Abriss eines neuen Buches, betitelt: Ein Traktat über die menschliche Natur, etc. Brief eines Edelmannes an seinen Freund in Edinburgh: Zweisprachige Ausgabe 9783787332427, 9783787304899

Beim Abriß handelt es sich um eine anonyme Selbstanzeige, durch die Hume die Aufmerksamkeit des Publikums auf seinen Tra

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Abriss eines neuen Buches, betitelt: Ein Traktat über die menschliche Natur, etc. Brief eines Edelmannes an seinen Freund in Edinburgh: Zweisprachige Ausgabe
 9783787332427, 9783787304899

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DAVID HUME

Abriß eines neuen Buches, betitelt: Ein Traktat über die menschliche Natur, etc. Brief eines Edelmannes an seinen Freund in Edinburgh Übersetzt und mit einer Einleitung herausgegeben von JENS KULENKAMPFF

FE LI X M EI NE R VE R LAG H AMB U RG

P HILOS OP H IS C HE B IB LIO T HE K B AND 320 Die Titel der in diesem Band veröffentlichten Schriften lauten vollständig: Abriß eines neuen Buches, betitelt: Ein Traktat über die menschliche Natur, etc. worin dessen Hauptgedanken weiter erläutert und erklärt werden Brief eines Edelmannes an seinen Freund in Edinburgh, enthaltend einige Bemerkungen über: Proben der Grundsätze, Religion und Moral betreffend, die in einem neuen Buch, betitelt: Ein Traktat über die menschliche Natur etc., aufgestellt sein sollen

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über ‹http://portal.dnb.de›. ISBN: 978-3-7873-0489-9 ISBN eBook: 978-3-7873-3242-7

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1980. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. www.meiner.de

INHALT

Einleitung. Von Jens Kulenkampff. Bibliographische Hinweise . Bemerkung zur Übersetzung

VII XXVII XXIX

David Hume An Abstract Of A Book lately Published; Entituled, A Treatise of Human Nature, &c. Abriß eines neuen Buches, betitelt: Ein Traktat über die menschliche Natur, etc. Titelblatt der Originalausgabe . . . . . . . . . . . . .

1

(Englischer Text): 'An Abstract Of A Book ... '

2

(Übersetzung): ,Abriß eines neuen Buches ... ' .

3

A Letter From A Gentleman To His Friend in Edinburgh Brief eines Edelmannes an seinen Freund in Edinburgh Titelblatt der Originalausgabe . . . . .

63

(Englischer Text): 'A Letter From A Gentleman ... '

64

(Übersetzung): ,Brief eines Edelmannes ... ' . . . . . . .

65

Anmerkungen zu ,Abriß eines neuen Buches .. .': Nm. 1 bis 16 .

1.29

,Brief eines Edelmannes .. .':

136

Namenregister . . . . . . . . . . .

Nm. 17 bis 63

149

EINLEITUNG

Als im Januar 1 739 die ersten beiden Bände seines frühen Hauptwerkes: 'A Treatise of Human Nature: Being an Attempt to introduce the experimental Methode of Reasoning into Moral Subjects', erschienen, war Hume noch nicht 28 Jahre alt. Seine Hoffnung, mit diesen umfangreichen Büchern über theoretische Philosophie und Psychologie sowie mit dem 1740 erschienenen dritten Band über Moralphilosophie in eine akademische Karriere eintreten oder sich doch zum mindesten in der Republik der Gelehrten einen Namen machen zu können, erfüllte sich nicht. Rückblickend schrieb er in seiner Autobiographie aus dem Jahre 1776: „Never literary attempt was more unfortunate than my Treatist: of Human Nature. lt feil dead-born from the press, without reaching such distinction, as even to excite a murmur among the zealots. But being naturally of a cheerful and sanguine temper, I very soon recovered the blow, and prosecuted with great ardour my studies ... "'. Die Erkenntnis, im 'Traktat' seinen philosophischen Ideen nicht die richtige Ausdrucksform gegeben und durch weitläufige Umständlichkeiten gerade das nicht klar genug gesagt zu haben, was seiner The Philosophical Works of David Hume. Edited by T. H. Green and T. H. Grose. London 1882, Neudruck Aalen 1964. Bd. 3, S. 2. Der 'Traktat über die menschliche Natur' sowie die 'Untersuchung über den menschlichen Verstand' werden nach den Ausgaben von Selby-Bigge zitiert. Nachweise ohne weitere Zusätze beziehen sich auf den 'Traktat'. Bei doppelten Seitenzahlenangaben bezieht sich die erste auf den englischen Text, die zweite auf die deutsche Übersetzung. Zum Beispiel bedeutet: (483/11 226) S. 483 in Selby-Bigges Ausgabe des 'Traktats' und S. 226 des zweiten Bandes der Übersetzung von Lipps. Verkürzte Titelangaben (englische für englische Ausgaben, deutsche für deutsche Übersetzungen) sind aus dem Zusammenhang heraus verständlich. Im übrigen weist die Bibliographie die vollständigen Titel nach. 1

