefahrene Überzeugungen aufweichen und die neurotischen Ängste dämpfen, in bestimmte Richtungen zu denken. Es gibt aber auch genügend dauerkiffende festgefahrene Verschwörungstheoretiker, die sich besonders zu solchen Inhalten hingezogen fühlen, die ebenfalls beeinflusst waren von Rauschdrogen. Der

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Konsum und Missbrauch in jungen Jahren ist definitiv schädlich und Missbrauch kann generell vorhandene psychische Störungen verschärfen oder deren Ausformung anheizen. THC ist also weder für einen Forscher, noch für das Publikum in höheren Mengen sinnvoll. Amphetamine führen zu Fehlwahrnehmungen wie etwa die Überschätzung der eigenen Leistung, zu heftigen Entzugserscheinungen und Suchtverhalten, sowie beim Dauergebrauch zu irreparablen Schäden am Gehirn. Es gibt zwar keine öffentlich bekannten Fälle von Amphetaminmissbrauch bei populären Verschwörungstheoretikern, aber die Droge wird immer verbreiteter und passt zu der immer höheren Geschwindigkeit des Internetzeitalters und dem gestiegenen Leistungsdruck. Man darf auch nicht vergessen, dass das Medikament Ritalin nichts anderes als ein Aufputschmittel ist. MDMA (Ecstasy) verstärkt eher Fehleinschätzungen und esoterische Ideen über „universelle Liebe" und „Verbundenheit mit dem Kosmos". Gerade in Gruppen, wo Verschwörungstheorien mit Esoterik vermischt werden, kommt die Droge gerne zum Einsatz, um die eigenen Vorstellungen zum Schein zu bestätigen und um das Zugehörigkeitsgefühl zu der Gruppe zu verstärken. Die psychedelischen oder halluzinogenen Drogen erfreuen sich höherer Beliebtheit in der Verschwörungsszene und gelten häufig als Tor zu anderen Welten oder als Mittel, um der Realität näher zu kommen. Bei LSD, Ayahuasca, Pilzen oder Kakteen ähneln sich die typischen Halluzinationen und es ist kein echter Informationsgewinn belegbar, sondern man findet lediglich dünne Interpretationen der halluzinierten Bilder sowie starke, hormonell befeuerte Gefühle. Typischerweise werden Dinge gefühlt wie eine „Verbundenheit mit dem Kosmos", alles scheint „eins" zu sein und zusammenzuhängen und man spürt die Sinnestäuschung, unglaubliches Wissen zu erhalten, ohne tatsächlich relevantes Wissen aus dem Rausch herauszuziehen. Der Konsum solcher Substanzen kann leicht dazu führen, dass esoterische Gedanken und Schriften viel zu positiv gesehen werden und dass Inhalte bevorzugt werden, die ihrerseits von den Konsumenten halluzinogener Drogen stammen. Gerade Halluzinogene bergen außerdem die Gefahr, an Schizophrenie zu erkranken oder schizophrene Anlagen zum Durchbruch zu bringen. Man sieht es

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der Verschwörungsliteratur, Filmen und anderen Programmen oft an, wenn die Autoren in ihrer Wahrnehmung gestört sind. Die Welt Online veröffentlichte einen Artikel über die Innenansichten eines Schizophrenen und wie sich in den Wahnvorstellungen Persönliches mischte mit Verschwörungstheorien, politischen Inhalten und Geschichten aus Film und Fernsehen. Immer war der Mann in seinem Kopf Mittelpunkt einer filmreifen Verschwörung, wurde gejagt von den mächtigsten Geheimdiensten der Welt, sagte in „telepathischen Gerichtsprozessen" gegen Dick Cheney aus, zog sich den Zorn eines außerirdischen Königs zu und wollte sich umbringen, um zu verhindern, dass die Außerirdischen eine Atombombe auf HamburgEimsbüttel schössen. Für ihn fühlte sich der Wahn nicht nur echt an, sondern auch viel spannender als die reale Welt und sein ansonsten langweiliges Leben. Der Vater war früh gestorben, die Mutter ließ ihn viel allein und erkrankte an Multipler Sklerose; er selbst genoss den Alltag eines faulen Kiffers und probierte auch starke halluzinogene Substanzen. Natürlich konsumierte er Verschwörungsliteratur sowie bekannte Filme und Nachrichten, von denen einzelne Fragmente später in seinen Wahnvorstellungen auftauchten. Als er in der Psychiatrie landete, glaubte er, dass ein Spezialkommando gleich die Klinik stürmen würde. Es gibt starke Hinweise darauf, dass sogar der Cannabiswirkstoff THC bei Menschen mit genetischer Disposition eine Schizophrenie auslösen kann oder den Ausbruch in einem jüngeren Lebensalter begünstigt, insbesondere, wenn Cannabis mit Amphetaminen kombiniert wird. Ob jemand die Anlage in sich trägt, ist demjenigen meist unbekannt. Das Auftreten von Schizophrenie in der näheren Verwandtschaft kann jedoch ein starker Indikator sein. Cannabis scheint die Entwicklung von Psychosen im Allgemeinen zu begünstigen. Der Science-Fiction-Film Matrix von 1999 erfreut sich nach wie vor größter Beliebtheit in der Szene der Verschwörungstheoretiker und lieferte diverse Redewendungen wie etwa „die rote Pille nehmen", was in etwa bedeutet, die Realität der Verschwörung zu begreifen. Eine große Inspiration für den Film war ein Comic von Grant Morrison, der viele Drogen konsumierte und sich für okkulte Inhalte interessierte. Auch der berühmte Autor Phillip K. Dick nahm Unmengen an Drogen und verfasste Kurzgeschichten, die immer wieder verfilmt wurden und die Grenzen zwischen Wahn und Realität vermischten. In „Total

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Recall" spielt Arnold Schwarzenegger einen gelangweilten Bauarbeiter, der sich von einer Firma die Halluzination eines spannenden Abenteuers als Geheimagent auf dem Mars einpflanzen lässt. Die Sache geht schief, der Protagonist bleibt in seiner Wahn-Welt gefangen und glaubt, ein Held zu sein. Wer sich für mögliches außerirdisches Leben interessiert, der kann sich weiterbilden mit wissenschaftlicher Literatur. Wer sich für alte Pyramiden interessiert, kann sich mit wissenschaftlicher Literatur weiterbilden. Wer sich für Verschwörungen interessiert, der kann sich in Geschichte, Militärgeschichte, Kriminologie, Psychologie, Geheimdienste usw. einlesen. Dieser Weg kostet jedoch Zeit und Kraft, er ist über weite Strecken sehr trocken. Viele Leute wollen sich aber gar nicht anstrengen, sondern eine bequeme Abkürzung wählen. Und genau an diesem Punkt werden Rauschdrogen und fantastische Behauptungen angeboten. Schizophrenie kann auch mit diversen anderen Persönlichkeitsstörungen zusammen auftreten und noch gefährlichere Kombinationen erzeugen. Jemand mit narzisstischen Zügen oder einer ausgewachsenen narzisstischen Persönlichkeitsstörung interpretiert dann beispielsweise einen halluzinogenenTrip bzw. eine schizophrene Episode als göttliche Auserwählung, als Beweis für die eigene grandiose Bedeutung. Ein Psychopath meint vielleicht, den Teufel und Dämonen gesehen zu haben und will von diesen dann Befehle entgegennehmen. So entstanden auch die härteren Formen des Okkultismus. David Icke und Luke Rudkowski (WeAreChange), zwei sehr bekannte Figuren der Verschwörungsszene, sprachen in einem Video über ihre gemeinsamen Erfahrungen mit der halluzinogenen Rauschdroge DMT, in den USA eine verbotene Substanz der Kategorie 1. David nahm es „in Form von Ayahuasca" und hörte fünf Stunden einer weiblichen Stimme zu, die ihm von der „Realität" erzählte. Genauso wie sich gewöhnliche luzide Träume echt "anfühlen" können, fühlt sich das DMT-Kopfkino bei klinischen Versuchspersonen manchmal "realer als die Realität" an. Heute, so lamentiert Icke, sei die Praxis des Konsums von Halluzinogenen und esoterischen Schriften unterdrückt. Um sich selbst zu verbessern und glücklicher zu werden, müsse man zurück zu dem, was Menschen vor langer Zeit getan hätten. Das Problem an dieser Argumentation ist, dass Menschen in der Vergangenheit genauso durch ihre psychischen Störun-

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gen definiert waren wie heute, und der Rausch diese Probleme nicht notwendigerweise minderte, sondern verstärken konnte. Die Geschichtsbücher sind voll von Aufzeichnungen über alte, grausame (psychopathisch dominierte) Kulturen, in denen die zugedröhnte Priesterklasse ihren Stamm einer konstanten Gehirnwäsche unterzogen hatte. Die Völker, die an Drogen-Ritualen teilnahmen, waren vorher verbal indoktriniert worden und "sahen" im Rausch das was sie sehen sollten. Menschen waren früher nicht wirklich freier oder glücklicher. Esoteriker benutzen oft klischeehafte Erzählungen über angebliche verlorene Paradiese in der Vergangenheit wie Atlantis, wo die Menschen noch Zauberkräfte gehabt hätten und diese dann im Laufe der Zeit zusammen mit ihrem esoterischen Wissen verloren. Es ist ein billiger Mythos, dass Halluzinogene den Menschen pauschal friedlicher und freundlicher machen würden. Eine reife Persönlichkeit kann sich durch den Rausch zusätzlich bestätigt sehen, genauso wie sich ein fanatischer Kontrollfreak bestätigt sehen kann. David Ickes grundfalsche Ideen beschränken sich nicht nur auf seine Vorstellung von interdimensionalen Reptilien-Wesen, die man Jahre vor seinem ersten Buch schon in der Science-Fiction-Serie "V" fand. Es sind unzählige unwissenschaftliche religiöse Dogmen die er abgekupfert, erweitert und ergänzt hat. Er hielt es vor Jahrzehnten für sinnvoll, im landesweiten britischen BBC-Fernsehen zu erzählen, seine türkisfarbene Kleidung hätte ihn näher an Gott gebracht und all die negativen Energien der Leute würden bald Erdbeben und Flutwellen auslösen. Man findet bei ihm Überzeugungen über den Mond als Raumschiff, die Sonne als Tor zu anderen Sphären, Lemuria, die Erde als Gaia-Lebewesen das sich an den Menschen rächt, und 500 weitere Nonsens-Lehren, die er von der Theosophie übernommen und nachhalluziniert hat. Immer wiederfinden wir bei ihm "Visionen", also Halluzinationen, als Beweise und Maßstäbe für seine Thesen und Lehren. Im Folgenden betrachten wir kritisch die wichtigsten Autoren über Verschwörungen.

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John Robison: Proofs of a Conspiracy

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Der anerkannte britische Mathematiker und Physiker John Robison (1739 1805) war eigentlich nur einer von vielen Zeitgenossen, die über den bayerischen Illuminatenorden von Adam Weishaupt und dessen Einfluss auf die Französische Revolution schrieben, aber er landete mit „Proofs of a Conspiracy" einen Bestseller, der nicht nur international Gehör fand, sondern auch noch den Grundstein legte für die moderne Verschwörungsliteratur. Wegen seiner Mitgliedschaft bei der Royal Society of Edinburgh und dem Freimaurer-Orden galt er für folgende Generationen von Verschwörungsautoren als eine Art früher Whistleblower, Insider und besonderer Kenner der Materie. Sein Enthüllungswerk ist aber eher ein Verhüllungswerk und er präsentierte keine Informationen, die nicht ohnehin schon in Europa zirkulierten. Die bayerische Polizei hatte geheime Schriftstücke von Weishaupts Orden erbeuten können und machte das Material öffentlich, wobei diverse französische Freimaurerlogen aus dem Umfeld der Revolution ähnlich aufrührerische Ideen propagierten. Gebildete Kreise aus ganz Europa redeten aufgeregt über subversive Logen und Orden und schrieben sich zu dem Thema die Finger wund. Die britische Krone hatte das klare Motiv besessen, mit geheimdienstlichen Methoden Frankreichs Monarchie anzugreifen und eine Revolution zu fördern. Anstatt aber diesem Verdacht nachzugehen, lenkten John Robison und andere Autoren die Aufmerksamkeit nur auf den bayerischen Illuminatenorden und manche französischen Hochgrad-Freimaurerlogen. Robison lobt in seinem Buch schamlos die britische Krone, das pseudo-moderne britische Regierungssystem und das britische Freimaurersystem mit drei Graden, während er Frankreich vorwirft, sich in Britanniens Kolonialangelegenheiten (Amerika) eingemischt zu haben. Er erwähnt nicht explizit, dass Frankreich einen Hauptteil des Geldes bereitgestellt hatte für die Amerikanische Revolution und stellt auch nicht die naheliegende Frage, ob sich die Britische Krone vielleicht dafür gerächt hat, indem sie als Retourkutsche die Französische Revolution förderte. Noch verheerender für Robisons Glaubwürdigkeit ist die Tatsache, dass er sich für „Proofs of a Conspiracy" mit allerhand Material hatte versorgen lassen von dem Geheimagenten und Diplomaten Alexander Horn, der eng mit der Familie Thum und Taxis in Deutschland arbeitete, die wiederum der britischen Krone nahestand. Karl Alexander von Thum und Taxis (1770-1827) heiratete die Tochter von Erbprinz Herzog Karls zu Mecklenburg und Friederike von HessenDarmstadt. Der Erbprinz hatte niemand anderen als den englische König Geor-

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ge III. (Haus von Hannover) zum Schwager und diente in der hannoverschen Armee. 1776 wurde er sogar Gouverneur von Hannover. Friederike war eine Tochter des Prinzen Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt, dessen Fürstentum mit Hessen-Kassel in adeliger Verbindung stand. Hessen-Kassel wiederum war eng verbunden mit dem Haus von Hannover vom britischen Königshaus und darüber hinaus förderte Hessen-Kassel die Karriere von Baron Knigge, dem zweitwichtigsten Mitglied des Illuminatenordens. Weishaupt selbst flüchtete aus Bayern nach Sachsen-Gotha-Altenburg, das verbunden war mit dem britischen Thron. 1771 machte Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel den jungen Knigge zum Hofjunker und Assessor der Kriegs- und Domänenkammer zu Kassel. Die zweite Ehefrau des Landgrafen soll Knigge sogar eine Ehefrau vermittelt haben. Auch nach seiner llluminatenzeit wurden ihm Jobs zugeschanzt, wie etwa der Posten eines Oberhauptmanns der großbritannischhannoverschen Regierung. In seinem berühmten Buch „Über den Umgang mit Menschen" schrieb er enttäuscht über Geheimgesellschaften: Ich habe mich lange genug mit diesen Dingen beschäftigt, um aus Erfahrung reden und jeden jungen Mann, dem seine Zeit lieb ist, abraten zu können, sich in irgendeine geheime Gesellschaft, sie möge Namen haben, wie sie wolle, aufnehmen zu lassen. Sie sind alle, freilich nicht im gleichen Grade, aber doch alle ohne Unterschied zugleich unnütz und gefährlich. Unnütz sind sie zuerst, weil man in unserm Zeitalter keine Art von wichtigem Unterrichte in Geheimnisse einzuhüllen braucht. Die christliche Religion ist so klar und befriedigend, daß sie nicht wie die Volksreligionen der alten Heiden einer geheimen Auslegung, einer doppelten Lehrart bedarf, und in den Wissenschaften werden die neuesten Entdeckungen zum Wohl der Welt öffentlich bekanntgemacht, müssen und sollen öffentlich bekanntgemacht werden, damit sie jeder Sachverständige prüfen und bewahrheiten könne. [...] Unnütz sind solche Verbindungen ferner von Seiten ihrer Wirksamkeit, weil sie mehrenteils sich mit elenden Kleinigkeiten und abgeschmackten Zeremonien beschäftigen, eine Bildersprache reden, die alle mögliche Auslegung leidet, nach schlecht durchgedachten Plänen handeln, unvorsichtig in der Wahl ihrer Mitglieder sind, folglich bald ausarten, und wenn sie auch anfangs in ihrer Einrichtung Vorzüge vor öffentlichen Gesellschaften haben könnten, nachher dieselben und noch mehr solcher Gebrechen bei ihnen einreißen, über die man in der

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Welt klagt. [...] Wohltätigkeit bedarf keiner mysteriösen Hülle; Freundschaft muß auf freier Wahl beruhn und Geselligkeit braucht nicht durch geheime Wege befördert zu werden. Allein diese geheimen Verbindungen sind auch schädlich für die Welt. Schädlich, weil alles, was im Verborgnen geschieht, mit Recht in Verdacht gezogen werden kann; weil die Vorsteher der bürgerlichen Gesellschaft die Befugnis haben, von dem Zwecke jeder Tätigkeit, zu welcher sich mehrere vereinigen, sich unterrichten[392] zu lassen; weil sonst unter dem Schleier der Verborgenheit ebensowohl gefährliche Pläne und schädliche Lehren als edle Absichten und weise Kenntnisse versteckt sein können; weil selbst nicht alle Mitglieder von solchen verderblichen Absichten, die man zuweilen hinter der schönsten Außenseite zu verhüllen pflegt, unterrichtet sind; weil nur mittelmäßige Genies sich in diesen Schraubstock einzwängen lassen, die bessern hingegen entweder bald zurücktreten oder zugrunde gehen, ausarten und eine schiefe Richtung bekommen oder auf Unkosten der andern herrschen; weil mehren teils unbekannte Obern im Hinterhalte stehen und es eines verständigen Mannes unwert ist, nach einem Plane zu arbeiten, den er nicht übersieht, für dessen Wichtigkeit und Güte ihm Leute einstehen die er nicht kennt, denen er sich verbindlich machen muß, ohne daß sie sich ihm verbindlich machen, ohne daß er weiß, an wen ersich zu halten hat, wenn man ihm dafür gar nichts leistet; weil schiefe Köpfe und Schurken sich dies zunutze machen, sich zu unbekannten Obern aufwerfen und die übrigen Mitglieder zu ihren Privatabsichten mißbrauchen; weil jeder Erdensohn Leidenschaften hat und diese Leidenschaften also mit in die Gesellschaft bringt, wo sie dann im Schatten unter der Maske der Verborgenheit freiem Spielraum haben als am Tageslichte; weil alle diese Verbindungen durch nach und nach einschleichende üble Wahl der Mitglieder dahin ausarten; weil sie Geld und Zeit kosten; weil sie von ernsthaften bürgerlichen Geschäften ab zum Müßiggange oder zu zweckloser Geschäftigkeit leiten; weil sie bald der Sammelplatz von Abenteurern und Tagedieben werden; weil sie allerlei Gattung von politischer, religiöser und philosophischer Schwärmerei begünstigen; weil mönchischer esprit de corps bei ihnen einreißt und viel Unheil stiftet; endlich weil sie Gelegenheit zu Kabalen, Zwist, Verfolgung, Intoleranz und Ungerechtigkeit gegen gute Männer geben, die keine Mitglieder eines solchen oder wenigstens nicht desselben Ordens sind. [...] Laß Dich aber durchaus nicht

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darauf ein, unbekannten Obern zu huldigen, möchte man auch noch so einleuchtend scheinende Gründe dafür anführen. Sei vorsichtig in jedem Worte, das Du in Ordensgeschäften schreibst, und noch mehr in Übernehmung irgendeiner eidlichen oder andern Verbindlichkeit. Fordre Rechenschaft von Anwendung der Gelder, die man Dich bezahlen läßt. Karl Alexander von Thurn und Taxis war der zweite Großmeister der Freimaurer-Mutterloge „Die Wachsende zu den drei Schlüsseln" und 1806 machte ihn der englische Großmeister zum Provinzial-Großmelster von Bayern. Vor diesem Hintergrund wirkt Robisons Buch „Proofs of a Conspiracy" höchst suspekt und dreist, denn einem dermaßen intelligenten Wissenschaftler war damals durchaus zuzutrauen, die Spuren des bayerischen Illuminatenordens zu Britanniens Krone zurückzuverfolgen. Im Vorwort erklärt er, dass er in seiner englischen Heimat in jungen Jahren so manche harmlosen (und eher langweiligen) Erfahrungen gesammelt hätte in Freimaurerlogen, dagegen aber in Logen auf dem europäischen Festland Dinge erlebte, die seiner Ansicht nach überhaupt nicht in das System der Freimaurerei gehören. Hier nimmt er eine unsaubere Trennung vor, denn auch auf der britischen Insel gab es allerhand Logen, die weit über die standardmäßigen drei Grade Lehrling, Geselle und Meister hinausgingen. Im Prinzip betreibt er eine simple Schwarz-Weiß-Malerei mit dem „guten und braven" britischen Freimaurertum auf dereinen Seite, sowie den düsteren Logen in Deutschland und Frankreich auf der anderen Seite. Später bekam Robison nach eigenen Angaben von einem „Freund" mehrere deutsche Publikationen in die Hand aus der Reihe „Religionsbegebenheiten", die die deutlichen Spaltungen bei den Freimaurern thematisierten. Robison besuchte u.a. Logen in der französischen Stadt Liege, in Berlin und Königsberg, wo ihm Begeisterung entgegengebracht wurde und wo ihm große Fortschritte bei seiner Freimaurerkarriere versprochen wurden. Ihm wären die angebotenen Inhalte und versprochenen neuen Grade jedoch zu irrational, zu frivol, zu fanatisch, zu teuer und zu zeitintensiv gewesen. Sehr viele angesehene und einflussreiche Männer hingegen stürzten sich auf jeden neuen, noch so obskuren Trend, der in den vielen neuen Logen präsentiert wurde. Europaweit, so Robison, frönten die Freimaurer zunehmend schrägen und heiklen Ideen, die

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außerhalb der Logen zu öffentlicher Häme und zu staatlicher/kirchlicher Zensur geführt hätten. Es grassierten natürlich auch Revolutionspläne zum Sturz der französischen Monarchie, getarnt mit aufklärerischen Idealen und es wäre für britische Geheimdienste ein Leichtes gewesen, in das Milieu einzusickern und dort aktiv zu werden. Freimaurer gewesen zu sein in der damaligen Situation bedeutete noch lange nicht, automatisch einer Verschwörung anzugehören, also lässt sich auch nicht einfach sagen, dass „die Freimaurer" die Französische Revolution angezettelt hätten. Das Freimaurertum war einfach nur ein Vehikel, eine gehobene Bevölkerungsschicht und ein Milieu. Wirklich bedeutend waren konkrete Spionagenetze.

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Robison favorisierte das brave, grundlegende Freimaurersystem mit drei Graden aus Britannien, das von den anderen Systemen und höheren Graden lediglich als Einstieg betrachtet wird. Als „Treppenbrüder" bezeichnete man abfällig von oben herab diejenigen, die nur die ersten drei Grade durchlaufen hatten und auf diesem Niveau verharrten. Für die gewöhnlichen britischen Freimaurer galt es als Regel, in der Loge keine kritischen Diskussionen über die Regierung und die Kirche zu führen. Auf dem europäischen Festland jedoch galten diese Beschränkungen nicht. Unter dem Vorwand der Aufklärung und Befreiung der Massen Europas kamen zwielichtige Personen zusammen mit fragwürdigen Ideen. Interessanterweise hielten die Freimaurer in Großbritannien den Ball flach und verschworen sich dort nicht gegen die Monarchie oder die britische Kirche, während insbesondere in Frankreich und Deutschland sich die Logen zu einem wilden Hort der Rebellion gegen die Obrigkeit entwickelten. Der Hauptverdächtige in dieser Angelegenheit war das Britische Imperium, mit dem Motiv, seinen Konkurrenten Frankreich aus dem Weg zu räumen. Hatte Robison wirklich naiv gedacht, dass der bayerische Illuminatenorden und die französischen Freimaurerlogen auf eigene Faust handelten? Hätte der britische Agent Alexander Horn seine Propaganda selbst veröffentlicht, wäre das wohl ein Schuss in den sprichwörtlichen Ofen gewesen, aber aus der Feder des angesehenen Forschers und Freimaurers Robison, der die Logen Europas besucht hatte, war die Überzeugungskraft weit höher. Wir können also festhalten, dass eines der wichtigsten Werke der Verschwörungsliteratur, und quasi die Geburt der populären Vorstellungen über den Illuminatenorden, zurückgeht auf eine obskure Reihe an Texten, nicht unbedingt nachvollziehbare Quellen, nicht auffindbare Bücher, die Einflüsterungen eines britischen Spions sowie die schwammigen Beobachtungen von Robison in diversen europäischen Logen, die er auch noch absichtlich zensiert wiedergibt, um nicht den profanen Lesern irgendwelche Geheimnisse der Freimaurer zu enthüllen. Der Illuminatenorden von Adam Weishaupt, so Robison, wolle aus Gier die gesamte Welt übernehmen, Glaube und Monarchien zerstören, und sei demnach auch eine Bedrohung für Großbritannien. Dass ein Universitätsprofessor wie Weishaupt ohne einen mächtigen Geheimdienst bzw. Staat im Hintergrund eine derart gewaltige Organisation aufgebaut haben soll, war aber eine absurde Vorstellung. Der britische König zu der betreffenden Zeit war George III. und

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er stammte aus dem britisch-deutschen Haus Hannover. Die beiden ersten hannoverschen Regenten auf dem englischen Thron, Georg I. und Georg II., waren sogar noch in Hannover geboren worden. Adam Weishaupt, der Gründer und Leiter des Illuminatenordens sowie möglicher Mitverschwörer bei der Französischen Revolution, diente wahrscheinlich zusammen mit Knigge als Agent der britischen Krone. Weishaupt flüchtete schließlich vor der bayerischen Regierung nach Sachsen-Gotha Altenburg, aus dem später SachsenCoburg Gotha wurde. Monarchen aus der Linie Hannover herrschten bis zum Tod von Königin Victoria im Jahr 1901 über das britische Imperium und der Thron ging dann nahtlos über an ihren ältesten Sohn Edward VII. aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha. Weishaupt wurde nach seiner Flucht aufgenommen von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha Altenburg, der auch Mitglied des Illuminatenordens war, und mit einem Job versorgt. Dort schrieb Weishaupt dann eine Reihe an Werken, die die Bedeutung seines Ordens herunterspielten. Robison spricht allgemein und schwärmerisch über das Freimaurertum und wir erkennen die üblichen Werbe-Slogans, laut denen die Brüder irgendwelche besonderen Werkzeuge hätten, um ihre Mitglieder moralischer und besser als die unerleuchteten Normalbürger zu erziehen und dass diese besondere Kraft verpuffen würde, falls die Maurer ihre Geheimnisse der Öffentlichkeit zugänglich machten. Ironischerweise herrschte in allen möglichen Geheimgesellschaften damals Paranoia und es zirkulierten (begründete) Verschwörungstheorien über Infiltrationen durch konkurrierende oder verfeindete Geheimgesellschaften, weswegen immer neue Logen und noch exklusivere Vereinigungen gestartet und immer strengere Zugangsbeschränkungen erlassen wurden. Klassischerweise wirft man den außenstehenden Kritikern von Geheimgesellschaften Paranoia vor und das Spinnen von Verschwörungstheorien. Aber letztendlich waren die vermeintlich erleuchteten „Brüder" aus den Freimaurern und anderen Geheimvereinigungen auch nur Menschen, bei denen gewöhnliche Gruppendynamiken wie Richtungskämpfe, Aufspaltungen, Machtkämpfe, Intrigen und Vorurteile vorherrschten. Statt universeller Bruderschaft sahen wir jede Menge Missgunst gegen andere Logen und Logenbrüder, denn schließlich konnte sich ja

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eine Verschwörung auftun von Katholiken, unliebsamen Deutschen, Kabbalisten oder Anhängern der Stuarts im Exil. Wir sehen, dass viele Logen nicht unbedingt gleichgeschaltete, einheitliche Organisationen waren, sondern eine Art Parallelwelt mit allerhand unterschiedlichen Mitgliedern und Grüppchen. Natürlich war es auch in diesem Milieu möglich und erfolgsversprechend, von einer zentralen Stelle aus verschiedene Frontgruppen zu etablieren, denn so konnte man verschiedene Menschen leiten mit unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen und Sichtweisen über Okkultismus. Für ein Weltreich und eine Weltrevolution braucht es aber mehr als nur einen abstrusen bayerischen Uni-Professor, dem die Freimaurerei zu langweilig war und der den hundertsten neuen Club aufmachte. Eine subversive Gruppe wie die llluminaten brauchte viele Ressourcen und Erfahrung mit verdeckten Operationen und Spionageabwehr, um bedeutend zu werden. Weishaupts Orden fand eine gewisse Verbreitung, erlitt aber auch viele Rückschläge. Eine Hausdurchsuchung bei dem llluminaten Zwack förderte wichtige Papiere zutage, Baron Knigge stieg aus und schließlich gelangten auch die heikelsten Texte an die Öffentlichkeit, wie etwa Mitgliederlisten oder die Orte mit llluminatenLogen. Robison gab sich überhaupt nicht beeindruckt von Weishaupts Bekenntnissen zur Weltrevolution, sondern unterstellt ihm und seinen Mitstreitern, soviel Geld abzustauben wie möglich, ohne jemals Im Traum daran zu denken, wirklich die Welt zu erobern. Weißhaupts realistisches Ziel sei die Herrschaft über seinen Orden gewesen und nicht, wie er seinen Untergebenen großspurig erzählte, die Herrschaft über die Welt. Alles also nur ein bisschen okkulte Sektiererei, um ein paar Reichtümer anzuhäufen? Weishaupt hatte natürlich die Fähigkeiten eines Gurus und wusste, dass man mit Hilfe von geheimniskrämerischem Brimborium Männer führen konnte. Gleichzeitig ist es aber sehr wahrscheinlich, dass er als Agent des britischen Geheimdienstes seine llluminatengruppe aufgebaut hatte, um nützliche Personen zu rekrutieren und für revolutionäre Zwecke einzusetzen. Robison war ein königstreuer Freimaurer aus Britannien, der mit seinem Buch die negative Aufmerksamkeit auf Weishaupts Orden lenkte, der nur einer von vielen der damaligen Zeit war. Immerzu nimmt er die britische Freimaurerei in Schutz und legt nie einen Verdacht auf die britische Obrigkeit.

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Wieviel Einfluss Weishaupt auf die Französische Revolution hatte, schätzte Robison nicht einmal konkret ein und erzeigte auch mit dem Finger auf die französischen Offiziere und Funktionäre, die in Amerika tätig gewesen waren und dort den Duft der Unabhängigkeit geschnuppert hätten. Außerdem erwähnt er die auf Luxus versessene französische Monarchie, deren Anhäufung von Schuldenbergen und die neuen Steuern, die erhoben wurden. Nur ein Funke sei nötig gewesen, um die Revolution in Gang zu bringen. Aus geheimdienstlicher Sicht braucht es aber weit mehr als einen Funken und günstige Umstände für einen Umsturz, sondern lange vorbereitete subversive Operationen, das Etablieren von Spionageringen und die Anwerbung von genügend bedeutenden Leuten, die man für einen Umsturz benötigt. Das ganze Repertoire an Erpressungen, Bestechungen und Täuschungsmanövern und Frontorganisationen war für den Schattenkrieg notwendig. So etwas trauen wir viel eher dem britischen Imperium zu, nicht aber einem kleinen Professor aus Ingolstadt wie Weishaupt. Anstatt nüchtern und geheimdienstlich zu analysieren, was vorgefallen war, tischt uns Robison eine selektiv aufbereitete Geschichte der llluminaten auf und lädt uns dazu ein, in einem Labyrinth herumzuirren. Er stichelt lieber gegen „korrupte" französische Logen, die zwecks des Umsturzes einfache Wachleute des Palastes und ähnliche Figuren umschmeichelten und zu Freimaurern machten. Führungsfiguren der französischen Maurer waren selbstverständlich die Anführer der Revolution. Für wen sie wirklich arbeiteten, steht auf einem anderen Blatt. Selbst wenn es dem britischen Geheimdienst vielleicht nicht unbedingt gelang, die vorderste Front der Französischen Revolution zu kontrollieren, so hätten sich die Hannoveraner auf dem britischen Thron auch mit weniger Einfluss auf das Geschehen zufriedengegeben. Hauptziel war die Zerstörung der französischen Monarchie. Die Massenhinrichtungen nach erfolgter Revolution waren wahrscheinlich auch zu einem gewissen Teil der Versuch der neuen Herrscher Frankreichs, diverse (britische) Spionagenetzwerke auszuräuchern, die nicht mehr gebraucht wurden und zur Sicherheit beseitigt werden mussten. Die neuen Herren Frankreichs entzogen sich wohl schnell der Kontrolle ihrer britischen Unterstützer und planten vielleicht bereits, ihre subversiven Leute nach Britannien zu schicken, um dort über die Freimaurer-Logen die britische Krone schlechtzureden.

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Es überrascht nicht, dass ein gehobener britischer Freimaurer wie Robison als Reaktion darauf oder als Prophylaxe ein Enthüllungsbuch veröffentlicht, in dem die neuen Herren Frankreichs und deren subversive Logen entblößt werden. Robisons Buch wurde auch von Freimaurern gelesen und solchen Leuten, die einer Loge beizutreten planten. Auf Seite 296 warnt er gar vor einer französischen Weltverschwörung! Robison zitiert auch die ihm angetragene Schilderung eines Rituals, die sich nicht überprüfen lässt: Um den nächsthöheren Grad zu erreichen, sollte ein Ordensbruder einen vermeintlichen Verräter aus den eigenen Reihen zur Strafe mit dem Messer abstechen. Mit viel Dramatik soll dem Logenmitglied zur Vereinfachung seiner Pflicht eine Augenbinde gegeben worden sein, um nicht den zu begehenden Mord mitansehen zu müssen. Schnell wurde jedoch der „Verräter", der nur Teil einer Inszenierung war, lautlos ausgetauscht mit einem frischen Tierkadaver. Der Mann, der auf den Tierkadaver einstach, bewies so seine Loyalität zu der Gruppe. Der israelische Mossad-Agent Victor Ostrovsky erlebte eine solche Prüfung in einer härteren Variante: Während einer Mission, in der er eine muslimische Organisation infiltrierte, wurde überraschend vor seiner Nase ein echter Verräter erschossen und es kamen muslimische Soldaten dazu, die mit israelischen Militäruniformen bekleidet waren. Nur durch seine Nervenstärke konnte er verhindern, sich zu verraten. Robisons zweifelhaftes Buch wurde in alle Windrichtungen verbreitet und stieß auch in Amerika auf Gehör bei George Washington oder dem Senator Seth Payson, der 1802 den an Robison angelehnten Text „Proof o f t h e llluminati" veröffentlichte. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein bezogen sich andere Verschwörungsautoren explizit auf Robison, ohne dabei wirklich eine kritische Hinterfragung vorzunehmen und die britische Spur zu verfolgen.

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Abbé Barruel

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Während Robison das protestantische und freimaurerische Publikum bediente, kümmerte sich Augustin Barruel um die Katholiken und schuf fast zur gleichen Zelt eine Bestseller-Buchreihe, die in ganz Europa und In den USA für mächtig Wirbel sorgte und bis weit in das 20. Jahrhundert fleißig (und unkritisch) zitiert wurde von Verschwörungsautoren. Genau wie bei Robison und zig weiteren, weniger bekannten Zeitgenossen, die über llluminaten und Freimaurer und die Französische Revolution schrieben, muss man auch bei Barruel sehr vorsichtig sein. Er stammte aus dem Adel, arbeitete als Abbé und Domherr In Paris und war zugleich französischer Jesuit, was bereits die Alarmglocken schrillen lässt. Der Vatikan sah natürlich ungern seine Macht schwinden durch die Vielzahl an aufrührerischen Logen in ganz Europa und versuchte durch seine eigenen Geheimdienste herauszufinden, wer tatsächlich hinter einflussreichen Freimaurern und llluminaten die Fäden zog. Innerhalb der Freimaurer und ähnlichen Orden gab es allerhand Paranoia und Furcht vor katholischen Spionen, während die Jesuiten befürchteten, dass ihre Mitglieder wie im Falle Weishaupt abtrünnig werden. Manche Freimaurer betrachteten sich sogar als Nachfahren der Tempelritter, verabscheuten aber zugleich den Vatikan. Die Feindschaft geht Jahrhunderte zurück, wo Rom die Verhaftung sämtlicher Tempelritter anordnete und die flüchtigen Templer als Rache wahrscheinlich den damaligen Papst und den französischen König ermordeten. Nach dem Verbot der Jesuiten in Frankreich ging Barruel nach Österreich, bis auch dort sein Orden verboten wurde und so kehrte er in seine Heimat zurück um dort für den Hochadel als Hauslehrer zu arbeiten. Als Publizist stänkerte er erwartungsgemäß gegen die Französische Revolution und die Aufklärung, ohne dadurch zunächst einen bedeutsamen Einfluss auszuüben. Der Durchbruch kam erst in London, wo er unter anderem vom einflussreichen Freimaurer und Politiker Edmund Burke protegiert wurde. Es ist natürlich höchst ironisch, dass ausgerechnet das britische Establishment der Hauptverdächtige war bei der Destabilisierung der französischen Monarchie. 1797 und 1798 erschien Barruels vierbändige Reihe „Mémoires pour servir à l'histoire du Jacobinisme", die in mehreren Übersetzungen zum Bestseller wurde. Ohne Zugang zu besonderen Quellen und ohne direkt im Umfeld der llluminaten geforscht zu haben, konnte Barruel eigentlich überhaupt nichts Neues erzählen. Die britische Spur verfolgte er seltsamerweise auch nicht, obwohl er als katholischer Jesuit eigentlich höchst misstrauisch hätte sein sollen.

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Barruel behauptete sogar, im Haus eines Freundes Freimaurer geworden zu sein und rechtfertigte diesen Schritt mit seinen Vorstellungen darüber, wie das Freimaurertum historisch mit den Tempelrittern und Manichäern zusammenhing. Vielleicht spionierte er aber nur für die Jesuiten in England und ließ sich von seinen englischen Gastgebern ablenkende Informationen füttern über die Drahtzieher der Französischen Revolution. Anstatt mit dem Finger auf die Briten zu zeigen, schrieb sich Barruel wieder nur die Finger wund über die bayerischen llluminaten und über französische Logen. 1806 soll er Post bekommen haben von einem italienischen Soldaten namens Giovanni-Battista Simonini, der die Aufmerksamkeit auf „die Juden" lenkte als vermeintliche Drahtzieher der llluminaten. Jüdische Familien waren zu dem Zeitpunkt aber noch relativ unbedeutend und insbesondere die berüchtigten Rothschilds wurden überhaupt erst aufgebaut mit Hilfe des adeligen Hauses Hessen-Kassel (verwandt mit der britischen Krone). Barruel hielt die These über eine jüdische Weltverschwörung angeblich für überzeugend, unterließ es aber, sie in Form eines fünften Bandes zu veröffentlichen. Bis heute ist völlig unklar, ob Barruel überhaupt an jüdische Hintermänner glaubte. In vielen späteren Verschwörungsbüchern wurde behauptet, Weishaupt sei Jude gewesen, wofür es aber keine Beweise gibt. In den USA sorgte die vierbändige Reihe für einige Aufregung und sogar Thomas Jefferson geriet unter Verdacht, ein heimlicher Agent der llluminaten zu sein. Auch Robison erweiterte sein Buch in späteren Auflagen um Zitate von Barruel. Es handelt sich also bei den „Mémoires pour servir à l'histoire du Jacobinisme" nicht um einen tieferen Einblick oder gar um eine professionelle Analyse, sondern lediglich um eine einseitige Fixierung auf Weishaupt und französische Hochgradlogen.

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Leo Taxil: Der hauptberufliche Schwindler

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Der Franzose Marie Joseph Gabriel Antoine Jogand-Pagès (alias Taxil) war als Kind noch von Jesuiten erzogen worden, was aber keinen nennenswerten Eindruck bei ihm hinterließ. Er verließ des Katholizismus, versuchte es erfolglos bei den Freimaurern, kehrte 1885 wieder in die Kirche zurück und begann Ende der 1890er Jahre, in seinen Schriften mit allerhand erfundenen Gräuelgeschichten über Teufelsanbetung das Freimaurertum zu verdammen. Seine fiktive Quelle für Insiderinformationen war „Diana Vaughan", eine Aussteigerin aus dem (nonexistenten) „Kult der Palladisten" die im Kontakt mit Dämonen gestanden haben soll. Seine vierbändige Geschichte des Freimaurertums enthielt viele frei erfundene Augenzeugenberichte ohne glaubwürdige Quellen. Bei dem katholischen Publikum kam das Ganze aber sehr gut an und sogar Papst Leo XIII lud ihn zu sich ein. 1896 flog der Schwindel bereits auf, als die Kölnische Volkszeitung über ihn berichtete, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als ein Jahr später sein Publikum mit dem Geständnis zu schockieren, dass seine Arbeit ein absichtlicher Schwindel war, es sich bei Diana Vaughan nur um seine Sekretärin handelte und er nur zum Schein wieder Katholik geworden war. Taxils Lügen hatten sich längst verbreitet in allen möglichen weiteren Verschwörungsbüchern, wurden mit viel Fantasie weitergesponnen und untergruben die Glaubwürdigkeit jeder kritischen Untersuchung der Geheimgesellschaften. Er hatte sogar nach seiner Entlarvung erklärt, dass es sein Plan gewesen sei, die katholische Kirche zu diskreditieren. Es lag im Interesse der Freimaurer, über Taxil Fälschungen in Umlauf zu bringen, um damit die Glaubwürdigkeit der Gegner des Freimaurertums zu beschädigen. Bis zum heutigen Tag wiegeln die Freimaurer jegliche Kritik von außen an ihren Riten und Überzeugungen ab mit dem Verweis auf die damaligen Lügen des Léo Taxil. Zwar berief sich die Verschwörungsliteratur im 20. Jahrhundert kaum noch auf die Arbeiten von Taxil, sondern eher auf freimaurerische Originalquellen wie Albert Pike oder Manly P. Hall, aber dennoch gab es leider immer wieder Figuren in der Verschwörungsszene, die mit völlig unbewiesenen und unbestätigten Behauptungen über Satanismus arbeiteten und „Insiderquellen" sowie „Aussteiger aus den llluminaten" erfanden.

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Das Jahrhundert-Fake: Die Protokolle von Zion

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Die "Protokolle der Treffen der gelehrten Alten von Zion" sind ein zusammengefälschter Text aus Russland ungefähr aus dem Jahr 1900, der etwas später von einflussreichen Amerikanern und Briten einem Massenpublikum zugänglich gemacht wurde und die Literatur über Verschwörungen bis heute stark beeinflusst. Die Autoren der Protokolle wiederum waren selbst beeinflusst worden durch ältere Verschwörungsliteratur und hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich den ganzen Text auszudenken, sondern klauten Ideen aus einer Satire von Maurice Joly, aus dem Roman Biarritz und aus Theodor Herzls „Der Judenstaat". 1919 veröffentlichte die amerikanische Zeitung Philadelphia Public Ledger übersetzte Auszüge unter dem Titel „Rote Bibel", die etwas umgeschrieben wurden, damit es aussah, wie ein Dokument der russischen Bolschewisten und nicht eines jüdischen Verschwörer-Gremiums. Der verantwortliche Carl W. Ackerman bekam später ausgerechnet den Chefposten bei der JournalismusFakultät der elitären Columbia University, die ursprünglich von dem britischen König George II. gegründet worden war. Der Besitzer der Zeitung war der unglaublich reiche Cyrus H. K. Curtis und von 1918 bis 1921 war auch der ehemalige US-Präsident William Howard Taft ein Autor. Taft war Mitglied der gefährlichen Geheimorganisation Skull&Bones, die sich rege beteiligt hatte an der bolschewistischen Revolution in Russland und der Versorgung des neuen sowjetischen Regimes mit westlichem Geld und westlicher Technologie. Skull&Bones wurde später vom Historiker Antony Sutton entlarvt anhand von Originaldokumenten. Skull&Bones geht zurück auf den Einfluss der britischen Krone. Hier hatten wir also „Journalisten" aus einem Milieu, das mit geheimdienstlichen Methoden Russlands Zarenherrschaft beendete und den Sowjetkommunismus unterstützte, und genau diese Journalisten verbreiteten als Ablenkungsmanöver die gefälschten Protokolle von Zion über eine jüdische Weltverschwörung zur Etablierung des gottlosen Kommunismus und zur Auflösung von Nationen. Jedes Mal also, wenn das britische Imperium irgendwo auf der Welt eine bedeutende Geheimoperation für den Umsturz einer bestehenden Ordnung vornahm, lancierten die britischen Geheimdienste gleichzeitig in der Öffentlichkeit verlogene Bücher und Pamphlete, um die Aufmerksamkeit auf jemand anderen zu lenken. Bei der Französischen Revolution hatten die Briten über

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Robison und andere Autoren noch Weißhaupts bayerischen Illuminatenorden und die französischen Freimaurer beschuldigt. Nach der bolschewistischen Revolution in Russland verbreiteten die Briten und Amerikaner die Protokolle von Zion und schürten damit die Stimmung gegen Juden. Harris A. Houghton, ein Mitglied des amerikanischen Militärgeheimdienstes, ließ 1920 eine komplette englische Übersetzung der Protokolle anfertigen und verbreiten. Zu diesem Zweck schuf er die Tarnfirma „The Beckwith Company" und verlegte auch noch Bücher wie Nesta Websters „Boche and bolshevik". Webster war eine antisemitische Verschwörungsautorin aus dem britischen Establishment. Das Geld für Houghtons Verlagsaktivitäten kam wahrscheinlich von der Organisation „American Defense Society", deren Ehrenpräsident der ehemalige US-Präsident Theodore Roosevelt war. Als Vorsitzender diente Richard Melancthon Hurd, Absolvent der Universität Yale und Mitglied der Geheimorganisation Skull & Bones.

Bild: Das Logo von Skull & Bones

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Bild: Die erste vollständige englischsprachige Ausgabe der Protokolle von Zion in Amerika, vom amerikanischen Geheimdienstler Harris A. Houghton

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In Großbritannien erschien die erste englische Ausgabe 1920 und es gab eine ausführliche Berichterstattung in der Zeitung The Morning Post in London. Daraus entstand noch das Buch „The Cause of World Unrest" mit Beihilfe von Nesta Webster (siehe nächstes Kapitel) und anderen. Victor E. Marsden übersetzte die am meisten gelesene englische Version der Protokolle und er traf sich sogar zeitweise mit dem Prinzen von Wales. Einem Massenpublikum in Amerika wurden die Protokolle bekannt durch den Mogul der Autoindustrie Henry Ford, denn er bezahlte den Druck von 500.000 Exemplaren und machte zudem noch den deutschen Nazis schöne Augen, obwohl seine Loyalität nur dem angloamerikanischen Imperium galt. Fords Familie stammte aus England, sein Automobilkonzern verkaufte wichtige Industrie an die Sowjetunion und man förderte über die Ford-Stiftung den Sozialismus im Westen. Natürlich dienten ihm die Protokolle als Ablenkung von dem eigenen Handeln und lenkten die Aufmerksamkeit auf eine vermeintliche jüdische Weltverschwörung. Um den Effekt zu verstärken, veröffentlichte Ford gleich noch das Buch „Der internationale Jude", welches auf den Protokollen aufbaut. Praktisch alle negativen Entwicklungen werden einer jüdischen Verschwörung, nicht jedoch dem angloamerikanischen Imperium zugeschrieben. Die zahlreichen Leser der Protokolle verdächtigten in aller Regel Familien wie die Rothschilds, die Pläne aus den Protokollen umzusetzen. Dass die bedeutenden jüdischen Clans vom britischen Imperium genauso aufgebaut worden waren wie nichtjüdische Raubbarone, erfuhr das Publikum nicht. Bis heute entlarven Historiker, Freimaurer und andere Leute fleißig die vielen Fälschungen und Fehlinformationen aus der teils antisemitischen Verschwörungsszene, ohne dabei zu enthüllen, welchen Einfluss das britische Imperium auf Revolutionen weltweit und auf irreführende Verschwörungsmythen hatte. Verschwörungstheoretiker gelten deshalb pauschal als schmuddelige, rassistische, irrationale und gefährliche Zeitgenossen. Die Verschwörungstheoretiker kontern, dass die gewöhnlichen Schreiber sich einfach nicht trauen würden, die Protokolle als real zu bezeichnen. Wenn ein Verschwörungstheoretiker es heute wagt, Mythen und Fakes wie die Protokolle abzulehnen, erntet er von der Szene Ablehnung und Verdächtigungen, selbst mit den Juden unter einer Decke zu stecken.

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Nachdem eine britische Zeitung in den 1920er Jahren aufgedeckt hatte, dass die Protokolle eine Fabrikation waren, fielen die Reaktionen unterschiedlich aus. Eines der am häufigsten genannten Argumente, welches sich auch bei Henry Ford, sowie in späterer Verschwörungsliteratur findet, lautet, dass es egal sei, ob die Protokolle gefälscht wurden oder nicht, weil die darin enthaltenen Pläne von den jüdischen Verschwörern genau wie beschrieben in der Welt umgesetzt worden wären. In manchen späteren Verschwörungsbüchern wurden die Protokolle in veränderter Form abgedruckt, wobei Begriffe wie „Juden" und „Goyim" (Nichtjuden) ersetzt wurden durch „llluminaten" und „Untertanen". Milton William Cooper druckte in seinem Bestseller „Behold a Pale Horse" 1991 den gesamten Text im Original ab mitsamt dem Kommentar, man müsse das Wort „Juden" jedes Mal durch „llluminaten" ersetzen. Der Text der Protokolle ist dermaßen primitiv und voll mit groben Klischees, dass ihn praktisch jeder gebildetere Mensch gegen Ende des 19. Jahrhunderts hätte verfassen können. Das Niveau der Protokolle entspricht in etwa dem von Taxils Schwindeleien und ähnlichen Fabrikationen: „ Wir müssen alle Völker durch Neid und Hass, durch Streit und Krieg, ja selbst durch Entbehrungen, Hunger und Verbreitung von Seuchen derart zermürben, dass die Nichtjuden keinen anderen Ausweg finden, als sich unserer Herrschaft vollkommen zu beugen." „Sobald ein Nichtjüdischer Staat es wagt, uns Widerstand zu leisten, müssen wir in der Lage sein, seine Nachbarn zum Krieg gegen ihn zu veranlassen. Wollen aber auch die Nachbarn gemeinsame Sache mit ihm machen und gegen uns vorgehen, so müssen wir den Weltkrieg entfesseln." Besonders lächerlich ist das Protokoll Nr. 3, wo absoluter Schutz versprochen wird für die Masse der Juden: „Juden werden sicher sein." Es ist vom Stil her vergleichbar mit den Erfindungen aus dem 19. Jahrhundert über die angebliche Weltherrschaftsverschwörung der Jesuiten. Genau wie jedes andere Fake-Dokument, benötigten auch die Protokolle eine erfundene Entstehungs- und Herkunftsgeschichte:'

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Was den fiktiven Ursprung der „Protokolle" angeht, so sind die verschiedenen Herausgeber widersprüchlicher Meinung. Nilus behauptet, sie seien beim ersten Zionistenkongreß 1817 in Basel verkündet und anschließend der Wohnung Theodor Herzls entwendet worden. Andere führten die "Protokolle" bis auf Adam Weishaupts Illuminatenorden zurück oder z.B. auf den jüdischen B'naiB'rith Orden. Am weitesten geht dabei die Aussage, die "Protokolle" seien einem Juden vom Teufel diktiert worden. Kurz nach dem Erscheinen von Robisons und Barruels Büchern über die llluminaten, also rund hundert Jahre vor den Protokollen, wurden von diversen Autoren allerhand Querverbindungen herbeifantasiert zwischen Adam Weishaupt und jüdischen Clans wie den Rothschilds. Wenige jüdische Clans waren vom britischen Imperium aufgebaut worden und nahmen in der öffentlichen Wahrnehmung als Banker und Händler eine immer größere Rolle ein, was natürlich die Illusion einer jüdischen Weltverschwörung befeuerte. In der späteren Verschwörungsliteratur wurden Inhalte von Robison und anderen llluminatenAutoren dann vermengt mit den Inhalten aus den Protokollen um zu „beweisen", dass Robisons Warnung vor einer Verschwörung gegen Regierungen und Religionen weltweit akkurat und korrekt gewesen sei. Stattdessen spielten Robison, Barruel, Nesta Webster, die Protokolle usw. letztendlich nur dem britischen Imperium in die Hände. Die Protokolle von Zion sind das populärste Fake der Verschwörungsliteratur und halten sich bis heute hartnäckig, weil die darin enthaltenen Pläne zur Weltherrschaft allgemein und schwammig formuliert sind im Stil von Prophezeiungen und Horoskopen. Die Protokolle führen auch zu zirkulärem Denken: Es wird argumentiert, dass die Protokolle akkurat vorhergesagt hätten, was im 20. Jahrhundert geschehen ist. Aber nach welchem Muster interpretieren die Verschwörungstheoretiker die Geschehnisse des 20. Jahrhunderts? Gemäß den Protokollen von Zion und nach Büchern, die von den Protokollen beeinflusst wurden. Dieses gedankliche Slch-im-Kreis-Drehen schafft die Illusion von Beweiskraft. Quellen: [1] http://www.rosa-luxemburg-bildungswerk.de/docs/HS3-Zion.pdf

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Nesta Webster

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Nesta Webster wurde in Trent Park geboren, einem herrschaftlichen Anwesen nördlich von London, das immer wieder von Geheimdiensten und dem Militär verwendet wurde, wie z.B. als Kriegsgefangenenlager für wichtige deutsche und italienische Offiziere. Das Haus war 1777 von König George III. an seinen Arzt vermietet worden. Später ging es über in den Besitz der Familie Bevan, deren Männer Partner der Barclays Bank waren. Auch Nesta Websters Vater war Partner bei Barclays. Trent Park gehörte auch zeitweise dem jüdischen Adeligen Sir Philip Sassoon, dessen Clan vom britischen Imperium aufgebaut worden war. Sassoon war ein Verwandter der Rothschilds, die aufgebaut worden waren durch das Haus HessenKassel, welches wiederum mit dem britischen Königshaus Hannover verwandt ist. Die Sassoon-Brüder David und Albert waren Freunde des britischen Prinzen von Wales. David Sassoon (1792 - 1864) war ein irakischer Jude gewesen, der mit anderen zusammen nach Bombay (Mumbai) auswanderte und dort seine Community anführte. Das britische Imperium machte ihn durch Handel mit Opium und Textilien zwischen China, Indien und England reich. 1853 wurde er offiziell Brite, sein Sohn bekam den Kleinadelstitel eines Baronets und heiratete in die Rothschild-Familie ein. Nesta Webster war also im wahrsten Sinne des Wortes mitten in die Kreise aus Verschwörern und Bankiers hineingeboren. Ihr war eigentlich zuzutrauen, die Bedeutung und wahre Macht des Britischen Imperiums zu verstehen, aber sie sprach in ihren Schriften stattdessen über mythische Zirkel von Okkultisten, Juden und llluminaten als Drahtzieher großer Verschwörungen wie der Französischen Revolution, der Bolschewistischen Revolution in Russland und der Verbreitung des Sozialismus. Nach dem Ersten Weltkrieg durfte sie mehrfach über diese Themen bei militärischen Einrichtungen und vor dem Geheimdienst referieren. Die Geheimdienstler sollen sie dazu gedrängt (!) haben, das Buch „World Revolution: The Plot Against Civilization" zu schreiben. Dafür erhielt sie auch Lob aus der hohen Politik, wie etwa von Lord Kitchener, und ausgerechnet Winston Churchill machte 1920 Werbung für sie in einem Artikel mit dem Titel "Zionism versus Bolshevism: A Struggle for the Soul of the Jewish People". Man muss sich die Dreistigkeit einmal richtig vor Augen halten: Wichtige Mitglieder des britischen Imperiums schwadronieren über mythische jüdische Weltverschwörer, dabei waren die britischen Geheimdienste die Hauptver-

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dächtigen bei der Destabilisierung der Französischen Monarchie, bei der Russischen Revolution und bei der Verbreitung des Sozialismus über die Fabian Society. Und natürlich hatte das Imperium jüdische Clans wie Sassoon und Rothschild aufgebaut. Ob Webster, Churchill und andere wirklich so gnadenlos naiv waren? Oder förderten sie bewusst Verschwörungstheorien, die von der Rolle des britischen Imperiums ablenkten? Anstatt aufzudecken, was wirklich vor sich ging, panschte man halbgare Mythen, Propaganda und Fälschungen zusammen. Webster schien sich auch noch für den Faschismus zu begeistern und hatte Verbindungen zu mehreren einschlägigen, rechtsradikalen britischen Gruppen, wo sich unter Militäroffizieren und Adeligen höchstwahrscheinlich auch einige britische Spione tummelten. Diese Spione hätten einerseits die Sympathisanten Deutschlands in Britannien ausgehorcht und andererseits Gesprächskanäle zu den deutschen Faschisten unterhalten, um jene zu bearbeiten, zu rekrutieren und zu täuschen. Geschichtsbücher wie „Churchill's Deception" von anerkannten Autoren zeigen, dass die Briten es vermochten, mit Hilfe von großangelegten Täuschungsmanövern die Nazis hinters Licht zu führen. Die deutschen Faschisten begeisterten sich natürlich für platte, antijüdische Weltverschwörungstheorien, wie sie Nesta Webster verbreitete. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg lebte die britische Desinformation und Propaganda von Webster und anderen weiter und beeinflusste immer neue Generationen an Verschwörungstheoretikern und Neonazis. Mehr zu rechter revisionistischer Literatur finden Sie in einem späteren Kapitel. Sie wurde auch fleißig gelesen in den USA bei dem Ku Klux Klan, der John Birch Society und der Milizbewegung. In Deutschland war es u.a. der Verschwörungsautor Jan Udo Holey, der sich in seinen Büchern über Geheimgesellschaften auf Websters Thesen bezog.

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William Guy Carr: Agent der Krone

Ein weiterer suspekter Star der Verschwörungsszene war William James Guy Carr (1895 - 1959), ein in England geborener kanadischer Marineoffizier und Geheimdienstler. In seinem Beruf war er der Britischen Krone verpflichtet und kämpfte für das Empire in beiden Weltkriegen. Ab 1931 hielt er Vorträge in Kanada über die llluminaten, den internationalen Kommunismus sowie BankerFamilien wie die Rothschilds und Rockefellers. Im Ruhestand veröffentlichte er seine Bücher wie „Pawns in the Game" (1955) und „Red Fog over America" (1955), von denen hunderttausende Exemplare über den Ladentisch gingen. Seine größten Einflüsse waren Nesta Webster, Léo Taxil, Barruel und Robison. In „Pawns in the Game" behauptete er, dass der ranghohe amerikanische Freimaurer Albert Pike und der Illuminaten-Agent Giuseppe Mazzini in einem Briefwechsel aus dem 19. Jahrhundert den Plan für drei kommende Weltkriege besprochen hätten. Carr bezog sich dabei nicht auf echtes Quellmaterial, sondern auf ein älteres Verschwörungsbuch von Kardinal José Rodriguezaus Chile. Der Kardinal behauptete, dass diese Briefe im Jahr 1925 in der Bücherei des Britischen Museums einsehbar waren, während das Museum erklärte, diese Briefe nie besessen zu haben. Niemand hat je einen Beweis dafür geliefert, dass der Pike-Mazzini-Briefwechsel wirklich echt ist. In den folgenden Jahrzehnten zitierten viele andere Verschwörungsautoren wie zum Beispiel Des Griffin den Briefwechsel und erweckten in den Fußnoten den Eindruck, dass der Text wirklich im Britischen Museum vorhanden gewesen sei, dann aber wegen der erhöhten Aufmerksamkeit von Verantwortlichen des Museums entfernt wurde. Der Ursprung der ganzen Angelegenheit war eine Erfindung des bekannten Schwindlers Léo Taxil in seinem (unter Pseudonym veröffentlichtem) Buch „Le diable au XIXe siècle" von 1894. Der Kardinal José Rodriguez, auf den sich Carr bezog, hatte sich einfach bei diversen Texten von Taxil bedient. Carrs zweite Quelle war Edith Starr Miller mit ihrem Buch "Occult Theocrasy" von 1933, die ebenfalls nur den Schwindler Taxil zitiert hatte.'

