Actio ad exhibendum: Vorlegungsklage im römischen Recht [1 ed.] 9783428558926, 9783428158928

Der heutige Jurist kennt den Vorlegungsanspruch (§ 809 BGB), weiß aber kaum etwas damit anzufangen. Ganz anders in Rom,

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Actio ad exhibendum: Vorlegungsklage im römischen Recht [1 ed.]
 9783428558926, 9783428158928

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 188

Actio ad exhibendum Vorlegungsklage im römischen Recht

Von

Jan Dirk Harke

Duncker & Humblot · Berlin

JAN DIRK HARKE

Actio ad exhibendum

Schriften zur Rechtsgeschichte Band 188

Actio ad exhibendum Vorlegungsklage im römischen Recht

Von

Jan Dirk Harke

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-15892-8 (Print) ISBN 978-3-428-55892-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-85892-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Behauptung eines dinglichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Eigentum an beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pfandrecht und Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interdiktenbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Obligatorische Ansprüche? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diebstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Noxalhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahlvermächtnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Geistiges Eigentum“ und Behauptung der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Eigenständige oder vorbereitende Klage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Direkte Zeugnisse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begriffsbestimmung von exhibere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Quellenbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Zeugnisse eines gestuften Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nebeneinander und Alternativität von Vorlegungs- und dinglicher Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exklusive Zuständigkeit der actio ad exhibendum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgerungen und Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Sinn und Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Verurteilung ohne Rechtsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsbehauptung und summarische Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verurteilung in das volle Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6

Inhaltsverzeichnis II. Der Vorsatz des Beklagten als Grundlage seiner Verurteilung . . . . . . . . . . . . 87 1. Dolus aut contumacia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besitzverlust vor und im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nachklassische Ausdehnung der Haftung auf Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . III. Verwirkung durch Vereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Das Verwirkungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbesserung der Beweisposition als Klageziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Streitpunkt Sachverschlechterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Einleitung Hauptquelle unserer Kenntnis der römischen Vorlegungsklage ist der einschlägige Abschnitt im 24. Buch von Ulpians Kommentierung des prätorischen Edikts. Seine klare Gliederung hat es Lenel erlaubt, ihn in seiner Palingenesie in fünf Abschnitte mit gesonderten Themen aufzuteilen: Auf eine kurze Laudation, in der die praktische Relevanz der Klage herausgestellt wird,1 folgt eine ausführliche Darstellung der Aktivlegitimation2. Der einzige übergeordnete Begriff, den sie enthält, ist das Interesse des Klägers an der begehrten Vorlegung einer Sache. Er erscheint freilich nicht schon am Anfang des Textes, sondern erst in seinem zweiten Teil.3 Der Passivlegitimation sind die beiden nächsten Abschnitte gewidmet: Im ersten behandelt Ulpian die Frage, unter welchen Umständen jemand als Besitzer der Sache zu ihrer Vorlegung verpflichtet ist.4 Der zweite gilt dem Fall, dass sich der Beklagte des Besitzes schon arglistig begeben hat.5 Den Schluss bilden Ausführungen zur Reichweite von Vorlegungspflicht und Verurteilung.6 Der Mühe, aus Ulpians Kommentar und wenigen anderen Quellen die Formel der actio ad exhibendum zu rekonstruieren, haben sich nicht wenige Gelehrte unterzogen. Sie kommen dabei zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen: Demelius nimmt an, die Formel nenne weder das Interesse des Klägers7 noch den Besitz des Beklagten8 als Urteilsvoraussetzung und verfüge auch nicht über eine intentio im eigentlichen Sinne.9 Stattdessen gebe sie als Grund der Verurteilung die Nichtbefolgung eines richterlichen Vorlagebefehls und außerdem die Vindikationsabsicht des Klägers als Anlass an, aus dem die Vorlage begehrt wird.10 Auch Lenel nimmt an, die Klageformel verweise auf eine geplante Vindikation im Rahmen einer demonstratio;11 der Besitz und der arglistige Besitzverlust des Beklagten seien aber als alternative Merkmale der Passivlegitimation im Rahmen 1

Pal. 718 = D 10.4.1. Pal. 719 = D 10.4.3pr–14. 3 D 10.4.3.9–12 Ulp. 4 Pal. 720 = D 10.4.3.15 + D 10.4.5 + 10.4.7. 5 Pal. 721 = D 10.4.9pr–4 Ulp. 6 Pal. 722 = D 10.4.9.5–8 + D 10.4.11pr–1. Einen Fremdkörper bildet D 10.4.11.2, wo es wieder um die Frage des Besitzes geht. 7 Demelius, S. 12 ff. 8 Demelius, S. 16 ff. 9 Demelius, S. 25 ff. 10 Demelius, S. 31 ff. 11 Lenel, EP, S. 223 ff. 2

8

Einleitung

einer auf quidquid gestellten intentio incerta aufgeführt.12 Diese nenne auch die Vorlegung als Gegenstand eines persönlichen ,oportere‘ des Beklagten.13 Keine demonstratio oder intentio incerta, sondern eine gewöhnliche intentio vermutet Kaser. Im Gegensatz zu Lenel und Demelius nimmt er auch nicht an, dass das vom Kläger angestrebte Hauptverfahren in der Formel genannt sei; vielmehr sei die Aktivlegitimation abschließend durch die Erwähnung des zivilrechtlichen oportere beschrieben.14 Daneben führe die intentio noch Besitz und arglistigen Besitzverlust des Beklagten auf.15 Auch Marrone hält die Vorlegungsklage für eine actio civilis,16 glaubt aber nicht, dass sie eine actio in personam sei17 und an ein ,oportere‘ des Beklagten anknüpfe. Stattdessen rechnet er ähnlich wie Demelius mit einer demonstratio, in der die Eigentumsbehauptung des Klägers in Gestalt von ,suum esse ait‘ erscheine.18 Im Gegensatz zu Demelius nimmt Marrone aber an, die Formel besitze eine intentio, die den Besitz des Klägers und seine arglistige Aufgabe als alternative Verurteilungsvoraussetzungen nenne.19 Völlig anders ist dagegen die Rekonstruktion von Burillo, der den zivilrechtlichen Charakter der Klage in Abrede stellt und glaubt, sie sei in factum konzipiert.20 Zur Verurteilungsvoraussetzung habe sie in ihrer intentio das Interesse des Klägers an der Vorlage21 sowie bestimmt, dass diese infolge des dolus des Beklagten unterblieben sei.22 Die Versuche einer Wiederherstellung des genauen Wortlauts der Klageformel erweisen sich als müßig, wenn man den Entstehungskontext der ulpianischen Kommentierung in Rechnung stellt. Zur Wirkungszeit des Spätklassikers ist der Formularprozess schon teilweise, wenn nicht gar weitgehend, vom Kognitionsverfahren verdrängt; und die veralteten Prozessformeln spiegeln allenfalls bei speziellen Verfahren, die kaum die Aufmerksamkeit der Wissenschaft gefunden haben, noch wider, was als Recht gilt. Zwar muss sich Ulpian, wenn er das prätorische Edikt als Prätext bearbeitet, zwangsläufig an dessen Vorgaben orientieren. Die Klageformeln machen jedoch nicht den intellektuellen Horizont des Spätklassikers aus, der das prätorische Edikt wegen der Überwindung des Formularprozesses in weiten Teilen nur mehr als Mittel zur Stoffanordnung nutzt. 12

Lenel, EP, S. 221. Lenel, EP, S. 222, 224. 14 Kaser, RIDA 14 (1967) 276 ff., 290 ff. Ebenso Pennitz, S. 272. 15 Kaser, RIDA 14 (1967) 295 ff. 16 Marrone, S. 623. 17 Marrone, S. 634. 18 Marrone, S. 637 ff., 646 f. 19 Marrone, S. 641 ff. Eine solche intentio hat vorher schon Krüger, Das summatim cognoscere und das klassische Recht, SZ 45 (1925) 39, 66 angenommen, der jedoch nicht von einer demonstratio ausgeht. 20 Burillo, SDHI 26 (1960) 197 ff., 204 f. 21 Burillo, SDHI 26 (1960) 239 f. 22 Burillo, SDHI 26 (1960) 281. 13

Einleitung

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Auf der Basis unserer Quellen muss es Spekulation bleiben, ob und wie die Aktivlegitimation des Klägers in der Formel der actio ad exhibendum zum Ausdruck kommt. Kaum zu leugnen ist angesichts des Aufbaus der ulpianischen Kommentierung allerdings, dass die Passivlegitimation in der Formel durch die Alternative von Besitz und arglistigem Besitzverlust gekennzeichnet sein muss.23 Außerdem wissen wir aus den Institutionen Justinians, dass die Klage als formula arbitraria dem Richter aufgibt, den Beklagten vor der Verurteilung zur Vorlage der Sache aufzufordern;24 und dem gaianischen Original der Institutionen können wir entnehmen, dass die Verurteilung zu ,quanti ea res erit‘ erfolgt25. Beide Merkmale hat die actio ad exhibendum mit den dinglichen Klagen gemein. Dass diese Ähnlichkeit kein Zufall ist, wird die Untersuchung des Anwendungsbereichs der Klage ergeben, der sich im Wesentlichen auf die Behauptung eines dinglichen Rechts beschränkt. Ist das Einsatzgebiet der Vorlegungsklage bestimmt, gilt es die in der modernen Forschung heftig umstrittene Frage zu klären, wie das institutionelle Verhältnis zu dem Hauptverfahren ist, für das die Vorlegung verlangt wird. Auch die Antwort auf diese Frage eröffnet aber noch nicht den Zugang zum Verständnis des Rechtsinstituts selbst. Um es gültig zu deuten, bedarf es einer Untersuchung der Wirkungsweise der Klage und ihres Zusammenspiels mit der maßgeblichen Verurteilungsvoraussetzung.

23 24 25

So auch González Roldán, S. 79. IJ 4.6.31, s. u. S. 35. Gai 4.51; s. u. S. 34 f.

§ 1 Anwendungsbereich I. Behauptung eines dinglichen Rechts 1. Eigentum an beweglichen Sachen Obwohl sie actio in personam und damit auf die Durchsetzung einer Verpflichtung des Beklagten gerichtet ist, knüpft die Vorlegungsklage doch regelmäßig an die Geltendmachung eines dinglichen Rechts und insbesondere des Eigentums an. Dies deutet Ulpian gleich schon in der Laudation zu Beginn seiner Kommentierung der einschlägigen Klageverheißung im prätorischen Edikt an, in der er außer der praktischen Bedeutung auch den Bezug zur Vindikation herausstellt: D 10.4.1 Ulp 24 ed Haec actio perquam necessaria est et vis eius in usu cottidiano est et maxime propter vindicationes inducta est. Diese Klage ist sehr notwendig, im täglichen Rechtsleben wirksam und vor allem wegen der Vindikation eingeführt worden.

Wir wissen nicht, ob Ulpian, wenn er die Vindikation als wesentlichen Grund für die Existenz der Vorlegungsklage benennt, die Absicht ihres Schöpfers oder deren Funktion im Rechtsleben seiner Zeit im Sinne hat. Seine Wortwahl legt zwar nahe, dass er sich auf die Entstehung des Rechtsinstituts bezieht; von der Einführung der Klage kann er aber ebenso gut im übertragenen Sinne sprechen und damit nur konkretisieren, worin die zuvor behauptete Bedeutung der Klage in der Rechtspraxis besteht. Schon aus dem Begriff der exhibitio folgt, dass diese nur bei beweglichen Sachen stattfinden und gefordert werden kann. Dies ist so selbstverständlich, dass Ulpian es bloß außerhalb seiner Kommentierung des einschlägigen Edikts in einem Fragment erwähnt, das der Reichweite des Mandats eines Prozessvertreters gilt: D 3.3.56 Ulp 66 ed Ad rem mobilem petendam datus procurator ad exhibendum recte aget. Ein Prozessvertreter, der zur Forderung einer beweglichen Sache bestellt ist, klagt zu Recht auf Vorlegung.

Im Zusammenhang mit dem Streit über eine Immobilie erscheint die actio ad exhibendum lediglich an einer Stelle, wo ihr Gegenstand aber ersichtlich nicht das erwähnte Grundstück sein muss:

I. Behauptung eines dinglichen Rechts

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D 10.4.8 Iul 9 dig Si ad exhibendum actum est cum eo, qui neque possidebat neque dolo malo fecerat quo minus possideret, deinde eo defuncto heres eius possidet rem, exhibere eam cogendus erit. nam si fundum vel hominem petiero et heres ex eadem causa possidere coeperit, restituere cogitur. Ist jemand, der eine Sache weder besaß noch sich ihrer arglistig begeben hat, auf Vorlegung verklagt worden und hat nach seinem Tod sein Erbe begonnen, die Sache zu besitzen, wird er gezwungen, sie vorzulegen. Denn auch wenn ich ein Grundstück oder einen Sklaven gefordert habe und der Erbe aus demselben Grund den Besitz erworben hat, wird er zur Herausgabe gezwungen.

Julian befasst sich mit der Frage, ob die actio ad exhibendum gegenüber einem Erben verbraucht ist, wenn der Kläger sie bereits erfolglos gegen den Erblasser angestellt hat. Julian verneint dies, weil der Erbe durch seinen eigenen Besitz selbst passivlegitimiert ist. Lediglich im Rahmen eines Vergleichsfalls erwähnt Julian ein Grundstück und alternativ auch einen Sklaven: Seien diese schon ohne Erfolg vom Erblasser herausverlangt worden, schließe dies nicht aus, dass der Erbe als Besitzer erneut auf Herausgabe in Anspruch genommen werde. Im Vergleichsfall geht es also um eine Vindikation, von der Julian auf die Rechtslage bei der actio ad exhibendum schließt: So wie der Erbe aufgrund seines eigenen Besitzes zur Herausgabe verpflichtet ist, muss er sich auch gefallen lassen, mit der Vorlegungsklage belangt zu werden, ohne auf die frühere Klage gegen den Erblasser verweisen zu können.26 Dieser Schluss betrifft allein den Besitz als materielle Verurteilungsvoraussetzung und nicht sein Objekt, das nur für den Fall der rei vindicatio näher als ein Sklave oder Grundstück bestimmt ist.27 2. Pfandrecht und Nießbrauch Die eigens gemachte Einschränkung, die Vorlegungsklage sei „hauptsächlich“ (,maxime‘) um der Vindikation willen geschaffen worden, greift Ulpian im Fortgang seiner Kommentierung auf. Er betont, dass es neben der Eigentumsherausgabeklage zahlreiche weitere Anknüpfungspunkte für die actio ad exhibendum gibt: D 10.4.3.1 Ulp 24 ed Qui ad exhibendum agit, non utique dominum se dicit nec debet ostendere, cum multae sint causae ad exhibendum agendi. Wer auf Vorlegung klagt, braucht nicht unbedingt zu behaupten, Eigentümer zu sein, und muss dies auch nicht dartun, da es viele Gründe für die Klage auf Vorlegung gibt. 26

Vgl. Harke, Argumenta Iuventiana – argumenta Salviana, Berlin 2012, S. 210 f. Insoweit richtig Marrone, S. 509 f. und Burillo, SDHI 26 (1960) 232 gegen die ältere Ansicht von Bossowski, De actione ad exhibendum, Bull. Acad. Pol. des sciences et de lettres, Krakau 1927, S. 180, 190. Ähnlich González Roldán, S. 97 f., der freilich annimmt, es sei die hereditatis petitio gemeint. Entgegen Marrone lässt sich dem Text auch nichts für die Identität des Klageziels von actio ad exhibendum und rei vindicatio entnehmen. 27

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§ 1 Anwendungsbereich

Den Eindruck, den diese sehr weite Formel macht, korrigiert Ulpian aber umgehend, indem er die Klage denjenigen zugesteht, die sich eines dinglichen Anspruchs berühmen: D 10.4.3.3 Ulp 24 ed Est autem personalis haec actio et ei competit qui in rem acturus est qualicumque in rem actione, etiam pigneraticia Serviana sive hypothecaria, quae creditoribus competunt. Diese Klage ist persönlich und steht demjenigen zu, der irgendeine dingliche Klage erheben will, auch die servianische Klage wegen eines Faust- oder besitzlosen Pfandes, die den Gläubigern zusteht.

Zwar soll die Erwähnung des ,in rem acturus‘ die Aktivlegitimation nicht umfassend beschreiben, sondern in erster Linie einen Kontrast zur Einordnung der Vorlegungsklage als actio personalis schaffen. Nichtsdestoweniger scheint mit den dinglichen Klagen der Anwendungsbereich der actio ad exhibendum im Wesentlichen erschöpft. Denn Ulpian nennt als weiteren potentiellen Anspruchsinhaber, der nicht zur rei vindicatio im eigentlichen Sinne zugelassen ist, den Pfandgläubiger,28 der mit der actio Serviana eine der Vindikation nachgebildete Klage geltend machen kann.29 Hinzu kommt ein Nießbraucher, dem eine weitere Abwandlung der Vindikation zusteht: D 10.4.3.4 Ulp 24 ed Sed et usum fructum petituro competere ad exhibendum Pomponius ait. Aber Pomponius schreibt, die Vorlegungsklage stehe auch demjenigen zu, der einen Nießbrauch geltend macht.

Dass der Spätklassiker anders als beim Pfandrecht ein Zitat Pomponius’ bemüht, zeigt, dass Ulpian die Gewährung der actio ad exhibendum hier für besonders begründungsbedürftig hält.30 Der Grund kann nur darin liegen, dass ein Nießbraucher, wenn er bereits über die Sache verfügt, eine andere Besitzstellung innehat als ein Pfandgläubiger. Dieser ist regelrechter Besitzer der Sache und beschränkt den Verpfänder auf eine ,possessio ad usucapionem‘;31 daher ist er auch ohne Weiteres zur Vorlegungsklage passivlegitimiert.32 Dagegen ist ein Nießbraucher nicht Besitzer im eigentlichen Sinn, sondern vermittelt diese Position, wenn er die Sache tatsächlich innehat, an den Eigenbesitzer, von dem er sein Recht ableitet. Dies führt dazu, dass er, wenn er selbst auf Vorlegung in An28 Ihm wird die actio ad exhibendum auch in D 20.1.27pr Marcell 5 dig zugestanden; s. u. S. 113 f. 29 Dass dies erst das Produkt einer Interpolation des ursprünglich nur auf den Eigentümer bezogenen Textes ist, glaubt Marrone, S. 197 ff. 30 Marrone, S. 205 f. glaubt sogar, Pomponius habe diese Frage selbst als umstritten dargestellt. 31 Zu dieser und anderen Arten der Besitzteilung Harke, Precarium. Besitzvertrag im römischen Recht, Berlin 2016, S. 90 ff. 32 D 41.3.16 Iav 4 ex Plaut; s. u. S. 74 f.

I. Behauptung eines dinglichen Rechts

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spruch genommen wird, dem Kläger zur Vermeidung seiner Verurteilung ungeachtet seiner eigenen Nutzungsbefugnis die Sache nicht nur vorlegen, sondern ihm den Besitz verschaffen muss:33 D 10.4.5.1 Ulp 24 ed Iulianus autem ita scribit ad exhibendum actione teneri eum, qui rerum vel legatorum servandorum causa in possessione sit, sed et eum, qui usus fructus nomine rem teneat, quamvis nec hic utique possideat. inde Iulianus quaerit, quatenus hos oporteat exhibere: et ait priorem quidem sic, ut actor possessionem habeat, is autem cum quo agetur rei servandae causa sit in possessione: eum vero qui usum fructum habeat sic, ut actor rem possideat, is cum quo agetur utatur fruatur. Julian schreibt aber, mit der Vorlegungsklage hafte, wer zur Sicherheit wegen einer Forderung oder eines Vermächtnisses in den Besitz eingewiesen ist, und auch, wer eine Sache wegen eines Nießbrauchs innehat, obwohl auch er keineswegs besitzt. Deshalb fragt Julian, auf welche Weise sie vorlegen müssen; und er schreibt, der erste so, dass der Kläger den Besitz habe, der Beklagte aber sicherungshalber in den Besitz eingewiesen bleibe, wer den Nießbrauch innehat, dagegen so, dass der Kläger die Sache besitzt, der Beklagte sie dagegen nutzen kann.

Ist der Nießbraucher dem Eigenbesitzer derart nachgeordnet, drängt sich durchaus die Frage auf, ob er sich seinerseits überhaupt der Vorlegungsklage bedienen kann. Die positive Antwort ergibt sich aus der Zuständigkeit der actio in rem: Kann der Nießbraucher sein Recht auf dieselbe Weise verfolgen wie ein Eigentümer, lässt sich ihm auch nicht absprechen, die an das dingliche Recht geknüpfte persönliche Klage auf Vorlegung zu erheben. Folglich haftet ihm auch der Eigentümer, wenn dieser einen mit einem Nießbrauch belasteten Sklaven getötet und sich so arglistig der Möglichkeit zur Vorführung begeben hat. Die actio ad exhibendum ist hier neben einer zweckdienlichen Klage nach dem Vorbild der lex Aquilia34 zuständig und verdrängt die subsidiäre Haftung mit der actio de dolo: D 4.3.7.4 Ulp 11 ed Si servum usurarium proprietarius occidit, legis Aquiliae actioni et ad exhibendum accedit, si possidens proprietarius occidit, ideoque cessat de dolo actio Hat ein Eigentümer einen Sklaven getötet, an dem ein Nießbrauch besteht, kommt zur Klage aus dem aquilischen Gesetz noch die Klage auf Vorlegung hinzu, wenn der Eigentümer ihn getötet hat, als er ihn besaß; und daher fällt die Arglistklage weg.

Wie Ulpian im weiteren Verlauf seiner Kommentierung des Edikts über die actio ad exhibendum berichtet, hat sich Pomponius, den er als Autorität für die Gewährung der Klage zugunsten eines Nießbrauchers anführt, auch mit einer Konsequenz befasst, die einen Einwand bedeuten könnte: Ist der Nießbraucher 33

Hierzu s. u. S. 67. Vgl. D 7.1.17.3 Ulp 18 ed und D 9.2.11.10 Ulp 18 ed und hierzu Harke, Actio utilis. Anspruchsanalogie im römischen Recht, Berlin 2016, S. 87. 34

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§ 1 Anwendungsbereich

aktivlegitimiert, kann es sein, dass dieselbe Klage zur selben Zeit zwei verschiedenen Personen aus unterschiedlichen Gründen zusteht. Hierin unterscheidet sich der Nießbrauch jedoch wiederum nicht von einem Pfandrecht, das ebenfalls zu einer Verdopplung der Aktivlegitimation sorgt. Dementsprechend kann sie sich auch weiter vervielfachen: D 10.4.3.12 Ulp 24 ed Pomponius scribit eiusdem hominis nomine recte plures ad exhibendum agere posse: forte si homo primi sit, secundi in eo usus fructus sit, tertius possessionem suam contendat, quartus pigneratum sibi eum adfirmet: omnibus igitur ad exhibendum actio competit, quia omnium interest exhiberi hominem. Pomponius schreibt, es könnten wegen desselben Sklaven mehrere die Vorlegungsklage erheben; wie zum Beispiel, wenn der Sklave dem Ersten gehört, dem Zweiten ein Nießbrauch an ihm zusteht, der Dritte seinen Besitz geltend macht, der Vierte behauptet, er sei ihm verpfändet; allen steht daher die Vorlegungsklage zu, weil alle ein Interesse an der Vorlegung des Sklaven haben.

3. Interdiktenbesitz Die als vierter Fall neben Eigentum, Pfandrecht und Nießbrauch genannte Berufung auf den Besitz könnte sich auf die actio Publiciana beziehen,35 die als actio in rem in einer Reihe mit rei vindicatio, actio Serviana und vindicatio usus fructus steht. Dagegen spricht freilich, dass diese Klage sonst nirgends als Anknüpfungspunkt der Vorlegungsklage erwähnt wird und der durch sie geschützte Ersitzungsbesitzer durchaus von der Bezeichnung für den Eigentümer (,si homo primi sit‘) umfasst ist. Wahrscheinlicher ist daher, dass Pomponius einen Besitzer meint, der sich eines Interdikts, insbesondere des interdictum UTRUBI, bedienen will.36 Ihn hat Ulpian zuvor auch eigens als potentiellen Inhaber des Vorlegungsanspruchs aufgeführt:37 D 10.4.3.5 Ulp 24 ed Sed et si quis interdicturus rem exhiberi desideret, audietur. Aber es soll auch gehört werden, wer die Vorlage einer Sache begehrt, weil er ein Interdikt erwirken will.

Mit denen, die eine actio in rem anstrengen wollen, verbindet den Interdiktenkläger, dass er sich eines Rechts bedienen möchte, das der Innehabung der Sache entspringt. Anders als bei der Behauptung des Eigentums ist aber in dem Fall, dass sich der Kläger auf seinen bloßen Besitz beruft, eine gewisse Zurückhaltung angebracht, damit die actio ad exhibendum nicht auch jemandem zugutekommt, dessen Besitzschutz am Einwand ihres fehlerhaften Besitzes scheitern würde. Im

35 36 37

Dies glaubt Marrone, S. 220 f. Dies nimmt auch Demelius, S. 136 an. Marrone, S. 226 ff. muss diesen Text folglich für interpoliert erklären.

II. Obligatorische Ansprüche?

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Anschluss an Neraz fordert Ulpian vom Richter daher eine Prüfung, ob der Vorlegungsklage eine ,iusta et probabilis causa‘ zugrunde liegt:38 D 10.4.3.11 Ulp 24 ed Si mecum fuerit actum ad exhibendum, ego ob hoc, quod conventus sum ad exhibendum actione, agere ad exhibendum non possum, quamvis videatur interesse mea ob hoc, quod teneor ad restituendum. sed hoc non sufficit: alioquin et qui dolo fecit quo minus possideret poterit ad exhibendum agere, cum neque vindicaturus neque interdicturus sit, et fur vel raptor poterit: quod nequaquam verum est. eleganter igitur definit Neratius iudicem ad exhibendum hactenus cognoscere, an iustam et probabilem causam habeat actionis, propter quam exhiberi sibi desideret. Wird gegen mich auf Vorlegung geklagt, kann ich deshalb, weil ich auf Vorlegung belangt werde, nicht auf Vorlegung klagen, obwohl ich deshalb ein Interesse daran habe, weil ich auf Herausgabe hafte. Aber dies genügt nicht: andernfalls könnte auch derjenige, der arglistig bewirkt hat, dass er nicht mehr besitzt, auf Vorlegung klagen, obwohl er weder vindizieren noch ein Interdikt erwirken kann, und auch ein Dieb oder Räuber könnte es, was keineswegs richtig ist. Daher hat Neraz treffend gesagt, ein Richter müsse bei der Klage auf Vorlegung prüfen, ob der Kläger für seine Klage einen rechtmäßigen und zu billigenden Grund habe, aus dem er die Vorlegung für sich begehrt.

Ulpian beginnt mit einem Absurditätsargument,39 indem er die actio ad exhibendum demjenigen verwehrt, der just mit dieser Klage wegen seiner arglistigen Besitzaufgabe in Anspruch genommen wird. Obwohl er im landläufigen Sinn ein Interesse an der Vorlegung hat, kann er diese doch selbstverständlich nicht verlangen, weil sein Interesse nicht schutzwürdig ist. Die folgenden Beispiele des fur und des raptor zeigen, dass es beim unfreiwilligen Besitzverlust um die Fälle eines clam oder vi erlangten Besitzes geht. Zwar begründet diese Art des Besitzerwerbs eigentlich bloß eine Einrede gegen den Besitzschutzanspruch, der erst im Interdiktenverfahren nachgegangen werden dürfte. Die Gefahr, die von Dieben und Räubern auch schon im Fall bloßer Vorlegung ausgeht, ist jedoch zu groß, als dass sie unberücksichtigt bleiben könnte.

II. Obligatorische Ansprüche? Kommt die actio ad exhibendum, wie Ulpian betont, auch dann nicht in Betracht, wenn der Kläger lediglich einem Dritten zur Herausgabe verpflichtet ist, heißt dies, dass ein bloßes Vermögensinteresse nicht genügt. Dies gilt sogar in dem Fall, dass der Kläger einen schuldrechtlichen Anspruch auf die umstrittene Sache hat. Zwar gibt es einige Texte, in denen dieser neben der Vorlegungsklage

38 Während Burillo, SDHI 26 (1960) 249 hier die Erwähnung des Interdikts verdächtigt, nimmt Marrone, S. 271 an, es sei ursprünglich um die cognitio des Prätors und nicht die Beurteilung durch den iudex gegangen. 39 Richtig González Roldán, S. 139 ff.

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§ 1 Anwendungsbereich

erwähnt wird oder zumindest denkbar ist. Die gewährte actio ad exhibendum lässt sich jedoch stets auf die Behauptung eines dinglichen Rechts zurückführen. 1. Kaufvertrag Ein Fall, in dem die actio ad exhibendum mit der Klage aus einem Kaufvertrag zusammentrifft, ist der von Julian beurteilte Streit unter Käufer und Verkäufer über die Ausbeute eines verkauften Grundstücks: D 10.4.5.2 Ulp 24 ed Idem Iulianus scribit emptorem, qui ruta caesa non restituit, ad exhibendum teneri in quantum in litem iuravero: sed ibi adicit, si emptor possideat aut dolo fecit quo minus possideat. Julian schreibt auch, ein Käufer, der nicht herausgibt, was auf dem verkauften Grundstück ausgegraben oder gefällt worden ist, hafte mit der Vorlegungsklage auf den Betrag, den ich im Verfahren beschworen habe, aber nur, wie er dort hinzufügt, wenn der Käufer sie besitzt oder vorsätzlich bewirkt hat, dass er sie nicht besitzt.

Ausweislich des principium, mit dem dieses Fragment beginnt,40 ist das Thema, dem Ulpian diesen Abschnitt seines Kommentars widmet, die Passivlegitimation zur Vorlegungsklage. Sie ist nicht nur bei einer possessio civilis des Beklagten, sondern schon dann gegeben, wenn er die bloße facultas exhibendi hat. Dies zu illustrieren ist auch die Aufgabe der Fälle, die Ulpian im Folgenden anführt. Hier geht es zunächst um ein Floß, das infolge einer Flut auf ein fremdes Grundstück getrieben worden ist. Dessen Eigentümer kann die durch bloße Naturgewalt erlangte Sache schwerlich als eigene beanspruchen; er macht die Herausgabe denn auch nur von einer Sicherheitsleistung wegen etwaiger Schäden auf seinem Grundstück abhängig, die der von Ulpian zitierte Neraz ihm sogleich zugesteht:41 D 10.4.5.4 Ulp 24 ed Sed et si ratis delata sit vi fluminis in agrum alterius, posse eum conveniri ad exhibendum Neratius scribit. unde quaerit Neratius, utrum de futuro dumtaxat damno an et de praeterito domino agri cavendum sit, et ait etiam de praeterito caveri oportere. Neraz schreibt, dass auch dann, wenn ein Floß durch die Gewalt des Flusses auf das Grundstück eines anderen getrieben worden ist, dieser mit der Vorlegungsklage be40

S. u. S. 73 f. Hierauf beschränkt sich Ulpian an anderer Stelle, wo er sich des Zitats von Neraz ebenfalls bedient; vgl. D 39.2.9.3 Ulp 53 ed: Neratius autem scribit, si ratis in agrum meum vi fluminis delata sit, non aliter tibi potestatem tollendi faciendam, quam si de praeterito quoque damno mihi cavisses. („Neraz schreibt aber, dass wenn ein Floß durch die Gewalt des Flusses auf mein Grundstück getrieben worden ist, dir seine Entfernung nur dann zu gestatten ist, wenn du mir wegen des bereits entstandenen Schadens Sicherheit leistest.“) Das Original ist in wohl verkürzter Form und unter dem Namen von Nerva ebenfalls überliefert; vgl. D 47.9.8 Nerv 2 resp: Ratis vi fluminis in agrum meum delatae non aliter potestatem tibi faciendam, quam si de praeterito quoque damno mihi cavisses. 41

II. Obligatorische Ansprüche?

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langt werden könne. Hier fragt Neraz, ob dem Eigentümer nur wegen des früheren, sondern auch wegen des bereits entstandenen Schadens Sicherheit zu leisten sei, und er schreibt, es müsse auch wegen des entstandenen Schadens Sicherheit geleistet werden.

Ganz ähnlich ist der weitere Fall, in dem Gebäudeteile auf ein Nachbargrundstück gefallen sind und ebenfalls mit der actio ad exhibendum herausverlangt werden. Auch hier kommt ein Eigenbesitz des Grundstückseigentümers keineswegs in Betracht, weshalb Ulpian ihm ausdrücklich den Besitz im eigentlichen Sinne abspricht:42 D 10.4.5.5 Ulp 24 ed Sed et si de ruina aliquid in tuam aream vel in tuas aedes deciderit, teneberis ad exhibendum, licet non possideas. Aber auch wenn beim Einsturz eines Gebäudes etwas auf dein Grundstück oder in dein Gebäude gefallen ist, haftest du auf Vorlegung, obwohl du nicht besitzt.

Betrachtet man den Rahmen, in dem der von Julian entschiedene Fall eines Kaufvertrags steht, wird klar: Auch der Käufer, der dem Verkäufer die Ausbeute des verkauften Grundstücks nicht überlassen will, beansprucht diese nicht etwa als Eigentümer.43 Statt sie aufgrund des Kaufvertrags innezuhaben, verfügt er rein tatsächlich hierüber, weil sie mit der Übergabe des Grundstücks in seine Sachherrschaft gelangt ist.44 Dass sie nicht vom Kaufvertrag umfasst ist, versteht sich bei einer Klausel, die ,ruta et caesa‘ von der Veräußerung ausnimmt, ohne Weiteres; es gilt aber auch, wenn der Kaufvertrag in dieser Frage schweigt, weil die Ausbeute, die der Verkäufer vorher gewonnen hat, nicht mehr zu der Kaufsache gehört. Daher hat sich schon Aquilius Gallus dafür ausgesprochen, dem Verkäufer deshalb die actio ad exhibendum zuzugestehen, sofern die Ausbeute nicht ausdrücklich mitverkauft ist: D 19.1.17.6 Ulp 32 ed Si ruta et caesa excipiantur in venditione, ea placuit esse ruta, quae eruta sunt, ut harena creta et similia: caesa ea esse, ut arbores caesas et carbones et his similia. Gallus autem Aquilius, cuius mela refert opinionem, recte ait frustra in lege venditionis de rutis et caesis contineri, quia, si non specialiter venierunt, ad exhibendum de his agi potest neque enim magis de materia caesa aut de caementis aut de harena cavendum est venditori quam de ceteris quae sunt pretiosiora.

42 Marrone, S. 317 f. meint, Ulpian habe ursprünglich vom fehlenden Besitzwillen gesprochen. 43 Anders zu Unrecht Demelius, S. 74, der glaubt, der Käufer verteidige sich mit der Behauptung, er halte die Ausbeute für mitverkauft. 44 Insoweit richtig Marrone, S. 308 f., der von einem Besitz ,corpore tantum‘ spricht, allerdings unnötigerweise den mit ,sed ibi‘ eingeleiteten Schluss für interpoliert erklärt; aus dem Zusammenhang, in dem dieser Text steht, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass Julian und Ulpian mit ,possidere‘ hier nicht den Besitz im eigentlichen Sinne, sondern die tatsächliche Sachherrschaft meinen. Gegen eine Interpolationsannahme auch González Roldán, S. 91.

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§ 1 Anwendungsbereich Ist von einem Verkauf ausgenommen, was ausgegraben oder geschlagen ist, dann gilt als ausgegraben, was ergraben worden ist, wie Sand, Kreide und Ähnliches, und als geschlagen, was an Bäumen gefällt oder an Kohle gehauen oder ähnlich geschlagen worden ist. Gallus Aquilius, dessen Ansicht Mela überliefert, meinte aber zu Recht, dass die Klausel über Ausgegrabenes und Geschlagenes unnötig aufgenommen werde, weil man ohne besondere Vereinbarung über ihren Verkauf aus diesem Grund auf Vorlegung klagen kann und sich ein Verkäufer wegen abgebauten Materials oder wegen gebrochener Steine oder wegen Sandes nicht stärker schützen müsse als wegen wertvoller Sachen.

Grundlage dieser Klage ist nicht der Kaufvertrag. Zwar könnte der Verkäufer den Käufer auch auf diesem Wege zur Überlassung der Ausbeute zwingen. Mangels ihrer Einbeziehung in den Kaufvertrag kann er ihre Herausgabe aber in erster Linie als Eigentümer mit der rei vindicatio verlangen; und an die Behauptung dieses Rechts knüpft auch der Vorlegungsanspruch an.45 Dasselbe gilt im umgekehrten Fall, dass ein Verkäufer dem Käufer die diesem zustehenden Früchte nicht überlassen will. Auch dieser Fall ist wiederum von Julian behandelt worden, dessen Entscheidung Justinians Kompilatoren im Original wiedergeben: D 19.1.25 Iul 54 dig Qui pendentem vindemiam emit, si uvam legere prohibeatur a venditore, adversus eum petentem pretium exceptione uti poterit ,si ea pecunia, qua de agitur, non pro ea re petitur, quae venit neque tradita est‘. ceterum post traditionem sive lectam uvam calcare sive mustum evehere prohibeatur, ad exhibendum vel iniuriarum agere poterit, quemadmodum si aliam quamlibet rem suam tollere prohibeatur. Hat jemand die Weinernte am Stock gekauft und wird vom Verkäufer an der Weinlese gehindert, kann er sich gegen diesen, wenn er den Kaufpreis fordert, mit dem Einwand verteidigen, der streitgegenständliche Kaufpreis werde für eine Sache gefordert, die verkauft, aber nicht übergeben worden ist. Wird der Käufer aber nach der Übergabe gehindert, die Trauben zu keltern oder den Most fortzuschaffen, kann er auf Vorlegung oder wegen Beleidigung klagen, und zwar ebenso, als ob er gehindert worden wäre, irgendeine andere ihm gehörige Sache fortzuschaffen.

Beim Verkauf einer Weinernte am Stock kann der Käufer seinen vertraglichen Anspruch auf Übergabe der Kaufsache dem Kaufpreisverlangen des Verkäufers entgegenhalten, falls dieser ihn schon an der Weinlese hindert.46 Stellt er sich erst später der Verarbeitung oder dem Abtransport der Ernte entgegen, kann der Käufer nicht mehr geltend machen, ihm sei die Kaufsache nicht übergeben worden. Da er mit der Weinlese schon Eigentümer des Ernteguts geworden ist, kann er sich gegenüber dem Verkäufer aber nun auf seine dingliche Rechtsstellung berufen. Die Behinderung des freien Umgangs mit seinem Eigentum stellt eine 45

Richtig Marrone, S. 307 f. Diese Einrede richtet sich vermutlich gegen einen Anspruch aus einer Stipulation, mit der die Zahlung des Kaufpreises eigens versprochen worden ist; vgl. Pennitz, Das periculum rei venditae, Wien u. a. 2000, S. 344 f. 46

II. Obligatorische Ansprüche?

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Beleidigung des Käufers dar, gegen die er sich mit der actio iniuriarum zur Wehr setzen darf;47 und für die Verfolgung der Kaufsachen selbst steht ihm die Vorlegungsklage zu Gebote.48 Dass die actio ad exhibendum an das beanspruchte Eigentum des Käufers anknüpft, sagt Pomponius anlässlich der Entscheidung eines gleichgelagerten Falles ausdrücklich: D 19.5.16pr Pomp 22 Sab Permisisti mihi cretam eximere de agro tuo ita, ut eum locum, unde exemissem, replerem: exemi nec repleo: quaesitum est, quam habeas actionem. sed certum est civilem actionem incerti competere: si autem vendidisti cretam, ex vendito ages. quod si post exemptionem cretae replevero nec patieris me cretam tollere tu, agam ad exhibendum, quia mea facta est, cum voluntate tua exempta sit. Du hast mir erlaubt, auf deinem Grundstück Kreide mit der Maßgabe abzubauen, dass ich den Raum, aus dem ich abgebaut habe, wieder auffülle; ich habe abgebaut, aber nicht aufgefüllt; es ist gefragt worden, welche Klage du hast. Aber es steht fest, dass eine zivilrechtliche Klage mit unbestimmtem Ziel zusteht; hast du die Kreide aber verkauft, kannst du aus dem Verkauf klagen. Habe ich aber nach dem Abbau der Kreide den Raum wiederaufgefüllt und verhinderst du, dass ich die Kreide entferne, kann ich auf Vorlegung klagen, weil die Kreide zu meinem Eigentum geworden ist, indem sie mit deinem Willen abgebaut worden ist.

Die Vereinbarung, mit der ein Grundstückseigentümer den Abbau von Kreide gestattet, kann sowohl ein Kauf- als auch ein unbenannter Vertrag sein, dessen Durchführung mit der actio praescriptis verbis erzwungen werden kann:49 Ist dem Abbauberechtigten lediglich die Wiederauffüllung des Grundstücks auferlegt, liegt ein unbenannter Vertrag vor, so dass der Grundstückseigentümer, wenn die Kreide schon gewonnen ist, nur mit der actio praescriptis verbis vorgehen kann. Soll der Abbau dagegen auch durch eine Vergütung in Geld entgolten werden, ist ein Kaufvertrag zustande gekommen, so dass die Klage, derer sich der Verkäufer wegen Verstoßes gegen die Nebenpflicht zur Wiederauffüllung bedienen muss, die actio venditi ist. Hält sich dagegen der Grundstückseigentümer nicht an die Abmachung und erlaubt seinem Vertragspartner nicht,50 die gewonnene Kreide abzutransportieren, erübrigt sich die Frage nach der Natur des abgeschlossenen Vertrags. Denn mit dem Abbau der Kreide hat der andere Teil das Eigentum an der Kreide erworben und kann folglich die actio ad exhibendum 47 Vgl. D 47.10.24 Ulp 15 ed. Für das Ergebnis einer Interpolation halten die Erwähnung der Injurienklage dagegen Marrone, S. 304 f. und Burillo, SDHI 26 (1960) 220. 48 Entgegen Marrone, S. 472 vermag ich hierin keinen direkten Beleg dafür zu sehen, dass exhibere als Ziel der Vorlegungsklage gleichbedeutend mit ,tollere pati‘ ist. 49 Diese Klage ist mit der actio civilis gemeint; vgl. etwa Burillo, SDHI 26 (1960) 198. 50 Anders als im Fall von D 10.4.5.2 lässt dies entgegen Marrone, S. 312 nicht den Schluss zu, der Besitz bestehe in einer rein tatsächlichen Sachherrschaft und sei nicht von Eigenbesitzwillen getragen.

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§ 1 Anwendungsbereich

erheben.51 Der schuldrechtliche Vertrag könnte sich auf diesen Anspruch allenfalls in Gestalt einer Einrede auswirken, die dem Grundstückseigentümer zustünde, falls das Grundstück nicht wiederaufgefüllt worden wäre. 2. Diebstahl Nicht auf einen schuldrechtlichen Anspruch bezogen ist die actio ad exhibendum entgegen dem ersten Anschein wohl auch in dem folgenden Fragment: D 10.4.12.2 Paul 26 ed Saepius ad exhibendum agenti, si ex eadem causa agat, obstaturam exceptionem Iulianus ait: novam autem causam intervenire, si is, qui vindicandi gratia egisset, post acceptum iudicium eam ab aliquo accepit, et ideo exceptionem ei non officere. denique si quis optandi gratia ad exhibendum egisset et post litem contestatam alterius testamento optio data sit, ad exhibendum agere potest. Julian zufolge stehe demjenigen, der mehrfach auf Vorlegung klagt, wenn er aus demselben Grund klagt, eine Einrede entgegen. Es sei aber ein neuer Grund, wenn derjenige, der zum Zwecke der Vindikation geklagt hatte, die Sache nach Prozessbegründung von einem anderen erworben hat, und deshalb stehe ihm die Einrede nicht entgegen. Dasselbe gilt, wenn gegenüber demjenigen, der die Diebstahlsklage erheben will und auf Vorlegung geklagt hat, erneut ein Diebstahl begangen worden ist. Schließlich kann auch jemand, wenn er zur Ausübung eines Wahlrechts auf Vorlegung geklagt hat und ihm nach der Streitbefestigung durch das Testament eines anderen das Wahlrecht erneut eingeräumt worden ist, auf Vorlegung klagen.

Der von Paulus zitierte Julian behandelt das Problem des Klageverbrauchs. Praktisch stellt es sich in erster Linie im Zusammenhang mit der Passivlegitimation. Hier kann durchaus fraglich sein, ob jemand, der mangels Vorlegungsmöglichkeit freigesprochen worden ist, nach späterem Besitzerwerb noch einmal belangt werden kann. Schon Sabinus und später auch Ulpian lassen die erneute Klage nicht an der exceptio rei iudicatae scheitern, weil der Sachbesitz, der die facultas exhibendi begründet, den Streitgegenstand ausmacht und nach der Art und Weise seines Erwerbs variiert: D 46.8.8pr Ven 15 stip Procurator ad exhibendum egit et adversarius absolutus est, quia non possidebat: at cum possessionem eiusdem rei nanctus esset, agit cum eo dominus ad exhibendum. Sabinus ait fideiussores non teneri, quoniam haec alia res sit: nam et si dominus egisset, mox, absoluto adversario quia non possideret, ex integro ageret, non obstaturam rei iudicatae exceptionem. Ein Vertreter hat auf Vorlegung geklagt, und der Gegner ist freigesprochen worden, weil er nicht besaß; als derselbe Beklagte den Besitz erneut erlangt, klagt der Geschäftsherr gegen ihn auf Vorlegung. Sabinus schreibt, die Bürgen hafteten nicht, weil es eine andere Rechtssache sei; denn auch wenn der Geschäftsherr geklagt hätte

51 Entgegen Marrone, S. 471 ist dem Text nicht ohne Weiteres zu entnehmen, dass die Vorlegung in einer Gestattung der Wegnahme besteht.

II. Obligatorische Ansprüche?

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und dann nach dem Freispruch des Gegners wegen fehlenden Besitzes bald erneut klagt, stehe nicht die Einrede der Rechtskraft entgegen. D 44.2.18 Ulp 80 ed Si quis ad exhibendum egerit, deinde absolutus fuerit adversarius, quia non possidebat, et dominus iterum agat nancto eo possessionem: rei iudicatae exceptio locum non habebit, quia alia res est. Hat jemand auf Vorlegung geklagt und ist der Gegner aus dem Grund freigesprochen worden, dass er nicht besitzt, und klagt der Eigentümer nach dem Besitzerwerb erneut, greift die Einrede der Rechtskraft nicht Platz, weil es eine andere Rechtssache ist.

Sowohl auf die Aktiv- als auch auf Passivlegitimation kann sich ein unter Severus Alexander ergangenes Reskript beziehen, in dem die Zulassung der weiteren Klage schlicht aus einer nicht näher spezifizierten commutatio litis abgeleitet wird: CJ 3.42.3 (a 223) Imp. Alexander A. Felicissimae. Neque ad exhibendum actio neque proprietatis vindicatio, si nunc competit, propterea perempta est, quod aliquando adversus te ad exhibendum actione aliter pronuntiatum est, quia commutatione litis alia res esse incipit. Kaiser Alexander an Felicissima. Weder die Vorlegungsklage noch die Vindikation des Eigentums ist, wenn sie nun zustehen, dadurch ausgeschlossen, dass früher gegen dich wegen der Vorlegungsklage anders entschieden worden ist, weil durch die Veränderung des Streits eine andere Sache vorliegt.