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Meinung nach revolutionäre Wirkungen auf die Wissenschaften vom Menschen haben mußte, hat Hume anscheinend schon bald nach der Publikation gewonnen. Einer Philosophie, deren Stärke die Kritik und deren Credo die unabsehbare Vielfalt der Erfahrung war, mußte die literarische Form des Essays viel gelegener sein als die eines voluminösen Traktats. Nicht zuletzt in der Absicht, wenn schon nicht im engen Kreis der ·Philosophen, so doch als ein homme de lettre vor einem größeren Publikum Anerkennung zu finden, publizierte Hume schon 1741 und 1742 zwei Bände 'Essays, Moral and Political', denen später noch kleinere Sammlungen folgten. Seine Erwartungen erfüllten sich später; als Essaysschreiber wurde er berühmt, mehr noch allerdings in den fünfziger Jahren als Historiker. In geradezu wörtlichem Sinne hatte er sich einen Namen gemacht, als er ab 1748 nicht mehr anonym publizierte. So auch verkürzte, geglättete und überarbeitete Neufassungen der drei Teile des 'Traktats': 1748 erschienen die 'Philosophical Essays Concerning Human Understanding', die erst in der Ausgabe von 1758 den uns geläufigen Titel 'Enquiry Concerning Human Understanding' erhielten; 1751 erschien die 'Untersuchung über die Prinzipien der Moral' und 1757 als Teil einer Sammlung die 'Dissertation on the Passions', das Gegenstück zum zweiten Buch des 'Traktats". 1777, nach Humes Tod, erschienen die drei Schriften wieder zu jener Einheit zusammengefaßt, aus der sie hervorgingen, versehen mit einer noch von Hume stammenden Vorbemerkung, in der er auf den 'Traktat' Bezug nimmt, sich zu den dort niedergelegten Prinzipien und Auffassungen bekennt, den 'Traktat' aber zugleich als ein mangelhaftes Jugendwerk abtut. Der Schlußsatz lautet: „Henceforth, the Author desires, that the following Pieces may alone be regarded as contammg his philosophical sentiments and principles" (Enquiries S. 2). Wie die frühen und die späteren Versionen Eine inhaltsvergleichende Übersicht über diese drei Schriften und den 'Traktat' geben die drei „Comparative Tables of Contents of the Treatise and of the Enquiries and Dissertation on the Passions", die L. A. Selby-Bigge seiner Ausgabe der 'Enquiries', S. XXXIII-XL, beigegeben hat. 2

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seiner Philosophie zu beurteilen sind, steht hier nicht zur Debatte. Jedenfalls aber zieht diese Vorbemerkung auch einen Schlußstrich unter einen Lebensabschnitt, in dem Hume einerseits seine hochfliegenden Erwartungen durch Nichtbeachtung enttäuscht sah und in dem er sich andererseits einer böswillig verzerrenden Kritik an seinem Buch ausgesetzt fand, mit dessen Neufassung er bereits begonnen hatte. Er charakterisiert die gegen ihn gerichteten Angriffe mit folgenden Worten: „A practice very contrary to all rules of candour and fair-dealing, and a strong instance of those polemical artifices, which a bigotted zeal thinks itself authorized to employ" (Enquiries S. 2). In die Zeit, in der sich Hume sozusagen auf dem Weg vom 'Traktat' zu den 'Untersuchungen' befand, gehören die beiden Schriften, die hier erstmals in deutscher übersetzung vorliegen. Der 'Abriß' ist eine anonyme Selbstanzeige, also für den uninformierten Leser die wohlwollende Annonce des 'Traktats' durch einen ungenannten Rezensenten, mit dem Zweck, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen. Aber er ist mehr als das, nämlich, wie der Titel richtig ankündigt, eine über den 'Traktat' selbst hinausgehende Erläuterung und Erklärung. Auch der 'Brief eines Edelmannes' gibt vor, etwas anderes zu sein, als er ist, nämlich das Werk eines Ungenannten, der seinem Freund in Edinburgh beispringt, um dessen Schützling gegen Vorwürfe zu verteidigen, die ein Pamphletist aus dem 'Traktat' glaubte ableiten und durch Zitate belegen zu können. Nun ist kaum denkbar, daß irgend ein aufmerksamer Leser die Fiktion nicht durchschaut haben und nicht zu der Vermutung gekommen sein sollte, jener briefschreibende Gentleman und der in Schutz genommene Autor des 'Traktats' seien dieselbe Person. Offenbar schien es aber günstiger, Fürsprecher zu haben als Sprecher in eigener Sache zu sein. Der Wert beider Schriften liegt in ihrer Prägnanz. Hume war gezwungen, seine Hauptgedanken auf sehr knappem Raum verständlich darstellen und erläutern beziehungsweise sich gegen zwar gehässige, aber doch keineswegs Nebensächlichkeiten berührende Vorwürfe verteidigen zu müssen. Außerdem beziehen sich das Pamphlet und Humes Entgegnung auch auf seine Moral-