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Bild: Albert Pike Carr fabrizierte die Legende von den drei geplanten Weltkriegen, wobei seine Fantasie im Hinblick auf den dritten Weltkrieg nicht besonders weit reichte. Er behauptete, dass die "politischen Zionisten" mit den Muslimen kämpfen und sich gegenseitig zerstören werden, worauf dann der Rest der Welt sich bis zur völligen Erschöpfung bekriegt. Das folgende erfundene Zitat landete in unzähligen weiteren Büchern und Webseiten:

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"We shall unleash the Nihilists andAtheists, and we shall provoke a formidable social cataclysm which in all its horror will show clearly to the nations the effect of absolute atheism, origin ofsavagery and ofthe most bloody turmoil." Begriffe wie Weltkrieg, Faschisten, Zionisten, Nazis oder der Staat Israel, die Carr in seinen erfundenen Zitaten benutzte, waren zu der Zeit von Pike und Mazzini völlig unbekannt. Mehrere Forscher drängten Carr ergebnislos darauf, Beweise vorzuzeigen und selbst der Kardinal Rodriguez musste zugeben, dass damals im Britischen Museum nur Leo Taxils Buch „Le diable au XIXe siècle" vorhanden war und keine Originalbriefe von Pike und Mazzini. Carrs Lügen landeten dennoch im Internet und von dort aus beeinflussten sie Alex Jones, Henry Makow, Walter J. Veith, Bill Schnoebelen, Texe Marrs, David Icke, Pat Robertson und viele andere. Diese selbsternannten Experten über die „llluminaten" hatten einfach nur ein paar schlechte Bücher gelesen, ohne jemals die ganzen falschen Daten auszusortieren und bessere Forschungen zu betreiben. Carr versuchte es außerdem mit einer weiteren scheinbaren Sensation: Durch den kanadischen Geheimdienst hätte er von einer Rede des „Rabbi Emmanuel" von 1952 erfahren, laut der die geheimen Mächte den dritten Weltkrieg planten und Rassen wie Religionen auslöschen wollten. In Wirklichkeit hatte der Verschwörungsautor Eustace Mullins (siehe nächstes Kapitel) den Rabbi samt Rede („Our Race Will Rule Undisputed Over The World") schlichtweg erfunden. Mullins erzählte eine hochtrabende Geschichte von einem sowjetischen Überläufer, der ihm eine Kopie der Rede beschafft haben soll. Beweise? Fehlanzeige. Auch Carrs Geschichte, über den Geheimdienst die Rede bekommen zu haben, ist nur eine spannend klingende Legende. Die Rede war nämlich schon abgedruckt worden in einer Ausgabe des Magazins Women's Voice und In der Zeitschrift der antisemitischen Canadian League of Rights und auch in der antisemitischen Zeitung Common Sense. Ein weiterer Fehlgriff in Carrs Buch „Pawns in the Game" ist seine Erläuterung, wie „die llluminaten" sich schon vor über 2000 Jahren verschworen hätten, um die Römischen Behörden dazu zu bewegen, Jesus Christus zu töten. Zwar unterscheidet Carr in seinem wirren Geschichtsverständnis zwischen diesen ver-

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meintlichen Illuminati-Juden einerseits, die mit ihren 30 Silberstücken Judas bestochen haben sollen, sowie den gewöhnlichen Juden andererseits, denen fortan zu Unrecht vorgeworfen wurde, den Heiland ermordet zu haben, aber nichtsdestotrotz ist dies alles eine komplett irrationale, religiöse Vorstellung. Carr bemüht noch die umstrittene Khasaren-Theorie zu den Juden, ohne darüber wirklich Bescheid zu wissen. Alle möglichen jüdischen Händler und Geldwechsler der Vergangenheit, auch Jahrhunderte vor den Rothschilds und anderen Bankiers, seien bereits Teil der satanischen Verschwörung gewesen. Der Untergang Roms hätte ein Machtvakuum geschaffen, das dann sofort die jüdische Dominanz füllte. Diese Darstellungen sind absoluter Unsinn und haben nichts mit Geschichtsforschung zu tun, sondern sollen nur die These von der jüdischen Weltverschwörung stützen und in einen fanatisch-christlichen Kontext eingebunden werden, in ein primitives Schema von Gut und Böse. Jüdische Bankiersfamilien kamen hauptsächlich im frühen 19. Jahrhundert zu anhaltender, größerer Bedeutung und das auch nur wegen der Unterstützung des britischen Imperiums. Jede ernstzunehmende historische Betrachtung ergibt, dass Juden machtpolitisch vor dem 19. Jahrhundert keine signifikante Rolle spielten und danach im Rahmen der britischen Interessen agierten. Aber Carr wollte die Realität der jüdischen Geschichte einfach nicht anerkennen. Er ignorierte, dass die weiße Oberschicht Englands die Macht in den Händen hielt und erzählte stattdessen eine völlig unrealistische Verschwörungstheorie, laut der irgendwelche satanischen Krämer-Juden schon seit dem Ende des Römischen Reiches die Fäden ziehen und ein Land nach dem anderen durch Handel (!) unter ihre Kontrolle brachten. Schon lange bevor Juden überhaupt erst auf der Weltbühne erschienen, gab es Großreiche die neben militärischen und geheimdienstlichen Kapazitäten auch sehr viel Ahnung hatten von Geld und Handel. Juden besaßen überhaupt keine außergewöhnlichen Fähigkeiten und waren zahlenmäßig immer schwer unterlegen, weshalb die Theorien über eine jüdische Weltverschwörung von vorneherein sehr unwahrscheinlich sind. Bereits im Jahr 1255 sollen die satanischen jüdischen Geldwechsler „die absolute Kontrolle" über den Großteil des Adels und über viele christliche Kirchenämter in Britannien erlangt haben. Die Quellenangabe von Carr für diese Aussage ist das Buch "Aaron of Lincoln" über den gleichnamigen jüdischen Mann, der in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit Kreditgeschäften sehr viel Geld

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verdient hatte, was aber überhaupt nicht mit moderneren Maßstäben verglichen werden kann. Er besaß abseits davon keine Macht und wurde von seinen Kreditnehmern als Wucherer bezeichnet, weshalb nach seinem Tod der britische König einfach sein gesamtes Vermögen (einschließlich ausstehender Kredite) einzog. Juden waren beileibe nicht die einzigen gewesen, die simple Kreditgeschäfte tätigen konnten, aber sie hatten einen völlig unsicheren Rechtsstatus und konnten jederzeit enteignet, verhaftet oder ermordet werden. 1190 griff Richard de Malbis, einer der Schuldner von Aaron, mit Gleichgesinnten die Familie von Aarons Finanzverwalter an, wobei insgesamt 150 Juden umgebracht wurden. Die Geschichte von Aaron ist nie und nimmer ein Beweis, dass ein Netzwerk satanischer Juden im 13. Jahrhundert die Kontrolle über England hatte. In der Folgezeit wurden die Juden sogar des Landes verwiesen. Als nächstes beschreibt Carr die Verschwörung von Oliver Cromwell zum Sturz des britischen Königs Charles I, als handle es sich um einen jüdischen Plot. Der „jüdische Geldbaron" Manasseh Ben Israel, sowie deutsche und französische Finanziers, hätten Cromwell als Mittel zum Zweck benutzt, um den britischen Thron zu Fall zu bringen. Manasseh Ben Israel verhandelte Bedingungen aus für eine mögliche Rückkehr der Juden nach England und verstarb zwei Jahre später. Carr macht aus ihm einen Superverschwörer und Strippenzieher und liefert dazu eine Fußnote, die keinerlei Substanz hat. Cromwell war zunächst nur ein einfacher Abgeordneter des englischen Unterhauses gewesen, übernahm dann die Kontrolle über die Streitkräfte des Parlaments und bezwang die Truppen von König Charles I. Dieser relativ gewöhnliche Machtkampf der damaligen Zeit wird von Carr umgedeutet als Revolution jüdischer llluminaten. Cromwell scheiterte schließlich und Charles II. aus dem Haus Stuart übernahm wieder den Thron. Carrs Formulierungen erwecken den Eindruck, dass nur Juden zu größeren Verschwörungen bereit seien, was natürlich Unsinn ist. Die Trennung von Staat und Kirche, basierend auf dem sogenannten Calvinismus, sei ebenso ein jüdisches Mittel der Zersetzung gewesen. Calvins echter Name sei Cohen gewesen und bei der Feier der jüdischen Organisation B'nai B'rith in Paris 1936 soll seine jüdische Abstammung gefeiert worden sein. Als Quelle nennt Carr die Februar-Ausgabe der Zeitung „London Catholic Gazette" aus demselben Jahr.2 Im Internet Archive findet sich der Scan des betreffenden Zeitungsartikels mit dem Titel „Die jüdische Gefahr und die katholische Kirche". Darin werden angebliche Auszüge aus Reden bei der B'nai B'rith zitiert, die von

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einem anonymen Informanten beschafft worden sein sollen. Es liest sich genauso wie die Protokolle von Zion oder ähnliche Fakes: Jüdische Anführer palavern darüber, wie sie die Weltherrschaft an sich reißen und sämtliche anderen Religionen und Regierungen zerstören wollen. Laut den Verschwörern sei die katholische Kirche natürlich der Hauptfeind und müsse bekämpft werden durch das Anheizen von Liberalismus und Revolten. Dieser Zeitungsartikel hat keinerlei Beweiskraft und ist nur darauf zugeschnitten, den katholischen Leser zu manipulieren und von dem harten Kurs der katholischen Kirche zu überzeugen. Nach dem gleichen Strickmuster konstruierten auch andere Gruppen ihre Propaganda, wie beispielsweise die Protestanten aus Amerika während dem 19. Jahrhundert, die in zahlreichen Büchern gefälschte Zitate und erfundene Enthüllungen über katholisch-jesuitische Pläne zur Erlangung der Weltherrschaft abdruckten. Es ist wichtig zu betonen, dass längst nicht nur rechtsextreme Verschwörungstheoretiker mit Fakes arbeiteten, sondern eben auch einflussreiche große Organisationen, die sich auf diese Weise gegenseitig bekämpften. Die Zeitung Catholic Gazette bezeichnete im Prinzip jedwede Kritik an der katholischen Kirche als jüdisch-freimaurerische Agitation. Selbstverständlich praktizierten Protestanten, Freimaurer und diverse Adelskreise tatsächlich Propaganda gegen die katholische Kirche und nutzen dabei auch Fakes, aber die Zeitung Catholic Gazette reagierte darauf ebenso unehrlich und manipulativ. Calvin, so der Artikel, sei jüdisch gewesen, und auch der Reformator Martin Luther wird als bezahlter Agent der Juden beschrieben. Statt echte Beweise zu liefern, behauptete die Zeltung einfach, dass ein geheimer Informant diese Informationen bei einer mächtigen Judenloge erfahren hätte.

Quellen: [1] https://esotericagnosticismandfreemasonry.wordpress.com/2016/03/Q6/pikesfake-three-world-wars-letter-the-proof/ t2] https://archive.org/stream/rheCatholicGazetteTheJewishPerilAndTheCatholicC hurch/The%20Catholic%20gazette%20%20The%20jewish%20peril%20and%20the%20Catholic%20Church#page/n1/ mode/2up

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Eustace Mullins

Bild: Der Brief von Mullins an den Direktor der Bundespolizei FBI

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Der Amerikaner Eustace Mullins ist am bekanntesten für sein Buch „The Secrets of The Federal Reserve" über die amerikanische Zentralbank. Über seinen Bildungshintergrund ist nur bestätigt, dass der an der New York University ein Sommersemester verbracht hatte. 1942 trat er dem Militär bei und kämpfte bei der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg in einer gewöhnlichen Position ohne Zugang zu besonderem Geheimmaterial. Im Jahr 1949 stieß er auf den verschrobenen Dichter Ezra Pound, der in der geschlossenen Psychiatrie saß und empfahl, in der Kongressbibliothek nach den Hintergründen der Zentralbank Federal Reserve zu suchen. Zu dem Zeitpunkt gab es bereits mehrere Traktate zu dem Thema von fragwürdiger Qualität und die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, dass Mullins sie gelesen hat. Später arbeitete er bei der Library of Congress und näherte sich dem berüchtigten Kommunistenjäger Joseph McCarthy an, dem er auch Material aushändigte über die Finanzierung des Kommunismus durch westliche Banken. 1952 erschien dann sein Buch über die Federal Reserve und in den Folgejahren veröffentlichte er auch absurde Artikel, die u.a. Adolf Hitler lobpreisten. Das Komitee für unamerikanische Umtriebe, das hauptsächlich Kommunisten jagte, listete ihn deshalb prompt als Neo-Faschist. 1956 behauptete er in einem Gerichtsprozess, diese provokanten Texte gegen eine versprochene Bezahlung in Höhe von 25.000$ im Auftrag der American Petroleum Industries Committee (APIC) verfasst zu haben. Weil die Zahlung ausblieb, wollte er vor Gericht das Geld einklagen, hatte damit aber keinen Erfolg. Später arbeitete er bei der antisemitischen Zeitung Common Sense und ähnlichen Publikationen wie etwa denen von Willis Carto. Wer war dieser mysteriöse Ezra Pound? Ihm war Landesverrat vorgeworfen worden wegen seiner Unterstützung für Hitler und Mussolini und er landete in Kriegsgefangenschaft unter unmenschlichen Bedingungen. Zwei seiner Bekannten veröffentlichten das Buch von Mullins, das wiederum als Inspiration diente für andere Autoren. Nicht nur die Zentralbank war für ihn eine jüdische Angelegenheit, sondern auch die kommunistische Revolution und der Verfall der westlichen Zivilisation. Er brachte diesen Geist leider in die amerikanische Milizbewegung hinein, die sich immer weiter entfernte von der verfassungskonformen Legitimität. Da Mullins an der Library of Congress arbeitete, hatte er Zugriff auf Berge von interessanten Daten und konnte damit eine der ersten ausführlichen, kritischen Studien über die Zentralbank erstellen. Die vorherigen Zentralbanken der USA waren ein Desaster gewesen und vernichteten bei ihrem Untergang viel Wohlstand von Bürgern und deshalb überraschte es nicht, dass bereits im Vorfeld

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der Schaffung der Federal Reserve größte Bedenken von verschiedenen Seiten vorgebracht wurden. Deshalb vermieden die Regierung und die Großbanken dann auch aus naheliegenden Gründen, die neue geplante Zentralbank auch Zentralbank zu nennen, sondern wählten stattdessen den Namen „Federal Reserve". Mullins filterte aus den Aktenbergen der Library of Congress relevante Informationen heraus und glich diese dann ab mit Sachbüchern über Bankhäuser und auch mit (schlechter) Verschwörungsliteratur. Gleich zu Beginn von „The Secrets of The Federal Reserve" prahlt Mullins, dass seine Forschungen an der Library of Congress angeleitet wurden von dem prominenten Akademiker George Stimpson, „Mitbegründer" des National Press Club. Hierbei hat Mullins wohl die Bedeutung von Stimpson übertrieben. Der National Press Club hatte unter anderem US-Präsidenten zu Gast wie Theodore Roosevelt, die ja auch mit der „American Defense Society" verbunden war, die die Veröffentlichung der „Protokolle von Zion" in den USA finanziert hatte. Vorsitzender der „American Defense Society" war ein Mitglied der Gehelmorganisation Skull&Bones. Der erste US-Präsident, der den National Press Club besuchte, war William Howard Taft, ebenfalls Mitglied von Skull & Bones.1 Es ist zwar nicht belegbar, dass Bones oder ein klassischer, angloamerikanischer Geheimdienst Mullins direkt beeinflusst hatte bei der Arbeit für sein Buch, aber dasangloamerikanische Imperium hatte bereits seit langer Zeit viel Desinformation über Verschwörungen in Umlauf gebracht und damit Mullins indirekt beeinflusst. Kein Wunder, dass Mullins die Zentralbank Federal Reserve gemäß den Märchen über die jüdische Weltverschwörung interpretierte. Das Buch wurde in den folgenden drei Jahrzehnten mehrfach aktualisiert und neu aufgelegt, wobei er auch zeitweisefinanzielle Unterstützung erhielt von dem ultrakonservativen, extrem reichen texanischen Ölbaron Haroldson Lafayette Hunt, dessen Leben als Inspiration diente für die TV-Sendung „Dallas" und die Figur J. R. Ewing.2 Hunt stiftete das „Facts Forum" für antikommunistische Radio- und Fernsehprogramme, förderte die Kampagne von Senator Joseph McCarthy, finanzierte die rechte Southern Baptist Convention, den Ku Klux Klan und die ultrarechte John Birch Society. Er war befreundet mit dem Faschisten Edwin Walker, mit dem FrancoBerater General Charles Willoughby sowie mit dem texanischen Ölmilliardär Clint Murchison, der laut dem Historiker Anthony Summers u. a. George Lincoln Rockwell und dessen American Nazi Party finanzierte. Hunt finanzierte auch das Cuban Revolutionary Council, eine von der CIA und der Amerikanischen Mafia getragene Organisation paramilitärischer Exilkubaner. 1956 wurde die gesamte

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deutschsprachige Auflage von Secrets of the Federal Reserve vom Verfassungsschutz beschlagnahmt und verbrannt, was Mullins natürlich propagandistisch ausschlachtete. In seinem Buch untersuchte Mullins eine Reihe von Bankhäusern, die an der Entstehung der amerikanischen Zentralbank beteiligt waren und behauptete dann, dass selbst die ganzen nicht-jüdischen Banken darunter letztendlich nur den Befehlen der Rothschilds aus England gehorchten. Und genau an dieser Stelle schaltete Mullins um auf eine Märchenstunde. Nicht nur fabulierte er über eine Weltherrschaft der Rothschilds und erklärte alle nichtjüdischen Banken von Belang pauschal zu inoffiziellen Filialen der Rothschilds, sondern er verschwieg dem Leser auch noch die Wahrheit darüber, wie die Rothschilds 100 Jahre zuvor vom britischen Imperium aufgebaut worden waren: "What John Moody did not know, or did not tell his readers, was that the most powerful men in the United States were themselves answerable to another power, a foreign power, and a power which had been steadfastly seeking to extend its control over the young republic of the United States since its very inception. This power was the financial power of England, centered in the London Branch of the House of Rothschild." Mullins lieferte keinen Beweis für seine Rothschild-These, sondern schrieb stattdessen hanebüchenen Unfug wie zum Beispiel, dass die britische Zentralbank „Bank of England gleichbedeutend gewesen sei mit dem Namen von Baron Nathan Mayer Rothschild." Wahrscheinlich hatte Mullins diese falsche Vorstellung von älteren Verschwörungsbüchern einfach abgeschrieben, ohne sie zu überprüfen. Nathan hatte weder die Bank of England kontrolliert, noch entspricht der Waterloo-Mythos der Wahrheit, laut dem Nathan mit ein wenig Trickserei an einem Tag so viel Gewinn an der Börse machte, dass er die totale finanzielle Dominanz erlangte. Mullins drehte seinem Publikum also die altbekannte, lächerliche Geschichte an, dass die Rothschilds nur eine einzige Generation nach den Krämer-Tagen von Mayer Amschel im elenden Frankfurter Judenghetto mal einfach so die Macht über das britische Empire und über die USA übernahmen, während die nichtjüdischen Eliten nur dumm aus der Wäsche glotzten. Nicht ein einziges Mal stellt Mullins die Frage, ob die Rothschilds Strohmänner der britischen Krone gewesen sein könnten. Die Krone hatte die Emporkömmlinge aus dem Frankfurter Judenghetto langsam und schrittweise

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zu einflussreichen Bankiers gemacht und konnte diese Emporkömmlinge auch jederzeit wieder vernichten. Fünf einfache Attentate, inszenierte Unfälle oder Verhaftungen unter einem Vorwand hätten gereicht, um die fünf berüchtigten Rothschild-Brüder aus dem Verkehr zu ziehen und deren Geld einzusacken. Mit grundlegenden Techniken der Geheimdienstwelt und Gruppen des organisierten Verbrechens hatte die Krone aller Wahrscheinlichkeit von Anfang an dafür gesorgt, dass die Rothschilds nur Strohmänner sein würden. Alles andere widerspräche der Logik und der Realität des britischen Imperiums. Die von Mullins aus diversen Büchern zitierten Verbindungen zwischen Rothschild und dem amerikanischen Bankhaus J.P. Morgan sind zwar interessant, aber in dem verbohrten Denken von Mullins können jüdische Banker immer nur die absoluten Drahtzieher und Marionettenspieler sein, niemals einfach nur Partner oder Strohmänner. Harold Stanley, Mitglied der Geschäftsleitung des Morgan Guaranty Trust, gehörte der Organisation Skull & Bones seit 1908 an. Auch die nichtjüdischen Rockefellers waren tief in J.P. Morgan involviert. Mullins bringt natürlich das berüchtigte Fake-Zitat, das irgendjemand mal Nathan Rothschild angedichtet hat: "I care not what puppet is placed upon the throne of England to rule the Empire on which the sun never sets. The man who controls Britain 's money supply controls the British Empire, and I control the British money supply." Hätte Nathan wirklich große Macht an sich gerissen zum Nachteil der britischen Krone, und hätte er gleichzeitig solche Sprüche geklopft, wäre er ziemlich bald von bewaffneten Leuten des Königs aus dem Bett gezerrt und mitgenommen worden. Aber in Mullins' Fantasiewelt sind Juden immer die Marionettenspieler und nie die Marionetten. Quellen: [11 http://www.press.org/about/history/timeline [2] The New Hate: A History of Fear and Loathing on the Populist Right, Seite 140

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Lyndon LaRouche

LaRouche leitete zeitweise eine Organisation mit Millionen Dollars an Budget und Vertretungen in mehreren Ländern, die über Medien hinausging und politische Ansprüche hatte. Seinen vielen Tarnorganisationen wurden immer wieder klassische Sektenmechanismen vorgeworfen und es gibt auch deutschsprachige Enthüllungsbücher darüber wie „Verirrt: Mein Leben in einer radikalen Politorganisation" und „Deckname: Schiller Die Deutschen Patrioten des Lyndon LaRouche". Die Message lautete, dass LaRouche den Ausweg kenne und dass ohne ihn und seine Lösungsansätze die Welt sehr bald verloren sei. Immer wieder hatten Eltern Erfahrungen wie die folgende: "Mein ältester Sohn... hat sein Studium in Sport und Englisch begonnen, um Studienrat zu werden. Während des Studiums hat er zielstrebig gearbeitet. Im 9. Semester war er dann soweit, daß ersieh zum Examen hätte melden können, doch in dieser Zeit kam er mit dieser Partei in Berührung. Er brach sein Studium ab, offenbar unter psychischem Druck. Seine Begründung lautete: 'Wir haben keine Zeit zu verlieren, in einem Vierteljahr bricht die Weltwirtschaft zusammen, da müssen wir etwas Neues haben, oder wir müssen den Atomkrieg verhindern.' Von diesem Zeitpunkt an verdiente er sich seinen Lebensunterhalt durch Jobben. Die Kontakte mit uns wurden immer spärlicher." Die neuen Rekruten, meist junge Erwachsene die nirgends so richtig hineinpassen, werden an Universitäten angeworben und zu Meetings eingeladen, wo LaRouche als Lösung auf alle Probleme der Welt angepriesen wird. Häufig wurde beklagt, dass Stimmung generiert wird gegen die Eltern der Rekruten, die bisherigen Freunde und die Universität. Die ganz Überzeugten ziehen zu einem der Zentren der Organisation und geraten dort in Abhängigkeit. Ehemalige Mitglieder beschrieben das berauschte Gefühl, sich als Teil einer revolutionären Macht zu fühlen, die intellektuelle Superhelden-Elite, die jede Diskussion

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gewinnen und als einzige die Welt retten kann. Leider basierte die scheinbare intellektuelle Überlegenheit nur auf Tricks, die in identischer Form bei unzähligen anderen Gruppen eintrainiert werden. Zeitschriften aus dem LaRoucheZirkel waren eine populäre Verschwörungslektüre auch für Leute ohne Mitgliedschaft in einer der Organisationen. Der ein oder andere Autor klaute schamlos diese Inhalte und fabrizierte daraus eigene Verschwörungsbücher, ohne seine Quellen offenzulegen. Klassisches Verschwörungsmaterial wurde von LaRouche erst nach seiner ursprünglichen, marxistischen Phase verwurstet. Danach gab es eine wilde ideologische Achterbahnfahrt, die von Beobachtern streckenweise als faschistisch bezeichnet wurde. Während den 1980er Jahren pflegten die LaRouche-Kreise eine freundliche Beziehung zu der Administration von US-Präsident Ronald Reagan und den amerikanischen Sicherheitsbehörden. LaRouche prahlte gar mit seinen Behördenkontakten und seinem eigenen „nachrichtendienstlichen" Netzwerk weltweit. Schließlich gingen diese Behördenkontakte aber verloren und die LaRouche-Organisationen übernahmen in der Folgezeiteher linke Positionen und agitierten gegen USMilitärinterventionen im Ausland und die internationalen Finanzkartelle. Nach dem Untergang der Sowjetunion eröffnete LaRouche 1992 in Moskau das Schillerinstitut für Wissenschaft und Kultur, seine Texte wurden ins Russische übersetzt und er hielt mehrere Vorträge bei akademischen Treffen in Russland. 1995 durfte er sogar Im russischen Parlament seinen Bericht "The World Financial System and Problems of Economic Growth" vorstellen. Der Akademiker und Experte für Rechtsradikalismus, Russlands Regime und die „neue Rechte" Anton Shekhovtsov beleuchtete LaRouches Beziehung mit Sergey Glazyev, der in den frühen 1990er Jahren der russische Minister für ausländische Wirtschaftsbeziehungen war und danach als wichtiger Berater für Putin fungierte. Shekhovtsov schrieb: "In den 1970er bis 1980er Jahren waren die LaRouche-Leute noch äußerst kritisch gegenüber der Sowjetunion eingestellt und glaubten, dass jene von den britischen Oligarchen kontrolliert wurde." Dennis King schrieb dazu, dass die Publikationen aus dem Umfeld von LaRouche bis zum Tod von Breschnew 1982 Sympathien geäußert hätten für den

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Stalinismus, wegen dem rigorosen Vorgehen Stalins gegen Dissidenten und Zionisten sowie wegen der Planwirtschaft. Während der Administration von US-Präsident Reagan änderte sich jedoch die Leitlinie von den LaRoucheMedien und Moskau galt dann als Zentrum des Bösen. Gorbatschow wurde gar als der Antichrist bezeichnet. Dennis King sprach auch von Treffen zwischen Leuten des LaRoucheNetzwerks, KGB-Agenten und anderen sowjetischen Funktionären zwischen 1974 und 1983. Dies soll laut den LaRouche-Leuten ein Gesprächskanal gewesen sein zwischen dem KGB und den CIA-Kontakten der LaRouche-Truppe. Heutzutage preisen die LaRouche-Zirkel Putins Russland und die Schriften des extremistischen russischen Professors Alexander Dugin über eine „vierte politische Theorien" und Eurasien, ein erhoffter Machtblock von Lissabon bis Wladiwostok. Für Dugin ist sogar Putin zu soft. Er flog Anfang der 1980er Jahre aus dem sowjetischen Moskauer Luftfahrtinstitut, weil er mit mystischen Neonazigruppen verbunden war, verbrachte dann einige Zeit in monarchistischen und ultrarechten Zirkeln, ging zu einer neostalinistischen Gruppe und wurde dann 1994 Gründer und Chefideologe der Eurasisch-Nationalbolschewistischen Partei. Die Flagge der Partei erinnert deutlich an die Nazi-Flagge, hat statt einem Hakenkreuz Hammer und Sichel. Letztendlich wurde Dugin zu einem Ideengeber und Ideologen für alle wichtigen russischen Parteien wie Putins "Einiges Russland", Dschuganows CPRF und Schirinowskis ultranationalistische Liberaldemokraten. Dugin wiederholt die Gedanken von Nazi-Vordenkern wie Karl Haushofer, Rudolf Hess, Carl Schmitt und Arthur Moeller van der Bruck. Freiheit und freie Märkte seien der Todfeind der Welt; nur ein eurasisches faschistisches Großreich, in welchem Deutschland, osteuropäische Staaten, die Türkei, Iran und Korea aufgelöst sind, könne gegen "den Westen" siegen. Dugins sogenannte "vierte politische Theorie" ist eine Kombination der übelsten Ideologien: Er übernimmt die Feindseligkeit gegen freies Unternehmertum aus dem Kommunismus, ersetzt aber den Technologieglauben durch eine stark ausgeprägte grüne Ideologie. Aus dem Traditionalismus entlehnt er die Ablehnung freier Gedanken und das Verbot der Anfechtung von Autoritäten. Der

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Rest stammt aus dem Nationalsozialismus, wie die Negierung des Individuums und die Vergötterung des Staats, Blut und Boden, gnostischer Unfug über die Ursprünge der Rassen usw. Dieser Mix soll wohl dazu dienen, alle extremen freiheitsfeindlichen Kräfte in Eurasien unter der Herrschaft Moskaus zu vereinen. In seinen Schriften preist Dugin die Waffen SS wie auch den roten Terror in der Sowjetunion von 1937. Russland heute brauche einen "echten, wahrhaftigen, radikal-revolutionären und konsistenten faschistischen Faschismus." Einige Studien zeigen das faschistische Wesen von Dugins „vierter politischer Theorie": •

Stephen Shenfield, Russian Fascism: Traditions, Tendencies, Movemenfs(Armonk: M.E. Sharpe, 2001).



Markus Mathyl, 'The National-Bolshevik Party and Arctogaia: Two Neo-Fascist Groupuscules in the Post-Soviet Political Space," Patterns of Prejudice, Vol. 36, No. 3 (2002), pp. 62-76.



Andreas Umland, "Aleksandr Dugin's Transformation from a Lunatic Fringe Figure into a Mainstream Political Publicist, 1980-1998: A Case Study in the Rise of Late and Post-Soviet Russian Fascism", Journal of Eurasian Studies, Vol. 1 (2010) 144-152.



Alan Ingram, "Alexander Dugin: Geopolitics and Neo-Fascism in PostSoviet Russia", Political Geography, Vol. 20, No. 8 (2001), pp. 10291051.



Anton Shekhovtsov, "The Palingenetic Thrust of Russian NeoEurasianism: Ideas of Rebirth in Aleksandr Dugin's Worldview", Totalitarian Movements and Political Religions, Vol. 9, No. 4 (2008), pp. 491-506.

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Antony Sutton

Der britisch-amerikanische Historiker und Ökonom Antony Cyril Sutton (1925 2002) zählt nicht zu den stereotypen Verschwörungsautoren, sondern forschte professionell über die Handelsbeziehungen des Westens mit der Sowjetunion und Nazideutschland, sowie über die elitäre Organisation Skull & Bones. Der verblüffendste Aspekt des vergangenen kalten Kriegs war nicht die Dimension des Wettrüstens oder das (scheinbar) urplötzliche Ende, sondern die durchgehenden Technologieverkäufe des Westens an den Osten. Unter dem vorgeschobenen Motto „Frieden durch Handel" verkauften führende Westkonzerne so ziemlich alles an die Sowjetdiktatur, was diese brauchte, um konkurrenzfähig zu bleiben: Motorentechnologie, Fahrzeugtechnologie, Flugzeugtechnologie, Schiffstechnologie, Elektrotechnik, Computertechnologie, Industriemaschinen, sogar ganze Fabriken. Das Ausmaß war dermaßen irrsinnig, dass manche Akademiker, Journalisten, Politiker und sogar russische Überläufer und Dissidenten zu protestieren begannen und zunehmend die Vorgänge dokumentierten. Am meisten ragte Antony Cyril Sutton dabei hervor, der von 1968 bis in die 90er Jahre hinein publizierte. Man findet kaum Werke von ihm ins Deutsche übersetzt, abgesehen von „Wallstreet und der Aufstieg Hitlers" und

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antiquarische Exemplare von „Der leise Selbstmord - Amerikas Militärhilfe an Moskau". Englische Originalfassungen von fast allen seinen Werken sind hingegen leicht zu finden. In akademischen Kreisen wurde er weitgehend ignoriert, obwohl ihm keine handwerklichen Fehler nachgewiesen werden konnten, was wenig überrascht, da die Universitäten große Zuwendungen erhalten von Großkonzernen, Stiftungen und Regierungen, die allesamt für die Verkäufe an den Osten mitverantwortlich waren. Größeren Wiederhall fand Sutton in bürgerlichen amerikanischen Kreisen und in der Szene der Verschwörungstheoretiker, die eine Weile lang schamlos von ihm abschrieben. In mühseliger Arbeit dokumentierte er, dass es so etwas wie „sowjetische" Technologie praktisch nicht gab, sondern dass bis zu 95% der betreffenden Technologien aus den USA und Europa an den Ostblock verkauft worden waren, beginnend im Jahr 1917. Die Tatsachen lassen sich nicht einmal mehr ansatzweise unter den Tisch kehren mit dem Hinweis auf westliche Naivität, Gier, und dem Prinzip „Frieden durch Handel". Konzerne, deren Besitzer-Clans zu den mächtigsten Kreisen der westlichen Welt zählen, waren daran beteiligt, wie FIAT, Ford, General Motors, Siemens, Standard Oil oder General Electric. Dem amerikanischen Generalstab und der hohen Politik war zu jedem Zeitpunkt bewusst, dass die verkauften Technologien das sowjetische Regime am Leben erhielten und dass immer eine militärische Verwendungsmöglichkeit der gehandelten Waren gegeben war. Sobald man die Tragweite versteht und die Ausreden widerlegt bzw. ignoriert, stellt sich die nächste Frage nach dem Warum. Zunächst fand auch Sutton keine befriedigende Antwort. Er schrieb in „Der leise Selbstmord - Amerikas Militärhilfe an Moskau": „Die nackte Wahrheit ist, dass der Handel mit der Sowjetunion von 1917 bis heute der westlichen offenen Gesellschaft einen Feind erster Größe aufgebaut hat. Um u.a. dessen Drohung begegnen zu können, muss der amerikanische Steuerzahler jährlich 80 Milliarden Dollar aufbringen. [...] Dann müssen wir uns darüber klar sein, dass sowohl die Sowjetunion als auch China der Welt einen allgemein geglaubten Frontalaspekt kräftiger, sozialistischer und lebensfähiger Gesellschaften präsentieren konnten, weil ihnen ständig westliche Technologie eingespritzt wurde. Sie sind technologisch lebensfähig, weil wir diese Lebensfähigkeit unterhalten.

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Diese Subventionierung ihres Systems durch den Westen hat ihnen zwei grundlegende Stoßrichtungen ermöglicht: Sie konnten eine Politik ununterbrochener Expansion betreiben, und sie stellten sich als ideologisches Wunschbild für Subversive und Staatswirtschafts-Anhänger in der Welt hin, die den Westen zu dem bekehren wollen, was sie „progressive sozialistische Mustergesellschaften "nennen. Die äußerste Linke in Portugal, Italien und Frankreich, ihre Ableger in Afrika und die übrigen extremen Linkselemente hätten kein Fernziel mehr, keinen Grund, für ein „besseres"System zu kämpfen, wenn der Westen in der Sowjetunion und in China - dem natürlichen Lauf der Dinge entsprechend - die Schwächen und technischen Mängel klarer hervortreten ließe. Schließlich wird ein Revolutionär mit einiger Selbstachtung kaum für ein ineffizientes und rückständiges System kämpfen." Schließlich erhielt Sutton den Nachlass von der Tochter eines Mitgliedes der verschlossenen amerikanischen Organisation „Skull & Bones". Im Endeffekt entdeckte Sutton, dass es sich um ein zynisches Meisterstück der strategischen Geopolitik handelte, bei dem ein Feind geschaffen wurde, der zu groß war, um ihn mit den Begrenzungen eines Rechtsstaates zu bekämpfen. Die sowjetische Bedrohung taugte als überzeugendes Argument für die Zentralisierung von Macht, eine gigantische Rüstung und weitreichende Geheimoperationen. Nach dem Ende des Kalten Krieges fiel das sowjetische Rüstungsbudget schlagartig um 96% und die USA begnügten sich bis zum Jahr 2014 mit einem „Krieg gegen den islamischen Terror". In diesem Zeitraum gab man den Russen genügend Luft zum Verschnaufen, zur Reorganisation und zum erneuten Rüsten. Und genau wie früher gab es nach 1991 massive Hilfen des Westens in Form von Krediten und Technologielieferungen, darunter ganze Ausbildungszentren für Soldaten. Das Ergebnis ist, dass die US-Regierungen heute erneut die Spannungen eines kalten Krieges benutzen können, alternativ auch einen Weltkrieg gewinnen würden oder aber schlicht mit Russland und China eine gemeinsame Weltregierung bilden werden. Eigentlich ist die Arbeit von Sutton heute wichtiger denn je und vor allem seine Methodik sollte verstärkt zum Einsatz kommen, allerdings ist die Verlagswelt nach wie vor stark in den Händen der Großkonzerne und Regierungen, die möglichst wenig Aufmerksamkeit wünschen für die höchst peinlichen Handelsbeziehungen. Auch aus den Werken der

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Verschwörungstheoretiker-Szene ist Sutton nahezu vollkommen verschwunden, da überall die Russenpropaganda Einzug gehalten hat und Russland unbedingt weitere Technologie aus dem Westen braucht. Moskau will nicht zugeben, wie stark man vom Westen abhängig ist seit 100 Jahren und wie man eventuell einer Weltregierung beitreten wird. Es ist nicht überraschend, dass die Russland-Propaganda die Thematik totschweigt, allerdings schweigen auch die bekannten Russland-Kritiker von den großen Verlagen. Es ist allerhöchste Zeit, dass weitere deutsche Übersetzungen von Antony Suttons Forschungen angefertigt werden und dass seine weniger bekannten Arbeiten zu China hervorgekramt und vervollständigt werden.

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Gary Allen

Gary Allen landete 1972 mit seinem Buch „None Dare Call lt Conspiracy" (Die Insider) einen Bestseller und verkaufte über vier Millionen Exemplare davon. Seine Abhandlungen über Nixon, die Rockefellers und den Council on Foreign Relations wurden danach von anderen Autoren endlos abgeschrieben und mit unterschiedlichsten Verschwörungstheorien kombiniert. Wirklich neu waren Gary Allens Inhalte nicht, sondern basierten auf Arbeiten aus dem Umfeld der John Birch Society, die eine Weile lang eine einflussreichere Position hatte, heutzutage aber fast bedeutungslos ist. Unterstützt wurde Allen bei seiner Arbeit von dem reichen Birch-Mitglied und Öl-Unternehmer Nelson Bunker Hunt, ein Sohn des legendären Haroldson Hunt, der schon Eustace Mullins' Buch über die Federal Reserve sowie einige heikle, ultrarechte Projekte mitfinanziert hatte. Allen machte seine Abschlüsse an der elitären Stanford University und der California State University, diente als Sprecher der John Birch Society und schrieb für das Magazin Conservative Digest. Aus öffentlichen Informationen und älteren Verschwörungsbüchern wie von Nesta Webster zog er seine These über die freimaurerischen „Insider" die eine Weltherrschaft errichten und dabei Linke gegen Rechte ausspielen. „None Dare Call lt Conspiracy" ist relativ kurz und vermeidet allzu kontroverse Ideen und Legenden, wodurch das Buch massentauglich wurde und eine neue Generation an Amerikanern sensibilisierte für das Thema Eliten. Das Parteiensystem Amerikas und der Kalte Krieg wurden endlich systematisch hinterfragt, was heutzutage leider nicht mehr der Fall ist in der Verschwörungsszene. Der heutige Star Alex Jones, der ein Millionenpublikum hat und sogar mehrfach mit Präsident Donald Trump telefonierte, bewegte sich in jungen Jahren Im Umfeld der Birch Society und stieß auf ein Exemplar von Allens Buch. Davon schwer beeinflusst, bemühte sich Jones in seiner Karriere jahrelang, die verheerenden Denkmuster von Ost und West, Republicans und Democrats zu entlarven. Inzwischen hat er dies längst hinter sich gelassen und sich gewandelt zu einem neurechten Putin-Fan und TrumpUnterstützer. Jemandem, der Allens Buch gelesen hat, sollten eigentlich die gewaltigen Parallelen auffallen zwischen Richard Nixon und Donald Trump.

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Die einflussreichen Kreise wiederholen möglicherweise mit Trump das gleiche Programm, das bereits mit Nixon abgespult wurde: Erst der Aufbau eines künstlichen Rufs des Politikers als Establishment-Kritiker, dann die Förderung der Präsidentschaftskandidatur, später dann der Druck über die Washington Post und NY Times, um einen Rücktritt wegen undurchsichtigen Skandalen zu erzwingen. In "None Dare Call It Conspiracy" beschreibt Gary Allen, wie Nixon nach mehreren heftigen Wahlniederlagen nach New York umzog und Nachbar wurde von Nelson Rockefeiler. Arbeit fand der vorerst gescheiterte Politiker bei der Kanzlei von Rockefellers persönlichem Anwalt John Mitchell und verdiente damit ziemlich viel Geld. Die Rockefellers und der Rest des Ostküsten-Establishments täuschten in der Öffentlichkeit vor, Nixon zu verabscheuen, um ihn damit bei den Wählern der Republikanischen Partei beliebter zu machen. John Mitchell leitete später Nixons neue politische Kampagne und bekam den Posten des Justizministers. Natürlich musste Nixon brav und folgsam den furchtbaren Henry Kissinger mit in seine Administration holen. Nixons Aufstieg zum Präsidenten trug überall die Handschrift der Bilderberg-Gruppe. Im Weißen Haus angekommen zentralisierte er entgegen seiner Wahlversprechen den Staat, häufte deutlich mehr Schulden an als seine Vorgänger und blies den Staatshaushalt gewaltig auf. Entgegen seinem künstlichen Ruf als Antikommunist erlaubte er den Rockefellers und Kissingers, den Handel mit dem kommunistischen Ostblock weiter auszubauen. Bei Donald Trump sehen wir verblüffende Parallelen. So manche Figuren und Firmen aus den Bilderberg-Kreisen unterstützten Trump und arbeiteten mit ihm zusammen. Auch Henry Kissinger und seine Unterlinge infiltrierten und berieten die Trump-Administration. Andere Bilderberger äußerten sich in der Öffentlichkeit äußerst negativ über Trump und der von Bilderberg kontrollierte Medienapparat schuf den Mythos von Trump dem Anti-Establishment-Mann. Anstatt den "Sumpf auszutrocknen" wie im Wahlkampf versprochen, ließ Trump die Heritage Foundation sein Team auswählen und holte sich unzählige Lobbyisten und Insider ins Boot. Auch gibt es schwerwiegende Anzeichen auf Wahlbetrug zugunsten von Trump mit Methoden, die schon bei den Wahlerfolgen von George W. Bush zum Einsatz kamen. Der Reporter Greg Palast bekam vor Jahren für seine Reportagen über Bush noch den roten Teppich ausge-

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rollt von (rechten) Verschwörungsmedien, aber heute wird er gemieden, weil er den Wahlsieg von Trump in Frage stellt. Inzwischen befindet sich Trump in einer ähnlichen Phase wie Nixon im Untergang; isoliert, verwirrt und von Verrätern umgeben. Die Washington Post spielt wieder die Rolle des Enthüllers von Skandalen und Skandälchen. Immer mehr Druck, bis Trump eventuell freiwillig zurücktritt, um einem Amtsenthebungsverfahren zuvor zu kommen. Bilderberg hat natürlich viel krassere Russland-Verbindungen als Trump und vor 2014 wurden Geschäfte mit zwielichtigen Russen geradezu befürwortet. Die Attacken gegen Trump bedeuten nicht, dass der Präsident ein tragischer Held ist im Kampf gegen das Establishment, genauso wenig wie Nixon ein Mann des Volkes gewesen war. Es ist noch zu früh, um abzusehen ob Trump von denselben Mächten abgesägt wird, die ihn ins Amt befördert hatten. Vielleicht bricht bald ein gewaltiger Krieg mit Nordkorea los und der "Russiagate"Skandal wird vergessen

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Dr. John Coleman''

Dr. John Coleman ist nichts weiter als ein Pseudonym, ein Künstlername, eine Fantasiefigur. Nach eigenen Angaben war er beim britischen Geheimdienst MI6 tätig und habe so Zugang zu Geheiminformationen erhalten. Er veröffentlichte mehrere Bücher, die früher einmal den Status von Klassikern hatten. Am bekanntesten davon ist „Komitee der 300" von 1992. Später stand er der LaRouche-Organisation nahe. Weder seine angebliche frühere Geheimdiensttätigkeit noch sein Name und sein Doktortitel lassen sich verifizieren. Der bekannte Verschwörungsautor Eustace Mullins war mit ihm darüber in einen Streit verwickelt und Coleman weigerte sich, irgendwelche verifizierbaren persönlichen Informationen über sich selbst preiszugeben. Coleman habe 30% seines Materials von Mullins, und die anderen 70% von Publikationen der LaRouche-Organisationen abgekupfert wie dem Magazin „Executive Intelligence Review", so die Vorwürfe. Natürlich ist es notorisch schwierig, in der Verschwörungsliteratur originelle Ideen zu finden, die nicht schon früher irgendwo veröffentlicht worden waren. Coleman brüstete sich damit, 1986 die Existenz des Geheimdienstes National Reconnaissance Office enthüllt zu haben, obwohl James Bamford in der New York Times bereits im Januar 1985 darüber in dem Artikel "America's Supersecret Eyes in Space" geschrieben hatte. Zudem behauptete Coleman, als erster in den USA den Club of Rome und das Komitee der 300 erwähnt zu haben. Wieder aber war die NY Times schneller gewesen bei der Erwähnung des Club of Rome und ein schlechtes Buch von Arthur Cherep-Spiridovich namens 'The Secret World Government Or the Hidden Hand: The Unrevealed in History" bastelte bereits 1925 die Legende von einer Gruppe aus 300 jüdischen Bankiers und Geschäftsleuten, die angeblich die Welt regieren. Illuminaten, Freimaurer, Juden und der Teufel wurden zu einer Superverschwörung vermischt mit Hilfe von Falschinformationen und aus

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dem Kontext gerissenen Zitaten. Es ist eindeutig, dass Coleman das Buch von Spiridovich kannte, denn er gab es als Quelle an für sein Werk 'The Rothschild Dynasty". Der deutsche Politiker Walther Rathenau schrieb bereits 1909 in dem Artikel "Geschäftlicher Nachwuchs" in der Neuen Freien Presse: „Dreihundert Männer, von denen jeder jeden kennt, leiten die wirtschaftliche Geschicke des Kontinents und suchen sich Nachfolger aus ihrer Umgebung." Für ihn waren diese Männer aber keine Juden. Trotzdem bezeichnete 1912 Theodor Fritsch diesen alten Artikel als „offenes Geständnis der unzweifelhaften jüdischen Hegemonie" und als Beweis dafür, dass Rathenau eine Art heimlicher Kaiser gewesen sei. Einer der Männer, die Rathenau 1922 umbrachten, hielt ihn für ein Mitglied der „dreihundert Ältesten von Zion" und vermischte in seinem Kopf die Legende der 300 Männer mit den gefälschten Protokollen von Zion. Colemans Buch ist in simplen Worten und kurzen Sätzen geschrieben und hat darüber hinaus eine recht überschaubare Länge von 250 Seiten. Wirklich Neues kann er nicht anbieten, bis auf die unbestätigten Angaben über das Komitee der 300 und diverse andere Geheimgremien.

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Milton William Cooper

Die Karriere von Milton „Bill" Cooper ist ein Armutszeugnis für die Verschwörungsszene der 1990er Jahre und sorgte für mehr Verwirrung als Aufklärung. Er verwob uralte Mythen mit erfundenen Science-Fiction-Ideen zu einer Verschwörungstheorie über alles beherrschende Außerirdische, und wurde damit ein Einfluss für die Hollywood-Serie „Akte X". Cooper hatte wahrscheinlich in der US-Marine gedient, allerdings ist nicht einmal wirklich gesichert, in welcher Funktion und seine Kritiker gehen davon aus, dass es sich um eine langweilige Tätigkeit auf dem untersten Niveau handelte. Er hingegen verbreitete hochtrabende Behauptungen, in der Luftwaffe und im Geheimdienst der Marine gearbeitet und dort hochgeheime Dokumente kopiert zu haben. In den heutigen Verschwörungsmedien ist es unüblich, sich mit einer erfundenen oder stark übertriebenen Militärkarriere zu schmücken. Es ist spielend einfach, seine Entlassungspapiere aus dem Militär oder aus dem Internet kopierte Dokumente in einem Bildbearbeitungsprogramm entsprechend zu ergänzen um militärische Auszeichnungen, Offiziersränge und Einsatzgebiete. Auf ebay oder in Kleinanzeigen oder in Läden kann man auch entsprechende Uniformen sowie Orden erwerben, um im richtigen Look posieren zu können. Solche Hochstapler erklären natürlich, dass ihre wichtigsten Missionen der Geheimhaltung unterliegen und dementsprechend keine schriftlichen Bestätigungen verfügbar seien. Cooper hätte eigentlich spielend leicht nachprüfbare Unterlagen seiner Dienstzeit herzeigen und in seinen Büchern abdrucken können, aber leider lieferte er nur vollmundige Geschichten ohne Belege. Andere Verschwörungsautoren wie Bo Gritz hatten überhaupt keine Probleme damit, ihre Militärkarriere zweifelsfrei zu belegen; Gritz war ein höherer Offizier bei den Spezialeinheiten der Armee. Cooper stritt sich leidenschaftlich mit ihm und bezeichnete ihn als Hochgradfreimaurer und Zionisten. 1988 tauchte der bisher unbekannte Cooper urplötzlich in UFO-Zirkeln auf und erzählte eine filmreife Geschichte, laut der er beim Marinegeheimdienst und bei der Luftwaffe UFOs gesehen und geheimste Dokumente für sich kopiert

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hätte. Zweifler wurden sofort vehement angegriffen und als Agenten der Regierung bezeichnet. Brian Doherty schrieb später in Reason Magazine: "Cooper war ein totaler Spinner, im schlimmsten Sinne des Wortes. Seine Tiraden und Anschuldigungen gegen andere UFO-Forscher machten ihn zum Außenseiter in einer Gruppe von Außenseitern. Jeder, der nicht gleich alles glaubte, was Cooper erzählte, wurde gebrandmarkt als CIA-Agent und/oder als nützlicher Idiot der weitreichenden Verschwörung der A ußerirdischen. Er war bekannt dafür, die 'Forschungen'von anderen Ufologen abzukupfern und behauptete, dass er all das bereits in Dokumenten des Marinegeheimdienstes in den frühen 1970er Jahren gesehen hätte; darunter auch Sachen, die die Ufologen einfach nur zum Spaß erfunden hatten." Don Ecker veröffentlichte im Sommer 1990 in der Publikation UFO Magazine eine Reihe an Enthüllungsberichten über Coopers Verhalten und seine vielen Widersprüche und unbelegten Geschichten. Als Ufologen Coopers Dokumente einsehen wollten, die er angeblich beim Marinegeheimdienst fotokopiert hatte, erwiderte Cooper, dass seine Garage mit den Dokumenten abgebrannt sei, ohne dabei zu enthüllen, wo er wohnte, denn dann hätte man bei der örtlichen Feuerwehr überprüfen können, ob es diesen Brand wirklich gegeben hatte. In der Folgezeit zauberte er dennoch immer neue angebliche Geheimdokumente aus dem Hut und verband seine Geschichten über Außerirdische mit altbekannten Texten aus der Verschwörungsliteratur. Daraus entstand 1991 das kommerziell erfolgreiche Buch „Behold a Pale Horse", ein chaotischer Flickenteppich aus altem Material und völlig unbewiesenen Behauptungen über Außerirdische als Bosse der llluminaten. Von Cooper stammt auch die Behauptung, John F. Kennedy sei mit einer Alien-Pistole von dem Fahrer seiner Limousine in Dallas erschossen worden, weil er die Existenz der Aliens publik machen wollte. Ein „geheimes" Video von dem Attentat wurde nachgeschoben, bei dem es sich aber um eine billige Fälschung handelte. Nichtsdestotrotz vermarktete sich Cooper relativ effektiv über Buchverkäufe, Radio, Videos und öffentliche Auftritte, sodass er bald eine führende Position einnahm in der Szene und insbesondere bei den rechten Milizen und dem Umfeld des Ku-Klux-Klans ankam. Gleichzeitig beschwerte er sich, dass es die regierende linke Partei der Democrats auf ihn abgesehen hätte und dass das Finanzamt IRS ihn aus faden-

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scheinigen Vorwänden drangsaliere. Der IRS wurde später während der Obama-Administration tatsächlich dabei ertappt, selektiv Steuerprüfungen bei unbequemen Rechtskonservativen vorzunehmen, aber bei Cooper lässt sich rekonstruieren, dass er den Behörden eine Steilvorlage bot mit seinen abstrusen Argumentationen, laut denen er mit seiner eigenen (hauptsächlich herbeifantasierten) Milizgruppe quasi staatliche Souveränität genoss und der IRS kein Recht habe, von ihm Steuern einzuziehen. Viele regierungskritische Gruppen experimentierten damals mit solchen gefährlichen Spielereien und inspirierten damit auch die sogenannten „Reichsbürger" und „Selbstverwalter" in Deutschland, die oft einfach nur in Geldnöten sind und daraufhin mit abstrusen Rechtsauffassungen die Behörden abwimmeln möchten. In Amerika versuchen auch heute noch Regierungskritiker vor Gericht alle möglichen absurden Tricks, von denen sie sich Immunität vor der Rechtsprechung der USA erwarten: Die Selbsterklärung als unzurechnungsfähiger „Idiot", der nicht geistig klar genug sei, um den Gesetzen unterworfen zu sein, die Weigerung sich vor Gericht hinzusetzen und auf den eigenen Namen zu hören der im Personalausweis steht, die Selbstausrufung als „freier Mensch" und vieles mehr. Cooper nutzte jahrelang mehrere Tricks, um eine amtlich gültige Zustellung der Anklageschrift wegen Steuerhinterziehung und Bankbetrug zu verhindern, erschien nicht zu einer gerichtlichen Anhörung und handelte sich damit den Status eines „Flüchtigen" ein beim United States Marshals Service. Der zurückgezogen lebende Eigenbrötler Cooper hatte zudem noch einen Zwischenfall heraufbeschworen auf seinem Grundstück, wo er Leute aus der Nachbarschaft angeblich mit gezogener Waffe verscheuchte. Ein Haftbefehl wurde erwirkt und gewöhnliche Polizisten vom Apache County, nicht irgendwelche Beamte einer höheren Behörde, fuhren zu Coopers Behausung in Arizona. Der Gesuchte probierte zunächst, mit dem Auto zu fliehen, erkannte aber dann wohl die Sinnlosigkeit des Unterfangens, drehte um, raste dabei fast einen der Polizisten um, eröffnete laut Polizeiangaben das Feuer und verwundete einen Polizisten dabei schwer. In dem entstehenden Schusswechsel sei Cooper, der zuvor schon geschworen hatte sich nicht lebendig gefangen nehmen zu lassen, dann getötet worden. Die Nachricht von seinem Tod weckte besonders im rechtskonservativen Teil der Verschwörungsszene sofort Erinnerungen an die Vorfälle von Ruby Ridge und Waco, sodass Cooper den Status eines Märtyrers bekam. Für diesen Mythos des Heldentodes fehlen uns aber die Belege. Mehrere Tatsachen lassen hier Zweifel aufkommen:

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Die Behörden hatten jahrelang dabei zugesehen, wie er der Zustellung der Anklage wegen Steuerhinterziehung auswich. Anscheinend war er überhaupt keine Priorität für die Behörden



Cooper hatte keinerlei Kämpfer seiner angeblich mächtigen Milizgruppe bei sich oder sonst irgendwelche Beschützer, was doch stark verwundert, wo er doch angeblich der größte und bedeutendste Aufdecker von Verschwörungen war



Nicht hochprofessionelle Agenten der Bundesbehörden kamen, um ihn zu verhaften, sondern gewöhnliche Polizisten aus dem County, von denen auch noch einer angeschossen wurde. Ein Attentat von Profis hätte ganz anders ausgesehen und wäre leicht zu bewerkstelligen gewesen, weil Cooper ja keine Mitstreiter bei sich hatte. Profis hätten Cooper schleichend vergiften können, ohne Aufmerksamkeit zu erregen



Coopers Verhalten wies über einen langen Zeitraum durchgehend einschlägige Warnzeichen auf für narzisstische, antisoziale und paranoide Züge oder sogar vielleicht eine ausgewachsene Persönlichkeitsstörung. Solchen Personen fehlt es oft an Einsicht, Realitätsbezug und am Willen, sich an irgendwelche Regeln zu halten. Kommt es zu einer Konfrontation mit Polizeibeamten, eskaliert eine Situation schnell



Coopers „Enthüllungen" waren nur altbekanntes Material, dass in den Jahrzehnten zuvor schon millionenfach in anderen Büchern abgedruckt worden war, sowie erfundene Alien-Geschichten ohne Beweise. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Cooper eine schwere Bedrohung für die Eliten der USA geworden war.

Sein Tod und die neuen Möglichkeiten des Internets gaben eine Weile lang seinen Büchern und Videos neuen Auftrieb, dann wurde es aber sehr still.