Allein der Aktivlegitimation gilt dagegen die Entscheidung Julians, der einen neuen Streitgegenstand ausmacht, wenn der Kläger geltend macht, er habe die Sache nach Erhebung der früheren Klage erneut auf andere Weise erworben. Da der Anspruch nicht mehr auf dasselbe Recht an der Sache gestützt wird, schadet es nicht, wenn die ältere Klage hieran gescheitert ist. Nur eine Variante dieses Falles bildet die dritte in D 10.4.12.2 behandelte Konstellation, in der sich der Begünstigte eines Wahlvermächtnisses52 darauf beruft, dass ihm die Auswahl und damit das Recht zur Vindikation einer von mehreren Sachen ein zweites Mal hinterlassen ist. Im gleichen Sinne lässt auch die dazwischen zu findende Aussage Paulus’ zum Fall eines erneuten Diebstahls verstehen. Voraussetzung ist, dass man den Relativsatz: ,qui furti acturus ad exhibendum egisset‘, so deutet, dass die Vorlegungsklage gerade mit Blick auf die actio furti erhoben wird; denn die Eigenschaft, Opfer eines Diebstahls geworden zu sein, betrifft die Aktivlegitimation zur actio furti. Da es sonst keine weiteren Zeugnisse für eine actio ad exhibendum in Anknüpfung an die Diebstahlsklage gibt, hat man den maßgeblichen Satz schon für interpoliert erklärt53 oder versucht, ihn auf Noxalklage54 zu bezie52 53 54

Hierzu s. u. S. 27 ff. So Marrone, S. 224. Hierzu s. u. S. 24 ff.

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§ 1 Anwendungsbereich

hen, zu deren Erhebung der Geschädigte die Vorführung des als Täter in Betracht kommenden Sklaven begehrt55. Beides ist unnötig, wenn man den Relativsatz nicht im Sinne einer Koppelung von Diebstahls- und Vorlegungsklage, sondern als Ausdruck ihrer Koinzidenz und Sachverhaltsbeschreibung versteht: Der Kläger wendet sich gegen den Beklagten unter Behauptung eines Diebstahls sowohl mit der Strafklage als auch mit der sachverfolgenden actio ad exhibendum. Dass letztere bereits einmal abgewiesen worden ist, bleibt dann unschädlich, wenn es nicht derselbe Diebstahl ist, den der Kläger schon einmal ins Feld geführt hat. Dies ist nicht nur für Verbrauch der actio furti, sondern auch für die sachverfolgende Klage relevant; denn die Entwendung der Sache stellt den behaupteten Erwerbsgrund für den Sachbesitz dar und begründet damit einen Unterschied im Streitgegenstand. Die Entscheidung gegen den Klageverbrauch bildet so durchaus eine Parallele zur Lösung der beiden anderen von Julian beurteilten Konstellationen; sie fällt nur nicht mit Blick auf die Aktiv-, sondern wegen einer Veränderung in der Passivlegitimation: So wie die Behauptung eines zweiten Rechtserwerbs ein neues Recht auf der Klägerseite schafft, löst der erneute Erwerb der Sachherrschaft eine weitere Vorlagepflicht des Beklagten aus. In dieser naheliegenden Deutung bildet Paulus’ Entscheidung aber keinen Beleg für die Gewährung einer actio ad exhibendum in Anknüpfung an ein Schuldverhältnis, sondern gilt lediglich dem gewöhnlichen Fall, dass der Kläger sich auf ein dingliches Recht an der vorzulegenden Sache beruft. Ebenfalls zum furtum zählt die Pfandkehr, der sich Pomponius in einem besonders gelagerten Fall widmet: Ein Schuldner täuscht seine Bereitschaft zur Erfüllung der gesicherten Forderung vor und bewegt den Gläubiger so zur Herausgabe der verpfändeten Sache, um diese dann rasch einem anderen zuzuwerfen, der sich mit ihr entfernt:56 D 13.7.3 Pomp 18 Sab Si quasi recepturus a debitore tuo comminus pecuniam reddidisti ei pignus isque per fenestram id misit excepturo eo, quem de industria ad id posuerit, Labeo ait furti te agere cum debitore posse et ad exhibendum: et, si agente te contraria pigneraticia excipiat debitor de pignore sibi reddito, replicabitur de dolo et fraude, per quam nec redditum, sed per fallaciam ablatum id intellegitur. Hast du deinem Schuldner ein Pfand in der Annahme zurückgegeben, im Gegenzug die geschuldete Summe zu erhalten, und hat der Schuldner es durch das Fenster geworfen, damit jemand, den er dort absichtlich postiert hat, es auffängt, kannst du, wie Labeo schreibt, mit der Diebstahls- und der Vorlegungsklage gegen den Schuldner vorgehen; und, wenn der Schuldner, falls du die Pfandklage erhebst, einwendet, ihm sei das Pfand zurückgegeben worden, kannst du zur Replik auf Arglist und Täuschung verweisen, weshalb es nicht als zurückgegeben, sondern als durch Täuschung entwendet gilt. 55

So Demelius, S. 149. Marrone, S. 426 unterstellt deshalb wohl nicht zu Unrecht, dass die Sache nun nicht mehr greifbar ist. 56

II. Obligatorische Ansprüche?

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Obwohl Pomponius die actio pigneraticia contraria des Gläubigers nur kraft der replicatio doli gewähren will, nimmt er doch nicht an, das dingliche Recht des Pfandgläubigers sei erloschen. Denn andernfalls könnte er sich nicht der Auffassung Labeos anschließen, der außer der Vorlegungsklage noch die actio furti gewähren will. Eine Bestrafung wegen Pfandkehr ist nur denkbar, wenn das Pfandrecht des Gläubigers im Moment der Entwendung noch bestanden hat. Folglich bildet es auch die Grundlage der actio ad exhibendum. 3. Kondiktion Auf einen Fall, in dem actio ad exhibendum und actio furti zusammentreffen, stoßen wir auch in einem Auszug aus Pomponius’ Sabinuskommentar; und hier ist explizit festgestellt, dass ein Schuldverhältnis nicht zur Grundlage der Vorlegungsklage taugt: D 12.4.15 Pomp 22 Sab Cum servus tuus in suspicionem furti Attio venisset, dedisti eum in quaestionem sub ea causa, ut, si id repertum in eo non esset, redderetur tibi: is eum tradidit praefecto vigilum quasi in facinore deprehensum: praefectus vigilum eum summo supplicio adfecit. ages cum Attio dare eum tibi oportere, quia et ante mortem dare tibi eum oportuerit. Labeo ait posse etiam ad exhibendum agi, quoniam fecerit quo minus exhiberet. sed Proculus dari oportere ita ait, si fecisses eius hominem, quo casu ad exhibendum agere te non posse: sed si tuus mansisset, etiam furti te acturum cum eo, quia re aliena ita sit usus, ut sciret se invito domino uti aut dominum si sciret prohibiturum esse. Als dein Sklave bei Attius in den Verdacht geraten war, einen Diebstahl begangen zu haben, hast du ihn zur Folter mit der Vereinbarung überlassen, dass er dir zurückgegeben werde, wenn sich der Verdacht gegen ihn nicht als begründet herausstellt; Attius hat ihn dem Präfekten für die nächtliche Sicherheit mit der Behauptung übergeben, er sei auf frischer Tat betroffen worden; der Präfekt hat die Todesstrafe an ihm vollzogen. Du kannst gegen Attius mit dem Ziel klagen, dass er ihn dir leisten muss, weil er ihn dir auch vor seinem Tod hätte leisten müssen. Labeo schreibt, es könne auch auf Vorlegung geklagt werden, weil er bewirkt habe, dass er nicht vorlegen könne. Aber Proculus schreibt, der Sklave müsse dann geleistet werden, wenn du ihn zu seinem Eigentum gemacht hast, in welchem Fall du nicht auf Vorlegung klagen könntest; aber wenn er dein Eigentum geblieben sei, könntest du auch wegen Diebstahls gegen ihn klagen, weil er eine fremde Sache in einer Weise gebraucht habe, von der er wusste, dass es gegen den Willen des Eigentümers geschah, oder dass der Eigentümer es verboten hätte, wenn er es gewusst hätte.

Der Eigentümer eines in den Verdacht des Diebstahls geratenen Sklaven hat diesen dem Opfer der angeblichen Tat zu deren Aufklärung überlassen. Statt sich hierum zu bemühen, hat dieser den Sklaven den Behörden als überführt übergehen und so seine Hinrichtung veranlasst.57 Unterlag der Sklave der Kondiktion, 57 Dass der Text weitgehend verändert worden ist und ursprünglich von einer fiducia handelte, glaubt Marrone, S. 428 f.

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§ 1 Anwendungsbereich

bleibt diese trotz des Todes des Sklaven erhalten. Zwar lässt sich daran zweifeln, ob die Verpflichtung deshalb der perpetuatio obligationis unterliegt, weil der Schuldner die Unmöglichkeit seiner Leistung schuldhaft herbeigeführt hat; denn er hat den Sklaven nicht selbst umgebracht, sondern seinen Tod nur mittelbar verursacht. Für Pomponius ergibt sich die Verewigung der Verpflichtung jedoch schon daraus, dass spätestens mit der abredewidrigen Überstellung des Sklaven an die Behörden Verzug eingetreten ist, woraus sich eine Zufallshaftung des Schuldners ergibt.58 Da in der Auslieferung des Sklaven eine vorsätzliche Besitzaufgabe liegt, hält der von Pomponius zitierte Labeo die actio ad exhibendum für einschlägig. Proculus weist die beiden Klagen zwei verschiedenen Fallvarianten zu: Entweder ist der Sklave schlicht übergeben worden; dann sind die Vorlegungsklage und daneben auch die actio furti zuständig, weil die abredewidrige Auslieferung an die Behörden eine Unterschlagung bedeutet.59 Oder der Sklave ist treuhänderisch übereignet worden; dann ist das angebliche Opfer des Sklavendelikts zur Rückübereignung mit der condictio verpflichtet und hieraus auch nach der schuldhaft bewirkten Unmöglichkeit der Leistung haftbar.60 Proculus betont, die actio ad exhibendum könne in diesem Fall gerade nicht angestrengt werden, weil sich der Kläger nicht auf sein fortbestehendes Eigentum an den Sklaven berufen kann. Unter den schuldrechtlichen Ansprüchen genügt also noch nicht einmal die condictio, obwohl sie ebenso wie die dingliche Herausgabeklage im ureigentlichen Sinne sachverfolgend ist, den Anforderungen, die an das vom Kläger im Exhibitionsverfahren zu behauptende Recht zu stellen sind.

III. Sonderfälle 1. Noxalhaftung Eine Ausnahme leidet die Regel, dass obligatorische Ansprüche nicht als Anknüpfungspunkt für die Vorlegungsklage taugen, offensichtlich im Fall der Noxalhaftung.61 Dass sie die Grundlage für einen Anspruch des Geschädigten auf Vorführung des mutmaßlichen Täters schafft, stellt Ulpian in seiner Aufzählung der möglichen Anwendungsfälle der actio ad exhibendum eindeutig fest:

58

Harke, Argumenta Pomponiana, Berlin 2014, S. 84 f. Entgegen González Roldán, S. 112 ist nicht anzunehmen, dass sich Proculus damit gegen die Auffassung von Labeo stellt; er stellt lediglich klar, was bei dem älteren Juristen noch nicht hinreichend zum Ausdruck kommt. 60 Dabei übersieht Proculus freilich, dass die Kondiktion unter diesen Umständen auch als condictio furtiva und damit neben der vindicatio zuständig ist. Proculus hat offenbar nur die Kondiktion im Sinn, mit der die Vereinbarung über den Umgang mit dem überlieferten Sklaven sanktioniert wird. 61 Dass die einschlägigen Quellen interpoliert sind, glauben Marrone 235 ff., 514 und Burillo, SDHI 26 (1960) 250. 59

III. Sonderfälle

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D 10.4.3.7 Ulp 24 ed Si quis noxali iudicio experiri velit, ad exhibendum ei actio est necessaria: quid enim si dominus quidem paratus sit defendere, actor vero destinare non possit nisi ex praesentibus, quia aut servum non recognoscit aut nomen non tenet? nonne aequum est ei familiam exhiberi, ut noxium servum adgnoscat? quod ex causa debet fieri ad designandum eum, cuius nomine noxali quis agit, recensitione servorum facta. Will jemand eine Noxalklage erheben, ist er auf die Vorlegungsklage angewiesen; was gilt nämlich, wenn der Eigentümer zur Verteidigung bereit, der Kläger den Täter aber nur unter Anwesenden ausmachen kann, weil er den Sklaven nicht kennt oder seinen Namen nicht weiß? Ist es nicht gerecht, dass ihm der ganze Haushalt vorgeführt wird, damit er den Sklaven bestimmt, der das Delikt begangen hat? Es muss dies daher im Einzelfall geschehen, damit nach Musterung der Sklaven derjenige bestimmt werden kann, dessenthalben der Kläger die Noxalklage erhebt.

Eines Appells an das Gerechtigkeitsgebot bedarf es aus Ulpians Sicht lediglich für die Annahme einer Pflicht zur Vorführung der gesamten familia, unter deren Mitgliedern der Kläger den Täter ausmachen will. Dass die Vorführung eines bestimmten Sklaven mit der actio ad exhibendum verlangt werden kann, ist für ihn selbstverständlich. Er erwähnt es auch beiläufig im Rahmen seiner Darstellung der Ladungsregeln, die auf einen Sklaven mangels Ladungsfähigkeit nicht anwendbar sind: D 2.7.3pr Ulp 5 ed Quod si servum quis exemit in ius vocatum, Pedius putat cessare edictum, quoniam non fuit persona, quae in ius vocari potuit. quid ergo? ad exhibendum erit agendum. Pedius glaubt, dass, wenn jemand einen vor Gericht geladenen Sklaven befreit, dieses Edikt keine Anwendung finde, weil es sich nicht um eine Person handelt, die vor Gericht geladen werden kann. Was gilt also? Es ist auf Vorführung zu klagen.

Außerdem gibt es zwei Aussagen, die einen Einsatz der actio ad exhibendum zum Zwecke einer kriminalrechtlichen Verfolgung von Sklaven bezeugen könnten. Nicht ganz eindeutig ist dabei ein Passus aus Ulpians liber regularum, mit dem der Digestentitel über die Vorlegungsklage schließt. Die Klage wird hier gewährt, um ein Verhör des Sklaven zu weiteren Beteiligten zu ermöglichen. Dieses kann sowohl der Durchführung eines Noxalverfahrens gegen die anderen Täter als auch deren Anklage im Strafverfahren dienen:62 D 10.4.20 Ulp 2 reg Quaestionis habendae causa ad exhibendum agitur ex delictis servorum ad [v]indicandos conscios suos. Bei Delikten von Sklaven kann auf Vorführung mit dem Ziel geklagt werden, dass sie verhört werden und ihre Mitwisser angeben.

62 Insoweit richtig Marrone, S. 259 f., der den Text aber nicht für ein Zeugnis des klassischen Rechts hält. Dagegen bezieht ihn Burillo, SDHI 26 (1960) 250 allein auf das Kriminalverfahren.

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§ 1 Anwendungsbereich

Eindeutig auf die Durchführung eines Strafverfahrens zielt dagegen die actio ad exhibendum, die von der kaiserlichen Kanzlei in einem unter Severus Alexander ergangenen Reskript gewährt wird:63 CJ 3.42.2 (a 222) Imp. Alexander A. Syro. Si criminis alicuius reus servus postulatur, per ad exhibendum actionem produci a domino, non celari debet. Kaiser Alexander an Syrus. Wird ein Sklave wegen irgendeines Verbrechens angeklagt, muss er vom Eigentümer im Wege der Vorlegungsklage vorgeführt und darf nicht versteckt werden.

Die Ausdehnung auf kriminalrechtliche Zwecke ist konsequent, kann das Opfer eines Sklavendelikts, wenn dies außer der Noxalhaftung auch eine Strafbarkeit des Täters begründet, doch zwischen Zivil- und Strafverfahren wählen. Dass die actio ad exhibendum überhaupt zur Verfolgung einer von einem Sklaven verübten Tat eingesetzt wird, verliert viel von seinem Ausnahmecharakter, wenn man die Eigenheiten der Noxalhaftung in Rechnung stellt.64 Zwar ist der Anspruch gegen den Eigentümer des Sklaven obligatorisch. Dass er sich seiner Verpflichtung durch Überlassung des Täters an den Geschädigten entledigen kann, gibt der Klage aber in gewisser Hinsicht das Gepräge eines dinglichen Anspruchs. Ebenso wie der mit einer rei vindicatio in Anspruch genommene Besitzer einer Sache braucht der Eigentümer eines Sklaven, dem ein Delikt vorgeworfen wird, sich nicht auf den Noxalprozess einzulassen. Er kann auch von einer Verteidigung absehen und muss dann nur hinnehmen, dass der Sklave dem Geschädigten überlassen wird: D 9.4.32 Call 2 ed mon Is qui in aliena potestate est si noxam commisisse dicatur, si non defendatur, ducitur: et si praesens est dominus, tradere eum et de dolo malo promittere debet. Wird von einem Gewaltunterworfenen behauptet, er habe ein Delikt begangen, wird er, falls er nicht verteidigt wird, weggeführt; und wenn der Eigentümer anwesend ist, muss er ihn übereignen und Sicherheit für Arglist leisten. D 9.4.33 Pomp 14 Sab Noxali iudicio invitus nemo cogitur alium defendere, sed carere debet eo quem non defendit, si servus est: quod si liber est qui in potestate sit, indistincte ipsi sui defensio danda est: Bei einer Noxalklage wird niemand gegen seinen Willen gezwungen, einen anderen zu verteidigen; sondern er muss seiner, wenn es ein Sklave ist, entbehren; ist der Gewaltunterworfene frei, ist ihm unbedingt selbst die Verteidigung zu überlassen:

63 Dies glauben auch Marrone, S. 258 und Burillo, SDHI 26 (1960) 250, die freilich von einer Interpolation des Textes ausgehen. 64 Demgegenüber schreibt Demelius, S. 146 die Gewährung der actio ad exhibendum einem „strafrechtlich-inquisitorischen Gesichtspunkt“ zu.

III. Sonderfälle

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Das Recht des Geschädigten ist damit gleichsam auf den Täter selbst gerichtet; und die Erfüllung der Noxalpflicht kommt eher einer Abwendungsbefugnis nahe, derer sich der Eigentümer zur Verhinderung des Zugriffs auf seinen Sklaven bedienen kann. 2. Wahlvermächtnisse Auf einen regelrecht dinglichen Anspruch lässt sich dagegen die Vorlagepflicht im Fall eines Wahlvermächtnisses zurückführen. Ulpian erwähnt sie in seinem Kommentar zur actio ad exhibendum, noch bevor er sich der Noxalhaftung zuwendet:65 D 10.4.3.6 Ulp 24 ad ed Item si optare velim servum vel quam aliam rem, cuius optio mihi relicta est, ad exhibendum me agere posse constat, ut exhibitis possim vindicare. Ebenso steht fest, dass ich, wenn ich einen Sklaven oder eine andere Sache auswählen will, die mir zur Wahl hinterlassen sind, auf Vorlegung klagen kann, damit ich aus den Vorgelegten vindizieren kann.

Das gedankliche Bindeglied zwischen Wahlvermächtnis und Noxalhaftung ist die Auswahlbefugnis des Klägers: Ebenso wie er bei einer Schädigung durch einen fremden Sklaven zu dessen Identifizierung die Vorführung der gesamten familia verlangen kann, ist er beim Wahlvermächtnis befugt, die Vorlage aller in Betracht kommender Gegenstände zu fordern, um sich unter diesen zu entscheiden. Auch wenn dies nur für das Vindikationslegat gilt, griffe es doch zu kurz, wenn man hier nur einen Anwendungsfall des Prinzips erkennt, dass eine Vorlegungsklage zur Durchsetzung eines dinglichen Rechts erhoben werden kann.66 Zwar eröffnet ein Vindikationslegat dem Begünstigten eine actio in rem, mit der er die vermachte Sache fordern kann. Die Vorlegungsklage beschränkt sich im Fall des Wahlvermächtnisses aber gerade nicht auf die Sache, die der Vermächtnisnehmer schließlich wählt und vindizieren kann; vielmehr erfasst sie auch die anderen potentiellen Objekte seiner Wahl, von denen erst im Nachhinein feststeht, dass sie dem Vermächtnisnehmer gerade nicht gehören.67 Insoweit kommt der Vorlegungsanspruch also ohne Behauptung eines dinglichen Rechts aus. Noch weiter zugespitzt ist die Situation, wenn die Auswahl nicht dem Legatar, sondern einem Dritten überlassen ist, ohne dessen Entscheidung der Vermächtnisnehmer überhaupt keine Vindikation anstellen kann. Der von Ulpian zitierte Julian führt diese Konstellation denn auch eigens als Beleg dafür an, dass der Vorlegungsanspruch zuweilen nicht mit einem dinglichen Herausgabeanspruch einhergeht:68 65

Einen Interpolationsverdacht äußert insoweit Marrone, S. 514. So aber Burillo, SDHI 26 (1960) 243. 67 Dies stellt zu Recht Demelius, S. 99 heraus. 68 Burillo, SDHI 26 (1960) 244 möchte der Aussage des Hochklassikers die Pointe nehmen, indem er ,vindicationem‘ durch ,optionem‘ ersetzen will. 66

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§ 1 Anwendungsbereich D 10.4.3.10 Ulp 24 ed Plus dicit Iulianus, etsi vindicationem non habeam, interim posse me agere ad exhibendum, quia mea interest exhiberi: ut puta si mihi servus legatus sit quem Titius optasset: agam enim ad exhibendum, quia mea interest exhiberi, ut Titius optet et sic vindicem, quamvis exhibitum ego optare non possim. Darüber hinaus sagt Julian, ich könne zuweilen auch dann, wenn ich nicht über die Vindikation verfüge, auf Vorlegung klagen, weil ich ein Interesse an der Vorlegung habe; wie zum Beispiel, wenn mir ein Sklave vermacht ist, den Titius auswählen soll; ich kann nämlich auf Vorlegung klagen, weil ich hieran ein Interesse habe, damit Titius auswählt und ich vindiziere, obwohl ich den vorgelegten Sklaven nicht auswählen könnte.

Indem Julian dies betont, bestätigt er zugleich die Regel, dass die actio ad exhibendum an die Behauptung eines dinglichen Rechts anknüpft. Ihre Auflockerung im Fall des Wahlvermächtnisses ist nur dessen Besonderheit geschuldet, eine actio in rem mit alternativem Gegenstand zu begründen. Keinem anderen Fall gilt D 33.6.2.1 Pomp 6 Sab Si centum amphorae quas velles tibi legatae sint, ex testamento agendo consequi potes, ut degustare tibi liceat: aut, quanti interfuerit licere tibi degustare, ad exhibendum agere potes. Sind dir hundert Amphoren nach deiner Wahl vermacht, kannst du mit der Klage aufgrund des Testaments erreichen, dass dir die Verkostung gestattet wird; oder du kannst auf Vorlegung und das Interesse an der Verkostung klagen.

Allerdings legt die Formulierung, der Kläger, dem 100 Amphoren seiner Wahl hinterlassen sind, klage aufgrund des Testaments (,ex testamento agendo‘), nahe, dass er die für schuldrechtliche Vermächtnisse einschlägige actio ex testamento anstrengt. Bedenkt man, dass der Text dann der einzige Beleg für eine Vorlegungsklage in Anknüpfung an einen schuldrechtlichen Leistungsanspruch wäre, spricht mehr dafür anzunehmen, dass sich Pomponius hier nicht technisch ausgedrückt, sondern ein Vindikationsvermächtnis mit Wahlbefugnis gemeint hat.69 3. „Geistiges Eigentum“ und Behauptung der Freiheit Einen Vorlegungsanspruch ohne Behauptung eines dinglichen Rechts gewährt Julian auch in einer weiteren Entscheidung, in der er die Zuständigkeit der actio ad exhibendum zwar vereint, sich aber für eine hieran anknüpfende actio in factum ausspricht: D 10.4.3.14 Ulp 24 ed Interdum aequitas exhibitionis efficit, ut, quamvis ad exhibendum agi non possit, in factum tamen actio detur, ut Iulianus tractat. servus, inquit, uxoris meae rationes 69 Anders Marrone, S. 212 f., der den Text durchaus auf das Damnationslegat beziehen will, aber die Erwähnung der actio ad exhibendum gerade für interpoliert erklärt.

III. Sonderfälle

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meas conscripsit: hae rationes a te possidentur: desidero eas exhiberi. ait Iulianus, si quidem mea charta scriptae sint, locum esse huic actioni, quia et vindicare eas possum: nam cum charta mea sit, et quod scriptum est meum est: sed si charta mea non fuit, quia vindicare non possum, nec ad exhibendum experiri: in factum igitur mihi actionem competere. Zuweilen bewirkt die in Vorlegungsfragen zu beachtende Gerechtigkeit, dass, obwohl nicht auf Vorlegung geklagt werden kann, dennoch eine Tatsachenklage gewährt wird, wie Julian dies darstellt. Ein Sklave meiner Ehefrau hat, wie er schreibt, meine Rechnungen geführt; diese Rechnungen werden von dir besessen; ich begehre ihre Vorlegung. Julian schreibt, dass, wenn das Papier mir gehört, diese Klage Platz greife, weil ich es vindizieren könnte; denn wenn das Papier mir gehört, gehört auch das Geschriebene mir; gehöre mir das Papier aber nicht, könne ich, da ich nicht vindizieren kann, auch nicht die Vorlegungsklage erheben; daher stehe mir eine Tatsachenklage zu.

Für eine Urkunde oder sonstiges Schriftstück gilt unabhängig vom Inhalt, dass die actio ad exhibendum allein demjenigen zusteht, der auch geltend machen kann, Eigentümer des Papiers zu sein. Aus diesem Grund kann die Vorlegung eines Testaments mit dieser Klage auch nur vom Erben erhoben werden, der Eigentümer der Nachlasssachen geworden ist: D 29.3.3 Gai 17 ed Ipsi tamen heredi vindicatio tabularum sicut ceterarum hereditariarum rerum competit et ob id ad exhibendum quoque agere potest. Dem Erben steht bei der Testamentsurkunde jedoch ebenso wie bei anderen Nachlasssachen die Vindikation zu, und er kann deshalb auch auf Vorlegung klagen.

Andere, die ein Interesse an der letztwilligen Verfügung haben, müssen sich des einschlägigen Interdikts ,de tabulis exhibendis‘ bedienen und sind nicht zur Vorlegungsklage zugelassen:70 D 10.4.3.8 Ulp 24 ed Si quis extra heredem tabulas testamenti vel codicillos vel quid aliud ad testamentum pertinens exhiberi velit, dicendum est per hanc actionem agendum non esse, cum sufficiunt sibi interdicta in hanc rem competentia: et ita Pomponius. Begehrt jemand, ohne Erbe zu sein, die Vorlage der Testamentsurkunde oder eines Kodizills oder einer anderen Urkunde, die sich auf das Testament bezieht, ist zu sagen, dass diese Klage nicht erhoben werden kann, weil ihm die hierfür zuständigen Interdikte genügen; und dies schreibt auch Pomponius.

Dass erst die Behauptung eines dinglichen Rechts am Papier die Befugnis zur Erhebung der actio ad exhibendum eröffnet, ist auch der Ausgangspunkt der Erwägungen Julians im Fall des Rechnungsbuchs, das der Sklave der Ehefrau des Klägers für diesen geführt hat: Macht er das Eigentum an dem Schriftstück geltend, kann er die Vorlegungsklage erheben; ansonsten bleibt sie ihm verwehrt. 70 Umgekehrt kann sich der Erblasser zu seinen Lebzeiten nicht dieses Interdikts bedienen, sondern ist auf die Vorlegungsklage angewiesen; vgl. D 43.5.3.5 Ulp 68 ed, s. u. S. 45.

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§ 1 Anwendungsbereich

Nichtsdestoweniger setzt sich Julian über dieses Ergebnis hinweg, indem er dem Kläger mangels dinglichen Rechts eine actio in factum zugesteht, mit der er ebenfalls die Vorlage des Buchs begehren kann.71 Rechtfertigen lässt sich diese Lösung, die Ulpian der ,aequitas exhibitionis‘ zuschreibt,72 nur mit dem Gedanken des „geistigen Eigentums“: Auch wenn der Kläger nicht von sich behaupten kann, Eigentümer des Papiers zu sein, das der Sklave seiner Frau verwendet hat, sind es doch seine Rechnungen, die darauf ausgeführt sind. Diese intellektuelle Zuordnung wiegt für Julian ebenso schwer wie die dingliche des Papiers. Begründet sie einen regelrechten Vorlegungsanspruch, kann man diesen im Wege eines Analogieschlusses auch dem geistigen Inhaber des Dokuments zugestehen. Der inhaltliche Bezug des Rechnungsbuchs unterscheidet Julians Fall von einer Konstellation, mit der sich schon Servius befasst hat. Dessen Entscheidung hat Julian vielleicht erst Anlass zu seinen Überlegungen gegeben; denn sie hat den Charakter eines Klassikers, mit dem man sich zeigen lässt, dass der hergebrachte Begriff des interesse zu weit geraten ist, um die Aktivlegitimation zur actio ad exhibendum treffend zu beschreiben: D 10.4.19 Paul 4 epit Alf Ad exhibendum possunt agere omnes quorum interest. sed quidam consuluit, an possit efficere haec actio, ut rationes adversarii sibi exhiberentur, quas exhiberi magni eius interesset. respondit non oportere ius civile calumniari neque verba captari, sed qua mente quid diceretur, animadvertere convenire. nam illa ratione etiam studiosum alicuius doctrinae posse dicere sua interesse illos aut illos libros sibi exhiberi, quia, si essent exhibiti, cum eos legisset, doctior et melior futurus esset. Auf Vorlegung können alle klagen, die ein Interesse daran haben. Jemand fragte aber an, ob er mit dieser Klage bewirken könne, dass die Rechnungen seines Gegners herausgegeben werden, an denen er großes Interesse habe. Er hat befunden, man dürfe das Zivilrecht nicht zur Schikane einsetzen und seine Regeln verdrehen, sondern müsse darauf Rücksicht nehmen, welchen Sinn sie hätten. Denn mit derselben Begründung könnte der Student einer beliebigen Wissenschaft behaupten, er habe ein Interesse an der Vorlegung dieser oder jener Bücher, weil er, wenn sie vorgelegt werden und er sie liest, klüger und besser würde.

Anders als in Julians Fall geht es nicht um die eigenen Rechnungen des Klägers, sondern um die seines Gegners, deren Vorlage er begehrt. Dass er hieran ein hinreichendes Interesse hat, widerlegt Servius mit einer reductio ad absurdum:73 Lasse man das bloße Interesse genügen, könne auch jemand aus Liebe zur Wissenschaft die Herausgabe von fremden Büchern verlangen, weil er durch ihr Studium intellektuell bereichert werde. Der Rekurs auf diesen Vergleichsfall, in dem 71 Burillo, SDHI 26 (1960) 190, 235 f. schreibt diese Entscheidung den Kompilatoren zu. 72 Zum Zitat dieser Formulierung durch die diokletianische Kanzlei in CJ 3.42.7 (a 286) s. u. S. 103. 73 Hierzu Roth, Alfeni digesta, Berlin 1999, S. 44.

III. Sonderfälle

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die Gewährung der actio ad exhibendum völlig abwegig erscheint, soll zeigen, dass ein schlichtes Interesse an der Sache nicht genügt, um eine Pflicht zu ihrer Vorlage zu zeitigen. Servius’ Fallvergleich leidet freilich an einer gewissen Unschärfe; denn das Interesse am fremden Rechnungsbuch betrifft das Vermögen des Klägers und vermag der Vorlegungsklage folglich durchaus eher eine Grundlage zu bieten als das wissenschaftliche Interesse an fremden Sachbüchern. Gleichwohl reicht es nicht, weil das Interesse derart fokussiert sein muss, dass es die Sache als Gegenstand eines dinglichen Rechts oder zumindest einer besitzrechtlichen Herrschaftsbefugnis betrifft. Um diese Beschränkung nicht zu verwässern, sieht Julian, obwohl ihm der Interessebegriff hierzu durchaus die Möglichkeit ließe, auch davon ab, im Fall einer intellektuellen Zuordnung der Sache zum Herrschaftsbereich des Klägers die actio ad exhibendum selbst zu geben; stattdessen begnügt er sich mit der Gewährung einer actio in factum, die das Prinzip unangetastet lässt. Dem Vorbild von Julians Entscheidung folgt später die kaiserliche Kanzlei im Fall eines Schuldscheins. Für Ulpian richtet sich die Aktivlegitimation zur Vorlegungsklage hier noch allein nach dem behaupteten Eigentum am verwendeten Papier. Nimmt es der Gläubiger für sich in Anspruch, kann er die actio ad exhibendum auch dann noch erheben, wenn die Schuld durch Erfüllung erloschen und etwaige Pfandrechte freigeworden sind. Zwar ist die Urkunde als Ausweis der Verpflichtung des Schuldners von jetzt an wertlos; dies ändert aber nichts daran, dass sich der Gläubiger auf sein Eigentum an dem Dokument berufen kann: D 10.4.18 Ulp 6 op Solutione chirographo inani facto et pignoribus liberatis nihilo minus creditor, ut instrumenta ad eum contractum pertinentia ab alio quam debitore exhibeantur, agere potest. Ist ein Schuldschein durch Erfüllung wertlos und sind die Pfänder frei geworden, kann der Gläubiger nichtsdestoweniger darauf klagen, dass ihm die Urkunden, die sich auf diesen Vertrag beziehen, von einem anderen als dem Schuldner vorgelegt werden.

Ulpian macht eine Ausnahme für den Fall, dass der Schuldschein im Besitz des Schuldners ist. Zwar wird er mit der Erfüllung seiner Verpflichtung nicht automatisch Eigentümer des Schuldscheins; der Gläubiger ist ihm jedoch zu dessen Übereignung verpflichtet, weil er ein untergegangenes Forderungsrecht dokumentiert. Den einschlägigen Anspruch begründet zumindest nach Auffassung der diokletianischen Kanzlei die condictio: Ist die Forderung untergegangen, ist der Gläubiger ungerechtfertigt um das Mittel zu ihrem Nachweis bereichert.74 An einer Stelle gehen Diokletians Juristen noch einen Schritt weiter und spre-

74 CJ 4.9.2 (a 293), CJ 8.42.25 (a 294); hierzu Harke, Iuris prudentia Diocletiana, Berlin 2019, S. 67 f.

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§ 1 Anwendungsbereich

chen dem Schuldner sowohl die actio ad exhibendum und vielleicht sogar die vindicatio zu:75 CJ 3.42.9 (25. Aug. 294/Honoré 2360) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Faustino. Si ex quocumque contractu apud praesidem provinciae iure debitum cui oportuerat te reddidisse probaveris, chirographa tua, ex quibus iam nihil peti potest, et instrumenta ad eum contractum pertinentia tibi naturaliter liberationem consecuto exhiberi ac reddi iubebit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Faustinus. Weist du vor dem Provinzstatthalter nach, dass du die Leistung, die du aus irgendeinem Vertrag schuldest, ordnungsgemäß an den Gläubiger erbracht hast, soll er, da du selbstverständlich Befreiung erlangt hast, anordnen, dass deine Schuldscheine, aus denen schon nichts mehr gefordert werden kann, und die Urkunden, die sich auf diesen Vertrag beziehen, vorgelegt und herausgegeben werden.

Zugrunde liegt die Erwägung, dass sich mit der Erfüllung der Verpflichtung die inhaltliche Kompetenz verändert hat: Als Mittel zum Beweis der Forderung ist sie zunächst dem Gläubiger als ihrem geistigen Inhaber zugewiesen. Dies hat die kaiserliche Kanzlei erstmals unter Severus Alexander befunden:76 CJ 3.42.4 (a 230) Imp. Alexander A Flaccillae. Non ignorabit iudex, instrumenta tui iuris, quae penes diversam partem fuisse probaveris, si ab eisdem non exhibeantur, iurisiurandi in litem facultatem deferri tibi oportere. Kaiser Alexander an Flaccilla. Der Richter soll wissen, dass, wenn Urkunden über dein Recht, von denen du beweist, dass sie sich bei dem anderen Teil befinden, von diesem nicht vorgelegt werden, dir die Befugnis zum Schätzungseid gegeben werden muss.

Und in der Zeit von Philippus Arabs hat sie einen Gläubiger im Fall einer Entwendung von Urkunden, die sein Recht dokumentieren,77 vor die Alternative einer strafrechtlichen Anklage oder eines im Zivilverfahren durchzusetzenden Vorlegungsanspruchs gestellt:78 CJ 3.42.6 (a 244) Imp. Philippous A. Polemonidi. Instrumenta ad ius tuum pertinentia partem diversam invasisse adseverans, si quidem crimen intendis, sollemnibus accusationibus impletis fidem adseverationi tuae fac, sin vero ad exhibendum intendis, iudiciorum more experire.

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Dass in Wahrheit die condictio gemeint ist, glaubt Demelius, S. 132 f. Entgegen Demelius, S. 134 lässt sich dem überlieferten Wortlaut des Reskripts gerade nicht entnehmen, dass der Kläger, der das in der Urkunde verbriefte Recht geltend macht, auch deren Eigentümer ist. 77 Marrone, S. 574 nimmt an, dass wegen dieser Tat nicht mit einer Defension zu rechnen wäre, wenn der Kläger sein Eigentum an der Urkunde im Wege der rei vindicatio geltend machte. 78 Entgegen Demelius, S. 134 ist dem Text nicht zu entnehmen, dass der Rechtsinhaber auch Eigentümer der Urkunden ist. Dies ist möglich, aber nicht vorausgesetzt. 76

III. Sonderfälle

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Kaiser Philipp an Polemonides. Da du behauptest, der andere Teil habe Urkunden, die sich auf dein Recht beziehen, an sich gebracht, sollst du, wenn du das Verbrechen verfolgen willst, förmlich Anklage erheben und deine Behauptung beweisen, wenn du dagegen die Vorlage anstrebst, musst du auf dem Klagewege vorgehen.

Mit dem Untergang der Forderung ändert sich diese Zuständigkeit, weil die Urkunde nun nicht mehr zum Nachweis der erloschenen Schuld verwendet werden darf. Für Diokletians Juristen bedeutet dies, dass sie nun dem Schuldner zusteht, der ein schutzwürdiges Interesse daran hat, einen Missbrauch der Urkunde durch den Gläubiger zu verhindern. Betreten Julian und Diokletians Kanzlei Neuland, wenn sie einen Vorlegungsanspruch wegen eines geistigen Anspruchs auf den Inhalt einer Urkunde zustehen, lässt sich die actio ad exhibendum im Fall eines Statusprozesses ohne Weiteres auf die Struktur des zuständigen Verfahrens stützen. Die einschlägige vindicatio in libertatem ist der Eigentumsherausgabeklage nachgebildet und entspricht daher den Klagen, denen man sich zur Durchsetzung eines dinglichen Rechts bedienen muss. Es überrascht daher keineswegs, dass Paulus dem adsertor in libertatem einen Anspruch auf Vorführung desjenigen gewährt, dessen Freiheit er geltend macht: D 10.4.12pr Paul 26 ed De eo exhibendo, quem quis in libertatem vindicare velit, huic actioni locus esse potest. Diese Klage kann Platz greifen zur Vorführung einer Person, deren Freiheit jemand geltend machen will.

Und auch Gaius verneint die Klage nicht etwa deshalb, weil die Behauptung der Freiheit von vornherein nicht als Basis für die actio ad exhibendum taugt; er lässt sie vielmehr erst daran scheitern, dass sich der Wert der erstrebten Freiheit nicht in Geld bemessen lässt:79 D 10.4.13 Gai ed praet urb tit lib c Si liber homo detineri ab aliquo dicatur, interdictum adversus eum, qui detinere dicitur, de exhibendo eo potest quis habere: nam ad exhibendum actio in eam rem inutilis videtur, quia haec actio ei creditur competere, cuius pecuniariter interest. Wird behauptet, eine freie Person werde von einem anderen festgehalten, kann man gegen denjenigen, von dem behauptet wird, er halte ihn fest, ein Interdikt zu seiner Vorführung erwirken; denn die Vorlegungsklage ist in diesem Fall erkennbar nicht einschlägig, weil man von dieser Klage annimmt, sie stehe nur demjenigen zu, der ein geldwertes Interesse habe. 79 Dagegen glaubt Demelius, S. 90 f., Gaius und Paulus behandelten unterschiedliche Fälle, die deshalb abweichend beurteilt würden, weil es in dem einen an einer passenden Hauptklage fehle. Marrone, S. 218 hält eine Harmonisierung beider Entscheidungen zu Recht für ausgeschlossen; und Burillo, SDHI 26 (1960) 248 will die auf Paulus zurückgeführte Entscheidung den Kompilatoren zuschreiben und nur Gaius’ Lösung für klassisch gelten lassen.

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§ 1 Anwendungsbereich

Es bleibt offen, ob Gaius im materiellen Interesse des Klägers ein eigenständiges Merkmal der Aktivlegitimation sieht oder auf die Verurteilungsformel Bezug nimmt, die eine Bewertung des Anspruchs in Geld verlangt. Vermutlich unterscheidet er zwischen beidem nicht streng. Sein Argument hat zudem wenig Gewicht. Denn das Interesse an der Freiheit lässt sich im Gegensatz zu Leben und Gesundheit eines freien Menschen sehr wohl in Geld bemessen, namentlich in Gestalt des Betrags, den der adsertor in libertatem an den Inhaber des angeblichen Sklaven leisten müsste, um dessen Freiheit zu erkaufen.80

IV. Fazit Bedienen sich die römischen Juristen auch schon spätestens seit Servius’ Zeit des Begriffs ,interesse‘, um die Aktivlegitimation zur Vorlegungsklage zu beschreiben, darf diese Formulierung doch nicht zu der Annahme verleiten, jeglicher mit der Klage erstrebte Vorteil berechtige zur Erhebung der actio ad exhibendum. Die Klage ist vielmehr darauf ausgerichtet, der Behauptung eines dinglichen Rechts oder der Inanspruchnahme von Besitzschutz zu dienen. Zuverlässige Zeugnisse einer Anwendung bei Geltendmachung eines bloß schuldrechtlichen Anspruchs gibt es nicht, dagegen die klare Aussage, dass die Vorlegungsklage sogar in einem Alternativverhältnis zur condictio steht, obwohl diese ebenfalls sachverfolgende Funktion hat. Die Ausnahmen vom Erfordernis einer dinglichen Rechtsbehauptung knüpfen an dieses Merkmal selbst an. So kann ein Vermächtnisnehmer, der mit einem per vindicationem ausgesetzten Wahlvermächtnis bedacht ist, auf sein Eigentum an dem schließlich ausgewählten Gegenstand verweisen, wenn er zuvor auch die Vorlage der anderen in Betracht kommenden Sachen fordert. Der Noxalkläger kann für seinen Vorführungsanspruch sein Zugriffsrecht auf den Täter ins Feld führen, das dessen Eigentümer durch Erfüllung seiner Noxalverpflichtung abwenden muss. Und ein adsertor ad libertatem kann sich auf die strukturelle Ähnlichkeit von Eigentumsherausgabeklage und Statusprozess berufen. Eine kühne Erweiterung des Anwendungsbereichs der Klage schlagen nur Julian und später die diokletianischen Juristen vor, indem sie einen Vorlegungsanspruch auch im Fall einer geistigen Inhaberschaft am Inhalt von Urkunden befürworten. Aber auch hier ist das Vorbild des Eigentums unverkennbar. Die enge Bindung der Klage an die dingliche Rechtsbehauptung ist vermutlich der Grund dafür, warum sich die Juristen mit ihrer Einordnung schwertun. Zwar nennt Ulpian sie unumwunden eine ,personalis actio‘.81 Gaius stellt sie doch,

80 Daher bemerkt Marrone, S. 216 zu Recht, die Freiheit lasse sich sehr wohl in Geld schätzen, wenn sie nur nicht unbestritten sei. 81 D 10.4.3.3 Ulp 24 ed; s. o. S. 12.

IV. Fazit

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wenn er die Verurteilungsformel der Klage beschreibt, mit den dinglichen Ansprüchen zusammen: Gai 4.51 Incertae vero condemnatio pecuniae duplicem significationem habet. est enim una cum aliqua praefinitione, quae vulgo dicitur cum taxatione, velut si incertum aliquid petamus; nam illic ima parte formulae ita est: EIVS, IVDEX, NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO DUMTAXAT SESTERTIVM X MILIA CONDEMNA. SI NON PARET, ABSOLVE. vel incerta est et infinita, velut si rem aliquam a possidente nostram esse petamus, id est, si in rem agamus vel ad exhibendum. nam illic ita est: QVANTI EA RES ERIT, TANTAM PECVNIAM, IVDEX, NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO CONDEMNA. SI NON PARET, ABSOLVITO. . . . Dass eine Verurteilung unbestimmt ist, hat zwei Bedeutungen. Sie kann nämlich mit einer gewissen vorherigen Begrenzung vorkommen, die gemeinhin mit Schätzung genannt wird, wie zum Beispiel, wenn etwas Unbestimmtes gefordert wird; denn dort heißt es im letzten Teil der Formel: „Verurteile du, Richter, den Numerius Negidius dem Aulo Agerius zu höchstens 10.000 Sesterzen. Ergibt es sich nicht, spricht ihn frei.“ Oder die Verurteilung ist unbestimmt und unbegrenzt, wie etwa, wenn wir eine Sache als unser Eigentum von einem Besitzer fordern, also wenn wir eine dingliche Klage oder die Klage auf Vorlegung erheben. Denn dort heißt es: „Verurteile du, Richter, den Numerius Negidius dem Aulus Agerius zu so viel Geld, wie die Sache wert ist.“ . . .