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philosophie, auf die der 'Abriß' nicht eingehen konnte, da der dritte Band des 'Traktats' noch nicht erschienen war. Die Psychologie spielt dagegen in beiden Schriften fast keine Rolle (mit Ausnahme einer Stelle, vergl. unten S. 52, 53). Nach den Forschungen von Keynes und Sraffa sowie von Mossner und Price 3 haben die Schriften folgende Entstehungsgeschichten. Zum Hintergrund des 'Abrisses' gehört eine Legende, die sich in der biographischen Humeliteratur gebildet hat und derzufolge nicht Hume, sondern Adam Smith (1723-1 790), späterer Freund Humes, der Autor sein sollte. Ausgangspunkt ist eine Briefstelle; am 4. März 1 740 schreibt Hume an Francis Hutcheson: „My Bookseller has sent to Mr Smith a Copy of my Book, which 1 hope he has receiv'd, as well as your Letter. 1 have not yet heard what he has clone with the Abstract. Perhaps you have. 1 have got it printed in London; but not in the Works of the Learned; there having been an Article with regard to my Book, somewhat abusive, printed in that work, before 1 sent up the Abstract" 4 • Es entwickelte sich die Vorstellung, Hutcheson habe (was offenbar üblich war) seinen Schüler Adam Smith veranlaßt, von den beiden erschienenen Teilen des 'Traktats über die menschliche Natur' einen Abriß anzufertigen. Diese Schrift habe so sehr Humes Gefallen gefunden, daß er sich bedankte, indem er seinen Buchhändler veranlaßte, an Adam Smith ein Exemplar seines Werkes zu senden, und indem er sich bemühte, den Abriß in London drucken zu lassen, zunächst in der Zeitschrift 'The History of the Works of the Learned' und, als das nicht gelang, als Separatdruck. Soweit die Legende, deren Autoren man allerdings zugutehalten muß, daß sie zwar von der Existenz des 'Abrisses' wußten, aber nicht seinen Inhalt kannten. Keynes entdeckte nicht allein die Schrift wieder, son-

Thnen sind die vorzüglichen englischen Ausgaben zu verdanken (siehe Bibliographie), auf deren Einführungen ich mein Referat der entstehungsgeschichtlichen Hintergründe stütze. 4 Greig, The Letters of David Hume, Bd. 1, S. 37 f. 3

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dern erkannte sie auch für ein Werk Humes 5 . Keynes und Sraffa zufolge erklärt sich die Briefstelle so:Jener „Mr Smith" ist nicht Adam Smith, der - sicherlich nicht vollkommen undenkbar - als noch nicht siebzehnjähriger Autor ein doch ungewöhnliches Probstück jugendlicher Genialität hätte liefern müssen, sondern ein ]o hn Smith, Buchhändler in Dublin und Verleger von Hutchesons Schriften in Irland. Mit ihm suchte Hume durch Hutchesons Vermittlung in Verbindung zu kommen, um eine zweite Ausgabe des 'Traktats' zu veranstalten, auf die er hoffte, weil sie ihm Gelegenheit gegeben hätte, Verbesserungen und Ergänzungen vorzunehmen. Eine zweite Ausgabe in Irland, das zu jener Zeit nicht zum Geltungsbereich des englischen Urheber- und Presserechts gehörte, hätte für Hume die Annehmlichkeit gehabt, eine Verpflichtung aus dem Vertrag mit seinem Londoner Verleger umgehen zu können, nämlich bei einer zweiten Edition den unverkauften Rest der ersten Auflage aufkaufen zu müssen 6 • Das Projekt kam nicht zustande. Statt dessen gab Hume einige Verbesserungen und Ergänzungen zum ersten Buch des Traktats als Appendices dem dritten Band mit Maßgaben bei, an welchen Stellen sie einzufügen seien 7 • Gerade dieser Appendix liefert, wie Keynes und Sraffa nachgewiesen haben, eine Reihe weiterer Indizien, die Humes Autorschaft höchstwahrscheinlich

Mittlerweile sind sieben Exemplare des 'Abrisses' bekannt geworden, zum Teil sogar mit handschriftlichen Korrekturen Humes. Vergl. R. W. Connon, Sme Hume MS Alterations On A Copy Of The 'Abstract', in: Journal of the History of Philosophy XIV, 1976. 6 Vergl. den Brief an Hutcheson vom 16. März 1740 (Greig, Letters, Bd. 1, S. 38 ): „1 ... also engag'd myself heedlessly in a Clause, which may prove troublesome, viz, that upon printing a second Edition 1 shall take all the Copys remaining upon hand at the Bookseller's Price at the time ... 1 wait with some hnpatience for a second Edition principally on Account of Alterations 1 intend to make in my Performance". 7 Um sich diese Lage ganz klar zu machen, muß man die ursprüngliche Form des Appendix betrachten und darf sich nicht an der Lipps'schen Obersetzung orientieren. Lipps hat die kürzeren Ergänzungen, dabei freilich Humes Anweisungen folgend, dem Text eingefügt. 5

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machen 8 . Zwischen dem 'Abriß' und dem ersten Teil des Appendix (Treatise, S. 623-633) bestehen einige auffällige, zum Teil wörtliche Parallelen: zum einen die Kritik an der Annahme, daß das Fürwahrhalten oder der Glaube eine selbständige Vorstellung sei, die mit der Vorstellung von Gegenständen verbunden werden könne 9 • Dann Humes Aussage, es sei unmöglich, mit Worten die Art des Gefühls zu beschreiben, welches den Glauben ausmachen soll 10. Ferner baut der Appendix die kurze Bemerkung im 'Abriß' aus, wonach noch der größte Effekt, den Dichtung auf uns machen kann, doch nicht jene unverwechselbare, aber schwer zu beschreibende Präsenz des Fürwahrhaltens erreicht 11 • Schließlich hat Humes Kritik der These, daß sich der Begriff der Kraft aus dem Zusammenhang von Wille und Handlung herleite und daß er dann auf den Begriff der Ursache übertragen werde, ihren Vorläufer im 'Abriß': als Ursache betrachtet besteht zwischen dem Willen und seinen Wirkungen, den Handlungen, so wenig ein innerer oder logischer Zusammenhang wie bei irgend einem anderen kausalen Verhältnis 12 • Bei diesen Parallelen handelt es sich um sachliche Ergänzungen, die im 'Abriß' erstmals auftauchen und dann von Hume dem dritten Band des 'Traktats' beigegeben werden. Der Autor des 'Abrisses' befindet sich also in der merkwürdigen Lage „as if he were reviewing a new edition in which the additions had already been embodied - an edition which at the time only existed in Hume's desire" (Keynes/Sraffa XXVII) - was eine über-