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Fritz Springmeier und die „13 Blutlinien der Illuminatene

Fritz Springmeier veröffentlichte 1991 das Buch „Be Wise as Serpents", das laut ihm eine Mischung aus „historischen Dokumenten" und „vertraulichen Interviews" mit Insidern sein soll. Es ließ sich allerdings nie bestätigen, dass er wirklich irgendwelche besonderen Quellen besaß. Natürlich verwies er aus „Sicherheitsgründen" darauf, dass seine wichtigsten Quellen anonym bleiben müssten. Be Wise as Serpents hat rund 800 Seiten Umfang bei kleiner Schrift und ist beinahe unlesbar wegen der chaotischen Struktur und dem absurden Layout. Es überrascht nicht, dass kein Verlag diese Kakophonie abdrucken wollte und es ist absolut unvorstellbar, dass irgendwelche Insider ausgerechnet ihm irgendwelche geheimen Informationen gegeben hatten und dabei vergaßen, ihm ein paar hundert Dollar für ein ordentliches Lektorat in die Hand zu drücken. Danach vermarktete sich Springmeier als Experte für die Bewusstseinskontrolle aus dem angeblichen CIA-Projekt "Monarch". Es ist zwar bestätigt, dass die Agency mit Gehirnwäsche experimentierte und sogar „dressierte Killer" schuf, aber Springmeier scheint einfach ein paar wenige öffentlich bekannte Informationen mit Fantasie-Behauptungen ergänzt zu haben. Sein Co-Autor war Cisco Wheeler, der nach eigenen Angaben ein früherer Gehirnwäscher der llluminaten war, ohne dafür Belege zu liefern. Die beiden bezogen sich auch auf die Erzählungen von Cathy O'Brien, die für ihre hochtrabenden Geschichten noch nie einen überzeugenden physischen Beweis vorzeigen konnte. 1999 hatte Springmeier Erfolg mit seinem Buch „Bloodlines o f t h e llluminati", welches die 13 Familien beschreibt, die er für die mächtigsten der Welt hielt: Astor, Bundy, Collins, DuPont, Freeman, Kennedy, Li, Onassis, Rockefeller, Rothschild, Russell, Van Duyn und die Merovinger. Auch hierbei sollen einflussreiche Quellen geholfen haben. Bloodlines liefert im Gegensatz zu dem älteren „Be Wise as Serpents" einen einigermaßen zusammenhängenden Text, ist nicht zu lang und hat ein normales, lesbares Layout. Im Vorwort beschwert er sich, dass er mit kleinstem Budget

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arbeiten musste und mehrmals nicht einmal das Kleingeld aufbringen konnte, um Fotokopien von Quellmaterial zu machen. Wir sollen also glauben, dass einflussreiche Aussteiger aus den llluminaten ausgerechnet ihm geheime Informationen zugesteckt haben, aber keine paar Tausend Dollar für ihn übrighatten. Im Vorwort erwähnt er als Einfluss "Holy Blood. Holy Grail" und "The Messianic Legacy" obwohl diese Werke über die Merovinger nicht ernst zu nehmen sind. Für Springmeier gilt diese Blutlinie aber als eine der führenden der llluminaten. Auch der weite historische Rückgriff auf babylonische Familien, Abkömmlinge von Jesus usw. erscheint unplausibel, denn eine kontinuierliche Verschwörung einheitlicher Blutlinien über mehrere Jahrtausende hinweg ist praktisch unmöglich. Es klingt natürlich mehr nach Sensation, so etwas zu behaupten. Natürlich stimmt es, dass Geheimgesellschaften auch heute noch Bezug nehmen auf alte babylonische oder ägyptische Glaubensinhalte und Symboliken, aber die Herrscher der weit zurückliegenden Vergangenheit hatten größte Probleme, die Kontrolle über ihre Reiche zu wahren und über ihre Nachkommen. Selbst dann, wenn uralte Texte über Jahrtausende hinweg erhalten geblieben sind, so stellen sie doch nur die Konkursmasse von zerfallenen Imperien dar. Natürlich erwähnt Springmeier neben den 13 Linien auch weitere bekannte Dynastien, die er zu den llluminaten zählt. Warum aber ausgerechnet die genannten 13 die einflussreichsten sein sollen, erschließt sich in dem Buch nicht. Er stellte einen zweiten Band in Aussicht, der sich um Geheimgesellschaften drehen sollte, der aber nie erschien. Er nennt dabei auch die Jason Society und MJ-12, zwei erfundene Gruppen die von Milton Cooper und anderen besprochen worden waren. Hätte Springmeier wirklich Illuminaten-Aussteiger als Quellen gehabt, hätten diese ihm wohl sagen können, dass es weder eine Jason Society noch eine Majestic 12 gab. Astor Das erste Kapitel dreht sich um die Familie Astor und beginnt mit dem 1763 bei Heidelberg geborenen Johann Jakob (bzw. John Jacob), der zum formell reichsten Mann Amerikas wurde. Die Vorfahren von John waren protestantische Waldenser, aber Springmeier dichtet sie kurzerhand ohne Beweise zu Juden

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um, die ihre jüdische Herkunft verschleierten. Dieses Spielchen sehen wir auch in vielen anderen Verschwörungsbüchern, die beispielsweise Adam Weißhaupt zum Juden erklärten oder sogar alle wichtigen Adeligen Britanniens. John verließ als Teenager die ärmlichen Verhältnisse in der Heimat, genau wie seine Brüder, die sich als Handwerker und Soldaten versuchten. Als transatlantischer Pelzhändler brachte er es seltsamerweise zu sehr viel Geld, obwohl eigentlich die etablierten britischen Unternehmen „Hudson's Bay Company" und die „North West Company" den Markt dominiert hatten und er über keinerlei Ausbildung verfügte über den Pelzhandel oder überhaupt irgendeine Form des Handels. Konnte er als einzelner Migrant einfach so die mächtigen Briten ausstechen? Oder wurde er eher als Strohmann benutzt von britischen Interessengruppen oder Geheimdiensten der britischen Krone? Als Strohmann des britischen Imperiums hätte er seine angehäuften Reichtümer nur im Sinne seiner Führungsagenten verwaltet, aber nicht wirklich besessen. In der einflussreichen Freimaurerloge „Holland Lodge No. 8" in New York City machte man ihn 1788 glatt zum Meister vom Stuhl. Diese Loge zählte wichtige Clans des angloamerikanischen Imperiums zu ihren Mitgliedern wie Baron Von Steuben, den Marquis de Lafayette, Governor Dewitt Clinton, Edward H. Harriman und Franklin D. Roosevelt. Es ist absurd zu denken, dass John Jacob ohne Anbiederung an einflussreiche Kreise einfach so als Migrant einen erheblichen Teil des hart umkämpften Pelzmarktes an sich reißen konnte. Sein Unterstützer war niemand anderes als der US-Präsident Thomas Jefferson und er besaß im Laufe der Zeit immer mehr Kontakte zu einflussreichen Regierungsfunktionären. War er letztendlich nur ein Strohmann für Investoren, die im Schatten bleiben wollten? Nach dem Unabhängigkeitskrieg in Amerika wollten die Briten schließlich nicht zu offen und direkt auftreten. Astor wechselte ins Immobiliengeschäft und zum (britisch dominierten) Opiumhandel mit China, wobei er sich dabei in Gesellschaft diverser Ostküstenfamilien befand, deren Treue dem Britischen Imperium galt. Bei seinem Tod hinterließ er 20 Millionen Dollar, was nach heutigem Wert in etwa 110 Milliarden Dollar entspräche. Vom bettelarmen Migranten und Emporkömmling zum reichsten Mann Amerikas? Man mag es bezweifeln. Er wirkt eher wie das Vehi-

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kel einer etablierten Großmacht. Für Springmeier gelten die Astors aber als eine der 13 mächtigsten Familien der Welt, als jüdischer Illuminaten-Clan. In den folgenden Generationen verteilten sich die Astors in Amerika und Großbritannien, nahmen verschiedene Funktionen in der Politik, in der Wirtschaft und im Militär ein und unterschieden sich damit nicht von vielen anderen Dynastien. Der Sohn William Backhouse Astor erbte das Vermögen, vermehrte es und heiratete in das Establishment der USA ein: Margaret Alida Rebecca Armstrong wurde seine Frau, die Tochter von Senator John Armstrong Jr., der Verteidigungsminister gewesen war unter Präsident James Madison. Das Vermögen bekamen später seine Söhne William Backhouse Astor junior und John Jacob Astor III. Letzterer diente im Bürgerkrieg im Rang eines Colonel unter Major General George B. McCIellan, dem kommandierenden General der US Army. In der Geschäftswelt konnte die Familie Astor im Bereich Eisenbahnen den Vanderbilts nicht das Wasser reichen. In der folgenden Generation der Familie starb John Jacob Astor IV auf der Titanic. Der Ehemann seiner Schwester Helen war der Diplomat James Roosevelt, Halbbruder von Präsident Franklin Delano Roosevelt. Erinnern wir uns: Bereits der erste Astor war in derselben Freimaurerloge, in der später auch die Roosevelts verkehrten. William Waldorf Astor zog nach England und bekam 1916 den Status eines Peers des Vereinigten Königreichs zugestanden und war fortan Baron Astor of Hever Castle in Kent. Die Nachkommen blieben britische Adelige und betätigten sich in der Regierung und beim Militär. Bei dem amerikanischen Arm der Familie verhielt es sich ähnlich. Mal heiratete man in die Familie Warburg ein, mal in die Vanderbilts, und natürlich noch mehr in den britischen Adel, darunter auch in den Clan von Camilla, Duchess of Cornwall, die zweite Ehefrau des britischen Kronprinzen Charles. Springmeier konzentriert sich gleich zu Beginn des Kapitels auf die damaligen Sondergenehmigungen für John Jacobs Pelzhandel von Präsident Jefferson und Secretary Gallatin, die Springmeier als Mitglieder der llluminaten bezeichnet. Auch George Clinton, der Astor bei Immobiliengeschäften half, soll Illuminât gewesen sein. Irgendwelche Geheimnisse über die Astors erzählt Springmeier aber nicht. Unter Verweis auf den Verschwörungsautor John Coleman spricht Springmeier ein wenig über die britische Spionage; angeblich hatte Coleman Dokumente gesehen, die John Jacob als Agenten der Briten bestätigen. Man kann aber auch ohne vermeintliche Geheimdokumente spekulieren, dass bereits der erste Astor ein britischer Agent gewesen war. Aber dann wäre die Familie keine Top-Blutlinie gewesen, sondern nur ein Haufen Stroh-

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männer und kleiner Adeliger. Und nichts deutet darauf hin, dass die Astors jüdische Vorfahren hatten. Springmeier ergänzt an verschiedenen Stellen blanke Mutmaßungen über Hexerei und Satanismus, ohne jedoch irgendetwas Handfestes präsentieren zu können. Bundy Springmeier beginnt sein Kapitel über die Bundy-Familie seltsamerweise mit Ausführungen über den berüchtigten Serienkiller Ted Bundy und versucht händeringend, einen Zusammenhang zu konstruieren, muss aber gleichzeitig eingestehen, dass keinerlei familiärer Zusammenhang belegt ist. Die Bundys arbeiteten sich in der amerikanischen Gesellschaft von Generation zu Generation nach oben und wurden Mitglieder solch gefährlicher Organisationen wie Skull & Bones, gingen in die Politik, zu den Geheimdiensten und fungierten als Berater für Präsidenten und Verteidigungsminister. Wir sehen auch die üblichen Verbindungen zu Bilderberg und dem Council on Foreign Relations. Warum die Bundys aber eine von 13 Top-Blutlinien sein sollen, eschließt sich genauso wenig wie bei den Astors. Über Skull & Bones war bereits relativ viel bekannt geworden und die Organisation hat ihre Wurzeln bei Familien, die vom britischen Imperium die Erlaubnis erhalten hatten, über den Opiumhandel ein Vermögen zu verdienen. Springmeier beruft sich auf die Arbeiten von Antony Sutton um zu erklären, wie McGeorge Bundy nach seiner Initiation in den Orden von Skull & Bones trotz jungen Alters und wenigen Qualifikationen eine Blitzkarriere im Militär und in der akademischen Welt hinlegte. Auch hier erzählt Springmeier nur Bekanntes und hat trotz seiner angeblichen llluminatenQuellen keine echten Geheimnisse anzubieten. Harry Bundy wird von Springmeier effektheischend als Satanist bezeichnet, ohne jedoch wirklich Konkretes dazu sagen zu können. Collins Warum soll ausgerechnet die Familie Collins einer der 13 führenden Clans sein? Springmeier beginnt das Kapitel mit einer nicht zu überprüfenden Geschichte über ein satanisches Treffen, überliefert von einem anonymen angeblichen Aussteiger aus der Satanisten-Szene. Bei diesem Treffen sei eine Dame der Collins auf dem Thron gesessen, Kinder seien geopfert und Pläne delegiert worden. Der Collins-Clan sei sogar noch mächtiger als die Rothschilds und

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Springmeier fügt stolz an, dass er erste sei, der dieses Geheimnis lüftet. Nachvollziehbare Beweise? Fehlanzeige. Anscheinend hatte Springmeier sich dieses ganze Kapitel aus Zeitmangel einfach aus dem Ärmel geschüttelt, anstatt sich die Arbeit zu machen, eine andere Familie zu untersuchen. DuPont Die DuPonts stellten zunächst sehr erfolgreich Schießpulver in Nordamerika her und erhielten dabei die Unterstützung von einflussreichen Figuren der USRegierung, sicherten sich Mitgliedschaften in Freimaurerlogen und elitäre Freunde, bauten an der ersten Atombombe mit und besaßen schließlich einen der größten Chemiekonzerne der Welt, der 2017 mit Dow Chemical fusionieren soll. Es erinnert frappierend an die Geschichte der Astors: Mittellose Migranten, die von hohen amerikanischen Kreisen massive Geschäftsaufträge zugeschanzt bekamen, zu einer reichen Dynastie wurden und letztendlich mit Familien kooperierten, deren Sympathien dem Britischen Imperium galten. Wenn aber die DuPonts so viel Hilfe benötigten von mächtigen etablierten Kreisen, wieso sollen wir dann davon ausgehen, dass die DuPonts zum absoluten Kreis der Weltherrscher zählen? Erneut hatte sich Springmeier nur bei bekannten Fakten bedient und präsentierte keine Geheimnisse. Eine interessante Anekdote: Während dem Krieg der USA gegen Großbritannien 1812 hätten die Briten eigentlich die Schießpulver-Fabrik der DuPonts zerstören müssen, taten dies aber nicht. Freeman Und wieder stellt sich die Frage: Warum ausgerechnet die Freemans? "Aber die wichtigste Position von allen, die jegliche Zweifel daran ausräumt, dass die Familie ganz oben steht, ist dass der Großmeister der Prieure de Sion Gaylord Freeman war." Prieure de Sion ist der Name verschiedener erfundener Vereinigungen. Angeblich soll eine Geheimloge mit diesem Namen während des Ersten Kreuzzuges von Gottfried von Bouillon in Jerusalem gegründet worden sein. Berühmtheiten wie Leonardo da Vinci, Isaac Newton und Victor Hugo sollen zu ihren geheimen Mitgliedern gezählt haben. Aber diese Behauptungen basieren auf

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gefälschten Dokumenten, die der französische Monarchist Pierre Plantard in Umlauf brachte, um dem Verein gleichen Namens, den er selbst gegründet hatte, eine grandios klingende Vorgeschichte anzudichten. Der Journalist JeanLuc Chaumeil enthüllte schließlich den Schwindel und Plantard versuchte daraufhin händeringend, einen neuen Mythos zu etablieren, laut dem die Prieuré 1681 in Rennes-Ie-Chäteau gegründet worden sei. Er präsentierte auch eine neue fiktive Liste der Großmeister und inspirierte Gérard de Sede, dessen Bücher wiederum ein wichtiger Einfluss waren für Richard Leighs und Michael Baigents Bestseller von 1982 namens „Der Heilige Gral und seine Erben" (The Holy Blood and the Holy Grall), wo der mythische Unsinn auch noch um die „Blutlinie Jesu" und die Merovinger erweitert wurde. Hätte Springmeier wirklich einflussreiche Quellen gehabt, hätten diese ihm mit Sicherheit nicht die Freemans als Top-Familie nahegelegt und mit Sicherheit nicht den Murks von Leigh und Baigent empfohlen. Zusätzlich gibt es dermaßen viele Personen mit dem Namen Freeman, dass man nicht von einer Blutlinie sprechen kann und es unklar ist, wen Springmeier überhaupt gemeint hat. Kennedy Springmeier gibt zu, dass es viel zu viele Personen in den USA mit diesem Nachnamen gibt und bedeutsame familiäre Verbindungen kaum existieren. Das hält ihn nicht davon ab, den Clan des ehemaligen Präsidenten JFK als TopFamilie der llluminaten zu bezeichnen. Belege? Fehlanzeige. Irgendwelche Geheimnisse? Leider nichts. Li Man kann kaum fassen, dass Springmeier versucht, aus einem der häufigsten Namen Chinas eine Illuminaten-Blutlinie zu konstruieren. Er gibt sogar selbst zu, dass er nicht weiß, ob diverse einflussreiche Lis überhaupt miteinander verwandt sind. Es ist zum Schieflachen, dass er der „Familie Li" ein Kapitel gewidmet hat, anstatt eine glaubwürdigere, bekannte Familie auszusuchen. Möglicherweise lief ihm einfach die Zeit davon und er konnte nicht mehr rechtzeitig ein anständiges Kapitel schreiben, sodass er sich diesen Unfug mit den Lis aus dem Ärmel schüttelte. Es mussten unbedingt 13 Kapitel Ins Buch, weil sich „12 Blutlinien" einfach nicht so toll anhört wie 13.

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Onassis Springmeier erklärt, laut seinen Insider-Informationen sei diese Familie zumindest in den 1960er und 1970er Jahren noch eine der 13 Blutlinien gewesen. Wie üblich keine Beweise. Ob dies in den 1990er Jahren immer noch der Fall gewesen sei, weiß Springmeier nach eigenen Angaben nicht. Rockefeiler Hier haben wir wieder einen plausibleren Namen und erneut sehen wir eine Geschichte, die uns an die Astors und Duponts und viele andere Clans erinnert: Die mittellosen Migranten aus Europa, die sofort ganz groß in Amerika herauskamen und sich blendend arrangierten mit den Kreisen, deren Sympathien dem Britischen Imperium galten. Inzwischen hat die Familie sich aus dem Ölgeschäft offiziell zurückgezogen und mit David Rockefeller ist der letzte große Patriarch verstorben. Der 1810 geborene William Avery Rockefeller Sr. war ein professioneller Betrüger gewesen und trat oft auf mit dem erfundenen Namen „Dr. William Levingston". Seine Mutter war Lucy Avery und hatte adelige britische Vorfahren. John D. Rockefeller gründete mit mehreren Partnern Standard Oil und es ist fraglich, wozu der Aushilfs-Buchhalter Rockefeller von den erfahrenen Geschäftsleuten überhaupt gebraucht wurde. Standard Oil wurde in absurd hohem Maße erfolgreich, was natürlich wie bei den Astors und anderen Raubbaronen die Frage aufwirft, ob die Rockefellers nicht vielleicht eher Strohmänner waren. Wir finden die Rockefellers bei den üblichen Organisationen wie Bilderberg, dem Council on Foreign Relations, der Trilateralen Kommission usw. Da diese Querverbindungen längst in vielen Büchern abgehandelt worden waren, geht Springmeier nicht näher darauf ein. Es musste einfach ein Rockefeller-Kapitel her, weil das Verschwörungspublikum dies so erwartete. Dass Springmeier nicht ein einziges Kapitel über irgendeine wichtige Familie des europäischen Hochadels schrieb, zeigt seine Amateurhaftigkeit. Rothschild Die Rothschilds sind ein weiterer höchst fragwürdiger Fall von Emporkömmlingen, die sich dem britischen Imperium andienten und dabei (formell zumindest) traumhaft reich wurden. Die Rothschilds wirken letztendlich wie Strohmänner, Buchhalter und Nachrichtendienst-Männer des Britischen Imperiums,

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gelten aber In der Verschwörungs-Folklore von Springmeier und anderen Autoren als das Machtzentrum schlechthin. Die Söhne eines kleinen Ghetto-Krämers aus der Frankfurter Judengasse sollen mal eben ungehindert mit ein bisschen Buchhaltung das britische Imperium übernommen haben? Wohl kaum. Die Sowjets verfolgten nach dem Zusammenbruch der UdSSR die gleiche Strategie und machten systemtreue Funktionäre, die international völlig unbekannt waren, zu den Milliardären der 1990er Jahre. Aus Fachliteratur und blanker Logik ist zu entnehmen, dass diese Oligarchen nur Strohmänner des KGB waren und ihre Rolle als reiche Playboys spielten. Sobald manche von ihnen zu eigenständig wurden und der Kontrolle des KGB zu entgleiten drohten, wurden sie flugs verhaftet, wegen Korruption angeklagt und enteignet. Die Milliardäre hatten letztendlich keine Macht über ihr eigenes Geld. Anstatt die Rothschilds dementsprechend zu analysieren, versteift sich Springmeier auf unbelegbare Vorwürfe über Satanismus und auf die These der Rothschilds als zentrale Drahtzieher. Springmeier fabuliert wie viele andere Verschwörungstheoretiker auch, dass der Clan hinter den bayerischen llluminaten steckte und mit einem eigenen Nachrichtendienst den europäischen Regierungen überlegen gewesen sei. Das Kapitel über die Rothschilds in Springmeiers Buch ist sehr ausführlich, weil er dabei auf viel altbekanntes Material zurückgreifen konnte. Geheimnisse bietet er keine. Springmeiers Verhaftung Eine Weile lang zehrte Springmeier von der Popularität seines Buchs und verbreitete allerhand Irrsinn, wie etwa, dass die llluminaten eine Station auf dem Planeten Mars hätten. Er hätte wohl nach 9/11 im Internet einen gewaltigen Auftrieb erhalten können, aber er verbrachte diese wichtigen Jahre im Gefängnis wegen Marihuana, Waffen und einem Bankraub. Ein Gericht verurteilte ihn 2003 zu neun Jahren Haft, wobei er und seine Frau erklärten, krumme Fans seines Buchs hätten das Verbrechen begangen und ihn hinterher belastet. Die Verteidigung argumentierte, dass Springmeier nur davon gewusst habe, dass ein Herr Bateman eine Schusswaffe für einen Bankraub verwenden würde und dass dies keine Komplizenschaft bedeute.1 Das Gericht meinte aber, dass das Vorwissen und die „Absicht, zu helfen" für eine Verurteilung ausreichen:

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„DerZeuge Huntington sagte darüber aus, wie Springmeier mit ihm und Bateman am dem groben Plan und den Details des Bankraubs arbeitete; dies beinhaltete die Auswahl der Bankfiliale, die Wahl des Zeitpunktes, die Wahl von Anfahrt und Fluchtroute, die Benutzung eines ausgeklügelten Ablenkungsmanövers, die Benutzung einer Schusswaffe, sowie den Diebstahl und die Nutzung eines Autos." Man kann zwar vermuten, dass die Bankräuber Springmeier auch deshalb belasteten, weil sie sich dadurch ein milderes Urteil für sich selbst erwarteten, aber wer möchte, kann sich die Details der Verhandlung durchlesen und sich eine eigene Meinung bilden. Springmeier und seine Fans deuteten das Ganze natürlich als fiese Rache der llluminaten, obwohl Springmeiers Buch nichts weiter war als eine Sammlung bekannter biographischer Details und unbelegter Mythen, die es in ähnlicher Form bereits zuhauf gab. Er war schlicht keine Bedrohung für Eliten. Nach der Haft Inzwischen ist Springmeier völlig in der Bedeutungslosigkeit versunken und versucht es im Internet mit absonderlichen Lügengeschichten, die sogar seine treuesten Fans vergraulen. Laut seinen angeblichen Insiderquellen habe eine neue Generation an Familien die Macht übernommen, es gäbe nur noch sieben führende Blutlinien und diese wollten auch noch Frieden und Wohlstand schaffen... Der neue König der Welt sei ein Mann namens William Cornelius Van Duyn, dessen Vorfahre verheiratet gewesen wäre mit einer Verwandten von Adam Weishaupt. Eine Online-Suche nach der Herkunft des Fotos dieses angeblichen Van Duyn führt zu dem Linkedin-Profil eines ungarischen SoftwareEntwicklers.2 Springmeier behauptet zudem, dass er in persönlichem Kontakt stünde zu Jacob Rothschild, der ein vernünftiger und herzensguter Mann sei. Das Publikum war natürlich völlig baff.3 Seine vorherigen Bücher überschritten bereits die Grenze zur Hochstapelei wegen den Märchen über seine Illuminaten-Quellen, aber die heutigen Geschichten sind pure Fiktion. Es kann natürlich sein, dass er einfach grenzenlos naiv ist und sich schnell einen Bären aufbinden lässt. Nachdem er online auf die

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Suche gegangen war nach einer unterwürfigen philippinischen Ehefrau und von offensichtlichen Betrügern über Monate hinweg über den Tisch gezogen wurde, veröffentlichte er aus unerfindlichen Gründen die peinlichen Details: „Auf einer Dating-Seite schaute ich mir hunderte Profile von Frauen an, um jemand besonderes zu finden. Sobald ich sie gefunden hatte, sagte sie genau die richtigen Dinge, darunter auch wie sie Gott fürchte und liebe und wie sie sich mir gegenüber anständig verhalten würde. Sie zitierte aus der Bibel. Sie war ein „einfaches" Mädchen vom Land. [...] Ich bezahlte zögerlich 756$. Die Betrüger hatten Glück, dass ein Taifun kam und ich nichts für mein Geld bekam. [...] Nach dem Taifun zögerte sie, sich per Webcam zu zeigen, denn sie wollte nicht, dass ich mir Sorgen mache über die Wunden Überallan ihrem Körper, insbesondere an ihrem Kopf und Gesicht. [...] Nach langem Nachdenken in der Nacht wurde mir klar, dass ihre Wunde am Kopfsich entzünden und zu ihrem Tod führen könnte. [.. ,]Also schickte ich weitere 2500$ damit sie ins Krankenhaus gehen konnte. [...] Mutter Natur meinte es gut mit den philippinischen Betrügern und schickte mehr Taifuns, die in Notfällen resultierten. Es war eine schwere Belastung, ihr Überleben nach einem Desaster nach dem anderen zu finanzieren. Es wäre billiger gewesen, sie zur mir zu holen. [...] Ich hatte ihr sieben Monate lang jede Woche durch solch eine Katastrophe hindurchgeholfen, und war jedes Mal völlig fertig aus Mitleid für ihren Schmerz. Aber ich war fest entschlossen, dass ich ihr Überleben sichern werde. Kein Land traut ohne Weiteres Philippinos, nach der Einreise wieder nach Hause zu gehen und damit sie bessere Chancen hatte, ein TouristenVisum zu erhalten, wollte ich, dass sie einen besseren Eindruck macht bei ihrer Visumsanfrage. Angefangen mit einem Pass, verschaffte ich ihr ein Grundstück mit einem Haus, ein Universitätssemester für den Herbst 2012 und ich überwies ihr zusätzlich noch rund 9000$ auf ihr Bankkonto für Steuern, Rechnungen und Miete. Sie versicherte mir wiederholt, dass sie mir mein Geld nach der Visumsanfrage zurückgeben wird, damit ich finanziell nicht unterging mit meinen Rechnungen, die sich bei mir schon stapelten. Sie würde der Welt beweisen, dass sie mich liebte und dass sie kein Betrüger war."

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Man kann davon ausgehen, dass diese Frau nie existiert hat, sondern dass Springmeier sich die ganze Zeit in Wirklichkeit nur mit männlichen Betrügern unterhielt. 4 Solche reinen Internet-Schwindler können sich normalerweise nur kleinere Summen über das Internet ergaunern, bevor das Opfer misstrauisch wird und die Reißleine zieht, aber Springmeier ließ sich nach eigenen Angaben monatelang ausnehmen wie eine Weihnachtsgans, obwohl er eigentlich kritisches Denken und Recherche beherrschen sollte. Quellen: [1] https://scholar.aoogle.com/scholar

case?q=%22Fritz+Artz+Springmeier%22&

hl=en&as sdt=3.44&case=17290688063678630470&scilh=0 [2] http://mercytriumphs.org/mercytriumphs/2014/04/25/the-king-of-theworld-analyzed-by-fritz-springmeier/ [3] https://www.henrvmakow.com/2014/05/fritz-springmeier-replies-to.html [4] https://www.henrymakow.com/frtiz springmeier victim of fi.html

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Eric John Phelps' „Vatican Assassins"

Eric John Phelps ist der Guru einer lautstarken Minderheit aus der Verschwörungsszene, die den Vatikan und den Orden der Jesuiten als Herrscher der Welt betrachtet. Jeder, der gegen diese Sichtweise argumentiert, wird sofort als jesuitischer Mitverschwörer gebrandmarkt. Sein Buch „Vatican Assassins" ist übermäßig lang und fast unlesbar, genoss aber eine Weile lang eine gewisse Popularität. Für Phelps ist jede bedeutende Organisation der Welt Teil der vatikanischen Verschwörung, vom KGB über die Freimaurer bis hin zu den Zentralbanken und „grauen" Außerirdischen (die nur genetische Experimente seien). Jede wichtige Person ist ein Jesuit, bzw. ein „Jesuit Temporal Coadjutor", und dient dem „schwarzen Papst". Auch die Rothschilds seien heimliche Katholiken und sogar den Islam hätte der Vatikan geschaffen.

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Sein Quellmaterial besteht aus unwissenschaftlichen, alten Pamphleten voller Fälschungen und Erfindungen wie zum Beispiel der „Schwur der Jesuiten". Viele solche Bücher waren in den Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts von protestantischen Autoren veröffentlicht worden, um den Einfluss der Katholiken zurückzudrängen. Wissenschaftliche Standards wurden dabei nicht eingehalten, sondern man vermischte einfach Fakten mit einem Haufen übertriebener Mythen und Erfindungen: •

„The Black Pope: Or, The Jesuits' Conspiracy Against American Institutions" von 1892

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Robert Wares „Foxes and Firebrands" Rev. John William Dowling's "History of Romanism: From the Earliest Corruptions of Christianity to the Present Time" (1845)

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Edwin Allen Sherman's The Engineer Corps of Hell Rome's Sappers and Miners: Containing the Tactics of the 'Militia of the Pope,' of the Secret Manual of the Jesuits, and Other Matter Intensely Interesting, Especially to the Freemasons and Lovers of Religious Liberty, Whithersoever (1883)



The Awful Disclosures of Maria Monk (1835)



Thrilling Mysteries of a Convent Revealed by T.B. Peterson (1835)



Abbate M. Leone's Jesuit Conspiracy: Secret Plan of the Order



Richard Baxter's Jesuit Juggling. Forty Popish Frauds Detected and Disclosed



Samuel B. Morse's "Foreign Conspiracy Against the Liberties of the United States"



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The Female Jesuit, or, The Spy in the Family

Phelps arbeitete wahrscheinlich als Zementmischer, bevor er seine eigene Kleinkirche gründete, im Priestergewand herumlief und alte Mythen über die Jesuiten mit neueren Verschwörungstheorien vermischte. Zudem glaubt Phelps, dass die Erde eine flache Scheibe sei und im Mittelpunkt des Sonnensystems stehe, was er mit Bibelversen begründet. Sklaverei sei bibelkonform und nützlich für die protestantische Gesellschaft gewesen, weshalb sie schließlich von den Jesuiten abgeschafft wurde. In seiner Wunschvorstellung leben weiße Protestanten ungestört in Nordamerika durch andere Rassen. Phelps hat nie wirklich Forschung betrieben, sondern einen Brei gerührt aus Material, das auf Popularität abzielte bei dem protestantischen Publikum und den Verschwörungstheoretikern. Wer sich für wissenschaftliche, kritische Forschung über die katholische Kirche interessiert, der muss sich woanders umsehen. Zu empfehlen ist beispielsweise die „Kriminalgeschichte des Christentums", das zehnbändige Hauptwerk des Kirchenkritikers Karlheinz Deschner. Die katholische Kirche existierte über einen sehr langen Zeitraum hinweg, erlebte aber auch viele Spaltungen, Rückschläge, wechselnde Anführer und unterschiedliche staatliche Schutzmächte. Es gab also nicht wirklich „die" katholische Kirche über all die vielen Jahrhunderte hinweg, sondern eine Organisation im stetigen Wandel mit vielen verschiedenen Tochterorganisationen, die oftmals ihren eigenen Brei kochten und sich gegeneinander verschworen. Wegen den skrupellosen Methoden der katholischen Kirche und ihrer staatlichen Schutzmächte überrascht es nicht, dass konkurrierende Staaten und Kirchen ebenfalls nicht zimperlich waren und u.a. Propaganda als Waffe benutzten mit Fälschungen und Übertreibungen. Der Text Monita Secreta war aller Wahrscheinlichkeit nach eine komplette oder zumindest teilweise Fälschung; sie erschien 1614 in Krakau und war so geschrieben, dass sie aussah wie eine Anweisung des fünften Ordensgenerals Claudio Aquaviva an die Patres, um möglichst viel Geld abzuzocken, indem man einflussreiche Personen umgarnt, Geheimnisse kauft, und dem Papst gegenüber das Ausmaß des katholischen Reichtums verheimlicht. Inhaltlich war die Monita Secreta nicht allzu weit hergeholt, ist aber als Quelle nicht verlässlich. In England, während der Zeit vor der Glorious Revolution, verbreitete sich die Propaganda gegen die katholische Kirche und eskalierte dann bei der sogenannten Papisten-Verschwörung von 1678, bei der angeblich König Karl II. und alle führenden Protestanten Englands ermordet werden sollten, um Karls katholischen Bruder auf den Thron zu bringen. Einerseits ging es natürlich zu der damaligen Zeit in hohen Kreisen nicht zimperlich zu und alle Mittel

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schienen recht, aber die Beweiskraft der Vorwürfe war ziemlich dünn und es ist recht wahrscheinlich, dass diese Verschwörung eher eine Erfindung der Gegner der Kathollken war, um den Einfluss der Katholiken zu schwächen. Es kam zu 81 Anklagen und einer Reihe von Todesurteilen. Die protestantischen Gruppen konnten durch diesen Skandal die Mehrheit im Unterhaus gewinnen, galten aber wenig später als Haufen intriganter Lügner. Wenn man über bisherige historische Untersuchungen wie Deschners „Kriminalgeschichte des Christentums" hinaus erforschen will, wieviel an den verschiedenen Theorien über jesuitische Verwicklungen wirklich dran ist, dann erfordert dies einen extrem hohen Aufwand, nicht nur wegen dem langen Beobachtungszeitraum, sondern auch wegen der weltweiten Präsenz und den vielen katholischen Orden, die oft noch ihre ganz eigene Suppe kochten. Die simple Denkformel, laut der Jesuiten und der Vatikan die Welt regieren und hinter allem stecken, ist ein billiges Gimmick und eine Vermeidung der notwendigen Mühen, um die komplexe Geschichte wirklich zu verstehen.

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Daniel Estulin: KGB-Altmetall

Daniel Estulin landete 2007 mit seinem Buch „The True Story of the Bilderberg Group" einen Bestseller, ohne jedoch irgendwelche neuen Geheimnisse enthüllt, oder das Verständnis über Machtstrukturen erweitert zu haben. Die Bilderberg-Treffen sind natürlich ein bedeutendes Thema und erreichen viel Aufmerksamkeit, aber es gibt hingegen praktisch keine investigative Berichterstattung über vergleichbare östliche Treffen wie etwa der Shanghai Cooperation Organization (SCO) mit wichtigen russischen, chinesischen und iranischen Vertretern, die ihre "Neue Weltordnung" umsetzen wollen. Daniel Estulin wurde in Russland geboren und bekam vor wenigen Jahren eine eigene Sendung im internationalen russischen Propagandasender Russia Today, wo er beispielsweise behauptete, die USA würden 13 geheime Basen in Afghanistan bauen, um Krieg gegen Russland zu führen. In seinem Buch "Die wahre Geschichte der Bilderberger" schildert er, wie er 1992 mit dem Thema

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Bilderberg in Berührung gekommen war. Ein "russischer Immigrant der in Paris wohnte" kontaktierte ihn und bat um ein Treffen im kanadischen Toronto. Dort übergab er Estulin angeblich einen Packen voller geheimer Dokumente. Später soll herausgekommen sein, dass der Kontaktmann ein Doppelagent gewesen wäre, der für den KGB arbeitete. Estulins eigener Großvater sei ein "Offizier der KGB-Gegenspionage" gewesen. Auf RT schwadronierte Estulin, dass der Zweck der bösen Bilderberger einzig darin läge, die ach so viel besseren Russen und Chinesen zu unterdrücken. Eine seiner wichtigsten Quellen für diese einseitige, kindische Darstellung sei "die russische Regierung". Estulin verteidigte im TV den mutmaßlichen Ex-GRUAgenten aus der Sowjetunion Victor Bout, der nach dem inszenierten Fall der Sowjetunion massenhaft Flugzeugladungen von Waffen an Diktatoren in Afrika und anderswo verhökerte und nun zu 25 Jahren Haft in den USA verurteilt wurde. 2010 traf sich Estulin mit Fidel Castro, der Estulins Buch natürlich verehrte und man unterhielt sich darüber, wie Bilderberg der Feind Russlands und Chinas sei. Das, obwohl Wallstreet von Anfang an heimlich die Sowjets am Leben hielt und mit dringend benötigter Technologie belieferte. Außerdem verhalfen amerikanische Firmen wie Bechtel und ausgerechnet die BilderbergUrgesteine Rockefeiler und Kissinger China zu Weltmachtstatus. Estulin wollte an einem großen Dokumentarfilmprojekt über die Bilderberger zusammenarbeiten mit dem verurteilten Betrüger, Ex-Marxisten und KremlPropagandisten Lyndon LaRouche. Interessanterweise zitierte Estulin für sein Bilderberg-Buch fleißig aus der Arbeit des Verschwörungsautoren John Coleman, dem wiederum nachgesagt wurde, er hätte sich großzügig bei Artikeln von LaRouche bedient. Ob Estulin jemals eine Quelle aus dem Umfeld der Bilderberger besessen hat, ist zu bezweifeln.

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Webster Griffin Tarpley Es ist immer wieder belustigend zu sehen, wie Webster Griffin Tarpley, der Trotzklst, Non-Ökonom, Putin-Fan und vor wenigen Jahren noch Fan von Hillary Clinton, sich auslässt über das Thema Wirtschaft. Wie lange hatte er sich gesehnt nach einem sozialistischen Generalstreik und kommunistischen Massenbewegungen um charismatische Führer herum, und nichts kam dabei heraus, während Ron Paul Millionen Menschen für die Verfassung und eine freie Wirtschaft begeistern konnte. Tarpley, der Non-Ökonom ohne irgendwelche auch nur ansatzweise anerkannten Veröffentlichungen über Wirtschaft, der allem Anschein nach noch nie in seinem Leben ein ernsthaftes Unternehmen geführt hat, erzählt in seiner Sendung World Crisis Radio und sonst überall wo ihm jemand zuhört, dass die Verfechter einer freien Wirtschaft im Gegensatz zu ihm keine Ahnung von Wirtschaft hätten. Die Befreiung der Bürger von immensen Steuerlasten und einem irrsinnigen Regulierungswahn, würde laut Tarpley in den USA und der EU zu Millionen Hungertoten führen. Stattdessen will er einen Generalstreik und einen sozialistischen "New Deal" wie einst vom Präsidenten Roosevelt. Der Establishment-Stratege H.G. Wells schrieb in seinem Buch "New World Order" im Jahr 1939: „Der New Deal ist ganz einfach der Versuch, einen funktionierenden Sozialismus zu schaffen und einen Kollaps der Gesellschaft in Amerika zu verhindern; es ist eine außergewöhnliche Parallele zu den sukzessiven "Richtlinien" und "Plänen"des russischen Experiments. Amerikaner mögen das Wort Sozialismus nicht, aber was sonst soll man es nennen?" Die Russen mögen wohl auch die Phrase "Vernichtungskrieg gegen die eigene Bevölkerung im Stalinismus" nicht, aber wie sonst soll man das "russische Experiment" nennen? Millionen muntere Arbeiter an der Arbeiterfront will Tarpley an Großprojekten werkeln sehen, während er selbst weiter theoretisierend in einem klimatisierten Büro sitzt. Es ist nicht bekannt, dass Tarpley jemals selbst in seinem Leben am Fließband stand oder irgendeine andere physische Arbeit verrichtete. Dafür war er sich natürlich zu gut, er ging an die teure Eliteuniversität Princeton und machte Abschlüsse in Sprachen, später dann noch ein Studi-

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um in Turin und dann noch obendrauf einen Abschluss an der Catholic University of America in Geschichte. Bei Princeton zahlt man heute pro Studienjahr schlappe 56.750 $ an Studiengebühren. Als Agitator bei der Kommunistengruppe Students for a Democratic Society scheiterte er bei dem Versuch, einen Generalstreik loszutreten und eine kommunistische/trotzkistische Räterepublik in den USA zu etablieren. Nach dem Misserfolg der sozialistischen Studentenbewegungen in den USA machte er sich dann nach Europa rüber, genauer gesagt in das Herz des Eurokommunismus: Italien. Die kommunistische Partei hatte dort zu ihrer Hochzeit 1,5 Millionen Mitglieder. Warum ist Tarpley Befürworter gewesen des Mafia-Präsidenten von Italien, Silvio Berlusconi? Weil jener eine Villa hat genau neben Vladimir Putins Villa und die Familien miteinander feiern. Weil Italien immer noch in Europa die Hochburg des KGB ist neben Polen und Deutschland. Er schloss sich im Folgenden Lyndon LaRouche an, der als Marxist begann und eine neue marxistische Internationale schaffen wollte, später dann Mitglied der trotzkistischen sozialistischen Arbeiterpartei wurde. 1988 wurde Lyndon LaRouche wegen Betrug zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass LaRouche und sechs seiner Anhänger mit Hilfe falscher Angaben über vorliegende Sicherheiten Kredite erschlichen hätten, ohne die Spender über die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten seiner Organisation aufzuklären. Um die Wirtschaft zir retten, sollen laut Tarpley die Federal Reserve und die EZB jeweils im Umfang von 1000 Milliarden Dollar und 1000 Milliarden Euros zinsfreie, 100-jährige Bonds ausgeben um Megaprojekte zu finanzieren wie ein Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz. Erst als herauskam, dass die chinesischen Projekte Fiaskos waren, hörte er auf, diese als Paradebeispiele zu zitieren. Wenigstens seine Frau Leah, die er in der LaRouche-Zeit kennenlernte, soll für ein richtiges Unternehmen namens Cresa Partners LLC arbeiten. Dummerweise soll der Manager und Vorstandsmitglied Gene S. Sachs unzählige Aufträge durchgeführt haben für den britischen Rüstungsgiganten BAE.

Wenn in Russland wieder einmal eine Bombe hochgeht, richtet der "Terrorismus-Experte" den anschuldigenden Finger auf die westlichen Dienste, nicht auf Putins eigene Sicherheitskräfte. Knallt es im Westen, waren es selbstverständlich westliche Behörden. Früher war Tarpley noch häufiger Gast in der Alex Jones Show und fügte sich dabei gekonnt ins Programm ein wenn es darum ging, den angelsächsischen Teil des Totalitarismus zu verdammen. Als blühen-

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der Sozialist muss er wohl vom Großteil des Publikums von Alex Jones das gleiche halten wie von seinem Intimfeind Ron Paul: Hinterwäldlerisch, rechts, reaktionär, dumm und "protofaschistisch". Nichtsdestotrotz versuchte er, die Hörerschaft von Jones davon zu überzeugen dass ausgerechnet der Sozialismus irgendwie eine amerikanische Tradition sei, und dass der Verräter der amerikanischen Revolution und Establishment-Merkantilist Alexander Hamilton diesem amerikanischen Sozialismus irgendwie Legitimität verleihen würde. Grundlegende Freiheiten wie in der Verfassung festgelegt, darunter auch wirtschaftliche Freiheit, versucht Tarpley als moderne Verschwörung von Rockefeller und Co. zu verdammen, die mit Hilfe der zwei österreichischen Akademiker Mises und Hayek und später mit dem liberalen Ron Paul verbreitet worden sei. Freihandel bezeichnet Tarpley als prinzipiell gleichbedeutend mit dem alten britischen, diktatorischen Kolonialsystem. Alexander Hamilton, der einfach den britischen Kolonial-Merkantilismus, also die zentralistische Planwirtschaft kopieren wollte, bekommt aber schrägerweise das Lob und das Gütesiegel von Tarpley. Der Akademiker will beeindrucken mit dem fachmännisch klingenden Aufzählen von Namen und Daten, damit das Publikum nicht merkt, wie er plötzlich zur plumpen Manipulation übergeht und die Definition von Liberalismus verkürzt. Aus "alles ist erlaubt, solange man keinem Dritten schadet", wird einfach "alles ist erlaubt". Definitionen verfälschen und mit diesen dann argumentieren, würde man keinem Erstsemester-Studenten durchgehen lassen, geschweige denn einem "Dr. Tarpley" mit Abschlüssen von Eliteuniversitäten. Melania Trump verklagte die UK Daily Mail und den Autor Webster Tarpley wegen Artikeln, in denen Mutmaßungen enthalten waren, dass Melania früher für Escort-Dienste gebucht werden konnte. Es ging um eine Forderung von 75.000$, allerdings wurden auch weit größere Summen in der Presse genannt. Der gewählte Anwalt vertrat schon Hulk Hogan in dem erfolgreichen Prozess gegen Gawker mit einer Strafzahlung von über 100 Millionen $. Alle Publikationen, die die Escort-Gerüchte veröffentlichten, haben ihre Meldungen inzwischen zurückgezogen.

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Crazy like Alex Jones

Alexander Emerick Jones ist heute einer der finanziell erfolgreichsten und einflussreichsten Vertreter seiner Zunft, denn nicht nur bedient er ein Millionenpublikum, sondern er kommunizierte auch mehrfach mit dem US-Präsidenten Donald Trump, den er völlig faktenwidrig als einen Mann des Volkes propagiert. In den 1990er Jahren begann er im Radio und im offenen TV-Kanal der texanischen Stadt Austin mit einem Programm, das von seiner typischen Lebhaftigkeit, aber gleichzeitig einer Beschränkung auf ernsthafte Themen gekennzeichnet war. Keine UFOs, keine Esoterik und keine jüdischen Weltverschwörungen, sondern beißende Kritik an Präsident George H.W. Bush und Bill Clinton, der Zentralbank und den Vereinten Nationen. Seine Einflüsse waren die John Birch Society und Gary Allens Buch „None Dare Call lt Conspiracy" und er stand politisch irgendwo zwischen konservativ und libertär auf dem Boden der Verfassung, wobei er besonders laut das primitive Denkmuster von „links" gegen „rechts" in Frage stellte. Nach den Anschlägen des elften Septembers 2001 konnte er einen immer höheren Bekanntheitsgrad erlangen und nutzte dabei clever die Möglichkeiten des Radios, VHS-Videobänder und das Internet. Weil er sich weigerte, pole-

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misch gegen Juden zu agitieren und weil er nichts übrig hatte für die Vorstellung einer vatikanischen Weltverschwörung, gab es die entsprechenden Anfeindungen aus dem Internet, er sei ein zionistischer Agent oder ein Zuarbeiter der Jesuiten. Er hatte ein paar jüdische Sponsoren, Angestellte und entfernte Verwandte und ist definitiv kein Antisemit. Gleichzeitig gibt es auch keinen substanziellen Beleg dafür, dass er Teil einer jüdischen Verschwörung ist. Leider unterscheiden viele Verschwörungstheoretiker im Internet nicht zwischen Indizien, Hinweisen, Verdachtsmomenten, einem begründeten Verdacht, Belegen und soliden Beweisketten. Mehrfach prahlte Jones damit, dass enge Verwandte von ihm signifikante Kontakte zur CIA und Spezialeinheiten pflegten, was wahrscheinlich eher eine Übertreibung ist und auch kein schlüssiger Beleg dafür wäre, dass Jones selbst in irgendeiner Form für die CIA arbeitet. Sein Vater habe als Zahnarzt beispielsweise CIA-Agenten spezielle Implantate eingesetzt. Sein Cousin Buckley Hamman, mit dessen Starthilfe er 1993 seine Radiosendung begonnen hatte, ist der Sohn von William Hamman, ein Vietnamveteran der sich in Guatemala niederließ und dort eine leitende Position in den Streitkräften übernommen haben soll, vergleichbar mit dem berüchtigten Oliver North.1 Die amerikanischen Kreise in Guatemala waren extrem antikommunistische Rechte, die vor kaum etwas zurückschreckten und es existieren Querverbindungen zu konservativen Kreisen in den USA, die sich mit Verschwörungstheorien beschäftigten. Wäre Alex aber tatsächlich selbst CIA, hätte er wohl kaum mehrfach prahlerische Geschichten über seine Verwandten erzählt. Bisher hat noch niemand genau überprüft, ob William Hamman tatsächlich in irgendeiner Form bedeutsam war. Alex wies weder die typischen Beschränkungen eines linken oder im Mainstream verwurzelten Investigativ-Journalisten auf, noch war er ein typischer rechter oder esoterischer Verschwörungstheoretiker. Die Alex-JonesRadiosendung hatte viele seriöse Gäste, vermied Irrationales und ideologische Scheuklappen, und war auch lange Zeit sehr kritisch gegenüber Russland. Über sein Privatleben waren keinerlei Skandale bekannt und er galt als ausgeprägter Familienmensch. Ab 2008 machten sich jedoch immer mehr Probleme bemerkbar: Jones nahm eine immer positivere Haltung ein zum russischen Re-

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gime und immer mehr schamlose Russlandpropagandisten wurden zu Dauergästen, bis irgendwann Putin offen als große politische Hoffnung gefeiert wurde. Kritische Berichterstattung über das russische Regime gab es keine mehr und nach der Beeinflussungskampagne des Kremls bei dem USPräsidentschaftswahlkampf 2016 wurde Jones sogar zum Ziel von Ermittlungen der Behörden. Die Qualität seiner Sendung nahm stetig ab, was wohl nicht zuletzt daran lag, dass er nach eigenen Angaben in den vergangenen 10 Jahren nur eine Handvoll Sachbücher gelesen hat. Die gravierenden handwerklichen Fehler und die Polemik resultierten in diversen gerichtlichen Klagen wegen Verleumdung. Die Emotionalität in Form von wütenden Tiraden wurde immer ausgeprägter, häufiger und bizarrer. Zwar diente es lange als nützliches Gimmick, aber sukzessive wirkte Jones immer verrückter und emotional instabiler, was in seinem Beruf, in dem Glaubwürdigkeit das wichtigste Kapital darstellt, natürlich ein riesiges Problem ist. Alle seine Reporter waren Amateure, die nie ein wirklich professionelles Niveau erreichten, und beinahe alle davon kündigten oder wurden gefeuert und hatten nur Negatives über ihren ehemaligen Boss zu berichten. Irrationale, unbeweisbare Inhalte, die früher absolut tabu waren, bahnten sich zunehmend ihren Weg in die Jones-Sendung: Beispielsweise wurden die Eliten nun als „interdimensionale Dämonen" bezeichnet und Figuren wie David Icke wurden zu regelmäßigen Gästen. Immer häufiger schob Jones seinem Publikum die Ansicht unter, er sei von Gott und der Vorhersehung auserwählt, um die Welt zu retten. Er übertrieb auch immer schamloser die Größe seines Publikums und den Wert seiner Arbeit. Ab dem Jahr 2015 wandelte er sich zu einem platten, neurechten Ideologen, der die meiste Zeit gegen Muslime, Feministen, Schwule und Linke hetzt, und dabei gleichzeitig gefährliche rechte Politiker bewirbt. In den Jahren nach 9/11 gelang es ihm noch, verschiedene politische Gruppen zu integrieren und die Gemeinsamkeiten zu betonen. Inzwischen aber wird jeder neue Terror-Vorfall genutzt, um den Graben zwischen Konservativen und dem Rest des Landes zu vergrößern. Der bekannte Talkshow-Moderator Stephen Colbert schuf eine an Jones angelegte Satire-Figur namens „Tuck Buckford" und die fiktive Sendung „Brain Fight". Für gewöhnlich reagiert Jones auf so etwas mit Hasstiraden und Gewaltfantasien. So fordert er immer wieder seine Kritiker zu Boxkämpfen ohne Handschuhe heraus und stellt sich bildlich vor, wie er seine Kontrahenten zu Brei schlägt. Dünne Indizien, die nicht einmal für einen läppischen Durchsuchungsbeschluss gereicht hätten, wurden 2017 von Jones' Infowars-Redaktion

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zu einem Sensations-Video aufgeblasen, das den Eindruck erweckte, ein PizzaRestaurant in Washington D.C. mit politischen Verbindungen sei wahrscheinlich Dreh- und Angelpunkt eines organisierten Rings von Kindesmissbrauchern. Ein Fan fühlte sich von solchen Berichten dazu animiert, mit einem geladenen Gewehr die Pizzeria zu stürmen. Die Schießerei von Sandy Hook bezeichnete Jones ohne Wenn und Aber als komplette Inszenierung, bei welcher Schauspieler die Opfer mimten und niemand wirklich gestorben sei. Diese absurde Vorstellung trug dazu bei, dass Fans von Jones und ähnlichen Verschwörungstheoretikern die Angehörigen der toten Kinder pausenlos belästigten, als Schauspieler bezeichneten und bedrohten. In einem Interview gelang es Megyn Kelly von NBC News mühelos, Infowars als emotional gesteuerte Amateure zu entlarven. Jones betrachtet sich nicht einmal wirklich selbst als Reporter und gab zu, dass 95% der Arbeit von Infowars daraus bestehen, Nachrichten aus dem Internet spontan zu kommentieren. Owen Shroyer, einer von Jones' wichtigsten Angestellten, betrachtet sich auch nicht als Reporter, sondern nur „als menschliches Wesen, das Wahrheit will". Alles was Shroyer hätte tun müssen, ist die Frage, ob er sich als Journalist betrachtet, mit „ja" zu beantworten. Stattdessen lieferte er Kelly eine Steilvorlage und zeigte, wie unprofessionell es bei Infowars zugeht, ganz egal wieviel teure Technik man sich anschafft und wieviel Publikum man erreicht. Es gibt überhaupt keine richtige Struktur und Methodik bei Infowars, um Qualität sicherzustellen. Jones sollte eigentlich nach so vielen Jahren im Geschäft der Lehrmeister in seiner Redaktion sein, der am meisten Ahnung hat und der die allerschwierigsten Fragen beantworten kann. Stattdessen vermasselte er unzählige Berichte in den vergangenen Jahren und geriet dadurch immer wieder auch in juristische Schwierigkeiten. Ehemalige Angestellte beschrieben ihn in einem langen Artikel auf Buzzfeed durchgehend als emotional instabil („entweder aufgekratzt wie der Pirat Blackbeard, oder wütend wie Hitler"), als Diktator und als rachsüchtig.2 Dann kam das Scheidungs- und Sorgerechtsdrama. Die Gerüchteküche wusste bereits ca. 2015, dass Jones und seine Ex-Frau sich in einem erbitterten Scheidungskrieg befanden, aber erst bei dem darauffolgenden, öffentlichen Sorgerechtsprozess kam die Tragweite der Sache ans Tageslicht. Alex Jones' eigene Therapeuten hatten ihn laut der Berichterstattung diverser Zeitungen über den Prozess diagnostiziert mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.3 Seine Ex-Frau sprach von 15 Jahren Beziehungshölle

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und gilt laut den Therapeuten als emotional angeschlagen. Systematisch soll er ihr Selbstbewusstsein zerstört haben. Obwohl er ein Narzisst ist, hatte das Gericht ihm das alleinige Sorgerecht gegeben und die Ex-Frau hat seitdem ungefähr so wenig Besuchsrecht, wie üblicherweise einem gefährlichen Drogenjunkie zugesprochen wird. Was noch stärker verblüfft, ist, dass er nur wenige Therapiestunden absitzen musste, während sie einen Therapie-Marathon und die Kosten dafür aufgebrummt bekam, ohne dadurch das Sorgerecht für ihre Kinder zu erhalten. Er verprasste Millionen an Dollars für seine Star-Anwälte und immer wieder schienen das Gericht und die Therapeuten ihn zu bevorzugen, was den Verdacht der Korruption nahelegt. Seltsamerweise stürzten sich die Massenmedien nicht auf die Korruptionsvorwürfe, obwohl diese eigentlich am schwersten wiegen. Vor Gericht wurde Jones mit seinen absonderlichen emotionalen Ausbrüchen und anderen Auffälligkeiten konfrontiert, worauf seine Anwälte konterten, dass ihr Klient ein „Performance-Künstler" sei, der vor der Kamera schauspielert. Deshalb dürfe das Gericht seine manchmal recht bizarren Aussagen und Videos mit Schreien und Grunzen und Stöhnen nicht als Beweis dafür werten, dass er ein ungeeigneter Vater sei. Natürlich glaubt Jones generell an die Verschwörungen, über die er spricht, aber er ist nichtsdestotrotz eine höchst manipulative und widersprüchliche Figur, die sich inzwischen Putin und Trump andient. Infowars-Reporter dürfen künftig auch in den Presse-Raum des Weißen Hauses. Jones hat Millionen und Abermillionen verdient mit seinem Geschäft und verprasste Millionen an Anwälte, wie wir vor Gericht erfuhren. Auch seinen Eltern schacherte er überbezahlte Jobs zu. Eine neue Frau hat sich Jones inzwischen auch geleistet, die bei dem Prozess als Zeugin auftrat und bestätigte, dass sie einst gegen Geld „Massagen" in Hotelzimmern angeboten hatte. Jones wehrte sich panisch gegen den Eindruck, sie könnte eine Escort-Dame gewesen sein und musste zugeben, sie bereits mit einer anderen Frau betrogen zu haben. Weil ein homosexueller Kongressabgeordneter russische Einflüsse bei Alex Jones vermutete, startete Jones eine widerliche Hass-Tirade und drohte ihm konkret Gewalt an und es kann durchaus sein, dass Jones sich deshalb vor Gericht verantworten muss.4 Natürlich versuchte Jones auch hier, sich hinterher herauszureden mit Geschwätz über „künstlerische Übertreibung". Wenn Sie eine einzige Radiosendung von Alex Jones anhören, dann haben sie bereits das

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gesamte Ausmaß seines Talents gesehen: Unstrukturiertes Drauflosreden. Nach eigenen Angaben stand Jones in jüngeren Jahren zeitweise auf der „Seite des Bösen", lieferte sich im Testosteronrausch Straßenkämpfe und schickte seine Kontrahenten ins Krankenhaus. Vielleicht hat er sich dadurch dauerhafte Gehirnschäden zugezogen. Als seine Medienkarriere begann, wollte er seinen eigenen Worten zufolge einfach nur "ganz groß rauskommen", reich und berühmt werden. Außerdem hält er Dämonen und den Teufel für real und für eine Ursache des Bösen. Von der Evolutionstheorie ist er nur zu geringen Teilen überzeugt, wie etwa beim Züchten von Bohnen oder Rindviechern. Alles was darüber hinausgeht, lehnt er zugunsten einer kreationistischen Sichtweise ab. Jones verlässt sich auf sein „Bauchgefühl", wenn es darum geht, andere Menschen und Sachverhalte einzuschätzen und er setzt dabei ständig auf das falsche Pferd. Quellen: 111 https://isgp-studies.com/alex-jones-of-infowars-is-cia-armydisinformation#john-birch-society [2] https://www.buzzfeed.com/charliewarzel/alex-jones-will-never-stop-beingalex-jones?utm term=.jcMazAXbLE#.sbbnLAWOqr [3] https://www.thedailybeast.com/doctor-alex-jones-diagnosed-withnarcissistic-personality-disorder [4] http://www.newsweek.com/alex-jones-threat-congressman-may-be-felony579730

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David Icke

Ein wahres Urgestein der Szene ist der 1952 geborene Brite David Icke. Er begann seine Karriere in den 1990er Jahren mit Büchern, füllt heutzutage große Konzerthallen für stundenlange Vorträge über Verschwörungen und ist selbstverständlich auch präsent im Internet. Der Versuch, zusammen mit Gleichgesinnten einen eigenen Verschwörungs-Fernsehsender zu betreiben, versank nach wenigen Monaten in Streitereien und Chaos. Sein bekanntestes Gimmick ist die Überzeugung, dass die Eliten in Wirklichkeit Reptilienwesen aus einer anderen Dimension seien, die ihre Form verändern können, allerdings vertritt er auch eine Reihe an gewöhnlichen Verschwörungsideen sowie irrationale esoterische Konzepte. Icke ist exakt die Person, die eine grundsätzlich ablehnende und verzerrte Haltung zur Realität hat. In extremer Armut aufgewachsen im britischen System der gesellschaftlichen Klassen, war er als Junge in der Schule regelmäßig so nervös und ängstlich, dass er beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. Jedes Mal, wenn er heute noch ein Klopfen an der Tür hört, soll er eigenen Worten zufolge immer noch erschrecken, weil er sich damals immer vor der Mieteintreiberin verstecken musste. Seine Noten waren in allen Fächern katastrophal, Freunde hatte er in seiner prägenden Zeit keine. Gerade ein stabiles Umfeld ist in der Kindheit und den Teenager-Jahren unbedingt notwendig, um einen Bezug zur Realität zu entwickeln, zu Ursache und Wirkung. Sein Vater lehnte es ab, den Jungen zu einem Psychiater in Behandlung zu geben. Das Fußballteam Coventry City entdeckte ihn als Torwart-Talent und mit Fußball konnte er endlich punkten und Anerkennung gewinnen. Wenige Jahre später beendete aber urplötzlich die rheumatoide Arthritis seine vielversprechende Karriere. Wieder bekam er die Machtlosigkeit und die Grausamkeit physischer Realität zu spüren. Er entschied sich auch weiterhin konsequent gegen die Hilfe von psychiatrischen Experten und tauchte stattdessen ein in die Welt der Rauschdrogen und der theosophischen Esoterik. Er versprach sich zunächst sogar irgendeine magische Form der Heilung für seine Arthritis, was

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natürlich keine Aussicht auf Erfolg hatte. Sein Körper war für ihn nur ein Gefängnis und eine Hülle, die man irgendwann mit dem Tod abstreift um dann wie ein kosmischer Schmetterling durchs Universum zu flattern. Er sehnt sich bewusst oder unbewusst nach dem Zustand eines seligen, behüteten Kleinkindes, das sich nicht als fehlbares und verwundbares Individuum begreift, sondern sich selbst mit dem gesamten Kosmos identifiziert. Es lässt sich mühelos rekonstruieren, wie seine Bücher und Vorträge von Anfang an zustande gekommen sind. Er kombinierte altbekanntes Material aus der Verschwörungsszene mit der Theosophie und den Fantastereien von Sitchin und Däniken über Außerirdische. Wo sein erstes Buch noch recht konfus und schwerer verständlich war, hatte er wenig später dann den Dreh raus und veröffentlichte einfacher gehaltene Werke mit einem erkennbaren roten Faden. Auf Deutsch erschien zum Beispiel "Das größte Geheimnis" mit dem Werbeslogan „Dieses Buch verändert die Welt." Weder enthält das Buch ein Geheimnis, noch veränderte es die Welt. Rund 20 Jahre altes Material über die RoundtableGruppen wird bereits auf den ersten Seiten kombiniert mit interdimensionalen Echsenwesen: "Im Zentrum des Systems [...] befinden sich die Reptiloiden. Diese arbeiten meist im Hintergrund, von unterirdischen Basen aus, oder indem sie reptiloid-menschliche Blutströme in Besitz nehmen, die dem reptiloiden Bewusstsein der unteren vierten Dimension am nächsten stehen." "Seit Urzeiten haben dieselben Reptiloiden stets die Körper aller Personen besetzt, die in der Verschwörung eine wichtige Rolle spielten und spielen." "Menstruationsblut zu trinken war schon immer eine Gewohnheit der reptiloiden Blutlinie, denn sie benötigt Blut, um sich in unserer Dimension aufhalten zu können." "Ein Zuchtprogramm vor nur wenigen tausend Jahren, bei dem reptiloide Annunaki und weiße Marsianer gekreuzt wurden, die bereits mit den Reptiloiden auf dem Mars vermischt worden waren, ergab eine Rasse mit einem sehr hohen genetischen reptiloiden Anteil."