Und Justinians Redaktoren des gaianischen Lehrbuchs, denen wir den Hinweis auf die Arbiträrklausel der Klage verdanken, scheuen erkennbar davor zurück, sie in der Gegenüberstellung von actiones in rem und actiones in personam einer der beiden Seiten zuzuweisen:82 IJ 4.6.31 Praeterea quasdam actiones arbitrarias, id est ex arbitrio iudicis pendentes, appellamus, in quibus nisi iudicis is cum quo agitur actori satisfaciat, veluti rem restituat vel exhibeat vel solvat vel ex noxali causa servum dedat, condemnari debeat. sed istae actiones tam in rem quam in personam inveniuntur. in rem veluti Publiciana, Serviana de rebus coloni, quasi Serviana, quae etiam hypothecaria vocatur: in personam veluti quibus de eo agitur quod aut metus causa aut dolo malo factum est, item qua id quod certo loco promissum est, petitur. ad exhibendum quoque actio ex arbitrio iudicis pendet. . . . Außerdem heißen manche Klagen Ermessensklagen, also Klagen, die dem Ermessen des Richters unterliegen, bei denen der Beklagte nur dann verurteilt werden darf, wenn er den Kläger nicht befriedigt, zum Beispiel eine Sache herausgibt oder vorlegt oder leistet oder einen Sklaven wegen einer Noxalsache ausliefert. Diese Klagen können aber dinglich oder schuldrechtlich sein, dinglich wie die publizianische, die servianische wegen Sachen eines Pächters, die quasiservianische, die auch Hypothekenklage genannt wird, schuldrechtlich wie die Klagen, mit denen etwas gefordert wird, das durch Furchterregung oder Arglist erlangt worden oder was für einen bestimmten Ort versprochen worden ist. Auch die Vorlegungsklage unterliegt dem Ermessen des Richters. . . . 82

Dies beobachten richtig Demelius, S. 49 und Marrone, S. 635.

§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren I. Eigenständige oder vorbereitende Klage? 1. Streitstand Die Konzentration der Aktivlegitimation auf die Behauptung eines dinglichen Rechts ist der maßgebliche Grund für die vor allem von Lenel geprägte und danach von Kaser und Pennitz vertretene Deutung der Vorlegungsklage als Vorverfahren zur actio in rem:83 Dass diese keinem Einlassungszwang unterliege, werde gezielt dadurch kompensiert, dass der Kläger mit der actio ad exhibendum die Präsenz der Sache in iure erreichen könne. Der Beklagte stehe dann vor der Wahl, ob er sich nach Vorlage der Sache oder Vorführung des Sklaven auf die actio in rem einlassen oder von einer Verteidigung absehen wolle. In diesem zweiten Fall gestatte der Prätor dem Kläger, die Sache mitzunehmen oder den Sklaven mit sich zu führen. Die actio in rem erfülle so bei beweglichen Sachen die Funktion, die im Fall von Immobilien dem interdictum quem fundum zukomme. Einen bloß vorbereitenden Charakter hat der actio ad exhibendum schon vorher Demelius zuerkannt. Für ihn dient die Klage freilich nicht zum Ausgleich des fehlenden Einlassungszwangs bei den actiones in rem. Ihren Zweck sieht er vielmehr in der Identifikation des Objekts der dinglichen Klage: Indem er die Vorlegung der Sache oder Vorführung eines Sklaven erreiche, könne sich der Kläger vergewissern, dass es wirklich der Gegenstand ist, auf den er Anspruch erhebe. Dies gelte insbesondere für Sklaven, die über ihre eigene Identität selbst Auskunft geben könnten.84 Gegen beide Varianten der Lehre von einer vorbereitenden Funktion der actio ad exhibendum wenden sich vor allem Marrone und Burillo und folgen damit einer erstmals ansatzweise schon von Bossowski vertretenen Ansicht85. Marrone vermisst einen Quellenbeleg für eine vorbereitende Identifikation des Objekts und verweist darauf, dass die Vorlegungsklage regelmäßig auch dann gewährt werde, wenn überhaupt keine Zweifel an der Identität der betroffenen Sache oder

83 Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 518 ff., ders., EP, S. 222, Kaser, RIDA 14 (1967) 263, 268 ff., ferner SZ 98 (1981) 77, 87 ff., Pennitz, S. 265 ff. 84 Demelius, S. 62, 69 ff. 85 Bossowski (Fn. 27), S. 180 ff.

I. Eigenständige oder vorbereitende Klage?

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des umstrittenen Sklaven bestünden.86 Die Klage könne auch kein Mittel sein, um den Beklagten zur Einlassung auf die actio in rem zu bewegen. Sie sei zwar ein Instrument, um einer indefensio auf Seiten des Beklagten zu begegnen.87 In dieser Funktion sei sie aber gerade nicht vorbereitend, sondern ein eigenständiger Rechtsbehelf:88 Da der Beklagte nicht zur Einlassung auf die actio in rem, wohl aber zur Aufnahme des Streits um seine Vorlagepflicht gezwungen werden kann, stehe sie in einem Alternativverhältnis zur dinglichen Klage.89 Statt eine Anordnung des Prätors zugunsten des Klägers zu ermöglichen, führe das dem Beklagten abverlangte exhibere selbst zur Sachherrschaft des Klägers, weil es in Hinnahme einer Handlung des Klägers bestehe, mit der sich dieser der Sache oder des Sklaven bemächtige.90 Die Selbständigkeit der actio ad exhibendum zeige sich daran, dass sie häufig allein und ohne Bezug zu einer dinglichen Klage erscheine.91 Wo der Eindruck einer präparatorischen Funktion entstehe, hält Marrone dies für das Produkt einer Überarbeitung der Texte durch die Kompilatoren;92 und auch für diese sei nicht etwa der fehlende Einlassungszwang, vielmehr umgekehrt maßgeblich gewesen, dass der Beklagte in nachklassischer Zeit zur Verteidigung im dinglichen Rechtsstreit genötigt werde93. Die krasse Dichotomie von Vorbereitungsfunktion und Autonomie, der Lemosse mit dem originellen Vorschlag einer in der justinianischen Kompilation verschwundenen Dualität zweier Rechtsinstitute Herr werden will,94 schwindet beim näheren Blick auf die nähere Ausführung der Lehre vom vorbereitenden Charakter der Vorlegungsklage: Auch für die Vertreter dieser Ansicht steht fest, dass die actio ad exhibendum keine „typischen Vindikationsfälle“ 95 betreffe, sondern zur Abkürzung des Verfahrens führe und das Hauptverfahren über die actio in rem regelmäßig erübrige96. Die Klage sei in erster Linie zur Anwendung gekommen, wenn sich der Streit vor allem um den Besitz des Beklagten oder darum gedreht habe, ob er sich seiner arglistig begeben habe.97 Gerade für den zuletzt genannten Fall sei die Vorlegungsklage der den Streit erledigende Rechtsbehelf.

86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97

Marrone, S. 448 ff. Marrone, S. 545, 588 f., Burillo, SDHI 26 (1960) 232 f. Marrone, S. 458 ff., Burillo, SDHI 26 (1960) 225. Marrone, S. 542 f. Marrone, S. 469 ff.; differenzierend dagegen Burillo, SDHI 26 (1960) 223 f. Marrone, S. 451. Marrone, S. 511 ff., ebenso Burillo, SDHI 26 (1960) 230. Marrone, S. 606 ff. Lemosse, Ad exhibendum, IVRA 34 (1983) 67, 70 ff. Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 522. Demelius, S. 72 f. Demelius, S. 76 f., Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 522, 545 f.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

Hinter dieser Einschränkung verbirgt sich eine einfache Einsicht: Da die actio ad exhibendum auf eine Verurteilung des Beklagten gerichtet ist, kann ihr ein vorbereitender Charakter ohnehin grundsätzlich bloß bis zum Vorlagebefehl des iudex innewohnen und danach nur noch dann, wenn der Beklagte diesem nachkommt.98 Wird er schon wegen Missachtung dieses Befehls verurteilt, kann die actio ad exhibendum nicht mehr rein präparatorischen Charakter haben.99 2. Direkte Zeugnisse? Reduziert sich der Streit um den Charakter der actio ad exhibendum auch auf die Entscheidung zwischen strikter und praktischer Eigenständigkeit der Klage, lässt sich auch diese nicht ohne vorbehaltlose Analyse sämtlicher Quellen treffen. Denn es gibt weder einen unmittelbaren Beleg für den Mechanismus, durch den die Vorlegungsklage mit der dinglichen Klage verbunden sein soll; noch lässt sich den Äußerungen der klassischen Juristen unmittelbar entnehmen, dass exhibere stets schon den Sachzugriff eröffnet und damit die Vindikation erledigt. Dass die Präsenz einer Sache in iure dem Prätor die Möglichkeit eröffnet, dem Kläger ihre Mitnahme zu gestatten, wird in keinem der Texte gesagt, die sich auf die actio ad exhibendum beziehen. Stattdessen erfahren wir nur sehr allgemein, dass der Prätor eine missio in possessionem verfügen100 und einer Partei gestatten kann, eine bewegliche Sache mit sich zu führen:101 D 2.3.1.1 Ulp 1 ed Is videtur ius dicenti non obtemperasse, qui quod extremum in iurisdictione est non fecit: veluti si quis rem mobilem vindicari a se passus non est, sed duci eam vel ferri passus est: ceterum si et sequentia recusavit, tunc non obtemperasse videtur. Der Rechtsprechung gehorcht nicht, wer nicht tut, was im Rahmen der Gerichtsbarkeit zuletzt angeordnet wird; so gehorcht zum Beispiel jemand, wenn er es nicht auf sich nimmt, dass eine bewegliche Sache von ihm vindiziert wird, aber hinnimmt, dass sie weggeführt oder weggetragen wird, dagegen gehorcht er nicht, wenn er die zweite Anordnung zurückweist.

Deutlicher ist ein Paulustext, der sich aber nicht auf einen dinglichen Rechtsstreit, sondern auf den Sonderfall eines unter Noxalverdacht geratenen Sklaven bezieht: D 2.9.2.1 Paul 6 ed Si absens sit servus, pro quo noxalis actio alicui competit: si quidem dominus non negat in sua potestate esse, compellendum putat Vindius vel iudicio eum sisti promittere vel iudicium accipere, aut, si nolit defendere, cauturum, cum primum potuerit, se exhibiturum: sin vero falso neget in sua potestate esse, suscepturum iudicium 98

Siber, S. 152. Lemosse, IVRA 34 (1983) 67, 70. 100 D 2.1.1 Ulp 1 reg, 2.1.4 Ulp 1 ed. 101 Zweifel an der Aussagekraft dieses Textes hegt auch Pennitz, S. 270 f. Fn. 108. 99

I. Eigenständige oder vorbereitende Klage?

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sine noxae deditione. idque Iulianus scribit et si dolo fecerit, quominus in eius esset potestate. sed si servus praesens est, dominus abest nec quisquam servum defendit, ducendus erit iussu praetoris . . . Ist ein Sklave, dessenthalben einem anderen die Noxalklage zusteht, abwesend, ist, wie Vindius glaubt, der Eigentümer zu zwingen, entweder, wenn er nicht bestreitet, dass er ihn in seiner Gewalt hat, seine Gestellung zu versprechen oder den Rechtsstreit aufzunehmen oder, wenn er ihn nicht verteidigen will, Sicherheit dafür zu leisten, dass er ihn vorführt, sobald er kann; hat er dagegen fälschlicherweise geleugnet, dass er ihn in seiner Gewalt hat, muss er den Rechtsstreit ohne Befugnis zur Auslieferung aufnehmen. Und Julian schreibt, dies gelte auch, wenn er arglistig bewirkt habe, dass er ihn nicht mehr in seiner Gewalt hat. Ist der Sklave aber anwesend, der Eigentümer dagegen abwesend und verteidigt niemand den Sklaven, ist er auf Geheiß des Prätors wegzuführen . . .

Auch hier fehlt aber ein Hinweis darauf, dass die Präsenz des Sklaven, die notwendige Voraussetzung für die Anordnung seiner Abführung durch den Kläger ist, durch eine vorbereitende actio ad exhibendum hergestellt werden kann oder herzustellen ist. Die Vorführung des Sklaven ist lediglich als Gegenstand einer Sicherheitsleistung erwähnt, die dem Eigentümer für den Fall auferlegt wird, dass er den Sklaven nicht in seiner Gewalt hat und auch nicht verteidigen möchte. Umgekehrt fehlt es aber auch an einem hinreichenden Beleg dafür, dass die Vorlage oder Vorführung immer auch den Zugriff des Klägers auf die Sache eröffnet und so ein Hauptverfahren erübrigt. Dass die actio ad exhibendum mit dem Ziel angestellt werden kann, die Sache mitzunehmen, lässt sich bloß einem Zitat des Celsus in Ulpians Ediktskommentar entnehmen:102 D 10.4.5.3 Ulp 24 ed Item Celsus scribit stercus, quod in aream meam congessisti, per ad exhibendum actionem posse te consequi ut tollas, sic tamen ut totum tollas: ceterum alias non posse. Ferner schreibt Celsus, du könntest mit der Vorlegungsklage erreichen, dass du einen Düngerhaufen entfernst, den du auf meinem Grundstück angelegt hast, jedoch nur, wenn du ihn vollständig entfernst; andernfalls könntest du es nicht.

Auch dieses Zeugnis darf aber wegen der Besonderheit des Objekts, um das es geht, keinesfalls überschätzt werden. Muss der beklagte Grundstückseigentümer den Düngerhaufen schon vorlegen, will er keinesfalls den Transport übernehmen und den Haufen später wieder zurückschaffen. Und wenn der Kläger schon seine Vorlage fordert, soll er ihn auch vollständig entfernen, weil er sonst in unzulässiger Weise das Grundstück des Beklagten in Beschlag nimmt. Da der Düngerhaufen für den Beklagten mindestens ebenso eine Belastung ist, wie er einen Vorteil bedeuten kann, darf der Kläger sein Recht nicht missbrauchen, indem er den Beklagten zu Transport und Vorhaltung nötigt.

102

Hierauf beruft sich denn auch Marrone, S. 470.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

3. Begriffsbestimmung von exhibere Was die allgemeine Definition von exhibere durch die Juristen anbelangt, ist Marrone zuzugeben, dass sich eine Aussage Ulpians, wonach eine Vorlage vor dem Prätor zu erfolgen hat,103 allein auf das interdictum de tabulis exhibendis bezieht. Es bleiben aber zwei Texte, in denen exhibere und restituere gegenübergestellt und deutlich unterschieden sind: D 50.16.22 Gai 4 ed prov Plus est in restitutione, quam in exhibitione: nam ,exhibere‘ est praesentiam corporis praebere, ,restituere‘ est etiam possessorem facere fructusque reddere: pleraque praeterea restitutionis verbo continentur. Herausgabe bedeutet mehr als Vorlage; denn „vorlegen“ heißt, die körperliche Gegenwart zu gewährleisten, „herausgeben“ auch, den anderen zum Besitzer zu machen und Früchte auszukehren; und es ist noch mehr im Begriff der Herausgabe enthalten. D 50.16.246 Pomp 16 ep Apud Labeonem pithanon ita scriptum est: exhibet, qui praestat eius de quo agitur praesentiam. nam etiam qui sistit, praestat eius de quo agitur praesentiam, nec tamen eum exhibet: et qui mutum aut furiosum aut infantem exhibet, non potest videri eius praestare praesentiam: nemo enim ex eo genere praesens satis apte appellari potest. (1) Restituit non tantum, qui solum corpus, sed etiam qui omnem rem condicionemque reddita causa praestet: et tota restitutio iuris est interpretatio. Bei Labeo in seinen pithana steht geschrieben: Es führt vor, wer die Gegenwart der umstrittenen Person gewährleistet. Denn auch wer jemanden stellt, gewährleistet die Gegenwart der umstrittenen Person, wenn er ihn freilich auch nicht vorführt; auch wer einen Stummen, Geisteskranken oder ein Kind vorführt, gewährleistet ersichtlich nicht deren Gegenwart; niemand könnte Personen dieser Art nämlich treffend als gegenwärtig ansehen. (1) Es gibt heraus, wer nicht nur die Sache übergibt, sondern ihre gesamte Rechtslage erstattet; und die Frage, ob eine Herausgabe vorliegt, ist Gegenstand der juristischen Diskussion.

Man kann diese Zeugnisse weder durch Verweis auf ihren palingenetischen Zusammenhang104 noch mit der nachgerade rabulistischen Erwägung entwerten, einer Differenzierung zwischen beiden Begriffen bedürfe es überhaupt nicht, wenn sich exhibere im bloßen Vorzeigen einer Sache erschöpfe105. Die Erklärun-

103 D 43.5.3.9 Ulp 68 ed: Exhibere autem apud praetorem oportet, ut ex auctoritate eius signatores admoniti venirent ad recognoscenda signa . . . („Vorlegen muss man vor dem Prätor, damit die Unterzeichnenden kraft seiner Amtsgewalt geladen werden, um ihre Siegel anzuerkennen . . .“) Der Ort, den die Aussage in Justinians Digesten hat, entspricht dem in Ulpians Ediktskommentar; vgl. Pal. 1479 (Bd. 2, Sp. 804). 104 Im Fall des Pomponiusfragments (Pal. 205) ist dieser offen; für den Gaiustext vermutet Lenel einen Bezug auf die actio quod metus causa und den in diesem Rahmen ergehenden Restitutionsbefehl des iudex (Pal. 97, Bd. 1, Sp. 195 Fn. 2). Entgegen Marrone, S. 493 lassen sich aus dieser Verortung keine Schlüsse ziehen. 105 So Marrone, S. 493 ff. und Burillo, SDHI 26 (1960) 214.

II. Der Quellenbefund

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gen von Labeo, Pomponius und Gaius ergeben eindeutig, dass exhibere und restituere nicht nur in der geforderten Handlungsweise, sondern auch in ihrem Ziel verschieden sind. Dies bedeutet freilich noch keineswegs, dass die exhibere und restituere gerichteten Klagen in einem Stufenverhältnis stehen und durch die Befugnis des Prätors zur Anordnung einer missio in possessionem kombiniert sein müssten. Haben die Klagen auch einen verschiedenen Gehalt, können sie doch gleichermaßen streitentscheidend wirken.

II. Der Quellenbefund Aufschluss über das Verhältnis von Vorlegungsklage und Hauptverfahren kann daher allein die Gesamtschau der in den Quellen belegten Einsatzarten und -fälle der actio ad exhibendum geben. Interessant sind dabei nicht zuletzt die Aussagen, die außerhalb des Digestentitels 10.4 und der hier versammelten Kommentarliteratur zu finden sind, weil bei ihnen die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass das Verhältnis von Vorlegungsklage und Vindikation als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Mustert man die Texte durch, kann man sie in drei Gruppen einteilen: Erstens gibt es Texte, die der Vorlegungsklage klar die Aufgabe einer Vorbereitung des jeweiligen Hauptverfahrens zuweisen, indem sie ein stufenweises Vorgehen des Klägers bezeugen. Zweitens stößt man auf Aussagen, die Vorlegungsklage und Vindikation nebeneinander oder als Alternativen benennen, sei es, dass sie beider Verhältnis unbeleuchtet lassen, sei es, dass sie ein Kriterium für die Auswahl einer Klageart benennen. Und drittens gibt es Entscheidungen, in denen allein die actio ad exhibendum gewährt wird und die dingliche Klage völlig ungenannt bleibt. 1. Zeugnisse eines gestuften Verfahrens Die Lehre von der Eigenständigkeit der actio ad exhibendum vermag sich nur um den Preis weitreichender Interpolationsvermutungen über Quellen hinwegzusetzen, die ein gestuftes Klageverfahren bezeugen, bei dem erst die Vorlage begehrt und dann vindiziert wird. Nachgerade zwingend ist ein solches Vorgehen beim Wahlvermächtnis106 und bei der Noxalklage, wenn das Opfer des Sklavendelikts die Vorlage einer gesamten familia begehrt107: Hier dienen Vorlage und Vorführung ja dazu, das Objekt zu bestimmen, auf das sich das Hauptverfahren richtet. Den gesamten Rechtsstreit erledigen kann die actio ad exhibendum in diesen Fällen allenfalls dann, wenn der Besitzer gegen den vom Kläger erhobe-

106 107

S. o. S. 27 ff. S. o. S. 24 ff.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

nen Anspruch als solchen keine Einwände erhebt. Dies mag im Einzelfall denkbar sein, lässt sich aber weder beim Wahlvermächtnis noch bei der Noxalklage generell unterstellen oder auch nur als wahrscheinlich annehmen; denn ein Besitzer, der sich nicht gegen den Vermächtnis- oder Noxalanspruch des Klägers verteidigen möchte, wird sich kaum dagegen sträuben, dass dieser das Objekt auswählt, auf den sich sein Recht oder der Deliktsvorwurf richtet.108 Völlig ausgeschlossen ist eine streitentscheidende Wirkung der actio ad exhibendum, wenn sie zur Vorbereitung der strafrechtlichen Verfolgung eines Sklavendelikts eingesetzt wird.109 Und ohne gestuftes Verfahren ist auch die vindicatio in libertatem nicht vorstellbar, zu deren Durchführung man zumindest nach der Ansicht von Paulus die Vorführung des in die Freiheit zu vindizierenden Menschen mit der actio ad exhibendum verlangen kann.110 Auch jenseits von diesen Sonderfällen gibt es Quellen, die ein Stufenverhältnis von Vorlegungs- und Hauptklage bezeugen. Ihre Zahl ist allerdings nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn um ein gestuftes Verfahren zu belegen, genügt nicht, dass dem Kläger, der die actio ad exhibendum anstellt, eine Vindikationsabsicht attestiert wird. Auf diese Weise ist lediglich eine selbstverständliche Voraussetzung der Vorlegungsklage zum Ausdruck gebracht, nämlich dass der Kläger grundsätzlich ein dingliches Recht an der Sache behaupten muss. Dies gilt nicht nur für allgemeine Aussagen in Ulpians Kommentar zum einschlägigen Ediktstitel, wonach die Vorlegungsklage ,propter vindicationes‘ eingeführt sei111 oder demjenigen diene, der ,in rem acturus‘, ,usum fructum petiturus‘ oder ,interdicturus‘ sei112. Auch die bei Paulus zu findende Formulierung, jemand klage ,vindicandi gratia‘,113 geht nicht über die Beschreibung des Vindikationsbezugs hinaus. Nicht anders verhält es sich mit einer entlegenen Stellungnahme Ulpians zu dem vielleicht von Marc Aurel geschaffenen114 Straftatbestand des crimen expilatae hereditatis:115

108 Des Zeugnisses von D 10.4.3.6 Ulp 24 ed kann sich Marrone, S. 208 f. Fn. 78, 514 daher nur mit Hilfe einer Interpolationsvermutung entledigen. 109 Vgl. CJ 3.42.2 (a 222); s. o. S. 26. 110 D 10.4.12pr Paul 26 ed; s. o. S. 33. Marrone, S. 512 wendet sich insoweit zu Unrecht dagegen, den Text als Beleg für eine präparatorische Funktion der Vorlegungsklage anzusehen. 111 D 10.4.1 Ulp 24 ed; s. o. S. 10. Hier bedarf es zur Stützung der These von der Eigenständigkeit der actio ad exhibendum also nicht der von Marrone, S. 516 geäußerten Interpolationsvermutung. 112 D 10.4.3.3–5 Ulp 24 ed; s. o. S. 12 ff. Auch insoweit ist die Interpolationsannahme von Marrone, S. 513 unnötig. 113 D 10.4.12.2 Paul 26 ed. S. 20 f. Überflüssig ist daher wiederum die Interpolationsvermutung von Marrone, S. 536 ff. 114 Vgl. D 47.19.1 Marcian 3 inst. An einen früheren Ursprung glaubt Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian, Berlin 2006, S. 289. 115 Hierzu Nogrady (Fn. 114), S. 288.

II. Der Quellenbefund

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D 47.19.2.1 Ulp 9 off proc Apparet autem expilatae hereditatis crimen eo casu intendi posse, quo casu furti agi non potest, scilicet ante aditam hereditatem, vel post aditam antequam res ab herede possessae sunt. nam in hunc casum furti actionem non competere palam est: quamvis ad exhibendum agi posse, si qui vindicaturus exhiberi desideret, palam sit. Die Straftat der Nachlassplünderung kann in den Fällen verfolgt werden, in denen man nicht wegen Diebstahls klagen kann, nämlich wenn die Tat vor dem Erbschaftsantritt oder danach, aber vor der Inbesitznahme durch den Erben erfolgte. Denn es ist offensichtlich, dass in diesem Fall die Diebstahlsklage nicht zuständig ist, obwohl offensichtlich ist, dass auf Vorlegung klagen kann, wer mit der Absicht der Vindikation die Vorlegung begehrt.

Die kriminalrechtliche Verfolgung der Entwendung einer Nachlasssache soll eine Lücke füllen, die eine Sanktion mit Hilfe der Diebstahlsklage lässt: Da ein furtum nur denkbar ist, wenn die betroffene Sache im Zeitpunkt der Tat sowohl einen Eigentümer als auch einen Besitzer hat, versagt sie, wenn die Sache nach dem Tode des Erblassers und vor Antritt und Inbesitznahme der Erbschaft durch den zur Erbfolge berufenen Außenerben entwendet wird. Nichtsdestoweniger kann sich dieser danach der Klagen bedienen, die sich aus seinem Eigentumsrecht ergeben. Begehrt er deshalb „in Vindikationsabsicht“ die Vorlegung, heißt dies keineswegs, dass er sein Ziel nicht schon mit Hilfe der actio ad exhibendum erreicht. Dass er ,vindicaturus‘ ist, bedeutet ebenso wie in Ulpians Ediktskommentar lediglich, dass er sein dingliches Recht geltend machen muss, um die Vorlegungsklage anzustellen.116 Auf ein gestuftes Verfahren deutet erst eine Formulierung hin, die eine zeitliche Reihenfolge von Vorlegungsklage und Hauptverfahren anzeigt. Auf sie stoßen wir im Zusammenhang mit einem Pomponius-Zitat bei Ulpian. Es gilt dem Fall, dass ein Nachbar die von Wölfen entführten Schweine verfolgt hat und nach ihrer Rückeroberung nicht an den Eigentümer herausgeben will, weil er davon ausgeht, die Schweine seien herrenlos und dann von ihm erworben worden.117 Da er sich mit dieser Ansicht im Unrecht befindet, macht er sich spätestens durch die Weigerung zur Herausgabe eines furtum schuldig. Der so ausgelöste Strafanspruch verdrängt aber nicht die sachverfolgende Vorlegungsklage, deren Ziel darin bestehen soll, dass die Schweine als ,exhibiti‘ vindiziert werden:118

116 Daher ist die von Marrone, S. 536 aufgestellte Vermutung einer Textverfälschung wiederum nicht erforderlich, um den Text als Nachweis einer vorbereitenden Funktion der actio ad exhibendum zu entwerten. 117 Anders Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 526, der glaubt, dass der Nachbar allein den Besitzerwerb leugnet. Dann bräuchten sich Pomponius und Ulpian aber nicht eigens mit der Frage zu beschäftigen, ob das Eigentum an den Tieren erhalten geblieben oder verlorengegangen ist. 118 Hier ist die Interpolationsannahme von Marrone, S. 532 f., wenn auch natürlich nicht überzeugend, so doch wenigstens konsequent.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren D 41.1.44 Ulp 19 ed Pomponius tractat: cum pastori meo lupi porcos eriperent, hos vicinae villae colonus cum robustis canibus et fortibus, quos pecoris sui gratia pascebat, consecutus lupis eripuit aut canes extorserunt: et cum pastor meus peteret porcos, quaerebatur, utrum eius facti sint porci, qui eripuit, an nostri maneant . . . et sane melius est dicere et quod a lupo eripitur, nostrum manere, quamdiu recipi possit id quod ereptum est. si igitur manet, ego arbitror etiam furti competere actionem: licet enim non animo furandi fuerit colonus persecutus, quamvis et hoc animo potuerit esse, sed et si non hoc animo persecutus sit, tamen cum reposcenti non reddit, supprimere et intercipere videtur. quare et furti et ad exhibendum teneri eum arbitror et vindicari exhibitos ab eo porcos posse. Pomponius behandelt folgenden Fall: Als Wölfe meinem Hirten Schweine entrissen, verfolgte sie ein Pächter aus dem Nachbarort mit seinen tüchtigen und starken Hunden und entriss sie den Wölfen, oder die Hunde haben sie ihnen abgejagt; und als mein Hirte die Schweine forderte, wurde gefragt, ob sie zum Eigentum desjenigen geworden sind, der sie entrissen hat, oder unsere geblieben sind . . . Und daher ist es sicher richtig, dass unser Eigentum bleibt, was vom Wolf entrissen wird, so lange es zurückerlangt werden kann. Bleibt es daher unser Eigentum, glaube ich, dass auch die Diebstahlsklage zustehe; hat der Pächter sie dagegen nicht mit Zueignungsabsicht verfolgt, obwohl er auch diese Absicht gehabt haben könnte, hat er es doch, indem er sie auf die Rückforderung nicht zurückgab, ersichtlich unterschlagen und hinterzogen. Daher glaube ich, dass er sowohl mit der Diebstahls- als auch mit der Vorlegungsklage haftet und die Schweine nach ihrer Vorlegung von ihm vindiziert werden können.

Ähnlich schreibt Ulpian in einer allgemeinen Darstellung der Frage, welchen Ansprüchen der Rechtsnachfolger eines Diebes unterliegt:119 Trifft diesen auch nicht die passiv unvererbliche actio furti, bleibt er doch Vorlegungsklage und Vindikation ausgesetzt:120 D 47.1.1pr Ulp 41 Sab Civilis constitutio est poenalibus actionibus heredes non teneri nec ceteros quidem successores: idcirco nec furti conveniri possunt. sed quamvis furti actione non teneantur, attamen ad exhibendum actione teneri eos oportet, si possideant aut dolo fecerint quo minus possideant: sed enim et vindicatione tenebuntur re exhibita. item condictio adversus eos competit. Eine Regel des Zivilrechts besagt, dass mit Strafklagen weder die Erben noch sonstige Rechtsnachfolger haften; und deshalb können sie auch nicht mit der Diebstahlsklage belangt werden. Aber obwohl sie mit der Diebstahlsklage nicht haften, sind sie doch mit der Vorlegungsklage haftbar, wenn sie besitzen oder arglistig bewirkt haben, dass sie nicht besitzen; aber auch mit der Vindikation haften sie nach Vorlegung der Sache. Die Kondiktion steht gegen sie ebenfalls zu. 119 Die Interpolationsvermutung von Marrone, S. 534 f. ist auch hier unvermeidlich, um seine These von der strikten Eigenständigkeit der actio ad exhibendum zu erweisen. 120 Wiederum kann man nicht mit Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 527 unterstellen, es gehe in dem von Ulpian behandelten Fall nicht um das Eigentum an der Sache. Ulpians Aussage ist zu allgemein, als dass sie sich auf eine bestimmte Fallvariante beziehen ließe.

II. Der Quellenbefund

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Die Formulierung, dass eine ,res exhibita‘ der Vindikation unterliegt, findet sich auch in anderen Zusammenhängen und bei anderen Autoren. Ulpian verwendet sie noch, wenn er dem Autor eines Testaments oder einem anderen Eigentümer der Urkunde statt des Interdikts de tabulis exhibendis die Vorlegungsklage zugesteht:121 D 43.5.3.5 Ulp 68 ed Si ipse testator, dum vivit, tabulas suas esse dicat et exhiberi desideret, interdictum hoc locum non habebit, sed ad exhibendum erit agendum, ut exhibitas vindicet. quod in omnibus, qui corpora sua esse dicunt instrumentorum, probandum est. Behauptet der Erblasser zu Lebzeiten, dass die Testamentsurkunde ihm gehöre, und begehrt er ihre Vorlegung, greift dieses Interdikt nicht Platz, sondern es ist auf Vorlegung zu klagen, damit er die Urkunde nach ihrer Vorlegung vindiziert. Dies gilt für alle, die behaupten, Eigentümer der Testamentsurkunde zu sein.

Paulus bedient sich derselben Ausdrucksweise bei der Entscheidung, wie mit einer verliehenen Sache zu verfahren ist, wenn der Leihvertrag an der Geisteskrankheit des Entleihers scheitert:122 D 13.6.2 Paul 29 ed Nec in furiosum commodati actio danda est. sed ad exhibendum adversus eos dabitur, ut res exhibita vindicetur. Und auch gegen einen Geisteskranken wird die Leihklage nicht gewährt. Aber die Vorlegungsklage wird gegen sie gewährt, damit die vorgelegte Sache vindiziert werden kann.

Auch Julian beschreibt auf diese Weise ein gestuftes Klageverfahren in dem Fall, dass jemand einen Geldbetrag bei einem Haussohn hinterlegt hat. Außer der actio depositi, die mangels Zugehörigkeit des Geldes zum Sondergut nicht dem Vorbehalt seiner Erschöpfung unterliegt, könne der Niederleger den Vater des Haussohnes auch mit Vorlegungsklage und Vindikation belangen:123 D 15.1.38pr Afr 8 quaest Deposui apud filium familias decem et ago depositi de peculio. quamvis nihil patri filius debeat et haec decem teneat, nihilo magis tamen patrem damnandum existimavit, si nullum praeterea peculium sit: hanc enim pecuniam, cum mea maneat, non esse peculii. denique quolibet alio agente de peculio minime dubitandum ait computari non oportere. itaque ad exhibendum agere me et exhibitam vindicare debere.

121 Unbegründet sind auch in diesem Fall sowohl der von Marrone, S. 533 f. erhobene Interpolationsverdacht als auch die von Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 526 aufgestellte Vermutung, es gehe beim Streit mit dem Beklagten allein um den Besitz oder die Identität der Urkunde. 122 Für Marrone 536 ff. und Burillo, SDHI 26 (1960) 262 ist dies das Ergebnis einer Textverfälschung. 123 Abermals gibt es weder hinreichenden Anlass für die von Marrone, S. 536 ff. und Burillo, SDHI 26 (1960) 260 angestellten Interpolationsvermutungen noch für die Annahme von Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 524, der Beklagte könne sich hier nur durch Leugnung des Besitzes verteidigen.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren Ich habe bei einem Haussohn zehn hinterlegt und erhebe die Klage wegen des Sonderguts. Obwohl der Sohn dem Vater nichts schuldet und die zehn noch innehat, sei der Vater, wie er befunden hat, nichtsdestoweniger zu verurteilen, wenn ansonsten kein Sondergut vorhanden ist; dieses Geld sei nämlich, da es mir weiterhin gehörte, nicht Teil des Sonderguts. Erhebt ein anderer wegen des Sonderguts Klage, gebe es, wie er sagt, keinen Zweifel, dass das Geld nicht miteinzubeziehen sei. Daher könne ich auch auf Vorlegung klagen und nach Vorlegung vindizieren.

Und schon Javolen nimmt ein gestuftes Verfahren beim Vorgehen gegen einen Sequester an, der einen umstrittenen Geldbetrag nicht vom Eigentümer, sondern ohne dessen Einverständnis von einem Sklaven erhalten hat:124 D 16.3.33 Lab 6 post Iav epit Servus tuus pecuniam cum Attio in sequestre deposuit apud Maevium ea condicione, ut ea tibi redderetur, si tuam esse probasses, si minus, ut Attio redderetur. posse dixi cum eo, apud quem deposita esset, incerti agere, id est ad exhibendum, et exhibitam vindicare, quia servus in deponendo tuum ius deterius facere non potuisset. Dein Sklave hat zusammen mit Attius einen Geldbetrag bei Maevius als Sequester mit der Maßgabe hinterlegt, dass er, falls du beweist, dass er dir gehört, dir und andernfalls Attius zurückgegeben wird. Ich habe gesagt, du könntest gegen den Verwahrer eine unbestimmte Klage, nämlich eine Vorlegungsklage, erheben und den Geldbetrag nach seiner Vorlegung vindizieren, weil dein Sklave durch die Hinterlegung dein Recht nicht schmälern kann.

Ein vergleichbares Zeugnis einer Vorbereitungsfunktion der Vorlegungsklage bildet eine Entscheidung von Licinnius Rufinus, der in der erfolgreichen Inanspruchnahme eines Erben mit der actio ad exhibendum die Voraussetzung dafür erkennt, dass ein Vindikationsvermächtnis an den vorgelegten Sachen durchgesetzt wird:125 D 5.1.38 Lic 4 reg Quod legatur, si quidem per personalem actionem exigetur, ibi dari debet ubi est . . . si autem per in rem actionem legatum petetur, etiam ibi peti debet ubi res est. et si mobilis sit res, ad exhibendum agi cum herede poterit, ut exhibeat rem: sic enim vindicari a legatario poterit. Wird der Gegenstand des Vermächtnisses mit einer persönlichen Klage gefordert, ist er dort zu leisten, wo er sich befindet . . . Wird das Vermächtnis mit einer dinglichen Klage gefordert, muss es dort gefordert werden, wo die Sache ist. Und wenn es eine bewegliche Sache ist, kann gegen den Erben auf Vorlegung geklagt werden, damit 124 In diesem Fall äußern Marrone, S. 528 ff. und Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 522 f. gleichermaßen einen unbegründeten Interpolationsverdacht. Und Demelius, S. 75 unterstellt zu Unrecht, der Sequester könne sich allein unter Berufung auf die vom Sklaven ausgehende Hinterlegung verteidigen. Burillo, SDHI 26 (1960) 202 macht einen Unterschied im Konzept des dolus bei Verwahrungs- und Vorlegungsklage aus; dies mag zutreffen, ergibt sich aber auch nicht aus dem Text. 125 Einer unbegründeten Interpolationsvermutung begegnet der einschlägige Schlusssatz wiederum bei Marrone, S. 525 ff. Und Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 524 unterstellt ohne zureichenden Grund, der Erbe habe die vermachte Sache nicht im Nachlass vorgefunden.

II. Der Quellenbefund

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er die Sache vorlegt; so kann sie nämlich von dem Vermächtnisnehmer vindiziert werden.

Am deutlichsten tritt das Konzept eines gestuften Klageverfahrens in dem Fall hervor, dass jemand eine fremde Sache mit seiner eigenen zu einer zusammengesetzten oder so verbunden hat, dass sie zur Nebensache wird. Zwar geht das Eigentum an der verwendeten Sache hier nicht verloren; diese unterliegt für die Dauer ihrer Verbindung jedoch keiner Vindikation. In seinem Ediktskommentar misst Paulus der actio ad exhibendum daher die Wirkung zu, den Besitzer zur Abtrennung der Sache zu verpflichten, um sie auf diese Weise zum tauglichen Gegenstand einer dinglichen Klage zu machen. Erst dann (,tunc‘) soll der Eigentümer die rei vindicatio erheben können:126 D 6.1.23.5 f. Paul 21 ed Item quaecumque aliis iuncta sive adiecta accessionis loco cedunt, ea quamdiu cohaerent dominus vindicare non potest, sed ad exhibendum agere potest, ut separentur et tunc vindicentur . . . (6) Tignum alienum aedibus iunctum nec vindicari potest propter legem duodecim tabularum, nec eo nomine ad exhibendum agi nisi adversus eum, qui sciens alienum iunxit aedibus: sed est actio antiqua de tigno iuncto, quae in duplum ex lege duodecim tabularum descendit. Auch was mit anderen Sachen verbunden oder ihnen hinzugefügt und so zur Nebensache wird, kann der Eigentümer während der Verbindung nicht vindizieren; er kann aber auf Vorlegung klagen, damit es getrennt und dann vindiziert wird . . . (6) Ein in ein Gebäude eingebauter Balken kann wegen des Zwölftafelgesetzes weder vindiziert werden, noch kann seinethalben auf Vorlegung geklagt werden, falls der Beklagte ihn nicht wissentlich in das Gebäude eingebaut hat; aber es gibt die alte Klage wegen eines eingebauten Balkens, die auf das Doppelte gerichtet ist und auf das Zwölftafelgesetz zurückgeht.

Der Vorlegungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn er sich auf ein tignum iunctum richtet, das nach einem Satz des Zwölftafelgesetzes nicht entfernt und durch einen Anspruch auf seinen doppelten Wert ausgeglichen werden soll. In Betracht kommt eine Vorlegungsklage hier nur unter dem Gesichtspunkt einer arglistigen Besitzaufgabe, wenn der Beklagte den Einbau in Kenntnis des fremden Rechts vorgenommen hat.127 Die Ausnahme für den tignum iunctum erscheint auch im Digestentitel über die actio ad exhibendum. Hier wird sie durch einen Auszug aus Ulpians Ediktskommentar erläutert, den die Kompilatoren an einen Passus aus Paulus’ Sabinuskommentar angefügt haben.128 Paulus benennt an dieser Stelle als Beispiele für eine Vorlegung durch Trennung einen in Gold gefassten Edelstein und Figuren an einem Leuchter: 126 Marrone, S. 536 ff. muss sich dieses eindeutigen Belegs für ein Stufenverhältnis von Vorlegungsklage und Vindikation abermals im Wege einer Interpolationsvermutung erwehren. 127 Vgl. auch D 47.3.1.2 Ulp 37 ed; s. u. S. 59 f. 128 Marrone, S. 377 verdächtigt in diesem Text nur den Passus zum tignum iunctum.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren D 10.4.6 Paul 14 Sab Gemma inclusa auro alieno vel sigillum candelabro vindicari non potest, sed ut excludatur, ad exhibendum agi potest: aliter atque in tigno iuncto aedibus, de quo nec ad exhibendum agi potest, quia lex duodecim tabularum solvi vetaret: sed actione de tigno iuncto ex eadem lege in duplum agitur. Ein in fremdes Gold gefasster Edelstein oder Figuren an einem Leuchter können nicht vindiziert werden, aber es kann auf Vorlegung geklagt werden, damit sie herausgelöst werden; anders verhält es sich bei einem in ein Haus eingebauten Balken, dessentwegen nicht auf Vorlegung geklagt werden kann, weil das Zwölftafelgesetz verbietet, ihn herauszulösen; aber man kann aufgrund desselben Gesetzes die Klage wegen eines eingebauten Balkens auf das Doppelte erheben. D 10.4.7pr Ulp 24 ed Tigni appellatione omnem materiam in lege duodecim tabularum accipimus, ut quibusdam recte videtur. Unter einem Balken im Sinne des Zwölftafelgesetzes versteht man, wie einige richtig annehmen, jede Art von Baumaterial.

Auch wenn hier nicht ausdrücklich davon die Rede ist, dass die Sachen nach ihrer Ablösung vindiziert werden können, ergibt sich dies doch daraus, dass als Ziel der Vorlegungsklage gerade die Trennung der Sachen benannt ist, die eben der vorher ausgeschlossenen Vindikation den Weg ebnet.129 In diesem Sinne sind auch wohl die beiden folgenden Abschnitte in Ulpians Ediktskommentar zu verstehen, in denen es wiederum um verschiedene Arten der Sachverbindung geht. Für Ulpian sind sie unter dem Gesichtspunkt interessant, dass der Eigentümer der Hauptsache nur Eigenbesitz an dieser und nicht auch an der verbundenen Nebensache hat.130 Gleichwohl ist er zur Vorlage verpflichtet, weil er als Inhaber der Hauptsache die tatsächliche Sachherrschaft und damit die facultas exhibendi hat:131 D 10.4.7.1–2 Ulp 24 ed Sed si rotam meam vehiculo aptaveris, teneberis ad exhibendum (et ita Pomponius scribit), quamvis tunc civiliter non possideas. (2) Idem et si armario vel navi tabulam meam vel ansam scypho iunxeris vel emblemata phialae, vel purpuram vestimento intexeris, aut bracchium statuae coadunaveris. Hast du aber mein Rad an deinem Wagen angebracht, haftest du auf Vorlegung (und dies schreibt auch Pomponius), obwohl du nicht zivilrechtlich besitzt. (2) Dasselbe gilt, wenn du mein Brett in deinem Schrank oder Schiff angefügt oder einen Henkel an deinem Becher oder ein Medaillon an deinem Trinkgefäß oder Purpurfäden in dein Kleid gewoben oder einen Arm einer Statue angefügt hast.

129 Ganz anders Burillo, SDHI 26 (1960) 258, der glaubt, die Vorlegungsklage greife nur, falls die Sachzusammensetzung dolos erfolgt ist. 130 Gerade diese Aussage trifft der Interpolationsverdacht von Marrone, S. 378 f. 131 Damit haftet er entgegen Burillo, SDHI 26 (1960) 258 gerade nicht nur für den Fall, dass die Sachverbindung arglistig erfolgt ist.

II. Der Quellenbefund

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Die auf Sachtrennung gerichtete actio ad exhibendum erinnert in gewisser Weise an die Klage, die bei einem Wahlvermächtnis angestellt werden kann. Zwar erfasst der Vorlegungsanspruch hier anders als dort ausschließlich ein Objekt, für das der Kläger ein Eigentumsrecht geltend macht. Ihm steht aber vor der Ablösung der Sache keine Vindikation zu Gebote, so dass die actio ad exhibendum erhoben werden kann, ohne dass zugleich eine Hauptklage gegeben wäre.132 Gewissermaßen ein rechtliches Pendant zum Fall der tatsächlichen Sachverbindung bildet die Konstellation, dass eine Sache vom Beklagten ersessen wird. Hier dient die Vorlegungsklage dazu, den Beklagten zu einem Verzicht auf den Einwand der Ersitzung zu bewegen, durch den das Hauptverfahren überhaupt erst Erfolgsaussicht hat.133 2. Nebeneinander und Alternativität von Vorlegungs- und dinglicher Klage Es gibt einige Texte, in denen Vindikation und Vorlegungsklage kumulativ genannt werden, ohne in irgendeine Beziehung gesetzt zu sein. Dies gilt etwa für Ulpians generelle Darstellung der Klagemöglichkeiten, die sich aus einem furtum ergeben:134 D 13.1.7.1 Ulp 42 Sab Furti actio poenam petit legitimam, condictio rem ipsam. ea res facit, ut neque furti actio per condictionem neque condictio per furti actionem consumatur. is itaque, cui furtum factum est, habet actionem furti et condictionem et vindicationem, habet et ad exhibendum actionem. Die Diebstahlsklage zielt auf die gesetzliche Strafe, die Kondiktion auf die Sache. Daraus folgt, dass weder die Diebstahlsklage durch die Kondiktion noch diese durch die Diebstahlsklage verbraucht wird. Wer zum Opfer eines Diebstahls wird, hat daher die Diebstahlsklage und die Vindikation; er hat auch die Vorlegungsklage.

Bezogen auf die Entwendung einer Sache durch einen verkauften Sklaven wird die parallele Zuständigkeit von rei vindicatio und actio ad exhibendum in der folgenden Katene beschrieben, die aus Fragmenten von Ulpians Sabinus- und Ediktskommentar besteht: D 18.1.29 Ulp 41 Sab Quotiens servus venit, non cum peculio distrahitur: et ideo sive non sit exceptum, sive exceptum sit, ne cum peculio veneat, non cum peculio distractus videtur. unde si qua res fuerit peculiaris a servo subrepta, condici potest videlicet quasi furtiva: hoc ita, si res ad emptorem pervenit.

132 133 134

Dies beobachtet Demelius, S. 103 f. D 10.4.9.6 Ulp 24 ed = IJ 4.17.3; s. u. S. 96, 98. Von einer Interpolation dieses Textes geht Marrone, S. 559 aus.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren Wird ein Sklave verkauft, wird er ohne Sondergut veräußert; und daher gilt er unabhängig davon, ob das Sondergut eigens ausgenommen ist, nicht als mit Sondergut verkauft. Deshalb kann, wenn eine zum Sondergut gehörende Sache von einem Sklaven entwendet wird, sie als gestohlen vindiziert werden, falls sie an den Käufer gelangt. D 18.1.30 Ulp 30 ed Sed ad exhibendum agi posse nihilo minus et ex vendito puto. Ich glaube aber, dass auch auf Vorlegung und aus dem Kaufvertrag geklagt werden kann.