• Diese Rekonstruktion von Keynes und Sraffa ist jüngst noch einmal in Zweifel gezogen worden; vergl. John 0. Nelson, Has the Authorship of An Abstract of a Treatise of Human Nature really Been Decided?, in: Philosophical Quarterly 26, 1976; dagegen: R. W. Cannon & M. Pollard, On The Authorship of „Hume's" Abstract, in: Philosophical Quarterly 27, 1977. 9 s.u. S.30, 31; Treatise 623; Traktat 353-54; vergl. auch die Parallele zwischen Abriß 32, 33; Treatise 629; Traktat 133. 1 0 s.u. S. 34,35; Treatise 628-29; Traktat 132. 1 1 s.u. S. 36, 37; Treatise 630; Traktat 168. 1 2 s.u. S. 42,43; Treatise 632; Traktat 217-18.

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zeugende Erklärung dadurch erfährt, daß eben Hume der Autor des 'Abrisses' ist. Zwei weitere bedeutende Parallelen, diesmal zwischen dem 'Abriß' und den 1748 erschienenen 'Philosophical Essays Concerning Human Understanding', müssen als weitere Indizien gelten: zum einen die Kritik an Lockes Gebrauch des Wortes ,idea' und an dadurch entstehenden Ungereimtheiten im Streit um die Existenz angeborener Ideen 13 ; zum andern die Verwendung des Beispiels der Billardkugeln bei der Illustration und Diskussion des Problems der Kausalität 14• Damit steht wohl außer Zweifel, daß Hume der Autor des 'Abrisses' ist und daß es sich um jenen „Abstract" handelt, von dem sein Brief an Hutcheson vom 4. März 1740 spricht. Vermutlich ist der 'Abriß' im Herbst 1739 entstanden, ist von Hume zur Publikation in der Zeitschrift 'The History of the Works of the Learned' gedacht gewesen, in der jedoch im November und Dezember des Jahres eine Rezension des 'Traktats' erschien, und ist dann schließlich im Frühjahr 1740 separat publiziert worden. Der 'Brief eines Edelmannes an seinen Freund in Edinburgh' verdankt seine Entstehung Querelen und Winkelzügen im Zusammenhang mit der Besetzung eines Lehrstuhls an der Universität Edinburgh. Hume machte sich Hoffnung auf die Professur für „Ethics and Pneumatical Philosophy". Erstmals im Juni 1744 erklärte der beurlaubte Inhaber des Lehrstuhls seine Absicht zum Rücktritt. Humes Chancen, seine Nachfolge anzutreten, schienen günstig, denn die Professoren wurden vom Stadtrat gewählt und Hume war der Kandidat des Bürgermeisters. Jedenfalls sah Hume die Sache für so gut wie sicher an. Es stellte sich jedoch heraus, daß die Rücktrittsabsicht des bisherigen Lehrstuhlinhabers nicht ernst gemeint war 15. Der Rücktritt geschah erst auf Drängen des Stadtrates im folgenden Jahr, so daß erst Ende März s.u. S. 14 ff, Enquiry Conceming Human Understanding 22, Untersuchung 22-23. 14 s.u. S. 18,19, Enquiry 28, Untersuchung 40; u. ö. 15 Vergl. Humes ausführliche Schilderung in seinem Brief an William Mure of Caldwell vom 4. August 1744, Greig, Letters, Bd. 1, s. 55 ff. 13

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1745 der Lehrstuhl wirklich vakant war. Mittlerweile allerdings hatten sich Humes Aussichten drastisch verschlechttert, und dies, wie Mossner und Price in ihrer Einführung durch schriftliche Zeugnisse zwingend haben belegen können, nicht wegen der von Hume geäußerten philosophischen Oberzeugungen, sondern auf Grund politischer Parteiauseinandersetzungen im und um den Stadtrat. Das Ziel der Opposition war, dem Bürgermeister und seiner Partei eine Niederlage beizubringen, indem sie deren Kandidaten für den Lehrstuhl zu Fall brachte. Ein Zug in diesem Ränkespiel ist das Pamphlet gegen Hume gewesen: 'A Specimen of the Principles concerning Religion and Morality, maintain'd in a Book lately publish'd, intituled, A Treatise of Human Nature, &c'. Daß dieses Pamphlet nur vorgibt, eine ernsthafte Auseinandersetzung zu sein, und daß sein Zweck einzig war, die Berufung Humes zu hintertreiben, ist klar und wird in Humes Antwort auch angesprochen mit der Bemerkung: „No Man would undertake so invidious a Task as that of our Author's Accuser, who was not actuated by particular Interests ... " (s. u. S. 124). Vermutlich war es auch gar kein Geheimnis, wer der Autor des Pamphlets gewesen ist. Hume war der Überzeugung, es handelte sich um das Machwerk des Pastor Wishart, Principal of Edinburgh University. Er schreibt im Juni 1745, zu einem Zeitpunkt, da zwar noch keine neue Wahl zustandegekommen, aber die Entscheidung schon gegen Hume gefallen war, an seinen Vetter Henry Horne, der den 'Brief eines Edelmannes' am 21. Mai 1745 in Edinburgh veröffentlicht hatte: „1 am sorry you should have found yourself oblig'd to print the Letter 1 wrote to Mr Couts, it being so hastily compos'd that 1 scarce had time to revise it. Indeed the Charge was so weak, that it did not require much time to answer it, if the Matter had been to be judg'd by Reason. The Principal found himself reduc'd to this Dilemma; either to draw Herisies from my Principles by Inferences & Deductions, which he knew would never do with the Ministers & Town Council. Or if he made use of my Words, he must pervert them & misrepresent them in the grossest way in the World. This last Expedient he chose, with much