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Wie soll man denn mit solchen übermenschlichen Gegnern fertig werden? Icke lehrt natürlich die passenden Methoden dafür, nämlich altbackene theosophische Esoterik: "Potenziell haben wir die Möglichkeit, mit dem All-Bewusstsein, dem unendlichen Geist, den wir als "Gott" bezeichnen, In Verbindung zu treten. Dieser "Gott" ist nicht von uns getrennt. Er ist wir, und wir sind er." Der Hauptgrund laut Icke, warum wir Menschen so viel zu leiden haben, ist, dass noch nicht genügend Menschen für den Esoteriker-Glauben rekrutiert wurden und die "weiße Magie" praktizieren. "Die Reptilien manipulieren uns von der unteren vierten Dimension, dem sogenannten unteren astralen Schwingungsbereich. Um diesen Planeten zu kontrollieren, müssen sie die Masse der Menschheit auf oder unter dieser Ebene halten und von allen höheren Ebenen fernhalten." Die Menschheit und der Kosmos werden auf die simple Formel "Liebe oder Furcht" reduziert. Reale Wissenschaften wie Physik, Biologie oder Psychologie werden konsequent ausgeklammert. Von dem Phantasten Gregg Braden inspiriert, schreibt David Icke noch mehr Unbewiesenes über Chakren, DNA und Schwingungen und webt diese Glaubensinhalte in seine Arbeit ein. Menschliche Emotionen wie Wut, Furcht oder Schuld können angeblich den Draht zur Selbstvergöttlichung stören: "Forschungen haben gezeigt, dass es einen Impuls, ein elektrisches Signal gibt, das aus dem Zentrum der Milchstraße unserer Sonne (und anderen Sonnen) stammt und von dort aus bis zur Erde geht. Dieser Impuls wird dann vom menschlichen Herzen aufgenommen, ans Gehirn und von dort aus an die Körperzellen weitergegeben. Wenn dieser Impuls, diese Resonanz, ungehindert seinen Weg verfolgen kann, dann befindet sich der Mensch im Einklang mit dem Kosmos. Jede einzelne Zelle ist mit diesem kosmischen Impuls verbunden und befindet sich mit ihm in Harmonie. Was sich ihm jedoch in den Weg stellt, sind Emotionen niederer Schwingung und Störungen, die den Schaltkreis unterbrechen und uns von der Erde und dem Kosmos abtrennen."

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Hinter Davids Phantasiestrahl und seiner Universalwaffe zum Sieg über die Illuminati-Echsen verbirgt sich nichts anderes als die alte esoterische Denkfalle namens "Gesetz der Anziehung": "Unsere eigene Wirklichkeit zu bestimmen und unser eigenes Schicksal zu entscheiden ist eigentlich ein sehr einfacher Prozess. Er kann durch folgenden Satz zusammengefasst werden: Was wir aussenden, kommt zu uns zurück." Das heißt im Klartext: Verdränge wichtige Gefühle wie Angst oder Wut, überlagere alles mit einer diffusen "Liebes-"Gefühlssuppe und halte Dich bloß fern von Menschen, die nicht auch schon gläubig sind wie Du selbst und die anzweifeln, dass Dein neues religiöses Steckenpferd irgendeinen Wert hat. Sich selbst zu verbessern ist ein langwieriger und schwerer Prozess. Mit "einfach" und "schnell" ist da gar nichts. Die Vorstellung eines kosmischen "Gesetzes der Anziehung" ist eine uralte Idee, die teilweise aus fernöstlichen Religionen abgekupfert wurde. Beispielsweise soll der Glaube daran, Geld haben zu werden, durch kosmische Gesetze dazu führen, dass Du Geld bekommen wirst. Alle stinkreichen gutaussehenden Männer mit ihren Model-Freundinnen kennen dieses Geheimnis und haben nur deswegen Erfolg! Und für nur ein paar Kröten können Sie das Geheimnis auf amazon.com auch kaufen! "Wir können jederzeit eine neue Wirklichkeit schaffen. Wir ganz allein haben die Lösungen. Wir ganz allein haben die Kontrolle. Wir sind das Zentrum unseres eigenen Universums, und wir können daraus machen, was immer wir wollen. Es ist einfach unglaublich!" Weshalb hat Icke dann heute immer noch schwere rheumatoide Arthritis und konnte diese in 20 Jahren nicht wegdenken, wegwünschen, wegzaubern? Wegen reptiloiden Zauberschwingungen aus der unteren vierten Dimension vielleicht? Icke verspricht dem gebeutelten Leser, ihn mit den magischen Lehren befreien zu können. Stattdessen lockt er sie in eine sogenannte Bet-Falle. Beim Beten äußert der Gläubige allerhand Wünsche, die er von seinem jeweiligen Gott oder Gottheiten erfüllt haben will, im Gegenzug für die Erfüllung der Glaubensvorschriften. Bekommt der Gläubige aber nicht das was er will, be-

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nutzt er alle möglichen Erklärungsversuche um zu leugnen, dass sein Beten keinerlei Einfluss hat. Es muss wohl eine "Prüfung" sein, oder man hätte „nicht richtig gebetet", oder man müsse sich nur gedulden. Geht durch Zufall oder eigene Leistung tatsächlich einmal ein Wunsch in Erfüllung, wird der Gläubige wieder in seinem Glauben fest bestärkt. Die Sache ist nun wieder "bewiesen", er wurde erhört und vergisst die vorhergehenden 1000 Fehlschläge, wo seine Wünsche keine Erfüllung fanden. Was ist mit den unschuldigen Opfern von Naturkatastrophen? Selber schuld, denn sie waren auf den falschen Schwingungen. Hätten sie mal besser den Glücksstrahl in ihr Chakra gelassen! Wer sich von Icke einen neuen esoterischen Glauben aufschwatzen lässt, der beginnt die übliche erste Verliebtheitsphase mit viel Enthusiasmus, hofft und praktiziert. Wenn aber das eigene Leben sich nicht verbessert, die Wünsche nicht in Erfüllung gehen, lastet ein erhöhter Druck auf einem selbst. Was mache ich falsch? Bald kommt man auf die Schlussfolgerung: Die nichtgläubigen, miesepetrigen Menschen in meinem Umfeld ziehen mich auf die untere Schwingungsebene der vierten Dimension! Ich muss mich von denen trennen oder stark absondern! So endet man mit einem Freundeskreis von lauter Gläubigen, die sich ständig gegenseitig in ihrem Glauben bestätigen. Diese Echokammer erstickt jeden Fortschritt und jede persönliche Entwicklung. Und man kommt da nicht einfach wieder heraus. Auch David Icke hat das typisch verdrehte Moralverständnis der Okkultisten: "Wir haben Kriege, Hungersnöte, Krankheiten und unzählige andere Probleme. Das ist alles richtig. Aber unter dem Aspekt der Evolution der Menschheit ist das alles vollkommen in Ordnung. Wir können uns nur entwickeln, wenn wir aus den Erfahrungen lernen, und das bedeutet, die Folgen unserer Gedanken und Handlungen am eigenen Leib zu erfahren." Das ist spiritueller Darwinismus. Die Nichtgläubigen seien an allem schuld: "...dann müssen wir solange einen Tritt in den Allerwertesten bekommen, bis der Groschen fällt und uns ein Licht aufgeht." Icke beklagt regelmäßig, dass die gewöhnlichen Kirchen uns mit Schuldgefühlen und Angst kontrollieren wollen. Aber Icke selbst redet seinen Lesern ein, sie seien schuld an den üblen Zuständen der Welt, wenn sie keine esoterischen

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Rituale ausüben und Liebe ausstrahlen. Sogar Krieg und Hungersnöte wären „vollkommen in Ordnung" als Strafe für uns, solange wir uns weigern, uns nach Davids Vorstellungen „weiterzuentwickeln". "Ich hasse die Reptiloiden nicht. Ich möchte sie vielmehr lieben, denn das brauchen sie fast dringender als alle anderen Wesen." Psychologen wissen, dass schwer narzisstische und psychopathische Menschen völlig unfähig zu Liebe und Empathie sind. An solche Menschen Liebe auszusenden, auszustrahlen und zu denken, dies sei eine Art "weiße Magie", ist genauso nutzlos wie für die Antilope, Liebe an den angreifenden Löwen auszusenden. Man könnte sich genauso gut Federn in den Hintern stecken und einen Regentanz machen. Die Betrachtung der Pflanzen- und Tierwelt ist die beste Medizin für diesen geistigen Irrsinn: Was zählt ist Effektivität, Leistungsfähigkeit, Kampf und Initiative. Wer nicht mithalten kann, geht gnadenlos unter und der Kosmos weint keine Träne. Physische Mittel, um Tyrannen zu bekämpfen, sind in David Ickes Irrlehre streng verboten: "Ich weiß, dass viele Menschen, die über die Bruderschaft und Ihre Pläne Bescheid wissen, davon überzeugt sind, dass die einzige Möglichkeit des Widerstands darin besteht, Waffen zu horten und sich auf einen bewaffneten Kampf für die Freiheit vorzubereiten. Ich kann mir keine Lösung vorstellen, die geeigneter wäre, den faschistischen Staat herbeizuführen, den wir gerade vermeiden wollen. Gewalt mit Gewalt zu begegnen, ist offensichtlich ein Widerspruch und so unsagbar dumm, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie wenig Gehirnzellen man dazu aktivieren muss, um auf eine so dumme Idee zu kommen." Wie "unsagbar dumm" ist es, auf seinem Hintern zu sitzen und mit der Wand zu reden, während ein Feind gegen Dich rüstet und mobilisiert? Davids Moralverständnis und Verständnis über Menschen ist auf dem Niveau eines Teenagers stehengeblieben. Revolutionen sind deshalb gefährlich, weil Menschen stark dazu tendieren, Psychopathen zu folgen und Psychopathen können keine moralische, gesunde neue Ordnung schaffen. Aber was interessiert die Psyche der Menschen einen David Icke? Es liegt doch alles an den blutsaufenden Echsen, die man nicht sehen kann, es sei denn man nimmt eine Dröhnung DMT oder Ayahuasca.

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"Aber wenn wir der Herausforderung auf einer Ebene begegnen, die sich die Bruderschaft nicht einmal vorstellen kann - Liebe - dann werden wir die Welt transformieren." Wenn wir Ickes Lehren folgen, dann landen wir im realen, physischen Gefängnis oder auf dem Friedhof. Er betreibt die Glorifizierung von "Gefühlen" als Maßstab für unser Handeln und für unsere Entscheidungen: "Aber wenn wir fühlen, dann kommen wir mit unserem Herzzentrum, mit unserer Intuition, unserer Verbindung mit dem Kosmos, in Kontakt." "Es ist also nicht wichtig, was sie über die Informationen denken, die ich ihnen hier anbiete. Es ist wichtig, was sie darüber fühlen." Ja, ansonsten würden die Leser schnell zu dem Schluss kommen, dass der Autor ihnen hier einen Haufen gefährlichen unwissenschaftlichen Blödsinn auftischt.

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Rechtsrevisionistische Literatur

Nach der deutschen Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkriegs übernahmen bekanntlich die Abteilungen der Siegermächte für psychologische Kriegsführung die Kontrolle über sämtliche Medien in den besetzten Gebieten. Die Briten und Amerikaner mussten in der Folge eine Geschichtsschreibung etablieren, die bestimmte Sachverhalte geheim hielt, herunterspielt oder verzerrt, wie etwa das Ausmaß der angloamerikanischen nachrichtendienstlichen Infiltration Nazideutschlands, die kriegswichtigen Technologieverkäufe an Deutschland vor Kriegsbeginn, das jahrelange gezielte Appeasement gegenüber Hitler, die auffällige Eigensabotage Hitlers bei seiner Kriegsführung, sowie einige äußerst verheerende diplomatische Tricksereien, auf Grund derer die Naziführung eine Zeit lang glaubte, man hätte einflussreiche Verbündete in England und Amerika. Es war dieses Mal nicht nötig gewesen, Gräuelpropaganda zu erfinden und niemand glaubte, dass der Überfall auf Polen nur vorauseilende Selbstverteidigung der Nazi-Führung gewesen war. Man musste allerdings streng geheim halten, auf welche Tricks die Nazis hereingefallen und wie stark sie nachrichtendienstlich infiltriert waren. Die Öffentlichkeit durfte auf gar keinen Fall ein vollständiges Bild erhalten von Hitlers andauernden, systematischen und extrem suspekten Fehlentscheidungen im Zusammenhang mit dem Krieg. Eine seriöse revisionistische Geschichtsforschung muss diese Lücken füllen. Es ist hingegen völliger Unsinn und kontraproduktiv, zu versuchen die Naziherrschaft schönzureden. Die allermeiste rechtsrevisionistische Literatur machte aber genau den Kapitalfehler, die Nazi-Herrschaft in ein neutrales oder positives Licht zu rücken. Auffällig ist auch, dass der bisherige Rechtsrevisionismus sich darauf beschränkt, auf der Kriegsbereitschaft der Briten, Amerikaner und Russen herumzureiten, ohne dabei konsequent zu untersuchen, ob die Führungsebene von Nazi-Deutschland von ausländischen Agenten unterwandert war und was dies für Auswirkungen gehabt haben könnte auf die deutschen Kriegserklärungen, die Rüstung und den Kriegsverlauf.

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Manche rechtsrevisionistische Literatur ist faktisch/inhaltlich korrekt, ignoriert aber die negativen Aspekte des Dritten Reichs und weitere elementaren Zusammenhänge, wodurch ein irreführendes Gesamtbild entsteht. Anderer Rechtsrevisionismus ist hochgradig manipulativ und nichts anderes als eine Verherrlichung der Nazizeit, was in Deutschland konsequent verboten ist, aber im Internet natürlich jederzeit zugänglich ist. Bereits lange vor dem Krieg wurden faschistische Ideen gemischt mit Verschwörungstheorien und Esoterik; nach dem Krieg wurde daran von verschiedenen Autoren nahtlos angeknüpft. In der Bundesrepublik konnte wegen der Zensur natürlich nicht mehr offen der Nationalsozialismus beworben werden, aber dennoch ist auffällig, dass Insbesondere britische und amerikanische Historiker von höchst einflussreichen Universitäten sich zuerst mit knallhartem Rechtsrevisionismus hervortaten und zudem sofort Holocaustleugnung betrieben. Der Verdacht liegt nahe, dass die alliierten Geheimdienste vom ersten Moment an versuchten, den Revisionismus zu vereinnahmen und ihn als tumbe Nazi-Verherrlichung auszugestalten, damit sich möglichst keine seriöse revisionistische Forschung etablieren konnte und damit Personen aus dem nationalistischen Spektrum sich dauerhaft unglaubwürdig machten. Weil das rechte Spektrum Deutschlands im Kalten Krieg eingebunden wurde in die antikommunistische NATO-Front, gab es auch bis zum Ende der Sowjetunion in den 1990er Jahren keine ernstzunehmende Aufarbeitung des Holocaust in den Massenmedien und den akademischen Kreisen. Das wissenschaftliche Standardwerk über den Holocaust „The Destruction of The European Jews" von Raul Hilberg wurde rund 15 Jahre nach Ende des Krieges in englischer Sprache veröffentlicht und weitestgehend ignoriert. Bis in die 80er Jahre gab es keine deutsche Übersetzung und die staatlichen deutschen Institute für Geschichtsforschung hatten bis dahin nichts Eigenes von Substanz anzubieten. Gerade Holocaustleugnung gehört in der rechten Szene wie auch in weiten Teilen der Verschwörungsszene weltweit seit langem zum Standardrepertoire. Während Rechte und Verschwörungstheoretiker beispielsweis die gravierenden Opferzahlen des sowjetischen Kommunismus ohne Zögern anerkennen, glauben einige von ihnen hingegen, dass die ethnisch-politischen Säuberungsaktionen der Nazis nur eine gemeine Lüge der jüdischen Weltverschwörung und llluminaten seien. Auch wird häufig behauptet, dass Hitler mit seinem

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Angriff auf die Sowjetunion nur Stalin zuvorkam und eigentlich nur Friede, Freude und Eierkuchen anstrebte. Sobald sich jemand von diesen Ansichten überzeugen lässt, befindet sich derjenige auf der falschen Fährte, macht sich in hohem Maße angreifbar und läuft Gefahr, in einem isolierten Milieu zu enden und ideologische Grabenkämpfe in der Gesellschaft zu verschlimmern. Wir können dies aktuell in Amerika sehr deutlich beobachten, wo immer mehr Neonazis, „neue Rechte" und „alternative Rechte" von der großen Revolution träumen und in Donald Trump zumindest einen Sympathisanten zu erkennen glauben. Die Linke wird durch Trump und den verstärkten Radikalismus ihrerseits zunehmend radikaler, fühlt die Notwendigkeit eines antifaschistischen Kampfes, träumt ihrerseits von einer Revolution und unterwandert die Schaltstellen der Gesellschaft. Inzwischen wird sogar immer häufiger von einem möglichen Bürgerkrieg gesprochen. Während die Rechten getrieben sind durch rechtsrevisionistische Literatur, sind die Linken durch linksrevisionistische Lügen motiviert, was natürlich überhaupt keinen Raum mehr lässt für einen konstruktiven Dialog. Ein echter, seriöser Revisionismus auf beiden Seiten könnte Wunder bewirken, die Wogen glätten und den ideologischen Wahn bremsen. In Deutschland ist die Situation noch nicht ganz so aufgeheizt, aber die Flüchtlingskrise und das Erstarken von rechtskonservativen Parteien wie der Alternative für Deutschland (AfD) führten zu deutlich gesteigerten Aktivitäten der radikalen Linken. Die Probleme der Verschwörungs-Szene sind längst die Probleme der rechten Parteien geworden, denn die Verschwörungsliteratur ist dort weit verbreitet. Wenn zwei oder mehrere Personen mit den falschen revisionistischen Ideen im Kopf zusammenarbeiten, sind nach den Rechtsnormen in Deutschland schnell diverse Straftatbestände erfüllt wie Holocaust-Leugnung, verfassungswidrige bzw. verfassungsfeindliche Bestrebungen gegen die Grundordnung, nationalsozialistische Wiederbetätigung, Verharmlosung des Nationalsozialismus und so weiter und so fort und natürlich dürfen sich hier schnell die Geheimdienste der Bundesrepublik einmischen. In der baden-württembergischen AfD gab es einen folgenschweren Skandal um ihren Abgeordneten Wolfgang Gedeon, der in der Vergangenheit unter einem Pseudonym Verschwörungsbücher veröffentlicht hatte und anschei-

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nend selbst von diversen Verschwörungsbüchern und Revisionisten-Büchern beeinflusst war. Wegen den kontroversen Aussagen in Gedeons Werk „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten" spaltete sich die Fraktion zeitweise und er verließ diese. Er nannte die Erinnerung an den Holocaust die „Zivilreligion des Westens", bezeichnete Leugner als „Dissidenten" und das Judentum den „inneren Feind" des christlichen Abendlandes. In einem weiteren Buch nannte er die Protokolle von Zion „mutmaßlich keine Fälschung": „Ich halte die Beurteilung Fleischhauers... für plausibel. Danach handelt es sich um die Mitschrift einer Geheimtagung..." „ Wer die Geschichte und Politik der letzten 100 Jahre betrachtet, muss konzedieren, dass viele der in den Protokollen aufgeführten Elemente und Praktiken schon tatsächlich umgesetzt wurden." Dass Gedeon hier ein typisches Grunddogma der Verschwörungsliteratur wiederholt und sich auf einschlägige Autoren beruft, macht ihn nicht automatisch zu einem schlechten Menschen, sondern zunächst einmal nur zu einem Menschen im Irrtum. Die Linken verursachten einen gewaltigen Wirbel um die Sache während einige in der AfD keine Maßnahmen gegen Gedeon ergreifen wollten, was die Partei in der Wahrnehmung der Wähler wieder einmal ein Stück weiter nach rechts gerückt hat. Diejenigen, die dem rechten Flügel zuzuordnen sind, haben vielleicht ganz ähnliche Literatur gelesen. Die Skandalnudel Björn Höcke beschwerte sich über die „dämliche Bewältigungspolitik" der Deutschen sowie über das Holocaust-Denkmal mitten in der Hauptstadt und sofort wurden von ihm Klarstellungen verlangt, ob er denn nun ein „schändliches Denkmal" gemeint hatte oder nur, dass das Vorhandensein des Denkmals eine Schande sei. „ Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Auch das Nachreichen einer ausführlicheren Erklärung und einer Verurteilung der nationalsozialistischen Zeit besänftigte nicht wirklich die Gemüter aus der

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politischen Mitte und bei den Linken. Dafür hatte er zu oft fragwürdigen Jargon verwendet, der an diverse historische Figuren erinnerte und außerdem forderte er in einer parteiinternen E-Mail Ende 2014, die Straftatbestände „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen", Volksverhetzung und die Leugnung des Holocausts abzuschaffen. Dann ist da immer noch der Verdacht, er könnte womöglich unter dem Pseudonym „Landolf Ladig" vor seiner Politikerkarriere höchst problematische Texte veröffentlich haben in den Magazinen des bekannten Neonazis Thorsten Heise. Wenn schon prominente Nationalkonservativen in der AfD sich gegen Abgrenzung nach rechts sträuben und Lust an der Provokation haben, dann überrascht es nicht, dass die politische Mitte und die Linken in aller Regel keine Unterscheidung treffen (können) zwischen Nationalkonservativen und Neonazis. Sobald jemand bestimmte Andeutungen macht oder Worte verwendet, passt derjenige in das primitive Feindschema der Mitte und der Linken und wird dementsprechend angegriffen, wodurch sich die Rechten weiter in ihre ideologische Blase zurückziehen. Außerdem machen sich Rechte durch Holocaustleugnung und ähnliche Straftatbestände schnell erpressbar und zur leichten Beute für Polizei und Geheimdienste. Ist erst einmal einer ins Netz gegangen, kann derjenige benutzt werden, um weitere Fische an Land zu ziehen. Die Neonazi-Szene hat eine schizophrene Beziehung zu der RevisionistenLiteratur, denn einerseits braucht man sie dringend, um neue Leute anzuwerben, ein breiteres Publikum zu erreichen und sich zum Schein zu legitimieren, andererseits ist es eingefleischten Nazis herzlich egal, ob nun Deutschland oder eine andere Nation damals den Krieg begonnen hatte, und ihr menschenverachtender Humor in Liedtexten oder Computerspielen geht immer wieder darauf ein, Juden in KZs und Gaskammern zu verfrachten. Wo liegen also die Wurzeln des Rechtsrevisionismus? Es sind auffällig viele britische und amerikanische Autoren darunter, die entscheidende Rollen gespielt haben und sogar von einflussreichen Universitäten stammten. Die bereits ausführlich beschriebene Nesta Webster, die mitten in das britische Establishment hineingeboren war, hatte Hitler für den Versuch gelobt, die jüdische Weltverschwörung aufzuhalten und sie war aktiv in mehreren britischen Faschistengruppen.

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David Irving, Sohn eines britischen Marineoffiziers, wurde zu dem international bekanntesten revisionistischen Historiker über das Dritte Reich mit Büchern wie „Hitler's war", „Rommel. Eine Biographie", oder "Der Untergang Dresdens", obwohl sein Bruder in der Luftschlacht um England gefallen war und der Vater nur knapp seinen Marinedienst überlebte und dann die Familie verließ. Eigentlich hätte man angesichts dieser Umstände nicht erwartet, dass Irving sich in seiner Karrlere neutral bis positiv über die Nazis äußern würde. Seine Bücher vermieden es, tiefere Geheimoperationen der Briten aufzudecken, sondern stellten einfach Hitler in einem recht positiven Licht dar; als patriotischen Pragmatiker, der von seinen Untergebenen regelmäßig im Stich gelassen worden wäre. Die Invasion der Sowjetunion sei nur einem Angriffskrieg Stalins gegen Deutschland zuvorgekommen, was auch von zwielichtigen Figuren wie dem Überläufer Viktor Suworow behauptet wurde. Hitler hätte zudem keine Kenntnis vom Holocaust besessen laut der Argumentation Irvings, allerdings wurde diese Stelle in der deutschen Ausgabe vom Ullstein-Verlag ohne Zustimmung des Autors entfernt. Zu den wesentlichen Einflüssen auf seine Hitler-Biographie „Hitler's war" zählten Historiker und Holocaust-Leugner wie der Amerikaner Harry Elmer Barnes von der einflussreichen Columbia-Universität, die Jahrzehnte vorher schon einen Journalisten trotz (oder wegen?) der Veröffentlichung der Protokolle von Zion in Amerika mit einem hohen Posten bedacht hatte. 1955 war Barnes auf David Hoggan gestoßen, ein weiterer Holocaustleugner und bedeutender Einfluss auf Irving. Hoggan hatte seinen Doktortitel an der elitären Harvard-Universität gemacht, gab Britannien die Schuld am Ausbruch des Krieges und malte Hitler in äußerst positiven Farben. Geld für seine Forschungen kam von Neonazi-Gruppen in Deutschland und den USA, bei denen er auch Mitglied war. Auf Deutsch erschienen seine Werke im Grabert Verlag von Herbert Grabert, der unter Alfred Rosenberg gedient hatte. Der Historiker Gerhard Weinberg warf Hoggan vor, Hitlers verbale Friedensbekundungen einfach für bare Münze genommen und konträre Informationen ignoriert zu haben. Darüber hinaus hätte Hoggan die Abfolge von Ereignissen verdreht und auch Quellen und Dokumente erfunden. Das Pamphlet „The Myth of the Six Million" wurde ohne seine Erlaubnis und

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unter einem Alias veröffentlicht von Noontide Press, einem Kleinverlag aus Los Angeles von Willis Carto (Liberty Lobby und American Free Press). Es handelte sich um die erste bedeutende Veröffentlichung von Holocaustleugnung im englischen Sprachraum. Barnes, der Holocaust-Leugner von der Columbia-Universität und Einfluss von Irving, freundete sich noch mit dem Urvater der Holocaust-Leugnung Paul Rassinier an, der ironischerweise als Kommunist gegen die Nazis im französischen Widerstand gekämpft und Zeit in Konzentrationslagern verbracht hatte. Die französische Spionageabwehr verdächtigte ihn zeitweise, heimlich von den Nazis finanziert worden zu sein, während jemand vom französischen Widerstand enthüllte, dass er mit der britischen Special Operations Executive zusammengearbeitet hatte. Nach dem Krieg veröffentlichte er mit großem Erfolg seine Holocaust-Bücher und ließ sich eine Tour durch Deutschland sponsern durch Karl-Heinz Priester, einem ehemaligen SS-Offizier, GöbbelsPropagandisten und zeitweisen US-Spion. David Irving hatte zunächst nicht offen Holocaustleugnung betrieben, wurde aber in den 1980er und 1990er Jahren zu einer der prominentesten Figuren der Szene und garnierte das Ganze mit Andeutungen über jüdische Verschwörungen. 2009 ergab sich eine verblüffende Querverbindung: Die Frau des neuen britischen MI6-Auslandsgeheimdienst-Chefs Sir John Sawers veröffentlichte auf Facebook Familienfotos und private Informationen, ohne den Zugriff auf diese Daten auf ihre Facebook-Freunde zu beschränken. Man erkannte auf den Fotos Hugo Haig-Thomas, ein ehemaliger britischer Diplomat, Schwager von Sawers und Forschungspartner von David Irving.' Von deutschen Autoren kamen im Laufe der Zeit verschiedene revisionistische Bücher völlig unterschiedlicher Qualität auf den Markt, wobei das Thema Holocaust nur in manchen davon behandelt wurde. Der als junger Erwachsener von Deutschland nach Kanada emigrierte Ernst Zündel war dem Neonazi Adrien Arcand („der kanadische Führer") gefolgt, der u.a. die kanadischen Juden nach Hudson Bay deportieren wollte; eine Idee auf die ihn Henry Hamilton Beamish gebracht hatte, ein führender britischer Antisemit, der als Sekretär von Königin Victoria gearbeitet hatte und bei seiner Tour durch Deutschland. Joachim von Ribbentrop und Julius Streicher kennenlernte. Arcand erhielt heimlich Geld vom britischen Adeligen George Clarke, Ist Baron Sydenham of Combe, ein höchst einflussrei-

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eher Offizier und Gouverneur des australischen Bundesstaats Victoria sowie Gouverneur von Bombay. Die Wunschvorstellung von Arcand war ein faschistisches Kanada im Rahmen des Britischen Imperiums, weshalb er auch während des Zweiten Weltkrieges inhaftiert wurde. Sein Zögling Ernst Zündel gründete den Samisdat-Verlag in Toronto, veröffentlichte den Holocaust leugnende Schriften, Webseiten und Videos und nutzte sogar einen Kurzwellen-Radiosender, der zu manchen Zeiten auch bis Deutschland zu empfangen war. Sein Kontaktmann in Deutschland war der Neonazi Bela Ewald Althans, der 1995 vom Magazin Der SPIEGEL als V-Mann des bayerischen Verfassungsschutzes bezeichnet wurde, während der Verfassungsschutz nur von zwei folgenlosen Kontakte zum dem Mann sprach. Nach mehreren Gerichtsprozessen wurde er nach Deutschland abgeschoben, wo ein Haftbefehl wegen Volksverhetzung gegen ihn vorlag. Die einschlägig bekannten Horst Mahler und Sylvia Stolz scheiterten dabei, ihn vor Gericht zu verteidigen. Mahler war einst eine bedeutende Figur im Umfeld der linksterroristischen RAF und wanderte dann in den 1990er Jahren nach rechts, verbrachte Zeit bei der NPD, wurde zum Holocaustleugner und handelte sich eine Haftstrafe nach der anderen ein. Der Mitbgeründer der NPD, Adolf von Thadden, war ein langjähriger Informant des britischen Geheimdienstes MI6 gewesen und hatte eine britische Großmutter gehabt. Der Kölner Stadtanzeiger berichtete:2 „Hans Josef Horchern, damals Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hamburg, erinnert sich daran, dass MI 6 seine Operationen wie eine alte Kolonialmacht auch in der Bundesrepublik weiterführte - allen Gesetzen und Abmachungen zum Trotz." Wie weit genau die Zusammenarbeit Thaddens mit den Briten ging, werden wir nie erfahren, weil er 1996 verstarb und die britischen Akten unter Verschluss bleiben. Der Brite David McCalden war eine weitere international führende Figur der Holocaustleugner und schuf in Amerika mit Willis Carto das „Institute for Historical Review" das mit dem Verlagshaus Noontide Press zusammenhing und Verbindungen knüpfte zu einigen international bekannten Holocaustleugnern. Willis Carto war stark beeinflusst von den Schriften eines gewisse Francis Parker

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Yockey, der sich bestätigt hatte in den Organisationen „German-American Bund" und „National German-American Alliance." Der German American Bund nahm Amerikaner als Mitglieder auf, die deutsche Wurzeln hatten, und war 1936 gestartet worden als Nachfolger des in Verruf geratenen Vereins „Friends of New Germany", der wiederum 1933 auf Befehl von Rudolf Hess entstanden war und sicherlich auch deutsche Spione beinhaltete. Der Vorläufer der „Friends of New Germany" war die „Free Society of Teutonia", deren Anführer Walter Kappe nach seiner Rückkehr nach Deutschland dem Geheimdienst "Abwehr II" zugeteilt wurde, wo er Sabotagenetzwerke entwickeln sollte, um mit jenen Amerika anzugreifen. Selbstverständlich betrachteten die amerikanischen Geheimdienste diese deutsch-amerikanischen Vereine als offensichtliches Spionagerisiko und leiteten entsprechende Maßnahmen ein. Schon bald traute selbst die Nazi-Regierung in Berlin dem German American Bund nicht mehr. Francis Parker Yockey, der große Einfluss auf Willis Carto, hatte mehrere Universitätsabschlüsse und schaffte es sogar bis zu der elitären Georgetown School of Foreign Service, die enorm viele Diplomaten, Spione, einen US-Präsidenten, einen CIA-Direktor und viele weitere Top-Funktionäre der USA hervorbrachte. Seine Aktivitäten führten zu Ermittlungen der Bundespolizei FBI gegen ihn und er verfügte Zeitweise (wie ein Profi-Agent) über mehrere gefälschte Pässe und Geburtsurkunden. Seine Verhaftung erfolgte 1960 im kalifornischen Oakland, wo er ausgerechnet bei einem jüdischen Holocaust-Überlebenden untergetaucht war. (check) In FBI-Haft tötete er sich der offiziellen Darstellung zufolge selbst mit einer Giftkapsel und hinterließ einen Abschiedsbrief, laut dem er seine Kontakte nicht verraten wollte. Einer der wichtigsten Figuren der rechten Szene war der britische Adelige Sir Oswald Mosley, dessen Vater der Cousin war des 14th Earl of Strathmore and Kinghorne, dessen Tochter Lady Elizabeth Bowes-Lyon wiederum Königin war neben King George VI.

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Mosley heiratete standesgemäß die Tochter des 1 st Earl Curzon of Kedleston, der Statthalter von Indien war im Rahmen des britischen Kolonialismus. Die Hochzeit war ein großes Ereignis und als Gäste kamen u.a. König George V. und Queen Mary, sowie der spätere belgische König Leopold III. Nach dem Tod seiner Frau heiratete Mosley im Zuhause des Nazi-Propagandaministers Joseph Goebbels seine Geliebte Diana Guinness. Mit seinem Geld baute er die Organisation British Union of Fascists (BUF) auf und netzwerkte mit den Nazis, was aber wahrscheinlich nur Teil einer Spionagemission war, um den Deutschen Sympathien vorzutäuschen. Die britischen Geheimdienste Security Service und Special Branch hatten sich tief in die BUF eingegraben. Fazit: Der Revisionismus wurde bisher unter Ausnutzung primitiver gruppennarzisstischer Mechanismen praktiziert und so entworfen, dass er die Anhänger des Revisionismus diskreditiert und in rechtliche Schwierigkeiten bringt. Es sind im gängigen Rechtsrevisionismus genügen akkurate Informationen enthalten über die Kriegsbereitschaft der Amerikaner, Briten und Russen, um das rechte Publikum zu begeistern, aber gleichzeitig wird ein irreführendes Bild erzeugt durch Auslassungen oder glatte Lügen. Das Thema der Infiltration der NaziFührung durch ausländische Agenten wird fast völlig vermieden. Heute hat der gängige Rechtsrevisionismus den Effekt, Konservative zu schwächen und extreme Rechte verwundbar zu machen, während die Revisionisten ihre Ideen als unverzichtbare Säule des Widerstandes gegen die globalen Eliten bewerben. Quellen: [11 http://www.dailymail.co.uk/news/article-1197562/MI6-chief-blows-coverwifes-Facebook-account-reveals-family-holidays-showbiz-friends-links-Davidlrving.html 121 http://www.ksta.de/14380266

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Eine längst überfällige Inventur

Die allermeisten Werke der Verschwörungsliteratur sind nicht viel mehr als ein Brei aus aufgewärmten Legenden, öffentlich zugänglichen Daten, Fakes, Glaubensüberzeugungen und Ideologien. Wie die tatsächlichen Machtverhältnisse auf der Welt und die Pläne der Eliten aussehen, können die Verschwörungstheoretiker auch nach über 200 Jahren nicht beantworten, abgesehen von groben Beobachtungen über Milliardäre und Gremien wie Bilderberg oder dem Council on Foreign Relations. Nichtsdestotrotz waren die Verschwörungsautoren fast die einzigen, die überhaupt die Dogmen der modernen Zeit in Frage gestellt haben, von dem Bankensystem über die Parteiendemokratie bis hin zum Kalten Krieg. Sie waren auch fast die einzigen, die das Böse auf der Welt als systematisch und bewusst beschrieben. Man erkennt einen klaren Unterschied zwischen echten Forschern mit wissenschaftlicher Bildung wie Anthony Sutton oder Gary Allen einerseits, und amateurhaften Hochstaplern andererseits. Die Hochstapelei mit frei erfundenen Geheimdokumenten und Insider-Quellen dominiert die Szene leider fast zu 100%. Wer sich wirklich der Realität annähern will, muss sich außerhalb der typischen Verschwörungsliteratur weiterbilden und ausgewählte Geschichtsbücher durchkämmen, sowie Fachbücher über Psychopathologie, Kriminologie, Politikwissenschaft und Geheimdienste. Die grundlegenden Probleme der Verschwörungsliteratur wurden nie behoben, sondern haben sich sogar noch verschärft. Der allererste Lösungsansatz ist ein rigoroses Identifizieren, Analysieren und Aussortieren von Hochstaplern, Fakes und Legenden. Im nächsten Schritt lässt sich auflisten, wie wenig nach diesem Filterprozess übrigbleibt und welche Wissenslücken am dringendsten behoben werden müssen.

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Fake-Dokumente Fakes waren leider immerein essentieller Bestandteil der Verschwörungsliteratur und die Situation hat sich wegen Photoshop, dem schnelllebigen Internet und der Russenpropaganda heute noch dramatisch verschlimmert. Bisein Fake heute widerlegt wird, sind fünf neue aufgetaucht. Für die Widerlegung interessiert sich das Publikum in aller Regel nicht, obwohl der Prozess der Eliminierung von falschen Informationen absolut essentiell ist. Aber längst nicht nur rechtsextreme Verschwörungsautoren haben mit Fakes gearbeitet, sondern eben auch einflussreiche katholische und protestantische Kreise und einige dieser zusätzlichen Fälschungen flössen wiederum ein in stereotype Verschwörungsliteratur. Ein gefälschtes Dokument zu benutzen, birgt immer das Risiko, ertappt und diskreditiert zu werden, denn es ist relativ aufwändig und erfordert Fachkenntnisse, um eine qualitative Fälschung zu fabrizieren und Fehler zu vermeiden. Außerdem muss der Hochstapler immer eine Geschichte dazuerfinden, wie er denn in den Besitz dieser ultra-geheimen Dokumente gelangt ist. Und solche Geschichten müssen ebenfalls aufwändig konstruiert werden, um nicht leicht entlarvt zu werden. Erschreckend ist nicht nur die Häufigkeit von Fakes, sondern auch, dass sie immer wieder den Status von Kern-Überzeugungen erlangt haben. Sowohl die Vorstellung einer jüdischen Weltherrschaft, als auch die „Alien-Agenda" basieren auf Fälschungen. Fiktive Texte sind auch häufig das Highlight von Verschwörungsbüchern gewesen, weil die Autoren sonst außer bekannten biografischen Fakten zu einflussreichen Familien und abgeschriebenen Dingen aus älteren Verschwörungsbüchern nichts Besonderes anzubieten hatten. Auch ist klar, dass Autoren meist in klarer Täuschungsabsicht handeln. Milton Cooper trieb es auf die Spitze mit vielen verschiedenen Fake-Dokumenten über die Elite und Außerirdische. Er behauptete stets, dieses Material während seiner Zeit beim US-Militär heimlich kopiert zu haben. Nach dem Prinzip „Je größer die Lüge, umso eher wird sie geglaubt" gelangte der Lügenbaron Cooper mit seiner Fälscherwerkstatt für Illuminati-Dokumente zeitweise an die Spitze der Verschwörungsszene.

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Eliminiert man alle Fake-Dokumente und Schlussfolgerungen, die auf diesen Fakes basieren, bleiben von der Verschwörungsliteratur fast nur solche Daten übrig, die öffentlich bekannt waren. Praktisch kein einziger Verschwörungsautor hatte tatsächlich Zugang zu großen Geheimnissen. Fake-Quellen Anstatt eine aufwändige Fälschung herzustellen und zudem noch eine Geschichte darüber zu erfinden, wie man in den Besitz des „Geheimdokuments" gelangt ist, ist es viel einfacher, zu behaupten man habe Quellen aus den Geheimdiensten oder aus den „llluminaten". Wären diese Quellen echt, könnten die Verschwörungsautoren problemlos einzelne Dinge enthüllen, die vorher noch nie irgendwo bekannt waren und die sich zweifelsfrei überprüfen lassen. Stattdessen präsentleren die einschlägigen Autoren immer nur Dinge, die bereits woanders veröffentlicht waren und die sich nicht wirklich überprüfen lassen. Ein weiteres Anzeichen für Täuschung ist es, wenn Verschwörungsautoren mit angeblichen Super-Quellen vor der Veröffentlichung Ihrer Bücher bankrott sind und nicht einmal das Geld oder die Zeit haben für ein halbwegs sauberes Lektorat. Falls wirklich hohe Geheimdienstler oder Illuminaten-Aussteiger im Hintergrund stünden und Gehelmnisse liefern, wäre es leicht für sie, auch genügend Geld dazu zu liefern. Echte Geheimdienstler oder echte Aussteiger aus mächtigen Kreisen würden auch niemals mit unbekannten Verschwörungsautoren zusammenarbeiten, die sich noch nie wirklich bewährt haben. Fritz Springmeier behauptete bereits im Vorwort seines Buchs „Bloodlines oft he illuminati", über außergewöhnliche Quellen zu verfügen, erzählte aber überhaupt nichts Neues, das sich irgendwie beweisen ließ. Das ganze Gimmick des Buchs, laut dem angeblich 13 bestimmte Familien die Welt beherrschen, ist nur der Fantasie von Springmeier entsprungen. Er erzählte, dass ihm diese Informationen von Quellen zugesteckt wurden und er jammerte gleichzeitig, dass er beim Schreiben des Buchs komplett pleite war. Wieso sollen die Quellen ausgerechnet ihn und nur ihn ausgewählt haben, obwohl er zuvor nur das chaotische bedeutungslose Buch „Be Wise as Serpents" veröffentlicht hatte? Und wieso gaben die Quellen ihm nicht einfach 10.000$ als Vorschuss?

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John Coleman war auch besonders dreist und präsentierte bekannte, längst veröffentlichte und oftmals widerlegte Informationen als exklusive Geheimnisse, die ihm angeblich während seiner Zeit als Geheimdienstler in die Hände fielen. Schon sein Name, sein Doktortitel und seine Agententätigkeit sind aller Wahrscheinlichkeit nach pure Fiktion. Wo Springmeier das Gimmick von den „13 Blutlinien" benutzte, übernahm Coleman von einem uralten und schlechten Verschwörungsbuch den Mythos vom „Komitee der 300". Wer wirklich die Welt regiert, wusste Coleman nicht. William Carr Carr war zwar tatsächlich ein Geheimdienstler gewesen, aber er schrieb größtenteils Material ab aus älteren Verschwörungsbüchern und konzentrierte sich dabei auf jeden Mythos über Juden, den erfinden konnte. Alex Jones unterhält zwar tatsächlich Verbindungen zu Personen aus dem Umfeld des Establishments (wie Roger Stone, Dr. Steve Pieczenik oder Alexander Dugin), aber er übertreibt die Bedeutung und Zuverlässigkeit dieser Quellen maßlos. Seine Quellen erzählen ihm immer nur das, was gerade in den Kram passt, wie beispielsweise, dass Donald Trump ein Mann des Volkes sei, der sich mit dem Establishment anlegt. Robert David Steele, der bei der CIA und dem Militärdienst gearbeitet hatte, behauptete in der Alex Jones Show, dass entführte Kinder als Sklaven zu einer geheimen Kolonie auf dem Mars geschickt wurden. Beweise? Natürlich keine. Während dem Präsidentschaftswahlkampf 2016 wurden Fake News zu einem zentralen Thema, weil gezielte Falschmeldungen zeitweise zu den am meisten gelesenen Nachrichten zählten. Mit einer einzigen erfolgreichen Fake-Meldung, die auf erfundenen Quellen basierte, ließen sich zehntausende Dollars an Werbeeinnahmen verdienen, also genauso viel Geld, wie ein Bestseller-Buch einbringt. Auch auf Youtube ließen sich mit Fake-Quellen Scheinsensationen versilbern, bis irgendwann die großen Internetfirmen solchen Unfug nicht mehr länger durch Werbung monetarisierten. In der heutigen Zeit spielen Bücher keine so große Rolle mehr wie früher, aber die Inhalte der Verschwörungsbücher sind ungefiltert ins Internet übertragen worden und die gleichen schmutzigen Tricks wie damals funktionieren auch noch im digitalen Zeitalter. Die populärsten „Quellen" heute sind russische staatsnahe Medien, wobei erfolgreiche Stories oft zuerst in irgendwelchen

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obskuren Foren auftauchen und sich dann auf kleineren und mittleren Verschwörungswebseiten verbreiten, im nächsten Schritt von großen russischen Medien kopiert werden und dann bei großen westlichen Verschwörungsseiten landen. Krampfhafte Fixierung auf Juden Eine ergebnisoffene Forschung fand meistens überhaupt nicht statt in der Verschwörungsliteratur, sondern von vorneherein war festgelegt, dass jüdische Verschwörer-Zirkel die Welt beherrschen würden. Alles, was diese Sichtweise begünstigte, wurde als Beleg gewertet, egal ob Mythos oder glatte Fälschung. Der Sammelbegriff „jüdisch" wird einerseits als Übersimplifizierung verwendet, dann wiederum versuchten Verschwörungstheoretiker, etwas konkreter zu werden, und verhedderten sich dabei in dem komplexen Gefüge aus unterschiedlichsten ethnischen und religiösen Strömungen des Judentums. Beliebt war dabei die umstrittene Khasaren-Theorie. Die Existenz von ein paar einflussreichen Bankiersfamilien Wieden Rothschilds reicht längst nicht aus, um eine jüdische Weltverschwörung zu belegen, denn jüdische Clans waren vor dem Jahr 1800 machtpolitisch bedeutungslos und einzelne davon gelangten nur durch gezielte Förderung des britischen Imperiums zu Reichtum und Einfluss. Deshalb ergänzten Verschwörungsautoren ihre biografischen Darstellungen der Rothschilds auch mit Erfindungen wie dem Waterloo-Mythos und zitierten eifrig Fake-Dokumente wie die Protokolle von Zion. Laut dem Waterloo-Märchen hätte Nathan Rothschild mit etwas Trickserei an einem Tag 20 Millionen Pfund an der Börse verdient und mit seinen Brüdern dann irgendwie das britische Imperium übernommen, was eine völlig absurde Vorstellung ist. Dass einer der Rothschild-Nachkommen zeitweise den Direktorposten der Bank of England übernommen hatte, wird auch immer wieder als Beweis dafür hergenommen, dass die Rothschilds damit die ganze Zentralbank beherrschten, obwohl dies eine lächerliche Behauptung ist, die keiner näheren Betrachtung standhält. Es hätte von Anfang an untersucht werden müssen, inwiefern das britische Imperium als Ablenkungsmanöver bei half, die fanatische Fixierung auf Juden in der Verschwörungsliteratur zu fördern. Wir wissen, dass bedeutende antise-

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mitische und rechtsextreme Autoren Kontakte hatten zu dem angloamerikanischen Establishment bzw. zu dem Adel. Wenn man die Fake-Dokumente über jüdische Drahtzieher aussortiert, dann bleibt von der Beweiskette für eine jüdische Weltverschwörung nicht mehr viel übrig. Die biografischen, historischen Daten zeigen, dass Juden die längste Zeit keine Rolle spielten in dem Konkurrenzkampf der Königshäuser. Wenn jemand dennoch argumentieren will, dass ein Grüppchen Juden die Weltherrschaft an sich gerissen hätte, dann müsste derjenige schlüssig zeigen, wann und wie genau das passiert ist. Manche Verschwörungstheoretiker verlagern die Angelegenheit extrem weit in die Vergangenheit zurück und erhoffen sich davon, dass sie ihre Argumentation dadurch vor Kritik abschirmen können. Es heißt dann zum Beispiel, dass jüdische Blutlinien heimlich bereits uralte Imperien beherrscht hätten, oder dass Jesus Kinder gehabt habe und aus diesen sich dann die Merovinger-Blutlinie gebildet hätten. David Icke vermischt dies mit Fantasien über Reptiloiden. Nichts davon ist beweisbar, aber die Verschwörungstheoretiker drehen oftmals die Beweislast um und fordern von ihren Kritikern, zu beweisen, dass Juden eben nicht vor tausenden Jahren bereits Imperien heimlich kontrolliert hätten. Damit verhält es sich wie mit dem berüchtigten „fliegenden Spaghetti-Monster", dessen Nichtexistenz sich auch nicht beweisen lässt. Manche Verschwörungstheoretiker wählten eine andere Strategie, um zu verschleiern, dass das britische Imperium erst spät ein paar jüdische Clans aufgebaut hatte. Es wurde die These geschaffen, dass Juden im späten 17. Jahrhundert oder im Mittelalter die Macht über Britannien an sich gerissen hätten. Zur Stützung dieser These dienen aber wieder nur haufenweise Fakes und Legenden. Irrationale, religiöse Inhalte Jeder hat das Anrecht, sich seine religiösen Ansichten herauszusuchen, egal wie irrational diese sind, und diese in ein Verschwörungsbuch einzuflechten, aber der Leser muss sich dann von Vorneherein darüber im Klaren sein, dass es sich um ein irrationales Werk handelt.

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Im muslimischen Raum sind Verschwörungsbücher extrem stark gefärbt durch die theologischen Konzepte des Korans und der Hadithe. Protestantische Verschwörungsbücher greifen zurück auf biblische Erklärungsmuster und den Kampf Gottes gegen Satan. Katholische Verschwörungsbücher sind eher fixiert auf jüdische und protestantische Verschwörer, die die Weltherrschaft an sich reißen möchten. Eine weitere populäre Spielart sind die esoterischen Verschwörungsbücher, die einfach altbekanntes Verschwörungsmaterial mittheosophischen und älteren okkulten Inhalten vermischen. Der Leser wird dabei direkt und indirekt dazu gedrängt, magisch-rituelle Praktiken zu erlernen, um das Böse zu bekämpfen. Die llluminati bezögen ihre Macht aus der „schwarzen" Magie und könnten nur durch die weiße Magie gelernter Esoteriker besiegt werden. David Icke kombinierte die Theosophie mit Vorstellungen über interdimensionale Echsenwesen. Leute aus dem Publikum, die es Icke nachmachen und stark wirkende halluzinogene Drogen konsumieren, werden sich noch stärker zu solchen Ideen hingezogen fühlen. Wissenschaft hält sich fern von glaubensbasiertem Denken. Nur dann ist sie tatsächlich Wissenschaft. Und dies gilt insbesondere für die Erforschung von Machtstrukturen und des organisierten Verbrechens des höchsten Organisationsgrades. Trends Echte Forschung hält sich auch fern von Trends und der schnellen Befriedigung von Publikumsgelüsten. Der Schwindler Léo Taxil war verblüfft darüber, wie populär seine Erfindungen waren, die den Nerv der Zeit trafen. Das Thema Russland war für die gängige Verschwörungsliteratur uninteressant bis zur kommunistischen Revolution, die dann ausführlichst als Manöver der jüdisch-illuministischen Verschwörung interpretiert wurde. Im Kalten Krieg wurde der kommunistische Block korrekterweise als Antithese zu der NATOMacht beschrieben, um die Welt zu zentralisieren aber nach dem Ende der Sowjetunion verlor die Verschwörungsliteratur jedes Interesse an Russland, bis sich ab 2008 der russische Staat zunehmend ein rechtskonservatives Image zulegte und sich über seine Geheimdienste vermehrt in die Verschwörungs182

medien einmischte. Im Laufe des sich erneut verschärfenden Ost-West-Konflikt mauserte sich Russland zu dem neuen Darling der Verschwörungsszene. Im Trend liegen heute eher Verschwörungs-Berichte über Linkem, Feministen und Moslems sowie deren Helfer aus der westlichen Elite. Falls ein größerer Konflikt ausbricht zwischen Ost und West werden sich die Verschwörungsmedien ggf. wieder neu orientieren, je nachdem was das Publikum verlangt, welcher neue Trend sich ergibt, was finanziell lohnenswerter erscheint und was nicht zu sehr die staatliche westliche Zensur auf den Plan ruft. Trends zu folgen verzerrt den Blick für die Realität und verkommt schnell zu einem Andienen an gefährliche Machtinteressen und verstärkt unrealistische Wünsche und Fantasien des Publikums. Zu den bekanntesten Denkfallen zählen die Bestätigung von bisherigen (falschen) Überzeugungen sowie die Bestärkung von Wunschdenken. Gezielte Desinformation von Geheimdiensten Es ist leider üblich in Kreisen von Verschwörungstheoretikern, dass jeder jeden Andersdenkenden als Agenten einer Verschwörertruppe bezeichnet. Jemand glaubt nicht an die Weltherrschaft der Juden? Dann wird derjenige als Judenagent bezeichnet. Jemand hält nicht die Jesuiten für die Drahtzieher jeder Verschwörung? Dann nennt man denjenigen einen „jesuitischen Co-Adjutor". Mit dieser Denkweise kann man nicht das Problem der gezielten Desinformation untersuchen. Desinformation ist der Kern jeder psychologischen Kriegsführung und man muss mögliche Fälle von geheimdienstlicher Irreführung gründlich erforschen und sich beim Fehlen von eindeutigen Beweisen beschränken auf die Abschätzung von Wahrscheinlichkeiten. Unzählige Konsumenten von Verschwörungsmedien beherrschen noch nicht einmal die Unterscheidung zwischen Indizien, Verdachtsmomenten, Beweisen und Beweisketten. Auch die Fähigkeit zur Analyse und logischem Denken ist oft sehr schlecht ausprägt. Zu praktisch jedem bekannten Verschwörungsautor existieren im Internet Anschuldigungen, für das FBI zu arbeiten, den Mossad/Zionisten oder die CIA. Diese Anschuldigungen entpuppen sich bei näherer Betrachtung so gut wie immer als Ansammlung von nutzlosen Indizien,

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Erfindungen und Polemik. Daraus entsteht ein Klima des generellen Misstrauens und der Verwirrung. Meistens handelte es sich bei Verschwörungsautoren jedoch um ganz gewöhnliche Leute, die altes Material zweifelhafter Qualität aufwärmten und keine Bedrohung für Eliten darstellten, sondern eher das Informationschaos vergrößerten. Es lässt sich heute belegen, dass russische Geheimdienste einen sehr großen Einfluss haben auf die westlichen Verschwörungsmedien, die von dem alten Image der Illuminaten-Enthüller abgerückt sind und sich als neu-rechte Nachrichtenmedien präsentieren. Aber selbst das bedeutet meist nur, dass westliche Medienfiguren von östlicher Propaganda abschreiben. Ein direktes Agentenverhältnis ist im Einzelfall fast unmöglich zu beweisen. Es lässt sich auch festhalten, dass viele verdächtige Querverbindungen existierten zwischen rechtsextremen Verschwörungstheoretikern und den Kreisen der angloamerikanischen Oberschicht. Am deutlichsten wurde dies bei Henry Ford und seiner Verbreitung der Protokolle von Zion und der Artikelreihe über den „internationalen Juden". Für solche klischeehaften Ablenkungen von dem angloamerikanischen Imperium ist ein hinterhältiges Motiv sofort erkennbar. Es existierte aber auch ein Geflecht aus vielen kleineren Organisationen, die ganz ähnliche Inhalte verbreiteten und auch bestimmte Kontakte pflegten zum Adel und diversen Industriellen. Auch die Untersuchung von nachrichtendienstlicher Propaganda gehört in die Hände von Profis. Leider halten sich viele Menschen nach dem Lesen von ein paar Verschwörungstheorien bereits für kompetent genug, um dazu ganz konkrete Aussagen zu treffen und diese vehement zu verteidigen.