Gegenüber der ebenfalls erwähnten actio venditi135 haben die an das Eigentum anknüpfenden Klagen den Vorteil, dass sie als Arbiträrklagen wegen des vom Richter zu erteilenden Befehls der Herausgabe oder Vorlage mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zur Erreichung des Klageziels in Natur führen. Ebenfalls in Konkurrenz mit einer Vertragsklage erscheinen Vindikation und Vorlegungsklage in einer Entscheidung der kaiserlichen Kanzlei von Severus Alexander. Obwohl es eindeutig um einen Fall der Unterschlagung geht, bleibt die actio furti merkwürdigerweise unerwähnt: CJ 4.34.1 (a 234) Imp. Alexander A. Mestrio militi. Si incursu latronum vel alio fortuito casu ornamenta deposita apud interfectum perierunt, detrimentum ad heredem eius qui depositum accepit, qui dolum solum et latam culpam, si non aliud specialiter convenit, praestare debuit, non pertinet. quod si praetextu latrocinii commissi vel alterius fortuiti casus res, quae in potestate heredis sunt vel quas dolo desiit possidere, non restituuntur, tam depositi quam ad exhibendum actio, sed etiam in rem vindicatio competit. Kaiser Alexander an den Soldaten Mestrius. Ist bei einem Feindeseinfall oder einem anderen Ereignis höherer Gewalt Schmuck, der bei einem Getöteten hinterlegt war, verlorengegangen, trifft der Schaden nicht den Erben desjenigen, der das Hinterlegte angenommen hat und ohne besondere Vereinbarung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet. Werden Sachen, die sich in der Gewalt des Erben befinden oder deren Besitz er sich vorsätzlich begeben hat, nur unter dem Vorwand eines Raubes oder eines anderen Ereignisses höherer Gewalt nicht zurückgewährt, stehen sowohl die Verwahrungs- als auch die Vorlegungsklage sowie die dingliche Vindikation zu.

Mit der Zusammenfassung von actio depositi und actio ad exhibendum und ihrer Gegenüberstellung zur rei vindicatio hebt die Kanzlei den Unterschied von persönlicher und dinglicher Klage hervor, der auch in dem Zusatz ,in rem‘ zum Ausdruck kommt.136 135 Dass ihre Erwähnung das Ergebnis einer justinianischen Interpolation ist, glaubt Marrone, S. 560 f. 136 In der parallelen Überlieferung in Coll 10.8 fehlt der Hinweis auf die lata culpa als eines alternativen Anknüpfungspunkts für die Verwahrungsklage; hierzu Harke (Fn. 74), S. 106 f. Außerdem findet sich in der Fassung der Collatio nicht der Fall des arglistigen Besitzverlustes; González Roldán, S. 156 f. hält ihn deshalb für eine Zutat

II. Der Quellenbefund

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Daneben erscheinen Vindikation und Vorlegungsklage noch gemeinsam in einer Aussage Gaius’ zum Recht eines Erben am Testament des Erblassers137 sowie in einer Äußerung Paulus’ zur Passivlegitimation eines Haussohnes138. Bleibt in all diesen Texten offen, in welchem Verhältnis die beiden Klagen zueinander stehen, gibt es doch auch Quellen, in denen ausgesprochen oder wenigstens angedeutet ist, dass Vindikation und Vorlegungsklage in einem Alternativverhältnis stehen. Hierzu können freilich schon aussagelogisch nicht die Entscheidungen zählen, in denen der Rechtsschutz in beiden Fällen gleichermaßen versagt wird. Hierzu kommt es etwa aufgrund des Zwölftafelsatzes, der die Entfernung eines tignum iunctum verbietet. Er steht nicht erst der Vindikation im Wege, sondern schließt schon die Vorlegungsklage aus, mit der gewöhnlich die Abtrennung einer Sache nach ihrer Einfügung oder Zusammensetzung verlangt werden kann.139 Gaius sieht beide Klagen daher erst wieder nach einem Abriss des Gebäudes zuständig, verzichtet aber auch für diesen Fall auf eine Angabe, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen sollen:140 D 41.1.7.10 Gai 2 rer cott141 Cum in suo loco aliquis aliena materia aedificaverit, ipse dominus intellegitur aedificii, quia omne quod inaedificatur solo cedit. nec tamen ideo is qui materiae dominus fuit desiit eius dominus esse: sed tantisper neque vindicare eam potest neque ad exhibendum de ea agere propter legem duodecim tabularum, qua cavetur, ne quis tignum alienum aedibus suis iunctum eximere cogatur, sed duplum pro eo praestet. appellatione autem tigni omnes materiae significantur, ex quibus aedificia fiunt. ergo si aliqua ex causa dirutum sit aedificium, poterit materiae dominus nunc eam vindicare et ad exhibendum agere. Hat jemand auf seinem Grund mit fremdem Baumaterial gebaut, wird er als Eigentümer des Gebäudes angesehen, weil alles, was auf einem Grundstück gebaut wird, dessen rechtliches Schicksal teilt. Aber deshalb verliert nicht derjenige, der Eigender Kompilatoren. Da er inhaltlich keineswegs zu beanstanden ist, besteht für eine solche Interpolationsvermutung jedoch kein zureichender Grund. 137 D 29.3.3 Gai 17 ed; s. o. S. 29. 138 D 5.3.36.1 Paul 20 ed; s. u. S. 72. 139 S. o. S. 47 ff. 140 Entgegen Marrone, S. 547 und Burillo, SDHI 26 (1960) 229 f. bezeugt der Text aber gerade nicht die Eigenständigkeit der actio ad exhibendum. 141 Der Text bildet die Vorlage für den einschlägigen Passus der justinianischen Institutionen; vgl. IJ 2.1.29: Cum in suo solo aliquis aliena materia aedificaverit, ipse dominus intellegitur aedificii, quia omne quod inaedificatur solo cedit. nec tamen ideo is qui materiae dominus fuerat desinit eius dominus esse: sed tantisper neque vindicare eam potest neque ad exhibendum de ea re agere propter legem duodecim tabularum, qua cavetur, ne quis tignum alienum aedibus suis iniunctum eximere cogatur, sed duplum pro eo praestat per actionem quae vocatur de tigno iuncto (appellatione autem tigni omnis materia significatur ex qua aedificia fiunt): quod ideo provisum est, ne aedificia rescindi necesse sit. sed si aliqua ex causa dirutum sit aedificium, poterit materiae dominus, si non fuerit duplum iam consecutus, tunc eam vindicare et ad exhibendum agere.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren tümer des Materials war, seine Rechtsposition; er kann es aber einstweilen weder vindizieren noch auf seine Vorlegung klagen, und zwar wegen des Zwölftafelgesetzes, worin bestimmt ist, dass niemand gezwungen werden kann, einen in sein Gebäude eingebauten Balken herauszureißen, sondern das Doppelte hierfür leisten muss. Die Bezeichnung Balken bedeutet jede Art von Material, aus dem Gebäude bestehen. Daher kann der Eigentümer, wenn das Gebäude aus irgendeinem Grund abgerissen wird, das Material vindizieren und auf Vorlegung klagen.

Umfassende Wirkung kommt ferner der Rechtsschutzverweigerung wegen Glücksspiels zu, die Ulpian nicht auf die actio furti beschränkt wissen, sondern auch auf alle Arten sachverfolgender Klagen und damit auch auf Vindikation und actio ad exhibendum ausdehnen will:142 D 11.5.1.3 Ulp 23 ed Quod autem praetor negat se furti actionem daturum, videamus utrum ad poenalem actionem solam pertineat an et si ad exhibendum velit agere vel vindicare vel condicere. et est relatum apud Pomponium solummodo poenalem actionem denegatam, quod non puto verum: praetor enim simpliciter ait ,si quid subtractum erit, iudicium non dabo‘. Da der Prätor die Gewährung einer Klage wegen Diebstahls verweigert, müssen wir untersuchen, ob sich dies nur auf die Strafklage bezieht oder auch auf den Fall, dass jemand auf Vorlegung klagen, vindizieren oder kondizieren will. Und bei Pomponius heißt es, nur die Strafklage werde verweigert, was ich nicht für richtig halte; der Prätor sagt nämlich schlicht, dass er keine Klage gewährt, wenn etwas entwendet worden ist.

Ebenso unergiebig ist eine Aussage Maecians, der die Gewährung von Vindikation und Vorlegungsklage gegen einen pater familias ablehnt, wenn sich eine fremde Sache im peculium castrense seines Haussohnes befindet: D 49.17.18.4 Maec 1 fid Si quando ex eo peculio filius rem alienam bona fide tenebit, an pater eius in rem vel ad exhibendum actionem pati debeat, ut ceterorum nomine, quaeritur. sed verius est, cum hoc peculium a patris bonis separetur, defensionis necessitatem patri non imponendam. Es stellt sich die Frage, ob, wenn ein Haussohn eine fremde Sache gutgläubig innehat, sein Vater hinnehmen muss, dass gegen ihn so wie wegen anderer Sachen dinglich oder auf Vorlegung geklagt wird. Aber es ist richtiger, dass der Vater nicht zur Verteidigung gezwungen wird, weil dieses Sondergut von seinem eigenen Vermögen getrennt ist.

Auf ein Alternativverhältnis von rei vindicatio und actio ad exhibendum deuten dagegen zwei Entscheidungen der Reskriptenkanzlei hin, in denen die Klagebefugnis des Adressaten bestätigt wird. Die eine stammt aus der Regierungszeit von Severus Alexander:

142 Anders zu Unrecht Marrone, S. 534 und Burillo, SDHI 26 (1960) 229, die hier die Alternativität von Vindikation und Vorlegungsklage bezeugt sehen.

II. Der Quellenbefund

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CJ 3.41.1 (a 223) Imp. Alexander A. Marcello. Si extat corpus nummorum, quos ablatos ex patris tui hereditate ab eo, quem liberum esse constitit, adlegas, vindicare eos vel ad exhibendum agere non prohiberis. nam quamvis alias noxa caput sequatur et manumissus furti actione teneatur, quae in heredem non competit, cum tamen servus a domino aliquid auferat, quamvis furtum committat, furti tamen actio non est nata neque adversus ipsum, si postea manumissus est, locum habet, nisi furtivas res et post manumissionem contractat. Kaiser Alexander an Marcell. Ist der Münzbetrag, von dem du behauptest, er sei aus dem Nachlass deines Vaters von demjenigen entwendet worden, dessen Freilassung gewiss war, noch vorhanden, bist du nicht gehindert, ihn zu vindizieren oder auf Vorlegung zu klagen. Denn obwohl ansonsten die Tat dem Kopf folgt und ein Freigelassener mit der Diebstahlsklage haftet, die gegen den Erben nicht zusteht, entsteht, wenn ein Sklave etwas von seinem Eigentümer entwendet, obwohl er einen Diebstahl begeht, doch keine Diebstahlsklage; und sie greift auch nicht Platz, wenn er später freigelassen wird, falls er sich die gestohlenen Sachen nicht auch nach der Freilassung zueignet.

Die Entwendung einer Sache durch einen Gewaltunterworfenen des Eigentümers bedeutet kein furtum. Dies gilt auch dann, wenn der Täter bei der Tat ein statuliber ist; denn die Aussicht auf die Freiheit ändert nichts am Bestand des Gewaltverhältnisses. Und zu einer Haftung mit der actio furti kommt es später auch nicht dadurch, dass der Täter später die Freiheit erlangt. Um eine Noxalhaftung auszulösen, die nach der Freilassung den ehemaligen Sklaven trifft, muss die Tat nämlich schon im Moment ihrer Begehung einen Strafanspruch zeitigen. Unterschlägt der Täter die Sachen schließlich auch nicht nachträglich, bleiben nur die sachverfolgenden Klagen. Als solche führt die kaiserliche Kanzlei sowohl die rei vindicatio als auch die actio ad exhibendum auf. Beide Klagen stehen nicht unter dem Vorbehalt, dass der gestohlene Betrag noch vorhanden ist. Der einleitende Passus, in dem die Kanzlei erwähnt, dass der Täter noch über ihn verfügt, ist daher als Sachverhaltsbeschreibung zu deuten und als solche zwanglos aus der Ablehnung der Diebstahlsklage zu erklären: Hätte der Täter das Geld ausgegeben, läge hierin zugleich eine Unterschlagung, die auch seine Haftung mit der actio furti zeitigte. Ist der Betrag noch vorhanden, soll sich der Kläger zwischen Vindikation und Vorlegung entscheiden. Zwar schließt diese Formulierung nicht aus, dass der Kläger nach der actio ad exhibendum noch die Eigentumsherausgabeklage anstellt. Wahrscheinlicher ist aber, dass die kaiserliche Kanzlei glaubt, die Sache werde auf die eine oder andere Weise erledigt. Die andere Entscheidung ergeht unter Diokletian und betrifft die Weitergabe einer Sache durch einen Entleiher143 oder Verwahrer:144

143 144

Dessen Erwähnung will Marrone, S. 336 einer Interpolation zuschreiben. Zu § 1 ausführlich Harke (Fn. 34), S. 294 f. sowie ders. (Fn. 74), S. 298 ff.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren CJ 3.42.8pr (a 293) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Photino. Si res tuas commodavit aut deposuit is, cuius precibus meministi, adversus tenentem ad exhibendum vel vindicatione uti potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Photinus. Hat derjenige, den du in deiner Eingabe erwähnt hast, deine Sachen verliehen oder in Verwahrung gegeben, kannst du gegen den Besitzer die Vorlegungsklage oder die Vindikation anstellen.

Auch in diesem Fall ist wiederum nicht auszuschließen, dass die actio ad exhibendum nur als Vorstufe zur Vindikation gedacht ist. Eher ist aber anzunehmen, dass sie ebenso wie diese als Mittel dienen soll, die Auseinandersetzung endgültig zu beenden. Noch deutlicher kommt die Alternativität der beiden Klagen in zwei Aussagen zum Fall der Entwendung einer Sache unter Ehegatten. Die eine stammt von Paulus: D 25.2.6.4 f. Paul 7 Sab Sed si morte mariti solutum sit matrimonium, heres mariti hereditatis petitione vel ad exhibendum actione eas consequi poterit. (5) Aristo et condici ei posse recte putat, quia ex iniusta causa apud eam essent. Ist die Ehe aber durch den Tod des Mannes aufgelöst worden, kann sein Erbe die Sachen mit der Erbschafts- oder mit der Vorlegungsklage erlangen. (5) Aristo glaubt auch zu Recht, er könne kondizieren, weil sie aus einem ungerechten Grund bei ihr seien.

Erfolgt die Tat nicht im Hinblick auf die bevorstehende Auflösung der Ehe durch Scheidung, sondern in Erwartung des Todes eines Ehegatten, scheidet nicht bloß die Annahme eines furtum aus; es kommt noch nicht einmal eine Haftung mit der actio rerum amotarum in Betracht, die eine Entwendung aus Anlass der bevorstehenden Scheidung voraussetzt.145 An ihrer Stelle will Aristo freilich die condictio in Gestalt der Eingriffskondiktion gewähren.146 Und dem Erben des verstorbenen Ehegatten bleiben sein dingliches Recht, das er in diesem Fall mit der Erbschaftsklage durchsetzen kann, sowie die actio ad exhibendum. Bemerkenswert ist, dass Paulus das Klageziel von hereditatis petitio und actio ad exhibendum einheitlich mit ,res consequi‘ beschreibt. Auf dieselbe Wortwahl stoßen wir bei Julian, dessen Äußerung Vorbild für die Paulus’ Äußerung sein könnte: D 25.2.22.1 Iul 19 dig Si mulier mortis causa res amoverit, deinde mortuus esset maritus, hereditatis petitione vel actione ad exhibendum consequi poterit heres id quod amotum est.

145 Hierzu Wacke, Actio rerum amotarum, Köln/Graz 1963, S. 47. Zum Grenzfall von D 25.2.21pr Paul 37 ed Harke (Fn. 34), S. 141 f. 146 Hierzu Harke, Das klassische römische Kondiktionensystem, IVRA 54 (2003) 49, 72 ff.

II. Der Quellenbefund

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Hat eine Frau Sachen in Erwartung des Todes ihres Mannes entwendet und ist er danach gestorben, kann der Erbe das Entwendete mit der Erbschafts- oder Vorlegungsklage erlangen.

Zwar ist das Verb ,consequi‘ zu unspezifisch, als dass seine einheitliche Verwendung für beide Klagen den Schluss zuließe, die actio ad exhibendum sei ebenso wie die dingliche Klage auf den Sachzugriff selbst gerichtet.147 Immerhin legt es aber nahe, dass Julian beide Rechtsbehelfe als alternative Instrumente zur abschließenden Bewältigung des Rechtsstreits sieht.148 Ähnlich verhält es sich mit der folgenden Aussage Ulpians. Sie gilt einem Sklaven, den sein Eigentümer infolge einer erpressten Veräußerung verloren hat. Die actio quod metus causa bleibt hier auch dann erhalten, wenn der Sklave ohne Verschulden des Täters stirbt oder sich auf der Flucht befindet. Daneben können freilich auch sachverfolgende Klagen bestehen: D 4.2.14.11 Ulp 11 ed Quid si homo sine dolo malo et culpa eius, qui vim intulit et condemnatus est, periit? in hoc casu a rei condemnatione ideo relaxabitur, si intra tempora iudicati actionis moriatur, quia tripli poena propter facinus satisfacere cogitur. pro eo autem, qui in fuga esse dicitur, cautio ab eo extorquenda est, quatenus et persequatur et omnimodo eum restituat: et nihilominus in rem vel ad exhibendum vel si qua alia ei competit actio ad eum recipiendum integra ei qui vim passus est servabitur, ita ut, si dominus eum quoquo modo receperit, is qui ex stipulatione convenitur exceptione tutus fiat. . . . Was gilt, wenn der Sklave ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeit desjenigen gestorben ist, der Gewalt verübt hat und verurteilt worden ist? In diesem Fall wird ihm aus diesem Grund die Verurteilung wegen der Sache erspart, falls er innerhalb der Frist für die Vollstreckungsklage gestorben ist, weil er schon gezwungen ist, seine Tat mit der Strafe des Dreifachen zu büßen. Aber wegen eines Sklaven, von dem behauptet wird, er sei geflohen, ist dem Beklagten eine Sicherheitsleistung dafür aufzuerlegen, dass er ihn verfolgt und unbedingt zurückgibt; und nichtsdestoweniger bleiben dem Opfer der Gewalt die dingliche Klage und die Klage auf Vorlegung sowie eine andere Klage, die ihm zur Rückgewähr des Sklaven zusteht, ungeschmälert erhalten, so dass, wenn er ihn als Eigentümer zurückerlangt hat, derjenige, der aus der Stipulation belangt wird, mit einer Einrede geschützt wird. . . .

Ebenso wie Julian und Paulus könnte auch Ulpian hier eine Gemeinsamkeit des Klagezieles zum Ausdruck bringen wollen, indem er eine etwaige dritte Klage als eine solche bezeichnet, die ebenfalls ,ad eum recipiendum‘ gedacht sei. Wiederum darf die Bezeichnung des gemeinsamen sachverfolgenden Charakters nicht in der Weise überbewertet werden, dass der actio ad exhibendum das Klage-

147 So aber Marrone, S. 490 ff., der hier bestätigt sieht, dass ,exhibere‘ gleichbedeutend mit ,tollere pati‘ ist. 148 Insoweit richtig Marrone, S. 572 f., der glaubt, die Auswahl hänge davon ab, wie sich die Beklagte verteidige.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

ziel des Sachzugriffs zugeschrieben wird. Immerhin kann sie aber auch hier als Ausdruck der Alternativität von Vindikation und Vorlegungsklage verstanden werden.149 In welchem Fall die eine und wann die andere Klage in Betracht kommen soll, benennt Ulpian ausdrücklich in D 12.1.11.2 Ulp 26 ed Si fugitivus servus nummos tibi crediderit, an condicere tibi dominus possit, quaeritur. et quidem si servus meus, cui concessa est peculii administratio, crediderit tibi, erit mutua: fugitivus autem vel alius servus contra voluntatem domini credendo non facit accipientis. quid ergo? vindicari nummi possunt, si exstant, aut, si dolo malo desinant possideri, ad exhibendum agi: quod si sine dolo malo consumpsisti, condicere tibi potero. Hat dir ein flüchtiger Sklave Münzen als Darlehen überlassen, stellt sich die Frage, ob der Eigentümer sie kondizieren kann. Und sicherlich kommt ein Darlehen zustande, wenn mein Sklave, dem die Befugnis zur Verwaltung seines Sonderguts zustand, dir Münzen überlassen hat. Ein flüchtiger oder fremder Sklave kann aber durch Darlehensgewährung gegen den Willen seines Eigentümers dem Empfänger kein Eigentum verschaffen. Was gilt also? Sind die Münzen noch vorhanden, können sie vindiziert werden; ist der Besitz an ihnen arglistig aufgegeben worden, kann auf Vorlegung geklagt werden; sind sie aber ohne Arglist verbraucht worden, kann ich von dir kondizieren.

Ist ein Sklave auf der Flucht, kann er auch dann, wenn er über ein Sondergut verfügt, weder einen Darlehensvertrag mit Wirkung für seinen Gewalthaber abschließen noch auf diese Weise das Eigentum an einem seinem Herrn gehörenden Geldbetrag verschaffen. Gleichwohl ist in diesem Fall die condictio zuständig. Sie folgt freilich nicht aus mutuum, sondern sanktioniert als Bereicherungsanspruch den Eingriff in fremdes Recht, den der Verbrauch der Münzen durch ihren Empfänger bedeutet.150 Hierfür bedarf es nicht seines Verschuldens. Anders verhält es sich mit der actio ad exhibendum.151 Ulpian gibt ihr den Vorzug, wenn feststeht, dass sich der Empfänger seines Besitz an den Münzen arglistig begeben hat.152 Die rei vindicatio soll dagegen vorrangig angestellt werden, wenn die Münzen noch beim Empfänger vorhanden sind. Dass die Vorlegungsklage den Rechtsstreit ebenso erledigt wie Vindikation und Kondiktion, ergibt sich aus dem unterstellten Besitzverlust: Hat der Empfänger den ihm überlassenen Geldbetrag verloren, kann die actio ad exhibendum von vornherein nicht

149

Insoweit richtig daher Marrone, S. 551 f. Richtig Heine, Condictio sine datione, Berlin 2006, S. 99 ff., die sich gegen die traditionelle Ansicht einer durch Verbrauch nachträglich vollendeten datio wendet. 151 Ihre Erwähnung führt Marrone, S. 440 f. auf eine nachklassische Überarbeitung des Textes zurück. 152 Er schränkt sie aber keinesfalls auf diese Konstellation ein; vgl. González Roldán, S. 145 f. 150

II. Der Quellenbefund

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darin münden, dass sie auf Anordnung des Richters vorgelegt und dann zum Gegenstand einer Vindikation gemacht werden. Nach dem Vorbild Ulpians differenzieren die Verfasser von Justinians Institutionen in dem verwandten Fall, dass ein Mündel eigene Münzen ohne Zustimmung seines Vormundes übereignet hat: IJ 2.8.2 Nunc admonendi sumus neque pupillum neque pupillam ullam rem sine tutoris auctoritate alienare posse. ideoque si mutuam pecuniam alicui sine tutoris auctoritate dederit non contrahit obligationem, quia pecuniam non facit accipientis, ideoque vindicari nummi possunt, sicubi extent: sed si nummi, quos mutuos dedit, ab eo qui accepit bona fide consumpti sunt, condici possunt, si mala fide, ad exhibendum de his agi potest. . . . Wir müssen darauf hinweisen, dass ein Mündel, sei es männlich oder weiblich, ohne die Zustimmung seines Vormunds keine Sache veräußern kann. Daher begründet es, wenn es einem anderen Geld ohne Zustimmung des Vormunds als Darlehen gewährt, keine Verpflichtung, weil es den Geldbetrag nicht zum Eigentum des Empfängers macht, und es kann die Münzen vindizieren, wenn sie noch vorhanden sind; sind die als Darlehen überlassenen Münzen aber von dem Empfänger in gutem Glauben verbraucht worden, können sie kondiziert werden; sind sie bösgläubig verbraucht worden, kann ihretwegen auf Vorlegung geklagt werden. . . .

Und auch Paulus will im Fall einer Vermischung gleichartiger Sachen die actio ad exhibendum vor allem dann zum Zuge kommen lassen, wenn die Vermischung arglistig erfolgte:153 D 6.1.3.2 Ulp 16 ed Pomponius scribit, si quid quod eiusdem naturae est ita confusum est atque commixtum, ut deduci et separari non possint, non totum sed pro parte esse vindicandum. . . . Pomponius schreibt, dass wenn Sachen desselben Stoffs so verbunden oder vermischt sind, dass sie nicht entfernt und getrennt werden können, nicht das Ganze, sondern nur teilweise vindiziert werden kann. . . . D 6.1.4 Paul 21 ed Quo quidem casu etiam communi dividundo agi poterit: sed et furti et ad exhibendum tenebitur, qui dolo malo confundendum id argentum curavit: ita ut in ad exhibendum actione pretii ratio haberi debeat, in vindicatione vel communi dividundo actione hoc amplius ferat, cuius argentum pretiosius fuerat. In diesem Fall kann auch auf Teilung geklagt werden; aber wer arglistig dafür gesorgt hat, dass das Silber zusammengeschmolzen wird, haftet auch wegen Diebstahls und auf Vorlegung; und ebenso, wie bei der Vorlegungsklage das Wertverhältnis berücksichtigt werden muss, muss bei der Vindikation und der Teilungsklage derjenige mehr erhalten, dessen Silber wertvoller war.

153 Einem Interpolationsverdacht unterzieht diesen Text Marrone, S. 415 ff. González Roldán, S. 135 unterstellt zu Unrecht, es gehe um den Fall, dass Material von unterschiedlicher Qualität vermischt wird.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

Ebenso entscheidet die kaiserliche Kanzlei unter Gordian auf die Anfrage eines Erben, der die Entwendung einer Nachlasssache durch die Ehefrau des Erblassers beklagt:154 CJ 9.32.4pr, 1 (a 242) Imperator Gordianus A. Basso. Adversus uxorem, quae socia rei humanae atque divinae domus suscipitur, mariti diem suum functi successores expilatae hereditatis crimen intendere non possunt. (1) Et ideo res, quas per eandem abesse quereris, competenti in rem actione vel, si dolo malo fecerit, quo minus res mobiles possideret, ad exhibendum persequere. Gegen die Ehefrau, die als Gefährtin in weltlichen und göttlichen Dingen in das Haus des Mannes aufgenommen worden ist, können dessen Rechtsnachfolger nach seinem Tod nicht Anklage wegen Ausplünderung der Erbschaft erheben. (1) Und daher musst du die Sachen, die du vermisst, mit der zuständigen dinglichen Klage oder, wenn sie arglistig bewirkt hat, dass sie bewegliche Sachen nicht besitzt, mit der Vorlegungsklage verfolgen.

Lassen die römischen und byzantinischen Juristen hier über die Wahl zwischen rei vindicatio und actio ad exhibendum den Sachverlust entscheiden,155 muss zumindest die im Reskript von Severus Alexander (CJ 3.41.1) angedeutete Alternativität der Klagen auf einem anderen Grund beruhen; denn die Entscheidung der kaiserlichen Kanzlei ist ja gerade auf den Fall gemünzt, dass der von dem Sklaven entwendete Geldbetrag noch bei diesem vorhanden ist. Also kann sich die Wahl nur danach richten, ob damit zu rechnen ist, dass die actio ad exhibendum den Rechtsstreit deshalb erschöpft, weil aus anderem Grund zu erwarten ist, dass der Besitzer auf den Vorlagebefehl des Richters entweder gar nicht oder umgekehrt gerade in der Weise reagiert, dass er die Sache dem Kläger vollends überlässt. Im einen Fall kommt es zu einer Verurteilung, die eine Vindikation erübrigt, im anderen hat sich diese durch die freiwillige Herausgabe der Sache an den Kläger erledigt. 3. Exklusive Zuständigkeit der actio ad exhibendum Setzen die Juristen Vorlegungs- und dingliche Klage zuweilen in ein Alternativverhältnis, überrascht nicht, dass die actio ad exhibendum in zahlreichen Entscheidungen als allein einschlägiger Rechtsbehelf erscheint. Dies gilt zunächst einmal in allen Fällen, in denen feststeht, dass der Beklagte sich seiner Sachherrschaft begeben hat. Dem in D 12.1.11.2 gegebenen Rat Ulpians, in diesem Fall ausschließlich die Vorlegungsklage anzustellen, folgen auch alle anderen Juristen. Da klar ist, dass der Beklagte einem Vorlagebefehl des Richters nicht nachkommen kann, kommt die Vorbereitung eines dinglichen Rechtsstreits nicht in 154 Vgl. Demelius, S. 83. Marrone, S. 396 f. greift auch in diesem Fall wieder zu einer Interpolationsvermutung. 155 Dies beobachtet auch Demelius, S. 82.

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Betracht. Die Auseinandersetzung wird vielmehr allein im Verfahren über die actio ad exhibendum entschieden. Sie ist begründet, wenn der Kläger dem Beklagten den Vorwurf der Arglist machen kann. Zu dem Besitzverlust, der dem Beklagten vorgehalten wird, kann es nicht nur durch die Weiter- oder Preisgabe einer Sache, sondern auch durch ihre Zerstörung oder dadurch kommen, dass sie zwar vorhanden, aber dem Rechtsverkehr entzogen ist. Ein Fall ist das tignum iunctum, das nach einer Bestimmung des Zwölftafelgesetzes nicht aus dem Gebäude herausgelöst werden darf, in das es eingebaut worden ist. Zwar kann hier weder vindiziert noch die Vorlegungsklage mit dem Ziel erhoben werden, dass die Sache abgetrennt wird.156 Neben der besonderen Klage aus Zwölftafelgesetz kann jedoch auch die actio ad exhibendum Platz greifen, wenn sie nicht auf Vorlage der Sache gerichtet ist, sondern den arglistigen Besitzverlust sanktioniert:157 D 47.3.1.2 Ulp 37 ed Sed et ad exhibendum danda est actio: nec enim parci oportet ei, qui sciens alienam rem aedificio inclusit vinxitve: non enim sic eum convenimus quasi possidentem, sed ita, quasi dolo malo fecerit, quo minus possideat. Es ist aber die Vorlegungsklage zu gewähren; denn es darf nicht geschont werden, wer wissentlich eine fremde Sache in ein Gebäude eingebaut oder hieran befestigt hat; so wird er nämlich nicht als Besitzer, sondern deshalb belangt, weil er arglistig bewirkt hat, dass er nicht mehr besitzt.

Einem vergleichbaren Fall des Besitzverlustes widmet sich Callistrat in D 31.63 Call 4 ed mon Si heres rem, legatam ignorans, in funus consumpsit, ad exhibendum actione non tenebitur, quia nec possidet nec dolo malo fecit quo minus possideret. sed per in factum actionem legatario consulitur, ut indemnitas ei ab herede praestetur. Hat der Erbe eine vermachte Sache unwissentlich für das Begräbnis verbraucht, haftet er nicht mit der Vorlegungsklage, weil er nicht besitzt und auch nicht arglistig bewirkt hat, dass er nicht mehr besitzt. Aber dem Vermächtnisnehmer ist mit einer Tatsachenklage beizustehen, damit ihm von dem Erben Entschädigung geleistet wird.

Hat der Erbe eine Sache, die per vindicationem vermacht war, in Unkenntnis dieser Verfügung für das Begräbnis verbraucht, kann die zulasten des Vermächtnisnehmers eingetretene Bereicherung des Erben nach Ansicht des Spätklassikers nur mit einer actio in factum abgeschöpft werden. Ein Zugriff auf die Sache ist nicht nur dann ausgeschlossen, wenn der Erbe sie veräußert hat, um die Kosten der Beerdigung des Erblassers zu decken; er scheidet auch aus, wenn die Sache

156 D 6.1.23.5 f. Paul 21 ed, D 10.4.6 Paul 14 Sab; s. o. S. 57 f.; D 41.1.7.10 Gai 2 rer cott = IJ 2.1.29; s. o. S. 51 f. 157 So deutet den folgenden Text richtig Marrone, S. 410 ff., der ihn aber einer Interpolationsvermutung unterzieht. Gegen eine solche spricht sich sogar Melillo, Tignum iunctum, Neapel 1964, S. 105 ff. aus, der der actio ad exhibendum hier eine Straffunktion attestieren will. Dagegen wendet sich zu Recht González Roldán, S. 151.

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unmittelbar für das Begräbnis eingesetzt und damit dem Rechtsverkehr entzogen worden ist. Die actio ad exhibendum könnte hier nur dann zum Zuge kommen, wenn der Vermächtnisnehmer dem Erben den Vorwurf machen kann, sein Recht arglistig missachtet zu haben.158 Einen weiteren Schwerpunkt der Entscheidungen, in denen isoliert die actio ad exhibendum gewährt wird, betreffen Delikte und deliktsähnliche Situationen. Das furtum ist uns als Anwendungsfall der Vorlegungsklage schon abstrakt benannt159 und auch in konkreten Erscheinungsformen160 begegnet. Anlass für die Gewährung einer Vorlegungsklage ist es auch in einer Entscheidung, die Paulus der unberechtigten Abholzung eines Baums auf fremdem Grund widmet:161 D 47.7.8.2 Paul 39 ed Igitur si ceciderit et lucri faciendi causa contrectaverit, etiam furti tenebitur lignorum causa et condictione et ad exhibendum. Wer also einen Baum gefällt und in Zueignungsabsicht entwendet hat, haftet wegen des Holzes sowohl mit der Diebstahlsklage als auch mit der Kondiktion und auf Vorlegung.

Auf die Trias von actio furti, condictio furtiva und Vorlegungsklage stoßen wir noch in zwei weiteren Entscheidungen. Die eine stammt von Ulpian und betrifft die Vorenthaltung einer Sache durch einen ehemaligen Sklaven, dessen Freilassung der restitutio in integrum wegen Minderjährigkeit des Freilassers unterliegt. Auch wenn der Freigelassene dessen Sachen noch als Sklave an sich gebracht hat, vermag er dem Vorwurf des dolus doch nicht zu entgehen, wenn er sie nach seiner Freilassung behalten und so unterschlagen hat:162 D 4.4.11pr Ulp 11 ed . . . sed et nomine earum rerum, quas dominicas servus manumissus supprimebat, competunt adversus eum actiones ad exhibendum et furti et condictio, videlicet quoniam et manumissus eas contrectabat. . . . . . . Aber auch wegen der Sachen, die dem Eigentümer gehören und die der Freigelassene unterschlagen hat, stehen gegen ihn die Klagen auf Vorlegung und wegen Diebstahls und die Kondiktion zu, und zwar deshalb, weil er sie auch als Freigelassener entwendet hat. . . .

Die andere Entscheidung geht auf Papinian zurück. Sie gilt ebenfalls einer Unterschlagung, diesmal begangen durch jemanden, dem eine fremde Sache zur

158 Anders offenbar González Roldán, S. 129 f., der die Kenntnis vom behaupteten Recht des Legatars nicht genügen lassen will. 159 D 10.4.12.2 Paul 26 ed (s. o. S. 20 f.). 160 D 12.4.15 Pomp Sab (Unterschlagung durch Auslieferung eines in quaestionem überlassenen Sklaven; s. o. S. 23 f.), D 13.7.3 Pomp 18 Sab (Pfandkehr durch Vortäuschung von Erfüllungsbereitschaft; s. o. S. 22 f.). 161 Für vollständig interpoliert erklärt diesen Text Marrone, S. 562 f. 162 Von einer Interpolation geht hier wieder Marrone, S. 558 f. aus.

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Untersuchung überlassen war.163 Papinian erkennt in der zugrunde liegenden Vereinbarung einen unbenannten Vertrag, aus dem eine actio praescriptis verbis erwächst.164 Er hält diesen Anspruch aber für nachrangig, wenn der Eigentümer davon ausgeht, dass sich die Sache noch bei ihrem Empfänger befindet. In diesem Fall solle sich der Eigentümer der Diebstahlsklage, der condictio furtiva oder der actio ad exhibendum bedienen:165 D 19.5.17.2 Ulp 28 ed Papinianus libro octavo quaestionum scripsit, si rem tibi inspiciendam dedi et dicas te perdidisse, ita demum mihi praescriptis verbis actio competit, si ignorem ubi sit: nam si mihi liqueat apud te esse, furti agere possum vel condicere vel ad exhibendum agere. . . . Papinian schreibt im achten Buch der Rechtsfragen, dass, wenn ich dir eine Sache zur Prüfung überlassen habe und du behauptest, sie verloren zu haben, mir nur dann die Klage mit vorgeschriebener Formel zusteht, wenn ich nicht weiß, wo sie sich befindet; denn wenn mir klar ist, dass sie sich bei dir befindet, kann ich mit der Diebstahlsklage oder mit der Kondiktion oder auf Vorlegung klagen . . .

Ohne Hinweis auf eine denkbare Vindikation wird die actio ad exhibendum auch im Fall geraubten Guts erwähnt. Hier kann sie bei der Vertreibung von einem Grundstück sogar neben dem interdictum unde vi einschlägig sein, wenn sich der Täter auch auf dem Grundstück befindlicher beweglicher Sachen bemächtigt und sie nicht zurückgegeben hat:166 D 43.16.1.6, 32 Ulp 69 ed Illud utique in dubium non venit interdictum hoc ad res mobiles non pertinere: nam ex causa furti vel vi bonorum raptorum actio competit: potest et ad exhibendum agi. . . . (32) Si fundus, a quo vi expulsus sim, mihi restitutus esset, ceterae vero res, quae vi ablatae sunt, non restituantur, hic dicendum est interdictum nihilo minus tenere, quia verum est vi esse deiectum. plane si quis velit de possessione quidem rei soli per hoc interdictum experiri, de rebus vero mobilibus ad exhibendum actione, potest hoc suo arbitrio habere, et ita Iulianus scribit: idem scribit et si quis vi bonorum raptorum de huiusmodi rebus velit experiri. Es hat nie in Zweifel gestanden dass sich dieses Interdikt nicht auf bewegliche Sachen bezieht; denn hierfür sind die Klagen wegen Diebstahls und Raubes zuständig; und es kann auch auf Vorlegung geklagt werden. . . . (32) Ist mir ein Grundstück, von dem ich vertrieben worden bin, zurückgegeben worden, dagegen nicht die übrigen Sachen, die gewaltsam entwendet worden sind, gilt nichtsdestoweniger, dass mit diesem Interdikt gehaftet wird, weil zutrifft, dass ich gewaltsam vertrieben worden bin. 163 Marrone, S. 353 vermisst in diesem Fall wohl zu Recht einen Eigenbesitzwillen des Sachempfängers. 164 Schon die Erwähnung dieser Klage hält Marrone, S. 350 ff. für interpoliert. 165 Während Marrone, S. 352 f. die an das furtum anknüpfenden Klagen einer Interpolation zuschreibt, geht Burillo, SDHI 26 (1960) 269 davon aus, dass die Nennung der actio ad exhibendum einem späteren Bearbeiter zuzuschreiben ist. 166 Interpolationsvermutungen unterliegen die maßgeblichen Passagen wiederum bei Marrone, S. 561 f.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren Will jemand freilich nur wegen des Besitzes des Grundstücks den Erlass des Interdikts erwirken, wegen der beweglichen Sachen dagegen die Vorlegungsklage erheben, steht dies in seinem Ermessen; und dies schreibt auch Julian; er schreibt ferner, dasselbe gelte, wenn er wegen dieser Sachen die Raubklage erheben wolle.

Gleichfalls diebstahlsähnlich ist die Entwendung eines Nachlassgegenstands vor Erbschaftsantritt, wenn die betroffene Sache keinen Eigentümer hat.167 Versagen deshalb die Strafklage und die condictio furtiva, zeitigt die Tat aber doch eine Haftung des Täters oder seines Gewalthabers168 mit der actio ad exhibendum:169 D 9.4.40 Iul 22 dig Si servus legatus ante aditam hereditatem rem heredis futuri subtraxerit, poterit is cum legatario qui legatum agnoverit furti agere: sed si idem servus hereditariam rem subtraxerit, furti actio cessabit, quia huiusmodi rerum furtum non fit: ad exhibendum autem actio competit. Hat ein vermachter Sklave vor Antritt der Erbschaft eine Sache des künftigen Erben entwendet, kann dieser gegen den Vermächtnisnehmer, wenn er das Vermächtnis angenommen hat, wegen Diebstahls klagen; hat der Sklave aber eine Nachlasssache entwendet, fällt die Diebstahlsklage aus, weil an diesen Sachen kein Diebstahl begangen werden kann; es steht aber die Vorlegungsklage zu.

Ebenfalls einem Diebstahl vergleichbar, aber wiederum nicht als furtum verfolgt ist die Entwendung einer Sache unter Ehegatten.170 Papinian befasst sich mit ihr unter dem Gesichtspunkt, ob eine Ehefrau, die Sachen ihres verstorbenen Mannes behalten hat, den Tatbestand des crimen expilatae hereditatis171 verwirklicht hat: D 3.5.32 Pap 10 resp Heres viri defuncti uxorem, quae res viri tempore nuptiarum in sua potestate habuit, compilatae hereditatis postulare non debet. prudentius itaque faciet, si ad exhibendum et negotiorum gestorum, si negotia quoque viri gessit, cum ea fuerit expertus. Der Erbe eines verstorbenen Ehemannes kann die Ehefrau, wenn sie Sachen des Mannes schon während der Ehe in ihrer Gewalt hatte, nicht wegen Ausplünderung der Erbschaft in Anspruch nehmen. Es ist für ihn daher ratsam, auf Vorlegung und, wenn sie die Geschäfte des Ehemannes geführt hat, wegen Geschäftsführung gegen sie zu klagen.

Da die Frau auf die Sachen nicht erst nach dem Tod ihres Mannes zugegriffen hat, unterliegt sie nicht der kriminalrechtlichen Verfolgung. Papinian hält aber, wenn die Frau sich die Geschäfte der ruhenden Erbschaft angemaßt hat, eine

167 168 169 170 171

D 47.19.6 Paul 1 Ner, D 47.19.2.1 Ulp 9 off proc (s. o. S. 43). Marrone, S. 326 attestiert diesem lediglich eine ,possessio corpore tantum‘. Für interpoliert hält die Erwähnung der Klage hier Burillo, SDHI 26 (1960) 261. D 25.2.1 Paul 7 Sab. S. o. S. 42 f.

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actio negotiorum gestorum für denkbar172 und verweist für die Sachverfolgung auf die Vorlegungsklage. Einem Sonderfall unberechtigter Vorenthaltung durch einen Ehegatten gilt ebenfalls die folgende Entscheidung: D 23.3.9.3 Ulp 31 Sab Ceterum si res dentur in ea, quae Graeci parapherna dicunt quaeque Galli peculium appellant, videamus, an statim efficiuntur mariti. . . . plane si rerum libellus marito detur, ut Romae volgo fieri videmus . . . hae igitur res an mariti fiant, videamus. et non puto, non quod non ei traduntur (quid enim interest, inferantur volente eo in domum eius an ei tradantur?), sed quia non puto hoc agi inter virum et uxorem, ut dominium ad eum transferatur, sed magis ut certum sit in domum eius illata, ne, si quandoque separatio fiat, negetur: et plerumque custodiam earum maritus repromittit, nisi mulieri commissae sint. videbimus harum rerum nomine, si non reddantur, utrum rerum amotarum an depositi an mandati mulier agere possit. et si custodia marito committitur, depositi vel mandati agi poterit: si minus, agetur rerum amotarum, si animo amoventis maritus eas retineat, aut ad exhibendum, si non amovere eas connisus est. Werden aber Sachen in Gestalt des Vermögens überlassen, das die Griechen parapherma und die Gallier Sondergut nennen, müssen wir untersuchen, ob sie sogleich zum Eigentum des Ehemannes werden. . . . Wird dem Ehemann freilich ein Verzeichnis gegeben, wie es in Rom gewöhnlich geschieht . . . müssen wir untersuchen, ob sie deshalb Eigentum des Ehemannes werden. Und ich glaube dies nicht, freilich nicht aus dem Grund, dass sie ihm nicht übergeben seien (welchen Unterschied macht es nämlich, ob sie mit seinem Willen in sein Haus eingebracht oder ihm regelrecht übergeben werden?), sondern deshalb, weil ich nicht glaube, dass der Eigentumsübergang zwischen Ehemann und Ehefrau vereinbart ist, sondern dass eher klargestellt werden soll, was in sein Haus eingebracht worden ist, damit dies im Fall einer Scheidung nicht bestritten wird; und häufig verspricht der Ehemann die Bewachung dieser Sachen, sofern sie nicht der Frau überlassen sind. Wir untersuchen, ob wegen dieser Sachen, wenn sie nicht zurückgegeben werden, die Klage wegen entwendeter Sachen oder die Verwahrungs- oder die Auftragsklage erhoben werden kann. Und wenn dem Ehemann die Bewachung überlassen ist, kann die Verwahrungs- oder die Auftragsklage erhoben werden, falls nicht, die Klage wegen entwendeter Sachen, wenn der Ehemann sie mit Zueignungsabsicht zurückbehält, oder die Vorlegungsklage, falls er nicht vorhatte, sie zu entwenden.

Wechseln die von einer Frau in die Ehe eingebrachten Sachen nicht als dos in das Vermögen des Ehemannes, bleiben sie zwar im Eigentum der Frau, gelangen aber faktisch in den Herrschaftsbereich des Mannes. Verweigert dieser nach Auflösung der Ehe ihre Rückgabe, kann die Ehefrau ihn mit der actio depositi oder actio mandati belangen, wenn er das Gut der Frau in Verwahrung genommen hat. Unterschlägt er deren Sachen in Zueignungsabsicht, wird dies nicht als furtum verfolgt. Stattdessen ist die actio rerum amotarum zuständig,173 die sachverfol172 173

Marrone, S. 566 hält den Text insoweit für unecht. Hierzu Wacke (Fn. 145), S. 71 f.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

gend und der condictio furtiva ähnlich ist.174 Auch diese Klage scheidet aber aus, wenn der Ehemann sich die Sachen nicht zueignen, sondern aus anderen Gründen behalten will, etwa weil er sich eines gegenläufigen Anspruchs gegen die Frau berühmt175. Hier bleiben der Frau nur die aus ihrem Eigentum entspringenden Klagen, von denen Ulpian allein die actio ad exhibendum erwähnt. Eigentlich ist diese auch im Fall eines Verwahrungsvertrags und bei Zueignungsabsicht des Ehemannes begründet. Erwähnt Ulpian sie für den Fall, dass es an beidem fehlt,176 will er so wohl zum Ausdruck bringen, dass sie stets und auch dann noch zu Gebote stehen, wenn es an den Voraussetzungen für die konkurrierenden Klagen fehlt. Mit einer wiederum nicht als furtum sanktionierten Unterschlagung befasst sich Papinian: D 15.1.50.3 Pap 9 quaest Servus alienus, cum bonae fidei serviret mihi, nummos a Titio mutuatos mihi dedit, ut eum manumitterem, et manumissi: creditor quaerebat, quem de peculio conveniret. dixi, quamquam creditor electionem alias haberet, tamen in proposito dominum esse conveniendum et eum ad exhibendum mecum acturum pecuniae nomine, quae ipsi esset adquisita nec in eam causam alienata, quae pro capite servi facta proponeretur . . . Ein fremder Sklave, der mir ordnungsgemäß diente, hat mir für seine Freilassung Münzen gegeben, die er von Titius als Darlehen erhalten hat, und ich habe ihn freigelassen; der Gläubiger fragt, wen er wegen des Sonderguts belangen solle. Ich habe gesagt, dass, auch wenn der Gläubiger ansonsten die Wahl habe, dennoch im vorliegenden Fall der Eigentümer zu belangen sei und dieser gegen mich auf Vorlegung wegen des Geldbetrags klagen solle, der für ihn erworben wurde und nicht zu dem Zweck der Freilassung ausgegeben werden konnte . . .