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Prudence but very little Honesty" 16 • Aus dieser Briefstelle geht nicht nur hervor, daß der Principal Wishart als Autor des Pamphlets galt, sondern auch, wer jener Freund in Edinburgh gewesen ist, an den der Gentleman auf dem Lande seinen Verteidigungsbrief richtete, nämlich Mr. Coutts, Bürgermeister und Protektor Humes. Und sie bestätigt, was ohnehin kaum zweifelhaft sein konnte, daß der Gentleman kein anderer als Hume selber ist. Der 'Brief eines Edelmannes' ist also der letzte verzweifelte und vergebliche Versuch Humes, die Professur in Edinburgh zu erlangen. Jahre später hat er sich noch einmal, aber ohne große Intensität und wieder ohne Erfolg um einen Lehrstuhl bemüht, um die Professur für Logik in Glasgow. II

Wovon handeln die beiden Schriften? Nach dem Vorwort beginnt der 'Abriß' mit einleitenden Bemerkungen über die Bedeutung einer Wissenschaft von der menschlichen Natur, über ihre zentrale Stellung im Korpus der Wissenschaften sowie mit einem Bekenntnis zur „experimentellen Methode", das heißt zur Erfahrung als Quelle der Erkenntnis. Leibniz' Klage, daß es noch keine Logik der empirischen Erkenntnis gebe (s. u. S. 10, 12}, steht in Beziehung zu dem, was zum Hauptpunkt des 'Abrisses' erklärt wird: die Theorie des kausalen Schließens. Ihre zentrale Bedeutung wird dem Leser spätestens deutlich, wenn es heißt: „Nun beruht offenbar alles Schließen, sofern es Tatsachen betrifft, auf der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ... " (s. u. S. 19). Vor ihrer Analyse wird der Leser noch in aller Kürze, doch mit hinreichender Genauigkeit mit der grundlegenden Terminologie vertraut gemacht, hinter der freilich mehr steckt als bloße Terminologie, wie die Kritik an Locke und an den Schiefheiten der Diskussion um die Existenz angeborener Ideen zeigt (vergl. u. S. 14 ff}; hier bewährt sich bereits, was ausdrücklich zum kritischen Prinzip erklärt und später noch mehrmals 16

Klibansky/Mossner, New Letters, S. 15.

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angewandt wird (vergl. u. S. 40 ff): Begriffe müssen, um sinnvoll zu sein, auf Eindrücke, aus denen sie sich herleiten, zurückführbar sein. Sind sie es nicht, verraten sie, daß sie mit unserer Erfahrung und folglich mit unserer Kenntnis der Welt nichts zu tun haben, sondern allenfalls spekulative Zutaten sind. Die Theorie der kausalen Schlüsse beginnt mit einer Analyse des Begriffs der Verursachung. Nach Hume sprechen wir dann und nur dann von einer Verursachung, wenn zwei Ereignisse (Hume spricht von Dingen) in räumlich-zeitlicher Nachbarschaft stattfinden, aber einander sukzedieren, und wenn ein konstanter Zusammenhang besteht, das heißt: wenn unter gleichen Bedingungen stets die gleiche Ereignisfolge auftritt. Ein Kausalschluß liegt dann vor, wenn wir beim Eintritt eines bestimmten Ereignisses schließen, es habe ein bestimmtes anderes Ereignis stattgefunden oder es werde eines stattfinden. Was für ein Schluß ist das und worauf beruht er? Humes erste Feststellung: es ist kein logisch gültiger Schluß aus evidenten Prämissen, da deren Gegenteil anzunehmen, keinen Widerspruch darstellt. Andererseits setzt der Schluß voraus, daß wir die Erfahrung eines konstanten Zusammenhanges zwischen entsprechenden Ereignissen gemacht haben. Wenn wir nun annehmen, daß der Weltlauf entsprechend den festgestellten konstanten Zusammenhängen gleichförmig sei, so ergibt sich das, was man einen Kausaloder Erfahrungsschluß nennt: der Auftritt eines bestimmten Ereignisses läßt uns unter Voraussetzung der Gleichförmig·keitshypothese „im Denken die Wahrnehmung" (s. u. 25), also die Erfahrung des entsprechenden anderen Ereignisses vorwegnehmen. Aber die Gleichförmigkeitshypothese, die den Kausalschlüssen den Anschein des Zwingenden gibt, hat keine besondere Dignität. Gleichförmigkeit, sagt Hume (s. u. 26, 27), ist eine Tatsache wie irgend eine andere: wir kennen sie aus Erfahrung. Sie ist also nichts anderes als eben ein festgestellter konstanter Zusammenhang. Gleichwohl geht die Gleichförmigkeitshypothese über die bloße Feststellung einer Regelmäßigkeit hinaus, indem sie auf die Zukunft (oder eine unbekannte Vergangenheit) extrapoliert. Wenn diese Extrapolation, für deren Legitimität es keine Beweise gibt