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Der Wandel innerhalb der Verschwörungsszene von der Ära Bush Sr. bis zur Ära Trump

Bild: Alex Jones zu Gast bei Alexander Dugin im russischen Fernsehen Es wurde immer wieder in akademischen Abhandlungen über die gelästert, dass die zumeist eher politisch rechts angesiedelten Verschwörungstheoretiker nach dem Ende der Sowjetunion das Feindbild des Kommunismus verloren hätten, in ein tiefes Loch hineingefallen wären und händeringend nach neuen apokalyptischen Bedrohungen suchten. Präsident George H.W. Bush war durch die Verschwörungsliteratur als Mitglied der Geheimorganisation Skull & Bones geoutet und man untersuchte auch seine vorherige Tätigkeit als Direktor der CIA. Webster Griffin Tarpley, der früher im Umfeld der LaRouche-Organisation agierte, veröffentlichte die „unautorisierte Biographie" über Bush. Bill Clinton sorgte für gewaltigen Aufruhr, da er von den Rockefellers unterstützt worden war, den Sozialismus predigte, Souveränität an die Vereinten Nationen abtreten wollte, das Waffenrecht beschnitt und weil in seiner politi185

sehen Heimat Arkansas ein Umschlagplatz für Kokain-Lieferungen existierte. Das Justizministerium und die Bundespolizei unter Clinton galten als verantwortlich für die Massaker von Ruby Ridge und Waco, was die rechte Szene der Milizen, Patrioten und Verschwörungstheoretiker zu stärkeren Aktivitäten anregte. Clinton wurde als Globalisierer eingestuft, der Amerikas Souveränität an die Weltregierung der llluminaten verkaufte. 1995 geschah der Anschlag von Oklahoma City, der von der Regierung dem Rechtsterroristen Timothy McVeigh zugerechnet wurde, ohne dabei einzugehen auf die zahlreichen Spitzel und Agenten im Umfeld von McVeigh. In den 1990er Jahren gab es mehrere Bestseller-Bücher von Verschwörungsautoren, mehr Radiosendungen und auch mehr Videokassetten, da diese Technik im Vergleich zu den 80er Jahren deutlich billiger geworden war und Bänder auch leicht kopiert werden konnten. Gegen Ende der 90er spielte auch das Internet eine immer größere Rolle, wobei hier mangels Bandbreite zunächst nur Texte verfügbar waren, danach auch MP3-Audiodateien und schließlich Videos in niedriger Auflösung und Bildqualität. Digitale Videokameras und das bequeme Editieren am Computer erlebten in den 90er Jahren dank des technologischen Fortschrittseine Revolution, von der die Szene der Verschwörungstheoretiker besonders profitierte. Die Themen deckten die gesamte Bandbreite ab: Von UFOs, Okkultismus und den llluminaten bis hin zum JFK-Attentat war so ziemlich alles dabei, abgesehen von Russlandpropaganda, die erst ein Jahrzehnt später eine Rolle spielte. Die Anschläge vom elften September und George W. Bushs „Krieg gegen den islamischen Terror" verursachten ab 2001 den wohl größten und kreativsten Boom, den die Verschwörungsszene jemals in modernen Zeiten erlebt hatte. Alteingesessene Szenegrößen im Rentenalter erlebten eine neue Blüte, Medienfiguren im Alter von 35 bis 60 Jahren professionalisierten sich und junge Leute unter 35 Jahren wie die Macher der Doku „Loose Change" erreichten eine enorm hohe Popularität. Auch das Publikum vergrößerte sich schlagartig, wobei eingeschlafene Angehörige der Szene wieder aktiv wurden und sich auch eine ganz neue Generation an Leuten für Verschwörungen interessierte. Charakteristisch für die damalige Situation war ein Rückgang verbohrter rechtsextremer Inhalte, eine starke Kooperation zwischen Linken, Konservativen und Muslimen, eine Verdammung des „Links-Rechts-Denkmusters" sowie

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eine dramatische Verbreitung libertärer Grundgedanken. Selbstverständlich wurde auch in den 90er Jahren mit miesen Tricks um Marktanteile und Deutungshoheit gekämpft. So manche älteren Szenegrößen wie Fritz Springmeier, John Coleman oder Milton Cooper verloren stark an Aufmerksamkeit und mussten neuen Gesichtern wie Alex Jones weichen. Bei Barack Obamas Wahlsieg 2008 war die Aufregung um 9/11 und dem Krieg der Neocons gegen den Terror größtenteils verflogen und die Linken sahen keinen Grund mehr, mit den Konservativen zu kooperieren. Da Obama selbst mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Muslim ist und während seiner Amtszeit verbohrte Strömungen des Islam und des Sozialismus in den USA wachsen konnten, sahen sich die Konservative gleich mehrfach betrogen: Nicht nur wurden sie von Linken und Muslimen im Stich gelassen, sondern die Linken und Muslime waren auch noch ein Bündnis miteinander eingegangen und kooperierten darüber hinaus noch mit der Obama-Administration. Diese Situation machten sich die russischen Geheimdienste zunutze und verstärkten ihre Propaganda im Westen, um die amerikanischen Konservativen und Verschwörungstheoretiker zu umgarnen. Putin wurde zunehmend als christlich-konservativer Führer hofiert, der im Gegensatz zur NATO eine „Friedenspolitik" betreiben würde und die jüdischen Oligarchen („RothschildMarionetten") aus seinem Land vertrieben hätte. Die amerikanischen und europäischen Rechten hatten sich Putins Russland als Schutzmacht ausgesucht; so ähnlich wie die Linken und Muslime in Amerika auf Barack Obama und die Democrats gesetzt hatten. Schnell begannen die Konservativen mit breiten und pauschalen Attacken gegen alle Linken und Moslems und machten diesen „neu-rechten" Kurs zu ihrer Hauptkampflinie. Die gleichen Verschwörungstheoretiker, die während der Bush-Ära noch politisch tolerant waren und gegen die llluminaten wetterten, entwickelten sich zu Gift und Galle speienden Agitatoren, die fast nur noch linke „Social Justice Warriors", „Millenials", „Snowflakes", Schwule, Muslime und Feministen angriffen. Dominierend geworden ist die Russenpropaganda, die vom Kreml für hunderte Millionen Euro jährlich produziert und von den allermeisten Verschwörungspublizisten ungeprüft abgeschrieben und übernommen wird. Das Ganze ist bereits zu einem geschlossenen irrationalen Denksystem geworden und der

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Putin-Personenkult wurde unkritisch übernommen. Egal um welches Thema es geht, immer werden sofort und ohne echte Recherche westliche Eliten als Verschwörer benannt, während Russland als Retter und als Vorbild gilt. Fast jeder aus der Szene will nun sein Stück vom neurechten Kuchen abhaben und mit dümmlich-theatralischen, emotionalen Videos Klickzahlen und Geld generieren. Typisch sind heute zahlreiche Bildschnitte, weil die Youtuber anscheinend nicht in der Lage sind, ganze Sätze vor der Kamera vorzutragen, billige Sprüche, einfache Botschaften, Sarkasmus und Wut. Amerikanische Milizgruppen, Ultrarechte und konservative Verschwörungstheoretiker hoffen tatsächlich auf russische Schützenhilfe, um die amerikanische Regierung zu stürzen. Manche ehemalige klassische Vertreter der Szene wie Luke Rudkowski von WeAreChange sind der politischen Sekte der libertären Anarchisten beigetreten. Er sympathisiert zudem inzwischen mit psychedelischen Rauschdrogen und den Inhalten von David Icke. Alex Jones machte Icke zu einem regelmäßigen Gast und spricht inzwischen auch schon von interdimensionalen Dämonen. In Deutschland hat sich die sogenannte Reichsbürgerszene etabliert und spinnt sich immer neuen Unfug zusammen, um sich in Schwierigkeiten zu bringen. Die Esoteriker dominieren nach wie vor einen Großteil des Marktes und haben nichts wirklich Neues anzubieten, weil sich ihre altbekannten Zoten nach wie vor gut verkaufen. Abgesehen davon dominieren auch in Deutschland die Neurechten und Russlandpropagandisten. Echte Forschung und neue Ideen gibt es keine. Der vorläufige Höhepunkt des Irrsinns in der Verschwörungsszene war die Kampagne von Donald Trump, ein Immobilienhai und narzisstischer Showbusiness-Mogul, der in seiner gesamten Karriere noch nie aufgefallen war als Kritiker von Eliten. Bereits im Wahlkampf umgab er sich mit dem ehemaligen Chef des Geheimdienstes DIA, mit Figuren von Goldman Sachs und anderen zwielichtigen Gestalten. Das neurechte Medium Breitbart unter der Führung von Steve Bannon und mit dem Geld der Familie Mercer machte massiv Werbung für Trump und dessen „America first"-Gefasel. Alex Jones sprang auf diesen Zug auf und es folgten sehr viele Figuren aus der Verschwörungsszene. Trump wurde als politischer Messias von Gottes Gnaden gefeiert, um das Land

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vor illegalen mexikanischen Migranten, korrupten Eliten und Linken zu retten. Die Russen favorisierten Trump wegen dessen Unerfahrenheit, seinen positiven Statements über Russland und wegen seinem scheinbar russenfreundlichen Berater-Team. Die westlichen Verschwörungsmedien übernahmen sowieso seit einer Weile alles Mögliche von den Russen und so überraschte es nicht, dass auch die schamlose Wahlwerbung für Trump kopiert wurde. Natürlich wurden die vollmundigen Versprechungen Trumps nicht erfüllt und der Präsident holte sich die schlimmsten elitären Figuren in seine Administration, was von Verschwörungsmedien wie Alex Jones' Infowars als Taktiererei und strategische Kompromisse bezeichnet wurde. Irgendwann hieß es dann kleinlaut, die Eliten hätten Trumps Administration „infiltriert" und nun gäbe es einen anhaltenden Kampf im Weißen Haus. Die wechselnde Sichtweise der Verschwörungsmedien deckte sich parallel zu dem Kurswechsel in der russischen Propaganda. Von der Kreativität und der Zusammenarbeit, wie man sie noch in den 1990er Jahren oder den Jahren nach 2001 gesehen hatte, war praktisch nichts mehr übrig. Alex Jones, Trumps Unterstützer in den Verschwörungsmedien, befürwortet nun schon im Voraus einen möglichen Krieg der USA gegen Nordkorea. Falls eine Kriegs-Provokation stattfinden wird oder bedeutende Anschläge, von denen Trump politisch profitiert, werden einige neurechte (Verschwörungs-)Medien dem Präsidenten wohl überwiegend die Treue halten und keine Aufklärung betreiben wie es nach 9/11 unter George W. Bush der Fall war. Falls sich aber der Wind dreht und Trump in Ungnade fällt bei dem rechten Publikum, oder falls Trump abgelöst wird durch einen eher gewöhnlichen Präsidenten der Republikanischen Partei, wird ein Alex Jones wahrscheinlich seine Fahne dementsprechend neu justieren und vielleicht wieder zu einem klassischen Verschwörungs-Kurs zurückkehren und wieder Sympathien heucheln für Linke und Muslime.

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Die Deutungshoheit über Machtverhältnisse

Je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, umso schwammiger und überlagerter mit Mythen wird die Faktenlage. Alle möglichen Individuen und Gruppen mit Einfluss fälschten gerne ihre eigene Geschichte und die ihrer Vorgänger zurecht und attackierten ihre Gegner mit Hilfe von Fälschungen und Propaganda. Zudem ersticken wir schnell in Papier und Details über das Mittelalter und Vormittelalter, ohne den roten Faden zu finden. Ein Historiker, der sich spezialisiert, kann seine gesamte Karriere verbringen mit der Erforschung des Teilaspekts eines Teilaspekts aus einer begrenzten Epoche. Zahllose Imperien kamen und gingen im Laufe der Zeit, was bei vielen Beobachtern und Gelehrten den Eindruck erweckt hat, dass es sich fast so wie mit dem Wetter verhalten hat und keine allzu große Systematik feststellbar gewesen sei. Nichtsdestotrotz formten sich im 20. Jahrhundert die NATO-Sphäre und der Block kommunistischer Staaten in einer beispiellosen Zentralisierung von wirtschaftlicher und militärischer Macht. Die Anzahl der souveränen, bedeutungsvollen Imperien ist in den letzten 300 Jahren dramatisch gesunken, was nicht zuletzt auch am technischen Fortschritt lag, der den größten Playern einen immer größeren Vorsprung ermöglichte. Heute gibt es nur noch vier Machtzentren (USA, EU, Russland, China) von denen jeweils zwei eng miteinander verbunden sind. Alle anderen Staaten sind Vasallen und Satelliten und verfügen nicht einmal ansatzweise über genügend Finanzmacht und militärische Stärke, um es mit den Supermächten aufzunehmen. Vielleicht fusionieren in den nächsten paar Jahren die USA offiziell mit der EU und Russland mit China, sodass fortan nur noch zwei Supermächte existieren, die sich entweder bekämpfen oder auch wieder fusionieren zu einer einheitlichen Weltmacht. Die Entscheidungen der Eliten von diesen Großmächten bestimmen, wie es der gewöhnlichen Weltbevölkerung künftig ergehen wird, sowohl was den Lebensstandard anbetrifft als auch die Frage nach Leben und Tod, Krieg und Frieden. China und Russland sind offene Diktaturen, während die USA und Europa sich den demokratischen Anstrich gegeben haben, ohne dass das Volk dabei ein Verständnis von der Realität besitzt oder signifikante

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Entscheidungen trifft. Die russischen und chinesischen Bürger sind vollends gefangen und haben keine realistische Möglichkeit, aus eigener Kraft heraus die Regime zu stürzen. Die amerikanischen und europäischen Bürger besitzen hingegen viel mehr Freiheiten, Wohlstand und Zugang zu Bildung, aber ihr Wissen um Machtstrukturen ist bisher von einer dermaßen schlechten Qualität, dass die Durchsetzung der eigenen Interessen und die Änderung der Machtverhältnisse unmöglich ist. Wir sehen im Westen die typische Verteilung auf Linke, Rechte, Libertäre, die politische „Mitte" und politisch Uninteressierte, wobei diese Gruppen wiederum unterschiedliche und teils gespaltene Ansichten haben über den Ostblock. Manche Linke pflegen nach wie vor Beziehungen zu Moskau, die sogenannte „neue" Rechte lobt das Putin-Regime in den Himmel und selbst viele Libertäre haben sich von Russenpropaganda einwickeln lassen. Umfragen zufolge weiß auch der Mainstream, also die politische Mitte nicht wirklich, was sie von Russland und China halten soll und wie man mit diesen Supermächten umgehen soll. Appeasement? Florierender Handel? Scharfe Abgrenzung? Krieg? Bis zur Ukrainekrise 2014 hatten die großen Parteien im Westen noch deutliche Sympathien für Putin übrig, der ehemalige deutsche Kanzler Schröder arbeitet heute offen für den Konzern Rosneft, US-Präsident Trump wird den RusslandSkandal nicht los und neurechte Parteien wie die AfD werden nun von den amerikanischen Geheimdiensten daraufhin untersucht, ob sie russische Hilfe erhalten haben. Offensichtlich fehlt es den Bürgern an einer gemeinsamen Sprache, an einem gemeinsamen Verständnis von Politik und Geschichte, an allgemeingültigen Überzeugungen über Machtstrukturen und an den geeigneten Ideen, um Frieden und Wohlstand zu sichern. Der eine preist Putin und Trump, der nächste Hillary Clinton, der eine wähnt prinzipiell den Kapitalismus als Problem, der andere den Sozialismus. Der eine will Druck machen auf Russland, um die Welt sicherer zu gestalten, der nächste will lieber in allem nachgeben. Der Neurechte glaubt, dass er mit Hilfe von Putins Geld und Panzern an die Macht kommt und seine Interessen durchsetzen kann. Der Bürger aus der politischen Mitte hält die ihm vorgegaukelte Mitte für den besten Kompromiss. Der Verschwörungstheoretiker will die „jüdische Weltverschwörung" mit einer rechten politischen Phalanx und notfalls mit Gewalt bekämpfen.

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Die Deutungshoheit über Machtverhältnisse entscheidet darüber, wie Leute die Welt interpretieren und was sie als vorteilhafte Politik wahrnehmen. Heute befinden wir uns wieder in einem Kalten Krieg, wobei die Rollen zwischen Ost und West vertauscht sind: Der Osten ist heute „rechts" wegen den faschistischen Strukturen in Putins Russland (Diktator mit Personenkult, Großpartei die alles beherrscht, Militarismus, christlich-konservative Propaganda) und dem nationalen Sozialismus der chinesischen kommunistischen Partei (Betonung der chinesischen Rasse und „5000-jährigen Kultur", komplette Staatskontrolle, chinesischer nationaler „Sonderweg" Innerhalb des Weltsozialismus), während der Westen nach 1991 deutlich nach links gewandert ist und konservative Ideen pauschal als rückständig und gefährlich bezeichnet werden. Die Bevölkerung ist bisher in ihrem Denken gefangen und die Verschwörungsautoren waren fast die einzigen, die dieses Denken in Frage gestellt haben. Gary Allen entlarvte das politische Schauspieltheater zwischen MitteKonservativ und Sozialdemokratie, andere Autoren enthüllten schockierende Fakten über das Zusammenspiel an der Spitze der NATO und des kommunistischen Blocks und immer suchte man nach tatsächlichen Eliten, die aus dem Schatten heraus die Fäden ziehen. Leider verhedderte sich die Verschwörungsliteratur in Irrtümern und Falschinformationen und so überrascht es nicht, dass heutzutage sogar Menschen, die sich jahrelang (teils auch beruflich) mit Verschwörungstheorien beschäftigt hatten, keine professionellen Einschätzungen treffen können über den US-Präsidenten Trump oder Wladimir Putin, kein zuverlässiges Wissen besitzen über Machtverhältnisse und keine Ahnung haben, wie sie politisch ihre Interessen durchsetzen sollen. Würde man heute die Methodik des Akademikers Antony Sutton weiterverfolgen, und würde man die wichtigsten Gedanken von Professor Carroll Quigley weiterspinnen, käme man der Realität schon wesentlich näher über den heutigen Ost-West-Konflikt. Quigley lehrte an der Universität von Georgetown vor Studenten wie Bill Clinton und veröffentlichte in den 1960er Jahren das Buch Tragödie und Hoffnung, welches in Kreisen von Verschwörungstheoretikern gerne zitiert wird. Die wenigsten haben das gesamte, langwierige Werk gelesen, sondern zitieren nur die Stelle über Finanzkartelle, die die Politik beherrschen und ein Weltsystem schaffen wollen. Kürzlich erschien eine vollständige deutsche Ausgabe im KOPP-Verlag, der traditionell mit Verschwörungsbüchern

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und Esoterik in Verbindung gebracht wird, und der in den letzten Jahren dem „neurechten" und russenfreundlichen Trend gefolgt ist. Quigley erläutert in dem Buch, wie die USA und die Sowjetunion sich im Kalten Krieg abseits vom politischen Theater gegenseitig stützten, sich immer ähnlicher wurden und ähnliche Ziele verfolgten. Er spekulierte, dass man künftig nur kontrollierte Stellvertreterkriege sehen würde und kein Armageddon, womit er recht behielt. Bei KOPP erschien auch Quigleys anderes Werk „Das Anglo-Amerikanische Establishment". Im Klappentext heißt es: „In diesem Buch schildert der wahrscheinlich bedeutendste Historiker der USA den Aufstieg einer von Cecil Rhodes in London gegründeten Geheimgesellschaft zu einer Art »geheimen Weltregierung«. Von den Mainstream-Historikern weitgehend ignoriert, sicherte sich diese Geheimgesellschaft bedeutenden Einfluss auf die Politik Londons und später auf die gesamte Weltpolitik." Die politischen Bücher im KOPP-Sortiment attackieren überwiegend das westliche Establishment und verteidigen das östliche. Vor Jahren erschienen bei KOPP noch die Bücher von Torsten Mann über die Langzeitpläne der Russen. Mittlerweile wird auch wieder ein Buch von Mann und meiner Wenigkeit gelistet. Der Historiker Antony Sutton nutzte eine saubere wissenschaftliche Methodik, um das Ausmaß der Ost-West-Kooperation im Kalten Krieg zu enthüllen und korrigierte dabei auch Verschwörungsmythen über die Kommunistische Revolution. Sogar der britische Premierminister Winston Churchill verbreitete in seinem Artikel von 1920 für den London Illustrated Sunday Herald mit der Überschrift "Zionismus versus Bolschewismus" die falsche Einschätzung, dass die "internationalen" und "atheistischen" Juden eine "sehr große Rolle" in der bolschewistischen Revolution gespielt hätten und dass, abgesehen von Lenin, "die Mehrheit" der Revolutionsführer jüdisch gewesen sei. Antony Sutton schrieb darüber in seinem Buch "Wallstreet and the Bolshevik Revolution":

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"Es gibt keine konkreten Beweise dafür, dass Juden deshalb an der bolschewistischen Revolution beteiligt gewesen waren, weil sie jüdisch waren. Es mag tatsächlich eine höhere Proportion an beteiligten Juden gegeben haben, aber was würde man angesichts der Behandlung von Juden unter den Zaren auch anderes erwarten ? [...] Die Liste von Juden, die an der bolschewistischen Revolution beteiligt waren, muss aufgewogen werden gegen die Listen von Nichtjuden, die an der Revolution beteiligt waren. Wenn man diese wissenschaftliche Methodik anwendet, dann liegt der Anteil der ausländischen jüdischen Bolschewisten an der Gesamtzahl der Revolutionäre bei unter 20%. Es ist bedeutsam, dass Dokumente in den Unterlagen des Außenministeriums bestätigen, dass der Investmentbanker Jacob Schiff, der oft als Quelle der Gelder für die bolschewistische Revolution genannt wird, in Wirklichkeit gegen die Unterstützung des bolschewistischen Regimes war. Diese Position stand im direkten Kontrast zu der Unterstützung von Morgan und Rockefeiler an die Bolschewisten. Die Hartnäckigkeit, mit der der Mythos der jüdischen Verschwörung verbreitet wurde, deutet daraufhin, dass es womöglich ein absichtliches Manöver ist, die Aufmerksamkeit von den wirklichen Themen und Ursachen abzulenken. Das Beweismaterial in diesem Buch zeigt, dass die New Yorker Banker, die jüdisch waren, relativ geringe Rollen spielten bei der Unterstützung der Bolschewisten, während die New Yorker Banker, die keine Juden waren (Morgan, Rockefeller, Thompson) große Rollen spielten." Die Forschung zu der bolschewistischen Revolution ist auch noch lange nicht abgeschlossen, was der Streit beweist um die sterblichen Überreste der letzten Zaren. Es gab nie einen physischen, eindeutigen Beweis, dass die Familie Romanow damals wirklich umgebracht wurde. Sie kann genauso gut von Agenten ihrer Verwandten vom britischen Königshaus in Sicherheit gebracht worden sein. Die ganze Revolution samt folgendem Bürgerkrieg kann von dem Hochadel absichtlich in Gang gesetzt und organisiert worden sein.

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Antony Sutton deckte auch die Aktivitäten der amerikanischen Geheimgesellschaft Skull & Bones in China auf, in die der spätere Diktator Mao und wichtige Vertraute von ihm verwickelt waren. Im chinesischen Bürgerkrieg lieferten die Angloamerikaner auch noch genügend Munition an die Kommunisten für den Sieg. Die gängige Ansicht, dass heute die USA, Russland und China separate, konkurrierende Großmächte sind, ist nur eine Theorie von mehreren. Ab dem 18. Jahrhundert existierten längst nicht mehr so viele bedeutende Machtgruppen wie zuvor, wobei sich eine Großfamilie eine beispiellose Position gesichert hatte: Das Haus Hannover - Hessen-Cassel - Sachsen-Coburg Gotha, Glücksburg-Sonderburg - Strelitz - Romanow. Den Hannoveranern und Sachsen-Coburg Gotha lag die ganze Welt zu Füßen, da es keine ernsthaften Konkurrenten mehr gab und selbst große Kolonien wie China und Indien sich fügen mussten. Der Zusammenhalt der Familie über die Kontinente hinweg hätte die ultimative Weltregierung geformt. Der Clan kontrollierte mit unterschiedlichen Strategien und Systemen Nordamerika, signifikante Teile Europas, Indien, China sowie Russland und verfügte damit über ein beispielloses Experimentierfeld: •

In England und Deutschland praktizierte man eine konstitutionelle Monarchie, also eine Mischung aus Monarchie, Verfassung und Parlamentarismus, die den Schein erweckte, die Bürger hätten irgendetwas zu entscheiden.



In den amerikanischen, chinesischen und indischen Kolonien praktizierte man eine Kolonialherrschaft, kombiniert mit der einheimischen Monarchie bzw. konstitutionellen Monarchie.



In Russland versuchte man es bis 1918 mit der ganz klassischen Monarchie.

Nicht einmal die Mitglieder dieser Großfamilie mit ihrer langjährigen Erfahrung konnten mit Sicherheit sagen, welches dieser Systeme dauerhaft ihre Macht

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sichern würde und deshalb war es für sie von unschätzbarem Wert, eine solche Bandbreite an Herrschaftssystemen beobachten und bewerten zu können. Die Zaren in Russland besaßen nach heutigen Maßstäben ein Vermögen von hunderten Milliarden Euro und behielten viel länger als ihre Verwandten das System der Bauernsklaven. Der gesamte Ärger der Bevölkerung richtete sich zwangsläufig und zielgerichtet gegen die Monarchie und den Beamtenapparat, während die wirtschaftliche und technologische Entwicklung dem Westen gnadenlos hinterherhinkte. Medien waren dementsprechend stark zensiert. Die Rechnung lautete: Je offener die Herrschaft der Monarchen, umso weniger Freiheit konnte man dem Pöbel zugestehen. Die Hannoveraner auf dem britischen Thron und die Verwandten auf dem deutschen/preußischen Thron hingegen experimentierten vorsichtig mit einer konstitutionellen Monarchie und mehr Freiheit für die Bevölkerung. Dieses System führte zu mehr technologischem Fortschritt und die Herrschaft der Hannoveraner konnte mehr aus dem Hintergrund heraus die Fäden ziehen. Die Rechnung wurde also angepasst: Je mehr Freiheit dem Pöbel zugestanden wurde, umso mehr mussten die Monarchen zum Schein in den Hintergrund treten und durch Strohmänner und Marionetten herrschen. Der Ärger der Bevölkerung verteilte sich nun auf Monarchen, Beamte, Politiker und Parteien, genauso wie Entscheidungsprozesse des Staates auf den Pöbel immer komplizierter wirkten. Die Medien wurden vielfältiger und freier, aber auch verwirrender. Laut offizieller Geschichtsschreibung machten sich die Verwalter der britischen Kolonien in Amerika im späten 18. Jahrhundert selbstständig, gewannen den Krieg gegen die britische (hannoversche) Krone und riefen ein ganz neuartiges Herrschaftssystem aus: Die demokratische Republik. Wir sollen einfach die unglaubliche Geschichte als wahr akzeptieren, dass Britannien die Kontrolle verlor. Viel wahrscheinlicher ist es, dass das Haus von Hannover hier ein Experiment wagte, bei dem die konstitutionelle Monarchie und Kolonialverwaltung Amerikas abgelöst wurde durch eine Scheindemokratie und einen pseudofreien Kapitalismus. Britannien konnte sich dieses Experiment leisten. Die amerikanischen Bürger erlangten deutlich mehr Freiheit und die hannoverschen Herrscher mussten deshalb völlig aus dem sichtbaren Blickfeld verschwinden.

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Für den gewöhnlichen Amerikaner regierten fortan ein konfuser Wust aus Großindustriellen und Politikern und man konnte (mit künstlichen Begrenzungen) selbst aufsteigen durch Unternehmertum und Lokalpolitik. Wer allerdings nicht Mitglied einer Freimaurerloge war und keine Verbindungen hatte zu den Top-Familien Amerikas, dem blieben alle bedeutenden Türen verschlossen. Bekanntermaßen bilden die USA, Großbritannien und die Europäische Union heute einen zusammengehörigen, einigermaßen einheitlichen Machtblock und schufen allerhand suprastaatliche Institutionen wie die NATO oder die Welthandelsorganisation. Experten wissen, dass die amerikanischen Präsidenten so gut wie alle miteinander verwandt waren und dass auch familiäre Bindungen existieren mit den mächtigen Clans der Wirtschaft sowie dem britischen Königshaus. Dennoch verbreiten die Staaten und die Historikerzunft den Mythos, die alten Herrscher aus dem Haus Hannover seien vor Ewigkeiten bedeutungslos geworden, weil sie gegeneinander gekämpft hätten. Laut der offiziellen Geschichtsschreibung verliefen ohne rationale Gründe tiefe Risse durch die Hannoveraner und verheerende Kriege beendeten ihre Dominanz, worauf gewöhnliche Bürokraten und neureiche Raubbarone die Scherben aufhoben und sich im Laufe der Zeit die Blöcke USA/EU, Russland und China herausbildeten, die um die globale Führungsrolle konkurrieren und schlimmstenfalls in den nächsten Jahren einen dritten Weltkrieg gegeneinander führen um die Machtfrage zu klären. Das traditionelle Geschichtsverständnis denkt ausschließlich in den primitiven Kategorien verfeindeter Nationen, so wie es vor dem 18. Jahrhundert gang und gäbe war, ignoriert dabei die neuen Möglichkeiten, die sich den Hannoveranern ergeben hatten und geht von unhaltbaren Annahmen aus, die einer näheren Betrachtung nicht standhalten. Den Hannoveranern gelang es, über ihr Familien-Netzwerk, ihr Geld und ihre Geheimdienste, das französische Könighaus zu stürzen, Österreich-Ungarn in die Knie zu zwingen, Napoleon zu schlagen und auch das Osmanische Reich zu beenden.

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Es bestand aber kein vernünftiger Grund dafür, dass sich die Hannoveraner in England, Deutschland und Russland gegenseitig bekämpften. Die eigentliche Bedrohung für sie bestand aus der immer stärkeren, gebildeteren und wohlhabenderen Bevölkerung. Je besser es den Bürgern ging, umso weniger sahen diese es ein, eine dekadente und totalitär agierende Oberschicht durchzufüttern. Die Fortführung der Herrschaft konnte nur gesichert werden, indem die Bevölkerung durch Kriege und Wirtschaftskrisen regelmäßig dezimiert, demoralisiert, traumatisiert und enteignet wurde. Gleichzeitig musste die Herrschaft zunehmend komplizierter und versteckter organisiert werden mit allerhand Strohmännern, Strohmann-Organisationen und geheimen Strukturen, weil eine direkte und offene Herrschaft zuhause und in den Kolonien unbezahlbar geworden wäre. Die Britischen Kolonien in Amerika ermöglichten den Bürgern dort ein ungekanntes Maß an Selbstbestimmung und Chancen auf Wohlstand. Es gab nicht einmal ansatzweise genügend britische Truppen, um jederzeit die Dominanz des Königs via Waffengewalt abzusichern auf den endlosen Weiten Nordamerikas. Es wäre eine Frage der Zeit gewesen, bis freie Amerikaner sich gegen die Krone verschwören und ihre Abspaltung vom Empire planen. Und so kam die Krone dem anscheinend zuvor, indem man eine Revolution inszenierte, einen begrenzten und komplett überflüssigen Unabhängigkeitskrieg kämpfte und dabei die Bürger Amerikas in die Pleite trieb. Fortan dachten die gewöhnlichen Amerikaner, sie seien frei, obwohl elitäre Freimaurer (=britische Agenten) über ihnen die Kontrolle hatten über das Geld, die Industrie und das Militär. Rund 70 Jahre später brach man den komplett überflüssigen amerikanischen Bürgerkrieg vom Zaun, der wiederum nur dem Ziel diente, Bürger auszulöschen und in die Pleite zu treiben. Die Hannoveraner und ihre Abkömmlinge behielten auch weiterhin die Kontrolle. Rund 60 Jahre später folgte ein von den Hannoveranern angezettelter Weltkrieg, in dem formell das von Hannoveranern dominierte Deutschland gegen das von Hannoveranern dominierte Russland und gegen das von Hannoveranern dominierte Britannien (mit den USA im Rücken) kämpfte. Ein scheinbarer Familienkrieg, der aber wieder nur einen Haufen gewöhnlicher Menschen tötete und einen Haufen Wohlstand vernichtete.

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Gleich im Anschluss an den ersten Weltkrieg folgte die „Revolution" in Russland. Formell hatten die britischen, amerikanischen und deutschen Hannoveraner gemeinsam einen Haufen Kommunisten ausstaffiert, um die russischen Hannoveraner (Romanow) zu stürzen und zu ermorden. Der regierende Zar sah aus wie der Zwillingsbruder des deutschen Kaisers. Allerdings gab es 1918 keinen einzigen schlüssigen Beweis dafür, dass die Zarenfamilie tatsächlich von betrunkenen Revolutionären hingerichtet wurde. Erst viele Jahrzehnte später, nach dem Ende der Sowjetunion, präsentierten russische, britische und amerikanische Wissenschaftler einen angeblichen DNABeweis anhand von Knochenresten aus einem Waldfund, der aber leicht hätte manipuliert werden können. Vielleicht wurden die Romanows einfach nur heimlich an einen anderen, geheimen Ort gebracht und nur formell durch die Kommunisten ersetzt, um einer echten Revolution zuvorzukommen. Europa und die USA förderten mit endlosen Lieferungen an moderner Technologie den Umbau Russlands zur Sowjetunion und festigten damit auch Moskaus grausame Kontrolle über die sowjetischen Satellitenstaaten. Die Sowjetbürger wurden in relativer Armut und absoluter Unfreiheit gehalten. Die Angloamerikaner brachten vor dem Zweiten Weltkrieg eine Menge Industrie nach Deutschland und förderten die Nazis. Der Krieg brachte wieder eine Menge gewöhnlicher Menschen um und sorgte bei den gewöhnlichen Menschen wieder für Armut und Traumatisierungen. Offiziell bedeutete das Ende des Krieges auch das Ende des britischen Imperiums, was aber an der eigentlichen Herrschaftsstruktur nichts veränderte. Die britische Kolonie China, voll mit britischen Spionen, wurde absichtlich in einen desaströsen Bürgerkrieg mit den Kommunisten verwickelt, Amerika lieferte den Kommunisten mehr Munition als den Nationalisten und schließlich formte sich eine kommunistische Regierung, die ihre eigenen Bürger massakrierte und versklavte. Natürlich gab es fortan massive wirtschaftliche Hilfen aus dem Westen für China. Der Ost-West-Konflikt zwischen Kapitalismus und Sozialismus führte zu einer weiteren Zentralisierung von Macht, zu massiver neuer Rüstung und zu verschiedenen Stellvertreterkriegen wie in Korea oder Vietnam.

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Das echte Game of Thrones

Bild: Louis Mountbatten, Allan warren/CC BY-SA 3.0 In der Politikwissenschaft lehrt man heute immer noch die Vorstellung eines „brummenden Chaos", das auf der Welt herrschen soll. Ständig wechselnde

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Politiker, gravierende Veränderungen in der Wirtschaft, die wechselnde Popularität von Ideologien und die allgemeine Verwirrung durch widersprüchliche Medien und Akademiker erzeugen tatsächlich den Eindruck eines hochkomplexen Gewirrs. Mit viel zu kurz gegriffenen Ideen wird erfolglos versucht, das Gewirr ansatzweise besser zu verstehen; beispielsweise ist hier die Klassenkampftheorie zu nennen oder das rationale Eigeninteresse. Die mittelalterliche und spätmittelalterliche Welt erscheint uns dagegen vergleichsweise simpel und manche Menschen heute sehnen sich sogar nach solchen Zuständen, wo jeder „seinen festen Platz" und seine feste Identität hatte und die Machtverhältnisse geklärt waren. Allerdings kannten auch die Eliten des Mittelalters Geheimstrukturen und clevere Methoden der Kontrolle, weswegen die Zustände damals alles andere als fest und organisch waren. Die Identität und das Denken der unterschiedlichen Menschen wurden fest von oben kontrolliert und die Ausbeutung war genauso professionell gestaltet wie die künstliche Verarmung und Verdummung. Das Problem der Eliten damals war, dass man aus all den armen Bauern und Handwerkern nicht sonderlich viel an Geld und Gütern herauspressen konnte, es gab zu wenig Forschung und abgemagerte Bauern machten zudem schlechte Soldaten. Die Frage lautete also: Wie kann man als Elite davon profitieren, einer breiteren Bevölkerung mehr Macht und Wohlstand zu geben, ohne dabei seine eigene Führungsmacht einzubüßen? Die Antwort lag im Geheimdienstwesen, dem Studium der Fehler vergangener Imperien und der Psychologie. Damit ließen sich modernere Strukturen erschaffen, die freier und komplexer wirkten, sich aber nach wie vor unter Kontrolle der alten Eliten befanden. Miteinander verwachsene europäische Königshäuser und weitere Familien des Hochadels bildeten mit ein paar hundert Mitgliedern den Kern der Macht. Soviel ist relativ gesichert. Erst in der Folgezeit erschien die europäische Gesellschaft immer komplizierter und chaotischer. Wer aus diesen Clans formell auf den Königsthronen saß und die (lästigen und langweiligen) zeremoniellen Aufgaben übernahm, war nicht so wichtig. Ganz oben in der Hierarchie hatten wir höchstwahrscheinlich einen Rat der ClanChefs und eine Stufe darunter den Familiengeheimdienst, dessen Mitglieder sich über die halbe Welt verteilten. Die innere Ordnung dieser beiden Organisationen wäre ausschlaggebend gewesen, wieviel jemand wirklich zu sagen und zu entscheiden hatte. Jemand, der nach außen hin den Titel eines Königs trug, war also nicht unbedingt eines der mächtigsten Individuen aus dem ClanGefüge. Es war sogar relativ nützlich zum Zwecke der Vernebelung der tatsäch-

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liehen Machtverhältnisse, wenn der König nach außen etwas schrullig wirkte und sich permanent herumstritt mit den Parlamenten. Der Familiengeheimdienst schuf, erweiterte und kontrollierte laut meiner Hypothese immer mehr gesellschaftliche Institutionen, die sich untereinander in Schach hielten und überwachten: •

Justiz: Wer davon träumen wollte, ein höheres Richteramt und den damit verbundenen Wohlstand zu genießen, musste die Auswahlprozesse der Eliten-Kaderschmieden durchlaufen, im Freimaurertum Mitglied sein und sich erpressbar machen. Die Macht des einzelnen Richters war natürlich von oben strikt begrenzt und hatte zum Ziel, die Bevölkerung zu verwalten



Kirchen: Die höheren Kirchenämter waren nur für absolut systemtreue Personen vorgesehen und gepredigt wurde strikte Treue zum König



Universitäten: Die Königshäuser bezahlten die Universitäten und installierten dort auch jede Menge Geheimdienstler und Geheimgesellschaften.



Die offiziell existierenden Geheimdienste: Erst ab dem beginnenden 20. Jahrhundert gab man vermehrt die Existenz von formell eingerichteten Diensten zu. Diese Dienste wurden wahrscheinlich durch den obersten Familiengeheimdienst des Hochadels geschaffen und verwaltet. Die gewöhnlichen Geheimdienste spionierten andere Institutionen der Gesellschaft aus und unterlagen dabei auch einer gewissen Kontrolle der Justiz und der Politik. Selbstverständlich können Leute aus dem Geheimdienst auch gleichzeitig Politiker sein, Freimaurer etc.



Logen: Diese sind eine Mischung aus nachrichtendienstlichen Zentren, esoterischen Kirchen, Sekten und wohltätigen Einrichtungen. Mitglieder konnten nur diejenigen werden, die beruflich irgendwie von Interesse für die Obrigkeit waren und Zugang zu relevanten Informationen hatten. Die Logen überschnitten sich mit allen möglichen anderen Institutionen der Gesellschaft.

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Politische Parteien: Politische Karrieren waren abhängig von Beziehungen, Geld, Mitgliedschaft bei den Freimaurern und anderer heimlicher Hilfe. Es war auf diese Weise leicht, individuelle Politiker zu steuern und ggf. zu vernichten. Die Parteien waren zudem kontrolliert durch die Justiz und die Geheimdienste. Mit dem nötigen Geld konnte man engstirnige und auch fanatische ideologische Literatur populär machen, um das Denken politisch interessierter Bürger zu steuern.



Polizei: Über die Beamtenlaufbahn des einzelnen entschieden höhere Beamte, die wiederum die Bildungseinrichtungen der Elite durchlaufen haben. Natürlich lief auch hier ohne Logenmitgliedschaft nichts.



Militär: Hier gilt das gleiche wie bei der Polizei.



Medien: Wer zahlt, schafft an. Die Eliten konnten Zeitungen bezahlen und zunehmend vertuschen, wer die Fäden zieht.



Mafia: Das organisierte Verbrechen beackerte die illegalen Geschäftsfelder und machte die Schmutzarbeit



Oligarchen: Weil die Adeligen nicht offen den kapitalistischen Markt beherrschen wollten, bauten sie über ihre Geheimdienste diverse Konzernbosse und Großbanker als Strohmänner auf.

Damit dieses System funktionieren konnte, muss jedes einzelne Element von dem Familiengeheimdienst der Adelshäuser überwacht werden und zusätzlich müssen die einzelnen Elemente des Systems sich gegenseitig überwachen. Nur mit einer strikten Abschottung von Informationen, mit Methoden der Erpressung, genügend Drohpotenzial, Indoktrinierung und einer hochdisziplinierten Organisation lässt sich ein solches System aufrechterhalten. Faschistische oder offen kommunistische Systeme benötigen nicht dieses Maß an heimlichen Strukturen, leiden aber an den altbekannten Problemen wie mangelnde Produktivität und passiver Widerstand der Bevölkerung. Wenn eine Einheitsideologie vorgeschrieben ist und man nur durch Beziehungen aufsteigen kann, erlahmt nach und nach alles.

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Hingegen bot das neue verdeckte System der Adelshäuser eine bunte Spielwiese für die Bevölkerung und genügend Anreize, um wirtschaftlich produktiv zu sein und sich politisch zu betätigen. Jeder Bürger kann sich Überzeugungen und seinen Glauben herauspicken und versuchen, Karriere zu machen, oder sich in der Politik abzustrampeln. Je mehr der Normalmensch aufsteigt, umso mehr muss er sich verwickeln in das System und umso stärker kontrollierbar wird er. An der Uni braucht man wohlwollende Professoren mit Verbindungen und man muss Mitglied von einflussreichen Studentenverbindungen werden. In der Geschäftswelt später stößt man früher oder später auf die Mafia, man konkurriert mit den Großkonzernen der Oligarchen, man braucht Geld von Großinvestoren, man braucht politische Kontakte als Schutz, man muss Logenmitglied werden um die Aussicht auf eine Bevölkerung zu haben, man muss sich irgendwie die Justiz und das Finanzamt vom Hals halten. Wer sich hier nicht gut stellt mit den Eliten, der wird nicht sonderlich wohlhabend werden, sondern auf einem relativ niedrigen Niveau verharren. Wer rebelliert, kann von 20 verschiedenen Seiten aus angegriffen werden, ohne dabei überhaupt zu bemerken, dass eine einheitliche Elite existiert. Die Medien, die Bildungseinrichtungen und die Politik schüren ein Höchstmaß an Verwirrung darüber, wer nun welche Fäden zieht und wie die Machtverhältnisse aussehen. Die Verschwörungsliteratur hinterfragte zwar dieses scheinbare Chaos und ließ sich nicht so einfach abspeisen, verrannte sich jedoch in einem Labyrinth aus Mythen und Märchen. In jeder gesellschaftlichen Gruppe und Institution existierte natürlich auch eine ungesunde Dynamik wegen Narzissmus und Psychopathie, was die gewöhnlichen Menschen beschäftigt hielt und darüber hinaus wieder mehr Verwirrung stiftete, sodass individuelle Gier als Ordnungsmechanismus Überall aktive und passive Förderung von Persönlichkeitsstörungen. Hält die Bevölkerung auf Trab und die Obrigkeit muss nicht selbst direkt die Bevölkerung drangsalieren. Narzissmusn und Psychopathie überall eingeströmt, sodass sich keine gesunden Organisationen bilden können.

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Ein Haus namens Hannover

Bild: Sodacan, CC BY-SA 3.0 Genauer gesagt geht es um das Haus Hannover - Hessen-Cassel - SachsenCoburg Gotha, Glücksburg-Sonderburg - Strelitz- Oranien - Nassau - Däne-

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mark - Romanow. Und selbst dieses Bündel an Namen ist nur eine Abkürzung, denn von Generation zu Generation vermehrten sich die Mitglieder dieser Großfamilie und sammelten verschiedene Titel, agierten in unterschiedlichen Ländern und machten die ganze Angelegenheit noch komplizierter. In überschaubaren Diktaturen wie in Nordafrika vor dem arabischen Frühling sahen wir, wie es aussieht, wenn eine offene Herrschaft in die dritte Generation übergeht: Die Nachkommen und Verwandten des ursprünglichen Diktators hatten sich überall im Staat breitgemacht, wo es wichtige und lukrative Positionen gab, ob nun beim Militär, den Konzernen, oder der Verwaltung. Die verarmte Bevölkerung wurde unmissverständlich und mit altbackenen Methoden und Rechtfertigungen unterdrückt; das Ganze lief in etwa auf dem Niveau der mittelalterlichen Methoden, die Machiavelli beschrieben hatte. Unter dem Vorwand äußerer und innerer Feinde und mit Hilfe staatstreuer islamischer Prediger konnte die Regierung ein gewisses Maß an Grausamkeit und Abschreckung nutzen, um sich an der Macht zu halten, aber im Laufe der Zeit drängte die Bevölkerung, genauso wie der Mittelbau der Gesellschaft und sogar Leute aus der Diktatorenfamilie schrittweise auf eine Modernisierung und Öffnung der Gesellschaft. Wir sahen einen Rückgang des Einflusses der radikalislamischen Prediger, mehr Bildung für Frauen, mehr Wissenschaft, mehr wirtschaftlichen Erfolg und (auch durch das Internet) mehr Zugang zu unzensierten Informationen. An diesem Punkt hätten die Diktaturen den nächsten großen Sprung wagen und das System der westlichen Großmacht größtenteils kopieren können, mitsamt großer Mittelschicht, freier wirkenden Parteien und vielen anderen Institutionen, die heimlich aus dem Hintergrund gesteuert werden. Genauso wie in Europa das fanatische Christentum und die offene Herrschaft des Adels beendet wurden, hätten die nordafrikanischen Diktatoren den Fortschritt einleiten können, aber genau dann finanzierten angloamerikanische Kreise die Revolutionen des arabischen Frühlings und drehten damit die Uhr zurück. Die Fanatiker der Muslimbruderschaft kamen an die Macht, diverse Warlords und andere Verrückte. Vorbei war es mit dem Fortschritt.

Dem Haus Hannover scheint es vor über 200 Jahren gelungen zu sein, eine moderne und versteckte Ordnung zu etablieren mit Strohmännern, Tarnfirmen, politischen Marionetten und ideologischer Desinformation zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse. Im Werkzeugkasten für die Absicherung der

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Macht fehlte zwar dann das theatralische und gebieterische Auftreten der Monarchen und das kirchlich abgesegnete Gottesgnadentum, aber die neuen Werkzeuge waren viel besser. Eines der besten neuen Werkzeuge war die Möglichkeit, dass verwandte Adelige aus verschiedenen Fürstentümern und Ländern Kriege gegeneinander anzetteln konnten, um die aufmüpfigen Bevölkerungen zu schwächen und deren Fortschritt zu bremsen. Das reine Verwandtschaftsverhältnis allein beweist noch keine enge und koordinierte Zusammenarbeit, sondern wir müssen eine wesentlich breitere Untersuchung vornehmen und uns auf das Wesentliche konzentrieren. Normalerweise existiert über alle möglichen Themen eine große Menge an kritischer Literatur unterschiedlicher Qualität, vom sachlich-wissenschaftlichem Buch bis hin zum sensationsgeilen und unseriösen Machwerk. Die sachlichsten Bücher sind oft am langweiligsten und am softesten gegenüber mächtigen Kreisen. Die unseriösen Bücher erfüllen am wenigsten wissenschaftliche Qualitätsstandards, aber sie fühlen sich am spannendsten an, weil sie ihre Ziele am vehementesten angreifen. Jeder noch so schräge, politisch extreme SachbuchFetisch wird normalerweise vom Buchmarkt und Webseiten bedient. Auch die deutschen Gesetze können Deutsche nicht daran hindern, im Internet auf massenweise Material zuzugreifen, das Holocaustleugnung enthält oder Hitlerverehrung. Wenn jemand Texte haben will, die sich um eine jüdische Weltverschwörung drehen, dann wird derjenige sofort einen gigantischen Berg davon finden. Bei manchen Themen jedoch herrscht eine höchst ungewöhnliche Flaute an Material. Sucht man Sachbücher über die simple Frage nach möglichen ausländischen Spionen in den höchsten Reihen der Nazi-Führung, wird man fast gar nichts finden. Ein paar Werke vielleicht, die Martin Bormann verdächtigen. Oder Canaris. Ansonsten? Ein einziges Trash-Buch über Hitler als britischer Agent, welches aber so schlecht ist, dass man es getrost vergessen kann. Sucht man nach stark kritischer, investigativer Literatur über die Macht der britischen Königsfamilie und deren großer Verwandtschaft, steht man auch erst einmal vor dem Nichts, Der Tod von Diana führte zu ein paar wirklich kritischen Büchern, die aber eben nur den einen mysteriösen Todesfall behandelten und Mordtheorien über königliche Strippenzieher erstellten. Der Skandal um Kin-

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desmissbrauch in dem Heim Kincora führte zeitweise zu Anschuldigungen gegen Lord Mountbatten, den Onkel von Prinz Philip. Das Buch „War of the Windsors: A Century of Unconstitutional Monarchy" bietet dazu etwas Hintergrund, stellt aber keine systematische Untersuchung dar von den größeren Machtstrukturen der Royais. Da die Royais laut der offiziellen Sichtweise keine echte Macht mehr besitzen, sondern nur noch ein paar symbolische Zeremonien abhalten, geben Verlage kein Geld aus um Sachbücher zu veröffentlichen, die diese Sichtweise in Frage stellen. Gedruckt wird nur Positives und Belangloses über die Windsors. Historische Betrachtungen früherer Monarchen aus den Linien Sachsen-Coburg und Gotha sowie Hannover sind da schon interessanter, genauso wie kritische Geschichtsbücher über das britische Imperium, aber leider fehlt in solchen Werken die geheimdienstliche Betrachtung, die psychopathologische Betrachtung sowie die kriminologische Betrachtung. Außerdem galt ja nach dem Zweiten Weltkrieg das Empire offiziell für beendet und die Historiker haben dies leider nie in Zweifel gezogen. David Icke hat zwar verhältnismäßig oft über das britische Königshaus und den Tod von Diana gesprochen, aber er ging gleichzeitig hausieren mit der Idee, dass es sich bei den Royais um Reptiloiden handelt, die ihre Form verändern können. Icke ist auch überhaupt nicht bekannt für eigene, systematische Forschungen, sondern er bietet ein Kaleidoskop an verschiedensten Sachen, die er irgendwo aufgeschnappt hat. Auch die Organisationen von Lyndon LaRouche fokussierten zeitweise vermehrt auf die Royais, aber dies ist schon eine lange Zeit her und man muss einzelne, relativ kurze Artikel zu dem Thema herauspicken aus einer Reihe von LaRouche-Pamphleten von fragwürdiger Qualität. Alex Jones sprach vor Jahren öfters von den Royais, ohne aber allzu konkret zu werden und nach eigenen Angaben laserja in den vergangenen 10 Jahren nur rund 20 Bücher, also kann man hier nicht viel erwarten. Dann gibt es noch ein paar kritische aber nicht allzu harte Dokus, die im Netz zu finden sind, wie von dem iranischen, englischsprachigen Sender PressTV, der inzwischen seine Sendelizenz für europäische Satelliten verloren hat. Darin

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geht es um Sachverhalte, die auch schon vereinzelt von größeren britischen Zeitungen behandelt wurden. Zum Beispiel weiß man inzwischen, dass Prinz Charles ein Veto-Recht hat um Gesetze im Parlament zu blocken, dass er in handschriftlichen Briefen an Abgeordnete seine Wünsche und Vorstellungen mitteilt, dass die Royais erstaunlich viel Land und Firmenanteile und weitere lukrative Geldquellen besitzen, dass der Steuerzahler die Royais mit 200 Millionen Pfund pro Jahr subventioniert und dass die Royais keine Steuern zahlen und den Gerichten unterworfen sind wie normale Bürger. Und dann findet man noch ein paar Underground-Dokus auf Youtube und ein paar Blog-Artikel im Netz, in denen den Royais organisierter Kindesmissbrauch und sogar satanische Ritualmorde vorgeworfen werden, ohne natürlich direkte Beweise zu liefern. Stattdessen werden zum Beispiel posthume Ermittlungen zitiert gegen den ehemaligen Medienstar Jimmy Savile, der mit dem hohen Adel verbunden war und selbst einen Titel erhalten hatte, oder den ehemaligen Premierminister Edward Heath. Selbst dann, wenn man solchen Kreisen alles zutraut, muss man dennoch sauber arbeiten, weil man sich ansonsten natürlich unprofessionell verhält, seine Glaubwürdigkeit untergräbt und sich angreifbar macht für Verleumdungsklagen. Die wenigen Untergrunddokus, die die härtesten Vorwürfe äußern, wurden bisher noch nicht sonderlich oft aufgerufen und wären auf Youtube und im Netz sehr leicht zu sperren, weil sie die Nutzungsbedingungen verletzen und urheberrechtlich geschütztes Material ohne Lizenz verwenden. Vor dem 20. Jahrhundert war es viel schwieriger, wirklich heikle Informationen über das Haus Hannover und den polltischen Apparat Großbritanniens zu beschaffen, die über typische Skandale hinausgehen. Die Monarchen hatten es sich auch zur Angewohnheit gemacht, ihre vielen handschriftlichen Aufzeichnungen und Korrespondenzen nach ihrem Tod verbrennen zu lassen. Zudem gab es immerzu strengste Gesetze zur Geheimhaltung, denen jeder einzelne Bürger des Empires unterworfen war, es existierte keine wirklich unabhängige Justiz, keine wirklich freie Presse und die Polizeibehörden und Geheimdienste waren alle auf die Krone eingeschworen.

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Jimmy Savile Der verstorbene "Sir" James Wilson Vincent Savile, Träger des britischen Rittertitels sowie des Order of the British Empire und des katholischen Gregoriusordens, war ein überaus prominenter DJ und BBC-Fernsehmoderator und gilt nun als einer der größten Kinderschänder aller Zeiten. Die Vorfälle reichen bis hin zum Missbrauch von jungen, teils schwerkranken Patienten in Kinderkrankenhäusern, in denen Savile als Großspender ein- und ausgehen konnte wie es ihm beliebte. Zu seinen Freunden zählte Savile Personen aus dem Königshaus wie etwa Prinz Andrew und Prinz Charles, dessen enger Berater er wurde für Beziehungsanlegenhelten (!), wobei Prinzessin Diana ihn für gruselig hielt. Er erhielt auch ein höchst ungewöhnliches Maß an Zugang zu den Palästen der Royais.' Eine Dame erzählte ihrer Therapeutin Valerie Sinason von düsteren okkulten Ritualen in den Kellerräumen des Stoke Mandeville-Krankenhauses im Jahr 1975. Als junges Mädchen will sie Savile erkannt haben unter den Männern in zeremoniellen Roben. Eine zweite Frau sprach zu Sinason von einem sehr ähnlichen Szenario fünf Jahre später. Ein neuerer Bericht der Polizei enthält diese Punkte über Rituale nicht, da sie praktisch nicht überprüfbar sind. Lange arbeitete Savile für die BBC und moderierte 1964 dort die erste Ausgabe von Top o f t h e Pops. Sein Ruf war der eines Wohltätersauf Grund der Unterstützung diverser gemeinnütziger Organisationen und Kinderkrankenhäuser. Nach seinem Tod im vergangenen Oktober tauchten neue Vorwürfe auf, dass er auf der Höhe seines Erfolgs in den 1960er und 1970er Jahren zahllose Mädchen im Teenageralter missbraucht hätte. Im Oktober 2012 begann die Metropolitan Police eine Voruntersuchung der Beschuldigungen und initiierte eine Kooperation mit der National Society for the Prevention of Cruelty to Children (NSPCC). 2007 wurde der rüstige Savile von Polizisten befragt wegen Missbrauchsvorwürfen die auf die 1970er Jahre zurückgingen. Letztendlich sah die Staatsanwaltschaft keine genügenden Beweise für sein Fehlverhalten an der inzwischen geschlossenen Duncroft Approved School for Girls, die er regelmäßig besuchte.Im März 2008 unternahm er rechtliche Schritte gegen die Zeitung the Sun,

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die ihn in mehreren Artikeln in Verbindung brachte mit dem Misshandlungsskandal beim Jersey-Kinderheim Haut de la Garenne. 160 Menschen haben Anzeige erstattet wegen Missbrauch, der eine Zeitspanne von rund 60 Jahren betrifft. Die anfänglichen Leugnungen, jemals Haut La Garenne besucht zu haben wurden mit der Veröffentlichung eines Fotos beantwortet, das ihn genau dort umgeben von Kindern zeigte. Sein Name wurde im Zuge der Ermittlungen mehrfach genannt. Die States of Jersey Police erklärte, dass für die Vorwürfe über mögliche Vorgänge in den 1970er Jahren inzwischen zu wenige Beweise existieren. Der leitende Ermittler berichtete 2008 dort sogar von Kinderknochen in der Erde, nachdem bei Bauarbeiten ursprünglich Kinderschuhe gefunden worden waren. Auch von Metallfesseln und Geheimkammern war die Rede. Nach seiner prompten Absetzung behauptete sein Nachfolger, es hätte sich lediglich um Tierknochen und Kokosnussschalen gehandelt. Der Sender ITV1 strahlte am 3. Oktober einen Dokumentarbeitrag aus mit dem Titel "The Other Side Of Jimmy Savile" aus. Die Recherche betrieb der ehemalige Polizeiermittler Mark Williams-Thomas, der bereits 2001 im Kindersex-Fall John King erfolgreich war. Mehrere Frauen beschuldigten Savile in dem Programm und nach der Ausstrahlung meldeten sich weitere. Man fand Savile tot in seinem Haus in Leeds am 29. Oktober 2011, zwei Tage vor seinem 85. Geburtstag. Edward Heath Sir Edward Heath, Mitglied im "Most Noble Order of the Garter" und im "Order of the British Empire" diente als Prime Minister des Vereinigten Königreichs von 1970 bis 1974 für die Conservative Party, also in einem Zeitraum, in dem das Empire offiziell schon längst untergegangen war und die Royais nur noch zeremonielle Figuren gewesen sein sollen.

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Bild: Heath (links) mit der Queen und US-Präsident Nixon Heath galt sein ganzes Leben lang als sexuell völlig desinteressiert und heiratete nie, obwohl dies eigentlich gesellschaftlich erwartet wurde. So umgaben ihn dann auch immerzu Gerüchte, homosexuell zu sein, was ihn gemäß den damaligen absurden Gesetzen zu einem Schwerverbrecher gemacht hätte. Das Verbotsgesetz über jegliche Form von Sex zwischen gleichgeschlechtlichen Personen von 1885 war erst 1967 aufgeweicht worden, wobei auch danach noch mehr als 15000 Männer verurteilt wurden. Vor 1967 reichten die Strafen bis hin zu einer lebenslangen Inhaftierung. Danach durfte der Sex nur in der strikten Privatsphäre geschehen, es durften nicht mehr als zwei Personen daran teilnehmen und es durften keine Film- und Fotoaufnahmen davon angefertigt werden. Sogar noch im Jahr 1998 wurden Männer in Bolton wegen Verstößen zu Bewährungsstrafen verurteilt. In Schottland und Nordirland galten noch bis in die 1980er Jahre hinein die alten Regelungen von vor der Liberalisierung und auch das Militär blieb bei der harschen Linie von zuvor. Sogar leichtes Flirten zwischen Männern oder der Aufenthalt an öffentlichen Orten zum Treffen von

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anderen Homosexuellen war verboten, und die Polizei nutzte verdeckte Ermittler und Razzien, um diese Aktivitäten zu unterbinden. 2 Falls der junge Adolf Hitler sich tatsächlich über ein paar Monate hinweg in Großbritannien aufgehalten hatte (siehe späteres Kapitel in diesem Buch) und dort versuchte, wie zuvor in Wien die Schwulenszene abzuklappern, dann wäre er wohl ziemlich schnell von der Polizei entdeckt worden. Akten über diesen Vorfall hätten später während seiner Politikerkarriere benutzt werden können, um ihn zu erpressen. Edward Heath wäre sein ganzes Leben lang erpressbar gewesen und wäre somit unter der Kontrolle gestanden von dem Netzwerk aus freimaurerischen Polizisten, Geheimdienstlern und Richtern, die Beweismaterial in den Händen hielten. John Campbell veröffentlichte 1993 eine Biographie über Heath und schlussfolgerte schlaff, dass jener einfach gar keine Sexualität gehabt hätte, wobei in einer Fußnote die Rede ist von einem "verstörenden Vorfall" zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Im August 2015 begannen mehrere posthume Ermittlungen bei unterschiedlichen Polizeibehörden, nachdem mehrere Zeugen Vorwürfe geäußert hatten über Kindesmissbrauch. Kurz zuvor war der Starmoderator Jimmy Savile, auch bereits verstorben, als extrem aggressiver und hinterhältiger Vergewaltiger von Kindern entlarvt worden und weitere noch lebenden Prominente wurden ähnlicher Verbrechen beschuldigt. In den vergangenen Jahrzehnten waren zwar die Behörden zwar immer wieder in Kenntnis gesetzt worden von Opfern und Angehörigen der Opfer, allerdings wurden Ermittlungen nie begonnen oder sofort wieder beendet. Die Beschuldigten hatten nicht nur viel Geld, sondern auch einflussreiche Freunde. Heath war natürlich ein ganz anderes Kaliber als die Fernsehpromis wie Savile und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass der Fall unter den Teppich gekehrt werden sollte. Ein Ermittlungsbericht von 2017 legt nahe, dass sieben von den 42 untersuchten Fällen angeblichem Kindesmissbrauchs zumindest glaubhafte Anschuldigungen enthalten, sodass er heute, wäre er noch am Leben, sich einer Befragung stellen müsste. Nach so langer Zeit und angesichts der

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Zustände im britischen Rechtssystem ist aber nicht zu erwarten, dass sich sonderlich viel daraus ergeben wird. Es gibt rund 30 Zeugen und erfahrene Ermittler, die ernsthaft davon ausgehen, dass Heath von einflussreichen Kreisen abgeschirmt wurde. Außerdem ähneln sich die Zeugenaussagen deutlich, obwohl die verschiedenen Zeugen sich überhaupt nicht kannten. Den Vorwürfen zufolge scheint Heaths Leidenschaft frühpubertierenden Jungs gegolten zu haben. So soll er beispielsweise im Jahr 1961 Sex mit einem 12jährigen Jungen gehabt haben. Die Polizei hätte angeblich, wie in anderen Fällen, seinerzeit Ermittlungen gebremst und gestoppt, wobei Heath als Premierminister des Vereinigten Königreichs komplett erpressbar gewesen wäre. Baronin Castle, die in den 70er Jahren Mitglied der Labour-Regierung gewesen war, behauptet, dass er Jungs mit auf seine Yacht mitgenommen hätte. Ein Mann erklärte, in den 60er Jahren als 12-jähriger von Heath im Auto mitgenommen und in dessen Wohnung gelockt worden zu sein. Was die Klärung des Falles erschwert, sind Zeugenaussagen einer einzelnen Person über rituellen Missbrauch, die von Therapeuten als Erfindungen und falsche Erinnerungen gewertet werden. Die deutsche Expertin Matha Schalleck hingegen zweifelt hingegen an, dass "falsche Erinnerungen" über hochtraumatische Erlebnisse von einem Therapeuten dem Patienten eingeredet werden können. Haut de la Garenne, der North Wales-Skandal, Kincora und Dunblane Haut de la Garenne begann 1867 als Schule für junge Leute aus der Unterschicht und Benachteiligte, was soviel bedeutete wie wehrlose Kinder, die niemanden hatten, der sie beschützt. 2006 begannen die Untersuchungen über Kindesmissbrauch aus früheren Jahrzehnten und es resultierten nur sehr wenige Anklagen und Verurteilungen. Jimmy Savile war dort gewesen und wahrscheinlich auch andere einflussreiche Gäste, aber es gab keine Verurteilungen irgendwelcher lebender, einflussreicher Personen. Auch beim North Wales-Skandal gab es aufwändige, aber dennoch nur eingeschränkte Ermittlungen. Die Regierung wollte den Eindruck erwecken, jeden Stein umgedreht zu haben, dass letztendlich nur Einzelpersonen Täter waren, und keine organisierten Pädophilen-Ringe einflussreicher Leute existierten.