Wer einen Vertrag mit einem Sklaven eingeht, der bona fide einem anderen Gewalthaber dient, muss sich nicht stets an den Eigentümer des Sklaven halten, sondern zuweilen auch an denjenigen wenden, dem er sich faktisch unterstellt hat. Ist der scheinbare Gewalthaber gutgläubig, erlangt er nämlich das Eigentum an Sachen, die der Sklave unter Einsatz des Vermögens seines vermeintlichen Herrn oder mit Hilfe seiner Arbeitskraft erlangt hat.177 Allein ein Erwerb zugunsten des wahren Eigentümers kommt dagegen in Betracht, wenn das Darlehen dazu dienen soll, die Freilassung des Sklaven durch den vermeintlichen Gewalthaber zu finanzieren. Folglich kann der Darlehensgeber allein den wirklichen Eigentümer des Sklaven in Anspruch nehmen; und dieser kann wiederum den scheinbaren Gewalthaber belangen. Da der Sklave keine Befugnis hatte, das Geld

174 175 176 177

D 25.2.26 Gai 4 ed prov. Hieran denkt auch Demelius, S. 76. Als Interpolationsindiz wertet dies Burillo, SDHI 26 (1960) 264. Gai 2.91 f.

II. Der Quellenbefund

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für seine Freilassung auszugeben, ist es seinem Eigentümer unfreiwillig abhandengekommen. Liegt hierin auch kein furtum, weil dieses nicht durch einen Gewaltunterworfenen zum Nachteil seines Eigentümers begangen werden kann, verbleibt diesem doch seine dingliche Rechtsstellung. Als Klage erwägt Ulpian freilich nicht die rei vindicatio, sondern allein die Vorlegungsklage.178 Der Grund, aus dem gerade bei Straftaten und in ähnlichen Fällen regelmäßig allein die actio ad exhibendum erwogen wird, liegt auf der Hand: Zum einen besteht unter diesen Umständen eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass der Täter die Sache bereits weiter- oder aufgegeben hat, so dass sich hier der auch sonst festzustellende Vorzug der Klage im Fall des Besitzverlustes bemerkbar macht. Zum anderen ist, wenn der Beklagte noch über die Sache verfügt, wenn auch keineswegs ausgeschlossen, so doch eher nicht zu erwarten, dass er dem Vorlagebefehl des Richters in der Weise Folge leistet, dass er die Sache vorzeigt und sich auf die dingliche Klage einlässt. Der Täter ist entweder einsichtig und darum bemüht, die Sanktion seines Verhaltens zu begrenzen; in diesem Fall reagiert er auf die Anordnung des Richters in der Weise, dass er dem Kläger die umstrittene Sache vollständig überlässt. Oder er leugnet Tat und Verpflichtung strikt; dann geht auch der Vorlagebefehl des Richters ins Leere und es kommt zur Verurteilung, die den dinglichen Rechtsstreit ebenfalls erübrigt. Etwas anderes gilt, wenn sich das Opfer der Tat gegen einen Erben des Täters wendet, der nicht befürchten muss, für das Verhalten des Erblassers bestraft zu werden. Deshalb geht Ulpian in diesem Fall auch von einem gestuften Verfahren aus, das nach Vorlage der umstrittenen Sache mit der Vindikation fortgesetzt wird.179 Dasselbe gilt in dem von Pomponius und Ulpian entschiedenen Fall der Verfolgung von Wölfen geraubter Schweine.180 Hier verteidigt sich der Nachbar, indem er sich des Eigentums an den von ihm zurückgeholten Tieren berühmt. Er wird diese also voraussichtlich weder endgültig dem Kläger noch durch ihre Vorenthaltung eine Verurteilung aus der actio ad exhibendum riskieren, so dass Ulpian von einem gestuften Verfahren ausgeht. Die Vorlegungsklage erwägen die Juristen ferner exklusiv in den Fällen, in denen die Parteien eines Kaufvertrags über die Erzeugnisse oder sonstige Ausbeute eines Grundstücks streiten, sei es, dass sie dem Käufer überlassen sind und von ihm als Kaufsachen beansprucht werden,181 sei es, dass sie vom Verkäufer in Anspruch genommen werden, weil sie von dem Vertrag ausgenommen sind.182

178 Marrone, S. 550 führt dies darauf zurück, dass der Besitzer in diesem Fall keine Möglichkeit zur Defension habe. 179 Vgl. D 47.1.1pr Ulp 41 Sab; s. o. S. 44 f. 180 D 41.1.44 Ulp 19 ed; s. o. S. 44. 181 D 10.4.5.5 Ulp 24 ed und D 19.1.17.6 Ulp 32 ed; s. o. S. 17 f. 182 D 19.1.25 Iul 54 dig und D 19.5.16pr Pomp 22 Sab; s. o. S. 18 ff.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

Ähnlich ist der folgende, von Ulpian behandelte Fall, in dem die actio ad exhibendum ebenfalls mit einer auf denselben Gegenstand gerichteten Vertragsklage konkurriert: D 19.2.19.5 Ulp 32 ed Si inquilinus arcam aeratam in aedes contulerit et aedium aditum coangustaverit dominus, verius est ex conducto eum teneri et ad exhibendum actione, sive scit sive ignoraverit: officio enim iudicis continetur, ut cogat eum aditum et facultatem inquilino praestare ad arcam tollendam sumptibus scilicet locatoris. Hat ein Mieter eine bronzene Truhe in ein Gebäude eingebracht und der Eigentümer den Eingang dieses Gebäudes verkleinert, haftet dieser nach richtiger Ansicht mit der Pächter- und der Vorlegungsklage, sei es, dass er es wusste oder nicht; zur Amtspflicht des Richters gehört es nämlich, dass er im Interesse des Mieters auf Kosten des Vermieters den Zugang und die Möglichkeit zur Fortschaffung der Truhe erzwingt.

Lässt sich die Truhe des Mieters nicht aus dem gemieteten Haus schaffen, weil der Vermieter den Hauseingang verkleinert hat, steht dem Mieter außer der actio conducti noch die Vorlegungsklage zu Gebote. Ihre Gewährung soll nicht davon abhängen, ob der Vermieter die Entfernung der Truhe unabsichtlich oder arglistig verhindert hat. Da sie sich in dem ihm gehörenden Mietshaus befindet, verfügt er immer noch über die facultas exhibendi, die eine Prüfung seines bisherigen Verhaltens entbehrlich macht.183 Bemerkenswert ist, dass Ulpian hier das officium iudicis erwähnt und dem Richter die Aufgabe zuweist, den Vermieter zur erneuten Verbreiterung des Hauseingangs zu zwingen. Gemeint sein kann damit nur der Restitutionsbefehl des iudex, der dem Vermieter vor dessen Verurteilung aufgibt, einen Abtransport der Truhe zu ermöglichen. Aus Ulpians Sicht stellt er offenbar einen entscheidenden Vorteil der actio ad exhibendum gegenüber der Klage aus dem Mietvertrag dar.184 Zwar kann der Richter die Herausgabe der Sache auch im Rahmen des Vorlegungsverfahrens nicht regelrecht erzwingen; er kann durch seinen Zwischenbescheid aber einen besonderen Druck zur Naturalerfüllung ausüben, wie er bei der Vertragsklage nicht denkbar ist. Dies ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Grund, warum die actio ad exhibendum den Juristen auch in den Verkaufsfällen als Mittel der Wahl erscheint: Begehren Käufer oder Verkäufer die Herausgabe der aus dem Grundstück gezogenen Früchte, kommen sie diesem Ziel am nächsten, indem sie eine Klage erheben, bei der die Überlassung der Sache an den Kläger Gegenstand eines besonderen Bescheides ist. Über denselben Vorteil verfügt allerdings auch die rei vindicatio. Bleibt sie unerwähnt, kann dies nur daran liegen, dass die Juristen von einer Erledigung des Streits ausgehen, wenn die Sache einmal vom

183

Insoweit richtig Marrone, S. 321. Dass deren Erwähnung erst das Ergebnis einer Interpolation ist, nimmt Marrone, S. 319 an. 184

II. Der Quellenbefund

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Grundstück des Beklagten entfernt ist.185 Verständlich wird dies durch den Zusammenhang, in dem Ulpian den Verkaufsfall in seinem Kommentar zum Edikt über die actio ad exhibendum behandelt: Ebenso wie die Konstellationen, in denen ein Düngerhaufen angelegt wird, ein von den Fluten weggerissenes Floß anlandet oder Teile eines eingestürzten Gebäudes auf das Nachbargrundstück fallen,186 dient er ihm als Beispiel dafür, dass jemand, um zur Vorlegungsklage passivlegitimiert zu sein, keine possessio civilis haben muss. Ulpian unterstellt also, dass der Beklagte jeweils keinen Eigenbesitz beansprucht und folglich auch nicht das Recht des Klägers in Zweifel zieht. Unter diesen Umständen ist damit zu rechnen, dass der Beklagte dem Vorlagebefehl des Richters in der Weise gehorcht, dass er dem Kläger die Sache endgültig überlässt. Dasselbe gilt schließlich in dem von Ulpian ebenfalls bei der Darstellung der Passivlegitimation aufgeführten Fall, dass der Beklagte die Sache als Nießbraucher oder deshalb beansprucht, weil er in ihren Besitz zur Sicherung eines anderen Anspruchs eingewiesen ist. Hier sagt Ulpian ausdrücklich, dass die Vorlage der Sache zur possessio des Klägers führt, also die Vindikation erledigt: D 10.4.5.1 Ulp 24 ed Iulianus autem ita scribit ad exhibendum actione teneri eum, qui rerum vel legatorum servandorum causa in possessione sit, sed et eum, qui usus fructus nomine rem teneat, quamvis nec hic utique possideat. inde Iulianus quaerit, quatenus hos oporteat exhibere: et ait priorem quidem sic, ut actor possessionem habeat, is autem cum quo agetur rei servandae causa sit in possessione: eum vero qui usum fructum habeat sic, ut actor rem possideat, is cum quo agetur utatur fruatur. Julian schreibt aber, mit der Vorlegungsklage hafte, wer zur Sicherheit wegen einer Forderung oder eines Vermächtnisses in den Besitz eingewiesen ist, und auch, wer eine Sache wegen eines Nießbrauchs innehat, obwohl auch er keineswegs besitzt. Deshalb fragt Julian, auf welche Weise sie vorlegen müssen; und er schreibt, der erste so, dass der Kläger den Besitz hat, der Beklagte aber sicherungshalber in den Besitz eingewiesen bleibe, wer den Nießbrauch innehat, dagegen so, dass der Kläger die Sache besitzt, der Beklagte sie dagegen nutzen kann.

Ergeht der Vorlagebefehl, erlangt der Kläger, auch ohne in physischen Kontakt mit der Sache zu kommen, die possessio an der Sache.187 Da der Beklagte selbst keinen Eigenbesitz geltend macht, ist ohne Äußerung eines abweichenden Willens des Beklagten anzunehmen, dass er die Sachherrschaft fortan für den Kläger ausübt und diesem so den Besitz vermittelt.188 Zur Durchsetzung des Eigentümerrechts bedarf es daher keiner Vindikation mehr. 185 Und entgegen Marrone, S. 473 nicht etwa deshalb, weil ,exhibere‘ stets gleichbedeutend mit ,tollere pati‘ wäre. 186 D 10.4.5.3–5 Ulp 24 ed; s. o. S. 16 f., 39. 187 Richtig Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 551. 188 Entgegen Marrone, S. 485 ff. und Burillo, SDHI 26 (1960) 228 beweist dies aber nicht, dass die Vorlage stets zur Hinnahme des Zugriffs des Klägers und dessen Besitzerwerb führt.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

III. Folgerungen und Erklärungen Die Gesamtschau der Aussagen zur Einsatzweise der actio ad exhibendum ergibt nur auf den ersten Blick ein ambivalentes Bild: Auf der einen Seite gibt es genügend Zeugnisse dafür, dass die Juristen im Einzelfall von einem Stufenverhältnis zur Vindikation oder einer sonstigen Hauptklage ausgehen. Auf der anderen Seite erscheint die Vorlegungsklage in den meisten Texten als Alternative zur dinglichen Klage oder als einzig in Betracht kommender Rechtsbehelf. Beide Befunde lassen sich durchaus miteinander vereinbaren, und zwar in der Weise, dass man in der Vorlegungsklage einen Rechtsbehelf erkennt, der zwar nicht als vorbereitendes Verfahren zur dinglichen Klage konzipiert ist, aber auch in dieser Funktion genutzt wird. Dass die actio ad exhibendum nicht als Mittel zum indirekten Einlassungszwang geschaffen worden sein kann, zeigt gerade der Blick auf das interdictum quem fundum. Zwar erscheint es bei vordergründiger Betrachtung als Komplementär zu der auf bewegliche Sachen beschränkten Vorlegungsklage. Den Eindruck einer funktionellen Parallelität beider Rechtsinstitute entlarvt ein Vergleich der einschlägigen Formeln jedoch als Trugschluss: Nach der eingängigen Rekonstruktion von Lenel 189 lautet sie im Fall des Interdikts wie folgt:190 Quem fundum ille a te vindicare vult, quem possides dolove malo fecisti quo minus possideres, si rem nolis defendere eoque nomine tibi satisdatum est aut per te stat quo minus satisdetur, eum illi restituas Willst du das Grundstück, das jener von dir vindizieren will und das du besitzt oder dessen Besitz du dich arglistig begeben hast, nicht verteidigen und ist dir deshalb Sicherheit geleistet worden oder liegt es an dir, dass sie nicht geleistet worden ist, so gib es ihm heraus.

Zwar lässt sich die Formel der actio ad exhibendum nicht zuverlässig rekonstruieren.191 Unabhängig davon, welchem der hierfür gemachten Vorschläge man zuneigt, bleibt aber ein essentieller Unterschied. Mögen die beiden Formeln auch darin übereinstimmen, dass sie jeweils den Besitz des Beklagten oder seine arglistige Aufgabe nennen, und will man für die actio ad exhibendum noch dazu mit einer Bezugnahme auf die Vindikationsabsicht des Klägers rechnen, fehlt 189

EP, S. 475. Maßgebliche Quelle ist Vat 92: Ulpianus libro IIII de interdictis sub titulo ,a quo usus fructus petetur, si rem nolit defendere‘. Sicut corpora uindicanti ita et ius satisdari oportet, et ideo necessario ad exemplum interdicti ,quem fundum‘ proponi etiam ei interdictum ,quem usum fructum uindicare uelit‘ de restituendo usu fructu. („Ulpian im vierten Buch über Interdikte unter dem Titel ,Wenn derjenige, von dem der Nießbrauch gefordert wird, sich nicht verteidigen will‘. Ebenso wie demjenigen, der Sachen oder ein Recht vindiziert, Sicherheit geleistet werden muss, ist es deshalb auch erforderlich, nach dem Vorbild des Interdikts ,das Grundstück‘ auch ein Interdikt ,den Nießbrauch, den jener fordern will‘ über die Herausgabe des Nießbrauchs vorzusehen.“) 191 S. o. S. 7 ff. 190

III. Folgerungen und Erklärungen

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doch sicher das Element, das für das interdictum quem fundum gerade kennzeichnend ist: der Hinweis auf die mangelnde Verteidigungsbereitschaft des Beklagten (,si rem nolis defendere‘). Ist diese als tatsächliches Phänomen vielleicht auch ausschlaggebend dafür, dass die Juristen die actio ad exhibendum im Einzelfall als streiterledigenden Rechtsbehelf vorsehen, ist diese Klage doch gerade nicht auf diese Konstellation zugeschnitten. Daher kann zwar das interdictum quem fundum als komplementärer Rechtsbehelf zur actio ad exhibendum, nicht aber diese als ein Institut zur Überwindung des fehlenden Einlassungszwangs geschaffen worden sein, sei es, dass man dabei von einer zeitgleichen Entstehung beider Rechtsbehelfe ausgeht, sei es, dass man sie unterschiedlichen Epochen zuordnet. Gegen die Konzeption als vorbereitendes Verfahren für die Vindikation spricht ferner, dass der Anwendungsbereich der Vorlegungsklage jedenfalls in einer Hinsicht zunächst deutlich über den der dinglichen Klage hinausgeht. Während bei der seit Aquilius Gallus bezeugten192 actio ad exhibendum überwiegend wahrscheinlich ist, dass sie schon nach ihrer Formel den Fall der arglistigen Besitzaufgabe abdeckt,193 ist diese Konstellation als Anwendungsfall der Vindikation nur sehr spärlich und in der Weise belegt, dass es sich um eine spätere Entwicklung handelt. Die erste Nachricht, die man im Sinne einer Öffnung der rei vindicatio für den Fall eines vorprozessualen Sachverlustes deuten könnte, stammt von Gaius: D 6.1.36pr Gai 7 ed prov Qui petitorio iudicio utitur, ne frustra experiatur, requirere debet, an is, cum quo instituat actionem, possessor sit vel dolo desiit possidere. Wer die Herausgabeklage anstrengt, muss, damit er nicht vergeblich klagt, ermitteln, ob derjenige, gegen den er Klage erheben will, der Besitzer ist oder den Besitz arglistig aufgegeben hat.

Diese Aussage ist jedoch viel zu unspezifisch, um sie auf die Passivlegitimation für die rei vindicatio zu beziehen.194 Sie könnte gerade auch auf die Vorlegungsklage in ihrer Rolle als vorbereitendes Verfahren gemünzt sein. Damit bleibt als erstes sicheres Zeugnis für die Gewährung einer dinglichen Klage trotz vorherigen Sachverlustes nur D 6.1.27.3 Paul 21 ed195 Sed et is, qui ante litem contestatam dolo desiit rem possidere, tenetur in rem actione: idque ex senatus consulto colligi potest, quo cautum est, ut diximus, ut dolus

192

S. o. S. 17 f. S. o. S. 9. 194 Wimmer, Besitz und Haftung des Vindikationsbeklagten, Köln u. a. 1995, S. 44; an eine Interpolation glaubt dagegen Siber, S. 14 f. Kein eindeutiges Zeugnis liefert auch D 20.1.16.3 Marc sing form hyp; vgl. Wimmer a. a. O., S. 46 f., anders Siber, S. 19 f. 195 Einen Interpolationsverdacht erhebt dagegen noch Kaser, SZ 98 (1981) 110 ff. 193

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren praeteritus in hereditatis petitionem veniat: cum enim in hereditatis petitione, quae et ipsa in rem est, dolus praeteritus fertur, non est absurdum per consequentias et in speciali in rem actione dolum praeteritum deduci. Aber auch derjenige, der den Besitz vor der Streitbefestigung arglistig aufgegeben hat, haftet mit einer dinglichen Klage; und dies lässt sich aus dem Senatsbeschluss folgern, in dem, wie gesehen, bestimmt ist, dass eine vergangene Arglist zum Gegenstand der Erbschaftsklage wird; kann nämlich bei der Erbschaftsklage, die selbst eine dingliche Klage ist, die vergangene Arglist vorgebracht werden, ist es nicht abwegig, hieraus zu schließen, dass die vergangene Arglist auch zum Gegenstand einer dinglichen Klage auf eine einzelne Sache werden kann.

Für Paulus versteht sich die Entscheidung offenbar noch keineswegs von selbst. Er hält es lediglich für nicht absurd, die Vindikation auch gegen einen Beklagten zuzulassen, der sich des Besitzes arglistig begeben hat; und er verweist auf das senatus consultum Iuventianum, durch das eine entsprechende Regelung für die Erbschaftsklage getroffen worden ist196. Vor diesem Senatsbeschluss kann die Vindikation also keinesfalls gegen einen Nichtbesitzer denkbar gewesen sein; und Paulus’ vorsichtige Argumentation deutet darauf hin, dass dies auch zu seiner Zeit noch eine Neuerung darstellt.197 Die actio ad exhibendum war damit für mindestens zwei Jahrhunderte der einzige Rechtsbehelf, dessen sich ein Eigentümer gegenüber einem Besitzer bedienen konnte, der sich seine Sachherrschaft vorsätzlich entledigt hat. Auch in einem weiteren, hiermit verbundenen Aspekt geht die Vorlegungsklage in ihrem Anwendungsbereich wahrscheinlich für eine gewisse Zeit über die Vindikation hinaus. Ebenso wie die alte legis actio per sacramento in rem war diese offenbar zunächst ein Prätendentenverfahren, also nur eröffnet, wenn der Beklagte die Sache selbst als eigene in Anspruch nahm und sich zu seinem Schutz folglich der für den Eigenbesitz gedachten Interdikte bedienen konnte. Ulpian erklärt dies noch für die Auffassung von Pegasus: D 6.1.9 Ulp 16 ed Officium autem iudicis in hac actione in hoc erit, ut iudex inspiciat, an reus possideat: nec ad rem pertinebit, ex qua causa possideat: ubi enim probavi rem meam esse, necesse habebit possessor restituere, qui non obiecit aliquam exceptionem. quidam tamen, ut Pegasus, eam solam possessionem putaverunt hanc actionem complecti, quae locum habet in interdicto uti possidetis vel utrubi. denique ait ab eo, apud quem deposita est vel commodata vel qui conduxerit aut qui legatorum servandorum causa vel dotis ventrisve nomine in possessione esset vel cui damni infecti nomine non cavebatur, quia hi omnes non possident, vindicari non posse. puto autem ab omnibus, qui tenent et habent restituendi facultatem, peti posse.

196

D 5.3.20.6c Ulp 15 ed. Richtig Siber, S. 17 ff. und Wimmer (Fn. 194), S. 45 ff. Anders Demelius, S. 186, der glaubt, dass die Übertragung der Regelung des Senatsbeschlusses schon früher stattgefunden hat. 197

III. Folgerungen und Erklärungen

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Bei dieser Klage ist es Aufgabe des Richters zu prüfen, ob der Beklagte besitzt; und es spielt keine Rolle, aus welchem Grund er besitzt; sobald ich nämlich bewiesen habe, dass die Sache mir gehört, muss der Besitzer, wenn er keine Einrede erhebt, sie herausgeben. Einige aber, unter ihnen Pegasus, glaubten, die Klage erfasse nur den Besitz, der für die Interdikte „wie ihr besitzt“ oder „bei wem“ zähle. Folglich könne von denjenigen, denen eine Sache in Verwahrung gegeben oder geliehen worden sei oder die sie gemietet haben oder zur Sicherheit für ein Vermächtnis, eine Mitgift oder einen nasciturus im Besitz haben oder denen keine Sicherheit wegen drohenden Schadens geleistet worden ist, nicht vindiziert werden, weil sie sämtlich nicht besitzen. Ich glaube, es kann von allen die Herausgabe verlangt werden, die eine Sache inne- und die Möglichkeit zu ihrer Herausgabe haben.

Dass der Streit auch zu Ulpians Zeit noch nicht völlig geklärt ist, beweist der Begriff facultas restituendi, dessen sich Ulpian hier bedient, um die Ausdehnung der Passivlegitimation auf bloße Sachinhaber ohne Eigenbesitzwillen zu beschreiben. Der Begriff erscheint in Ulpians Kommentierung des Edikts über rei vindicatio nur an dieser Stelle, dagegen gleich in zwei Passagen seines Kommentars zur actio ad exhibendum: D 10.4.5.6 Ulp 24 ed Item si quis facultatem restituendi non habeat, licet possideat, tamen ad exhibendum non tenebitur, ut puta si in fuga servus sit: ad hoc plane solum tenebitur, ut caveat se exhibiturum, si in potestatem eius pervenerit. sed et si non sit in fuga, permiseris autem ei ubi velit morari, idem erit dicendum, aut peregre a te missus sit, vel in praediis tuis agat, ad hoc solum teneberis, ut caveas. Ferner besteht eine Haftung mit der Vorlegungsklage, wenn jemand, obwohl er besitzt, nicht die Möglichkeit zur Herausgabe hat, wie zum Beispiel, wenn ein Sklave auf der Flucht ist; es wird freilich nur insofern gehaftet, als er Sicherheit dafür leisten muss, dass er ihn vorführt, wenn er in seine Gewalt zurückkehrt. Ist er aber nicht auf der Flucht, hast du ihm aber erlaubt, sich dort aufzuhalten, wo er möchte, ist ebenso zu befinden; oder wenn er von dir auf eine Reise gesandt worden oder auf deinen Gütern tätig ist, haftest du nur auf Sicherheitsleistung. D 10.4.7.3 Ulp 24 ed Item municipes ad exhibendum conveniri possunt, quia facultas est restituendi: nam et possidere et usucapere eos posse constat: idem et in collegiis ceterisque corporibus dicendum erit. Ferner können auch Gemeinden auf Vorlegung belangt werden, weil sie die Möglichkeit zur Herausgabe haben; denn es steht fest, dass sie besitzen und ersitzen können; dasselbe gilt für Kollegien und andere Körperschaften.

Die facultas restituendi, die Ulpian dem Inhaber eines flüchtigen Sklaven abspricht198 und einer Gemeinde und Körperschaften zuerkennt, weil sie durch ihre Vertreter besitzen können, entscheidet für ihn über die Passivlegitimation zur 198 Marrone, S. 380 ff. will diese Entscheidung umkehren, indem er in der Entscheidungsformel ,non‘ für interpoliert erklärt. Burillo, SDHI 26 (1960) 190, 255 will dagegen das Beispiel des flüchtigen Sklaven eliminieren.

72

§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

Vorlegungsklage. Sie fällt also mit der facultas exhibendi zusammen, von der Ulpian ansonsten spricht. Dass die eine auf die andere schließen lässt, meint auch Paulus, der beide Eigenschaften einem Haussohn attestiert:199 D 5.3.36.1 Paul 20 ed Sed et a filio familias peti hereditatem posse non est dubium, quia restituendi facultatem habet, sicut ad exhibendum. multo magis dicimus posse peti hereditatem a filio familias, qui, cum pater familias esset et possideret hereditatem, adrogandum se praestavit. Aber es besteht kein Zweifel, dass die Erbschaft auch von einem Haussohn gefordert werden kann, weil er die Möglichkeit zu ihrer Herausgabe hat, und zwar ebenso wie zu ihrer Vorlegung. Umso mehr lässt sich behaupten, dass eine Erbschaft von einem Haussohn gefordert werden kann, der sich, als er schon Hausvater war und die Erbschaft besaß, adoptieren ließ.

An anderer Stelle spricht dieser Jurist nur von der facultas exhibendi: D 10.4.12.1 Paul 26 ed Et filius familias ea actione tenetur, si facultatem rei exhibendae habet. Auch ein Haussohn haftet mit dieser Klage, wenn er die Möglichkeit zur Vorlage hat.

Erstmals belegt ist der Begriff der facultas restituendi für Neraz, den Ulpian mit einer Entscheidung zur actio depositi zitiert:200 D 16.3.1.21 Ulp 30 ed Inde scribit Neratius, si res deposita sine dolo malo amissa sit et post iudicium acceptum reciperaretur, nihilo minus recte ad restitutionem reum compelli nec debere absolvi, nisi restituat. idem Neratius ait, quamvis tunc tecum depositi actum sit, cum restituendi facultatem non habeas horreis forte clusis, tamen si ante condemnationem restituendi facultatem habeas, condemnandum te nisi restituas, quia res apud te est: tunc enim quaerendum, an dolo malo feceris, cum rem non habes. Daher schreibt Neraz, dass der Beklagte, wenn eine hinterlegte Sache ohne Arglist verloren worden ist und nach Aufnahme des Rechtsstreits wiedererlangt wird, nichtsdestoweniger zur Herausgabe zu zwingen und nicht freizusprechen sei, wenn er nicht herausgibt. Neraz schreibt auch, dass, wenn du zur Zeit der Klageerhebung keine Möglichkeit zur Herausgabe hast, etwa weil die Speicher geschlossen sind, du mangels Herausgabe zu verurteilen bist, wenn du vor der Verurteilung die Möglichkeit hierzu hast; es ist nämlich nur dann zu untersuchen, ob du arglistig gehandelt hast, wenn du die Sache nicht hast. 199 Vgl. zur Herausgabemöglichkeit und Passivlegitimation eines Hausvaters auch D 5.3.34.1 Paul 20 ed: Si servus vel filius familias res hereditarias teneat, a patre dominove peti hereditas potest, si facultatem restituendarum rerum habet. („Hat ein Sklave oder Haussohn Nachlasssachen inne, kann die Erbschaftsklage gegen den Vater oder Eigentümer angestellt werden, wenn er die Möglichkeit zur Herausgabe der Sachen hat.“) 200 In vergleichbarer Funktion verwendet Ulpian den Begriff für die actio quod metus causa und die Klage aus dem Leihvertrag; vgl. D 4.2.14.1 Ulp 11 ed und D 13.6.3.3 Ulp 28 ed.

III. Folgerungen und Erklärungen

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Es handelt sich also um einen für eine schuldrechtliche Klage entworfenen Begriff, der erst in der Spätklassik auf die rei vindicatio übertragen wird, als man diese Klage auch gegen einen Sachinhaber ohne Eigenbesitz zulässt. Früher hat sich das Konzept der facultas exhibendi etabliert. Dass es mindestens auf Celsus zurückgeht, zeigt ein Abschnitt aus Ulpians Ediktskommentar, den die Kompilatoren mit einem Pomponiusfragment zu einer Katene verflochten haben: D 10.4.3.15 Ulp 24 ed Sciendum est adversus possessorem hac actione agendum non solum eum qui civiliter, sed et eum qui naturaliter incumbat possessioni. denique creditorem, qui pignori rem accepit, ad exhibendum teneri placet: Man muss wissen, dass diese Klage nicht nur gegen den Besitzer erhoben werden kann, der den zivilrechtlichen Besitz innehat, sondern auch gegen denjenigen, der den natürlichen Besitz hat. Daher haftet anerkanntermaßen auch ein Gläubiger, der eine Sache als Pfand erhalten hat, auf Vorlegung. D 10.4.4 Pomp 6 Sab Nam et cum eo, apud quem deposita vel cui commodata vel locata res sit, agi potest. Denn auch gegen denjenigen, bei dem eine Sache hinterlegt oder dem eine Sache geliehen oder vermietet worden ist, kann geklagt werden. D 10.4.5pr Ulp 24 ed Celsus scribit: si quis merces, quas exvehendas conduxit, in horreo posuit, cum conductore ad exhibendum agi potest: item si mortuo conductore heres existat, cum herede agendum: sed si nemo heres sit, cum horreario agendum: nam si a nullo, inquit, possidentur, verum est aut horrearium possidere aut certe ille est, qui possit exhibere. idem ait: quomodo autem possidet qui vehendas conduxit? an quia pignus tenet? quae species ostendit etiam eos, qui facultatem exhibendi habent, ad exhibendum teneri. Celsus schreibt: Hat jemand Waren, die er zur Beförderung übernommen hat, in einem Speicher eingelagert, kann gegen den Unternehmer geklagt werden; ebenso kann nach dem Tod des Unternehmers, wenn ein Erbe vorhanden ist, gegen den Erben geklagt werden; aber wenn kein Erbe vorhanden ist, kann gegen den Inhaber des Speichers geklagt werden; denn wenn die Waren von niemandem besessen werden, trifft, wie er sagt, doch zu, dass der Inhaber des Speichers sie besitzt oder sicherlich derjenige ist, der vorlegen kann. Celsus schreibt auch: Auf welche Weise besitzt derjenige, der Sachen zur Beförderung übernommen hat? Etwa weil er ein Pfandrecht hat? Dieser Fall zeigt, dass auch diejenigen, die die Möglichkeit zur Vorlage haben, auf Vorlegung haften.

Das vielleicht in der Klageformel genannte Verb ,possidere‘ 201 legt Ulpian nicht im Sinne der auf Eigenbesitz beschränkten possessio civilis aus, sondern erstreckt es auf den „natürlichen Besitz“, den auch ein Fremdbesitzer hat.202 Als 201

S. o. S. 9. Für das Ergebnis einer Interpolation halten dies Marrone, S. 288 ff. und Burillo, SDHI 26 (1960) 256 f. 202

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren

Beispiel nennt er einen Pfandgläubiger. Die Kompilatoren fügen im Wege des Auszugs aus Pomponius’ Sabinuskommentar durchaus passend Verwahrer, Entleiher und Mieter oder Pächter hinzu.203 Der eingeschobene Text hing ursprünglich wohl mit einer aus demselben Buch stammenden Entscheidung zusammen, in der Pomponius einem Wahlvermächtnisnehmer in dem Fall, dass die zur Auswahl hinterlassenen Sachen niedergelegt sind, außer einem Anspruch gegen den Erben die actio ad exhibendum gegen den Verwahrer gewährt:204 D 33.5.8.3 Pomp 6 Sab Si rerum depositarum electio mihi relicta sit, et ad exhibendum cum eo, apud quem depositae sint, agere potero et cum herede agere, ut is depositi agendo facultatem mihi eligendi praestet. Ist mir das Recht zur Auswahl hinterlegter Sachen hinterlassen, kann ich sowohl gegen den Verwahrer auf Vorlegung klagen als auch gegen den Erben, damit er mir die Möglichkeit zur Auswahl durch Klage aus dem Verwahrungsvertrag verschafft.

Anlass für die Bildung der Katene hat offenbar das bei Ulpian im Folgenden zu findende Zitat des Celsus gegeben. Dieser gewährt die actio ad exhibendum in dem Fall, dass eine Sache zum Transport übernommen und in einem Speicherhaus in Verwahrung gegeben worden ist, sowohl gegen den Unternehmer als auch den Inhaber des Speicherhauses, obwohl beide keinen Eigenbesitz an der Sache haben. Den Gedanken an eine mögliche possessio des Transportunternehmers verwirft er durch eine rhetorische Frage, in der er dessen Pfandrecht als einzigen möglichen Anknüpfungspunkt benennt, der aber erkennbar nicht taugt. Maßgeblich ist allein, dass der jeweilige Sachinhaber vorlegen kann (,certe ille est, qui possit exhibere‘). Ulpian substantiviert diese Erwägung dann zur facultas exhibendi.205 Dass Celsus das Pfandrecht erwähnt, ist womöglich kein Zufall, sondern eine Anspielung darauf, dass vor ihm schon Javolen den Pfandgläubiger als zur Vorlegungsklage passivlegitimiert anerkannt hat: D 41.3.16 Iav 4 ex Plaut Servi nomine, qui pignori datus est, ad exhibendum cum creditore, non cum debitore agendum est, quia qui pignori dedit, ad usucapionem tantum possidet, quod ad reliquas omnes causas pertinet, qui accepit possidet, adeo ut adici possit et possessio eius qui pignori dedit. Wegen eines Sklaven, der verpfändet worden ist, muss auf Vorlegung gegen den Gläubiger, nicht gegen den Schuldner geklagt werden, weil der Verpfänder nur zum 203 Die Erwähnung der beiden letzteren erklärt Marrone, S. 335 wiederum für interpoliert. 204 Lenel sieht in D 10.4.4 die Begründung für diese Entscheidung; vgl. Pal. 482 (Bd. 2, Sp. 100). Die Interpolationsvermutungen von Marrone, S. 359 f. und Burillo, SDHI 26 (1960) 190, 264 f. treffen natürlich auch diesen Text. 205 Den Interpolationsannahmen von Marrone, S. 342 ff. und Burillo, SDHI 26 (1960) 270 fallen abermals weite Teile des Textes zum Opfer.

III. Folgerungen und Erklärungen

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Zwecke der Ersitzung, der Pfandgläubiger dagegen in jeglicher übrigen Hinsicht besitzt, so dass ihm auch der Besitz des Verpfänders zugerechnet werden kann.

Wir sind damit fast schon in der Zeit von Pegasus angekommen, den Ulpian als Vertreter der Ansicht zitiert, die die rei vindicatio noch für ein reines Prätendentenverfahren hält. Dass sich die actio ad exhibendum noch vor Javolen, vielleicht sogar von Anfang an gegen einen Sachinhaber ohne Eigenbesitzwillen gerichtet hat,206 macht gerade die Haftung des Beklagten wahrscheinlich, der sich des Sachbesitzes arglistig begeben hat. In diesem aller Wahrscheinlichkeit nach schon in der Klageformel vorgesehenen Fall ist die Klage erkennbar gegen eine Person eröffnet, die über keine possessio im eigentlichen Sinne des Wortes verfügt. Dies legt nahe, von diesem Erfordernis auch dann abzusehen, wenn der Beklagte zwar kein Eigenbesitzer ist, dem Vorlagebegehren aber tatsächlich Genüge tun kann. Erst sehr viel später kann sich diese Lösung bei der rei vindicatio durchsetzen, die auf die Konstellation des vorprozessualen Besitzverlustes erst sehr spät im Wege eines Analogieschlusses vom senatus consultum Iuventianum erstreckt wird. Nicht gegen eine frühzeitige Zulassung der actio ad exhibendum gegen einen Sachinhaber ohne Eigenbesitzwillen spricht jedenfalls das Labeozitat bei Pomponius in D 10.4.15 Pomp 18 Sab Thensaurus meus in tuo fundo est nec eum pateris me effodere: cum eum loco non moveris, furti quidem aut ad exhibendum eo nomine agere recte non posse me Labeo ait, quia neque possideres eum neque dolo feceris quo minus possideres, utpote cum fieri possit, ut nescias eum thensaurum in tuo fundo esse. non esse autem iniquum iuranti mihi non calumniae causa id postulare vel interdictum vel iudicium ita dari, ut, si per me non stetit, quo minus damni infecti tibi operis nomine caveatur, ne vim facias mihi, quo minus eum thensaurum effodiam tollam exportem. quod si etiam furtivus iste thensaurus est, etiam furti agi potest. Mein Schatz befindet sich in deinem Grundstück, und du erlaubst nicht, dass ich ihn ausgrabe; bewegst du ihn nicht von der Stelle, kann ich zwar, wie Labeo sagt, weder die Diebstahls- noch die Vorlegungsklage mit Erfolg erheben, weil du ihn nicht besitzt und auch nicht arglistig bewirkt hast, dass du ihn nicht besitzt, zumal ja vorkommen kann, dass du nicht weißt, dass sich der Schatz in deinem Grundstück befindet. Aber es sei nicht ungerecht, dass mir, wenn ich schwöre, dass ich dies nicht zum Zwecke der Schikane fordere, ein Interdikt oder eine Klage mit dem Ziel gewährt werde, dass du, falls es nicht an mir liegt, dass dir nicht wegen des durch die Arbeit drohenden Schadens Sicherheit geleistet wird, nicht gewaltsam verhinderst,

206 Kaser, Wesen und Wirkungen der Detention in den antiken Rechten, in: Ausgewählte Schriften, Neapel 1976, Bd. 2, 259, 285 f. vermutet, die Fälle bloß tatsächlicher Sachgewalt seien ursprünglich durch Verben wie tenere oder habere ausdrücklich in der Formel genannt und erst im Zuge einer späteren Vereinfachung des Edikts in das allein verbliebene possidere einbezogen worden.

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§ 2 Verhältnis zum Hauptverfahren dass ich den Schatz ausgrabe, hebe und wegschaffe. Ist dieser Schatz aber auch noch gestohlen, kann ebenfalls die Diebstahlsklage erhoben werden.

Es geht um einen „Schatz“ im uneigentlichen Sinne, der im Grundstück eines anderen vergraben ist. Hebt dieser ihn in Zueignungsabsicht, kann der Eigentümer der Sachen die Diebstahlsklage anstellen. Bleibt er dagegen vergraben, will Labeo unter der Voraussetzung, dass der Eigentümer einen Kalumnieneid schwört, einen besonderen Rechtsbehelf, eher ein Interdikt denn eine Klage,207 gewähren, mit der die Entfernung der Sachen aus dem Grundstück ermöglicht wird.208 Die Vorlegungsklage lässt Labeo daran scheitern, dass der Eigentümer des Grundstücks den Schatz weder besitzt noch sich des Besitzes arglistig begeben hat. Dies kann daran liegen, dass er, solange der Schatz nicht gehoben ist, einen Eigenbesitzwillen des Grundstückseigentümers und damit die possessio civilis verneint.209 Es kann aber auch darauf beruhen, dass Labeo vor Hebung des Schatzes noch nicht einmal einen natürlichen Besitz des Grundstückseigentümers annimmt. Im zuerst genannten Fall vertritt er dieselbe Ansicht wie später Neraz und Proculus, im zweiten Fall die Auffassung, die sich nachher Sabinus und Paulus zu eigen machen:210 D 41.2.3.3 Paul 54 ed Neratius et Proculus et solo animo non posse nos adquirere possessionem, si non antecedat naturalis possessio. ideoque si thensaurum in fundo meo positum sciam, continuo me possidere, simul atque possidendi affectum habuero, quia quod desit naturali possessioni, id animus implet. . . . quidam putant Sabini sententiam veriorem esse nec alias eum qui scit possidere, nisi si loco motus sit, quia non sit sub custodia nostra: quibus consentio. Neraz und Proculus meinen, durch bloße Absicht könne man keinen Besitz erwerben, wenn nicht der natürliche Besitz vorangehe. Daher besitze ich einen Schatz, wenn ich weiß, dass er in meinem Grundstück vergraben ist, unmittelbar, sobald ich Besitzwillen habe, weil er vervollständigt, was dem natürlichen Besitz ermangelt. . . . Einige meinen, die Ansicht Sabinus’ sei richtig, wonach derjenige, der von dem Schatz weiß, nur dann besitze, wenn er ihn ausgegraben habe, weil er ansonsten nicht in unserem Gewahrsam sei; diesen stimme ich zu.

Labeos Rolle als Ahnherr der prokulianischen Rechtsschule darf nicht dazu verleiten, seine Ansicht mit der Proculus und Neraz gleichzusetzen. Nur unter dieser Voraussetzung ließe sich aber annehmen, er habe den Begriff der possessio auf den Eigenbesitz beschränkt und nicht auch den natürlichen Besitz als ausreichend für die Passivlegitimation zur actio ad exhibendum angesehen. Die Begründung, dass der Grundstückseigentümer den Ort, an dem der Schatz zu finden 207 Vgl. Harke, Der Eid im klassischen römischen Privat- und Zivilprozessrecht, Berlin 2013, S. 192. 208 Entgegen Marrone, S. 471 lässt sich hieraus keineswegs schließen, schon die actio ad exhibendum sei auf ,tollere pati‘ gerichtet. 209 So González Roldán, S. 83 ff. und zu voreilig auch Harke (Fn. 34), S. 192. 210 Dies nimmt Marrone, S. 292 an.

IV. Fazit

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ist, ja gar nicht kennen müsse, spricht eher dafür, dass Labeo die Ansicht von Sabinus und Paulus teilt; denn sie richtet sich gegen den Schluss von der Sachherrschaft am Grundstück auf die Innehabung des Schatzes.211 Reicht der Geltungsbereich der actio ad exhibendum damit von Anfang an in mindestens einer, wahrscheinlich sogar in zweifacher Hinsicht deutlich über den der Vindikation hinaus, kann sie auch nicht als vorbereitendes Verfahren für diese konzipiert sein. Zwar wird ihr diese Aufgabe von den Juristen zuweilen zugedacht; und weil sie diese Funktion erfüllt, wird auch das interdictum quem fundum als eine auf Immobilien beschränkte Paralleleinrichtung geschaffen. Die actio ad exhibendum ist jedoch als eigenständige Klage geschaffen und erscheint auch in dieser Eigenart in der Mehrheit der Quellen.

IV. Fazit Der Konflikt um die Frage, ob die actio ad exhibendum vorbereitenden oder eigenständigen Charakter hat, lässt sich anhand einer Gesamtbetrachtung der Quellen auflösen: Die Vorlegungsklage wird von den Juristen durchaus als vorbereitendes Verfahren für eine Vindikation angesehen, insbesondere dann, wenn sie wie im Fall einer Sachverbindung erst die Voraussetzungen dafür schafft, dass eine Vindikation stattfinden kann. Die Vorlegungsklage ist aber nicht als Vorverfahren zur Vindikation konzipiert und kommt im überwiegenden Teil der Fälle auch isoliert zur Anwendung. Die Juristen gewähren sie, wenn zu erwarten ist, dass sich der Rechtsstreit schon dadurch endgültig erledigt, dass der Beklagte auf den Vorlagebefehl des Richters entweder so reagiert, dass er die Sache dem Kläger vollends überlässt, oder ihn missachtet und seine Verurteilung hinnimmt. Dies gilt insbesondere in dem Fall, dass der Beklagte keinen Eigenbesitz oder die Sache durch ein Delikt oder einen vergleichbaren Vorgang erlangt hat und damit zu rechnen ist, dass er sich nun entweder reumütig zeigt oder eine Verweigerungshaltung einnimmt. Hinzu kommt die Konstellation eines vorprozessualen Besitzverlustes, in der die Vorlegungsklage sicher zu einer den Streit entscheidenden Verurteilung kommt. Dieser Fall wird von der actio ad exhibendum wahrscheinlich schon nach seiner Formel und von Anfang an, von der Vindikation dagegen erst sehr spät erfasst. Außerdem reicht der Anwendungsbereich der Vorlegungsklage noch insoweit über den der Vindikation hinaus, als sie schon sehr viel früher auch gegen den Inhaber einer bloß tatsächlichen Sachherrschaft ohne Eigenbesitzwillen angestellt werden kann. Weicht das Einsatzgebiet der Klage daher deutlich von dem der Vindikation ab, kann sie auch schwerlich als vorbereitendes Verfahren für diese geschaffen worden sein. Zwar kann das interdictum quem fundum als Ergänzung zur actio ad exhibendum konzipiert worden sein, nicht aber diese als Komplementär zu jenem. 211

Sie ist daher entgegen Marrone, S. 314 auch nicht interpoliert.