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(s. 26, 27), nicht einfach Willkür ist, worauf beruht sie dann? - Auf Gewohnheit! lautet Humes berühmte und besonders von denen für ungenügend gehaltene Antwort, die sich an der Frage orientieren: Welches sind die Bedingungen der Möglichkeit der Gleichförmigkeitshypothese? Und in der Tat scheint sich Hume merkwürdig im Kreise zu bewegen. Denn Gewohnheit ist doch wohl nichts anderes als eine gemäß gemachter regelmäßiger Erfahrung ausgebildete bestimmte Erwartung für die Zukunft. Das ist mit anderen Worten die Gleichförmigkeitshypothese der Kausalschlüsse noch einmal, aber gewiß keine Antwort auf die Frage, was dazu berechtigt, diese Hypothese zu machen. Doch genau hier liegt die Pointe Humes: Gewohnheit im Sinne von Erwartung gemäß gemachter Erfahrung ist das Wesen empirischer Erkenntnis und unterscheidet sie von begrifflicher. Die Frage, was uns berechtigt, eine auf regelmäßige Erfahrung gegründete Hypothese zu machen, geht genauso fehl, als würde man fragen, warum ein Schluß, von dem gezeigt worden ist, daß er den logischen Gesetzen entspricht, gültig ist. Anzunehmen daß die Sonne morgen nicht aufgehen werde, ist nicht widersprüchlich, also logisch möglich, beziehungsweise nicht durch rein begriffliche Operationen auszuschließen. Aber für die gegenteilige Erwartung, daß die Sonne morgen wieder aufgehen werde, haben wir die besten Gründe, die wir haben können: die oft gemachte gleiche Erfahrung. Zum Kennzeichen des Empirismus sollte nicht der sensualistische Fundamentalismus mit dem Konstrukt der Eindrücke genommen werden, dem sich Locke, Berkeley und Hume verschrieben und der auch Metaphysik und gerade nicht erfahrungsbestätigte Erkenntnis ist, sondern die Einsicht, daß Erfahrung zu machen so sehr ein Vermögen des Menschen ist wie seine Fähigkeit zu logischen Operationen und daß es neben der Beschreibung der gültigen Formen logischer Operationen nichts zu tun gibt als die Beschreibung der Struktur empirischer Erkenntnis. Das ist das Ziel von Humes Analyse der Kausalschlüsse. Sie bleibt jedoch nicht beim Wort „Gewohnheit" stehen, sondern führt noch einen Schritt weiter mit der Frage: Was heißt es, den Eintritt eines Ereignisses zu erwarten? Oder was

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unterscheidet die Erwartung, etwas werde der Fall sein, vom bloßen Gedanken, etwas könnte der Fall sein? Was beide unterscheidet, nennt Hume Glaube (belief). Nicht in allen Fällen, wenn wir uns ein mögliches Ereignis denken, können wir auch hinzusetzen, daß wir glauben, es werde sich auch Entsprechendes ereignen; andererseits kann in allen Fällen von Glauben der Gedanke an ein mögliches Ereignis isoliert werden. Dieser Sachverhalt könnte Anlaß zu einer verkehrten Vorstellung von der Natur des Glaubens sein, die Hume ausdrücklich zurückweist (s. u. S. 30, 31). In seinen Worten: der Glaube ist nicht eine spezifische Vorstellung, die wir zu anderen Vorstellungen hinzusetzen oder von ihnen abziehen könnten. Ein Fall von Glauben kommt nicht dadurch zustande, daß wir erst aus einigen Vorstellungen einen Gedanken bilden und dazu die Vorstellung des Glaubens hinzusetzen. Anders gesagt: man kann nicht glauben, ohne zugleich zu glauben, daß etwas der Fall sei, gewesen sei oder sein werde. Humes positiver Vorschlag besagt zunächst nicht viel, weist aber die Richtung der Analyse: Glaube, das ist eine „manner of conception", eine von vielen Arten, auf die wir an einen Sachverhalt denken können. Doch nun entsteht natürlich erst das eigentliche analytische Problem, nämlich zu beschreiben, worin diese Art des Denkens besteht und wie sie sich von anderen Arten unterscheidet. Diese Aufgabe hat Hume weder im 'Traktat' noch hier im 'Abriß' noch später in der 'Untersuchung über den menschlichen Verstand' befriedigend gelöst. Er sagt: der Glaube bestehe in der besonderen Lebhaftigkeit oder Eindringlichkeit, mit der sich das, was wir glauben, im Geiste Geltung verschaffft; und eine solche Lebhaftigkeit oder Eindringlichkeit entspringe der Gewohnheit, also der wiederholten gleichen Erfahrung. Wenigstens eine Überlegung, die Hume zu dieser Theorie geführt hat, ist leicht zu erkennen: zum einen richten wir unser Verhalten nach dem, was wir glauben, und nicht nach dem, was wir uns etwa gerade zusammenphantasieren. Aber wie ist dieser Vorgang zu verstehen? Nach Humes passivischer Vorstellung vom Geiste vermögen nur starke Vorstellungen uns praktisch zu bewegen. Weiter richten wir unser Handeln, wenn wir erfolg-