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Es ging um mehrere Kinderheime in Clwyd and Gwynedd, darunter das Bryn Estyn children's home. Eine Abgeordnete, die einen unveröffentlichten Bericht sehen durfte, sprach von Sex zwischen Kindern und Tieren, sowie von Folter. Mehrere Personen erhielten Haftstrafen, niemand davon war eine Person von großem Einfluss. Allerdings waren die Ermittlungen auch nur recht eng gefasst und man suchte überhaupt nicht nach einflussreichen Tätern. Nach dem SavileSkandal wurde die Sache neu aufgerollt und plötzlich gab es doch den Verdacht auf mächtige pädophile Besucher damals. Die untersuchten Vorfälle aus North Wales führten 2014 zu der Verurteilung des Besitzers mehrerer betroffener Heime, John Allen, zu lebenslanger Haft. Das "Kincora Boys' Home" war ein Kinderheim in Belfast {Nordirland), über das 2016 eine Ermittlung begann wegen organsiertem Kindesmissbrauchs. Am Ende wurden nur drei Angestellte aus der damaligen Zeit verurteilt, während die Verdächtigungen sich sogar auf Geheimdienstler und andere einflussreiche Personen erstreckten. Natürlich konnten die Geheimdienste nicht gezwungen werden, ihre möglicherweise vorhandenen Daten herauszurücken. Bereits 1980 landeten Anschuldigungen bereits in der Zeitung Irish Independent. Im April 1990 veröffentlichte das Magazin "Now" aus Dublin die Anschuldigung, dass Lord Mountbatten, der Spion Anthony Blunt und andere Teil eines elitären Netzwerks seien, das regelmäßig Orgien feiert. Diese Behauptungen wurden auch von Verschwörungsbloggern ausgeschlachtet, obwohl keine Beweise existieren. Louis Mountbatten war Onkel von Prinz Philip, dem Ehemann der britischen Königin Elisabeth II. 1979 starb er bei einem Bombenattentat der Provisional Irish Republican Army (IRA).

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Foto: Louis Mountbatten

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Ein Opfer des Kincora-Missbrauchs, erklärte, dass er zusammen mit anderen Kindern damals auch zu Sex-Partys mit einflussreichen Personen nach London gebracht worden war zum Dolphin Square, wo viele Politiker, Adelige, Beamte und Geheimdienstler wohnten. 3 Verdächtigungen gegen Lord Mountbatten landeten auch in dem Buch „Warof the Windsors: A Century of Unconstitutional Monarchy". Die investigative Nachrichtenseite www.exaronews.com soll auch einen ehemaligen MI6-Geheimdienstchef genannt haben als Beschuldigten der SexPartys, unter Verweis auf die Aussage eines der Kincora-Opfer, allerdings ist die Seite nicht mehr aktiv. Exaro hatte mehrfach beachtenswerte Berichte abgeliefert und stellte dann 2016 überraschend den Betrieb ein. Die Metropolitan Police hatte sich bei den Ermittlungen im Zuge der "Operation Midland" auf Aussagen eines Zeugen „Nick" verlassen, der von zu Exaros wichtigsten Quellen zählte. Die Untersuchung blieb stecken und wurde beendet. Der Finanzier von Exora, Jerome Booth, lehrte in Oxford und arbeitete für die stinkreiche Londoner Ashmore Group.4 2013 hätten eigentlich Dokumente zu dem Fall Kincora wegen der 30-JahreRegelung veröffentlicht werden müssen vom Public Record Office of Northern Ireland (PRONI), was aber seltsamerweise ausblieb. 2014 sagte der ehemalige Agent des Militärgeheimdienstes Colin Wallace, dass eine neue Untersuchung Zugang zu Material der Geheimdienste haben müsse. Im selben Jahr meinte der ehemalige Agent Brian Gemmell, dass er seinerzeit von seinen Vorgesetzten ausgebremst worden war. Er hatte eigentlich nur Informationen über extremistische Ulster-Loyalisten sammeln wollen und sei dabei auf die Vorgänge in dem Heim gestoßen und konnte sogar einen Agenten führen in dem Umfeld. Man befahl ihm, die Sache fallen zu lassen. Anscheinend wussten der Geheimdienst MI5 und andere Sicherheitsbehörden von dem Missbrauch und erpressten damit die Loyalisten. Weitere Vorwürfe gegen hohe Kreise In den letzten Jahren wurden mehrere berühmte und einflussreiche Figuren im Vereinigten Königreich Ziel von Ermittlungen, oftmals wegen Vorwürfen die Jahrzehnte zurückreichen. Die Untersuchungskomission „Independent Inquiry

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into Child Sexual Abuse" (IICSA) wurde extra dafür nach dem Skandal um den populären Entertainer Jimmy Savile eingerichtet. Hier ist ein Überblick über einige der schwerwiegendsten Fälle: •

Prinz Andrew: Im Rahmen des Gerichtsprozesses gegen Jeffrey Epstein, der sich schuldig bekannte eine Minderjährige zur Prostitution gezwungen zu haben und deshalb zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde, war der mit Epstein befreundete Prinz Andrew von einer der Zeuginnen belastet worden. Er soll in London und New York Sex mit der damals Minderjährigen gehabt und auf Epsteins Privatinsel an einer Orgie mit mehreren Minderjährigen Mädchen teilgenommen haben. Epstein habe dem Mädchen gesagt, dass sie mit dem Prinzen machen soll, was immer er verlangt und ihm im Anschluss die Details zu berichten habe. Der Spiegel berichtet dazu: „Schon damals [2011 ] machten Gerüchte über Pool-Partys mit Minderjährigen die Runde. Der Prinz verlor schließlich seine Repräsentantenrolle." Prinz Andrew streitet die Vorwürfe bis heute ab.



Keller-Verlies unter Luxus-Wohnung in Pimico, London: Die Polizei geht davon aus, dass dort Kinder „aufbewahrt" und von dort aus zu umliegenden Missbrauchs-Partys gefahren wurden. In einem Fall soll ein Junge von einflussreichen Männern bei einem Sex-Spiel erwürgt worden sein.



Jimmy „Wird's schon richten" Savile schändete Leichen, machte sich Schmuck aus Glasaugen und verging sich sogar an Kinderpatienten.



Ein britischer Kinderrechtler hat 20 Jahre lang Informationen gesammelt und damit nun Ermittlungen von Scotland Yard angestoßen gegen mehr als 40 Politiker aus den großen Parteien, inklusive ehemalige Minister. Pädophile Frauen seien auch involviert.



Ein Lordaus dem Oberhaus soll 12 Kinder vergewaltigt haben. Die britische Presse darf wegen den täterfreundlichen Gesetzen in England nicht den Namen nennen. Laut Quellen handelte es sich um extreme Fälle.

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Es eien 114 geheime Dossiers über Pädophile verschwunden. Der Innenminister Leon Brittan hätte die Dossiers erhalten und dann verloren. Jetzt wird er selber verhört wegen Vorwürfen, er hätte früher eine Studentin vergewaltigt.



Hohe Labour-Parteimitglieder seien früher noch mit der PädophilenOrganisation „Paedophile Information Exchange" in Verbindung gestanden, die Kindersex legalisieren wollen.



Der ehemalige Beamte des Jugendamtes Peter McKelvie warnte schon vor 20 Jahren vor einem Ring einflussreicher Pädophiler. Nun spricht er wieder in der Öffentlichkeit und beschreibt ranghohe Politiker, Militäroffiziere und sogar Leute aus dem Umfeld der Royais. Seine Aufzeichnungen und Recherchen führten zu der aktuellen Scotland Yard-Untersuchung „Fernbridge". Eine kleine, aber mächtige Minderheit im britischen Establishment sei Jahrzehnte über mit Vergewaltigungen von Kindern davongekommen. Ein größerer Teil des Establishments hätte Kenntnis von der Sache gehabt, es aber unter den Tisch gekehrt.



Die Regierung musste nun auch zugeben, fast 500.000 Pfund an zwei Organisationen aus dem Umfeld des Pedophile Information Exchange (PIE) gegeben zu haben. Steven Smith arbeitete an den Sicherheitssystemen des Innenministeriums in Whitehall und war gleichzeitig Chef des Pedophile Information Exchange. Er bekam sogar von Scotland Yard eine Security Clearance. Wegen Kinderpornografie war er eine Zeit lang auf der Flucht. In seinem Büro konnte er Unterlagen der Pädo-Organisation bunkern, sodass bei einer Durchsuchung seiner Wohnung nichts gefunden wird. PIE wurde glücklicherweise infiltriert und enthüllt von einem Kinderrechtsaktivisten namens Charles Oxley.



Ex-Innenminister Leon Brittan streitet derweil nach Kräften ab, früher eine Frau vergewaltigt zu haben. Damals wollten die Behörden nichts untersuchen. Die Dame wurde massiv unter Druck gesetzt.



Ein britischer Polizeiermittler der bei einer wichtigen Verhaftung 1992 beteiligt war, spricht von fünf Koffern voller Beweismittel gegen pä-

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dophile Establishment-Figuren. Die Informationen aus dem Material wurden kaum weiterverfolgt. Woanders wurde wichtiges Beweismaterial anscheinend geschreddert, oder vom MI5 gehalten. Es geht um mutmaßliche Täter die Minister waren. Es soll aber Kopien geben. Man müsste zunächst die Geheimhaltung aufheben (im Britannien ein sehr täterfreundliches Gesetz). Prominente Namen in den Dossiers seien in höchstem Maße schockierend. •

Der ehemalige Sprecher des Unterhauses George Thomas soll wegen seiner Homosexualität erpresst worden sein und hätte ein Faible für „junge Männer" gehabt. In seiner Amtszeit gingen wichtige Dossiers über Pädophile in hohen Kreisen „verloren". Er haifauch seinem Freund, dem Anführer der Liberais Jeremy Thorpe bei Anschuldigungen wegen Beziehungen zu einem Minderjährigen. Thorpe hatte noch eine Anklage wegen versuchten Mordes an seinem schwulen Liebhaber.



Der ehemalige Vorsitzende der Sozialbehörde David Tombs warnte 1990 vor dem Pädo-Ring, man sagte ihm aber es sei sinnlos, weil es zuviele Pädos im Parlament und in Whitehall gäbe.

Casa Pia in Portugal Portugal gehörte lange zu den Mekkas für Kinderschänder: Erst in den 1990er Jahren definierten die Gesetze Sex mit Minderjährigen unter 14 Jahren als Verbrechen, das mit Haftstrafen geahndet wird. Pädophile in einflussreichen Positionen konnten in diesem Klima weitestgehend ungestört ihr Netzwerk aufziehen und effektiv gegen Ermittlungen abschirmen. Man hatte sich eine bequeme, menschenverachtende Infrastruktur eingerichtet mitsamt einer kompletten Verwertungskette; ein stetiger Nachschub an Heimkindern und Straßenkindern, Verkehrsrouten zu mehreren noblen Etablissements und selbstverständlich ein System der Anwerbung, Hintergrundprüfung und zweifellos auch Erpressung von neuen Mitgliedern. Nach einem beispiellos langwierigen und zähen Prozess wurden sechs Urteile verkündet, alle lauten auf schuldig. Unter den Verurteilten befinden sich eine der erfolgreichsten Fernsehpersönlichkeiten des Landes, ein hoher Politiker

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und ein ehemaliger Botschafter. Die Haftstrafen reichen von unter sechs Jahren bis hin zu 18 Jahren. Das Zentrum des Netzwerks war Casa Pia, ein schmuckloses Gebäude in Lissabon und Heim für Kinder ohne Eltern und Kinder aus armen Verhältnissen. Bereits vor 20 Jahren erblickte man die Spitze des Eisbergs, nur um kurz darauf auf eine Mauer des Schweigens und der Vertuschung zu stoßen. Ein Heimkind ist anscheinend vor einen Zug gelaufen nachdem es vor einem Auto geflohen war. Beamte stellten fest, dass die Türen des Heims nachts offen waren und man fand Heimkinder in einer üblen Gegend, wo männliche Prostituierte ihre Dienste anbieten. Vier Kinder zwischen acht und zwölf Jahren, die eine Nacht nicht im Heim anzufinden waren, wurden in einer luxuriösen Wohnung in der unmittelbaren Nähe in Cascais angetroffen, die einem Diplomaten gehörte. Die Kinder gaben an, dass der Fahrer von Casa Pia Mr. Carlos Silvino sie dorthin gebracht hatte. Teresa Costa Macedo, die damalige Ministerin für Familienangelegenheiten, ordnete Ermittlungen an, die allerdings verschleppt und irgendwann eingestellt wurden. Mr. Silvino wurde von Casa Pia suspendiert, in den 90er Jahren dann wieder in seinen bezahlten Posten dort zurückgeholt. Rosa Ruela von der Organisation Visao sagte: "Waisenkinder galten zu derZeit als wertlos in der portugiesischen Gesellschaft. Kindesmissbrauch war ein geringfügiges Delikt, vergleichbar mit Vergnügungsfahrten. Die Kinder waren verängstigt und alleine, ein leichtes Ziel. Keiner kümmerte sich um das was sie sagten. " Der Prozess zog sich lange hin und offenbarte das erschütternde Gerichtssystem in Portugal. Die neue Direktorin von Casa Pia namens Catalina Pestana sagte, dass Ärzte bei über 100 der Kinder, die meisten zwischen 10 und 13 Jahre alt, schwere physische Verletzungen auf Grund extremen Missbrauchs gefunden hätten. Paulo Pedroso, der von mehreren Zeugen beschuldigt, aber letztendlich nicht für schuldig befunden wurde, war Parlamentsabgeordneter und Nummer zwei in der sozialistischen Oppositionspartei. Dank einer Bombendrohung am 17. Mai 2003 musste der damalige Premierminister José Manuel Barroso bei einer öffentlichen Veranstaltung im Anschluss an den WTTC-Tourismus-Gipfel am Casino Vilamoura nicht erklären, weshalb er die Abschlusszeremonie des Gipfels geschwänzt hatte um einen Abstecher nach Paris zu machen; Ziel war die

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Konferenz der elitären Bilderberg-Organisation im Pariser Trianon Hotel vom 15. bis 18. Mai. Ein Investigativ-Reporter hatte für The Portugal News eine Liste der Teilnehmer organisiert und es stellte sich heraus, dass Barroso den früheren Premierminister Francisco Baisem sowie Eduardo Ferro Rodrigues im Schlepptau hatte, den Anführer der Sozialistenpartei. Der Pressesprecher von Rodrigues bestätigte die Teilnahme an Bilderberg. Zu dem Zeitpunkt war die Nummer zwei in der Partei, Paulo Pedroso, bereits verhaftet und die Presse sprach davon, dass gerüchteweise auch die Nummer eins in den Skandal involviert sei. Barroso wurde im Folgejahr für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten nominiert und bestätigt. Weitere Teilnehmer der Konferenz waren Weltbankpräsident James Wolfensohn, David Rockefeller und der ehemalige französische Präsident und Kofürst von Andorra Valery Giscard d Estaing, später beauftragt mit der Erstellung der EU-Verfassung. Dutroux-Fall Das 1999 erschienene Buch The X-Dossiers' von den anerkannten investigativen Journalisten Marie-Jeanne Van Heeswyck, Annemie Bülte und Douglas De Coninck erläutert, wie die wichtigsten Aspekte der gesamten Ermittlungen im Dutroux-Fall manipuliert und beseitigt wurden. Marc Dutroux sei nicht der Mittelpunkt der Affäre gewesen, sondern lediglich ein einzelnes kleines Rädchen in einer Maschinerie, die Kinder für einflussreiche Kreise beschaffte. Was die Autoren nicht in ihrem Buch veröffentlichen durften waren die Namen jener Männer, die von einer Bandbreite an Zeugen belastet worden waren. Der Grund war offensichtlich: Die Autoren hätten bis ans Ende ihres Lebens Geldstrafen wegen Verleumdung zahlen müssen. Immer wieder führen die Untersuchungen nach Begien und insbesondere Brüssel. Zahlreiche wichtige Zeugen starben in kurzer Zeitspanne unter mysteriösen Umständen. Was wohl die Angehörigen von den Dutroux-Opfern Julie und Melissa von Mr. Langlois und dessen Ermittlungen halten? Wo er sich sogar weigerte, DNATests von 6000 Haaren aus dem Folterkeller vorzunehmen? Melissas Mutter nannte ihn Belgiens Adolf Eichmann. Belgien ist eines der unbeliebtesten Länder Europas. Das Wahrzeichen von Brüssel ist nach wie vor ein pinkelnder nackter Junge.

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Dutroux war beileibe kein stereotyper verschrobener Jedermann, der irgendwann zum Killer wurde, sondern ein systematisch operierender Schwerkrimineller. Er erzielte früh ein beträchtliches Einkommen mit dem Handel gestohlener Fahrzeuge und mit jungen Prostituierten in Polen und der Slowakei. Er besaß nicht weniger als sieben Häuser in Belgien, die meisten davon leerstehend oder nur für die Logistik junger Mädchen und iiiegaler Pornovideos benutzt. In einem dermaßen winzigen Land hätte er in den 90er Jahren nach dem Verschwinden von Kindern sofort als einer der Top-Verdächtigen gelten müssen, immerhin war er schon einmal für den Missbrauch von fünf Kindern verurteilt worden. Justizminister Wathelet hatte aber ein Herz für die belgischen Pädos und so kam Dutroux nach nur drei Jahren von einer ursprünglichen 13jährigen Strafe auf freien Fuß. Ein Informant stieß 1993 auf null Interesse bei der Polizei, obwohl ihm Dutroux umgerechnet bis zu 5000 $ angeboten hatte für das Entführen junger Mädchen. 1995 wandte sich sogar seine eigene Mutter ohne Erfolg an die Behörden. Der Spitzel von 1993 meldete zwei Jahre später, dass Dutroux einen geheimen Kellerraum gebaut hatte. Dutrouxs zweite Frau Martin und der Geschäftsmann Nihoul gestanden die Organisation einer Sexparty für enorm einflussreiche Figuren. Belgiens König Albert forderte "Reformen". Im April 1998 konnte Dutroux seinen bewachenden Polizisten überwältigen, ihm die Waffe entwenden und für drei Stunden fliehen. Franklin-Fall Der Vietnam-Veteran und ehemalige US-Senator John DeCamp kam zu dem Skandal über ein elitäres Netzwerk aus mächtigen Pädophilen in den USA wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde: "Ich hatte erst ungefähr ein Jahr zuvor den Senat verlassen als diese Sache aufkam. In Omaha, Nebraska gab es eine Kreditunion, eine alteingesessene Kreditunion, die von einem Mann namens Larry King geleitet wurde. Nicht der Larry King aus dem Fernsehen, sondern jemand anderes. Er wurde offiziell in der New York Times und In einer Anzahl an Publikationen im Bundesstaat und landesweit beschrieben als der 'am schnellsten aufsteigende schwarze Star in der Republikanischen Partei'. Bundespolizisten führten eine Razzia in seiner kleinen Kreditunion in Nord Omaha

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durch. Sie sollte eigentlich den Minderheiten helfen, speziell der schwarzen Community und [die Bundespolizisten] machten sie dicht. Sie sagten ein Haufen Geld sei verschwunden. Geschichten machten die Runde, wie es immer passiert, wenn ein solcher Vorfall geschieht, und in manchen der Geschichten ging es um verschwundenes Geld das für dies und für jenes verwendet wurde. Aber manche dieser Geschichten waren seltsam. Sie stammten von Kindern überall her. Junge Kinder - 13, 14, 15 Jahre alt - die erzählten wie sie in Larrys Privatjet zu dieser und jener Party geflogen wurden. Oder dass sie beim Bundesparteitag der Republikaner waren oder bei einem politischen Event in Washington und die Geschichten drehten sich darum, dass sie als Drogenkuriere benutzt wurden. Zu der Zeit konnten 13,14 Jahre alte Kinder noch durch den Flughafen durchkommen ohne dass sie jemand großartig überprüfte. Man packt sie voller Kokain oder sonstwas, sie tragen diese kleinen Pakete am Körper, zwischen ihren Beinen, etc. etc. Junge Buben, junge Mädchen. Und diese Kindererzählten noch seltsamere Geschichten, die damals bizarr schienen: Sie hätten Sex gehabt mit berühmten Politikern und Geschäftsleuten und so weiter. Ich war einer der ersten der aufstand und sagte, das muss wohl die lachhafteste, lächerlichste Geschichte sein die ich jemals gehört habe. Zuallererst kannte ich Larry King. Ich war der Vorsitzende des Senatsausschusses für Bankangelegenheiten hier in Nebraska als er seine Bankgeschäfte führte. Also sagte ich: Das ist absurd. Nun, es tauchten immer mehr und mehr Geschichten auf und ich sagte: Seht her, wenn ich auch nur eine dieser verrückten Geschichten glauben würde, dann wäre ich der erste der aufsteht und verlangt, dass etwas getan wird. Dann bekam ich einen Brief von einem Jungen namens Paul Bonacci, der in Omaha im Gefängnis saß. Er sagte: Wenn du hier herkommst um dich mit mir zu unterhalten, dann kann ich dir zeigen, dass das alles nicht nur erfundene Geschichten sind. Der Leiter einer der führenden psychiatrischen Einrichtungen im Bundesstaat sagte zu mir: Dieses Kind ist nicht verrückt. Er hat eine multiple Persönlichkeit und er erzählt wahrscheinlich die Wahrheit, weil Multiple es nicht nötig haben zu lügen. Sie wechseln nur hin und her in ihren Teilpersönlichkeiten. Schließlich gewann ich [vor Gericht] eine Million Dollar trotz unglaublich schwierigen Umständen. Unter anderem hatte mich die Zeitung Omaha World News vehement angegriffen, weil

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ich neben anderen Schlüsselfiguren ihren Editor, einen ihrer Editoren, ins Gefängnis gebracht hatte." Der Nachschub an Kindern stammte aus einem angesehenen Kinderheim: "Bei der Sache wurde ein Haufen Kinder benutzt von einer Einrichtung namens Boys Town. Boys Town ist eine der am meisten respektierten Einrichtungen in diesem Land." TV-Journalisten aus Großbritannien bekamen ein Budget von einer halben Million Dollar, um den Fall für eine Sendung zu untersuchen. Der Discovery Channel in den USA hatte für das Programm mit dem Titel "Conspiracy of Silence" bereits einen Sendeplatz vorgesehen; kurz vor der Ausstrahlung kauften jedoch einflussreiche Individuen sämtliche Rechte und vernichteten alle Kopien, bis auf ein einzelnes VHS-Band mit einer Rohschnittfassung, welches schließlich doch über Umwege an die Öffentlichkeit gelangte. Man findet das Video heute im Internet. "Es war nicht einfach so, dass irgendein Kind das nur behauptet hat. Es hieß, dass diese Kinder sich zusammenfanden und diese furchtbaren Lügengeschichte erfunden haben. Es sei alles nur ein Schwindel von diesen Kindern aus Armutsverhältnissen, die keinen Cent haben, sie seien irgendwie alle zusammengekommen und hätten diese Geschichte erzählt." Einer der wichtigsten Ermittler in dem Franklin-Fall war ein Mann namens Gary Caradori: "Er rief von Chicago aus den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses im Senat an, Senator Lorren Schmidt. Er sagte zu ihm: 'Ich hab sie! Wir haben sie bei ihren verdammten Eiern! Ich bin morgen bei der Senatsanhörung um 8 Uhr zur Aussage.' Er befand sich in Chicago. Er hatte sein Privatflugzeug dort. Er war ein sehr sehr vorsichtiger, extrem genauer Pilot und er war dort, um seinen Sohn zu einem Baseball-Spiel mitzunehmen. Dann holte er dieses Material ab, startete, und sein Flugzeug fiel auseinander. Die Teile wurden verstreut über einen Ort außerhalb von Chicago. Wir haben von dem Büro des Sheriffs, der als erster am Tatort war, erfahren, dass Bundesagenten kamen, alles Material beschlag-

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nahmten und ihm sagten, er hätte keine Bilder aufgesammelt, die Sachen die verstreut waren, und sie sagten zum Deputy des Sheriffs: Du bist nicht hier gewesen. Du hast nichts gesehen. Wenn du redest, bekommst du Schwierigkeiten. Du behinderstein Ermittlungsverfahren der Bundesregierung, bläh bläh und so weiter. Gary Caradori und sein Sohn wurden bei dem Vorfall getötet und er konnte nicht aussagen. Fast jeder, der an diesen Ermittlungen beteiligt war, starb oder wollte plötzlich Selbstmord begehen. Ich glaube ich habe 22 von solchen Todesfällen in dem Buch aufgelistet." Unnötig zu erwähnen dass das Beweismaterial von Caradori "verschwand". DeCamp hielt fest: "Letztendlich schrieb ich ein Buch auf Anraten meines besten Freundes; er sagte mir, dass ich das besser tun solle um mich zu schützen. Und dieser Mann war Bill Colby. Bill war bekanntermaßen der Direktor der CIA und trieb irgendwann tot irgendwo in einem Fluss an der Wasseroberfläche. Ich war zusammen mit Bill in Washington DC, wo ich öfter bei ihm übernachtete, wenn sich die Gelegenheit bot. Er war vom Senat angeworben worden, um den Tod von Gary Caradori zu untersuchen. Nach einer Weile an Untersuchungen sagte er ihnen praktisch, sie würden die Antwort niemals erfahren. Ich saß eines Abends bei ihm und unterhielt mich mit ihm und mit seiner Frau. Ich sagte: Ich weiß nicht was ich als nächstes tun soll. Ich sehe wie Staatsanwälte Angst davor haben, anzuklagen. Ich sehe Politiker die keine Ämter haben sollten. Ich sehe Regierungseinrichtungen die eingeknickt sind und ineffektiv sind, weil Leute darin erpresst werden oder wegen Korruption oder wegen Drohungen oder was auch immer. Ich weiß nicht was ich tun soll. Er meinte: Ich werde dir sagen was du tun sollst. Entferne dich von dieser Sache so weit du kannst. Vergiss, dass du die Sache jemals gesehen hast, gehört hast oder sonstwie in Kontakt gekommen bist. Ich mag dich wirklich sehr, deine Kinder, deine Familie. Die Sache ist ernster als du denkst. Wenn du unbedingt etwas tun musst, dann ist das Beste und Sicherste, deine Geschichte niederzuschreiben. Erzähl alles. Man wird es vielleicht in den Dreck ziehen, man wird es vielleicht nicht glauben aber wenigstens hat man dann keinen Grund mehr dich umzulegen."

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Bohemian Grove und Parteitage der Republikaner Jedes Jahr ist Sommerlager im Bohemian Grove in Nordkalifornien, einem elitären Club der viele hochrangige Vertreter des US-Establishments zu seinen Mitgliedern zählt, darunter Ex-Präsidenten, Außenminister, Militärs und Wirtschaftsmogule. Teil der Festivitäten sind bizarre okkulte Rituale wie die "Einäscherung des Gewissens" vor einem Götzen aus Stein und einem schwarzen Altar. Ex-Präsident Nixon äußerte sich öffentlich abfällig über homosexuelle Orgien im Grove; Pornostars und Prostituierte werden jährlich für die Festivitäten eingeflogen. Chris Jones, der im Jahr 2005 einen Sommerjob im Grove bekam, berichtete, dass alte Männer ihn ständig wegen Sex bedrängten und fragten, ob er "herumschlafe" und Spaß haben wolle. Jones wurde später von den kalifornischen Behörden zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er harmlose Videoaufnahmen aus dem Grove Minderjährigen vorgeführt hatte. John DeCamp erklärte: "Ich wusste nicht, dass es einen Ort namens Bohemian Grove gibt. Es ist eindeutig der Ort wohin man [Paul Bonacci] gebracht hatte für eine Sache, bei der sie einem anderen Jungen furchtbare Dinge antaten. Man hat die Aktion gefilmt." Einer der Stammgäste im Grove ist der ehemalige CIA-Direktor und ehemalige US-Präsident George Herbert Walker Bush. "Ich, John DeCamp, der dieses Buch geschrieben habe, war der erfolgreichste Stimmensammler unter den Delegierten für George [H. W.] Bush, den berühmten Präsidenten. Beiden Bundesparteitagen der Republikaner in New Orleans und Texas und so weiter war ich der Stimmensammler Nummer Eins aus Nebraska. Ich hatte keine Ahnung, dass diese Dinge zu derZeit abliefen. Ich war auch eingeladen zu der größten Party die es jemals bei einem Bundesparteitag gab. Die Party beim Bundesparteitag 1984 wurde organisiert von Larry King bei der Southport Ranch in Dallas. Ich war dort. Als ich später Paul Bonacci im Gefängnis interviewte, wusste ich sofort, dass er die Wahrheit sagte als begann, diese Party und den Parteitag zu beschreiben, besser als ich es gekonnt hätte. Man musste dort gewesen sein um manche von diesen Sachen zu wissen, bestimmte Dinge zu sehen und zu benennen. Larry King mietete zu der Zeit übrigens ein

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Anwesen bei der Embassy Row in Washington DC, das zu derZeit 5.000$ pro Monat kostete, obwohl Larry King offiziell nur 16.000$ pro Jahr verdiente." Die Bedeutung für unser Geschichtsverständnis und die Politikwissenschaft Es gibt bisher noch keine abschließende Beweisführung dafür, dass die Königshäuser ein groß angelegtes, mafioses System betreiben, in dem durch Kindesmissbrauch die wichtigsten Funktionäre aus der Politik, den Geheimdiensten und der Wirtschaft erpresst und kontrolliert werden. Bislang sahen wir viele starke Hinweise darauf, aber es gab noch keine einschlägigen Verurteilungen von den Royais oder perfekte Beweise. Nichtsdestotrotz reichen die Forschungen aus, um grundsätzliche Dogmen der Geschichtsforschung und der Politikwissenschaft abzuschaffen. Die Historiker haben sich fast gar nicht mit diesen Themen von größtmöglicher Bedeutung beschäftigt und hatten nie Zugang zu dem Material der Geheimdienste, das heute noch unter Verschluss ist. Die Historiker können also nur mutmaßen, nicht beweisen, dass die Hannoveraner und Windsors und all die verwandten Königshäuser sich in den letzten Jahrhunderten den Umständen entsprechend normal verhalten hatten. Und wenn dieses Dogma, diese unbestätigte Grundannahme der Historiker in sich zusammenfällt, dann müssen wir die ganzen letzten Jahrhunderte neu untersuchen und prüfen, ob solche Mafiamethoden immerzu die Norm gewesen sind und ob die Royais tatsächlich im Laufe der Zeit Macht an Parlamente und demokratische Organisationen abgegeben haben. Dementsprechend müssen auch die Dogmen der Politikwissenschaft umgestoßen werden, denn diese bisher verwendete Grundannahmen sind einfach nur unbestätigte Vermutungen. Es wurde einfach nur angenommen, dass die Macht in der westlichen modernen Welt irgendwann von Parlamenten und anderen demokratischen Organen ausgeübt wurde. Man machte sich nicht die Mühe, gründlich zu prüfen, ob vielleicht die Königshäuser mit Methoden des organisierten Verbrechens und mit geheimdienstlichen Methoden immerzu heimlich die Exekutive, Legislative und Judikative des Staats kontrollierten. Ohne diese Dogmen ergibt sich eine völlig andere Ausgangslage. Wir müssen auch die Rolle von Wirtschaftsbossen und berühmten Konzern-Dynastien hinterfragen, denn diese Personen waren theoretisch genauso leicht zu kontrollieren wie staatliche

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Funktionäre. Insbesondere wenn es sich um die berühmten Familien handelt wie die Rothschilds, die vom britischen Imperium aufgebaut worden waren, oder diverse amerikanische Tycoons, können wir nicht von vorneherein blind akzeptieren, dass es sich bei jenen wirklich um die unabhängigen Besitzer ihrer Konzerne und Reichtümer handelte. Die gängigen Verschwörungstheoretiker heute berichten zwar hin und wieder über Fälle von Pädophilie westlicher Eliten, sie kümmern sich dabei aber selten um wissenschaftliche Standards, und sie wagen es in aller Regel nicht, über das Verhalten russischer oder chinesischer Eliten zu forschen, weil dies weitaus schwieriger ist, und weil die Verschwörungstheoretiker Putins Regime faktenwidrig verherrlichen als christlichkonservatives Bollwerk gegen die westlichen llluminaten. Der gewöhnliche Verschwörungstheoretiker wird zugeben und sogar begrüßen, dass der Parlamentarismus in Russland nur Theater ist. Und natürlich wird krampfhaft an den Thesen über eine jüdische Weltverschwörung festgehalten, obwohl es ausgeschlossen ist, dass ein paar wenige jüdische Clans im Handumdrehen das britische Empire und die USA übernahmen. Auch über Putin kursieren seit Jahren Gerüchte, er sei schwul und pädophil und es existierten einschlägige Videoaufnahmen. Quellen: 111 http://www.dailymail.co.uk/news/article-3122130/How-Savile-seducedrovals-s-claimed-nearly-godfather-Harry-predatory-DJ-wormed-way-heartPalace-life.html [2] https://www.theguardian.com/commentisfree/2017/mav/23/fiftv-vears-gavliberation-uk-barely-four-1967-act [3] https://www.belfasttelegraph.co.uk/news/northern-ireland/richard-kerr-iwas-trafficked-from-kincora-boys-home-to-be-abused-bv-a-ring-of-vips-inlondon-31122559.html [4] https://www.theguardian.com/media/2016/jul/21/investigative-iournalismwesite-exaro-closes

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Anne, die letzte Stuart auf dem britischen Thron

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Anne war die letzte britische Königin des Hauses Stuart. In den Jahren 1688 und 1689 hatte sie mit einer Reihe an Unterstützern im Zuge der „Glorious Revolution" ihren römisch-katholischen Vater Jakob II. entmachtet und dabei den Adelsfamilien Oranien-Nassau und den Monarchen Dänemarks Tür und Tor geöffnet. Es war ein Quantensprung sowohl für die Dänen als auch für OranienNassau, der einen großen Einfluss hatte auf die folgenden Jahrhunderte. Anne hatte einen haarsträubenden Pakt geschlossen und musste als Bedingung den protestantischen Prinzen Georg von Dänemark heiraten, während ihre Schwester Maria II. den protestantischen Wilhelm III. von Oranien-Nassau vorgesetzt bekam. Wilhelm III. von Oranien war 1688 mit einer Invasionsarmee an der Südküste Englands aufgetaucht und es gelang ihm, den Stuart-König Jakob II. ohne wilde Schlachten zu vertreiben. Daraufhin setzte sich Wilhelm höchstpersönlich auf den britischen Thron und wurde nach seinem Tod abgelöst von Anne und ihrem zweckmäßigen Ehemann, Prinz Georg von Dänemark. Prinz Georg war der Sohn von König Friedrich III. von Dänemark und der WeifenPrinzessin Sophie Amalie von Braunschweig-Lüneburg. Georg und seine Geschwister waren bedeutsam für die große, länderübergreifende Familienallianz: •

Christian V. (1646-1699) heiratete Prinzessin Charlotte Amalie von Hessen-Kassel



Anna Sophie (1647-1717) heiratete Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen



Friederike Amalie (1649-1704) heiratete Herzog Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorf



Wilhelmine Ernestine (1650-1706) heiratete Kurfürst Karl II. von der Pfalz



Georg, Herzog von Cumberland (1653-1708) heiratete Königin Anne von Großbritannien



Ulrike Eleonore (1656-1693) heiratete König Karl XI. von Schweden

Die Ehe Georgs mit Anne verdichtete auch die Beziehungen zu den Adeligen von Norwegen. Die meisten von Annes Kindern waren Fehlgeburten und Tot-

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geburten, weitere starben im Kleinkindalter und ihre letzte Hoffnung William Henry schied im Alter von nur elf Jahren dahin. Es ist durchaus vorstellbar, dass hier jemand durch Gift nachgeholfen hat, um Thronfolger der beiden zu verhindern. Zum Kreis der möglichen Täter zählen Agenten der römischkatholischen Stuarts sowie Agenten Frankreichs. Zu dieser Zeit wurden auch neue Polit-Stars aufgebaut wie Churchill, Sunderland, Wharton, Somers, Montagu und Walpole. Das bis heute gängige Modell der Theater-Demokratie wurde damals entwickelt mit den Parteien „Whigs" und „Tories". Im Jahr 1708 verstarb Georg und 1714 dann Anne, ohne dass eine sofortige Erbfolge möglich war, denn die Kinder des Paares waren ja unter mysteriösen Umständen umgekommen. Die katholischen Stuarts erhoben selbstverständlich den Anspruch, wieder den Thron in Besitz zu nehmen, aber das englische Parlament schüttelte sich flugs das Gesetz „Act of Settlement" aus dem Ärmel, damit ein Weife aus dem Haus Hannover den Vorzug erhalten würde. Zunächst sträubten sich die Schotten dagegen, ließen sich jedoch zur Zustimmung erpressen und schlossen sich England an für das neue „Vereinigte Königreich". Und so wurde der Weife Georg I. Ludwig, geboren im deutschen Hannover, im Jahr 1714 „King George" von Großbritannien und Irland, obwohl er nicht einmal wirklich englisch sprach. Das Haus Hannover regierte ununterbrochen bis 1901 in Großbritannien und ging dann nahtlos über in Sachsen-Coburg Gotha.

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George I.

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Unter King George I. erweiterte man das britische Parteiensystem und machte Robert Walpole zu dem ersten Quasl-Premierminister, den Sohn eines Politikers, ausgebildet in den Kaderschmieden Eton und Cambridge. Er hatte den Adelstitel eines Earls, war Mitglied diverser wichtiger Orden (Hosenbund, Bath, Privy Council), Freimaurer und wahrscheinlich eine totale Marionette. 2016 erklärte der Historiker Dr Richard Berman, dass das britische Freimaurertum damals absolut der Regierung verpflichtet war und keinerlei umstürzlerische, „aufklärerische" Pläne verfolgte gegen die heimische Kirche und Monarchie.' 1705 durfte Walpole dem Vorstand des Lord High Admiral für Marineangelegenheiten des Imperiums beitreten, der angeführt wurde von niemand anderem als dem Ehemann von Königin Anne, Prinz Georg von Dänemark. Später durfte Walpole sogar Kriegsminister werden und Berater von John Churchill, dem 1. Herzog von Marlborough und Vorfahre von Winston Churchill. Durch Walpole und andere Figuren entstand der Eindruck einer komplexen, verschachtelten Regierung mit ständig wechselnden Balancen; in Wirklichkeit handelte es sich aber nur um ein von oben gesteuertes System von Günstlingen und Ordensmitgliedern. Die offizielle Lesart besagt, dass Walpole mit seinen Politikern den Staat beherrschte, was aber wenig überzeugt, da die Monarchen mit Leichtigkeit solche Marionetten aufbauen und wieder zerstören konnten. Wenn wirklich ein Emporkömmling die Macht des etablierten Hochadels bedroht hätte, wäre ihm wohl der Tee vergiftet worden oder er hätte einen schweren „Unfall" erlitten. 1682 heiratete King George I. seine Cousine Sophie Dorothea von Celle, mit der er zwei Kinder hervorbrachte und die er größtenteils ignorierte zugunsten seiner Geliebten Ehrengard Melusine von der Schulenburg, der er einen Herzogin-Titel verlieh und mit der er drei uneheliche Kinder zeugte. Sophie begann ihrerseits eine Affäre mit einem Grafen, der dann wahrscheinlich von Georges Agenten umgelegt wurde, und verbrachte nach Auflösung der Ehe den Rest ihres Lebens in Gefangenschaft auf Schloss Ahlden. Die Stuarts im Exil versuchten mehrfach, mit Hilfe der Schotten und diversen Verschwörungen wieder den britischen Thron an sich zu reißen, scheiterten dabei aber kläglich.

Quellen: [1] http://www.freemasonrvtodav.com/features/tag/Robert%20Walpole

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George II.

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Georg August, der Sohn von King George I., stand angeblich seinem Vater sehr kritisch gegenüber, allerdings verkehrte er mit loyalen Agenten der Krone wie Premierminister Robert Walpole und Außenminister Viscount Townshend, welcher natürlich den Kaderschmieden Eton und Cambridge entsprungen war. Schließlich wurde Georg August zu „King George II." und heiratete Caroline von Ansbach, die anscheinend zur inoffiziellen Chefin wurde und im Zusammenspiel mit der Marionette Walpole die Staatsgeschäfte lenkte, während George ständig mit Abwesenheit glänzte. Natürlich ging das gesamte Familiengeschäft nicht von George ab; er musste zumindest formell auf dem Thron sitzen. Die acht Kinder des Königspaares heirateten in die altbekannte Verwandtschaft ein. Hierbei ragen heraus: •

Friedrich Ludwig (1707-1751), Prince of Wales. Erheiratete später Augusta von Sachsen-Gotha Altenburg



Anne (1709-1759). Sie heiratete Wilhelm von Nassau-Dietz, der verbunden war mit Hessen-Kassel und Oranien.



Maria (1723-1772) heiratete 1740 Friedrich II. von Hessen-Kassel



Louisa (1724-1751) heiratete 1743 Friedrich V. von Dänemark

Auch die Royais waren nur Menschen und so verbannte King George II. im Jahr 1737 seinen Sohn Friedrich Ludwig und dessen Frau, Augusta von SachsenGotha. Gegen Walpoles Rat erklärte Georg II. im Jahr 1739 Spanien den Krieg, nachdem mehrere deutsche und europäische Fürsten nicht akzeptieren wollten, dass Maria Theresia von Österreich zu Karls Nachfolgerin in den habsburgischen Ländern erklärt wurde. Der Krieg zwischen Großbritannien und Spanien wurde bald ein Teil des Österreichischen Erbfolgekriegs. Walpole trat 1742 nach einer Amtszeit von 27 Jahren zurück; ein Zeitraum der in heutigen Demokratien als völlig absurd gelten würde. Der Nachfolger war Compton, während Carteret mehr Einfluss ausübte. Auf Comptons Tod im Juli 1743 folgte Henry Pelham. Am 20. März 1751 starb überraschend Friedrich Ludwig, der älteste Sohn von King George II., ohne dass eine eindeutige Todesursache zuverlässig überliefert ist, was doch sehr seltsam anmutet. Es ist durchaus möglich, dass er auf Befehl seines Vaters umgebracht wurde. Premierminister Pelham starb im März 1754 und auf ihn folgte sein Bruder Thomas Pelham-Holles. Dieser wurde im No-

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vember 1756 durch William Cavendish abgelöst. Cavendish konnte sich jedoch nur bis Juni 1757 an der Spitze der Regierung halten und musste sein Amt wieder an Pelham-Holles abtreten.

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Der Siebenjährige Weltkrieg

1756 begann der sogenannte „Siebenjährige Krieg", bei dem es sich um eine Art Weltkrieg handelte. Die österreichische Erzherzogin Maria Theresia verbündete sich mit ihren früheren Feinden Russland und Frankreich gegen Großbritannien; dieser Allianz schlossen sich auch Sachsen und Schweden an. Eine solche Koalition ist natürlich ein komplexes Gebilde und es existieren bei jedem Teilnehmer selbstverständlich Hintergedanken. Georg II. verbündete sich mit Preußen, um das deutsche Hannover zu schützen. Der Krieg erstreckte sich auch auf Indien, Nordamerika, die Weltmeere und weitere Territorien. 1757 konnte Robert Clives den britischen Einfluss auf Indien sichern, Britannien verteidigte seinen Einfluss in Nordamerika und die „Schlacht bei Minden" unter der Führung von Herzog Ferdinand von BraunschweigWolfenbüttel 1759 entwickelte sich zugunsten des britischen Königs. Mitgekämpft hatten auch die Verwandten von König George II. aus Hessen-Kassel.

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Aus dem Konflikt ging Großbritannien, nur 50 Jahre nach dem Amtsantritt des ersten hannoverschen Königs, als stärkstes Weltreich hervor. Frankreich war hinterher auf dem europäischen Festland geschwächt und hatte auch noch eine Menge Kolonialgebiete eingebüßt. Russland blieb eine kontinentale Großmacht, spielte auf den Weltmeeren und beim Thema Kolonien keine Rolle und musste sich zurückhalten, was die Ambitionen auf Westeuropa anbetraf.

Zarin Elisabeth von Russland

Elisaweta Petrowna Romanowa regierte von 1741 bis 1762 als Kaiserin von Russland und beendete mit ihrem Tod die direkte Erbfolge der Romanows, die sich mehrere Jahrhunderte lang gehalten hatte. Ihre Mutter Katharina I. verlobte Elisabeth zu Lebzeiten mit dem Lübecker Fürstbischof Karl August von Schleswig-Holstein-Gottorf (Verbindungen zu Dänemark und Sachsen), der aber an Pocken verstarb. Es gab keinen weiteren Versuch einer Ehe. Ihre Strategie zur Festigung ihrer Macht bestand darin, treue Militärführer zu Adeligen zu machen. 1742 ernannte sie den Sohn ihrer Schwester Anna Petrowna, Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorp, den späteren Peter III., zu Ihrem Nachfolger. Das Haus Schleswig-Holstein-Gottorf war eine Nebenlinie des Hochadel-Hauses Oldenburg. Die heutigen Königshäuser von Dänemark und Norwegen gehören genealogisch zum Zweig Schleswig-Holsteln-Sonderburg-Glücksburg. Der heutige britische Prinz William, Duke of Cambridge, gehört über seinen Vater und Großvater auch dem Haus Schleswig-Holstein-SonderburgGlücksburg an, der Nebenlinie des Hauses Oldenburg. Zarin Elisabeth verlobte ihren Neffen und designierten Nachfolger Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorp mit Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst, der späteren Katharina II.

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Peter III. und Katharina II.

Karl Peter Ulrich von Schleswig-Holstein-Gottorf war Sohn des Herzogs Karl Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf und dessen Ehefrau Anna Petrowna, einer Tochter Peters I. und Stammmutter des Hauses Romanow-HolsteinGottorp. Peter trat aus strategischen Gründen der russisch-orthodoxen Kirche bei, änderte seinen Namen in Peter Fjodorowitsch an und bekam den Titel eines Großfürsten. Zuvor war er eigentlich in Schweden zum schwedischen Thronfolger gewählt worden, aber Peter betrachtete Russland als seine Aufgabe. Kaiserin Katharina II. ließ zur Sicherheit Iwan VI. 1764 ermorden, damit dieser sich nicht irgendwann den Thron schnappen würde. Den Namen Katharina hatte sie genauso wie den russisch-orthodoxen Glauben als strategischen Gründen angenommen. Peter und Katharina waren Cousins zweiten Grades, praktizierten eine Art Scheinehe und hatten beide Affären. Ob der Sohn und Tochter des Kaiserpaares wirklich von Peter stammten, oder von einer Affäre Katharinas, ist fraglich. Im Siebenjährigen Krieg änderte Peter den Kurs, schloss Frieden mit dem preußischen König Friedrich II. (der „alte Fritz" aus der Linie Hohenzollern) und schickte jenem noch 15.000 russische Soldaten, was Preußen wohl vor der Niederlage bewahrte. Peter plante heimlich, Katharina abzusägen und mit seiner Geliebten zu ersetzen, aber Katharina kam ihm zuvor mit ihrer eigenen Verschwörung. Ihr Geliebter Grigori Orlow war Anführer der Garderegimenter und ließ Peter verhaften und wahrscheinlich im Gefängnis umbringen. Katharina brachte einen Sohn von Orlow zur Welt und behauptete, das Kind stamme von Peter und habe deshalb Anspruch auf die Thronfolge. Sie ließ sich

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zur Alleinherrscherin krönen und regierte 34 Jahre lang. In diese Zeit fiel auch die große Pestwelle von 1770, die die halbe Bevölkerung auslöschte. Die Leibeigenschaft der Bauern behielt sie bei und mit der Verleihung neuer Privilegien sicherte sie sich das Wohlwollen des Adels, um nicht irgendwelche Verschwörungen gegen ihre Herrschaft zu riskieren. Militärisch konnte sie erhebliche Siege verbuchen gegen die Türken und den Zugang zum Schwarzen Meer sichern. Auch ein Teil Polens sowie die Halbinsel Krim konnten an Russland angliedert werden. Die Ambitionen in Bezug auf Griechenland scheiterten und sie mischte sich auch in den Unabhängigkeitskrieg der USA ein, um die Handelsrouten zu beeinflussen. Ihren Sohn Paul, der vielleicht sogar wirklich von dem ermordeten Peter abstammte, wollte sie von der Thronfolge ausschließen, was ihr aber nicht gelang.

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Pauli.

Paul durfte den Titel eines Herzogs von Holstein-Gottorf führen und hatte ein kurzes Gastspiel von 1796 bis 1801 als Kaiser von Russland. Er revidierte alle möglichen Entscheidungen seiner Mutter und heiratete die deutsche Prinzessin Wilhelmina Luisa von Hessen-Darmstadt, die zum russisch-orthodoxen Glauben konvertierte und sich umbenannte in Natalja Alexejewna. Zwei Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes verstarb sie und Paul heiratete später eine weitere deutsche Prinzessin, Sophie Dorothee von Württemberg. Russische Adelige ließen ihn 1801 ermorden und hatten dabei wahrscheinlich das Einverständnis von Pauls Sohn Alexander, dem nächsten Zaren.

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Alexander I.

Alexanders Geschwister heirateten standesgemäß und festigten die Bindungen zu einflussreichen europäischen Adelshäusern: •

Alexander 1.(1777 bis 1825) heiratete Louise, Prinzessin von Baden (Preußen)



Konstantin (1779 bis 1831) heiratete Juliane, Prinzessin von SachsenCoburg-Saalfeld deren Bruder Leopold 1831 König der Belgier wurde. Über ihre Schwester Victoria war sie eine Tante der britischen Königin Victoria.



Alexandra (* 9. August 1783; 116. März 1801) heiratete Joseph, Erzherzog von Österreich (Habsburg Lothringen)



Helene (* 24. Dezember 1784; t 24. September 1803) heiratete Friedrich Ludwig, Erbprinz von Mecklenburg-Schwerin (Sachsen Gotha, heiratete später ein in Hessen-Homburg und Hessen-Darmstadt)



Maria (* 15. Februar 1786; 123. Juni 1859) heiratete Carl Friedrich, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach (Hessen-Darmstadt, Preußen, Niederlande)



Katharina heiratete (1809) Georg von Oldenburg und Wilhelm I., König von Württemberg



Anna heiratete Wilhelm IL, König der Niederlande (Oranje-Nassau)



Nikolaus I. (Kaiser von Russland und König von Polen) heiratete Charlotte, Prinzessin von Preußen (Mecklenburg Strelitz)



Michail heiratete Charlotte, Prinzessin von Württemberg (SachsenHildburghausen)

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Alexander hatte nie ein warmes Verhältnis zu seinem Vater Paul gehabt, sondern war stattdessen seiner Großmutter Katharina nahegestanden, die auch seine Ausbildung kontrollierte und die ihn bereits zu ihren Lebzeiten zum Thronfolger machen wollte. Sein Lehrer war der Schweizer Freimaurer FrédéricCésar de la Harpe. Der Krieg gegen Napoleon 1812 war eine große Herausforderung, denn die Franzosen drangen tief In die russischen Räume vor, verlängerten damit aber auch ihre Nachschubwege und setzten sich der Kälte aus. Bei dem Rückzug wurde das französische Heer fast vernichtet. Obwohl sein Ausbilder ein Freimaurer gewesen war, erlaubte Alexander nicht sofort die Aktivitäten des Ordens, sondern ließ zunächst ein Gutachten in Auftrag geben. Nach einem positiven Befund durften ab 1810 Logen betrieben werden und Alexander selbst wurde ein Maurer. Von irgendeiner Aufklärung und Liberalisierung war jedoch in der Folgezeit nichts zu spüren, denn es folgten neue Überwachungsmaßnahmen, eine Zensur der Wissenschaft und eine Ausweitung der (geheim-)polizeilichen Maßnahmen, Reformen wurden abgeblasen und die Bauernsklaverei blieb bestehen. 1822 mussten auch die Freimaurerlogen und alle ähnlichen Vereinigungen schließen. Ob Alexander 1825 wirklich in Taganrog an gesundheitlichen Problemen starb, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten. Es entstand die Legende, er hätte sich nur zurückgezogen, und daran könnte sogar etwas dran sein. Eine Autopsie der Leiche sei ohne plausiblen Grund rst 32 Stunden nach dem Ableben vorgenommen worden und das Ergebnis dieser Autopsie widerspricht dem Befund des Leibarztes des Zaren in Bezug auf den Zustand der Milz. Das Gesicht der Leiche wurde auf Anweisung mit einem Tuch verhüllt, der ganze Leichnam einbalsamiert und bei einer Exhumierung 1866 war der Sarg leer.

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George III.

Georg II. war 1760 verstorben, rund neun Jahre nach seinem ältesten Sohn Friedrich Ludwig, und so übernahm der Enkel Georg Wilhelm Friedrich als König George III. die Nachfolge. Der Siebenjährige Krieg hatte 1763 geendet und Britannien durch massive Zugewinne in Nordamerika und Indien zur führenden Stellung auf der Welt verholfen, allerdings auch sehr viel Geld gekostet. Den Kolonien in Amerika wurden Steuern abgepresst und die „Ostindien-Kompanie" setzte rücksichtslos mit Truppen ihre Interessen in Indien durch. Die Industrialisierung gab Britannien einen mächtigen Vorsprung und dies war nur möglich geworden durch eine (kontrollierte) Stärkung der Mittelschicht. Um die Mittelschicht bei Laune zu halten, gestand man ihr mehr Wohlstand und Freiheit zu, baute aber erhebliche Kontrollmechanismen ein. Ein Bürger aus der Mittelschicht war abhängig von dem Wohlwollen der Justiz und konnte jederzeit vernichtet werden. Um aufzusteigen, musste der Bürger sich der Obrigkeit andienen, den Freimaurern beitreten, den Adeligen gefallen und alteingesessene Bildungseinrichtungen durchlaufen. George III. und seine Verwandten müssen begriffen haben, wie effektiv es ist, eine kontrollierte Mittelschicht zu fördern und dieser mehr Mitspracherecht vorzugaukeln. Das Parlament und das Amt des Premierministers wurden dementsprechend aufgehübscht und wirkten in der Wahrnehmung der Bevölkerung zunehmend einflussreicher, während der König mehr in den Hintergrund trat. Als passende Braut holte sich George Prinzessin Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, die er vor dem Hochzeitstag nicht einmal kannte, aber anscheinend war die ehe relativ harmonisch reibungslos zwischen den beiden und es wurden fünfzehn Kinder geboren. Er folgte der amerikanische Unabhängigkeitskrieg (siehe späteres Kapitel in diesem Buch), der von den Briten wahrscheinlich mit Absicht verloren wurde,

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weil die Krone keinen Sinn darin sah, mit altbackenen Mitteln eine Kolonialherrschaft in Amerika zu unterhalten. Geheimdienstliche, versteckte Methoden der Kontrolle waren deutlich billiger und weniger stressig. Theatralisch wütete George, dass er notfalls ewig Krieg führen würde gegen die aufmüpfigen Kolonien und so viel Elend und Terror dort erzeugen wolle, bis die Menschen in Amerika um Vergebung betteln. Trotzdem verschenkten die britischen Generäle den Sieg, Amerika wurde formell unabhängig und die Welt hinterfragte die Sache nicht. Ein weiterer Bonus war, dass das verhasste Frankreich einen Haufen Geld in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gesteckt hatte und sich dadurch in Schulden stürzte, ohne wirklich nennenswert zu profitieren. Im britischen Parlament und in der politischen Regierung tobten die theatralischen Grabenkämpfe, die nicht nur die eigene Bevölkerung, sondern auch das Ausland täuschen sollten. Mit den demokratischen Wahlen hatten die Bürger die Illusion der Mitbestimmung, luden sich aber auch gleichzeitig die illusionäre Mitverantwortung auf für die politischen Entscheidungen. Die Bevölkerung wollte über Dinge mitentscheiden und streiten, die sie überhaupt nicht verstand und der Unmut des einzelnen Bürgers galt längst nicht mehr dem monolithischen Königshaus, sondern richtete sich gegen eine Kakophonie aus ständig wechselnden Politikern und konfusen Ideen. Und natürlich war der einzelne Bürger natürlich auch wütend auf andere Wähler. Die Anzahl der Politiker und die Anzahl der politisch umstrittenen Themen überforderte den einzelnen Bürger völlig, der nicht einmal annähernd die Zeit hatte, die Politiker und Themen gründlich zu untersuchen und einzuschätzen. Die Zeitungen, selbstverständlich in der Hand diverser Adeliger, lieferten allerhand verheerende Denkabkürzungen. George wurde zunehmend geistig labiler, was vielleicht mit einer genetisch bedingten Stoffwechselerkrankung zusammenhängt, oder aber mit einer Vergiftung von Arsen. 2005 fand man hohe Mengen von der Substanz in einer Haarprobe des Königs und es ist überliefert, dass er ab 1788 phasenweise völlig unzurechnungsfähig war und die Ärzte ihm nicht helfen konnten. Fast wäre er gestürzt worden.

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Mit geheimdienstlichen Methoden, diversen Freimaurerlogen und dem bayerischen Illuminatenorden hatten die britischen Adeligen die Französische Revolution unterstützt und die französische Monarchie gestürzt. Die Folge war, dass sich unter Napoleon Bonaparte ein noch aggressiveres Regime formte und ein gewaltiger Krieg begann, den die Briten zusammen mit ihren Verwandten in Russland unter großen Anstrengungen gewannen. George spielte, wie seine Vorgänger schon, mit dem Gedanken sich selbst auf den französischen Thron zu setzen, sah dann aber doch von dem Versuch ab. Der Prince of Wales übernahm schließlich die Regentschaft, denn George war (wahrscheinlich wegen erneuter Arsenvergiftung) unzurechnungsfähig und lebte im Windsor Castle vor sich hin. Premierminister Spencer Perceval wurde 1812 ermordet und daraufhin folgte ihm Lord Liverpool im Amt. Sein ältester Sohn trat als George IV. die Thronfolge an.

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Nikolaus I.

Nikolaus stammte natürlich aus dem Haus Romanow-Holstein-Gottorp und herrschte zwischen 1826 und 1855 als Kaiser von Russland, wobei auch diese Phase von einer deutlichen Rückständigkeit gekennzeichnet war im Vergleich zu den USA und Großbritannien. Eigentlich hätte man erwarten sollen, dass Russland mit der Zeit geht und die Herrschaftsstrukturen des britischen Empires kopiert, aber das war nicht der Fall. Möglicherweise wollte man keine Modernisierung Russlands riskieren, weil man sich nicht sicher war, dass man die Kontrolle behalten würde. Es wäre für das Haus Romanow-Holstein-Gottorp und deren Verwandte aus Britannien das größte Desaster gewesen, wenn ein Putsch neue und fortschrittlichere Kräfte in Russland an die Macht gebracht hätte, wegen den vielen Bodenschätzen und dem riesigen Territorium. Nikolaus war eigentlich nur die zweite Wahl gewesen für den Posten und seine Strategie war, das rückständige System Russlands durch nationalistische Propaganda, die orthodoxe Kirche sowie durch immer größere diktatorische Maßnahmen und immer mehr Überwachung durch die Geheimpolizei abzusichern. Es handelte sich im Prinzip um mittelalterliche Methoden, abgesehen von der moderneren geheimdienstlichen Spitzelei. Der Architekt für diesen Überwachungsapparat war General Alexander von Benckendorff, Der Spagat gelang Ihm nicht, gleichzeitig die korrupten Verwaltungsbeamten glücklich zu stimmen und die Bauernsklaven nicht zu überfordern, weil die Behörden einfach weiter die Bauern abzockten. Richtigen Fortschritt konnte es so nicht geben. Ein weiteres mittelalterliches Instrument zur Handhabung der Bevölkerung war der geschürte Hass auf Juden, eine Minderheit die sich nicht wehren konnte, wenn die angestaute Wut unzufriedener Bürger sich entlud. Es folgte der Krimkrieg, bei dem Russland im Vergleich zu den europäischen Großmächten ziemlich alt und rückständig aussah. Viele russische Soldaten hatten überhaupt keine oder eine schlechte Kampfausbildung, unzureichende

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Ausrüstung, sie wurden oft noch nicht einmal versorgt und der Mangel an Organisation war verheerend. Zar Nikolaus verstarb vor Ende des Krieges. Die Ehe mit Charlotte von Preußen (Hohenzollern), deren Mutter Königin Luise war, geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, brachte sieben Kinder hervor: •

Alexander II., der spätere Kaiser von Russland



Maria. Sie heiratete Maximilian de Beauharnais, 3. Herzog von Leuchtenberg (bayerisches Königshaus und Hessen-Darmstadt)



Olga. Sie heiratete König Karl I. von Württemberg (Saxen GothaAltenburg, Hannover, Oranien-Nassau, Preußen)



Alexandra. Sie heiratete Landgraf Friedrich Wilhelm von HessenRumpenheim (Hessen-Kassel, Dänemark, Schleswig-HolsteinSonderburg-Glücksburg)

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Konstantin. Großfürst von Russland



Nikolai. Großfürst von Russland



Michael. Großfürst von Russland

Alexander II.