§ 3 Sinn und Struktur I. Wirkungsweise 1. Verurteilung ohne Rechtsnachweis Den Schlüssel zum Sinn der actio ad exhibendum bietet ein Umstand, der in den Quellen nirgends direkt ausgesprochen ist, sich aber derart von selbst versteht, dass er auch in der modernen Forschung nicht kontrovers ist. Er ist die Wirkungsweise des Vorlegungsverfahrens, die man weniger an der Vorlageanordnung des iudex als vielmehr an dem Ergebnis ablesen kann, zu dem eine Verurteilung führt. Der Befehl des Richters, die Sache vorzulegen, fördert sicherlich die Aussicht darauf, dass der vom Kläger erhobene Anspruch in Natur durch freiwillige Herausgabe der Sache erfüllt wird. Dies erklärt, warum die actio ad exhibendum von den Juristen in Konkurrenz zu einem vertraglichen Anspruch erwogen wird,212 bei dem der Richter zwar über größeren Spielraum in der Beurteilung der gegenseitigen Rechte verfügt, aber weder formal befugt noch verpflichtet ist, den Beklagten zur freiwilligen Erfüllung aufzufordern. Die Förderung der Naturalerfüllung ist aber kein Spezifikum der actio ad exhibendum, vielmehr ein Merkmal, das sie mit den dinglichen Klagen gemein hat, deren Formeln mit dem Restitutionsbefehl des Richters sogar eine Anordnung zur freiwilligen Erfüllung des erhobenen Anspruchs selbst vorsehen. Der entscheidende Unterschied zu den actiones in rem erweist sich erst, wenn es zur Verurteilung im Vorlageverfahren kommt. Hier kann der Kläger sein Interesse an der Durchsetzung seines geltend gemachten Rechts verlangen, ohne dieses selbst nachweisen zu müssen. Die actio ad exhibendum nimmt damit das Hauptverfahren vorweg und erspart dem Kläger genau das, was dieses Hauptverfahren für ihn zur eigentlichen Belastungsprobe macht. Jede andere Lösung ließe die Vorlegungsklage zu einem unsinnigen Institut werden: Müsste der Kläger das von ihm beanspruchte Recht nachweisen, um seinen Vorlegungsanspruch darzutun oder die Verurteilung in das Interesse am günstigen Ausgang des Hauptverfahrens zu erreichen, wäre es für ihn vorzugswürdig, dieses direkt einzuleiten. Eine Ausnahme gälte bloß im Fall des arglistigen Besitzverlustes, solange die dingliche Klage hier noch ausfällt und nicht im Wege eines Analogieschlusses zum senatus consultum Iuventianum zugelassen wird.213 Zwar ist diese Konstellation ein Hauptanwendungsfall der actio ad exhibendum und 212 213

S. o. S. 49 ff. S. o. S. 70.

I. Wirkungsweise

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vermutlich von vornherein in ihrer Formel vorgesehen214: Der arglistige Besitzverlust ist aber eben nur eine Variante des Besitzes als gewöhnlicher Urteilsvoraussetzung; und es ist schwerlich denkbar, dass die Vorlegungsklage gerade in dieser zumindest theoretisch als Hauptfall erscheinenden Konstellation leerläuft. Vielmehr verhalten sich die Dinge umgekehrt: Weil sie den Nachweis des geltend gemachten Rechts erübrigt, bleibt die actio ad exhibendum auch nach Gewährung der actio in rem im Fall des arglistigen Besitzverlustes das Mittel der Wahl. So erklärt sich zwanglos, warum sogar die Spätklassiker, obwohl sie die dingliche Klage gegen einen ehemaligen Besitzer zulassen, kaum von dem so eröffneten Anwendungsbereich der dinglichen Klage sprechen und für den Fall des arglistigen Besitzverlustes fast durchgängig nur die Vorlegungsklage erwägen.215 Und es leuchtet auch sofort ein, warum sie die bei einem Sachverlust ebenfalls einschlägige condictio auf Konstellationen beschränken, in denen der Besitzer die Sache ohne Vorsatz eingebüßt hat.216 Ebenso wie die actio in rem nötigt nämlich auch die Kondiktion, die den unberechtigten Eingriff in ein fremdes Recht sanktioniert, zum Nachweis des Bestandes dieses Rechts und entbehrt damit des entscheidenden Vorzugs, den die actio ad exhibendum hat. Ein praktisches Beispiel für den Vorteil, den die actio ad exhibendum bietet, liefert D 10.4.14 Pomp 14 Sab Si vir nummos ab uxore sibi donatos, sciens suos factos non esse, pro re empta dederit, dolo malo fecit quo minus possideat et ideo ad exhibendum actione tenetur. Hat ein Mann mit Münzen, die ihm von seiner Frau geschenkt wurden, in dem Wissen, dass sie nicht ihm gehören, eine Kaufsache bezahlt, hat er arglistig bewirkt, dass er nicht mehr besitzt und haftet deshalb mit der Vorlegungsklage.

Hat ein Ehemann Münzen ausgegeben, die ihm von seiner Frau geschenkt wurden, kann diese ihn mit actio ad exhibendum wegen arglistigen Besitzverlustes belangen. Um hiermit erfolgreich zu sein, genügt es, wenn die Frau den Schenkungsvorgang dartut. Steht er fest, ist auch belegt, dass der Mann, als er sich der Münzen begab, vorsätzlich gehandelt hat; denn er wusste, dass er an Sachen, die ihm von seiner Frau unentgeltlich zugewendet werden, jedenfalls kein Eigentum erlangen konnte.217 Dass die Münzen der Frau gehörten, braucht sie dagegen anders als im Fall einer Kondiktion nicht darzutun; es reicht, dass sie ihr Eigentum behauptet.218 214

S. o. S. 9. S. o. S. 58 f. 216 S. o. S. 56 f. 217 Vgl. Harke, Argumenta Pomponiana, Berlin 2014, S. 70. 218 Ohne zureichenden Grund nimmt dagegen González Roldán, S. 108 an, die actio ad exhibendum komme nur bei Besitzverlust in Betracht und müsse ansonsten der condictio weichen. 215

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§ 3 Sinn und Struktur

2. Rechtsbehauptung und summarische Prüfung Dass sich die Wirkungsweise der actio ad exhibendum von selbst versteht, erklärt nicht nur, warum sie in der modernen Forschung, wenn man ihrer überhaupt gedenkt, nicht umstritten ist.219 Es ist auch der Grund dafür, dass wir sie in den Quellen bestenfalls angedeutet finden. Ein Zeugnis für die mit der Klage erreichte Beweiserleichterung bietet vielleicht D 6.1.80 Fur Anth 1 ed In rem actionem pati non compellimur, quia licet alicui dicere se non possidere, ita ut, si possit adversarius convincere rem ab adversario possideri, transferat ad se possessionem per iudicem, licet suam esse non adprobaverit. Bei dinglichen Klagen ist man nicht zur Einlassung gezwungen, weil es jedermann freisteht zu behaupten, er besitze nicht, so dass, wenn der Gegner dartun kann, dass er doch besitzt, der Besitz durch den Richter übertragen wird, obwohl er nicht nachgewiesen hat, dass die Sache ihm gehört.

Obwohl Furius Anthianus die actio ad exhibendum nicht beim Namen nennt, könnte der wenig bekannte Spätklassiker mit der Besitzübertragung durch den Richter doch auf die Vorlegungsklage anspielen.220 Deren Erfolg setzt ja gerade den Nachweis des Besitzes des Beklagten oder seines arglistigen Besitzverlustes voraus; und mit der Besitzübertragung durch den Richter könnte der Vorlagebefehl des iudex gemeint sein, der den Beklagten zur freiwilligen Erfüllung des erhobenen Herausgabeanspruchs veranlassen und das Hauptverfahren entbehrlich machen kann. Auch wenn sich der Beklagte ihm widersetzt, gilt, dass dem Kläger der Nachweis seines dinglichen Rechts erspart bleibt; denn mit der Verurteilung erlangt der Kläger, was er auch bei Durchführung des Hauptverfahrens erreicht hätte. Nichts anderes folgt daraus, dass die Juristen einen Kläger, der zur Erhebung der actio ad exhibendum aktivlegitimiert ist, regelmäßig als Eigentümer oder Inhaber eines anderen dinglichen Rechts bezeichnen. Dass dies nur eine abgekürzte Redeweise und nicht etwa gemeint ist, der Kläger müsse sein Recht auch nachgewiesen haben, demonstriert ein schon betrachtetes Zitat des Pomponius bei Ulpian:221 D 10.4.3.12 Ulp 24 ed Pomponius scribit eiusdem hominis nomine recte plures ad exhibendum agere posse: forte si homo primi sit, secundi in eo usus fructus sit, tertius possessionem suam

219 Vgl. Demelius, S. 216 ff., Siber, S. 147 f., 150, Krüger, SZ 45 (1925) 39, 65 f., Marrone, S. 593 ff., Kaser, RIDA 14 (1967) 263, 289, 292, SZ 98 (1981) 77, 87, Pennitz, S. 274. 220 So Pennitz, S. 265 Fn. 83. 221 S. o. S. 14.

I. Wirkungsweise

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contendat, quartus pigneratum sibi eum adfirmet: omnibus igitur ad exhibendum actio competit, quia omnium interest exhiberi hominem. Pomponius schreibt, es könnten wegen desselben Sklaven mehrere die Vorlegungsklage erheben; wie zum Beispiel, wenn der Sklave dem ersten gehört, dem zweiten ein Nießbrauch an ihm zusteht, der Dritte seinen Besitz geltend macht, der vierte behauptet, er sei ihm verpfändet; allen steht daher die Vorlegungsklage zu, weil alle ein Interesse an der Vorlegung des Sklaven haben.

Der Hochklassiker zählt diejenigen auf, denen die actio ad exhibendum zu Gebote steht. Obwohl an die Geltendmachung ihres Rechts keine unterschiedlichen Anforderungen gestellt sein können, fällt die Beschreibung der einzelnen Kläger ganz unterschiedlich aus: Pomponius spricht zunächst von demjenigen, dem der vorzulegende Sklave gehört, dann vom Inhaber eines Nießbrauchs. Der neben Eigentümer und Nießbraucher aktivlegitimierte Besitzer erscheint dann hingegen als jemand, der sein Besitzrecht geltend macht (,possessionem suam contendat‘). Und der Pfandgläubiger wird schließlich in der Weise beschrieben, dass er die Verpfändung der Sache bloß behauptet (,pigneratum sibi eum adfirmet‘). Dass die zuletzt gewählte Darstellungsform die korrekte ist, zeigt sich an der Wortwahl, derer sich Ulpian in seinem Ediktskommentar am Beginn seiner Ausführungen zur Aktivlegitimation bedient. Hier spricht er noch nicht der Einfachheit halber vom Eigentümer, sondern bezeichnet einen Kläger, der sich auf sein Eigentum beruft, präzise als jemanden, der sein Recht lediglich behauptet (,dominum se dicit‘):222 D 10.4.3.1 Ulp 24 ed Qui ad exhibendum agit, non utique dominum se dicit nec debet ostendere, cum multae sint causae ad exhibendum agendi. Wer auf Vorlegung klagt, braucht nicht unbedingt zu behaupten, Eigentümer zu sein, und muss dies auch nicht dartun, da es viele Gründe für die Klage auf Vorlegung gibt.

Natürlich können Prätor und iudex es nicht ignorieren, wenn die Behauptung des Rechts an der vorzulegenden Sache offensichtlich unrichtig ist. Es kommt daher durchaus zu einer Überprüfung des klägerischen Vorbringens; diese fällt aber lediglich summarisch aus: D 10.4.3.9 Ulp 24 ed Sciendum est autem non solum eis quos diximus competere ad exhibendum actionem, verum ei quoque, cuius interest exhiberi: iudex igitur summatim debebit cognoscere, an eius intersit, non an eius res sit, et sic iubere vel exhiberi, vel non, quia nihil interest. Man muss aber wissen, dass die Vorlegungsklage nicht nur denjenigen zusteht, die wir genannt haben, sondern auch denjenigen, die ein Interesse an der Vorlegung haben; daher muss ein Richter überschlägig untersuchen, ob er ein Interesse hat, und 222

Hierauf verweist zu Recht Marrone, S. 594.

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§ 3 Sinn und Struktur nicht, ob ihm die Sache gehört, und danach anordnen, dass vorgelegt werden muss, oder, weil er kein Interesse hat, dass nicht vorgelegt werden muss.

Steht die Behauptung des dinglichen Rechts, aus der sich im Regelfall das erforderliche Interesse an der Vorlegung ergibt, im Widerspruch zu unbestrittenen Tatsachen oder ist der Vortrag des Klägers schon für sich genommen unschlüssig,223 darf der iudex keinen Vorlagebefehl erteilen oder den Beklagten verurteilen.224 Gegenstand seiner summarischen Prüfung ist aber sicherlich nicht die Richtigkeit des Vortrags, auf den der Kläger sein dingliches Recht stützt;225 denn dies beraubte die Vorlegungsklage gerade ihres Sinnes.226 Zwischen Umständen, die dem klägerischen Begehren offensichtlich entgegenstehen, und solchen, die einer weiteren Untersuchung bedürfen, unterscheidet Ulpian wiederum im Anschluss an Pomponius bei Einreden, mit denen der Beklagte der Rechtsbehauptung des Klägers entgegentritt: D 10.4.3.13 Ulp 24 ed Ibidem subiungit iudicem per arbitrium sibi ex hac actione commissum etiam exceptiones aestimare, quas possessor obicit, et si qua tam evidens sit, ut facile repellat agentem, debere possessorem absolvi, si obscurior vel quae habeat altiorem quaestionem, differendam in directum iudicium re exhiberi iussa: de quibusdam tamen exceptionibus omnimodo ipsum debere disceptare, qui ad exhibendum actione iudicat, veluti pacti conventi, doli mali, iurisiurandi reique iudicatae. An derselben Stelle fügt er (Pomponius) hinzu, der Richter müsse im Rahmen des ihm bei dieser Klage zustehenden Ermessens auch Einreden würdigen, die der Besitzer erhebt, und wenn sie derart offenkundig sind, dass sie den Kläger ohne Weiteres ausschließen, solle er den Besitzer freisprechen, wenn sie undeutlich oder so beschaffen seien, dass sie eine weitere Untersuchung erfordern, solle er sie unter Anordnung der Vorlegung in das Hauptsacheverfahren verweisen; über einige Einreden müsse der Richter im Vorlegungsverfahren aber unbedingt befinden, wie über die Einrede wegen eines Pakts, wegen Arglist, eines Eides oder einer rechtskräftigen Entscheidung.

Erhebt der Beklagte eine Einrede, kann er Vorlagebefehl und Verurteilung nicht schon dadurch verhindern, dass sein Vortrag erheblich ist, also im Fall der

223 Dass die Prüfung im Formularprozess im Wesentlichen dem Prätor obliegt und die Untersuchung des iudex auf die Frage beschränkt ist, ob die Rechtsbehauptung schikanös ist, glaubt Pennitz, S. 267. 224 Für interpoliert halten die Aussage dagegen Burillo, SDHI 26 (1960) 233 f. und Marrone, S. 263 ff., 281 ff., der glaubt, das ,summatim cognoscere‘ könne sich nur auf den Prätor und nicht auf den iudex beziehen. Ähnlich vorher schon Krüger, SZ 45 (1925) 39, 63 ff. 225 Simon, Summatim cognoscere, SZ 83 (1966) 142, 205, 208 nimmt dagegen an, der Richter prüfe zunächst, ob eine Rechtsbehauptung erfolgt, und dann, ob diese auch wahrscheinlich ist. 226 Anders Demelius, S. 159, der glaubt, die Untersuchung des Richters beschränke sich auf Hauptfragen und spare Nebenpunkte aus.

I. Wirkungsweise

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Richtigkeit seines tatsächlichen Vorbringens auch die Verurteilung im Hauptverfahren ausschlösse. Nur wenn die Tatsachen, auf die das Leistungsverweigerungsrecht gestützt wird, dem Richter bekannt oder unstreitig sind, muss er hierauf auch im Vorlageverfahren Rücksicht nehmen. Müsste er dagegen Beweis erheben, um über die Einrede zu befinden, bleibt diese Entscheidung dem Hauptverfahren überlassen.227 Aus dieser Differenzierung erklären sich auch die Ausnahmen, die Ulpian von der Regel macht. Sie betreffen sämtlich Einreden, in denen im Hauptverfahren eine Beweisaufnahme über das vom Kläger behauptete Recht unterbliebe: Hat der Kläger auf das behauptete Recht im Rahmen eines Vergleichsvertrags verzichtet, darf hierüber ebenso wenig Beweis erhoben werden wie in dem Fall, dass der Beklagte dieses Recht durch iusiurandum in Abrede gestellt hat. Denn beides steht einem Urteil gleich,228 in dem das klägerische Recht aberkannt wird, und schließt dessen Überprüfung in gleicher Weise aus wie die exceptio rei iudicatae, die Ulpian ebenfalls erwähnt. Dürfte im Hauptverfahren gar nicht untersucht werden, ob dem Kläger das behauptete Recht zusteht, kann dessen bloße Behauptung auch nicht die Grundlage für einen Vorlagebefehl oder die Verurteilung im Rahmen der actio ad exhibendum bilden. Ein Richter, der über diese zu befinden hat, kommt also nicht umhin, über diese Einreden zu entscheiden. Dasselbe gilt für die exceptio doli, soweit sich diese nicht gegen eine Arglist beim Rechtserwerb wendet und damit dessen Existenz betrifft, sondern als Einwand der unzulässigen Rechtsausübung von vornherein die erfolgreiche Geltendmachung des Rechts ausschließt.229 Auch hier unterbliebe im Hauptverfahren eine Untersuchung der Frage, ob der Kläger das geltend gemachte Recht überhaupt innehat, weil bereits der Versuch seiner Durchsetzung rechtsmissbräuchlich wäre. Auf diesem Wege kann der Beklagte insbesondere ein obligatorisches Recht zu Gebrauch oder Nutzung der Sache geltend machen.230 Reicht zur Erhebung der actio ad exhibendum die bloße Rechtsbehauptung, sofern sie weder unschlüssig noch offensichtlich falsch ist, lässt sich auch ohne Weiteres einsehen, warum diese Voraussetzung anders behandelt wird als der Besitz des Beklagten. Um die Passivlegitimation des Beklagten zu begründen, reicht es, wenn dieser im Zeitpunkt der Entscheidung des Richters vorliegt.231 Dagegen kann das Vorlegungsverfahren nicht beginnen, wenn der Kläger nicht schon im 227 Diese Bezugnahme auf das Hauptverfahren erklärt Marrone, S. 519 f. für interpoliert, ohne dass dies für seine These von der Eigenständigkeit der actio ad exhibendum erforderlich wäre. 228 D 12.2.2 Paul 18 ed und D 47.10.11.1 Ulp 57 ed; hierzu Harke (Fn. 207), S. 92 ff. 229 Umgekehrt zu Recht Demelius, S. 161, der nur die exceptio doli specialis und gerade nicht die exceptio doli generalis genannt sieht. 230 So richtig Lenel, GrünhutsZ 37 (1910) 551, der aber an eine eigenständige Einrede auf der Grundlage des jeweiligen Vertragsverhältnisses denkt. 231 S. u. S. 101 f.

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§ 3 Sinn und Struktur

Moment der Streitbefestigung geltend macht, wegen eines für sich reklamierten dinglichen Rechts ein Interesse an der Vorlegung zu haben:232 D 10.4.7.7 Ulp 24 ed Ibidem non male Pomponius iungit eius, qui ad exhibendum egit, utroque tempore interfuisse oportere rem ei restitui, hoc est et quo lis contestatur et quo fit condemnatio: et ita Labeoni placet. An derselben Stelle fügt Pomponius nicht zu Unrecht hinzu, dass derjenige, der auf Vorlegung klagt, in beiden Zeitpunkten ein Interesse an der Herausgabe haben müsse, sowohl im Moment der Streitbefestigung als auch im Zeitpunkt der Verurteilung; und dieser Ansicht ist auch Labeo.

Im Gegensatz zum Besitz des Beklagten, der vom Kläger behauptet und in dem Fall, dass er bestritten wird, auch bewiesen werden muss, gibt es bei der Aktivlegitimation keinen Unterschied zwischen Behauptung und Beweis. Daher entscheidet über den Erfolg der Klage insoweit schon der Moment der Klageerhebung, in dem der Kläger die Rechtsbehauptung aufstellt. Mit ihr steht die Aktivlegitimation regelmäßig ein für alle Mal fest, sofern sie sich nicht ausnahmsweise bis zur Entscheidung des iudex als unschlüssig oder aus anderen Gründen offensichtlich unrichtig erweist. 3. Verurteilung in das volle Interesse Dass die Verurteilung aus der actio ad exhibendum zu demselben Ergebnis führt wie die Verurteilung im Hauptverfahren, wird schon dadurch nahegelegt, dass der Kläger hier wie dort zum iusiurandum in litem zugelassen ist:233 Darf er sein Interesse an der Vorlegung selbst festlegen, hat er keinen Anlass, es geringer zu veranschlagen als sein Interesse an der Herausgabe der Sache, zumal sich ein Unterschied ja ohnehin nur in Wege einer Kausalitätsprüfung oder durch Bewertung einer Wahrscheinlichkeit ermitteln ließe: Im zuerst genannten Fall müsste dann doch über die Existenz des geltend gemachten Rechts entschieden und das Vorlegungsverfahren seines Sinnes beraubt werden; im zweiten Fall müsste der Wert, den die Vorlegung als Faktor für den Erfolg im Hauptverfahren bewertet und als Quote des hier zu erlangenden Interesses angegeben werden, wofür es in den Quellen des römischen Rechts kein Vorbild gibt. Dass die Verurteilung im Vorlegungsverfahren der des Hauptverfahrens entspricht, deutet außerdem Gaius an, indem er actio in rem und actio ad exhibendum als Beispiele für eine ,condemnatio incerta et infinita‘ aufgrund der Formel: ,quanti ea res erit‘, anführt.234 Dass der Kläger im Wege der Vorlegungsklage 232 Burillo, SDHI 26 (1960) 238 f. nimmt eine Interpolation an und glaubt, Ulpian habe das Interesse nur im Zeitpunkt der Verurteilung gefordert. 233 S. u. S. 89 ff. 234 Gai 4.51; s. o. S. 34 f.

I. Wirkungsweise

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regelmäßig die Verurteilung des Beklagten zur Leistung des Werts der umstrittenen erreicht, erhellt der Gegenschluss aus dem folgenden Zitat des Neraz bei Ulpian: D 10.4.9.8 Ulp 24 ed Praeterea utilitates, si quae amissae sunt ob hoc quod non exhibetur vel tardius quid exhibetur, aestimandae a iudice sunt: et ideo Neratius ait utilitatem actoris venire in aestimationem, non quanti res sit, quae utilitas, inquit, interdum minoris erit quam res erit. Außerdem sind Vorteile, wenn sie wegen der ausgebliebenen oder verspäteten Vorlegung entgangen sind, vom Richter zu schätzen; und daher schreibt Neraz, es finde das Interesse des Klägers Eingang in die Schätzung und, nicht wieviel sie wert ist; und dieses Interesse kann, wie er schreibt, zuweilen auch geringer als der Wert der Sache sein.

Wenn Neraz betont, dass es statt auf den Sachwert auf die utilitas ankomme, die die Sache für den Kläger im Einzelfall habe, will er damit vor allem vermeiden, dass der Kläger auf den Marktpreis der Sache beschränkt bleibt und keinen Ersatz für Folgeschäden erhält, die ihm aus der Vorenthaltung der Sache entstanden sind. Diese hat der Beklagte sogar auch dann auszugleichen, wenn er dem Vorlagebefehl des iudex Folge leistet, damit aber zu spät kommt, um den Eintritt des Folgeschadens abzuwenden.235 Nimmt man hierauf Rücksicht, sind zwangsläufig auch Nachteile zu berücksichtigen, die eine rechtzeitige Überlassung der Sache an den Kläger mit sich gebracht hätte. Kann die Verurteilung deshalb auch gelegentlich (,interdum‘) geringer als der Marktpreis der Sache ausfallen, bildet dieser doch den Richtwert, von dem der iudex nur infolge entgangener Vorteile und ersparter Nachteile abweicht. Als Beispiel für einen Folgeschaden nennt Ulpian eine Erbschaft, die dem Kläger deshalb entgangen ist, weil der als Erbe eingesetzte Sklave nicht schon in dem Zeitpunkt vorgeführt wurde, als Rechtshängigkeit eintrat, und daher die Erbschaft nicht antreten konnte:236 D 10.4.11pr Ulp 24 ed Sed et si hereditas amissa sit ob hoc, quod servus non exhibeatur, aequissimum est aestimari officio iudicis damnum hereditatis. Aber auch wenn eine Erbschaft deshalb entgangen ist, weil ein Sklave nicht vorgeführt wird, ist es höchst gerecht, dass der Wert der Erbschaft nach richterlichem Ermessen geschätzt wird.

235 Entgegen Marrone, S. 657 und Burillo, AHDE 31 (1961) 422 lässt sich dem Text aber nicht entnehmen, dass es in diesem Fall nicht zu einer condemnatio kommt. 236 Dass es hier um die condemnatio geht, stellen Marrone, S. 658 und Burillo, AHDE 31 (1961) 423 in Abrede. Zwar ist denkbar und auch D 10.4.9.8 zu entnehmen, dass es zur Anordnung einer Ersatzleistung auch dann kommt, wenn der Beklagte dem Vorlagebefehl Folge leistet. Dennoch muss diese erst recht dann stattfinden, wenn es zur Verurteilung kommt.

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§ 3 Sinn und Struktur

Und an anderer Stelle seines Kommentars beruft er sich auf Sabinus und Pomponius, die dem Kläger, der die Vorführung einer Sklavin begehrt, auch ein Kind zusprechen, das diese nach Rechtshängigkeit des Vorlegungsanspruchs237 geboren hat: D 10.4.9.7 Ulp 24 ed Quia tamen causa petitori in hac actione restituitur, Sabinus putavit partum quoque restituendum, sive praegnas fuerit mulier sive postea conceperit: quam sententiam et Pomponius probat. Weil zugunsten des Klägers der frühere Zustand hergestellt wird, nimmt Sabinus an, es sei auch ein Sklavenkind herauszugeben, sei es, dass die Sklavin schon schwanger war, sei es, dass sie es später empfangen hat; dieser Ansicht ist auch Pomponius.

Ulpian führt diese Rechtsfolge auf das Konzept der restitutio zurück, das auch über die Verurteilung aus einer Vindikation entscheidet. Dort bildet es ebenfalls die Grundlage für die Erstattung des Werts einer nach Rechtshängigkeit entgangenen Erbschaft und eines danach geborenen Sklavenkindes:238 D 6.1.20 Gai 7 ed prov Praeterea restituere debet possessor et quae post acceptum iudicium per eum non ex re sua adquisivit: in quo hereditates quoque legataque, quae per eum servum obvenerunt, continentur. nec enim sufficit corpus ipsum restitui, sed opus est, ut et causa rei restituatur, id est ut omne habeat petitor, quod habiturus foret, si eo tempore, quo iudicium accipiebatur, restitutus illi homo fuisset. itaque partus ancillae restitui debet, quamvis postea editus sit, quam matrem eius, post acceptum scilicet iudicium, possessor usuceperit: quo casu etiam de partu, sicut de matre, et traditio et cautio de dolo necessaria est. Außerdem muss der Besitzer auch herausgeben, was er nach der Aufnahme des Rechtsstreits durch ihn (den herausverlangten Sklaven) und nicht aus eigenem Vermögen erworben hat, wozu auch Erbschaften und Vermächtnisse gehören, die er durch den Sklaven erlangt hat. Es genügt nämlich nicht, dass nur die Sache herausgegeben wird, sondern es ist erforderlich, dass die Rechtslage wiederhergestellt wird; dies bedeutet, dass der Kläger alles erhalten muss, was er hätte, wenn ihm der Sklave im Zeitpunkt der Aufnahme des Rechtsstreits herausgegeben worden wäre. Daher muss auch das Kind einer Sklavin herausgegeben werden, obwohl es erst geboren wurde, nachdem seine Mutter nach Streitbefestigung von dem Besitzer ersessen worden war; in diesem Fall müssen für das Kind wie für seine Mutter eine Übereignung und eine Sicherheitsleistung für Arglist erfolgen.

Bestimmen die Juristen den Inhalt der condemnatio bei der Vorlegungsklage nach demselben Muster, zeigt dies abermals, dass diese das Ergebnis des Hauptverfahrens vorwegnimmt.

237

Richtig Marrone, S. 655. Vgl. vor allem Kaser, Restituere als Prozeßgegenstand, 2. Aufl., München 1968, S. 6 ff. 238

II. Der Vorsatz des Beklagten als Grundlage seiner Verurteilung

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II. Der Vorsatz des Beklagten als Grundlage seiner Verurteilung 1. Dolus aut contumacia Es gibt ein weiteres Merkmal der actio ad exhibendum, das wegen seiner Evidenz weder heute umstritten noch von den römischen Juristen eigens thematisiert wird: Der Beklagte muss sich, wenn er verurteilt wird, stets den Vorwurf gefallen lassen, dass er das behauptete Recht des Klägers vorsätzlich missachtet hat. Im Fall der Besitzaufgabe ergibt sich dies schon aus der Formel der Klage, die ein doloses Handeln des Beklagten fordert. Es gilt aber nichts anderes, wenn der Beklagte verurteilt wird, weil er die Sache innehat und nicht vorlegt. Indem er Klageerhebung und Vorlagebefehl des iudex missachtet, setzt er sich vorsätzlich über die Rechtsbehauptung des Klägers hinweg. Die Parallelität beider Tatbestände ist offensichtlich, kommt in den Quellen aber so gut wie nicht zum Ausdruck. Eine Entscheidung, in der sie zumindest angedeutet ist, betrifft einen von Pomponius behandelten Fall, in dem Eicheln von einem Baum auf das Grundstück des Nachbarn fallen und von dessen Schweinen gefressen werden. Während das Interdikt de glande legenda nur einschlägig ist, wenn die Früchte noch vorhanden sind, kommt bei ihrem Verbrauch bloß die actio ad exhibendum wegen arglistigen Besitzverlustes in Betracht.239 Die hieraus folgende Haftung des Nachbarn soll aber nach dem Ulpian überlieferten Zitat des Hochklassikers davon abhängen, ob er die Tiere in Kenntnis des Überfalls an die betreffende Stelle getrieben hat:240 239 Diesen Haftungstatbestand schärft der folgende Abschnitt des Ulpianfragments ein, der nicht nur keinen eigenen Aussagewert hat, sondern auch tautologisch formuliert ist und daher eine in den Haupttext geratene Glosse darstellen könnte; vgl. D 10.4.9.2 Ulp 24 ed: Si quis rem fecit ad alium pervenire, videtur dolo fecisse quo minus possideat, si modo hoc dolose fecerit. („Hat jemand bewirkt, dass eine Sache an einen anderen gelangt, hat er erkennbar arglistig bewirkt, dass er nicht mehr besitzt, wenn er mit Arglist gehandelt hat.“) 240 Für den Fall, dass dieser Vorsatz zu verneinen ist, gewährt Ulpian an anderer Stelle eine actio in factum, mit der die durch den Verzehr der Eicheln eingetretene Bereicherung abgeschöpft wird; vgl. D 19.5.14.3 Ulp 41 Sab: Si glans ex arbore tua in meum fundum cadat eamque ego immisso pecore depascam: Aristo scribit non sibi occurrere legitimam actionem, qua experiri possim: nam neque ex lege duodecim tabularum de pastu pecoris (quia non in tuo pascitur) neque de pauperie neque de damni iniuriae agi posse: in factum itaque erit agendum. („Sind von deinem Baum Eicheln auf mein Grundstück gefallen und habe ich sie von dorthin getriebenem Vieh fressen lassen, greife, wie Aristo schreibt, keine gesetzliche Klage ein, die gegen mich angestellt werden kann; denn es könne weder die Abweidungsklage aus dem Zwölftafelgesetz noch die Tierschadens- noch die Klage wegen rechtswidriger Schädigung erhoben werden; daher ist eine auf den Sachverhalt zugeschnittene Klage zu erheben.“) Mit dem Zusammenhang beider Texte befasst sich unter einem anderen Gesichtspunkt auch Burillo, SDHI 26 (1960) 200 f. Dass die in D 19.5.14.3 wiedergegebene Entscheidung auf dem von Aristo vertretenen Besitzbegriff beruht, glaubt Marrone, S. 297 ff. Die

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§ 3 Sinn und Struktur D 10.4.9.1 Ulp 24 ed Glans ex arbore tua in fundum meum decidit, eam ego immisso pecore depasco: qua actione possum teneri? Pomponius scribit competere actionem ad exhibendum, si dolo pecus immissi, ut glandem commederet: nam et si glans extaret nec patieris me tollere, ad exhibendum teneberis, quemadmodum si materiam meam delatam in agrum suum quis auferre non pateretur. et placet nobis Pomponii sententia, sive glans extet sive consumpta sit. sed si extet, etiam interdicto de glande legenda, ut mihi tertio quoque die legendae glandis facultas esset, uti potero, si damni infecti cavero. Eicheln sind von deinem Baum auf mein Grundstück gefallen, und ich lasse sie von dem Vieh fressen, das ich dorthin getrieben habe; mit welcher Klage kann ich haften? Pomponius schreibt, es stehe die Vorlegungsklage zu, wenn ich das Vieh arglistig dorthin getrieben habe, damit es die Eicheln frisst; denn auch wenn die Eicheln noch vorhanden wären und du nicht zuließest, dass ich sie entferne, haftest du ebenso auf Vorlegung wie jemand, der nicht zulässt, dass ich Baumaterialien entferne, die auf sein Grundstück getrieben worden sind. Und wir schließen uns der Ansicht Pomponius’ an, sei es, dass die Eicheln noch vorhanden sind, sei es, dass sie verbraucht sind. Aber wenn sie noch vorhanden sind, kann ich mich des Edikts über das Einsammeln von Eicheln bedienen, so dass ich an jedem dritten Tag die Möglichkeit habe, die Eicheln einzusammeln, falls ich für einen etwaigen Schaden Sicherheit leiste.

Nach dem Begründungssatz, der von Pomponius stammen könnte, aber nicht eindeutig als Zitat des Hochklassikers gekennzeichnet ist,241 wird die Entscheidung aus dem Vergleichsfall abgeleitet, in dem die Eicheln noch vorhanden sind. Hier haftet der Nachbar, wenn er die Entfernung der Eicheln verhindert. Soll sich hieraus ergeben, dass er auch dann haftet, wenn er die Schweine vorsätzlich zu den Eicheln geführt hat, kann dieser Schluss zwei verschiedene Bedeutungen haben: Zum einen können Ulpian und vielleicht schon Pomponius darlegen wollen, dass der Nachbar, obwohl er keinen Eigenbesitz an den übergefallenen Eicheln hat, dennoch als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft über die erforderliche facultas exhibendi verfügt;242 zum anderen können die Juristen zeigen wollen, dass der vorsätzlich herbeigeführte Fraß der Eicheln nicht minder eine vorsätzliche Beeinträchtigung des Vorlegungsinteresses darstellt als die Verhinderung der Entfernung der Eicheln. Da Ulpian an dieser Stelle seines Kommentars nicht mehr den Besitz des Beklagten und die Ausdehnung dieses Begriffs auf die facultas exhibendi behandelt,243 sondern sich schon mit der arglistigen Besitz-

Verneinung der aquilischen Klage macht es aber wahrscheinlich, dass Ulpian hier ein Verschulden des Nachbarn und damit auch nicht von dem für die actio ad exhibendum nötigen Vorsatz ausgeht; vgl. González Roldán, S. 116. 241 Für interpoliert erklärt ihn Marrone, S. 401 ff. 242 Und zwar anders als im Fall des Schatzes, den er erst ausgraben muss; vgl. D 10.4.15 Pomp 18 Sab (s. o. S. 75 f.) und González Roldán, S. 116 f. 243 Um den Besitz geht es bis zum Schluss von D 10.4.7 (Pal 720); die Beschäftigung mit dem natürlichen Besitz endet sogar schon in D 10.4.7.1; s. o. S. 48 f.

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aufgabe beschäftigt,244 kann die Begründung zumindest aus Sicht des Spätklassikers nur diesen zweiten Sinn haben. Sie berührt damit unmittelbar die Wertungsgrundlage der Haftung, die in beiden Fällen das vorsätzliche Verhalten des Beklagten darstellt. Aus demselben Grund differenziert Paulus bei der Frage nach der passiven Vererblichkeit der actio ad exhibendum. Verfügt der Erbe über eine Sache, die schon der Erblasser vorzulegen hatte, findet keine Rechtsnachfolge im eigentlichen Sinne statt; denn der Erbe ist durch seinen eigenen Besitz verpflichtet245 und muss sich, wenn er die Sache nicht vorlegt, selbst den Vorwurf einer vorsätzlichen Missachtung des Vorlagebefehls gefallen lassen. Anders verhält es sich, wenn sich schon der Erblasser der Sache begeben hat. Hier kann dem Erben nicht vorgehalten werden, arglistig zu handeln, so dass er nur für eine Bereicherung einstehen muss, die der Nachlass infolge der Besitzaufgabe durch den Erblasser erfahren hat:246 D 10.4.12.6 Paul 26 ed Heres non quasi heres, sed suo nomine hac actione uti potest: item heres possessoris suo nomine tenetur: igitur non procedit quaerere, an heredi et in heredem danda sit. plane ex dolo defuncti danda est in heredem actio, si locupletior hereditas eo nomine facta sit, veluti quod pretium rei consecutus sit. Der Erbe kann sich dieser Klage nicht nur als Erbe, sondern aus eigenem Recht bedienen; und ebenso haftet der Erbe des Besitzers in seiner eigenen Person; daher stellt sich die Frage nicht, ob die Klage dem Erben und gegen den Erben zu gewähren ist. Freilich ist bei Arglist des Erblassers eine Klage gegen den Erben zu gewähren, wenn der Nachlass auf diese Weise bereichert ist, etwa indem der Erbe den Preis für die Sache erlangt hat.

Am deutlichsten zeigt sich der einheitliche Charakter der Haftung bei Besitz und Besitzverlust des Beklagten in der Zulassung des Klägers zum Schätzungseid.247 Die actio ad exhibendum hat dies mit den dinglichen Klagen und gewissen bonae fidei iudicia gemein, die ebenso wie die actiones in rem auf eine restitutio zielen248: D 12.3.5 Marc 4 reg In actionibus in rem et in ad exhibendum et in bonae fidei iudiciis in litem iuratur. Bei dinglichen Klagen, Vorlegungsklagen und Klagen auf gute Treue wird im Verfahren geschworen.

244

Ihr gilt schon das principium von D 10.4.9 (Pal 721); s. o. S. 7. Demelius, S. 140. 246 Die Erwähnung dieses Falles schreibt Marrone, S. 395 einer Interpolation zu. González Roldán, S. 137 will sie auf die hereditatis petitio beziehen. 247 Er erscheint außer in den im Folgenden aufgeführten Quellen auch in einem Reskript von Severus Alexander; vgl. CJ 3.42.4 (a 230); s. u. S. 32. 248 Harke (Fn. 207), S. 171 ff. 245

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§ 3 Sinn und Struktur

Zumindest aus Sicht der hoch- und spätklassischen Juristen ist die Befugnis des Klägers, den Verurteilungsbetrag durch einen Schwur auf die eigene Schätzung selbst zu bestimmen, Teil eines kaufähnlichen Mechanismus:249 Indem der Kläger durch iusiurandum in litem den Preis angibt, der ihm die Sache wert ist, erklärt er sein Einverständnis dazu, dass der Beklagte sie, wenn er den Verurteilungsbetrag leistet, künftig wie eine Kaufsache behalten darf. Die Zustimmung des Beklagten folgt gleichsam aus seinem Verhalten: Indem er die Sache dem Kläger im Prozess vorenthält oder sich ihrer vorher entledigt, bekundet er sein Einverständnis mit den Konsequenzen, die die Missachtung des klägerischen Rechts hat. Dass der Kläger den Schätzungseid sowohl bei fortbestehendem Besitz des Beklagten als auch dessen arglistiger Aufgabe leisten kann, bestätigt Julian eigens in seiner Entscheidung zum Fall der von einem Grundstücksverkäufer vorbehaltenen Sachausbeute:250 D 10.4.5.2 Ulp 24 ed Idem Iulianus scribit emptorem, qui ruta caesa non restituit, ad exhibendum teneri in quantum in litem iuravero: sed ibi adicit, si emptor possideat aut dolo fecit quo minus possideat. Julian schreibt auch, dass ein Käufer, der nicht herausgibt, was auf dem verkauften Grundstück ausgegraben oder gefällt worden ist, mit der Vorlegungsklage auf den Betrag hafte, den ich im Verfahren beschworen habe, aber nur, wie er dort hinzufügt, wenn der Käufer sie besitzt oder vorsätzlich bewirkt hat, dass er sie nicht besitzt.

Maßgeblich ist im einen Fall der dolus des Beklagten, im anderen die Missachtung (contumacia) des richterlichen Vorlagebefehls, die ebenso schwer ins Gewicht fällt.251 Beide Merkmale unterscheiden die Konstellationen, in denen es zu einer Verurteilung aus der actio ad exhibendum kommt, von den Fällen reiner Fahrlässigkeit, die keinen Schätzungseid nach sich zieht: D 12.3.2 Paul 13 Sab Sive nostrum quid petamus sive ad exhibendum agatur, interdum quod intersit agentis solum aestimatur, veluti cum culpa non restituentis vel non exhibentis punitur: cum vero dolus aut contumacia non restituentis vel non exhibentis, quanti in litem iuraverit actor. Zuweilen wird, wenn wir etwas als uns gehörig fordern oder auf Vorlegung klagen, allein nach dem Interesse des Klägers geschätzt, wie zum Beispiel, wenn nur die Fahrlässigkeit desjenigen bestraft wird, der nicht zurückgibt oder vorlegt; wird dagegen der Vorsatz oder die Missachtung des Gerichts desjenigen bestraft, der nicht zurückgibt oder vorlegt, wird geschätzt, was der Kläger im Verfahren geschworen hat. 249 D 25.2.22 Iul 19 dig, D 6.2.7.1 Ulp 16 ed, D 41.4.1 Gai 6 ed prov; hierzu Harke (Fn. 207), S. 178 ff. 250 S. o. S. 16. 251 Vgl. Harke (Fn. 207), S. 168.

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Anders als bei den actiones in rem unterliegt der Schwur des Klägers im Rahmen der actio ad exhibendum freilich einer gewissen Begrenzung dadurch, dass der Richter seinerseits das Interesse des Klägers schätzt und so dessen übermäßiger Bestimmung durch iusiurandum entgegenwirken kann: D 10.4.3.2 Ulp 24 ed Praeterea in hac actione notandum est, quod reus contumax per in litem iusiurandum petitoris damnari possit ei iudice quantitatem taxante. Außerdem ist bei dieser Klage zu beachten, dass der Beklagte wegen Missachtung des Gerichts aufgrund eines vom Kläger im Verfahren geschworenen Eides verurteilt werden kann, wobei der Richter einen Betrag schätzt.

Der Grund für diese Einschränkung kann nur darin liegen, dass der Kläger, obwohl er sein Interesse am Erfolg im Hauptverfahren geltend machen kann, anders als dort eben doch noch nicht den Nachweis seines Rechts geführt hat.252 Während sich ein Beklagter, der den Restitutionsbefehl bei der Vindikation missachtet, in vollem Umfang der Willkür des Klägers aussetzt, verdient ein Beklagter, der die bloße Rechtsbehauptung ignoriert und die Vorlage verweigert oder vereitelt, Schutz vor überhöhter Schätzung durch den Kläger.253 2. Besitzverlust vor und im Prozess Was den Fall der arglistigen Besitzaufgabe vor Verfahrensbeginn anbelangt, ist wiederum selbstverständlich, dass nicht schon die absichtliche Herbeiführung des Besitzverlustes genügt, um den Beklagten haftbar zu machen. Zum Vorwurf des dolus gereicht sie ihm erst, wenn er im Moment der Besitzaufgabe von der Rechtsbehauptung des Klägers weiß.254 In den Quellen kommt dies nicht häufig zum Ausdruck. Ein zweifelhaftes Zeugnis bietet ein Auszug aus Paulus’ Ediktskommentar. Hier geht es um den Fall, dass jemand das Material eines anderen verarbeitet hat: D 10.4.12.3 Paul 26 ed Si quis ex uvis meis mustum fecerit vel ex olivis oleum vel ex lana vestimenta, cum sciret haec aliena esse, utriusque nomine ad exhibendum actione tenebitur [quia quod ex re nostra fit nostrum esse verius est]. Hat jemand aus meinen Trauben Most hergestellt oder aus Oliven Öl oder aus Wolle Kleider, während er wusste, dass es sich um fremde Sachen handelt, haftet er stets 252

Harke (Fn. 207), S. 158. Dagegen können sich actio in rem und actio ad exhibendum entgegen Burillo, AHDE 31 (1961) 429 f. nicht dadurch unterscheiden, dass der Schätzungseid dort als Druckmittel zur Befolgung des Restitutionsbefehls und hier als Strafe für den nicht zur Vorlage bereiten Beklagten fungiert. Die präventive und repressive Funktion des Eides lassen sich nicht voneinander trennen. 254 Richtig Marrone, S. 391 ff. Ähnlich, aber vermutlich enger González Roldán, S. 94, der den dolus dadurch verwirklicht sieht, dass sich jemand mit Blick auf das Vorlegungsverfahren des Besitzes begibt. 253

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§ 3 Sinn und Struktur mit der Vorlegungsklage [weil es vorzugswürdig ist anzunehmen, dass uns gehört, was aus unseren Sachen hergestellt wird].

Die angefügte Begründung, das Eigentum an dem Produkt stehe dem Inhaber des Materials zu, entspricht durchaus der Lehre der Sabinianer.255 Sie trägt aber nicht die Verurteilung wegen arglistigen Besitzverlustes, sondern taugt nur, um den Verarbeiter, wenn er das Produkt noch innehat, weiterhin als Besitzer einer fremden Sache einstehen zu lassen. Hier erübrigt sich aber gerade der Nachweis, dass der Beklagte die Sachen bei der Verarbeitung für fremd hielt. Der Vorbehalt seiner Kenntnis kann also nur dann echt sein, wenn die Begründung nachträgliche Zutat ist; findet sich diese schon bei Paulus, muss der Hinweis auf die Kenntnis des Beklagten auf einen späteren Bearbeiter zurückgehen. Keinen Echtheitsbedenken unterliegen dagegen zwei Entscheidungen Marcells und Papinians, in denen die Kenntnis der fremden Rechtsbehauptung ebenfalls als konstitutiv für den dolus des Beklagten erscheint. Beide betreffen komplizierter gelagerte Fallgestaltungen. Marcell befasst sich mit einem bedingten Vindikationsvermächtnis über einen Geldbetrag, das mit dem Vermächtnis eines Nießbrauchs über dieselbe Summe zusammentrifft: D 10.4.9.4 Ulp 24 ed Marcellus scribit, si tibi decem nomismata sint sub condicione legata et mihi decem usus fructus pure, deinde heres pendente condicione non exacta cautione decem fructuario solverit, ad exhibendum eum actione teneri, quasi dolo fecerit quo minus possideret: dolus autem in eo est, quod cautionem exigere supersedit a fructuario effectumque, ut legatum tuum evanesceret, cum iam nummos vindicare non possis. ita demum autem locum habebit ad exhibendum actio, si condicio extiterit legati. potuisti tamen tibi prospicere stipulatione legatorum et, si prospexisti, non erit tibi necessaria ad exhibendum actio. si tamen ignarus legati tui a fructuario satis non exegit, dicit Marcellus cessare ad exhibendum, scilicet quia nullus dolus est: succurrendum tamen legatario in factum adversus fructuarium actione ait. Marcell schreibt, dass, wenn dir zehn Münzen unter einer Bedingung und mir der Nießbrauch an diesen zehn unbedingt vermacht ist und danach der Erbe die zehn, als der Eintritt der Bedingung noch in der Schwebe war, dem Nießbraucher, ohne eine Sicherheitsleistung zu fordern, gezahlt hat, er mit der Vorlegungsklage hafte, weil er arglistig bewirkt habe, dass er nicht mehr besitzt; der Vorsatz liegt aber darin, dass er davon abgesehen hat, vom Nießbraucher eine Sicherheitsleistung zu fordern, und so bewirkt hat, dass dein Vermächtnis erlischt, weil du die Münzen nicht mehr vindizieren kannst. Die Vorlegungsklage greift daher aber nur dann Platz, wenn die Bedingung des Vermächtnisses eintritt. Du konntest jedoch durch eine Stipulation wegen des Vermächtnisses Vorsorge treffen, und brauchst, wenn du dies getan hast, die Vorlegungsklage nicht. Hat er dagegen in Unkenntnis deines Vermächtnisses von dem Nießbraucher keine Sicherheitsleistung gefordert, versage, wie Marcell sagt, die Vorlegungsklage, und zwar weil kein Vorsatz vorliegt; dem Vermächtnisnehmer sei aber, wie er schreibt, mit einer auf den Sachverhalt zugeschnittenen Klage gegen den Nießbraucher zu Hilfe zu kommen. 255

Gai 2.79.