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reich sein wollen, nach unserer Kenntnis kausaler Gesetzmäßigkeiten; diese jedoch kennen wir, wie Hume gezeigt hat, durch Gewohnheit. Daher bringt Hume Gewohnheit auch als Ursache jener Lebhaftigkeit oder Eindringlichkeit und damit auch als Ursache des Glaubens in Anschlag. An dieser Theorie ist manches merkwürdig und vieles unplausibel. Um mit dem geringsten anzufangen: so ist es immerhin merkwürdig, einen homme de lettre des 18. Jahrhunderts die Behauptung aufstellen zu sehen, daß Lebhaftigkeit das Ergebnis von Gewohnheit sei, da diese sonst stets für eine Quelle der Langeweile gehalten wurde. Ferner aber ist eine regelmäßige vergangene Erfahrung, also die Kenntnis eines konstanten Zusammenhanges zwar ein guter Grund zu glauben, daß ein bestimmtes Ereignis eintreten werde, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind oder wir sie für erfüllt halten (vergl. Humes Billardbeispiel S. 38, 39). Aber das heißt nicht, daß wir alle Fälle von Glauben nach diesem Muster verstehen können, zum Beispiel dann nicht, wenn wir nicht bezweifeln, also glauben, was wir zum ersten Male wahrnehme9. Mag sein, daß auch in diesen Fällen Gewohnheit in Humes Sinn eine Rolle spielt, nämlich etwa so, daß es auch in solchen Fällen gelingen muß, das Neue zu dem, was wir schon kennen, in eine einleuchtende Beziehung zu bringen; doch diesen Zusammenhang erfaßt Humes Theorie nicht. Sie ist zu einfach, ungenau und schematisch. Der schwerwiegendste Einwand geht jedoch dahin, daß Hume eine seine richtige Ausgangsüberlegung gerade aufhebende Theorie entwickelt hat: es unterscheidet nämlich gerade nicht Arten des Denkens, wenn zwei Gedanken sich nur im Grad ihrer Lebhaftigkeit voneinander unterscheiden! Besonders deutlich zeigt sich das Ungenügende dieser Theorie in Humes eigenem Nachtrag zum ersten Buch des 'Traktats': Einerseits heißt es „1 conclude ... that an opinion or belief is nothing but an idea, that is different from a fiction, not in the nature, or the order of its parts, but in the manner of its being conceiv'd ... An idea assented to f eels different from a fictitious idea, that the fancy alone presents to us: And this different feeling 1 endeavour to explain by calling it a superior force,

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or vivacity, or solidity, or firmness or steadiness" (628-29/ 132). Und wenige Seiten später: „The second error may be found in Book 1. page 96 (129), where 1 say, that two ideas of the same object can only be different by there different degrees of force and vivacity. 1 believe there are other differences among ideas, which can not properly comprehended under these terms. Had 1 said, that two ideas of the same object can only be different by their different feeling, 1 should have been nearer to truth" (636/364). Hume sieht also selber, daß der Unterschied zwischen Fürwahrhalten und Phantasie nicht richtig bestimmt ist, wenn zur Differenzierung nur graduelle Unterschiede zur Verfügung stehen. Wenn man schon, und daran hält Hume ja fest, in der Terminologie des Gefühls redet, so müßte der Unterschied in verschiedenen Gefühlsqualitäten, nicht in Abstufungen der Intensität bestehen. Aber da es wohl aussichtslos ist, der Theorie über die Natur des Glaubens auf diesem Wege weiterzuhelfen, ist es kein Zufall, wenn Hume auch später keinen Fortschritt mehr gemacht hat. Allerdings versucht er noch, aus der Not eine Tugend mit der Behauptung zu machen, daß man auch nicht weiter kommen könne: „1 confess that it is impossible perfectly to explain this feeling or manner of conception. We may make use of words which express something near it. But its true and proper name ... is belief; which is a term that every one sufficiently understands in common life" (Enquiry Concerning Human Understanding 49 /Untersuchung . . . 62). Auf die Analyse von Kausalschluß und Glauben folgen im 'Abriß' einige kritische Thesen. Erstens Humes Kritik an der Vorstellung, daß zum Begriff der Kausalität außer den genannten Merkmalen noch das der Notwendigkeit gehöre. Dann Humes berühmte These, daß die Seele nicht als eine Substanz gedacht werden könne, der die vielen verschiedenen Perzeptionen inhärierten, sondern daß sie nichts anderes sei als eben die vielen Perzeptionen, die einer hat. Im Zusatz zum 'Traktat' hat Hume eingestanden, daß mit dieser These das Hauptproblem der Philosophie des Geistes nicht gelöst, sondern nun erst recht aufgeworfen wird, wie nämlich die Einheit des Geistes oder der Person zu

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erklären sei. Hume bekennt, für diese Frage keine Antwort zu wissen (vergl. 634-36/359-64). Dieses Eingeständnis entwerted aber natürlich nicht seine Kritik. Der Abriß der theoretischen Philosophie schließt mit Humes These zur Geometrie, daß eine unendliche Teilbarkeit einer Strecke unmöglich sei. Die Argumentation, die im 'Traktat' schon schwer durchschaubar ist, fällt im 'Abriß' zu knapp aus, um verständlich zu sein 17 • Abgesehen von einem wegen seiner gedrängten Kürze schon beinahe komischen Hinweis auf die Psychologie, zweites Buch des 'Traktats' (S.u. S. 52, 53), findet sich im 'Abriß' noch eine wichtigere Bemerkung zum Problem des freien Willens. Nach Hume kann man den Willen, genauer eigentlich: ein Motiv als Ursache ansehen, die sich nicht grundsätzlich von anderen unterscheidet. Und dann kommt es darauf an, empirisch konstante Zusammenhänge zwischen Motiven und Handlungen festzustellen. Da sich nun, so betrachtet, Handlungen nicht wesentlich von anderen Fällen der Verursachung unterscheiden und da wir zugestandenermaßen bei Verursachung nicht von Freiheit sprechen, so dürfen wir es auch im Fall des Willens nicht. Nun ist es zwar völlig richtig, daß in der Analyse des Zusammenhanges von Motiven und Handlungen, die ein Beobachter der menschlichen Natur anstellt, Freiheit keine Rolle spielt; aber Hume hat nicht gesehen, daß sich der Handelnde selber gleichwohl als frei ansehen kann und sich yielleicht sogar als frei ansehen muß. Die Aufgabe wäre nun zu erklären, wie dies möglich ist, ohne d~ß sich das metaphysische Problem eines anscheinend unaufhebbaren Widerspruchs zwischen Freiheit und Notwendigkeit ergibt.