Der Lehrer von Alexander war der deutschstämmige Linienoffizier Karl Merder. 1839 stieß er auf die junge Prinzessin Marie von Hessen, die er zwei Jahre später trotz Protest von seinem Hof heiratete und mehrfach mit anderen Frauen betrog. Sie holte sich die Unterstützung der Großherzogin Alice von Hessen und bekam die Erlaubnis, ihre Tochter Maria mit dem britischen Herzog Alfred von Edinburgh zu verheiraten. Alle Kinder, die heirateten, vermählten sich mit einschlägigen Familien: •

Alexandra Alexandrowna. Großfürstin von Russland



Nikolai Alexandrowitsch. Zarewitsch von Russland



Alexander Alexandrowitsch. Heiratete Dagmar von Dänemark



Wladimir Alexandrowitsch. Heiratete Marie von MecklenburgSchwerin



Alexei Alexandrowitsch. Großfürst von Russland



Maria Alexandrowna heiratete Herzog Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha



Sergei Alexandrowitsch.



Pawel Alexandrowitsch. Großfürst von Russland

Alexander musste die Niederlage Russlands im Krimkrieg zur Kenntnis nehmen, vermochte aber nicht, an der Rückständigkeit des Landes wirklich etwas Substanzielles zu ändern. Dass man abgemagerte, ärmliche Bauernsklaven nicht auf ein Schlachtfeld schicken und Wunder erwarten kann, war nun überdeutlich.

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Die Bauernbefreiung wurde den russischen Adeligen als absolute Notwendigkeit erklärt, führte aber nach mehreren Attentatsversuchen gegen Alexander nicht zu einem größeren Liberalismus. Ein Attentat 1881 mit Sprengstoff tötete ihn schließlich.

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Alexander III.

Alexander verfolgte größere Ambitionen gegen die Türken, erhielt aber dabei keine Unterstützung vom deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck, der kein Interesse daran hatte, dass Russland mit neuen Gebietsgewinnen nach Europa vorstößt und Zugang zum Mittelmeer erhält. In der Folgezeit näherte sich Alexander den Franzosen an. Er heiratete Dagmar von Dänemark, die selbstverständlich der russischorthodoxen Kirche beitrat und sich in Maria Fjodorowna umbenannte. Wegen dem Attentat auf seinen Bruder ließ er die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen und drangsalierte die Juden noch stärker, die sich rund 30 Jahre später an der bolschewistischen Revolution beteiligten in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Geheimpolizei Ochrana, sibirische Arbeitslager und ein rückständiger, intoleranter Nationalismus mit der Brechstange waren erneut die Mittel der Wahl, ohne dass dadurch die Kontrolle im Land wirklich besser geworden wäre. Hätten die europäischen Adelshäuser mit diesen Methoden geherrscht, wäre wohl auch ihnen die Kontrolle entglitten und überall hätten sich Widerstandsnester im Volk gebildet. Russland hatte keine Industrialisierung aus eigener Kraft hinbekommen, weil die Mittelschicht aus korrupten Beamten statt Unternehmern bestand und zu viele Menschen noch als Bauern auf den Feldern standen. Jeder Versuch Alexanders, für Disziplin zu sorgen, erregte nur noch mehr Wut in den verschiedenen gesellschaftlichen Klassen. Und diese Wut richtete sich natürlich auf den Alleinherrscher, während in Britannien beispielsweise der König schlauerweise in den Hintergrund getreten war und der Unmut der Bevölkerung sich gegen eine Vielzahl an ständig wechselnden Politikern und politischen Ideen sowie gegen diverse Wählergruppen richtete. Die Zarenherrschaft war ein simpel konstruiertes System und deshalb auch deutlich sichtbar und angreifbar.

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Die britische Herrschaft hingegen war ein ausgeklügeltes Labyrinth, das fast niemand im Volk wirklich verstand. 1890 verlängerte der deutsche Kaiser Wilhelm II. den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht und machte sich somit zur Zielscheibe. Die Strategie Bismarcks war gewesen, andere Großreiche auf Distanz zu halten und keines davon gravierend zu benachteiligen oder zu bevorteilen. Aber letztendlich kam es zu einem Bündnis Russlands mit Frankreich und England (plus USA) gegen Deutschland. 1888 entgleiste der Zug, in dem er mit seiner Familie reiste, wobei es durchaus sein kann, dass hier Sabotage an den Gleisen durch Revolutionäre bzw. Terroristen vorlag. 1894 starb er an den Spätfolgen seiner Verletzungen. Seine Frau Dagmar von Dänemark war die Tochter des Prinzen Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg und seiner Frau Louise von Hessen-Kassel. Dagmars fünf Geschwister heirateten in mehrere europäische Herrscherhäuser ein, darunter Ehen mit König Eduard VII. von Großbritannien. Sie wurde nach der Revolution 1919 von der Krim mit dem Schiff HMS Marlborough abgeholt und rettete sich nach Dänemark. Angeblich wusste sie nicht, was mit dem Rest der Zarenfamilie geschehen war und ließ den zarentreuen Weißarmisten Sokolow Nachforschungen durchführen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber enorm hoch, dass auch der Rest der Zarenfamilie von den britischen Verwandten evakuiert und an einen geheimen Ort gebracht worden war. Die zarentreuen „weißen" Truppen erhielten genauso wie die kommunistischen „roten" Truppen militärische und finanzielle Hilfe aus britischen und amerikanischen Kreisen, wobei den Kommunisten der Vorzug gegeben wurde. In dem „Schwarzbuch KGB" sind von einem Überläufer mehrere interessante Akten überliefert worden, die den dringenden Verdacht nahelegen, dass die Weißen von den Amerikanern und Briten verraten wurden.

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Nikolaus II.

Nikolaus war der letzte Zar des Russischen Reiches und verwandt mit Familien wie Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel sowie mit dem dänischen Königshaus, dem britischen Königshaus und er war sogar ein Neffe dritten Grades des Deutschen Kaisers Wilhelm II. Er heiratete seine Cousine Alix von Hessen-Darmstadt, Enkelin der britischen Königin Victoria. Das Ehepaar gab dem Hochstapler Rasputin Zugang zum Hof, der mit seinen Psychotricks den Wunderheiler mimte und scheinbar dem kranken Sohn des Zaren half. Mit seinem mittelalterlichen Herrschaftskurs konnte er nicht einmal den Russisch-Japanischen Krieg für sich entscheiden und bewies, dass seine Methoden ein Auslaufmodell waren, die das Risiko bargen, eines baldigen Tages die Herrschaft komplett einzubüßen. Seine britischen Verwandten mussten mit allen Mitteln verhindern, dass Russland verlorenging. Der erste Weltkrieg hatte für Großbritannien zwei große Vorteile: Man konnte das Deutsche Reich und vor allem die preußischen Landstreitkräfte erheblich schwächen, während in Russland in hohem Umfang Soldaten und aufmüpfige Offiziere verheizt wurden. Nach nur einem Jahr verbuchte Russland 1,4 Millionen Gefallene oder Verwundete, sowie 980.000 Soldaten in gegnerischer Gefangenschaft. Eine Schwächung Russlands bedeutete, dass die Gefahr nicht mehr bestand, dass eine Gruppe von russischen Offizieren per Staatsstreich die Macht ergreifen und ein neues System etablieren könnte. Den Kommunisten gelang es wenige Jahre später mit ihrer „Revolution" zunächst nur, ein paar Städte und relativ kleine Gebiete zu besetzen. Sowohl die Kommunisten als auch die zarentreuen „Weißen" waren relativ schwach und abhängig von ausländischer Hilfe. Großbritannien und die USA hatten nicht nur der kommunistischen Revolution geholfen, sondern in der Folgezeit noch den

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Bürgerkrieg der Kommunisten und die Industrialisierung unterstützt. Mit Munitionslieferungen und wertvollen Informationen konnten die Angloamerikaner den russischen Bürgerkrieg beliebig verlängern und den Ausgang des Konflikts entscheiden. Die Generäle von Zar Nikolaus empfahlen ihm 1917, abzudanken und weder sein Sohn noch sein Bruder stand als Nachfolger zur Verfügung. Bei der Rückkehr nach Petrograd wurde er mit seiner Familie im Alexanderpalast unter Hausarrest gestellt. Dann brachte man sie in den Ural und der britische König George V. bot seinem Cousin Asyl an, zog dann aber offiziell das Angebot zurück, weil sein Parlament sich dagegen ausgesprochen hatte. Das Naheliegendste wäre für König George gewesen, die Zarenfamilie heimlich evakuieren zu lassen und die Umstände zu verschleiern. Wäre Nikolaus samt seiner Familie einfach so mit öffentlicher Ankündigung nach England gebracht worden, wäre es für die britische Krone erheblich schwerer geworden, den russischen Bürgerkrieg auf beiden Seiten zu unterstützen und den Kommunisten den Sieg zu ermöglichen. Wenn die ganze Welt stattdessen dachte, die Zarenfamllie sei ausgerottet worden, machte dies die Angelegenheit deutlich einfacher. Der offiziellen Legende zufolge wurden die Zarenfamilie nach Jekaterinburg gebracht und dort dann am 17. Juli 1918 erschossen. Es gab jedoch keinen überzeugenden physischen Beweis dafür. Erst Jahrzehnte später wurden Leichenfragmente präsentiert, über die sich Experten stritten. Die Möglichkeiten zur Vertuschung waren jedoch endlos in Russland.

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George IV.

Georg IV. galt als verschwenderisch, stark übergewichtig, als Spieler, opiumsüchtig und überschuldet. All das förderte den Eindruck, die Krone hätte massiv an Einfluss verloren und so ließ man die politischen Marionetten und Wählergruppen ausgiebig miteinander streiten, wie man nun das Problem der Missernten und Wirtschaftskrisen lösen soll. Nach den Napoleonischen Krieges kollabierten die Rüstungsproduktion und Kohleförderung und über 300.000 britische Soldaten wurden arbeitslos. Echte Freiheit gab es natürlich in Britannien nicht und die Regierung behielt sich das Recht vor, jeden beliebigen Kritiker aus der Bevölkerung wegen Hochverrat zu bestrafen. Da die Arbeiter und Bauern besonders hart betroffen waren von der wirtschaftlichen Misere, wurden sie gezielt von rebellischen Propagandaschriften angesprochen. Anstatt sozialistische Bewegungen einfach nur rigoros zu unterdrücken, kontrollierten britische Geheimdienste einfach selbst welche und schufen damit den Ursprung des modernen Links-Rechts-Denkmusters in der Politik.

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Wilhelm IV. und Victoria, die Mutter Europas

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Am 26. Juni 1830 starb König Georg IV. und sein Bruder folgte ihm als Wilhelm IV. im Alter von 64 Jahren auf den Thron. Seine Regentschaft verlief unauffällig. Nach seinem Tod wurde seine Nichte Victoria Königin von Großbritannien und Irland, obwohl niemand in der Öffentlichkeit damit gerechnet hatte, dass sie jemals den Thron besteigen würde. Sie sollte 63 Jahre lang in dieser Funktion tätig sein und nach ihr wurde diese für Großbritannien sehr erfolgreiche Zeit als „viktorianisches" Zeitalter benannt. Sie heiratete Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, der deutlich mehr Erfahrung besaß und wohl letztendlich prägender war als Victoria. Sein Onkel war Leopold von Belgien. Der Krimkrieg verlief relative erfolgreich, wobei signifikante Verluste zu verzeichnen waren wegen mangelhafter Versorgung von Soldaten. In Preußen gab es zwar äußerst wichtige Verwandte von Victoria, wie etwa Wilhelm IL, aber dieser schien vom Charakter eher ein typischer Hohenzollern zu sein. Den Reichskanzler Otto von Bismarck verabscheute sie und setzte wahrscheinlich gezielt diverse Bankhäuser wie Rothschild auf ihn an, um ihn einzuwickeln und zu überwachen. Die Rothschilds (siehe späteres Kapitel in diesem Buch) hatten ihr Vermögen dank der britischen Krone gemacht. Mit Victorias Tod ging die Herrschaft des Hauses Hannover über auf das Haus Sachsen-Coburg und Gotha, das ab 1917 in Windsor umbenannt wurde, um die deutsche Abstammung zu verschleiern. Mit ihren 40 Enkeln und 88 Urenkeln nannte man sie Mutter Europas. Zu ihren Nachkommen zählen Königin Elisabeth II. von Großbritannien, König Harald V. von Norwegen, König Carl XVI. Gustaf von Schweden, Königin Sophia von Spanien, König Juan Carlos I. von Spanien, Königin Margrethe II. von Dänemark, der ehemalige König von Griechenland Konstantin II. und der ehemalige König von Rumänien Michael I. Zu ihren Nachfahren gehören auch die Oberhäupter der ehemaligen Herrscherhäuser von Serbien, Russland, Preußen, Sachsen-Coburg-Gotha, Hannover, Hessen, Baden und Frankreich sowie der britische Prinzgemahl Philip, Duke of Edinburgh.

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1776: Die Amerikanische Revolution als Scheinerfolg gegen die Adeligen

Der britische König George III. aus der Linie der Hannoveraner gilt in der regulä ren Geschichtsschreibung als derjenige, der den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und damit das erste britische Empire verloren hatte. Die Unabhängigkeit Amerikas gilt in der Verschwörungsliteratur als schwerer Rückschlag für die „jüdischen llluminaten" und als Sieg der freiheitlichen Kräfte des Guten, wenngleich auch die Mitgliedschaft von George Washington und den anderen Gründervätern bei den Freimaurern zu Mythen und Spekulationen führten. Im Mindesten wurde Amerika nach der Revolution relativ bald wieder mit verdeck ten Methoden von den britischen Adeligen und deren Wirtschaftsoligarchen übernommen. Es gibt aber auch erhebliche Ungereimtheiten, die nahelegen, dass die Revolution von vorneherein eine Inszenierung war: •

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Die amerikanischen Revolutionsführer hatten weder das nötige Geld, noch die organisatorische Struktur oder die militärischen Kapazitäten um einen Krieg gegen die Briten zu gewinnen. Britannien wiederum

konnte einen Krieg mit Leichtigkeit bezahlen. Das französische Königshaus musste sogar eine Menge Geld bereitstellen für George Washington, verschuldete sich dadurch und geriet in große Schwierigkeiten •

Großbritannien hatte sich garantiert mit Hilfe der eigenen Geheimdienste abgesichert gegen den Fall eines Verrats der Kolonialführer. Dies schloss die sorgfältige Auswahl der Kolonialführer mit ein, Erpressungsmaterial, sowie das Spinnen eines Netzes an Freimaurerlogen, Agenten und Informanten



König George und seine Vorgänger hatten ohnehin bereits in der Vergangenheit in Großbritannien die Strategie verfolgt, eine immer besser versteckte Herrschaft zu praktizieren und allerhand Frontorganisationen zu schaffen in Form von Parlamenten und Parteien. Es hätte außerordentlich viel Sinn ergeben, im Zuge dieser Strategie die Amerikanische Revolution zu inszenieren und das Regierungsmodell der Scheindemokratie zu etablieren, das bereits zuvor in Britannien erprobt worden war.



Britanniens Militärführer erlaubten sich im Unabhängigkeitskrieg auffällige und sinnwidrige Fehler, die George Washington halfen.



Einflussreiche amerikanische Familien und Raubbarone pflegten unmittelbar nach dem Unabhängigkeitskrieg nach wie vor enge Beziehungen zu Großbritannien.

Der Vertrag von 1783 war im Prinzip nur eine Reorganisation der sichtbaren Regierungsverhältnisse, und nicht der große, mythische Befreiungsschlag. Er gestattete den Briten die Territorien im Norden (später British Canada) und bereitete den Boden für enge künftige Handelsbeziehungen zwischen den USA und Großbritannien. Die gewöhnlichen Bürger Amerikas wurden gnadenlos abgezockt und landeten in einer verheerenden Wirtschaftsdepression. Die Kredite von Frankreich und Holland mussten zurückgezahlt werden und die Kriegsveteranen erwarteten, versorgt zu werden. Mit der zunehmend wertlosen amerikanischen Papierwährung war nicht mehr viel zu machen und wer in einer Machtposition war, verlangte Gold und Silber. Die gewöhnlichen Ameri-

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kaner hatten nicht viel zu feiern nach der Revolution, weil sie hoch verschuldet, von der Inflation getroffen und dann auch noch mit höheren Steuern belastet waren. Wer nicht zahlen konnte, dem wurde alles konfisziert und landete teilweise sogar im Gefängnis unter furchtbaren Bedingungen. Die wohlhabendere Schicht Amerikas stopfte sich die Taschen voll und überlegte, wie man am meisten aus der Sache profitieren könnte, während für die einfache Bevölkerung die Zustände so unerträglich wurden, dass tausende Männer zu den Waffen griffen und einen Aufstand versuchten in Maine, Vermont, New Hampshire, Massachusetts, Connecticut, Pennsylvania, Virginia, South Carolina, Maryland und New Jersey. Es ging den Aufständischen nicht darum, etwas zu stehlen oder Macht zu ergreifen, sondern eher darum, ein Dach über dem Kopf zu haben. Gründerväter Die Gründerväter waren allesamt suspekte Figuren und extreme Alkoholiker, wobei die Verschwörungsliteratur hier teils sehr wilde Spekulationen hervorgebracht hat, bis hin zu einer Doppelgänger-Theorie, laut der George Washington in Wirklichkeit Adam Welshaupt gewesen sein soll. Bei Alexander Hamilton haben wir es mit einem Spion des britischen Königs zu tun, der für Amerika ein Finanzsystem nach byzantinischer Art etablieren wollte, welches für den Normalbürger unverständlich kompliziert wirkt. Er befürwortete auch, einen Präsidenten und Senatoren auf Lebenszeit zu ernennen, während seine Vorstellung einer Zentralbank eine Abwandlung des Systems der britischen Bank of England war. Britannien war inzwischen der größte Handelspartner des „unabhängigen" Amerikas geworden und Hamilton setzte sich mit seiner Gruppe der „Federalists" dafür ein, diesen Handel noch mehr auszuweiten. 2016 wurde in dem alten Haus von Benjamin Franklin London eine Grube ausgehoben, in der man rund 1200 Knochen von insgesamt 15 Menschen fand. Man erklärte sich dies damit, dass Franklins Freund, der berühmte Mediziner William Hewson, dort heimlich die menschliche Anatomie an gestohlenen Leichen studiert hätte. Einige Knochen waren zersägt oder zerhackt und Schädel wiesen mehrere Bohrlöcher auf.1

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John Adams galt als egomanischer Monarchist und er forderte, dass der Präsident nur mit "Eure Hoheit" angesprochen werden dürfe. Als Präsident später verabschiedete er die „Alien and Sedition"-Gesetze, die Kritik an der Regierung praktisch unter Strafe stellten. Patrick Henry, der den berühmten Ausspruch "Gib mir Freiheit oder gib mir den Tod" prägte, sperrte seine Frau jahrelang mit einer Zwangsjacke in seinem Keller ein. Thomas Jefferson hatte nach dem Tod seiner Frau eine Affäre mit ihrer Halbschwester Sally Hemings, die noch ein Teenager und seine Sklavin war. Mit ihr hatte er sechs Kinder, die alle als Sklaven aufwachsen mussten. George Washingtons außergewöhnlich heftige Zahnprobleme wurden mit den damals üblichen, giftigen Substanzen behandelt, die das Gehirn schädigen konnten und er war ständig angewiesen auf Schmerzmittel. Seine Sklaven ließ er schlagen, er nutzte später Gesetzeslücken aus um sie nicht befreien zu müssen, und verkaufte manche sogar als Strafe in die Karibik, sodass sie ihre Familien nie wiedersahen. Die Revolution Das britische Empire musste abwägen zwischen mehreren Faktoren, um die Weichen optimal für die Zukunft zu stellen: Eine altbackene, offene Herrschaft über ein Volk von verarmten Bauernsklaven war nicht mehr zeitgemäß, brachte zu wenig Steuereinnahmen und technologischen Fortschritt und war angesichts der Verbreitung billiger Schusswaffen für Jedermann auch nicht mehr so einfach abzusichern mit einem Berufsmilitär. Stattdessen musste eine neue Form der verdeckten Kontrolle her, die bislang nur in Ansätzen erprobt worden war: Ein komplexes Klassensystem mit diversen politischen und wirtschaftlichen Tarnorganisationen des Empires, ein folgsamer Geldadel und ein bisher ungekanntes Maß an unternehmerischer Freiheit. Federführend bei der Amerikanischen „Revolution" waren die begüterten Schichten von der Ostküste, allesamt Freimaurer, während die Stimmung in der Bevölkerung ziemlich geteilt war. Bei dem berüchtigten „Massaker von Boston" starben gerade einmal fünf Männer, die sich mit britischen Truppen angelegt hatten. Später wurden dort am Hafen 342 Kisten englischen Tees ins Meer geworfen. Trotz des Ausbruchs des Krieges versicherte der amerikanische Kongress noch am 5. Juli und am 6. Dezember des Jahres 1775 seine Treue zum britischen König.

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Am 26. Dezember 1776 wurde das Wahlrecht auf wohlhabende Bürger beschränkt, während nur etwa ein Drittel der Bevölkerung die Unabhängigkeit unterstützen wollte, ein weiteres Drittel passiv blieb und das verbleibende Drittel Anhänger der Krone von King George III. bleiben wollte. John Adams, der damalige Delegierte von Massachusetts und spätere US-Präsident, erklärte, dass man die wohlhabendsten Männer zu Offizieren gemacht hatte. Das gewöhnliche Volk durfte bluten. Britannien trat nach deutlichen und wenig überraschenden Anfangserfolgen im Krieg plötzlich auf die Bremse, obwohl der amerikanischen Armee bis Anfang 1781 die Hälfte ihrer Truppen davongerannt war. Die Hilfe der (eigentlich bankrotten) Franzosen brachte die Wende. Im Nachhinein wurde die Legende gesponnen, dass die britische Regierung den Ernst der Lage zu spät begriffen hätte, obwohl das britische Kabinett bereits 1774 eine Militäraktion erwog und sich dann aber auf eine Bestrafung einigte, die die Stimmung in den Kolonien weiter anheizte. Die Amerikaner hatten weder ein stehendes Heer mit Erfahrung, noch eine Marine, dafür aber eine bewaffnete Zivilbevölkerung. Britannien verfügte über eine mächtige Marine und ein überschaubar großes, aber professionelles (und teures) Heer. Viele britische Offiziere hegten Zweifel daran, wie es gelingen sollte, ein flächenmäßig gigantisches Territorium wie die amerikanischen Kolonien auf althergebrachte Art und Weise per Gewalt unter Kontrolle zu bekommen. Ein viel effektiveres Vorgehen wäre ein begrenzter Krieg, eine scheinbare Unabhängigkeit und ein massiver Einsatz von geheimdienstlichen Methoden gewesen und aller Wahrscheinlichkeit nach kam diese Strategie auch zum Einsatz. Der Krieg war vom Umfang der eingesetzten Männer und der resultierenden Toten im Vergleich zu den Konflikten des 20. Jahrhunderts geradezu winzig. Der zum Mythos gewordene Paul Revere ritt mit Kollegen 1775 auf Pferden in New England herum und mobilisierte ein paar Tausend freiwillige Kämpfer. Innerhalb einer Woche hatte man 16.000 Männer aus vier Kolonien von New England beisammen und die Stimmung war anfangs recht optimistisch, aber bald merkten die Rebellen, was Krieg wirklich bedeutet, und viele blieben lieber Zuhause vor ihrem Kamin. Im Laufe des Jahres 1776 musste man Rekruten mit Geld und Versprechungen für Landbesitz anlocken. Der zum General ernannte George Washington drängte darauf, eine Wehrpflicht umzusetzen und diese

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notfalls per Gewalt zu stützen. Ende 1778 wurden fast überall Männer zwangsverpflichtet und man griff auch auf 5000 Afroamerikaner zurück. Die Farmbesitzer waren nicht blöd genug, sich freiwillig für mindestens drei Jahre verpflichten zu lassen und zu riskieren, dass ihre Landwirtschaft den Bach hinuntergeht, und deshalb bestand das amerikanische Militär bald hauptsächlich aus Armen, Jungen, Unverheirateten und Migranten, denen Landbesitz und Geld versprochen worden war. Logistisch war das Unterfangen ein ziemliches Desaster und die Probleme in der Versorgungskette machten den Job unglaublich viel schwerer. Insgesamt dienten rund 100.000 Mann in der Continental Army, bei einer Gesamtbevölkerung von zweieinhalb Millionen, was einem Anteil von 4% entspricht. Die Miliz bestand aus noch einmal 200.000 Männern, die aber nur begrenzt zum Einsatz kamen. George Washington war überhaupt kein brillanter Stratege und unfähig, zeitnah Entscheidungen zu treffen. Nicht einmal der Kongress wusste, dass die französischen Berater die einzigen waren, die sinnvolle militärische Pläne und Entscheidungen verantworteten. Thomas Paine enthüllte in seinem "Letter to George Washington", dass jener nichts erreicht und alles Wichtige verschlafen hätte. General William Howe von den Briten hatte eigentlich den Großteil der amerikanischen Armee eingekesselt, ließ aber (wahrscheinlich auf geheimen Befehl von oben) Washington und dessen Männer entkommen. Howe sabotierte später eine weitere große Offensive, die Britannien den Sieg gebracht hätte. 1781 war Washingtons Armee erschöpft und die Bürger hatten die Nase voll von dem blutigen Kampf um die Frage, an welches Finanzamt sie künftig ihre Steuern zahlen müssen. John Adams befürchtete, dass die Franzosen sich bald zurückzögen. Der Verdacht, dass vom britischen Adel der Entschluss gefasst wurde, Washington gewinnen zu lassen, drängt sich geradezu auf.2 »Der Jude der Amerika rettete" Um Haym Salomon, Jude polnischer Abstammung, ranken sich einige Legenden, weil er eine Schlüsselrolle spielte bei der Konvertierung von französischen

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Krediten für den amerikanischen Revolutionskrieg. Er trat den „Sons of Liberty" bei, wurde als Spion verhaftet und musste auf einem britischen Boot 18 Monate lang als Übersetzer dienen für Söldner aus dem deutschen Hessen. Angeblich regte er die Hessen zum Desertieren an, wurde zum Tode verurteilt, entkam seltsamerweise und flüchtete mit seiner Familie nach Philadelphia, dem Zentrum der Rebellen, wo er als Broker mit Robert Morris zusammenarbeitete, um mit französischem Geld die Ausstaffierung der amerikanischen Armee sicherzustellen. Der Friedensvertrag von Paris beendete zwar den Krieg, aber die Schulden an die Franzosen wurden nie in angemessenem Umfang zurückgezahlt, wodurch Frankreichs Geldprobleme verschärft wurden und der Boden bereitet wurde für die Französische Revolution. Aus Sicht des britischen Adels machte es Sinn, die Franzosen finanziell ausbluten zu lassen für den Revolutionskrieg in Amerika. Das „Jewish Magazine" hielt fest, dass völlig unbekannt ist, wer Salomon ursprünglich ausgebildet und finanziert hatte.3 Die Verschwörungsliteratur hat ihm angedichtet, ausgerechnet ein Agent der Rothschilds zu sein, obwohl selbstverständlich auch nicht-jüdische Hintermänner existiert haben können. Land of the Free? Eine finanzielle Misere jagte die nächste in den neuen Vereinigten Staaten von Amerika und die Sklaverei und die Vernichtung der Ureinwohner gingen ungebremst weiter. Die Menschen aus der Unterschicht krebsten oft am Existenzminimum und konnten durch eine Verletzung am Arbeitsplatz oder eine Erkrankung ruiniert werden, während die betuchteren Schichten darum stritten, zum Geldadel aufzusteigen. Die offizielle „Bank of the United States" mit ihren unsauberen Geschäftsmethoden ging bereits 1811 unter und an ihre Stelle trat der genauso krumme Nachfolger. Unter Präsident Monroe grassierte eine Finanzpanik, nicht zuletzt wegen zahlloser illegaler Bankgeschäfte. Präsident Andrew Jackson musste gar Soldaten einsetzen, um während einer weiteren Wirtschaftskrise streikende und protestierende Arbeiter zu bedrohen. John Adams reagierte gleich mit harscher Gesetzgebung wie dem Sedition Act, der die Meinungs- und Pressefreiheit für kritische Bürger beschnitt.

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Quellen: [11 http://www.smithsonianmag.com/smart-news/why-was-beniaminfranklins-basement-filled-with-skeletons-524521/#x83jEg5H1z2favMS.99 [2] http://www.smithsonianmaa.com/history/mvths-of-the-americanrevolution-10941835/ [3] http://www.jewishmaa.com/176mag/chaim salomon/chaim salomon.htm

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Die neuen Oligarchen der Wirtschaft

Aus geheimdienstlicher Sicht wäre es ein offensichtlicher Vorgang gewesen, ausgewählte Leute als Bosse der Wirtschaft und Milliardäre aufzubauen, um die Geschäftsfelder aus dem Schatten heraus zu kontrollieren. Ein solches Vorgehen war im postsowjetischen Russland relativ deutlich zu erkennen gewesen, da systemtreue und international unbekannte Figuren plötzlich erhebliche Darlehen bekamen, mit denen Schlüsselindustrien sehr billig aufgekauft wurden. Diese „Milliardäre" besitzen also nicht wirklich ihren Reichtum und verfügen natürlich nicht über die nötigen eigenen militärischen und geheimdienstlichen Möglichkeiten, um eine eigene Agenda zu verfolgen. Der ein oder andere versuchte trotzdem, den Staat nach eigenen Vorstellungen zu beeinflussen und wurde prompt von Präsident Putin und dessen inneren Zirkel enteignet, angeklagt und aus dem Verkehr gezogen. Schätzungen zufolge besitzt Putin Geschäftsanteile und weitere Vermögenswerte im Gesamtwert von 200 Milliarden €, aber offiziell gehört ihm fast nichts. Es erinnert an Sportwagen fahrende Mitglieder von Araber-Clans in Berlin, die Hartz4 beziehen und bei Polizeikontrollen erklären, sie fahren nur den Wagen eines entfernten Cousins, der sich als Clan-Boss entpuppt und seinen Reichtum in verschachtelten OffshoreFirmengeflechten versteckt. Nur eben ein paar Nummern größer. Das Berliner

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Clan-Mitglied könnte jederzeit vom Clan-Boss komplett enteignet werden und auch Putin könnte theoretisch seine Luxus-Anwesen, Autos, Uhren usw. verlieren. Wo ursprünglich nur Königshäuser über große Reichtümer verfügten und mit diesen öffentlich prahlten, änderte sich die Situation mit der Französischen Revolution, dem Parlamentarismus in Großbritannien und der Verbreitung kapitalistischer Prinzipien. Die britischen Könige begnügten sich scheinbar mit einem Budget, das ihnen von den Politikern zugestanden wurde und sahen angeblich recht tatenlos zu, wie Familien aus dem gewöhnlichen Volk und sogar aus den Juden-Ghettos enorm große Reichtümer anhäuften. Wie bereits erklärt, war es nicht entscheidend, wer aus dem Familiengeflecht Hannover-Hessen-Sachsen-Coburg-Gotha nun formell auf einem Thron saß und das zeremonielle Zepter wedelte. Ein Thron ließ sich effektiv aus dem Schatten heraus managen, genauso wie die Politik oder die neureichen Geschäftsleute mit ihren märchenhaften Vermögen. Die Monarchen und der Hochadel konnte auf Jahrtausende an Geschichtsforschung zurückgreifen, wo klar geschildert war, welche Finanztricks man anwenden kann, um Geld zu waschen, zu verstecken und mit Hebelwirkung zu vermehren. Das byzantinische Imperium lieferte beispielsweise viele interessante Ansätze für Steuern, Verwaltung und professionelle Abzocke. Eine Weile lang konnte jeder deutlich sehen, dass der Hochadel, der mittlere und der kleine Adel sich zunehmend an kapitalistischem Handel beteiligte und seine geldwerten und bildungstechnischen Vorteile gnadenlos ausnutzte. Dann gab es noch Familien, bei denen kein adeliger Hintergrund erkennbar war, die aber von der Krone Erlaubnisse bekamen, sich an dem Zwangshandel in den Kolonien zu beteiligen wie etwa dem Opiumgeschäft mit China. Insbesondere diejenigen Familien, die sich im amerikanischen Neuengland an der Ostküste niederließen und mit der Geheimgesellschaft Skull & Bones zusammenhängen, verdanken ihren Reichtum und ihren Einfluss letztendlich den europäischen Königshäusern zu verdanken. Als das Bones-Mitglied George H.W. Bush Präsident der Vereinigten Staaten werden wollte, berichtete die NY Times, dass er laut Experten mehr familiäre Verbindungen zu europäischen Königshäusern hat als alle anderen US-Präsidenten vor ihm.'

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Dann gab es noch die bettelarmen Migranten, die auf wundersame Weise extrem reich wurden in Geschäftsfeldern, von denen sie eigentlich nichts verstanden, wie etwa die Rockefellers oder die Astors. Solche Familien wurden schnell zu Stützpfeilern des angloamerikanischen Imperiums und erhielten wie im Falle der Astors sogar britische Adelstitel und durften offen in den Adel einheiraten. Der erste bedeutende Astor, wie ich bereits in einem vorherigen Kapitel beschrieben habe, kam mit nichts nach Amerika, landete prompt in einer der wichtigsten Freimaurerlogen und dominierte in kurzer Zeit den lukrativen Pelzmarkt. Waren er und andere Männer wie er nichts weiter als Strohmänner des europäischen Adels? Die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch. Es machte für den Adel sehr viel Sinn, gerade solche Leute als Strohmänner auszuwählen, die aus einfachsten Verhältnissen kamen, denn so konnte man der Masse der Bevölkerung vortäuschen, dass es theoretisch jedem aus eigener Leistung mit ein bisschen Glück möglich sei, vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden. Die damaligen Vermögen hatten eine Kaufkraft, die heute Milliarden entspricht. Der Neid und die Wut der Bevölkerung richteten sich fortan nicht mehr primär gegen den Adel, sondern gegen reich gewordene Männer aus den eigenen Reihen sowie gegen ständig wechselnde Politiker. Später wurde als Gegenstück zu diesem Mafia-Kapitalismus von den Eliten auch der Sozialismus gefördert und als Schein-Lösung angepriesen auf die Ungleichheit. Die neuen Oligarchen schienen deutlich reicher zu sein, als die in den Hintergrund gerückten Könige und Fürsten, die sich offiziell mit Schlössern und überschaubarem jährlichem Budget aus Steuergeldern begnügten. Man konnte jeden beliebigen Sicherheitsmechanismus einbauen, um sicherzustellen, dass die Oligarchen der verdeckten Kontrolle des Adels niemals entkommen würden: •

Geheime, schriftliche Verträge, in denen die Oligarchen ihre Eigentumsrechte abgeben.



Eine verschachtelte, internationale Struktur der Firmengeflechte unter den Jurisdiktionen verschiedener Gerichte, die alle in der Hand des Adels sind.

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Das obligatorische Parken von Geld in Steueroasen (Inseln!) die vom Adel kontrolliert werden



Erpressungsmaterial



Der Adel kann jederzeit physische Gewalt gegen Oligarchien ausüben



Die Oligarchen verfügen über keinen Geheimdienst und keine Armee



Der Adel kann den Oligarchen Insiderinformationen gewähren oder vorenthalten, was über Erfolg und Misserfolg der Oligarchen entscheidet



Man kann sich Oligarchen auswählen, denen es an Intelligenz und Bildung fehlt.



Man kann auch Leuten aus armen Verhältnissen eine neue, falsche Identität verpassen, sodass jede nicht einmal ansatzweise über tatsächliche rechtliche Sicherheit verfügen.



Im Laufe der Generationen verheiratet man den Oligarchen-Clan mit anderen kompromittierten Mitgliedern derOligarchen-Klasse und verteilt auch kleinere Adelstitel

Geheimdienste verwenden seit jeher Strohmänner, Tarnorganisationen und Tarnfirmen und auch beim organisierten Verbrechen ist so etwas völlig normal. Trotzdem behauptet die Verschwörungsliteratur meist felsenfest, dass es ein paar armen amerikanischen Migranten und ein paar Krämern aus dem Ghetto gelungen sein soll, die Welt zu erobern und den Adeligen die Butter vom Brot zu nehmen. Die aufstrebenden Konzernbosse und Banker kannten keine Tricks, die die Adeligen Europas nicht bereits längst beherrschten. Die alten byzantinischen Finanz-Spielchen, um die kaum gebildeten Massen und den Mittelstand zu verwirren und auszunehmen, waren längst bekannt. Jüdische Clans spielten vor dem Jahr 1800 überhaupt keine Rolle und bekamen erst dann vom Adel schrittweise größere Strohmann-Positionen in der Wirtschaft und im Bankwesen zugestanden, wobei an sich keine zwingende Not-

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wendigkeit bestand, ausgerechnet Juden für diese Zwecke auszuwählen. Die gängigen Vorurteile gegen Juden wuchsen parallel zu dem Aufstieg von Familien wie den Rothschilds im Laufe des 19. Und 20. Jahrhunderts zu dem Mythos der jüdischen Weltverschwörung an. Quellen: f 11 http://www.nvti mes.com/1988/07/05/us/bush-they-say-is-i ndeed-aconnecticut-yankee-from-king-henry-s-court.html?mcubz=1

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Rothschild: Die Hoffaktoren

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Mayer Amschel Rothschild, ein kleiner Händler aus der Frankfurter Judengasse, musste jedes Mal beim Verlassen seines Hauses die gelbe Markierung tragen, bei Einbruch der Dunkelheit zurück sein, beim Überqueren der Brücke über den Main Judensteuer zahlen und bei Aufforderung jedes Mal seinen Hut ziehen und sich verbeugen. Das Einsperren der Juden hatte im Prinzip keinen anderen Grund, als mehr Steuereinnahmen zu generieren. Man zahlte wie an die Mafia ein Schutzgeld. Das Leben im dicht gepressten Ghetto war latent bedroht durch Großbrände, Seuchen und Pogrome (Massaker), was unweigerlich in einzelnen die nackte, psychopathsiche Ambition hervorbringen musste, dem Ghetto zu entkommen und in der kalten und grausamen Welt dort draußen zu Macht zu gelangen. Je mehr Macht Mayer und seinen Söhnen später zugestanden wurde vom Adel, umso mehr war ihnen bewusst, wie tief sie jederzeit wieder abstürzen konnten, falls sie in Ungnade fallen. Die Bevölkerungen von Deutschland, Frankreich oder Großbritannien hätten hämische Schadenfreude verspürt, wenn sie eines Tages in der Zeitung gelesen hätten, dass eine reiche jüdische Familie namens Rothschild enteignet und ins Ghetto zurückgeworfen wurde. Es gab kein eigenes Land der Juden, in das die Rothschilds notfalls hätten flüchten können, es gab keine einflussreiche jüdische Lobby in Europa, es gab keinen sicheren rechtlichen Bürgerstatus und man war der Willkür des herrschenden Adels komplett ausgeliefert. Mayer hatte im Alter von elf Jahren seine beiden Eltern bei einem Ausbruch der Pocken verloren, wobei die Überlebenschance außerhalb des Ghettos deutlich größer gewesen wäre. Nach dem Besuch einer Glaubensschule, der Mayers Begeisterung nicht so wecken konnte wie die Geschäftswelt, ging er mit 13 Jahren nach Hannover, Heimatort des britischen Königshauses, zu der Bank Oppenheim, um die fortgeschrittenen Formen des Handels zu lernen und er erfuhr von den Vorteilen, die der Job eines Hoffaktors mit sich bringt. Einer der Oppenheims diente in dieser Funktion dem Kurfürsten Clemens August I. von Bayern und belieferte den Hof mit Luxusgütern wie etwa seltenen Goldmünzen. Mayer Amschel kehrte ungefähr im Jahr 1764 im Alter von zwanzig Jahren wieder nach Frankfurt zurück, wo zwar die Gesetze für Juden strikter, dafür aber die geschäftlichen Möglichkeiten größer waren.

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Sein Kontaktmann, den er bei Oppenheim kennengelernt hatte, war General von Estorff, und über diesen Kanal konnte er (zum extrem vergünstigten Kurs) ein paar Münzen an den Erbprinzen Wilhelm von Hessen-Kassel in Hanau verkaufen. Wilhelms Mutter war Prinzessin Maria, eine Tochter König Georgs II. von Großbritannien.

Bild: Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel

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Wilhelm und sein Vater hatten bereits ein extrem großes Vermögen angehäuft mit dem Verkauf hessischer Soldaten für den Unabhängigkeitskrieg in Amerika und galten als einige der reichsten Fürsten ihrer Zelt. Die engen Verwandten von der britischen Krone zahlten Millionen, irrsinnige Summen in der damaligen Zeit, was nicht nur simple Vetternwirtschaft darstellte, sondern Wilhelm als Außenposten des britischen Empires auf deutschem Boden etablierte. Seine Leidenschaft galt dem Geld und dem Zeugen unehelicher Kinder (schätzungsweise 40 davon), während seine Frau Wilhelmine Karoline von Dänemark dem Sex völlig abgeneigt war. Nach einigen Münzverkäufen, bei denen Rothschild Verluste machen musste, bekam er endlich den Titel eines Hoffaktors, bzw. „Hoflieferant Seiner Erlauchten Hoheit", mit dem er für sein Geschäft werben konnte und durch den sein Ansehen in der Judengasse exponentiell anstieg. 1770 durfte er mit seinem neuen gesellschaftlichen Status die junge Gutle Schnapper heiraten, Tochter eines Hoffaktors des Fürstentums Sachsen-Meiningen, das durch Teilung des Herzogtums Sachsen-Gotha entstand. Dennoch beherrschte er die deutsche Sprache nicht richtig und konnte sie auch nicht schreiben. Erbprinz Wilhelm hatte bereits ein halbes Dutzend jüdischer Mittelsmänner an der Hand und nutzte für seine Finanzen auch etablierte Firmen wie die Bethmann-Brüder, sodass Rothschild jahrelang keinen Zutritt fand zu dieser geschlossenen Gesellschaft. In der Judengasse bezog Mayer ein neues Haus, das zur Hälfte von der Familie Schiff bewohnt war, die später zu einflussreichen Bankiers in Amerika wurden. Die Idee war, möglichst viele Kinder zu zeugen, die das Vermögen der Familie weiter aufbauen würden, allerdings überlebten von den 20 Kindern unter den harschen Bedingungen der Judengasse nur knapp die Hälfte, denn dort war die Kindersterblichkeit im Vergleich zum restlichen Frankfurt deutlich höher. 20 Jahre lang war Rothschild damit gescheitert, Aufträge vom Landgrafen Wilhelm an Land zu ziehen, aber dann freundete er sich am Hof an mit dessen cleveren Finanzbeamten Carl Friedrich Buderus von Carlshausen und hatte somit endlich den Fuß in der Tür.

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Der Ansturm der französischen Truppen nötigte Wilhelm dazu, Geld auszugeben für ein paar Bataillone, um sich und seinen Wohlstand zu schützen, und schnell wurden ihm die Verluste ersetzt durch ein weiteres Geschäft mit seinen Verwandten auf dem britischen Thron: Die Vermietung von weiteren 8000 hessischen Soldaten für das britische Empire. Rothschild importierte Kleidung und weitere Güter aus England für den Verkauf in Deutschland, wobei besonders in den Kriegszeiten auf Grund des Mangels Wucherpreise verlangt werden konnten. Endlich waren auch einige Beschränkungen für Juden aufgehoben worden und er durfte deshalb Warenhäuser anmieten in Frankfurt für seine britischen Waren. Der Vorstoß von Napoleon und die Bitten um Kredit von Wilhelms dänischen Verwandten machten es zunehmend notwendig, Geld zu verstecken und auf heimlichen Wegen Zahlungen zu tätigen. Die perfekten Strohmänner für den Kredit an die Dänen waren Rothschild und ein Jude namens Lawaertz. Buderus wäre viel zu offensichtlich gewesen als Mittelsmann und hielt sich im Hintergrund. Auch wenn Wilhelm sich nicht gerade großzügig beteiligte an dem Krieg gegen Frankreich, so schlug er doch die lukrativen französischen Angebote aus, überzulaufen. Die Hälfte der europäischen Monarchen und eine Reihe von Fürsten und anderen Herrschern standen bei Wilhelm in der Kreide, da er wie eine Großbank tätig war. Im Falle eines Sieges von Napoleon würden die Kredite nicht zurückgezahlt werden und er müsste flüchten. Der schlimmste anzunehmende Fall trat ein, Napoleon marschierte durch Deutschland hindurch und die Reichtümer und Schätze von Wilhelm mussten schnellstmöglich in alle möglichen Richtungen abtransportiert werden, um sie vor dem Zugriff der Franzosen zu retten. Rund 50 Kisten mussten zurückgelassen werden und Wilhelm flüchtete zu seinen Verwandten nach Dänemark. Carl Buderus gelang es, den neuen französischen Gouverneur zu bestechen, um einen Teil von den beschlagnahmten 50 Kisten zurückzuholen. Vier davon, teilweise befüllt mit wichtigen Verträgen und Unterlagen, wurden zu Rothschilds Haus in der Judengasse Frankfurts in ein Spezialversteck gebracht. Mayers fähigster Sohn Nathan, der mit roten Haaren und blauen Augen aussah wie ein Brite, aber nur schlecht englisch sprach, arbeitete von Manchester und

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darin von London aus, wo er auf den reichsten Juden in ganz England traf, Levi Cohen, dessen Kinder später in fast alle führenden jüdischen Familien in England einheirateten, natürlich auch in die Rothschilds. Buderus bekam einen Adelstitel von Wilhelm für die geglückte Rettung der meisten Reichtümer und erhielt eine Sondervollmacht für die Geschäfte des Landgrafen im dänischen Exil. Mayer Rothschild sollte die Aufgabe übernehmen, die Rückzahlungen ausstehender Kredite einzutreiben, was nur mit Hilfe seiner Söhne, ausgefeilter Schmuggeltechniken und Schutzgeldzahlungen gelang, ohne von den Franzosen erwischt zu werden. Die Rothschilds hatten mit ihrer Arroganz zeitweise die Missgunst von Wilhelm zugezogen und riskierten ihre einträglichen Geschäfte, allerdings pflegte man anderswo auch Beziehungen zu Adeligen wie der Familie Thum und Taxis, Karl Theodor von Dalberg und den Brentanos. Buderus musste Wilhelm lang und breit erklären, warum es Sinn machte, die Rothschilds als Strohmänner und Mittelsmänner zu verwenden: Sie waren gründlicher, verschwiegener, pünktlicher, ambitionierter. Nichtsdestotrotz war es nur möglich, Nathan Rothschild hinter dem Rücken des Landgrafen in die wichtigen Geschäfte zu involvieren wie etwa den Handel mit mündelsicheren britischen Staatspapieren (Konsols). Der Handel hatte Mayer zu einem der reichsten Männer Frankfurts gemacht und die Ansprüche und Wünsche, eine Dynastie wie die Adeligen zu formen, wurden dementsprechend größer und demzufolge durften seine Nachkommen nur innerhalb der eigenen Familie heiraten, falls sie sich am Familiengeschäft beteiligen wollten. Nathan war instrumentell dabei, Gold von der East India Company (britisches Empire) aufzukaufen und gleich wieder an die britische Regierung zu verkaufen und dem Duke of Wellington zu ermöglichen, seine Truppen zu bezahlen, die Napoleon bekämpften. Nathan übernahm gleich noch die riskante Aufgabe, das Gold zu schmuggeln und kaufte sich zu diesem Zweck den Schutz des Grand Duke von Dalberg, auf dessen Hilfe die Rothschilds sich schon mehrfach verlassen konnten. Weitere Unterstützung kam von der mächtigen Familie von Thum und Taxis, die das Geschäft mit Brief- und Paketpost dominierten.

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Amschel starb, Napoleon wurde zurückgedrängt und Nathan spielte erneut eine zuverlässige Rolle bei der Versorgung des Duke of Wellington. Die britische Treasury betraute Nathan sogar mit der Bearbeitung riesiger Zahlungen an die kontinentalen Verbündeten von Britannien. Es wäre zwecklos gewesen, von den summen zu stehlen und sich aus dem Staub zu machen, denn die Briten waren alles andere als Anfänger und die Rothschilds wollten sich auf jeden Fall dem Empire andienen und nicht den kleinsten Zweifel an ihrer Loyalität aufkommen lassen. Angeleitet wurde diese große Finanzoperation von dem einflussreichen Politiker und Zahlmeister John Charles Herries, aber die Rothschilds wurden für ihren Erfindergeist und ihre Effizienz belohnt mit einer Million britischer Pfund. Auch das Kuriersystem der Rothschilds, über das allerhand Informationen blitzschnell transportiert wurden, konnte nicht mithalten mit dem GeheimdienstNetz des britischen Empires und wurde mit Sicherheit vom Adel streng überwacht.

Bild: Nathan Rothschild

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Die berühmte Schlacht von Waterloo, die Napoleons Untergang besiegelte, führte zu falschen Legenden um Nathan, die sich hartnäckig bis heute in der Verschwörungsliteratur halten und als Erklärung dienen, wie der RothschildClan, der nur eine Generation zuvor noch bescheiden im Judenghetto angefangen hatte, die Geldmacht an sich gerissen und die Adeligen abgehängt haben soll. Verschiedene Versionen darüber, wie, wann und wo Nathan erfahren haben soll, wer als Gewinner aus der Waterloo-Schlacht hervorgehen wird, zirkulierten im Laufe der Zeit, wobei ein Pamphlet das kinoreife Märchen erzählte, dass Nathan am schnellsten die Information erhalten hätte und der Börse vortäuschte, Napoleon sei der Sieger. Nachdem die Kurse im Zuge von Panikverkäufen nach unten purzelten, hätte er plötzlich massiv Käufe getätigt und durch diesen Insiderhandel rund 20 Millionen Pfund verdient. Diese Darstellung ist fast komplett ein Märchen. Mehrere Zeitungen hatten sofort in Sonderausgaben berichtet über die Entscheidung in der Schlacht. Nathan erhielt durch sein Kuriersystem sehr bald ein Exemplar, er informierte den britischen Adeligen Lord Castlereagh und kaufte dann einfach einen Haufen britischer Bonds, die relativ schnell um zwei Prozent im Wert stiegen. Das war alles. Er war vorher schon reich gewesen durch seine Tätigkeiten für das britische Empire. Die gängige Verschwörungsliteratur behauptet aber bis heute, dass Nathan, der Sohn eines jüdischen Ghetto-Krämers, mal eben in einer Blitzaktion ein unglaubliches Vermögen zu Lasten aller anderen großen Geschäftsmänner machte, die Adeligen dumm mit offenen Mündern dabei zuschauen mussten und der Grundstein dafür gelegt wurde, dass die Rothschilds die Macht über das britische Empire übernehmen. Das Märchen von Nathans Waterloo-Reibach war eine Erfindung von dem französischen Journalisten Georges Mathieu-Dairnvaell. Nachdem der Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassell wieder in sein luxuriöses Schloss Wilhelmshöhe ziehen konnte, zahlte Rothschild brav das ihm anvertraute Geld komplett mit Zinsen zurück. Die Rothschilds waren nach den napoleonischen Kriegen die reichsten Privatbankiers Europas, aber ihr Reichtum war komplett abhängig von ihrer Stellung als gehorsame Vertraute des britischen Imperiums. Die Performance der Rothschilds bei dem Edelmetall-Schmuggel, der Geldwäsche und dem Betrieb eines Clearinghauses für Geldströme war

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beeindruckend aus Sicht der britischen Krone. Dennoch war es selbstverständlich, diese neureichen Juden an der kurzen Leine zu halten und sicherzustellen, dass jene nicht irgendwann mit ihrem Geld und ihren Fähigkeiten zu eigenmächtig werden. Die Adeligen hätten jederzeit Nathan nach erledigter Arbeit unter einem beliebigen Vorwand verhaften und enteignen können. Umgekehrt verfügten die Rothschilds über kein echtes Druckmittel gegen die Phalanx aus dem Adel, den Geheimgesellschaften, den Parlamenten, den Gerichten und der Polizei. Was ist mit den jüdischen Netzwerken, die zu der Zeit bestanden? Zwar konferierte auch der alte Mayer Rothschild noch in der Frankfurter Judengasse mit Vertretern aus anderen jüdischen Gemeinden, aber die Polizei hatte immer die Augen und Ohren offengehalten. Es gibt nur unbewiesene Legenden über mächtige jüdische Verschwörer-Gruppen zu jener Zelt; die paar wenigen Rothschlld-Männer hatten ihre Hände voll zu tun mit ihren Geschäften und ihnen war definitiv nicht erlaubt, nach eigenem Gutdünken mit ihrem Geld Europas Machtpolitik zu verändern. Nur unter Anleitung der britischen Krone unternahmen die Brüder Schritte in Frankreich und Österreich. Sie sandten für ihre neuen Adelstitel ihren extrem arroganten Entwurf eines Familien-Wappens nach Österreich, der neben dem kaiserlichen Adler auch den britischen Leoparden, den hessischen Löwen und fünf Pfeile (für die fünf Brüder) enthielt. Selbstverständlich wurde diese Dreistigkeit abgelehnt. Die Rothschilds suchten den Draht zu Friedrich von Gentz, der einflussreichen jüdischen Berater des Prinzen Metternich. Inzwischen waren die Dienste der Rothschilds nicht mehr so gefragt wie noch zu Kriegszeiten und ältere, etablierte Bankhäuser bekamen oftmals bei großen Geschäften den Vorzug. Mit einem überraschenden Schachzug beteiligten sich die Rothschilds selbst an einem gigantischen Kreditgeschäft Frankreichs. Nathans Familien- und Privatleben beschränkte sich auf einflussreiche jüdische Familien und erstreckte sich in bedeutendem Umfang auf den höheren britischen Adel. Ab und an ließ sich ein Diplomat blicken oder der Duke of Wellington. Auch Nathans enges, bescheidenes Haus in der St. Swithin's Lane von London (check) passte nicht zu seinem Status als einer der reichsten Bankiers von Europa. Besaß gar nicht er die großen Reichtümer? War er nie mehr als ein Stroh-

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mann? Es ist auch auffällig, dass er praktisch nie Geld an wohltätige Zwecke gab, nicht einmal zugunsten der jüdischen Synagogen, obwohl er doch formell im Geld schwamm. Es ist überliefert, dass er sich gegenüber ausländischen Prinzen in seinem Büro arrogant verhielt. Er vergab in der Folgezelt Kredite im Wert von Millionen britischer Pfund an verschiedene Monarchen Europas. Wenn Nathan und seine Brüder tatsächlich zum Großteil Strohmänner der britischen Krone waren, welchen Vorteil hätte dann dieses Arrangement gehabt? Es hätte den britischen Einfluss hinter der Vergabe von Krediten verschleiert und weniger Misstrauen erregt, denn die jüdischen Banker galten in der Öffentlichkeit einfach als reiche Schnösel, die sich für nichts anderes als Zinsen und Dividenden interessierten. Hätte stattdessen eine Bank im (mehrheitlichen) Besitz der britischen Krone diese Kredite angeboten, wären sofort machtpolitische Hintergedanken vermutet worden, insbesondere dann, wenn diese Kredite an verschiedene Adelshäuser vergeben werden, die Konkurrenten der Briten sind, aber auch untereinander konkurrieren und gegeneinander Krieg führen. Man würde es sich zweimal überlegen, einen Krieg zu starten, wenn man wüsste, dass die weit entfernten Bankiers beide Seiten des Konflikts finanzieren. Vor dem Hintergrund dieser These, dass die Rothschild-Bank ein Tarnunternehmen der britischen Krone war, macht es noch viel mehr Sinn, dass Nathan die längste Zeit nur in einem eher bescheidenen Haus in England wohnte statt in einem Palast, es macht mehr Sinn dass er hauptsächlich jüdische Freunde hatte und es macht auch mehr Sinn, dass er sich gegenüber europäischen Adelshäusern demonstrativ arrogant verhielt. Hätte er in einem Palast gelebt in der Nachbarschaft des britischen Adels und hätte er sich gegenüber anderen Adelshäusern schmeichlerisch verhalten, wäre sofort Misstrauen entstanden. Carl Rothschild, der als etwas langsam im Kopf und schüchtern galt (aber das genaue Gegenteil war), verschaffte sich das Vertrauen der Österreicher und Italiener mit wichtigen Krediten und ließ sich mit seiner Frau in einem Palast in Neapel nieder, wo er Gäste empfang wie Leopold von Sachsen-Coburg, Lieblingsonkel der britischen Königin Victoria und späterer König von Belgien. Leopold war maßgeblich an der Schaffung der Freimaurer-Großloge „Grand Orient de Belgique" (1833) beteiligt und legte die Basis für das spätere Logen-

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wesen. Sein Sohn Leopold II. herrschte absolutistisch über den afrikanischen Staat Kongo und verantwortete dort mehrere Millionen an Toten. Wer als (Kinder-) Sklave nicht genug arbeitete, dem wurden zur Strafe Hände abgehackt.

" T h e p i c t u r e s g e t i n e a k e d a r o u n d e v e r y w h e r e . " — Puge 40.