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Sind die beiden Vermächtnisse unbedingt ausgesetzt, teilen sich die beiden Vermächtnisnehmer den Betrag, der Nießbraucher muss aber Sicherheit für die Rückgewähr bei Ende seiner Berechtigung leisten. Ist das Vindikationsvermächtnis bedingt, kann er zunächst den gesamten Betrag beanspruchen, muss aber eine zusätzliche Sicherheit für den Fall leisten, dass die Bedingung für das Vindikationsvermächtnis eintritt.256 Hat der Erbe den Betrag an den Nießbraucher ausgezahlt, ohne diese Sicherheit zu verlangen, hängt seine Haftung gegenüber dem anderen Vermächtnisnehmer, dem das Eigentum an dem Betrag vermacht ist, davon ab, ob er in Kenntnis der ihn begünstigenden Verfügung gehandelt hat. War dies nicht der Fall, ist dem Eigentümer der Zugriff auf den Erben versagt, weil dieser nicht mehr im Besitz des Geldbetrags ist und mangels Sicherheitsleistung auch über kein Äquivalent verfügt.257 Er kann sich erst wieder an den Erben halten, wenn der Nießbraucher den Betrag zurückzahlt und den Erben so in den Stand setzt, das Vindikationsvermächtnis zu erfüllen. Marcell gestattet dem hierdurch begünstigten Vermächtnisnehmer daher den Durchgriff auf den Nießbraucher mit Hilfe einer zweckdienlichen actio in factum, mit deren Hilfe die Hälfte des Betrags abgeschöpft wird, um den der Nießbraucher ungerechtfertigt bereichert ist.258 Dagegen soll sich der Vermächtnisnehmer, dem das Eigentum vermacht ist, an den Erben halten, wenn dieser die Auszahlung an den Nießbraucher 256 Dies ergibt die ausführlichere Schilderung an anderer Stelle von Ulpians Ediktskommentar, wo sich der Spätklassiker desselben Marcelluszitats bedient; vgl. D 36.3.1.17 Ulp 79 ed: Si decem quae in arca erant mihi legata sint, tibi eorum usus fructus legatus sit, si pure utrique legatum sit relictum, is cui proprietas legata est ipso iure decem vindicabit, fructuarium autem ex senatus consulto acturum et quinque usum fructum petiturum constat. . . . sed si sub condicione ei decem legata sint, fructuarium interim decem oblata cautione habiturum, legatario vero, cui proprietas relicta est, interim legatorum stipulatio praestanda est. sed si omiserit stipulationem, existente condicione ad exhibendum eum posse agere Marcellus ait. sed si ignorans heres legatum decem fructuario dedit, ad exhibendum eum non teneri palam est: succurrendum tamen legatario adversus fructuarium Marcellus ait. („Sind mir zehn, die sich in einer Kiste befanden, und dir der Nießbrauch hieran vermacht und ist uns beiden das Vermächtnis unbedingt ausgesetzt, vindiziert derjenige, dem das Eigentum vermacht worden ist, ohne Weiteres die zehn, der Nießbraucher wird aber anerkanntermaßen aufgrund des Senatsbeschlusses Klage erheben und den Nießbrauch von fünf fordern. . . . Aber wenn ihm zehn unter einer Bedingung vermacht sind, erhält der Nießbraucher gegen das Angebot einer Sicherheitsleistung einstweilen zehn, dem Vermächtnisnehmer, dem das Eigentum hinterlassen ist, ist zunächst das Versprechen zu überlassen. Ist das wegen der Vermächtnisse abgegebene Versprechen aber unterblieben, könne er, wie Marcell sagt, bei Eintritt der Bedingung auf Vorlegung klagen. Hat der Erbe dem Nießbraucher in Unkenntnis des Vermächtnisses zehn gegeben, haftet er offensichtlich nicht mit der Vorlegungsklage; dem Vermächtnisnehmer sei aber, wie Marcell sagt, im Verhältnis zum Nießbraucher zu Hilfe zu kommen.“) 257 Den entsprechenden Begründungssatz erklärt Marrone, S. 434 ff. zu einer in den Text geratenen Glosse. Gegen seine Interpolationsvermutung wendet sich González Roldán, S. 122 ff., der im Verzicht auf die Sicherheitsleistung einen dem Besitzverlust vergleichbaren Fall sieht. 258 Als actio utilis ist die Klage in der Parallelüberlieferung des Marcelluszitats in D 36.3.1.17 Ulp 79 ed bezeichnet; hierzu Harke (Fn. 34), S. 171 ff.

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nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat, obwohl er in diesem Moment schon von dem Vindikationsvermächtnis wusste. Dann hat er sich des Besitzes an dem Geldbetrag in Kenntnis des fremden Rechts begeben und muss sich deshalb den Vorwurf des dolus gefallen lassen.259 Um die actio ad exhibendum anstellen zu können, bedarf es freilich noch des Eintritts der Bedingung, unter der das Vindikationsvermächtnis steht. Muss der so begünstigte Vermächtnisnehmer, um im Vorlegungsverfahren erfolgreich zu sein, auch nicht sein Eigentum beweisen, ist seine auf die letztwillige Verfügung gestützte Rechtsbehauptung doch so lange unschlüssig, wie nicht die selbst vorgetragene Bedingung für die Existenz des Rechts erfüllt ist. Lässt sich in Marcells Fall leicht einsehen, dass der Besitzer, indem er von dem maßgeblichen Testament nichts weiß, das Recht des Klägers verkennen kann, gilt dasselbe in der von Papinian behandelten Konstellation. Sie betrifft zwei Pfandgläubiger, von denen der eine das vorrangige Recht des anderen übersieht: D 20.5.1 Pap 26 quaest Creditor qui praedia pignori accepit et post alium creditorem, qui pignorum conventionem ad bona debitoris contulit, ipse quoque simile pactum bonorum ob alium aut eundem contractum interposuit, ante secundum creditorem dimissum nullo iure cetera bona titulo pignoris vendidit. sed ob eam rem in personam actio contra eum creditori, qui pignora sua requirit, non competit nec utilis danda est: nec furti rerum mobilium gratia recte convenietur, quia propriam causam ordinis errore ductus persecutus videtur, praesertim cum alter creditor furto possessionem, quae non fuit apud eum, non amiserit. ad exhibendum quoque frustra litem excipiet, quia neque possidet neque dolo fecit, ut desineret possidere. sequitur ut secundus creditor possessores interpellare debeat. Ein Gläubiger, der Grundstücke als Pfand erhalten hat und nach einem anderen Gläubiger, der einen Pfandvertrag über das Vermögen des Schuldners eingegangen ist, selbst eine vergleichbare Vereinbarung über das Vermögen wegen einer anderen oder derselben Forderung eingegangen ist, hat vor der Befriedigung des zweiten Gläubigers ohne Recht unter Berufung auf sein Pfandrecht die übrigen Vermögensgegenstände verkauft. Aus diesem Grund steht dem Gläubiger, der sein Pfandrecht geltend macht, aber keine persönliche Klage und auch keine zweckdienliche zu; und er wird auch nicht zu Recht wegen Diebstahls an beweglichen Sachen belangt, weil er aus Irrtum über die Rangfolge seine Sache zu verfolgen glaubte, zumal der andere Gläubiger den Besitz, den er nicht hatte, nicht durch Diebstahl verloren hat. Auch auf Vorlegung wird er erfolglos in Anspruch genommen, weil er weder besitzt noch arglistig bewirkt hat, dass er nicht mehr besitzt. Folglich muss der zweite Gläubiger die Besitzer in Anspruch nehmen.

Der erste Pfandgläubiger genießt zwar den Vorrang vor dem anderen, was die ihm zunächst verpfändeten Grundstücke anbelangt. Im Hinblick auf die übrigen Gegenstände des Schuldnervermögens tritt sein Recht jedoch hinter dem des an259

Und entgegen Demelius, S. 190 nicht etwa den der culpa lata.

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dern Gläubigers zurück, zu dessen Gunsten zuerst eine Generalverpfändung vorgenommen wurde. Dies war dem ersten Pfandgläubiger, vermutlich wegen der älteren Verpfändung der Grundstücke,260 jedoch nicht präsent, als er Sachen aus diesem Teil des Vermögens veräußerte. Sein Irrtum über die Rangfolge der Pfandrechte schließt nicht nur die Diebstahlsklage und eine zweckdienliche dingliche Klage261 aus; er verhindert auch, dass er mit der actio ad exhibendum wegen arglistigen Besitzverlustes belangt werden kann. Zwar hat er den Besitz an den Sachen vorsätzlich aufgegeben; den Vorwurf des dolus hätte er sich so aber nur dann eingehandelt, wenn er dabei erkannt hätte, dass die veräußerten Sachen mit einem Pfandrecht zugunsten eines Gläubigers belastet sind, der für sein Recht den Vorrang beansprucht. Schon die Kenntnis von der Aufgabe des Besitzes fehlt dem Beklagten, wenn es sein Sklave ist, der sich seiner entledigt. Zwar kann er belangt werden, solange er die Sache durch seinen Gewaltunterworfenen besitzt. Hat dieser sie aber ohne Wissen seines Herrn weggegeben, scheidet eine Verurteilung aus der actio ad exhibendum aus, weil sich der Eigentümer das Verhalten seines Sklaven nicht unbedingt zurechnen lassen muss.262 Paulus lehnt auch die Gewährung einer zweckdienlichen Klage ab,263 die nach dem Vorbild der Vorlegungsklage gestaltet ist. Da diese keinen Strafcharakter hat, könnte sie nämlich nicht als Noxalklage gebildet werden, die eine Haftung unter den Vorbehalt stellt, dass der Gewalthaber seinen Sklaven nicht ausliefert.264 Denkbar ist dies nur bei der Diebstahls- und Arglistklage, auf die Paulus den Kläger verweist: D 10.4.16 Paul 10 Sab Cum servus tenet aliquid, dominus ad exhibendum suo nomine tenetur: si autem servus citra scientiam domini dolo fecit quo minus habeat, vel furti actio vel de dolo malo noxalis servi nomine danda est, ad exhibendum autem utilis nulla constituenda est. Hat ein Sklave etwas inne, haftet sein Eigentümer im eigenen Namen auf Vorlegung; hat aber der Sklave ohne Wissen seines Eigentümers arglistig bewirkt, dass er es nicht mehr hat, ist wegen des Sklaven eine Noxalklage entweder wegen Diebstahls oder wegen Arglist zu gewähren; eine zweckdienliche Klage ist nicht zuzugestehen.

Wird der Beklagte nicht wegen arglistigen Besitzverlustes, sondern aufgrund seines andauernden Besitzes in Anspruch genommen, lässt sich die vorsätzliche Missachtung der Rechtsbehauptung des Klägers in Frage stellen; denn sie ist ihm durch die Klageerhebung eindringlich vor Augen geführt. Einer Verurteilung in das Interesse des Klägers kann der Beklagte jetzt nur noch dann entgehen, wenn

260 261 262 263 264

Richtig González Roldán, S. 128. Hierzu Harke (Fn. 34), S. 162 f. Fn. 372. Vgl. auch González Roldán, S. 131 f. Für die Annahme einer Interpolation ist insoweit Burillo, SDHI 26 (1960) 273. Harke (Fn. 34), S. 153.

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er die Sache ungeachtet seines Besitzes tatsächlich nicht vorlegen kann. In diesem Fall soll der Richter ihm eine Sicherheitsleistung für den Fall aufgeben, dass er wieder zur Vorlegung imstande ist: D 10.4.12.5 Paul 26 ed Si iusta ex causa statim exhiberi res non possit, iussu iudicis cavere debebit se illo die exhibiturum. Kann die Sache aus einem zureichenden Grund nicht sofort vorgelegt werden, muss der Beklagte auf Anordnung des Richters Sicherheit leisten, dass er sie dann, wenn es wieder möglich ist, vorlegt.

Wie sich aus den Institutionen Justinians ergibt, tritt die Auferlegung dieser Sicherheitsleistung an die Stelle des Vorlagebefehls und zeitigt ebenso wie dieser im Fall ihrer Nichtbefolgung eine Verurteilung des Beklagten: IJ 4.17.3 . . . quod si neget is cum quo ad exhibendum actum est in praesenti exhibere se posse et tempus exhibendi causa petat idque sine frustratione postulare videatur, dari et debet, ut tamen caveat, se restituturum: quod si neque statim iussu iudicis rem exhibeat neque postea exhibiturum se caveat, condemnandus est in id quod actoris intererat ab initio rem exhibitam esse. . . . verneint aber der Beklagte im Vorlegungsverfahren, dass er die Sache auf der Stelle vorlegen könne, und bittet um eine Frist für die Vorlegung und tut er dies ohne Hintergehungsabsicht, muss sie ihm auch mit der Maßgabe gewährt werden, dass er Sicherheit für die Herausgabe leistet; legt er die Sache aber nicht sofort auf den Befehl des Richters vor und leistet auch keine Sicherheit für die spätere Vorlegung, ist er in das Interesse zu verurteilen, das der Kläger daran hat, dass die Sache ihm zu Beginn vorgelegt worden wäre.

Ein Beispiel bildet der von Ulpian behandelte Fall eines flüchtigen Sklaven: Obwohl sein Eigentümer nach wie vor die possessio an ihm hat, vermag er ihn doch nicht vorzuführen, solange er ihn nicht wieder tatsächlich in seine Gewalt bringt.265 Ulpian bemüht diese Konstellationen im Rahmen seiner Darstellung der Passivlegitimation zur actio ad exhibendum als Gegenfall zu den vorher und nachher behandelten Erscheinungsformen eines natürlichen Besitzes, bei dem der Beklagte zwar die facultas exhibendi, aber keine possessio hat.266 Ein Grenzfall, in dem der Vorsatz des Beklagten zweifelhaft erscheint, ist der unfreiwillige Besitzverlust nach Rechtshängigkeit des Vorlegungsanspruchs. Hier lässt sich dem Beklagten zwar nicht vorhalten, er habe sich absichtlich der Sache begeben. Die für eine Verurteilung hinreichende Missachtung des klägerischen Rechts könnte jedoch schon darin liegen, dass er die Sache nicht schon vor oder bei Prozessbeginn vorgelegt und durch ihre weitere Vorenthaltung gerade das Risiko eines Besitzverlustes geschaffen hat. Die Meinungen der Juristen in dieser Frage fallen unterschiedlich aus und lassen zum Teil auch eine gewisse Unsicher265 266

D 10.4.5.6 Ulp 24 ed; s. o. S. 71 f. D 10.4.5.5; s. o. S. 17, D 10.4.7.1; s. o. S. 48 f.

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heit oder Unbestimmtheit erkennen. Dies gilt etwa für Ulpians Entscheidung zu dem Fall, dass der Beklagte einen Teil der Sachen, die er bei Rechtshängigkeit des Vorlegungsanspruchs noch besaß, später verloren hat: D 10.4.11.2 Ulp 24 ed Si de pluribus rebus quis conveniatur et litis contestatae tempore omnes possedit, licet postea quasdam desierit quamvis sine dolo malo possidere, damnandum, nisi exhibeat eas quas potest. Ist jemand wegen mehrerer Sachen belangt worden und hat sie bei Streitbefestigung alle besessen, ist er auch dann, wenn er später den Besitz an manchen ohne Arglist verliert, zu verurteilen, falls er nicht diejenigen vorlegt, die er vorlegen kann.

Dass der Beklagte nicht vollständig entlastet, sondern ihm zumindest insofern die Vorlage aufzugeben ist, als er noch über die umstrittenen Sachen verfügt, ist ganz selbstverständlich. Die Entscheidungsformel lässt aber offen, ob der Beklagte, wenn er dem Vorlagebefehl keine Folge leistet, nur zum Schadensersatz wegen der noch in seinem Besitz befindlichen oder wegen sämtlicher Sachen zu verurteilen ist, auf die sich die Klage richtet. Dass diese zweite Möglichkeit keinesfalls abwegig ist, zeigt ein anderer Passus aus Ulpians Kommentar, in dem der Jurist unter Verweis auf Pomponius Zweifel bekundet, ob nicht auch eine Verurteilung wegen Sachen zu erfolgen hat, die der Beklagte nach Rechtshängigkeit der Vorlegungsklage unfreiwillig verloren hat: D 10.4.7.5 Ulp 24 ed Si quis, cum iudicii accepti tempore possideret, postea sine dolo malo possidere desierit, absolvi eum oportet: quamvis sit, inquit Pomponius, quod ei imputetur, cur non statim restituit, sed passus est secum litem contestari. Besitzt jemand bei Aufnahme des Rechtsstreits und verliert den Besitz später ohne Arglist, ist er freizusprechen; obwohl, wie Pomponius sagt, es ihm zuzurechnen ist, dass er die Sache nicht sofort herausgegeben hat, sondern die Streitbefestigung hat geschehen lassen.

Muss sich der Beklagte nach Pomponius’ Ansicht die Einlassung auf den Rechtsstreit zurechnen lassen, bedeutet dies, dass ein späterer Besitzverlust seiner Verurteilung nicht im Wege steht. Auch wenn er unfreiwillig erfolgt, liegt in der Entscheidung zur Aufnahme des Rechtsstreits schon eine vorsätzliche Vorenthaltung, die dann in den Sachverlust mündet. Zwar will Ulpian selbst hieraus nicht auf eine Haftung des Beklagten schließen.267 Dass sich ihm diese Konsequenz ebenfalls aufdrängt, zeigt aber seine Beurteilung des Parallelfalles, in dem der Beklagte den Besitz der Sache nicht aufgibt, die Rechtsbehauptung des Klägers aber dadurch frustriert, dass er sie infolge einer zwischenzeitlich vollendeten Ersitzung als eigene vorlegt: 267 Dass sich die Juristen in der ursprünglichen Fassung der Texte stets für eine Haftung bei Besitzverlust nach Streitbefestigung ausgesprochen haben und die Beschränkung auf den Fall des unfreiwilligen Verlustes spätere Zutat ist, glauben dagegen Marrone, S. 661 und Burillo, AHDE 31 (1961) 423 f.

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§ 3 Sinn und Struktur D 10.4.9.6 Ulp 24 ed Proinde si post litem contestatam usucaptum exhibeat, non videtur exhibuisse, cum petitor intentionem suam perdiderit, et ideo absolvi eum non oportere, nisi paratus sit repetita die intentionem suscipere, ita ut fructus secundum legem aestimentur. Daher hat jemand, wenn er eine Sache nach der Streitbefestigung als ersessene vorgelegt hat, erkennbar nicht vorgelegt, da der Kläger sein Klagerecht verloren hat, und deshalb darf er nicht freigesprochen werden, wenn er nicht bereit ist, sich rückwirkend auf die Klage einzulassen, so dass auch die Früchte ordnungsgemäß geschätzt werden können.

Dieser Passus hat auch Eingang in die justinianische Neufassung der Institutionen des Gaius gefunden: IJ 4.17.3 Si ad exhibendum actum fuerit, non sufficit si exhibeat rem is cum quo actum est, sed opus est ut etiam causam rei debeat exhibere, id est ut eam causam habeat actor quam habiturus esset si cum primum ad exhibendum egisset exhibita res fuisset: ideoque si inter moras usucapta sit res a possessore, nihilo minus condemnabitur. praeterea fructuum medii temporis, id est eius quod post acceptum ad exhibendum iudicium ante rem iudicatam intercessit, rationem habere debet iudex. . . . Wird auf Vorlegung geklagt, genügt nicht, dass der Beklagte die umstrittene Sache vorlegt, sondern es ist erforderlich, dass die Rechtslage erhalten wird; dies bedeutet, dass der Kläger die Sache in der Rechtslage erhält, in der er sie hätte, wenn sie vorgelegt worden wäre, sobald er auf Vorlegung geklagt hat; daher wird er, wenn die Sache mittlerweile von dem Besitzer ersessen worden ist, nichtsdestoweniger verurteilt. Außerdem muss der Richter die Nutzungen der Zwischenzeit, also der Zeit zwischen Aufnahme des Vorlegungsrechtsstreits und dem Urteil, veranschlagen . . .

Ulpian verneint in diesem Fall, dass eine regelrechte Vorlage stattgefunden hat, und verlangt vom Beklagten, um der Verurteilung zu entgehen, dass er sich für das Hauptverfahren so behandeln lässt wie im Moment der Rechtshängigkeit des Vorlegungsanspruchs.268 In diesem Fall steht der Rechtsbehauptung des Klägers nicht der Einwand der Ersitzung entgegen; ist sie die einzige Verteidigung des Beklagten, hat sich das Hauptverfahren erledigt, wenn nicht gar völlig erübrigt. Weigert sich der Beklagte, auf den Einwand der vollendeten Ersitzung zu verzichten, wird er im Vorlegungsverfahren verurteilt; und hierbei werden auch die aus der Sache seit Rechtshängigkeit gezogenen Früchte berücksichtigt. Bedeutet die Vorlegung einer ersessenen Sache auch aus Ulpians Sicht keine regelrechte ,exhibitio‘, kann dies nur daran liegen, dass er dem Kläger zum Vorwurf macht, er habe die Sache nicht schon im Zeitpunkt der Streitbefestigung vorgelegt. Markiert diese den für die Bestimmung der Verurteilungssumme maßgeblichen Moment, ist sie für Ulpian auch der Zeitpunkt, an dem sich das Verhalten des Beklagten messen lassen muss, wenn er der Verurteilung durch Befol268 Den Bezug auf das Hauptverfahren vermögen Marrone, S. 654 und Burillo, AHDE 31 (1961) 421 nur im Wege einer Interpolationsvermutung zu eliminieren.

II. Der Vorsatz des Beklagten als Grundlage seiner Verurteilung

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gung des Vorlagebefehls entgehen will. Dann liegt aber auch der Schluss nicht fern, in gleicher Weise auch im Fall eines Besitzverlustes vorzugehen. Denn dieser tritt, für sich genommen, ebenso unfreiwillig ein wie die Vollendung einer Ersitzung; und beide beruhen auf der selbstbestimmt getroffenen Entscheidung des Beklagten, der Erhebung der actio ad exhibendum nicht durch freiwillige Vorlage der umstrittenen Sache zuvorzukommen. Während Ulpian nur zweifelt, entscheidet sich Paulus für die entgegengesetzte Lösung. Er lässt den Beklagten auch für einen zufälligen Verlust der Sache einstehen, wenn durch die Vorlegung im Zeitpunkt der Streitbefestigung ein tatsächlich eingetretener Nachteil vermieden worden wäre.269 Seine Entscheidung betrifft die Vorführung eines Sklaven, der nach der litis contestatio stirbt: D 10.4.12.4 Paul 26 ed Si post iudicium acceptum homo mortuus sit, quamvis sine dolo malo et culpa possessoris, tamen interdum tanti damnandus est, quanti actoris interfuit per eum non effectum, quo minus tunc cum iudicium acciperetur homo exhiberetur: tanto magis si apparebit eo casu mortuum esse, qui non incidisset, si tum exhibitus fuisset. Ist ein Sklave nach der Aufnahme des Rechtsstreits gestorben, ist, auch wenn dies ohne Arglist oder Schuld des Besitzers geschehen ist, dennoch zuweilen zu so viel zu verurteilen, wie das Interesse des Klägers daran beträgt, dass durch den Beklagten nicht bewirkt worden wäre, dass ihm der Sklave bei Aufnahme des Rechtsstreits nicht vorgeführt worden ist; dies gilt umso mehr, wenn der Sklave aus einem Umstand gestorben ist, der nicht eingetreten wäre, wenn er damals vorgeführt worden wäre.

Die Aussage des Textes erschließt sich aus dem richtigen Verständnis der Zusätze „zuweilen“ (interdum) und „umso mehr“ (tanto magis)270 und der Rücksicht auf den Grund, aus dem der Beklagte hier den Besitz verliert. Mit dem ersten Satz will Paulus nicht etwa zum Ausdruck bringen, dass die Verurteilung des Beklagten prinzipiell ausscheidet und nur als Ausnahme in Betracht kommt.271 Vielmehr haftet der Beklagte, obwohl er den Besitz der Sache schuldlos einbüßt, wenn dies nach Rechtshängigkeit geschieht, im Grundsatz stets. Daher macht Paulus an anderer Stelle die Haftung für eine während des Prozesses verpasste Wahlmöglichkeit beim Vindikationsvermächtnis auch allein davon abhängig, ob es am beklagten Erben lag, dass er ihn nicht im Zeitpunkt der Streitbefestigung vorgelegt hat: D 10.4.10 Paul 26 ed Si optione intra certum tempus data iudicium in id tempus extractum est, quo frustra exhibetur, utilitas petitoris conservetur: quod si per heredem non stetit quo minus exhiberet tempore iudicii accipiendi, absolvendus est heres. 269 Dass dies an die Stelle einer Bezugnahme auf den dolus bei Rechtshängigkeit getreten ist, glaubt Burillo, AHDE 31 (1961) 425. 270 Richtig Wimmer (Fn. 194), S. 76. 271 So aber Marrone, S. 662 ff.

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§ 3 Sinn und Struktur

Ist ein Wahlrecht innerhalb einer bestimmten Frist eröffnet und wird die Verurteilung so hinausgezögert, dass die Vorlegung nutzlos ist, wird dem Interesse des Klägers Genüge getan; liegt es aber nicht am Erben, dass er bei Aufnahme des Rechtsstreits nicht vorgelegt hat, ist der Erbe freizusprechen.

Dass es im Fall des vorzuführenden Sklaven aber nur „zuweilen“ zu einer Verurteilung kommt, liegt daran, dass Paulus eine Kausalitätsbetrachtung anstellt, die beim Tod eines Sklaven regelmäßig zugunsten des Beklagten ausfällt. Er ist zwar für Verlust des Sklaven nur dann haftbar, wenn dieser die Folge seiner Entscheidung gegen eine sofortige Vorführung bei Klageerhebung ist. Stirbt der Sklave eines natürlichen Todes, besteht regelmäßig kein Ursachenzusammenhang zwischen der mangelnden Vorführung und dem durch den Tod eingetretenen Besitzverlust.272 Der Kläger kann daher in diesem Fall normalerweise keinen Wertersatz für den Sklaven, sondern nur eine Entschädigung für die sonstigen Vorteile verlangen, die ihm dadurch entgangen sind, dass der Beklagte den Sklaven nicht schon im Moment der Streitbefestigung vorgeführt hat.273 Von diesem typischen Fall hebt sich die im zweiten Satz von D 10.4.12.4 behandelte Konstellation ab, in der der Tod doch die Folge der ausgebliebenen Vorführung ist. Hier kann der Kläger „umso mehr“ eine Verurteilung erreichen, indem auch der Wert des Sklaven in Ansatz kommt. Auf den ersten Blick scheint Paulus’ Lösung für die actio ad exhibendum in Widerspruch zu seiner Haltung bei der rei vindicatio zu stehen. Hier macht er die Haftung des Beklagten für einen zufälligen Sachuntergang nach Rechtshängigkeit davon abhängig, dass es sich um einen bösgläubigen Besitzer handelt,274 während er dem gutgläubigen Besitzer zugesteht, sich gegen den Anspruch des Klägers zu verteidigen und auf den Herausgabebefehl des iudex zu warten:275 D 5.3.40pr Paul 20 ed . . . quid enim, si post litem contestatam mancipia aut iumenta aut pecora deperierint? damnari debebit secundum verba orationis, quia potuit petitor restituta hereditate distraxisse ea. et hoc iustum esse in specialibus petitionibus Proculo placet: Cassius contra sensit. in praedonis persona Proculus recte existimat, in bonae fidei possessoribus Cassius. nec enim debet possessor aut mortalitatem praestare, aut propter metum huius periculi temere indefensum ius suum relinquere. Was soll nämlich gelten, wenn ein Sklave oder Zugtier oder Vieh nach der Streitbefestigung stirbt? Nach dem Wortlaut der Senatsrede ist der Beklagte zu verurteilen, weil der Kläger sie bei Herausgabe der Erbschaft hätte verkaufen können. Proculus meint, dies sei auch bei Klagen auf einzelne Sachen gerecht; Cassius nahm das Gegenteil an. Proculus hat Recht im Hinblick auf einen bösgläubigen Besitzer, Cassius für einen gutgläubigen Besitzer. Dieser Besitzer braucht nämlich nicht für das 272 Dass die Beweislast insofern zulasten des Beklagten umgekehrt ist, glaubt Demelius, S. 213. 273 Wimmer (Fn. 194), S. 75. 274 Hierauf bezieht sich auch D 6.1.27.1 Paul 21 ed. 275 Hierzu Wimmer (Fn. 194), S. 68 ff. m.w. N.

II. Der Vorsatz des Beklagten als Grundlage seiner Verurteilung

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Todesrisiko einzustehen oder aus Furcht vor diesem Risiko unüberlegt sein Recht unverteidigt zu lassen.

Bei der actio ad exhibendum muss es sich aber anders verhalten, weil sie ja eben nur auf Vorlage der umstrittenen Sache und nicht auf deren Herausgabe gerichtet ist. Diese kann nicht von demjenigen erwartet werden, der nicht an die Berechtigung des Klägers glaubt. Die bloße Vorlegung dagegen ist auch jemandem zuzumuten, der die Rechtsbehauptung des Klägers für falsch hält; und den Vorwurf ihrer vorsätzlichen Missachtung muss sich jeder Beklagte gefallen lassen, gegenüber dem sie erhoben worden und der Prozess eingeleitet worden ist.276 Erweist sich Paulus’ Lösung sogar vor dem Hintergrund des Vergleichs mit seiner Haltung zur Vindikation als stringent, erscheint Ulpians von Zweifeln begleitetes Festhalten an der gegenteiligen Auffassung umso erstaunlicher. Die Suche nach dem Grund dauert aber nicht lang. Es ist die Regel, dass es für die Passivlegitimation durch Besitz auf den Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung und nicht den Moment der Rechtshängigkeit ankommt. Daher ist auch zu verurteilen, wer den Besitz erst nach Streitbefestigung, aber vor der Anordnung der Vorlage durch den iudex erlangt hat: D 10.4.7.4 Ulp 24 ed Si quis non possideat litis contestatae tempore, sed postea ante sententiam possidere coeperit, oportere dici putamus debere condemnari, nisi restituat. Wir glauben, dass, wenn jemand nicht im Zeitpunkt der Streitbefestigung besitzt, aber später vor dem Urteil den Besitz erwirbt, man sagen muss, dass er, falls er nicht herausgibt, zu verurteilen ist.

Und sogar ein zwischenzeitlicher Verlust und erneuter Erwerb des Besitzes aus einem anderen Grund steht einer Verurteilung nicht im Wege. Dies hat schon Pomponius entschieden: D 10.4.7.6 Ulp 24 ed Idem scribit, si quis litis contestatae tempore possederit, deinde desierit possidere, mox coeperit sive ex eadem causa sive ex alia, condemnari eum oportere, nisi restituat. Er (Pomponius) schreibt auch, dass jemand, wenn er im Zeitpunkt der Streitbefestigung besitzt, dann den Besitz verliert und bald wieder erwirbt, sei es aus demselben Grund, sei es aus einem anderen, verurteilt werden müsse, wenn er die Sache nicht herausgibt.

Knüpft die Verurteilung damit eigentlich an die Möglichkeit zur Vorlegung im Moment der richterlichen Entscheidung an,277 fällt es gedanklich schwer, diesen 276 Daher kann man in der Rechtslage bei der actio ad exhibendum entgegen Kaser, SZ 98 (1981) 100 ff. und Pennitz, S. 268 Fn. 98 auch keine Parallele zum in vielfacher Hinsicht umstrittenen Haftungsregime bei der rei vindicatio erkennen. 277 Ein nur auf den ersten Blick verwandtes Thema behandelt Ulpian in D 15.1.30pr Ulp 29 ed: Quaesitum est, an teneat actio de peculio, etiamsi nihil sit in peculio cum ageretur, si modo sit rei iudicatae tempore. Proculus et Pegasus nihilo minus teneri

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§ 3 Sinn und Struktur

Beurteilungszeitpunkt auf den Prozessbeginn vorzuverlegen. Denn auch beim vorprozessualen Besitzverlust knüpft die Haftung an eine freiwillige Besitzaufgabe an. Dass Paulus sich hierüber hinwegsetzt, kann wiederum nur daran liegen, dass er die bloße Vorlegung für stets zumutbar hält: Weiß der Beklagte, dass er sich der Rechtsbehauptung, wenn sie nicht unschlüssig oder offensichtlich unrichtig ist, ohnehin nicht widersetzen kann, darf man von ihm die Vorlage schon im Zeitpunkt der Streitbefestigung erwarten. Eine eher entlegene Äußerung Papinians lässt vielleicht den Schluss zu, dass Paulus seine Ansicht von diesem Juristen übernommen hat: D 47.2.81.2 Pap 12 quaest Si ad exhibendum egissem optaturus servum mihi legatum et unus ex familia servus subreptus, heres furti habebit actionem: eius interest: nihil enim refert, cur praestari custodia debeat. Aber wenn ich auf Vorlegung klage, um einen mir vermachten Sklaven auszuwählen, und einer der Sklaven aus der Familie entwendet wird, hat der Erbe die Diebstahlsklage; er hat das Interesse; es spielt nämlich keine Rolle, warum er Bewachung leisten muss.

Papinian spricht einem Erben, der von einem Vermächtnisnehmer auf Vorlegung von Sklaven zur Auswahl belangt worden ist, die Aktivlegitimation actio furti zu, wenn einer der Sklaven gestohlen worden ist. Grund sei die Verpflichtung des Erben zur custodia. Da sich diese nicht schon aus dem Vindikationsvermächtnis ergibt, kann sie nur die Folge des schon eingeleiteten Vorlegungsverfahrens sein. Und sie sorgt im Grundsatz für dasselbe Ergebnis, für das auch Paulus eintritt: eine Haftung des Beklagten für zufälligen Besitzverlust nach Rechtshängigkeit.278 Zwar ist die Äußerung Papinians zu knapp, als dass sie Einaiunt: intenditur enim recte, etiamsi nihil sit in peculio. idem et circa ad exhibendum et in rem actionem placuit, quae sententia et a nobis probanda est. („Es ist gefragt worden, ob mit der Vorlegungsklage auch dann gehaftet wird, wenn bei Klageerhebung nichts im Sondergut vorhanden war, dann aber im Zeitpunkt der Urteilsfällung. Proculus und Pegasus schreiben, dass nichtsdestoweniger gehaftet werde; das Klageziel sei nämlich auch dann zu Recht gegeben, wenn nichts im Sondergut vorhanden war. Und dies ist auch bei der Vorlegungsklage und bei dinglichen Klagen anerkannt, was auch von uns gebilligt wird.“) Zwar fehlt es hier im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit wahrscheinlich an einer facultas exhibendi, weil das Sondergut, in das die vorzulegende Sache gelangt sein soll, aufgebraucht ist. Die Rechtsfrage, um die es an dieser Stelle geht, ist jedoch allein, ob das Sondergut, dessen Vorhandensein die Verpflichtung des Gewalthabers rechtfertigt, schon im Zeitpunkt des Prozessbeginns vorhanden sein muss. Die Entscheidung bezieht sich daher aller Wahrscheinlichkeit nach auf einen Fall, in dem der Kläger einen arglistigen Besitzverlust geltend macht. 278 Dass Paulus auch bei der Vindikation eine custodia-Haftung des dolosen Beklagten annimmt, will Kaser, SZ 98 (1981) 129 aus D 6.1.16pr Paul 21 ed ableiten: Utique autem etiam mortuo homine necessaria est sententia propter fructus et partus et stipulationem de evictione: non enim post litem contestatam utique et fatum possessor praestare debet. („Auch nach dem Tod des (eingeklagten) Sklaven ist ein Urteil zumindest wegen der Nutzungen und Kinder und eine Eviktionsstipulation erforderlich; der Besitzer ist nämlich keineswegs stets auch für höhere Gewalt haftbar.“) Könnte dieser Text

II. Der Vorsatz des Beklagten als Grundlage seiner Verurteilung

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zelheiten der Ableitung dieser Haftung erkennen ließe. Ihre Basis kann aber wiederum nur die Erwägung sein, dass der Beklagte, indem er sich schon auf das Verfahren einlässt und sich nicht zu der ihm ohne Weiteres zumutbaren Vorlegung bereitfindet, die Rechtsbehauptung des Klägers vorsätzlich missachtet.279 3. Nachklassische Ausdehnung der Haftung auf Fahrlässigkeit In nachklassischer Zeit bildet diese Überlegung die Grundlage für eine erhebliche Ausweitung der Einstandspflicht des Besitzers. Nach einem Bescheid der diokletianischen Reskriptenkanzlei soll er schon vor Klageerhebung für jede vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführte Verschlechterung des Vorlagegegenstands einstehen müssen,280 wenn auch nicht mit der actio ad exhibendum, so doch mit einer entsprechenden Tatsachenklage:281 CJ 3.42.7 (a 286) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. Vitaliano. Exhibitionis necessitatis tenetur, qui facultatem habens culpam vel dolum in explendo praecepto committit, ita ut, qui rem deteriorem exhibuit, aequitas exhibitionis proficiat, ut, quamvis ad exhibendum agi non potest, in factum tamen actio contra eum detur. Kaiser Diokletian und Maximian an Vitalianus. Wegen der Pflicht zur Vorlage haftet, wer die Möglichkeit hierzu hat und bei Erfüllung der Pflicht Fahrlässigkeit oder Vorsatz begeht, so dass die bei der Vorlage zu beachtende Billigkeit ergibt, dass gegen denjenigen, der die Sache in verschlechtertem Zustand vorlegt, obwohl nicht auf Vorlage geklagt werden kann, doch eine Tatsachenklage gewährt wird.

Die aequitas exhibitionis, auf die sich die Kanzlei hier beruft, ist ein Zitat aus Ulpians Ediktskommentar. Dort erscheint sie ebenfalls als Grund für die Gewährung einer actio in factum, die allerdings einen Fall geistigen Eigentums betrifft, in dem die direkte Klage am fehlenden dinglichen Recht des Klägers scheitert.282 In der von Diokletian entschiedenen Konstellation können der Vorlegungsklage zwei Umstände entgegenstehen, zum einen, dass der Besitzer die Sache nicht verloren, sondern nur in verschlechtertem Zustand vorgelegt hat, zum anderen, dass ihm nur Fahrlässigkeit im Umgang mit der Sache zur Last fällt. Die Diskussion über eine Einstandspflicht für Sachverschlechterung ist alt und mindestens schon von Sabinus angestoßen worden.283 Es ist unwahrscheinlich, dass Diokleauch die Brücke bilden, um die Ansichten Paulus’ und Papinians zu verbinden, ist die Aussage doch zu vage, als dass man sie auf das Konzept einer custodia-Haftung beziehen könnte; vgl. Wimmer (Fn. 194), S. 82. 279 Vgl. auch Kaser, Grenzfragen der Aktivlegitimation zur actio furti, in: Harder/ Thielmann (Hg.), De iustitia et iure, Festgabe für von Lübtow, Berlin 1980, S. 291, 301 ff. 280 Anders Demelius, S. 215, der die Entscheidung zu Unrecht auf eine Verschlechterung der Sache während des laufenden Prozesses bezieht. 281 Hierzu unlängst Harke (Fn. 74), S. 46 f. 282 D 10.4.3.14 Ulp 24 ed; s. o. S. 28 f. 283 D 10.4.9.3 Ulp 24 ed; s. u. S. 111.

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§ 3 Sinn und Struktur

tians Juristen sie zum Anlass für die Schaffung einer actio in factum nehmen. Eher dient dieser Schritt dazu, den Besitzer auch für eine fahrlässige Behandlung der Sache einstehen zu lassen. Mit ihr setzt sich die Kanzlei über den noch unter Gordian vertretenen und eigens auf Modestin zurückgeführten Grundsatz hinweg, dass der Besitzer nur für seine Arglist haftbar ist: CJ 3.42.5 (a 239) Impp. Gordianus A. Sabiniano militi. Ad exhibendum actione non tantum eum qui possidet, sed etiam eum teneri, qui dolo fecit, quominus exhiberet, merito tibi a non contemnendae auctoritatis iuris consulto Modestino responsum est. Kaiser Gordian an den Soldaten Sabinianus. Dir hat Modestin, ein Rechtsgelehrter von nicht zu verachtendem Ansehen, zu Recht das Gutachten erteilt, dass mit der Vorlegungsklage nicht nur der Besitzer haftet, sondern auch, wer arglistig bewirkt hat, dass er nicht vorlegen kann.

Diesen Grundsatz will die Kanzlei unter Diokletian freilich nicht als solchen in Frage stellen. Ihre Entscheidung gilt nicht jedem Besitzer, der über eine Sache verfügt, die später zum Gegenstand eines Vorlegungsverfahrens wird. Stattdessen betrifft sie nur einen Besitzer, der sich „in Erfüllung seiner Pflicht“ (,in explendo praecepto‘) fahrlässig verhält. Es geht also um den Fall, dass der Besitzer in dem Moment, in dem die vorzulegende Sache infolge seiner Nachlässigkeit zu Schaden kommt, schon die Rechtsbehauptung des Klägers kennt. Er ignoriert sie freilich nicht völlig, sondern sieht lediglich von der Einhaltung der Sorgfaltspflichten ab, die er einhalten müsste, um den Erhalt der Sache sicherzustellen. Der Fall, auf den sich Diokletians Entscheidung richtet, ist leicht zu rekonstruieren und entspricht einer Konstellation, die in anderem Zusammenhang vermutlich schon den Juristen der prokulianischen Rechtsschule beschäftigt und später zur Herausbildung der Figuren der diligentia quam in suis und der groben Fahrlässigkeit geführt hat:284 Ein Besitzer, der eine vorzulegen oder herauszugeben hat, verringert in Kenntnis dieser Verpflichtung seine Sorgfalt im Umgang mit der Sache und beruft sich, wenn er später vom Gläubiger belangt wird, darauf, dass er nur für seinen Vorsatz einzustehen habe. Nerva und Celsus, die sich mit dem Fall eines Verwahrers beschäftigen, versagen dessen Verteidigung den Erfolg, indem sie ihm Vorsatz vorwerfen: Entscheidet er sich dafür, die hinterlegte Sache schlechter zu behandeln als seine eigenen, liegt hierin gerade der dolus, der seine Haftung aus der Verwahrungsklage trägt:285 D 16.3.32 Cels 11 dig Quod Nerva diceret latiorem culpam dolum esse, Proculo displicebat, mihi verissimum videtur. nam et si quis non ad eum modum quem hominum natura desiderat diligens est, nisi tamen ad suum modum curam in deposito praestat, fraude non caret: nec enim salva fide minorem is quam suis rebus diligentiam praestabit. 284

Hierzu Harke, Freigiebigkeit und Haftung, Würzburg 2006, S. 16 f. Hierzu Harke, Argumenta Iuventiana – argumenta Salviana. Entscheidungsbegründungen bei Celsus und Julian, Berlin 2012, S. 47. 285

III. Verwirkung durch Vereitelung

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Was Nerva sagte, nämlich dass schwere Fahrlässigkeit Vorsatz sei, missfiel Proculus, erscheint mir aber ganz richtig. Denn auch wer nicht in dem Maße sorgfältig ist, wie es die Natur des Menschen verlangt, handelt doch arglistig, wenn er bei der Verwahrung nicht zumindest die Sorgfalt aufbringt, die seinem Maße entspricht. Ohne Verletzung des Treuegebots kann er nämlich nicht weniger Sorgfalt walten lassen als in eigenen Angelegenheiten.

Diokletians Juristen gehen einen Schritt weiter: Sie lassen den Besitzer für jeden Sorgfaltsverstoß einstehen, wenn er in Kenntnis der fremden Rechtsbehauptung und der hieraus resultierenden Vorlagepflicht vorkommt. Dass sein Verhalten an strengeren Maßstäben gemessen wird als das eines Verwahrers, liegt wiederum am unterschiedlichen Inhalt der betroffenen Verpflichtung: Während der Verwahrer die Rückgabe der niedergelegten Sache schuldet, muss der zur Vorlegung verpflichtete Besitzer sie nicht aufgeben, sondern nur vorweisen, was ihm ohne Weiteres zuzumuten ist.

III. Verwirkung durch Vereitelung 1. Das Verwirkungsschema Nimmt man die beiden Eigenheiten der Vorlegungsklage zusammen, entsteht ein vertrautes Muster: Indem die Verurteilung aus der actio ad exhibendum dem Kläger den Nachweis des von ihm behaupteten Rechts erspart, nimmt sie dem Beklagten die Möglichkeit einer gehörigen Verteidigung gegen die Rechtsbehauptung des Klägers. Dies ist eine Form von Verwirkung, deren Grund die vorsätzliche Missachtung des klägerischen Interesses durch den Beklagten ist: Weil er sich willentlich der Rechtsverfolgung des anderen widersetzt, nimmt die Vorlegungsklage deren Erfolg vorweg. Der Versuch ihrer Vereitelung wird mit Verwirkung des Rechtsschutzes sanktioniert, den der Beklagte gewöhnlich genießt. Voraussetzungen und Wirkungsweise der Vorlegungsklage ergeben ein Schema, das in der gesamten römischen Rechtsordnung überall präsent ist und sich sogar im Rahmen der actio ad exhibendum selbst wiederholt: Die Gleichstellung des Beklagten, der sich des Besitzes der umstrittenen Sache arglistig entledigt hat, mit einem Beklagten, der die Sache noch innehat, bedeutet nichts anderes, als dass dem Beklagten ein gewöhnlich zustehender Einwand genommen wird: Er kann sich nicht darauf berufen, kein Besitzer der Sache zu sein, weil er sein Interesse an diesem Vorbringen durch den arglistig herbeigeführten Besitzverlust verwirkt hat. Ebenso wie er sich trotz fehlender possessio wie ein Besitzer behandeln lassen muss, werden alle Beklagten, die eine Verurteilung aus der actio ad exhibendum erfahren, so behandelt, als wären sie im Hauptverfahren unterlegen. Ihr denkbarer Einwand, die Rechtsbehauptung des Klägers sei falsch, ist ihnen genommen, weil sie sich ihr von vornherein in unfairer Weise entgegengestellt haben.

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§ 3 Sinn und Struktur

Eine Besonderheit der Vorlegungsklage ist, dass der andere Teil nicht nur in Reaktion auf ein arglistiges Verhalten des Beklagten geschützt wird, sondern die Verwirkung hier aktiv herbeiführen kann. Die actio ad exhibendum stellt damit eine Art von Test dar, dem der Kläger den Beklagten unterziehen kann. Besteht er diesen Test nicht, wird der Weg zum Prozesserfolg abgekürzt, was außer dem Interesse des Klägers auch dem Gebot der Prozessökonomie dient. Zum Gegenstand dieses Tests kann natürlich nicht gemacht werden, was das Ziel des Hauptverfahrens ist. Müsste der Beklagte die Sache auf die Rechtsbehauptung des Klägers hin herausgeben, wäre die Hauptsache vorweggenommen, der Beklagte in unzumutbarer Weise seiner Verteidigungsmöglichkeiten beraubt. Das Begehren des Klägers kann daher erst im Hauptverfahren auf die restitutio der Sache gerichtet sein und muss sich bei der actio ad exhibendum auf eine Vorgabe beschränken, der der Beklagte nachkommen kann, ohne eine Verkürzung seiner Rechtsposition befürchten zu müssen.286 Widersetzt er sich schon an dieser Stelle der Auseinandersetzung, kann man diese wegen der fehlenden Kooperationsbereitschaft des Beklagten rasch zugunsten des Klägers entscheiden. Als ein minus gegenüber der im Hauptverfahren zu erstrebenden restitutio ist aber nur die Vorlage oder Vorführung der Sache denkbar. Welchen Wert hat aber die Vorlegung für den Kläger? Zumindest im Formularprozess kann ein dinglicher Rechtsstreit ohne Weiteres in Abwesenheit der umstrittenen Sache geführt werden. Anders verhält es sich bei der legis actio per sacramento in rem. Bedenkt man, dass unsere Quellen, die Aufschluss über das Alter der Klage geben können, nur bis zu Aquilius Gallus zurückreichen,287 muss die Annahme, die actio ad exhibendum gehe auf einen Vorläufer im alten Legisaktionenverfahren zurück, reine Spekulation bleiben. Und auch die Vermutung, die Klage sei zwar als Institut des Formularprozesses, aber mit Blick auf die zunächst noch zulässigen legis actiones geschaffen worden,288 hat nichts für sich; denn sie wäre dann ein Mittel zur Förderung der im alten Verfahren noch möglichen Naturalvollstreckung, aber als solches gerade auf Geldverurteilung gerichtet gewesen.289 Wird mit der Vorlage auch keine Verfahrensvoraussetzung erfüllt, bedeutet sie jedoch zweifellos einen Vorteil für den Kläger. Dies gilt nicht nur in den Fällen, in denen er zur Auswahl eines von mehreren Gegenständen berechtigt ist oder die Sache überhaupt erst vindizieren kann, wenn sie aus der Verbindung mit einer anderen Sache herausgelöst ist. Auch sonst ist die Präsenz der Sache für ihn deshalb wünschenswert, weil sie seine Aussichten auf einen erfolgreichen Nachweis 286

Richtig Demelius, S. 211. D 19.1.17.6 Ulp 32 ed; s. o. S. 17 f. 288 So Kaser, RIDA 14 (1967) 281. 289 Aus diesem Grund wendet sich auch schon Demelius, S. 255 ff. gegen eine Verbindung der Klage mit dem Legisaktionenverfahren. 287

III. Verwirkung durch Vereitelung

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seines Rechts steigert. Denn nicht nur die Beweisführung durch Augenschein, sondern auch die Vernehmung von Zeugen, die über das frühere Schicksal der Sache Auskunft geben sollen, und die Auswertung von Urkunden gelingt eher, wenn die Sache als Anschauungsobjekt vorhanden ist. Dies ist besonders augenfällig in dem Fall, dass ein Sklave vorgeführt werden soll, den der Kläger vindizieren oder in einem Noxalverfahren belangen will. Für Demelius ist dies der typische Fall der actio ad exhibendum und der Grund dafür, warum diese in der Moderne nicht die Bedeutung hat, die ihr in Rom zukommt.290 Dass die Vorführung eines Sklaven dem Zweck dient, den Sachverhalt aufzuklären, bekundet die kaiserliche Kanzlei denn auch ausdrücklich in einer unter Severus Alexander ergangenen Konstitution:291 CJ 3.42.1 (a 222) Imp. Alexander A. Crescenti militi. Si dominium ancillae, de qua agis, ad matrem tuam pertinuit nec iure a patre tuo venumdata est eiusque proprietatem tibi vindicare paratus es, praeses provinciae exhiberi eam iubebit, ut apud iudicem de rei veritate quaeratur. Kaiser Alexander an den Soldaten Crescens. Stand das Eigentum an der Sklavin, wegen der du Klage erhebst, deiner Mutter zu und ist sie nicht rechtmäßig von deinem Vater verkauft worden und hast du vor, das Eigentum an ihr für dich in Anspruch zu nehmen, soll der Provinzstatthalter anordnen, dass sie vorgeführt wird, damit vor dem Richter der Sachverhalt untersucht wird.

Aber auch jenseits eines Rechtsstreits über Sklaven verbessert die Anwesenheit der Sache die Beweisposition des Klägers. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Identifikation der Sache, die Demelius als wesentliche Funktion der actio ad exhibendum ausmacht.292 Auch wenn völlig gewiss ist, um welchen Gegenstand sich die Auseinandersetzung dreht, lässt sich der Nachweis, dass er dem Kläger gehört, stets besser führen, wenn die Sache präsent ist, vom Richter und Zeugen in Augenschein genommen und mit anderen Informationen, wie sie sich insbesondere aus Urkunden ergeben, abgeglichen werden kann. Das renitente Verhalten, das der Beklagte sich mangels Vorlage vorhalten lassen muss und das durch die Verwirkung seiner Verteidigung im Hauptverfahren sanktioniert wird, liegt also konkret in dem Versuch einer Beweisvereitelung. Ebenso wie diese heute noch prozessrechtlich durch die Fiktion einer erfolgreichen Beweisführung sank290

Demelius, S 261. Weniger aussagekräftig ist dagegen ein Bescheid Diokletians, in dem ebenfalls von einem dinglichen Rechtsstreit über vorgeführte Sklaven die Rede ist; vgl. CJ 3.32.13 (a 293): Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Etychio. Ordinarii iuris est, ut mancipiorum orta quaestione prius exhibitis mancipiis de possessione iudicetur ac tunc demum proprietatis causa ab eodem iudice decidatur. („Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Etychius. Der Rechtsgang ist gewöhnlich, dass beim Rechtsstreit nach Vorlegung der Sklaven zunächst über den Besitz befunden und erst dann von demselben Richter die Eigentumsfrage entschieden wird.“) 292 S. o. S. 36. 291

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§ 3 Sinn und Struktur

tioniert wird, erspart sie auch in Rom den zu erbringenden Beweis, indem das Vorlegungsverfahren mit einer Verurteilung endet, wie sie auch im Hauptverfahren stattgefunden hätte. 2. Verbesserung der Beweisposition als Klageziel Außer in dem Bescheid von Severus Alexander kommt die prozessfördernde Wirkung, die von der erstrebten Vorlage einer Sache ausgeht, noch in einigen allgemeinen Aussagen zur actio ad exhibendum zum Ausdruck. Am wenigsten deutlich ist dabei eine knappe Bemerkung, die Lenel schon der Darstellung der Aktivlegitimation in Ulpians Ediktskommentar293 zuschlägt, die aber ebenso gut zu der vorangehenden Ediktslaudation294 gehören könnte: D 10.4.3pr Ulp 24 ed In hac actione actor omnia nosse debet et dicere argumenta rei de qua agitur. Bei dieser Klage muss der Kläger alle Merkmale der streitbefangenen Sache kennen und angeben.

Versteht man diesen Satz allein als Beschreibung eines Klageerfordernisses, unterwirft er den Kläger dem Gebot eines substantiierten Vortrags, der einen Schluss auf die Identität der vorzulegenden Sache zulässt. Hierfür spricht in der Tat das Verb ,dicere‘; dagegen scheint das vorangehende ,nosse‘ eher auf das Prozessergebnis gerichtet und könnte das mit der actio ad exhibendum verfolgte Klageziel anzeigen, die Sache gründlich zu kennen, um das an ihr behauptete Recht geltend zu machen. In diesem Sinne ist jedenfalls der Auszug aus Paulus’ Ediktskommentar zu verstehen, den die Kompilatoren zwischen Ulpians Ediktslaudation und die mehrdeutige Bemerkung zum Kenntnisstand des Klägers eingefügt haben:295 D 10.4.2 Paul 21 ed Exhibere est facere in publico potestatem, ut ei qui agat experiundi sit copia. Vorlegen heißt, so öffentlich zur Verfügung zu stellen, dass der Kläger die Möglichkeit hat, Klage zu erheben.

Wieder ist die Bedeutung nicht ganz klar: Soll die ,copia experiundi‘, die der Beklagte dem Kläger durch Vorlage verschaffen soll, bloß die Inaugenscheinnahme296 oder allgemeiner die Möglichkeit zur Klageerhebung meinen? Berücksichtigt man die technische Verwendung von ,experiri‘ in den Juristenschriften 293

Pal. 719; s. o. S. 7. Pal. 718 = D 10.4.1 Ulp 24 ed. 295 Zum Werk der Kompilatoren erklärt den Text Marrone, S. 518, der ihn als Zeugnis für die vorbereitende Funktion der actio ad exhibendum eliminieren möchte. Aus demselben Grund hält ihn Burillo, SDHI 26 (1960) 209 für zu gestört, um ihm eine Aussage abgewinnen zu wollen. 296 So Demelius, S. 54 ff. 294

III. Verwirkung durch Vereitelung

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sowie die Kombination mit dem Relativsatz: ,qui agat‘, liegt näher anzunehmen, Paulus habe das Ziel der Klage darin gesehen, dem Kläger die Geltendmachung des behaupteten Rechts im Hauptverfahren zu ermöglichen. Da dieses nicht an eine Sachpräsenz in iure oder apud iudicem gebunden ist, kann der Vorteil, den er durch die Vorlage erfährt, nur der Förderung der Beweisführung dienen. Dass die Vorlage ,in publico‘ erfolgen muss, beschränkt sie nicht auf die Vorzeigung beim Gerichtsmagistrat oder Richter, schließt diese aber ein. Der Kläger kann also vom Beklagten jegliches Verhalten verlangen, das die Durchsetzung seines behaupteten Rechts im Wege der Sachpräsenz unterstützt. Hierzu gehört auch die vorprozessuale Besichtigung der Sache durch den Kläger und seine Zeugen sowie die Vorlage vor Prätor oder iudex, sofern der Kläger dies begehrt. Mit Paulus’ Aussage stimmt ein Passus in Ulpians Ediktskommentar überein, der sich am Beginn des Abschnitts findet, in dem Ulpian die Verurteilungsformel behandelt297: D 10.4.9.5 Ulp 24 ed Quantum autem ad hanc actionem attinet, exhibere est in eadem causa praestare, in qua fuit, cum iudicium acciperetur, ut quis copiam rei habens possit exsequi actione quam destinavit in nullo casu quam intendit laesa, quamvis non de restituendo, sed de exhibendo agatur. Was diese Klage betrifft, bedeutet ,vorlegen‘ die Sache in dem Zustand herbeizuschaffen, in dem sie sich bei Aufnahme des Rechtsstreits befand, so dass jemand unter Zugriff auf die Sache die Möglichkeit zur beabsichtigten Klageerhebung hat, ohne dabei in irgendeiner Weise beschränkt zu sein, obwohl nicht auf Herausgabe, sondern auf Vorlegung geklagt wird.

Hier zielt ,copia‘ eindeutig auf die Prozessführung im Hauptverfahren,298 für die dem Kläger der unbeschränkte Zugriff auf die Sache eröffnet sein soll. Gemeint sein kann damit wiederum nur die Beweisführung, für die der Kläger umfassenden Gebrauch von der Sache machen können soll. Dass es dem Kläger in erster Linie auf ihre körperliche Präsenz im Hauptverfahren ankommt, zeigt Ulpians ausführliche Darstellung zur Frage des Vorlageorts und eines deshalb erforderlichen Transports:299 D 10.4.11.1 Ulp 24 ed Quo autem loco exhiberi rem oporteat vel cuius sumptibus, videamus. et Labeo ait ibi exhibendum, ubi fuerit cum lis contestaretur, periculo et impendiis actoris perferendam perducendamve eo loci ubi actum sit. pascere plane servum vestire curare 297

Pal. 722. Deshalb muss Marrone, S. 521 wiederum zu einer Interpolationsvermutung greifen; und Burillo, SDHI 26 (1960) 211 will die Aussage auf den Fall beschränken, dass sich der Beklagte auf den dinglichen Rechtsstreit einlässt. 299 Weitgehende Interpolationsvermutungen stellen wiederum Marrone, S. 479 ff. und Burillo, SDHI 26 (1960) 224 an. 298

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§ 3 Sinn und Struktur

possessorem oportere ait. ego autem arbitror interdum etiam haec actorem agnoscere oportere, si forte ipse servus ex operis vel artificio suo solebat se exhibere, nunc vero cogitur vacare. proinde et si apud officium fuerit depositus exhibendus, cibaria debebit adgnoscere qui exhiberi desideravit, si non solebat possessor servum pascere: nam si solebat, sicuti pascit, ita et cibaria potest non recusare. interdum tamen eo loci exhibere debet suis sumptibus, si forte proponas data opera eum in locum abditum res contulisse, ut actori incommodior esset exhibitio: nam in hunc casum suis sumptibus et periculo debebit exhibere in eum locum ubi agatur, ne ei calliditas sua prosit. Wir müssen aber zusehen, wo vorgelegt werden muss und auf wessen Kosten. Und Labeo sagt, es sei dort vorzulegen, wo sich die Sache bei Streitbefestigung befand, und sie müsse auf Gefahr und Kosten des Käufers an den Ort gebracht oder überführt werden, wo geklagt wird. Einen Sklaven müsse freilich sein Besitzer ernähren, kleiden und versorgen. Ich glaube aber, zuweilen müsse dies auch der Kläger auf sich nehmen, wenn etwa der Sklave sich durch seine Dienste oder Künste gewöhnlich selbst unterhält, jetzt aber gezwungen ist, untätig zu sein. Daher muss, wenn der Vorzuführende beim Magistrat in Gewahrsam genommen worden ist, derjenige für seine Verpflegung aufkommen, der die Vorführung begehrt hat, falls der Besitzer den Sklaven gewöhnlich nicht ernährte. Denn wenn er dies tat, kann er ihm die Nahrung, wie er sie ihm bislang gewährt hat, nicht verweigern. Zuweilen muss die Vorlegung an einem anderen Ort aber auf Kosten des Beklagten erfolgen, nämlich wenn du etwa vorträgst, er habe die Sache absichtlich an einen entlegenen Ort gebracht, damit die Vorlegung für den Kläger erschwert ist; denn in diesem Fall muss er auf seine Kosten und seine Gefahr an dem Ort vorlegen, wo geklagt wird, damit ihm seine Hinterlist nichts nützt.

Soll der Beklagte nur im Ausnahmefall, dass er die Sache arglistig an einen anderen Ort geschafft hat, mit den Kosten ihres Transports belastet und auch für einen Verdienstausfall entschädigt werden, erhellt dies, dass die Vorlegung für ihn keine Belastung bedeutet und ihm daher ohne Weiteres zumutbar ist. Dass es überhaupt einer Beförderung der Sache bedarf, folgt daraus, dass sie dorthin gebracht werden soll, wo das Hauptverfahren stattfindet. Hier ist der Ort, an dem sich der Kläger der Sache bedienen will, weshalb er Kosten und Gefahr des Transports übernehmen muss. Bezogen auf den Gerichtsort Rom bestätigt Ulpian dies, wenn er vom Regime der actio ad exhibendum auf die Verwahrungsklage schließt, die ungeachtet ihrer schuldrechtlichen Natur restitutorisch und daher den dinglichen Klagen verwandt ist:300 D 16.3.12.1 Pomp 21 Sab Depositum eo loco restitui debet, in quo sine dolo malo eius est, apud quem depositum est: ubi vero depositum est, nihil interest. eadem dicenda sunt communiter et in omnibus bonae fidei iudiciis. sed dicendum est, si velit actor suis impensis suoque periculo perferri rem Romam, ut audiendus sit, quoniam et in ad exhibendum actione id servatur.

300

Zum Fallvergleich Harke (Fn. 58), S. 19 f.

III. Verwirkung durch Vereitelung

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Eine hinterlegte Sache ist an dem Ort zurückzugeben, an dem sie sich bei dem Verwahrer befindet, ohne dass dessen Arglist im Spiel ist; es ist unwichtig, wo sie sich wirklich befindet. Dies gilt generell und für alle Klagen nach guter Treue. Aber wenn der Kläger möchte, dass die Sache auf seine Kosten und Gefahr nach Rom befördert wird, muss er gehört werden, weil dies auch bei der Vorlegungsklage anerkannt ist.

3. Streitpunkt Sachverschlechterung Nur unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung ist auch Mehrheitsmeinung der römischen Juristen in der Frage zu verstehen, ob der Beklagte außer für einen Verlust auch für eine Verschlechterung der vorzulegenden Sache einzustehen hat. Lange vor der diokletianischen Kanzlei301 hat sich hierfür schon Sabinus ausgesprochen, damit aber keine Gefolgschaft bei Ulpian gefunden: D 10.4.9.3 Ulp 24 ed Sed si quis in rem deteriorem exhibuerit, aeque ad exhibendum eum teneri Sabinus ait. sed hoc ibi utique verum est, si dolo malo in aliud corpus res sit translata, veluti si ex scypho massa facta sit: quamquam enim massam exhibeat, ad exhibendum tenebitur, nam mutata forma prope interemit substantiam rei. Aber Sabinus schreibt, dass jemand, wenn er eine Sache verschlechtert vorlegt, ebenfalls mit der Vorlegungsklage haftet. Dies trifft jedoch nur dann zu, wenn die Sache arglistig in eine andere verwandelt worden ist, wie zum Beispiel, wenn aus einem Becher bloßes Metall gemacht wird; auch wenn er das Metall vorlegt, haftet er auf Vorlegung, weil mit der Veränderung der Form auch die Sachsubstanz beseitigt wird.

Zwar enthält das Zitat des Frühklassikers keine Begründung. Warum Sabinus den Beklagten für eine Beschädigung der Sache haften lässt, ist jedoch leicht zu erklären: Aus Sicht des Klägers bedeutet es nur einen graduellen und keinen kategorischen Unterschied, ob er einen Wertverlust durch den Verlust der Sache oder ihre bloße Beschädigung erleidet. Dass der Kläger gleichermaßen ein Interesse an der Innehabung der Sache und an ihrem Zustand hat, rechtfertigt es für Sabinus, den Begriff des Besitzverlustes weit zu verstehen und auf den Fall auszudehnen, in dem die Sachherrschaft zwar erhalten bleibt, aber durch die Beschädigung der Sache an Wert für den Kläger verloren hat. Obwohl er es nicht offen ausspricht, entscheidet sich Ulpian gegen Sabinus: Die bloße Sachverschlechterung, die der Frühklassiker genügen lässt, um eine Haftung des Beklagten zu begründen, ist aus Ulpians Sicht gerade nicht hinreichend. Im Fall einer Sachveränderung muss es für ihn schon zu einer Aufhebung der Sachidentität kommen,302 damit der Beklagte wegen arglistigen Besitzverlustes einstehen muss. Als Beispiel wählt Ulpian die Konstellation, dass ein Becher 301

CJ 3.42.7 (a 286); s. o. S. 103 f. Schermaier, Materia. Beiträge zur Frage der Naturphilosophie im klassischen römischen Recht, Wien u. a. 1992, S. 144 f. will ,substantia rei‘ hier mit „Wesen der Sache“ übersetzen. 302

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§ 3 Sinn und Struktur

aus Metall eingeschmolzen wird. Da hier nur das Material erhalten bleibt, die Sache aber aufhört zu existieren, liegt ein regelrechter Besitzverlust vor; denn mit der Sache geht auch die Herrschaft an ihr verloren. Dem Beklagten nützt es folglich nichts, wenn er das Material vorlegt, das er aus der vorzulegenden Sache gewonnen hat.303 Die Konsequenz aus seiner restriktiven Haltung zieht Ulpian an anderer Stelle: D 10.4.17 Ulp 9 omn trib Si quis hominem debilitatum exhibeat vel eluscatum, ad exhibendum quidem absolvi debet: exhibuit enim et nihil impedit directam actionem talis exhibitio, poterit tamen agere actor ex lege Aquilia de hoc damno. Hat jemand einen Sklaven verstümmelt oder mit ausgeschlagenem Auge vorgeführt, ist er zwar im Verfahren über die Vorlegungsklage freizusprechen, weil er ihn vorgeführt hat und diese Vorführung nicht die Hauptklage beeinträchtigt; der Kläger kann aber wegen dieses Schadens nach dem aquilischen Gesetz klagen.

Für eine bloße Beschädigung der Sache hat der Beklagte, wenn er sie vorlegt, allein mit der actio legis Aquiliae einzustehen. Der Unterschied zur actio ad exhibendum ist erheblich: Bei der Klage nach dem aquilischen Gesetz bleibt dem Kläger der Nachweis seines Rechts gerade nicht erspart. Er kann sich nicht mit der Behauptung begnügen, der Beklagte habe bei der Verschlechterung der Sache Kenntnis von der eigenen Rechtsbehauptung gehabt. Vielmehr muss er dartun, dass diese Behauptung auch richtig war und er ein dingliches Recht an der Sache hatte, dass die Gewährung der aquilischen Klage oder einer hieran anknüpfenden actio utilis ist304. Ulpian gibt zugleich an, warum die Beschädigung der Sache, hier die Verstümmelung eines vorzuführenden Sklaven, nicht ausreicht, um den Nachweis des klägerischen Rechts im Hauptverfahren zu erübrigen:305 Dieses wird durch Verschlechterung der Sache nicht beeinträchtigt. Gemeint sein kann damit nur, dass dem Kläger der Beweis seiner Rechtsbehauptung nicht dadurch erschwert ist, dass die Sache nun beschädigt ist. Ihre Verschlechterung wirkt sich lediglich auf den Umfang der Verurteilung, nicht aber auf die Feststellung des zugrunde liegenden Rechts aus. Dem Beklagten fällt also ungeachtet seines Fehlverhaltens keine Beweisvereitelung zur Last, die zum Anlass für eine Vorwegnahme des Hauptverfahrens gemacht werden könnte. Derselben Auffassung wie Ulpian ist Julian. Auch für den Hochklassiker kommt ungeachtet seiner Zugehörigkeit zur sabinianischen Rechtsschule eine 303 Dass der betreffende quamquam-Satz interpoliert ist, glauben Marrone, S. 403 f. und Burillo, SDHI 26 (1960) 275. 304 D 9.2.11.10 Ulp 18 ed (Nießbraucher), D 9.2.30.1 Paul 22 ed (Pfandgläubiger); hierzu Harke (Fn. 34), S. 85 ff. 305 Die Erwähnung der actio directa glaubt Marrone, S. 523 f. für interpoliert erklären zu müssen, um die Eigenständigkeit der actio ad exhibendum zu erweisen.

III. Verwirkung durch Vereitelung

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Verurteilung aus der actio ad exhibendum nur in Betracht, wenn die Veränderung der Sache von solcher Art ist, dass sie die Sachherrschaft ausschließt. Der Beklagte haftet daher außer für die Veräußerung eines vorzuführenden Sklaven auch für dessen Tötung,306 nicht aber, solange er den Sklaven oder eine andere vorzulegende Sache noch in seiner Gewalt hat: D 10.4.9pr Ulp 24 ed Iulianus scribit: si quis hominem quem possidebat occiderit sive ad alium transtulerit possessionem sive ita rem corruperit ne haberi possit, ad exhibendum tenebitur, quia dolo fecit quo minus possideret. proinde et si vinum vel oleum vel quid aliud effuderit vel confregerit, ad exhibendum tenebitur. Julian schreibt: Hat jemand, der im Besitz eines Sklaven war, diesen getötet oder den Besitz auf einen anderen übertragen oder eine Sache so beschädigt, dass man sie nicht mehr innehaben kann, haftet er auf Vorlegung, weil er arglistig bewirkt hat, dass er nicht mehr besitzt. Daher haftet auch, wer Wein oder Öl oder etwas anderes ausgegossen oder verdorben hat.

Ulpian fügt als weitere Beispiele für eine haftungsauslösende Sachveränderung den Ausguss oder die vergleichbare Verderbnis einer Flüssigkeit an, die ebenfalls ausschließt, dass man sie noch als solche innehaben kann. In einem Originalauszug aus Julians Digesten findet sich wiederum die Konsequenz gezogen, dass statt der actio ad exhibendum die Klage aus dem aquilischen Gesetz erhoben werden muss:307 D 24.1.37 Iul 17 dig Si mulier dolo fecerit, ne res exstaret sibi a marito donata, vel ad exhibendum vel damni iniuriae cum ea agi poterit, maxime si post divortium id commiserit. Hat eine Frau arglistig bewirkt, dass die ihr von ihrem Ehemann geschenkte Sache nicht mehr vorhanden ist, kann gegen sie entweder auf Vorlegung oder wegen rechtswidrig zugefügten Schadens geklagt werden, insbesondere wenn sie dies nach der Scheidung getan hat.

Auch Marcell verneint eine Haftung wegen arglistigen Besitzverlustes in dem Fall, dass ein Schuldner einen verpfändeten Sklaven lediglich verletzt oder auf andere Weise, insbesondere durch Fesselung, seines ursprünglichen Werts beraubt hat. Dem hierdurch beeinträchtigten Pfandgläubiger stehe unter diesen Umständen nur eine zweckdienliche Klage nach dem Vorbild des aquilischen Gesetzes zu, während die den Rechtsnachweis erübrigende actio ad exhibendum bloß bei einer Tötung des Sklaven in Betracht komme: 306 Die Nennung dieser Sachverhaltsvarianten hält Marrone, S. 399 f. für das Ergebnis einer Textverfälschung. 307 Marrone, S. 398 und Burillo, SDHI 26 (1960) 274 halten den mit ,maxime‘ eingeleiteten Satz für interpoliert, weil er auf die oratio Severi über die Heilung von Ehegattenschenkungen mit dem Tod des Schenkers anspiele. Marrone, S. 399 will außerdem die Erwähnung der actio legis Aquiliae streichen. Vgl. zum Text auch González Roldán, S. 99 ff.

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§ 3 Sinn und Struktur

D 20.1.27pr Marcell 5 dig Servum, quem quis pignori dederat, ex levissima offensa vinxit, mox solvit, et quia debito non satisfaciebat, creditor minoris servum vendidit: an aliqua actio creditori in debitorem constituenda sit, quia crediti ipsius actio non sufficit ad id quod deest persequendum? quid si eum interfecisset aut eluscasset? ubi quidem interfecisset, ad exhibendum tenetur: ubi autem eluscasset, quasi damni iniuriae dabimus actionem ad quantum interest, quod debilitando aut vinciendo persecutionem pignoris exinanierit. . . . Jemand hat einen Sklaven, den er verpfändet hat, wegen eines geringfügigen Vergehens in Ketten gelegt, danach wieder freigelassen, und weil er den Gläubiger wegen der Schuld nicht befriedigte, hat dieser ihn zu einem geringeren Preis verkauft. Ist hier dem Gläubiger irgendeine Klage gegen den Schuldner zu gewähren, da die Darlehensklage nicht hinreicht, um die Differenz geltend zu machen? Was gälte, wenn er ihn getötet oder ihm ein Auge ausgeschlagen hätte? Hätte er ihn getötet, haftete er auf Vorlegung; hätte er ihm ein Auge ausgeschlagen, würden wir gleichsam eine Klage wegen rechtswidrig zugefügten Schadens auf das Interesse gewähren, weil er durch die Verstümmelung oder Fesselung des Sklaven die Geltendmachung des Pfandrechts untergraben hätte . . .

Eine Sonderrolle spielen nur Urkunden, bei denen eine Haftung mit der actio ad exhibendum nicht auf den Fall ihrer vollständigen Vernichtung beschränkt ist. Vielmehr lässt Julian genügen, dass sie unleserlich geworden sind:308 D 9.2.42 Iul 48 dig Qui tabulas testamenti depositas aut alicuius rei instrumentum ita delevit, ut legi non possit, depositi actione et ad exhibendum tenetur, quia corruptam rem restituerit aut exhibuerit. legis quoque Aquiliae actio ex eadem causa competit: corrupisse enim tabulas recte dicitur et qui eas interleverit. Wer eine hinterlegte Testamentsurkunde oder eine Urkunde über irgendein Geschäft so zerstört hat, dass man sie nicht mehr lesen kann, haftet mit der Verwahrungsklage und auf Vorlegung, weil er eine beschädigte Sache zurückgegeben oder vorgelegt hat. Aus demselben Grund steht auch die Klage aus dem aquilischen Gesetz zu; auch wer eine Urkunde unleserlich gemacht hat, gilt nämlich als jemand, der sie beschädigt hat.

Ebenso befindet Ulpian ausweislich einer Katene, die Justinians Gesetzesredaktoren mit Hilfe von Auszügen aus Paulus’ und Ulpians Sabinuskommentar gefertigt haben: D 47.2.28 Paul 9 Sab Sed si subripuit, priusquam deleat, tanto tenetur, quanti domini interfuit non subripi: delendo enim nihil ad poenam adicit. Hat er sie (Urkunden) aber entwendet, bevor er sie gelöscht hat, haftet er auf das Interesse, das der Eigentümer daran hat, dass sie nicht entwendet worden wären; durch das Löschen wird die Strafe nicht erhöht. 308 Dass die Erwähnung der actio ad exhibendum hier das Ergebnis einer Interpolation ist, glaubt Burillo, SDHI 26 (1960) 269. Hiergegen wendet sich González Roldán, S. 106.

IV. Fazit

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D 47.2.29 Ulp 41 Sab Hoc amplius et ad exhibendum agi potest: et interdicto quorum bonorum agi poterit, Außerdem kann noch auf Vorlegung geklagt werden; und es kann mit dem Interdikt „wessen Nachlass“ geklagt werden, D 47.2.30 Ulp 9 Sab Si hereditariae tabulae deletae sint. wenn eine Testamentsurkunde gelöscht worden ist.

Zwar ergibt sich der Sachverhalt, auf den Ulpians Entscheidung für die actio ad exhibendum gemünzt ist, aus Paulus’ Kommentar. Dass die Kompilatoren Ulpian hier keine Aussage unterschieben, die er eigentlich nicht getätigt hat, zeigt aber der palingenetische Zusammenhang des Fragments im 41. Buch des ulpianischen Sabinuskommentars. Es hing ursprünglich mit D 9.2.41 zusammen,309 das dem Juliantext in der Kompilation vorangestellt ist und denselben Sachverhalt wie das Paulusfragment schildert.310 Der Grund, aus dem die Juristen im Fall einer Urkunde nicht ihre völlige Zerstörung fordern, liegt auf der Hand: Mit der Zerstörung des Textes hat eine Urkunde ihre Funktion gänzlich eingebüßt und taugt in keiner Hinsicht mehr als Beweismittel.311 Der Beklagte, der sie Kenntnis des fremden Rechts unleserlich gemacht hat, muss sich also den Vorwurf der Beweisvereitelung gefallen lassen, wie er ihn sonst nur bei einer völligen Vernichtung der vorzulegenden Sache trifft. Auch vom Standpunkt Julians und Ulpians, die eine bloße Sachverschlechterung eigentlich nicht genügen lassen, ist in diesem besonderen Fall daher eine Haftung mit der actio ad exhibendum am Platz.312

IV. Fazit Als eigenständiges Klagerecht geschaffen, ist die actio ad exhibendum ein Instrument zur Sanktion einer Beweisvereitelung durch Verwirkung: Obwohl die 309

Vgl. Pal. 2863 (Bd. 2, Sp. 1163). Ulpians Entscheidung scheint auf den ersten Blick freilich im Widerspruch zur Aussage von D 4.3.35 Ulp 30 ed zu stehen, wo der Spätklassiker die subsidiäre actio de dolo gewährt: Si quis tabulas testamenti apud se depositas post mortem testatoris delevit vel alio modo corruperit, heres scriptus habebit adversus eum actionem de dolo. sed et his, quibus legata data sunt, danda erit de dolo actio. („Hat jemand eine bei ihm hinterlegte Testamentsurkunde nach dem Tod des Erblassers gelöscht oder auf andere Weise unbrauchbar gemacht, hat der eingesetzte Erbe gegen ihn die Arglistklage. Aber auch den Vermächtnisnehmern ist die Arglistklage zu gewähren.“) Harmonisieren lassen sich beide Lösungen nur, wenn man unterstellt, der eingesetzte Erbe, von dem Ulpian in D 4.3.35 spricht, habe mangels Testament die Erbschaft nicht antreten können. Dann ist er nicht Eigentümer der Urkunde geworden und auch von der Vorlegungsklage ausgeschlossen. 311 González Roldán, S. 106 spricht davon, dass dieser Fall einer Besitzaufgabe gleichsteht. 312 Zu Unrecht attestiert González Roldán, S. 163 Julian daher eine Übernahme der Lehre von Sabinus. 310

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§ 3 Sinn und Struktur

Präsenz der umstrittenen Sache nicht Voraussetzung eines dinglichen Rechtsstreits ist, verbessert sie doch allemal die Beweisposition des Klägers, indem sie eine Inaugenscheinnahme durch Richter und Zeugen und den Vergleich mit urkundlichen Belegen ermöglicht. Zugleich stellt sie keine unzumutbare Belastung für den Besitzer dar, der die Sache eben nicht herausgeben, sondern lediglich vorweisen muss. Zeigt er sich schon an dieser Stelle renitent, büßt er dies mit der Verwirkung seiner Rechtsstellung im Hauptverfahren: Für den Erfolg im Vorlegungsverfahren genügt die bloße Rechtsbehauptung des Klägers. Sie wird nur insofern einer summarischen Prüfung unterzogen, als der Richter untersuchen muss, ob sie offensichtlich falsch oder wegen ihres Widerspruchs zum eigenen Vortrag des Klägers unschlüssig ist. Den Beweis seiner Behauptung braucht der Kläger dagegen nicht zu erbringen und erreicht doch eine Verurteilung des Beklagten, wie sie auch im Hauptverfahren erfolgt wäre. Ebenso wie dort kann der Kläger sein Interesse im Wege eines Eides selbst bestimmen. Und der Beklagte muss dies hinnehmen, weil er sich den Vorwurf einer vorsätzlichen Missachtung der klägerischen Rechtsbehauptung gefallen lassen muss, sei es, dass er, obwohl er die Sache innehat, den Vorlagebefehl des Richters ignoriert, sei es, dass er die Vorlegung vorher durch eine freiwillige Besitzaufgabe in Kenntnis des vom Kläger in Anspruch genommenen Rechts frustriert hat. Da ihn die Vorlegung nicht übermäßig belastet, muss er nach Meinung mancher Juristen sogar für einen unfreiwilligen Besitzverlust einstehen, wenn er die drohende Klageerhebung nicht zum Anlass genommen hat, dem Vorlagebegehren des Klägers nachzukommen, und dieses Verhalten kausal für den Sachverlust ist. Eine Verurteilung kommt dagegen nach der Mehrheitsmeinung in der klassischen Jurisprudenz nicht in Betracht, wenn der Besitzer die Sache lediglich verschlechtert hat, weil dies noch nicht den Beweis des vom Kläger geltend gemachten Rechts beeinträchtigt. Und sie erfolgt auch nicht ohne Weiteres, wenn der Beklagte der Rechtsbehauptung des Klägers eine Einrede entgegenhält, die im Hauptverfahren eine Beweisaufnahme über das dingliche Recht ausschlösse oder erübrigte. Auch hier kann dem Beklagten keine Beweisvereitelung vorgeworfen werden, wenn er sich dem Vorlagebegehren so lange widersetzt, bis über die Einrede entschieden ist. Ansonsten muss er die Konsequenzen seiner Renitenz erdulden; und der Kläger kann die actio ad exhibendum sogar zum Test für die Haltung des Beklagten machen. Liegt der Vorlegungsklage ein allgemeingültiges Konzept zugrunde, bleibt die Frage, warum sie im Wesentlichen auf Fälle beschränkt bleibt, in denen der Kläger ein dingliches Recht an einer beweglichen Sache behauptet. Dass sie nicht auf Grundstücke Anwendung finden kann, ist deshalb evident, weil diese eben nicht vorgelegt werden können, um dem Kläger den Beweis seines Rechts zu erleichtern. Wie verhält es sich aber mit Sachen, auf die der Kläger, etwa als Käufer oder Inhaber eines Kondiktionsanspruchs, einen schuldrechtlichen Anspruch erhebt? Auch hier könnte der Beweis durchaus erleichtert sein, wenn der Gegenstand beim Verfahren präsent und damit dem Augenschein zugänglich ist.

IV. Fazit

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Die Erklärung, dass im Fall einer bloß obligatorischen Beziehung die Verbindung zwischen Kläger und Sache nicht eng genug ist, um eine Sanktion der Beweisvereitelung durch Verwirkung zu rechtfertigen, muss sich den Vorwurf fehlender Historizität gefallen lassen: Haben die römischen Juristen für die Geltendmachung eines dinglichen Rechts eine nach dem Muster der actiones in rem konzipierte Vorlegungsklage geschaffen, bedeutet dies keineswegs, dass sie das Rechtsinstitut bewusst auf diesen Anwendungsbereich beschränkt haben. Ist die Klage nicht auf schuldrechtliche Ansprüche ausgedehnt, heißt dies lediglich, dass die römischen Juristen nicht den Schritt gewagt haben, aus ihr ein universell einsetzbares Institut zu machen. Da der Verwirkungsgedanke durchaus weiterreicht, liegt hierin natürlich eine gewisse Inkonsequenz, die aber eben nicht als solche verwunderlich, sondern umgekehrt der Schlüssel zur Erklärung der schwindenden Bedeutung der Vorlegungsklage in nachrömischer Zeit ist: In dem Maße, in dem sich der Gedanke durchsetzt, dass eine Beweisvereitelung ganz generell durch Verwirkung des Interesses an der Beweiserhebung und Fiktion einer erfolgreichen Beweisführung zu sanktionieren ist, wird eine Klage entbehrlich, mit der dies speziell für die Geltendmachung eines dinglichen Rechts erreicht wird. Und mit dem Übergang von der Geld- zur Naturalvollstreckung kommt auch das Mittel abhanden, mit dem der Verwirkungsmechanismus funktioniert; denn der Verlust der Rechtsstellung des Beklagten tritt gerade infolge der Identität der Verurteilung in Vorlegungs- und Hauptverfahren ein.

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Pennitz

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Die Passivlegitimation bei der rei vindicatio, Leipzig 1907

Quellenverzeichnis Gai institutiones 2.79 2.90 2.91 4.51

92 Fn. 255 64 Fn. 174 64 Fn. 174 9 Fn. 25, 34 f., 84 Fn. 234

Fragmenta Vaticana 92

68 Fn. 190

Collatio legum Mosaicarum et Romanarum 10.8

50 Fn. 136

Corpus Iuris Civilis Institutiones 2.1.29 2.8.2 4.6.31 4.17.3

51 Fn. 141, 59 Fn. 156 57 9 Fn. 24, 35 49 Fn. 133, 96, 98

Digesta 2.1.1 2.1.4 2.3.1.1 2.7.3pr 2.9.2.1 3.3.56 3.5.32 4.2.14.1 4.2.14.11

38 Fn. 100 38 Fn. 100 38 25 38 f. 10 f. 62 f. 72 Fn. 200 55 f.

120 4.3.7.4 4.3.35 4.4.11pr 5.1.38 5.3.20.6c 5.3.34.1 5.3.36.1 5.3.40pr 6.1.3.2 6.1.4 6.1.9 6.1.16pr 6.1.17.3 6.1.20 6.1.23.5 6.1.23.6 6.1.36pr 6.1.80 6.2.7.1 7.1.17.3 9.2.11.10 9.2.30.1 9.2.42 9.4.32 9.4.33 9.4.40 10.4.1 10.4.2 10.4.3pr 10.4.3.1 10.4.3.2 10.4.3.3 10.4.3.4 10.4.3.5 10.4.3.6 10.4.3.7 10.4.3.8 10.4.3.9 10.4.3.10 10.4.3.11 10.4.3.12 10.4.3.13

Quellenverzeichnis 13 f. 115 Fn. 310 60 f. 46 f. 70 Fn. 196 72 Fn. 199 51 Fn. 138, 72 100 f. 57 f. 57 f. 70 f. 102 f. Fn. 278 69 f. 86 47, 59 Fn. 156 47, 59 Fn. 156 69 80 90 Fn. 249 13 Fn. 34 13 Fn. 34, 112 Fn. 304 112 Fn. 304 114 26 f. 26 f. 62 7 Fn. 1, 10, 42 Fn. 111, 108 Fn. 294 108 f. 7 Fn. 2, 108 7 Fn. 2, 11 f., 81 7 Fn. 2, 91 7 Fn. 2, 12, 34 Fn. 81, 42 Fn. 112 7 Fn. 2, 12 f., 42 Fn. 112 7 Fn. 2, 14 f., 42 Fn. 112 7 Fn. 2, 27, 42 Fn. 108 7 Fn. 2, 25 7 Fn. 2, 29 f. 7 Fn. 2, 3, 81 f. 7 Fn. 2, 3, 28 7 Fn. 2, 3, 15 7 Fn. 2, 3, 14, 80 f. 7 Fn. 2, 82 f.

Quellenverzeichnis 10.4.3.14 10.4.3.15 10.4.4 10.4.5 10.4.5pr 10.4.5.1 10.4.5.2 10.4.5.3 10.4.5.4 10.4.5.5 10.4.5.6 10.4.6 10.4.7 10.4.7pr 10.4.7.1 10.4.7.2 10.4.7.3 10.4.7.4 10.4.7.5 10.4.7.6 10.4.7.7 10.4.8 10.4.9pr 10.4.9.1 19.4.9.2 10.4.9.3 10.4.9.4 10.4.9.5 10.4.9.6 10.4.9.7 10.4.9.8 10.4.10 10.4.11pr 10.4.11.1 10.4.11.2 10.4.12pr 10.4.12.1 10.4.12.2 10.4.12.3 10.4.12.4 10.4.12.5 10.4.12.6

7 Fn. 2, 28 f., 103 Fn. 282 7 Fn. 4, 73 f. 73 f. 7 Fn. 4 73 f. 13, 67 16, 19 Fn. 50, 90 39, 67 Fn. 186 16 f., 67 Fn. 186 17, 65 Fn. 181, 67 Fn. 186, 96 Fn. 266 71 f., 96 Fn. 265 48 7 Fn. 4 48 48 f., 88 Fn. 243, 96 Fn. 266 48 f. 71 f. 101 97 101 f. 84 11 7 Fn. 5, 89 7 Fn. 5, 88 7 Fn. 5, 87 Fn. 239 7 Fn. 5, 103 Fn. 283, 111 7 Fn. 5, 92 ff. 7 Fn. 6, 109 7 Fn. 6, 49 Fn. 133, 98 7 Fn. 6, 86 7 Fn. 6, 85 99 f. 7 Fn. 6, 85 f. 7 Fn. 6, 109 f. 7 Fn. 6, 97 33, 42 Fn. 110 72 20 f., 42 Fn. 112, 60 Fn. 159 91 f. 99 96 89

121

122 10.4.13 10.4.14 10.4.15 10.4.16 10.4.17 10.4.18 10.4.19 10.4.20 11.5.1.3 12.1.11.2 12.2.2 12.3.5 12.4.15 13.1.7.1 13.6.2 13.6.3.3 13.7.3 15.1.30pr 15.1.50.3 16.3.1.21 16.3.32 16.3.33 15.1.38pr 18.1.29 18.1.30 19.1.17.6 19.1.25 19.2.19.5 19.5.14.3 19.5.16pr 19.5.17.2 20.1.27pr 20.5.1 23.3.9.3 24.1.37 25.2.1 25.2.6.4 25.2.6.5 25.2.22.1 25.2.26 29.3.3 31.63

Quellenverzeichnis 33 f. 79 75 f., 88 Fn. 242 95 f. 112 31 f. 30 f. 25 f. 52 56 f. 83 Fn. 228 89 f. 23 f., 60 Fn. 160 49 45 72 Fn. 200 22 f., 60 Fn. 160 101 f. Fn. 277 64 72 f. 104 f. 46 45 f. 49 f. 50 17 f., 65 Fn. 181, 106 Fn. 287 18 f., 65 Fn. 182 66 87 f. Fn. 240 19 f., 65 Fn. 182 61 12 Fn. 28, 113 f. 94 f. 63 f. 113 62 Fn. 170 54 54 54 f. 64 Fn. 174 29, 51 Fn. 137 59 f.

Quellenverzeichnis 33.5.8.3 33.6.2.1 36.3.1.17 39.2.9.3 41.1.7.10 41.1.44 41.2.3.3 41.3.16 41.4.1 43.5.3.5 43.5.3.9 43.16.1.6 43.16.1.32 44.2.18 46.8.8pr 47.1.1pr 47.2.28 47.2.29 47.2.30 47.2.81.2 47.3.1.2 47.7.8.2 47.9.8 47.10.11.1 47.10.24 47.19.1 47.19.2.1 47.19.6 49.17.18.4 50.16.22 50.16.246

74 28 93 Fn. 256, 258 16 Fn. 41 51 f., 59 Fn. 156 44, 65 Fn. 180 76 f. 12 Fn. 32, 74 f. 90 Fn. 249 29 Fn. 70, 45 40 Fn. 103 61 f. 61 f. 21 20 f. 44 f., 65 Fn. 179 114 f. 115 115 102 f. 47 Fn. 127, 59 f. 60 16 Fn. 41 83 Fn. 228 19 Fn. 47 42 Fn. 114 43, 62 Fn. 167 62 Fn. 167 52 40 f. 40 f.

Codex 3.41.1 3.42.1 3.42.2 3.42.3 3.42.4 3.42.5 3.42.6 3.42.7

53, 58 107 f. 26, 42 Fn. 109 21 32, 89 Fn. 247 104 32 f. 30 Fn. 72, 103 f., 111 Fn. 301

123

124 3.42.8pr 3.42.8.1 3.42.9 4.9.2 4.34.1 8.42.25 9.32.4pr 9.32.4.1

Quellenverzeichnis 54 53 Fn. 144 32 31 Fn. 74 50 31 Fn. 74 58 58