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Amschel war der einzige strikte Gläubige unter seinen Brüdern, der noch ausschließlich koscheres Essen zu sich nahm und den Look eines Rabbis bewahrte. Er blieb in Frankfurt, bearbeitete das Territorium von Preußen und stieg dort sogar zu einer Art Finanzminister auf mit Zugang zu brisanten Informationen, und er führte die Beziehungen fort zu Buderus und der Familie Hessen-Kassel. Seine über siebzigjährige Mutter wagte es aus Aberglauben nicht, das Frankfurter Ghetto zu verlassen und von ihr ist eine Aussage überliefert, die in der Verschwörungsliteratur in ihrer Bedeutung maßlos übertrieben wurde: Auf die Befürchtung eines Nachbarn hin, es könnte wieder Krieg geben, winkte sie ab und meinte, dass sei Blödsinn, denn ihre Söhne würden dafür nicht die erforderlichen Kredite gewähren. In Verschwörungsbüchern klingt das so, als würden ihre Söhne Europa beherrschen, was aber überhaupt nicht der damaligen Realität entsprach. Die Brüder waren eine Zielscheibe für die Animositäten vieler verschiedener Leute und dienten dadurch als Verschleierung der tatsächlichen Machtverhältnisse. Auch das berüchtigte Informationskuriersystem mit Brieftauben, Versorgungspunkten für Pferde und schnellen Booten hatte das Rad nicht neu erfunden. Dieses Netzwerk transportierte auch Mitteilungen von anderen Personen und war theoretisch in der Lage, diese fremden Korrespondenzen mitzulesen, aber selbstverständlich zirkulierte auch Desinformation und es wurden Codes benutzt, sodass wir nicht davon sprechen können, dass die Rothschilds dem Adel das Imperium streitig machen konnten. Während Salomon Rothschild die Österreicher bearbeitete, war sein Bruder James zuständig für große Finanzoperationen in Frankreich um den neuen König Louis XVIII zu stützen, erlebte aber mehr als eine Beinahe-Katastrophe, weil eben doch mehr Haifische um die besten Deals konkurrierten und Tricks benutzten. Wegen den Unruhen in Frankreich verloren die Rothschilds 17 Millionen Gulden, sodass bereits Gerüchte zirkulierten über deren drohenden Bankrott. Das schnelle Kuriersystem der Familie verhinderte die Katastrophe und laut dem ehemaligen französischen Botschafter Talleyrand teilten die Rothschilds ihre Informationen immer brav mit den englischen Behörden. Man kann davon ausgehen, dass die britische Krone auch immerzu im Bilde darüber war, was die vielen Agenten der Rothschilds in Frankreich in Erfahrung bringen

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konnten über die Gefahr einer Revolution. Es gelang James, seinem Vertrauten Casimir Perier zum Posten des neuen französischen Finanzministers zu verhelfen, der Sohn von Claude-Nicolas Perier, in dessen Chäteau de Vizille das berühmte Treffen der Estates of Dauphine stattfand als Vorbereitung auf die Französische Revolution. Erinnern wir uns daran, dass die Britische Krone damals ein Interesse daran hatte, die alte Monarchie Frankreichs zu stürzen und im Geheimen die Revolution zu unterstützen. Zu diesem Zweck war ja auch Adam Weißhaupt aufgebaut worden, dessen Illuminatenorden dann wegen Schlamperei von der Polizei Bayerns aufgedeckt wurde. Nathan war der Star, der Anführer, clever, kreativ und entschlossen. Aber wieviel von seinen Erfolgen kamen aus Eigenleistung zustande und wieviel durch mögliche Hintermänner der britischen Krone? Selbstverständlich ist es möglich, dass er dem britischen Empire neue Impulse und Ideen geben konnte, was das Bankenwesen anbetraf, aber es ist deutlich wahrscheinlicher, dass ihm wichtige Entscheidungen und Taktiken eingeflüstert wurden. Im Gegensatz zu heute, wo nur Verschwörungstheoretiker über die Familie reden, waren Nathan und seine Brüder im Mittelpunkt der Berichterstattung der Massenmedien, Zielscheibe für Hass, Anlaufadresse für Bittsteller und UltraPromis der High Society. All die Exzesse, die früher dem Hochadel vorbehalten waren, wurden von den Rothschilds demonstrativ durchexerziert, genauso wie die Art zu heiraten: Von den 12 Söhnen der berühmten fünf Brüder heirateten neun innerhalb der eigenen Familie, obwohl die als außergewöhnlich hübsch beschriebenen Töchter das Interesse von verschiedenen Adelsfamilien weckten. Wer einen Christen heiratete, wurde praktisch enterbt und nur vereinzelte Ehen mit anderen mächtigen jüdischen Familien galten im Laufe der Zeit als akzeptabel. Hannah wurde nie verziehen und als ihr Sohn verunglückte, wurden dies als „Strafe Gottes" gewertet. Aber auch Nathan erlebte trotz seiner Befolgung der Familientraditionen einen heftigen und finalen Schicksalsschlag in Form einer gewöhnlichen Eiterbeule mit dem Bakterium Staphylococcus Aureus. Während der etablierte Adel über tausende Mitglieder verfügte, war der Rothschild-Clan sehr klein und dementsprechend verwundbar. Nathans Sohn Lionel forderte für sich und seine Angehörigen, endlich die Titel eines Barons offiziell führen zu

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dürfen, was ihm von der neuen Königin Victoria auch gestattet wurde. Eine enge Freundschaft entstand zu dem Politiker und späteren Premierminister Benjamin Disraeli, der jüdische Wurzeln hatte, aber der anglikanischen Kirche angehörte. Die verbleibenden vier alten Brüder waren nach wie vor die Chefs und zogen in große Paläste um, mit James als Anführer. Der Adel von Österreich, Italien und Preußen hielt die Rothschilds für heimatlose jüdische Emporkömmlinge, denen es nur um Profit ging und mit denen man eigenes Geld vermehren und den Staatshaushalt stabilisieren konnte. Die Möglichkeit, schnell Geld aufzutreiben, war wie eine Droge, von der man immer mehr brauchte und je mehr Zugang man den Rothschilds bei den Höfen gewährte, umso mehr erhielten jene den Zugang zu sensiblen Informationen. Auch die Partys waren weit mehr als nur Protzerei und Privatvergnügen, sondern wieder mehr Zugang zu Informationen und Gerüchten. Die RothschildFrauen, die vom Familiengeschäft ausgeschlossen waren, kultivierten Freundschaften zu einflussreichen Personen und werden wahrscheinlich auch so manche Sache zu Ohren bekommen haben. James besaß schätzungsweise 50 Millionen britische Pfund an Vermögen; unerhört zur damaligen Zeit. Mit Salomon war er spät eingestiegen in das Eisenbahngeschäft in den 1840er Jahren. Zum Vergleich: Johann Jakob Astor, ein weiterer angeblicher „Seif Made Man" und möglicher Strohmann des britischen Imperiums, hinterließ in Amerika bei seinem Tod 1848 die Summe von 20 Millionen Dollar (heutiger Gegenwert etwa 100 Milliarden Dollar). Die Rothschild bearbeiteten das europäische Territorium und überließen Amerika anderen reichen Familien. Damals waren die Rothschilds noch beschäftigt, Kriege zu verhindern wie etwa zwischen Frankreich und Österreich, was ihnen den Ruf einbrachte, Profite über Ehre zu stellen und nur aus Eigennutz den Frieden zu fördern. Erst später bearbeiteten sie Kredite für Krieg und handelten sich den gegenteiligen Ruf ein, vom Krieg zu profitieren, obwohl es ohne Erlaubnis der britischen Krone unmöglich gewesen wäre, sich dermaßen in die politischen Belange Europas einzumischen. Otto von Bismarck betrachtete die Situation nüchtern und bemühte sich um solide Beziehungen zu dem Bankhaus, was dem Deutschen Reich später zum Verhängnis wurde. In privaten Briefen unterhielten sich die Rothschilds dar-

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über, dass sie koordinieren mit „Windsor und König Leopold". Die Verbindung der Rothschilds zu den Briten wurde in der Öffentlichkeit generell nicht viel anders eingeschätzt als die Verbindung zu den Adelshäusern von Preußen, Österreich oder Italien. Ein schwerer Irrtum. Die erneute Revolution in Frankreich 1848 vertrieb den König und führte zu der Ausrufung der Republik, was die Finanzen von James Rothschild in Gefahr brachte, wie etwa 82 Millionen Francs die er investiert hatte oder die Eisenbahn-Anteile, die im Wert fielen. Die Revolution war auch übergesprungen auf Deutschland, Österreich und Ungarn. James freundete sich gleich in Paris an mit dem neuen Diktator Eugène Cavaignac, aber es war Louis Napoleon, Nachkomme des Bonaparte, der schließlich Präsident der neuen Republik wurde. Von den Umwälzungen von 1848 blieben nur zwei Monarchien unberührt: Die miteinander verwandten Briten und Russen. Selbstverständlich muss näher untersucht werden, inwiefern diese beiden Reiche und die Rothschilds involviert waren in der Destabilislerung des europäischen Festlandes. Auch organisierten die Rothschilds für den gewaltigen Krimkrieg 16 Millionen Pfund, der den Untergang des osmanischen Imperiums einleitete. Es ist nicht deutlich erkennbar, ob und inwiefern die Bankiers in die größeren geopolitischen Planungen eingeweiht waren. Es Ist durchaus möglich, dass ihnen von der britischen Krone einfach nur eingeflüstert wurde, welche Kredite sie wann wo und für wen bereitstellen sollen. Die neue Generation der Rothschilds war gönnerhaft in den jüdischen Communities und machte Druck für die Aufhebung judenfeindlicher Gesetze, was natürlich auch Eigennutz und Nutzen für die britische Krone bedeutete, denn Geld brachte Loyalität und mit Loyalität ließ sich wieder mehr Geld machen, man konnte Gefälligkeiten zurückfordern und Informationen abgreifen. Mayer Rothschild ließ Mentmore Towers bauen, einen dekadenten Protzbau, der ablenken sollte von den etablierten Adeligen. Mentmore wurde übrigens als Kulisse verwendet in Stanley Kubricks letztem Film „Eyes Wide Shut" für ein okkultes Sex-Ritual einflussreicher Figuren der US-Ostküste. Kubrick war als

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(atheistischer) Jude und Freund von Steven Spielberg alles andere als ein tumber Antisemit und eigentlich vorgesehen für den ersten großen HollywoodFilm über den Holocaust. In der betreffenden Szene sind die Teilnehmer vermummt mit Masken und Umhängen, während an den Wänden allerhand Portraits hängen und man sich ohnehin denken kann, dass nur eine sehr kleine Schicht an bekannten Familien sich solche Chateaus leisten kann. Da die Ostküste sowieso die Heimat ist von Oligarchen, die mit dem britischen Imperium zusammenhängen und da zu Beginn des Films auf einer weniger exklusiven, aber doch bedeutsamen Party die Namen Rockefeller und Windsor genannt werden, ist das Ganze ein Wink mit dem Zaunpfahl. Hätte er den Namen Rothschild erwähnt, wäre das dem Filmstudio wohl zu nahe gewesen an typischen Verschwörungstheorien, aber die Nutzung von Mentmore war bestimmt kein Zufall.

Bild: Mentmore, Swanker, CC BY-SA 3.0 Baron James de Rothschild ließ sich eine größere Version des Chateaus bauen mit dem Namen Ferneres. Dies diente ausgerechnet als Drehort für Roman Polanskis Okkult-Thriller „Die neun Pforten", in dem reiche Satanisten den Teufel anrufen wollen.

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Bild: Schloss Ferrières-en-Brie, Mulleimers, CCBY-SA 3.0 Lionel ging in die Politik und wurde sechs Mal in London gewählt, ohne den obligatorischen Schwur auf den christlichen Glauben abzugeben, sodass er jedes Mal geblockt wurde. Erst 1858 gelangte er ins Parlament, hielt dort aber nie eine einzige Rede. Baron James versuchte eine Beziehung aufzubauen zu Louis Napoleon, dem Nachfahren von Bonaparte, gegen den die Rothschilds noch mit ihrem FinanzNetzwerk gekämpft hatten, indem sie lautlos Geld der britischen Krone an Truppen auf dem Festland schleusten. Rothschilds Konkurrent Achille Fould von der Bank „Fould und Oppenheim" wurde französischer Finanzminister und stahl den Rothschilds noch gleich deren Freunde, die jüdisch-portugiesischen Investoren von der Familie Pereires. Vielleicht war Émile Pereire auch nur zum Schein übergelaufen zu Fould, aber das ist nur blanke Spekulation. Die neue Idee des von den Rothschilds aufgebauten Pereires war eine Art halbsozialistische Volksbank namens „Crédit Mobilier", die unzählige Kleinsparer bediente

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und Kapital ohne fremde Großbanken sammeln konnte. Letztendlich dominierten aber auch hier große internationale Shareholder. James pflegte eine Beziehung zum General Changamier, Chef der Nationalgarde, der in der Lage gewesen wäre, Napoleon zu stürzen, aber es ist nicht überliefert, ob solche Pläne zwischen den beiden diskutiert wurden. Der General war zudem verliebt in James' Ehefrau, was natürlich noch verdächtiger war und so ließ Napoleon ihn absetzen und verhaften, die Nationalversammlung auflösen, er regierte fortan als Diktator und ließ sich im nächsten Schritt zum Kaiser machen. Weitere private Angelegenheiten rochen nach klassischer Spionage: Baron James' Frau gab die beliebtesten Partys und man kultivierte Eugénie de Montijo, die Napoleon unbedingt heiraten wollte. Bei dem gewaltigen Krimkrieg mitten im 19. Jahrhundert, eine Art Vorläufer der kommenden Weltkriege, organisierten und garantierten die Rothschilds große Kredite für Frankreich und Britannien, was niemanden überraschte und auch kein Geheimnis war. Die Entscheidung über den Konflikt und die militärischen Ziele waren nicht unter der Kontrolle der Banker. Hinterher war das osmanische Imperium praktisch dem Untergang geweiht. 1855 verstarben drei der vier verbliebenen Brüder: Carl, Salomon und Amschel. Es ist ein sehr unwahrscheinlicher Zufall, der zusammen mit dem vorherigen verfrühten Tod von Nathan nahelegt, die Umstände der Todesfälle näher zu untersuchen auf mögliche Anzeichen von Mord. Es gab viele skrupellose Konkurrenten und die Familie verfügte nicht über einen riesigen Sicherheitsdienst zur Abschirmung vor Vergiftungen oder Ähnlichem. Der Konkurrent Crédit Mobilier war zunächst außerordentlich erfolgreich, worauf in Österreich Salomon Rothschilds Sohn Anselm das sehr ähnliche Projekt namens „Kreditanstalt" vorbereitete. Die Anführer der dritten Generation waren die Cousins Alphonse, Anselm, Lionel und Mayer Carl. Die Familientradition bezüglich Eheschließungen wurde im Großen und Ganzen eingehalten, genau wie es die bedeutenden Adelsfamilien Europas bereits seit Jahrhunderten praktizierten.

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Die Crédit Mobilier finanzierte den Krieg Napoleons gegen Österreich und geriet dadurch gewaltig ins Schlingern; die Shares fielen um die Hälfte und die Misswirtschaft riss alles in den Abgrund. Fould war inzwischen höchst misstrauisch geworden gegenüber den Pereires, die er angeworben hatte, und musste Napoleon empfehlen, sich wieder den Rothschilds anzunähern. Lionel Rothschild wurde vorgeschlagen für eine „Peerage", also einen ernstzunehmenden Adelstitel mitsamt Sitz im House of Lords, aber Queen Victoria lehnte ab mit der gekünstelten Begründung, dass die Rothschilds ja mit fremden Regierungen und mit Spekulationen am Aktienmarkt ihr Geld gemacht hätten und demnach nicht in Frage kämen für solch einen patriotischen Status. In Wirklichkeit hatten die Rothschilds zuerst nur wegen den Aufträgen des britischen Empires und dem Haus Hessen-Kassel zu bedeutenden Bankern aufsteigen können und der drängende Verdacht ist die Strohmann-Tätigkeit für die britische Krone. Die Queen legte anscheinend Wert darauf, jede allzu enge Verbindung der Bankiers zum Empire zu leugnen und so deutlich wie möglich den Eindruck zu erwecken, dass diese reichen Juden sich nur um ihr Geld kümmerten und nicht um Britannien. Ein klarer Schachzug. Andere Adelshäuser in Europa hätten kaum so bereitwillig die Dienste der Rothschilds in Anspruch genommen, wenn man davon ausgegangen wäre, dass die Bank nur eine Tarnorganisation des britischen Hochadels war. Victorias Sohn, der Prinz von Wales, heiratete standesgemäß Alexandra von Dänemark und beschwerte sich bitterlich, dass ihm vom Parlament nur 100.000 Pfund pro Jahr zugestanden wurden (wobei die anderen Dukes maximal das Doppelte abstaubten), während die Rothschilds sich Paläste im Wert von Millionen bauten. Es scheint alles Teil der Strategie gewesen zu sein, dass die Adeligen in den Hintergrund treten und nicht mehr den Neid der Bevölkerung auf sich ziehen. Wir sprechen hier von einem der mächtigsten und gierigsten Imperien aller Zelten, welches die Meere beherrschte, Länder wie China oder Indien unterwarf und Handel betrieb mit vorgehaltener Waffe. Es wäre von vorneherein sehr leicht gewesen, die Rothschilds nur als königliche Buchhalter zu verwenden, anstatt den Emporkömmlingen zu gestatten, Millionen anzuhäufen. Es wäre auch außerordentlich leicht gewesen, einen Großteil des Reichtums der Rothschilds unter einem Vorwand zu stehlen, wie beispielsweise der Verdacht

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auf Kollaboration mit Englands Gegnern. Mit Abstand am einfachsten und am effektivsten wäre es gewesen, die Rothschilds als Strohmänner zu benutzen. In der öffentlichen Wahrnehmung war der Hochadel weder außergewöhnlich reich, noch bestimmte er maßgeblich die Politik, aber dieses aufwändige Täuschungsmanöver war von allergrößter Wichtigkeit. Der Prinz von Wales hatte die Söhne von Lionel, Nathaniel, Alfred und Leo, kennengelernt an der Elite-Universität Cambridge, pflegte Beziehungen zu weiteren Rothschilds und zu weiteren jüdischen Familien wie den Sassoons (di auch vom britischen Empire aufgebaut worden waren). Die Rothschilds bezahlten die Schulden des Prinzen von Wales und investierten sein Geld. Das Informationsnetz von Alphonse Rothschild erstreckte sich von Napoleon III, über Otto von Bismarck bis hin zu Kaiserin Eugenie. Auch Affären. Bismarck besuchte während seiner Zeit als Botschafter für Paris öfters das Chateau Ferneres der Rothschilds. Später wurde Bismarck zum Ministerpräsidenten Preußens und verfügte über eine gewaltige kontinentale Landmacht, die die Briten doch sehr nervös machte. Er holte sich Schleswig und Holstein von Dänemark, wobei der dänische Adel natürlich eng verwandt war mit dem britischen Adel sowie mit deutschen Familien wie Hessen-KasselI, die wiederum eng verbunden waren mit den Rothschilds. Es kam zum Krieg zwischen Preußen und Österreich, den Österreich sehr schnell verlor. Gerson von Bleichröder, der Vertraute der Rothschilds, war Bismarcks Bankier geworden und Bismarck benutzte das Informationsnetz der Rothschilds, anstatt einen eigenen Geheimdienst aufzubauen. Die Franzosen rechneten als nächstes mit einem Krieg gegen Preußen und schickten deshalb die französischen Rothschilds nach England, damit England beschwichtigend einwirkt auf Preußen. Dennoch brach der offene Konflikt aus und die Franzosen erlitten nach nur sechs Wochen bei Sedan eine entscheidende Niederlage. Gerson Bleichröder und weitere Bankiers hatten bereits die Kredite zusammengesammelt für den Preußisch-Österreichischen Kriege und zudem war Bleichröder an den Verhandlungen und der Abwicklung der französischen Reparationszahlungen nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870-71 maßgeblich beteiligt.

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Bismarck und und Feldmarschall von Moltke machten prompt das RothschildSchloss Ferneres zu ihrem temporären Hauptquartier und zogen dann um nach Versailles. Die Vertreter der neuen französischen Republik mussten kleinlaut verhandeln und suchten dafür den Rat von Alphonse Rothschild, worauf dann Reparationszahlungen im Umfang von 5 Milliarden Francs abgewickelt wurden von Alphonse und seinen Cousins mit der üblichen Effizienz und mit den üblichen Provisionen. Die deutschen Truppen räumten Frankreich, die alten französischen Machthaber waren zur Freude der britischen Krone aus dem Weg geräumt und die Freude der Deutschen sollte nicht allzu lange halten. Die Rothschilds bauten mehr Paläste wie Waddesdon, kauften mehr Rennpferde und produzierten mehr teuren Wein. Hannah Rothschild heiratete Lord Rosebery, den späteren Premierminister und war damit erst die dritte Rothschild-Dame vom britischen Zweig, die einen Christen heiratete und mit ihrer Familientradition brach. Lionels größter Deal kam 1875, vier Jahre vor seinem Tod, mit dem Suez-Kanal, der von großem strategischen Interesse für das Britisches Empire war. Vier Millionen Pfund flössen von den Rothschilds, abgesichert durch die britische Regierung, für Anteile an dem Kanal. Die Transaktionen verliefen wie üblich leise, über Umwege um die Märkte nicht aufzuscheuchen, und mit dickem Profit. Der Verdacht drängt sich auf, dass die britische Krone sich, wenn sie Geld von den Rothschilds lieh, in Wirklichkeit sich selbst Kredite gab und damit den Eindruck weckte, notorisch knapp bei Kasse zu sein. Hätte der britische Hochadel diese Geschäfte selbst getätigt und diese Reichtümer selbst besessen, wäre das britische Volk auf die Barrikaden gegangen. In den 1870er Jahren ging es für die Bankiers hoch her, denn neben dem Kerngeschäft des Bankwesens waren sie involviert in Eisenbahnen, Bodenschätzen und Diamanten, allerdings beschränkt auf Europa, den mittleren Osten und Teile von Russland. Die USA wurden von anderen, meist nichtjüdischen Familien bearbeitet. Ein Rothschild-Kredit ging an den russischen Zaren und im Gegenzug bekam man eine Erlaubnis für die Ölförderung in Baku. Damit war

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man ähnlich dick im Ölgeschäft wie die Rockefellers in Amerika mit Standard Oil, aber bevor diese Industrie richtig dominierte, verkauften die Rothschilds die B'nito Petroelum Company an das Royal Dutch Shell Combine vom holländischen Königshaus, das verwandt war mit dem britischen Hochadel. Gerson Bleichröder vermittelte auch weiteres, dringend benötigtes Geld an die russischen Zaren, die ebenfalls mit dem britischen Empire verwandt waren. Wenn Preußen bzw. das Deutsche Reich oder die Türken rechtzeitig geahnt hätten, was für ein globaler Koloss sich da formte, wären einige Entscheidungen wohl anders getroffen worden. Nathaniel Mayer Rothschild bekam endlich seine Peerage und immer noch heiratete seine Familie untereinander mit vereinzelten Ausnahmen, wie etwa Leo, dereine Schwester aus der jüdischen Sassoon-Familie ehelichte, die vom britischen Empire aufgebaut worden war. Der junge Winston Churchill war ein regelmäßiger Gast bei Rothschilds und formte eine lange anhaltende Beziehung zu den Bankiers. Nathaniel Rothschild reduzierte die Aktionen seiner Bank dramatisch und bevorzugte einfache, sichere Investments, während Konkurrenten wie Barings ihre Abenteuer an den Märkten bitter bereuten. Alfred Rothschild diente eine Weile lang als Direktor der Zentralbank „Bank of England", was von der Verschwörungsliteratur großzügig fehlinterpretiert wird als eine Übernahme der Zentralbank. Er verletzte schließlich den Datenschutz, um zu sehen, ob er bei dem Verkaufeines Gemäldes über den Tisch gezogen wurde und verlor deshalb seinen Posten. Edmond, einer der wenigen stramm Religiösen der Familie, finanzierte jüdische Siedlungen in Palästina als Experiment, ob dies überhaupt nachhaltig durchführbar, mit der erheblichen Summe von sechs Millionen Pfund. Andere Rothschilds und andere einflussreiche Juden waren aber wenig begeistert von dem öden Fleck in der Wüste und bevorzugten eher Gebiete in den USA oder Westeuropa als neuen Heimatstaat der Juden. Später entstand dennoch der winzige Staat Israel, abgesichert durch Garantien der Briten und Amerikaner. Es ist nicht überliefert, welcher Rothschild den folgenden Ausspruch getätigt hat:

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„Ein Zionist ist ein amerikanischer Jude, der einem englischen Juden Geld gibt, mit dem ein polnischer Jude nach Palästina gebracht werden soll." 225.000 Juden aus Russland kamen nach Westeuropa geströmt wegen den antijüdischen Gesetzen unter den Zaren und längst nicht jeder jüdische Migrant hatte Interesse daran, in die Wüste zu gehen. In den Siedlungen herrschte Chaos und Undankbarkelt gegenüber Edmond, der wiederum lästerte, dass die Siedler größere Subventionen dafür nutzten, in Urlaub zu fahren und angeheuerte Muslime die Felder beackern zu lassen. Es gab auch Streit um das im Glauben vorgesehene Sabbatjahr, wo man die Äcker verwahrlosen wollte. Rothschild drohte, die Siedler wieder nach Russland zu schicken. Nach dem Niedergang der Rothschild-Bank von Neapel wurde auch noch die Filiale in Frankfurt geschlossen, weil es dort keine Söhne gegeben hatte und niemand sonst dorthin ziehen wollte. Die Spannungen zwischen Russland, England und Frankreich auf der einen, sowie Deutschland auf der anderen Seite, beschworen den kommenden Untergang der preußischen Landmacht. Nachdem bereits die alten Mächte von Frankreich aus dem Weg geräumt waren, waren nun das Deutsche Reich und Österreich an der Reihe. Erneut beschäftigten sich die Rothschilds mit der Finanzierung des kommenden (Welt-)Kriegs, ohne dabei in irgendeiner erkennbaren Form in die militärischen und geopolitischen Entscheidungen involviert zu sein. Das britische Empire hatte die Rothschilds auf Banken und Industrie beschränkt und ihnen nie Zugang zu den hohen Ebenen des Adels und des Militärs gewährt. Die gängige Verschwörungsliteratur verbreitet den Mythos, die Rothschilds und weitere jüdische Banker hätten den Weltkrieg selbst organisiert und hätten sowohl Amerika als auch Großbritannien beherrscht. Was praktisch kaum ein Verschwörungstheoretiker weiß, ist dass die Rothschilds sogar höchstpersönlich an der Front im Krieg kämpften und starben. James de Rothschild, Sohn von Edmond, ging zu den Armeen von Frankreich, Kanada und Britannien. Eugene diente an der Front in Russland und wurde schwer am Bein verwundet. Evelyn starb beim Kampf gegen die Türken in Palästina. Lionel Walter und noch ein weiterer Rothschild starben ebenfalls im Kampf. All das passt überhaupt nicht zu dem Mythos, dass die Rothschilds als heimliche Könige aus sicherer

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Distanz den Krieg angezettelt und verwaltet hätten. Es ist höchst fraglich, ob sii sich für den Dienst an der Front wegen einem Gefühl des Pflichtbewusstseins entschieden hatten, oder wegen der Suche nach einem Abenteuer oder weil vielleicht die britische Krone darauf bestanden hatte. Schließlich hatten ja in der Vergangenheit immer wieder Mitglieder des britischen Adels persönlich mit ihren eigenen Händen für das Empire kämpfen müssen. Österreich war nach dem Krieg keine echte Großmacht mehr, die Währung stürzte ab und die Bevölkerung war dramatisch geschrumpft, Frankreich war schwer angeschlagen, Deutschland fix und fertig. Die Rothschilds stabilisierten in der Folgezeit Frankreichs Währung mit Hilfe von J.P. Morgan aus New York. Nach dem Krieg beschäftigte sich der Rothschild-Clan verstärkt mit Ablenkungen und Vergnügen. Drei führende Männer aus der Familie waren im Krieg gestorben und man musste sehr viel Geld an die britische Regierung zahlen in einer Sondersteuer (sogenannte „death duties"). Zudem brach Alfred mit der Familientradition und vermachte sein Geld an seine Tochter Almina Wombwell, die verheiratet war mit dem Earl of Carnarvon. Die großen, dekadenten Häuser in London wurden verkauft oder abgerissen, die Chateaus auf dem Land ebenfalls zum Großteil verkauft. Man war immer noch High Society und eine Macht im Bankwesen, aber die Phase des demonst rativ zelebrierten Luxus war vorbei und mehr Familienmitglieder widmeten sich anderen Feldern wie der Medizin, Rennpferden, Expeditionen und dem Studium von Insekten. In den 1930er Jahren gab es mit Lionel und Anthony nur noch zwei aktive Banker in dem Clan und die Rothschild-Bank war „nur" noch in den Top 10, nicht mehr die unangefochtene Nummer eins. Victor Rothschild haifeiner Reihe von jüdischen Flüchtlingen, während das britische Establishment den Nazis abseits der offiziellen Kanäle Sympathien vortäuschte. Hitler spielte abwechselnd mit der Idee, Juden zu vernichten und Juden auszusiedeln und wärmte im Kern alte britische Propaganda auf gegen jüdische Banker, die angeblich alles kontrollierten in den USA und Europa. Hitlers, Heß' und Haushofers Sympathiebekundungen für England und die illusionären Erwartungen der Nazis, ein Abkommen mit den Briten schließen zu können, wurden vom britischen Hochadel bewusst genährt und dies brachten

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den Kontinent an den Abgrund. Baron Louis Rothschild aus Österreich landete sogar im Gefängnis wegen den Nazis; andere Rothschilds flüchteten in die Schweiz und Frankreich. Erneut dienten drei Rothschilds an der Front, im Frühling 1940. Zwei gerieten in Gefangenschaft und hatten das Glück, als Offiziere behandelt zu werden. Guy Rothschild schlug sich durch bis nach Dünkirchen, wo er zusammen mit den britischen Truppen von der Expeditionary Force evakuiert werden musste und fast auf See gestorben wäre. Dies passt überhaupt nicht zu dem Mythos der allmächtigen Rothschilds. Die zentralen Legenden der Verschwörungsliteratur halten keiner näheren Betrachtung stand und es wurden einfach im Laufe der Zeit immer neue gestrickt, um den Fokus auf jüdische Clans zu lenken. Sogar dem gesamten Hochadel Großbritanniens wurden ohne solide Belege im Internet jüdische Vorfahren angedichtet. Alle möglichen bedeutenden Figuren wurden bereits faktenwidrig als Juden bezeichnet. In einem Artikel der Zeitung London Times und von Moshe Kohn in einem Artikel der Jerusalem Post wurde behauptet, Churchill hätte mütterlicherseits jüdische Vorfahren, aber man findet keine Beweise dafür in den vielen verschiedenen biographischen Untersuchungen über die Churchills. Angeblich soll der Autor Shane Leslie eine Enthüllung geplant haben. Beweise? Fehlanzeige. Der Rechtsrevisionist David Irving wiederholte die Legende in seinem Buch „Churchill's War" und gibt als Quellenangabe nur den alten Artikel an von Moshe Kohn, der sich ironischerweise lustig macht über Revisionisten wie Irving und keinerlei Beleg liefert für Churchills angebliche jüdische Vorfahren. Auch Hitler wurde schon vielfach umgedichtet zum Juden und Nachfahre eines Rothschilds. Adam Weißhaupt vom Illuminatenorden wurde kurzerhand zum Juden und Rothschild-Agenten erklärt. Praktisch jeder, der den Verschwörungstheoretikern widerspricht, wird als Jude und zionistischer Agent gebrandmarkt. Während mehrere Rothschilds beinahe im Krieg krepierten, hatte es die Familie Hessen-Kassel, die überhaupt erst den Aufstieg der Rothschilds ermöglicht hatte, wesentlich einfacher und war 1939 einer der reichsten Clans Europas. Prinz Philip musste nicht an die Front, sondern sich stattdessen an der Spionage beteiligen, indem er die Rolle eines Unterstützers von Hitler spielte und

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wegen seiner Ehe mit der Tochter des italienischen Königs Aufgaben eines Sonderbotschafters übernahm zwischen Nazideutschland und dem faschistischen Italien. Nach dem Krieg galt er als reichster Mann Deutschlands und reichster Prinz Europas. Victor hingegen entschärfte Bomben und schrieb militärische Handbücher zu dem Thema. Nach dem Krieg zog er wieder in sein Haus in der 23 Avenue de Marigny mitten in Paris. Die Familie war weiterhin involviert in große Geschäfte, aber die Zeit der Paläste und Bentleys war vorbei. Jacob heiratete Serena Dunn, die nichtjüdische Nachfahrin des Earl of Rosslyn und des kanadischen Ultrareichen Sir James Dunn. Der Londoner Investment-Banker Nathaniel Rothschild verletzte vor wenigen Jahren die Familientradition und heiratete ein Nacktmodel, obwohl er der einzige Sohn von Lord Rothschild ist und man von ihm eine Heirat in den Geldadel erwartete. Die Zeitung Daily Mail berichtete, Nathaniel hätte das Model gefunden mit Hilfe der der Dating-App „Happn". Die BILD-Zeitung, die eine besondere Treue zu Israel hat und jede Form des Antisemitismus verpönt, zitierte Schätzungen zum Gesamtvermögen der Familie von 300 Milliarden bis zu 1 Billion Euro. „Genaue Zahlen rückt die Familie nicht heraus." Die Verschwörungs-Blogger im Internet reichen gerne absurde Zahlen herum wie etwa 500 Billionen. Ein kaum gehörter, Marihuana rauchender Rapper namens Jay Electrónica aus dem Ghetto von New Orleans wurde der Lebensgefährte von Kate Rothschild, deren vorherige Ehe mit dem wohlhabenden Ben Goldsmith gescheitert war. Experten gingen davon aus, dass sie nichts von dem Vermögen ihres ExEhemanns erhalten hat. Jays bisherige Rapper-Karriere besteht aus wenig tiefgreifendem Gerede über die Bedeutung des Lebens und einem Plattendeal mit Jay Zs Label, ohne jedoch ein großes Album veröffentlicht zu haben. Er ist zudem Mitglied der bizarren Muslimsekte „5 Percent Nation". Ben, der Sohn des verstorbenen Milliardärs Sir James Goldsmith und Lady Annabel, heiratete Kate im Jahr 2003, Tochter des verstorbenen Amschel Roth-

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schild und Anita Patience Guinness. Sie erklärte ominös, dass ihre Beziehung zu Jay „ihr Leben gerettet hätte auf viele Arten und Weisen". Es gab auch den Verdacht, er sei dem Model Cara Delevigne zu nahe. Amschel Rothschild war erst spät ins Bankengewerbe gekommen und interessierte sich Zeit seines Lebens eher fürs Rennfahren. Im Juli 1996 fand man ihn erhängt im Hotel Bristol in Paris. Die wichtigen Patriarchen wurden Baron Éric Alain Robert David de Rothschild und David René James de Rothschild. Letzterer ist verheiratet mit der italienischen Prinzessin Olimpia Anna Aldobrandini. Zu den Banken, die am meisten auf die Dienste von panamesischen Konten und Briefkastenfirmen zurückgriffen (Panama Papers), zählt auch die Rothschild Trust Guernsey Limited. Guernsey, die zweitgrößte der britischen Kanalinseln, ist kein Teil des Vereinigten Königreiches, keine Kronkolonie, sondern als „Kronbesitz" direkt der britischen Krone unterstellt. Die Rothschild Trust Guernsey Limited operiert als Tochtergesellschaft der Rothschild Bank AG mit Sitz in Zürich, die wiederum der Rothschild Holding AG in Zürich gehört, die wiederum zu mehr als zwei Dritteln der Rothschilds Continuation Holdings AG gehört im schweizerischen Zug, die wiederum mehrheitlich von der Rothschild & Co. und damit von Mitgliedern der Rothschild-Familien und deren Gesellschaften kontrolliert wird. Marie-Hélène de Rothschild veranstaltete 1972 einen surrealistischen Ball im Château de Ferrières und Fotos davon sind inzwischen im Internet aufgetaucht und befeuerten die Mythen über satanische Aktivitäten, ohne natürlich einen soliden Beweis zu liefern. Auch die Filme „Eyes Wide Shut" und „Die neun Pforten" verwendeten ehemalige Anwesen der Rothschilds als Drehorte für Geschichten über organisierten Satanismus. Ohne eine Beweisführung vergrößern die Legenden eher das Informationschaos, anstatt Aufklärung zu liefern. Die Verschwörungsliteratur erklärte die Rothschilds auch zu den heimlichen Herrschern Amerikas und der amerikanischen Zentralbank, obwohl historisch die USA von anderen (nichtjüdischen) Familien bearbeitet wurde. Gerry Rough dokumentierte Schwächen in G. Edward Griffins Buch über die Federai Reserve sowie in ähnlichen Werken. http://www.publiceye.orq/consDire/flahertv/flahertv1.html

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Auch das in Verschwörungs-Medien immer wiederholte Zitat von US-Präsident Wilson darüber, wie unglücklich er darüber sei, sein Land durch die Federal Reserve einer kleinen Gruppe ab Männern ausgeliefert zu haben, ist eine Erfindung. Professor John M. Cooper von der University of Wisconsin, ein Experte über Wilson, erklärte dass der Präsident immerzu stolz gewesen sei über die Schaffung der Zentralbank. https://www.salon.com/2007/12/21/woodrow Wilson federal reserve/ Die bekannten jüdischen Vorsitzenden der Fed wurden als Beweis hergenommen für die Behauptung, dass die jüdischen Privatbanken die Welt regieren. 1962 legte Omni Publications, die schon die erfundenen Protokolle von Zion veröffentlicht hatten, einen Text von 1931 wieder auf mit dem Titel „The Truth About the Slump". In den 1950er Jahren kam von Wickliffe Vennard "The Federal Reserve Corporation" in der es auch wieder um jüdische Dominanz ging und wo Hitler gleich noch als Messias gefeiert wurde, der die jüdischen Geldwechsler aus dem Tempel jagen wollte. Dann kam Eustace Mullins mit dem Buch "The Federal Reserve Conspiracy" und schließlich Col. James "Bo" Gritz, laut dem acht jüdische Banken die Fed kontrollieren würden: Rothschild, Lazard, Israel Moses Seif, Warburg, Lehman Bros., Chase Manhattank, Kuhn, Loeb und Goldman Sachs. Sucht man genauer nach, findet man heraus, dass die Fed hauptsächlich wie ein großes Clearing House funktioniert und mit der Änderung des Leitzinses Blasen aufpumpen und mit Crashs zum Platzen bringen kann. Die Möglichkelten für Insiderhandel, illegale Absprachen und traumhafte Profite für Privatbanken sind endlos, aber das System ist komplizierter als die platte Legende von den „Judenbanken", denen die Fed „gehört". Anteile an den regionalen Fed-Abteilungen zu besitzen bringt nur überschaubare Dividenden ein und verblasst Im Gegensatz zu den anderen Möglichkeiten, um Bürger abzuzocken. Die Geschichten von weiteren einflussreichen jüdischen Clans und Bankhäusern abseits von den Rothschilds drehen sich allesamt um Emporkömmlinge, die von dem angloamerikanischen Imperium mit Aufträgen und Beziehungen versorgt wurden. Die Sassoons wurden aufgebaut von den Briten. Kuhn, Loeb &

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Co. war eine amerikanische Investmentbank, deren Gründer Loeb aus einfachen Verhältnissen stammte und im amerikanischen Bürgerkrieg Aufträge bekam. Um die Unionsarmee zu beliefern. Jakob Heinrich Schiff aus Frankfurt am Main stieß dazu und brachte mehr Erfahrung mit, da in betuchte Kreise hineingeboren war. Schiff konnte nur deshalb eine große Investmentbank aufziehen, weil er die Verbindung hatte zu der Eisenbahnindustrie, die sich im Besitz nichtjüdischer Oligarchen befand wie den Vanderbilts oder den Harrimans. Man kann festhalten, dass die gängigen Verschwörungsautoren nur alte Legenden wiederholten, die oftmals sogar vom britischen Establishment und natürlich den Nationalsozialisten gefördert worden waren. Zwar lässt sich mit den Legenden auch heute noch Stimmung machen, aber die ganzen falschen Überzeugungen und Halbwahrheiten beschädigen massiv die Glaubwürdigkeit und regen die politische Mitte und die Linke zum Kampfan gegen die „rechten" Verschwörungstheorien.

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Politik-Matrix

Politik ist die Illusion von Teilhabe, eine heiße Luft produzierende Ablenkungsmaschinerie und die Verschleierung tatsächlicher Machtverhältnisse. Der Bürger wählt Personen und Programme, die er nicht wirklich kennt und versteht, da ihm weder beigebracht wurde, wie man andere Menschen korrekt einschätzt, noch wie man Argumente logisch nachvollziehen kann über Sicherheit, Wirtschaft und Verwaltung. Die britischen Expeditionen in den Urwald zur Untersuchung von Naturvölkern und die verschiedenen Wissenschaften an den Universitäten lieferten dem Adel die Werkzeuge, um primitives Stammesverhalten zu kombinieren mit Gruppennarzissmus, Psychopathie und zirkulärem, irrationalem Denken. Jede politische Ideologie ist aus diesen Bestandteilen konstruiert. Dazu gab man jeder Ideologie noch ein unterschiedliches, fehlerhaftes Erklärungsmodell über das Böse samt Heilslehre, wie das Böse wirksam zu bekämpfen sei. Jede Ideologie muss natürlich einen gewissen Prozentsatz an wahren Informationen enthalten, aber auch viel Falsches und viel heiße Luft. Für welche politische Überzeugung sich jemand begeistert, hängt weniger von Logik und Wissenschaft ab, sondern von Faktoren wie die Persönlichkeitsstruktur, das frühe prägende Umfeld, Gefühle, Interessengemeinschaften und einschneidende Erlebnisse. Manche Menschen sind genetisch und von ihrer Erziehung her einfach Individualisten, andere gehen eher in der Gemeinschaft auf. Die einen sind introvertiert, die anderen extrovertiert. Mutig, oder furchtsam, rebellisch oder unterwürfig. Die einen lieben Neues und Veränderung, die anderen mögen stattdessen nur Altbekanntes und Vertrautes. Die einen favorisieren sachliche Logik, die anderen starke Gefühle. Manch einer fühlt sich als Gewinner und Profiteur eines Systems, während die meisten sich eher als benachteiligt wahrnehmen. Eine politische bzw. ideologische Gruppe ist zunächst eine Interessengemeinschaft, ein Stamm mit einem Namen, einem Logo, einer Flagge, einem bestimmten Stil, einer gemeinsamen Identität. Die Gruppenmitglieder verfolgen

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einigermaßen ähnliche Ziele, man spricht ein einigermaßen einheitliches Klientel an, man pflegt einen Gruppennarzissmus, man huldigt besonderen Helden (Kriegern) des Stammes, man pflegt gemeinsame Rituale, man kultiviert psychopathische Ideen und huldigt psychopathischen Anführern, man praktiziert zirkuläres irrationales Denken, man predigt ein einheitliches (und fehlerhaftes) Erklärungsmodell über das Böse und man predigt eine einheitliche Heilslehre zur Bekämpfung und Überwindung des Bösen. Der Normalbürger kann diese ganzen verschiedenen Elemente und Bauteile einer Gruppe nicht durchschauen und sich ihrer manipulativen Sogwirkung nicht entziehen. Fast jede bedeutende politische bzw. ideologische Gruppierung erlebt Spaltungen oder unterteilt sich in mehr oder minder unterschiedliche Flügel oder es bilden sich Nachahmer-Gruppen. Vereinfacht dargestellt sieht die politisch-ideologische Landschaft folgendermaßen aus: Die politische Linke •

Gemäßigte Sozialdemokratie



Stramme Linke



Linksextremisten/Stalinisten, Maoisten etc.

Die politische Rechte •

Gemäßigte Konservative



Stramme Rechte



Rechtsradikale/Neonazis

Liberalismus •

Gemäßigte Liberale



Stramme Libertäre



Libertäre Anarchisten

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Selbstverständlich teilen sich die Unterkategorien nochmals aus in weitere Unterkategorien. Die schiere Anzahl unterschiedlicher sozialistischer Strömungen ist geradezu absurd. Grüne Parteien sind im Endeffekt nur eine Spielart des Sozialismus. Kleine Parteien sind nicht relevant. Eine politische Organisation bleibt in der Realität natürlich nicht unbedingt auf ewig starr, sondern kann ihren Kurs ändern, mal mehr und mal weniger extrem werden. Jede von diesen ideologischen Gruppen ist nach dem gleichen Strickmuster aufgebaut. Und genau wie bei den Stämmen von Buschvölkern im Urwald, bekämpfen sich die ideologischen/politischen Gruppierungen pausenlos gegenseitig und gehen manchmal auch temporäre Zweckbündnisse ein. Die Struktur der Linken Gemeinsame Interessen: Mehr Umverteilung von Wohlstand, bessere Arbeitsbedingungen, mehr staatliche Jobs, Entmachtung der Großkapitalisten, staatliche Regulierung aller Aspekte des menschlichen Lebens, Umsetzung von Planwirtschaft Äußere Merkmale: Rot gefärbte Haare, Punk-Outfits, bunte Kleidung von linksesoterischen Versandhäusern, das typische Lehrer-Outfit, Rebellen-Look mit schicker Lederjacke, autonome Kämpfer-Kleidung, Guerilla-Uniformen, Einheitsuniformen, Logos mit Fäusten, Sowjetsymbole, das Guevara-Gesicht, usw. Angesprochenes Klientel: Profiteure von sozialstaatlicher Umverteilung, Arbeitslose, gewöhnliche Beamte und andere Angestellte des Staates, Leute aus sozialen Berufen, Leute die Gruppen mögen, Rebellen, Kontrollfreaks, Zu-kurzGekommene, Ausgebeutete, Minderheiten, Benachteiligte Helden- und Märtyrerverehrung: Marx. Lenin, Stalin, Mao, Guevara, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht usw. Gemeinsame Rituale: Demonstrationen, Häuserbesetzungen, Kiffen, Gedenkstätten besuchen, autonome Zentren besuchen, Hitler-Dokus gucken, Angriffe auf Rechte, Sachbeschädigung, zum Sozialamt gehen, Beamtensold ausgeben Psvchopathische Anführer: Diverse

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Psychopathische Ideen: Enteignung des Bürgertums, Einsperren von allen Konterrevolutionären und Reaktionären in Arbeitslager, Vernichtung von Dissidenten, Kriege und subversive Aktionen zur Erreichung der Weltrevolution, Auflösung des Individuums Gruppennarzissmus: Die Überzeugung, als einzige Gruppe die Moral für sich gepachtet zu haben. Kleinreden der Massaker und Kriege im real existierenden Sozialismus. Unhaltbare verlogene Versprechungen. Intoleranz gegenüber Andersdenkenden. Heillose Übertreibung des Wertes der eigenen Überzeugungen. Glorifizierung von Pseudo-Helden. Irrationales Denken: Man will den Über-Staat schaffen, damit dieser hinterher verwittert und verschwindet. „Diktatur des Proletariats." Das unlogische Versprechen, eine klassenlose Gesellschaft schaffen zu können. Diverse Grunddogmen. Luftschlösser. Erklärungsmodell über das Böse: Das Böse entstünde aus dem Privatbesitz von Produktionsmitteln heraus, in der bürgerlichen Kleinfamilie, im Unternehmertum, im Individualismus. Heilslehre zur Überwindung des Bösen: Durch die Zerstörung von Privatbesitz an Produktionsmitteln, die Auflösung der klassischen Familie, Kollektiverziehung, Planwirtschaft usw. will man das Böse an der Wurzel ausrotten Die Struktur der Rechten Gemeinsame Interessen: Verringerung der Migration, mehr völkische Kultur, Diskriminierung von Minderheiten, altmodische Rolle der Frau, Rüstung, Eroberungen, Kolonien, hartes Strafrecht, Etablierung eines nationalen Sozialismus, Etablierung einer Monarchie, usw. Äußere Merkmale: Bürgerliche Klamotten, altmodische Klamotten, altmodische Frisuren und Bärte, Neonazi-Kluft und Glatze, Uniformen Angesprochenes Klientel: Bürgertum, Arbeitslose, Leute die wenig Veränderung mögen, Unzufriedene, Unternehmer

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Helden- und Märtvrerverehruna: Gefallene Soldaten aus den Weltkriegen, alte Adelige, Wagner, Bismarck, jegliche anderen prominenten Deutschen, Hitler und andere Nazis Gemeinsame Rituale: Braun-esoterische Feste (Sonnenwende etc.), Besuch von Bierhallen, Wehrsport, Jagd, Schießsport, volkstümliche Feste Psychopathische Anführer: Diverse Psvchopathische Ideen: Sozialdarwinismus, Rassismus, Krieg, Faschismus Gruppennarzissmus: Ideen der Auserwähltheit, Germanenkult, Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, Revolutionsglaube, Gnostizismus. Irrationales Denken: Hoffen auf Putins Panzer, Falschvorstellungen über das Dritte Reich, unrealistische Erwartungen und Pläne, Ablehnung von Intellektua lität und Logik Erklärungsmodell über das Böse: Alles was dem konservativen Denken zuwider läuft gilt als Ursprung des Bösen. Umdeutung von Gut und Böse je nachdem, was der eigenen Ideologie nützt oder schadet Heilslehre zur Überwindung des Bösen: Die Etablierung einer rechtskonservativen Ordnung und eines mächtigen Staats und die Verbreitung der weißen Rasse sollen das Böse auslöschen. Die Struktur des Liberalismus Gemeinsame Interessen: Steuern senken, Regulierungen verringern, Staat abschaffen und Privatrechtsgesellschaft etablieren (libertäre Anarchisten), Internationale Einmischung verringern Äußere Merkmale: Anzug und Krawatte oder Fliege Angesprochenes Klientel: Unternehmer, Steuerzahler, Konzerne Helden- und Märtyrerverehrung: Mises, Hayek, Rand, Hoppe, usw.

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Gemeinsame Rituale: Sich austauschen über Freiheit, sich austauschen über Rands Roman „Der Streik", Steuern hinterziehen, Traden Psvchopathische Anführer: Diverse, aber deutlich weniger als bei anderen Ideologien Psvchopathische Ideen: Sind Im Liberalismus wenig verbreitet, aber über Rand und andere doch leider popularisiert worden. Sozialdarwinismus, gezielte Sabotage an der Gesellschaft um einen Zusammenbruch zu erzeugen Gruppennarzissmus: Meistens eher bei libertären Anarchisten verbreitet Irrationales Denken: Libertäre Anarchisten argumentieren mit simplen (unrealistischen) Dogmen, mit unzulässigen Luftschloss-Argumenten über ihre Privatrechtsgesellschaft, und mit schwachen Ideen zum Hinarbeiten auf Ihre Ziele Erklärungsmodell über das Böse: Die meisten Liberalen betrachten Unfreiheit und Sozialismus als Ursache des Bösen. Heilslehre zur Überwindung des Bösen: Förderung von Freiheit. Die libertären Anarchisten wollen jeden Staat zerstören

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Die Fabian Society Der Adel und der Club der Milliardäre schützen ihren Reichtum nicht nur mit Offshore-Konten und Briefkastenfirmen, sondern sie kontrollieren den Staat aus dem Schatten heraus als ihr Vehikel zur Besteuerung des Volkes. Und je größer die Staats-Krake ist, umso mehr Geld lässt sich einsacken und umso mehr kann man jeden Aspekt im Leben der Bürger regulieren, sodass die Bürger überwiegend nicht konkurrenzfähig und wohlhabend werden können. Es überrascht nicht, dass die Eliten zu diesem Zweck über Tarnorganisationen den Kulturmarxismus für die Massen bewarben. Genau das, was für die Adeligen und Milliardäre selbstverständlich ist, wird im Kulturmarxismus als verachtenswert propagiert und dem Normalbürger ausgeredet: Privatbesitz, starke familiäre Strukturen, Erbdynastien, Individualismus. Selbst das kommunistische China hat eine steinreiche Elite samt Erbdynastien hervorgebracht, die mit harter Hand den Sozialismus für die Massen verwalten. Die zweite Generation der reichen Kids aus der Führungsschicht fährt Lamborghini und protzt auf sozialen Netzwerken damit, wer mehr Geld hat und noch dekadenter ist, während die Arbeiterschicht im „Sozialistenparadies" für CentBeträge in Sklaven-Fabriken Handys zusammenkleben muss, um zu überleben.' Auch das heutige Russland wird regiert von einem Club der Milliardäre, die die teuersten Anwesen und Yachten kaufen und selbst für eine einzelne Armbanduhr sechsstellige Summen bezahlen2, während die Masse der Menschen von ein paar hundert Euro im Monat leben muss und in schäbigen Wohnungen haust. Die Großkonzerne sind längst mit dem Staat verschmolzen und inzwischen redet Präsident Putin den Sozialismus wieder schön3, während die Propaganda die Rückkehr der sozialistischen Planwirtschaft ankündigt". Die Eliten des Ostens benötigten für ihre Machtübernahme den schnellen, revolutionären Sozialismus, blutige Kämpfe bei denen die Schaltstellen des alten Staates erobert wurden. Nach den Revolutionen kehrte die neue „Normalität" ein und der Sozialismus erzog die Massen zu gefügigen Werkzeugen.

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Im Westen hielten die Eliten bereits die Schaltstellen der Macht durch den Adelsstand, das Bankwesen und die Großkonzerne. Hier war es unnötig und sogar gefährlich, einen revolutionären Sozialismus zu benutzen, um die Massen zu kontrollieren. Stattdessen sollte die Transformation graduell passieren. Das Werkzeug der Wahl war die britische Organisation namens „Fabian Society", ein Netz aus schmierigen Sozialisten die für den Geldadel arbeiteten und einen auf den Westen zugeschnittenen Sozialismus entwarfen als eine Art „dritten Weg", eine akzeptabel erscheinende Alternative zum Raubtierkapitalismus und dem starren Kader-Sozialismus des Ostens. Die Fabianer kamen dank des Geldes des Establishments zu Prominenz: Figuren wie John Stuart Mill, George Bernard Shaw, H. G. Wells, Annie Besant, Virginia Woolf und viele mehr wurden zu festen Größen der Gesellschaft. Die sozialdemokratische britische Labour-Partei ist bis heute das Werkzeug der Fabian Society, was Politiker wie Tony Blair oder Peter Mandelson auch gar nicht groß verbergen. Joseph A. Schumpeter, der in Harvard David Rockefeller unterrichtete, erklärte5: "DIE WAHREN TEMPOMACHER DES SOZIAUSMUS WAREN NICHT DIE INTELLEKTUELLEN ODER MISSIONIERENDEN AGITATOREN GEWESEN, SONDERN DIE VANDERBILTS, CARNEGIES UND ROCKEFELLERS:" Die Stiftungen der Raubbarone finanzieren unzählige linke Organisationen, die graduell die Gesellschaft im Sinne des Sozialismus transformieren. Die Fabianer liebten das Geld und umgaben sich prinzipiell mit dem Geldadel, während sie dem gewöhnlichen Pöbel einredeten, dass die sozialistische Gesellschaft Fortschritt sei. Der prominente leitende Fabianer Sidney Webb heiratete die Tochter Beactrice des reichen Finanziers Richard Potter, die Verbindungen hatte zu dem Premierminister Arthur Balfour und zu den Bankendynastien. Das Eisenbahnimperium Great Western Railways pumpte kapitalistisch erwirtschaftetes Geld in Sidney Webbs "London School of Economics". George Bernard Shaw heiratete auch nicht in die Arbeiterklasse ein, sondern ehelichte die Tochter des reichen Investors Horace Payne-Townshend, der wiederum die Fabian Society mit zusätzlichen Geldern versorgte. Später arbeitete Shaw für den Multimillionär William Waldorf Astor. Lord Rothschild arbeitete mit Sidney Webb daran, die London School of Economics der Fabianer in die University of London zu integrieren. Die Einrichtung gilt heute als führend in den Sozialwissenschaften.

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Von Fabian zu Frankfurt Karl Korsch, eine der Ikonen des Kulturmarxismus, war ursprünglich ein Mitglied der Fabian Society. Er entstammt einer Hamburger Mittelschichtfamilie und hatte einen Bankmanager zum Vater. Dank des bürgerlichen Hintergrundes musste Karl nicht in irgendeiner Fabrik als Arbeiter tätig werden, sondern durfte lange und ausführlich studieren in Jena, München, Berlin und Genf und trat den deutschen Sozialdemokraten von der SPD bei. In London arbeitete er mit dem Juraprofessor Sir Ernest Shuster und wurde Mitglied der Fabian Society. Er pries in Texten wie 'The Fabian Society" (1912) die elitäre Organisation und brachte die Inhalte nach Deutschland. Das Geld für die deutschen sozialistischen Gesellschaftsklempner kam auch von steinreichen Männern aus dem Geldadel. Das berüchtigte „Institut für Sozialforschung" (IfS) kam zustande dank Felix Weil, Erbe eines Multimillionärs und Getreidegroßhändlers. Weil arbeitete mit dem Star-Spion der Sowjet-Kommunisten Richard Sorge an der „Ersten marxistischen Arbeitswoche" in Thüringen, wo die prominenten Marxisten der 1920er-Jahre wie Karl Korsch, Georg Lukäcs oder Friedrich Pollock teilnahmen. Aus diesem Treffen heraus entstand das Fundament des Institutes für Sozialforschung und später die sogenannte Frankfurter Schule. Die simple Strategie, der Masse den Sozialismus anzudrehen, wurde von den Akademikern aus dem Umfeld des IfS in allerhand Fachchinesisch verkleidet. Man schuf die „Kritische Theorie", eine Dialektik der Aufklärung, man fachsimpelte über dialektischen Materialismus, Phänomenologie und Erkenntnistheorie. Im Endeffekt ging es allerdings nur darum, die bürgerliche Gesellschaft zu destabilisieren. Während dem Regime der deutschen Nationalsozialisten floh das IfS in die Vereinigten Staaten und wurde von Horkheimer an der elitären Columbia University in New York neu aufgebaut. Man brachte die berüchtigte „Kritische Theorie" hervor, eine Schmähschrift gegen die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft, die angeblich die Keimzelle des Bösen sei. Nur durch Umerziehung, den starken allgegenwärtigen Staat und Umverteilung sei dieser Gefahr beizukommen. Georg Lukäcs, einer der Entwickler der Frankfurter "Kritischen Theorie", stammt auch nicht aus der Arbeiterklasse, sondern aus der Familie eines mächtigen Habsburger Bankiers aus Ungarn.

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Nach der Revolution von 1918 wurde er Vizekommissar für Kultur und Bildung im bolschewistischen Regime von Bela Kun, eine Rolle in der er sich am roten Terror beteiligte gegen die Feinde des Staates. Später, im Deckmantel des zivilisierten Kulturmarxisten, brachte er subversive Techniken, die in Ungarn entwickelt wurden, in den Westen, wie etwa eine absurde Form der Sexualerziehung, bei der jungen Kindern vorgeschwärmt wurde von ungezügelter „freier Liebe", Rebellion gegen die Eltern, Ablehnung des traditionellen Familienbildes, sowie einer entgleisten feministischen Agenda, die weit über die Forderung gleicher Rechte hinausging. Max Horkheimer und Theodor Adorno bastelten weiter am Kulturterrorismus um die Fundamente westlicher Kultur zu zersetzen, wie das Christentum, Kapitalismus, die Familie, Hierarchien, Moral, sexuelle Zurückhaltung, Traditionen, Patriotismus, Loyalität und Nationalismus. Horkheimer war, wen überrascht es, Sohn eines reichen Geschäftsmanns, und wurde 1930 zum Direktor der Frankfurter Schule; eine Funktion in der er an der schleichenden Revolution arbeiten konnte zur Penetration und Transformation der westlichen Institutionen. Einmal um die Welt und wieder zurück Viele Mitglieder der Frankfurter Schule endeten im amerikanischen Exil, wo sie mit dem Geld der Rockefeller-Stiftung weitermachen konnten, wie bisher. Die sogenannte „Protestkultur" der 1960er Jahre war schwer beeinflusst von den hedonistischen, drogenfreundlichen und kommunistischen Inhalten und vieles davon schwappte erneut zurück nach Europa. Der Einfluss der Fabian Society spiegelt sich wider bei der Gründung der Vereinten Nationen, die die Unterstützung hatten der Rockefellers und der Organisation Council on Foreign Relations (CFR). Auch die Idee der "Vereinigten Staaten Europas" war populär bei Sozialisten wie Engels und Liebknecht, sowie bei dem Geldadel Europas und der der Vereinigten Staaten. Eine wichtige Brücke über den Atlantik war die sogenannte „Bilderberg Gruppe", entworfen vom polnischen Sozialisten Joseph Retinger, der nach London gezogen war und sich der Fabian Society angeschlossen hatte. Die sogenannte politische „Mitte" in Europa wurde unter dem Einfluss der Kulturmarxisten und ihrer reichen Geldgeber immer weiter nach links verschoben. Immer mehr politischen Beobachtern fällt auf, dass sämtliche etablierte Parteien in weiten Teilen sozialdemokratisch sind und sehr

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ähnliche Positionen vertreten über die EU, Migration, die „Energiewende", hohe Steuern, weitreichende staatliche Regulierungen, Waffenrecht und natürlich über die Schulpflicht. Zielscheibe Schweiz Auch die Schweiz wurde bereits transformiert und soll nun auch als Teil des Schengen-Raums nach Wünschen der EU das europäische Waffenrecht übernehmen. 6 Soll heißen, keine halbautomatischen Gewehre mehr, komplizierte Bedürfnisnachweise als Jäger, Sportschütze oder Sammler, medizinische Untersuchungen und vieles mehr. Weigern sich die Schweizer, droht die Beendigung der Kooperation bei Zoll, Justiz und Polizei. Natürlich soll die Schweiz das volle Programm der Umerziehung und Transformation erhalten, das weit über Waffenrecht hinausgeht. Unter dem Vorwand einer zeitgemäßen Sexualaufklärung gab es wiederholt massive Grenzüberschreitungen, die nichts anderes sind, als die Agenda des Frankfurter Kulturmarxisten Georg Lukäcs.7 Nichts überließen die Kulturmarxisten dem Zufall, weder bei der Migrantenschwemme, noch bei der Währungsunion und der Umverteilung in der Eurozone. Die Kulturmarxisten wollen nur unser Bestes, nämlich unser Geld, unsere Kinder und unsere Seele. In der Schweiz sitzen so manche bedeutenden Vertreter des Geldadels, fahren in den Alpen in ihren millionenteuren Oldtimer-Sportwagen herum und besprechen mit Politikern aus dem Umfeld der Fabian Society wie Lord Peter Mandelson die nächsten Schritte.8 Quellen: [1] Children of the Yuan Percent: Everyone Hates China's Rieh Kids http://www.bloombera.com/news/features/2015-10-Q1/children-of-the-vuanpercent-evervone-hates-china-s-rich-kids [2] How did Vladimir Putin afford his £450,000 watch collection worth six times his annual salary?

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Mjp://www.dailvmail.co.uk/news/article-2156794/How-did-Vladimir-Putingfford-450-000-watch-collection-worth-times-annual-salary.html [3] Russia's Putin: I've Always Liked Communist and Socialist 'Ideas' http://europe.newsweek.com/russias-putin-savs-he-always-liked-communist