III Die Themenwahl, die Hume im 'Abriß' getroffen hat, ist sicher unter zwei Gesichtspunkten erfolgt: einmal das herausZur Veränderung seiner Position in der 'Untersuchung über den menschlichen Verstand' vergl. u. S. 134, Anmerkung 15. 17

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zustellen, was der Autor für das Wichtigste und Beste hielt, und zweitens solche Punkte zu berühren, die die Aufmerksamkeit des Publikums erregen könnten. Im 'Brief eines Edelmannes' dagegen hat sich Hume gegen eine veröffentlichte Darstellung seiner Philosophie zu wehren, die, obschon ungerecht, verzerrend und unterstellend, doch wesentliche Punkte betrifft, Lehrstücke, die bestimmt ungewöhnlich und sicher nicht leicht verständlich sind. Der Pamphletist hat durch seine Herausforderung, deren engerer historischer Hintergrund für uns nicht mehr von Belang ist, Hume zu Klärungen und Verdeutlichungen veranlaßt und damit zu dem Prozeß beigetragen, dessen Ergebnis die Untersuchungen über den menschlichen Verstand, die Prinzipien der Moral und die menschlichen Leidenschaften sind. Dies gilt zum Beispiel schon für Humes Antwort auf den Vorwurf des Skeptizismus. Nicht daß Hume nötig hätte, sich gegen diesen Vorwurf zu verteidigen, denn der Skeptizismusverdacht, wie oft er auch in der Geschichte der Philosophie laut geworden sein und noch geäußert werden mag, ist einfach als Vorwurf töricht, da einer so lange Skeptiker sein mag, als er Lust hat und von der Richtigkeit seiner Meinung überzeugt ist. Der Skeptizismusverdacht als Vorwurf dient immer der Verteidigung von Dogmen. Hume nutzt aber die Gelegenheit seiner Antwort, deutlicher als im 'Traktat' einen unsinnigen radikalen Skeptizismus, der behauptet, es gebe keine Erkenntnis, und der mit philosophischen Dogmatismen auf gleichem Fuße steht (186-8 7 /249-50), von jener Skepsis zu unterscheiden, die keine Doktrin, sondern eine Geisteshaltung ist und zu der Hume sich bekennt. Wer müßte nicht zugeben, daß wir mehr oder minder alle eine Neigung haben, die Hume so beschreibt: „To hesitate or balance perplexes their understanding, checks their passion, and suspends their action. They are, therefore, impatient till they escape from a state, which to them is so uneasy: and they think, that they could never remove themselves far enough from it, by the violance of their affirmations and obstinacy of their belief". Hume hat recht, dagegen zu erinnern und zu propagieren: „In general, there is a degree of doubt, and caution, and

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modesty, which, in all kinds of scrutiny and decision, ought for ev~r accompany a just reasoner" (Enquiry Conc. Human Understanding 161 f/Untersuchung ... 188 f). Auch der zweite Vorwurf, daß Hum es Analyse unseres Begriffs der Verursachung und des Wesens kausaler Schlüsse unmittelbar zum Atheismus führe (weil er den kosmologischen Gottesbeweis untergrabe), ist als solcher unerheblich, veranlaßt Hume aber zu einer Klarstellung, die dem Leser des komplizierten 'Traktats' hilfreich sein muß, nämlich: Humes Theorie läuft nicht auf die Behauptung hinaus, der Satz, daß alles Existierende eine Ursache seiner Existenz habe, sei falsch, sondern sie besagt, daß die Gründe oder Evidenzen, die wir für diesen Satz haben, von derselben Art sind wie die, die unsere überzeugung stützen, daß die Sonne morgen wieder aufgehen werde. Daraus folgt allerdings, daß es eine a priori Begründung für das sogenannte Kausalprinzip nicht gibt. Wir drücken in diesem Prinzip nur eine durch Erfahrung sehr gut begründete überzeugung aus und sind ihrer so gewiß, wie wir nur irgend in Bezug auf empirische Sachverhalte sein können. Ferner ergibt sich aber, daß das Kausalprinzip ungeeignet ist, in apriorischen Gottesbeweisen aufzutreten. Weil das aber noch nichts für die Schlüssigkeit oder die überzeugungskraft anderer Gottesbeweise besagt, so ist der Vorwurf des Atheismus natürlich vollkommen unberechtigt. Ob Hume wirklich den nicht logisch zwingenden teleologischen Gottesbeweis für überzeugend hält oder ob er diese überzeugung nur aus taktischen Gründen vorgibt, ist nicht ganz klar, wenn man sich seine differenzierte Analyse in den 'Dialogen über natürliche Religion' vor Augen hält. Hingegen hat seine Behauptung, Descartes' ontologisches Argument bleibe bestehen, an dieser Stelle ganz sicher nur taktische Verteidigungsfunktion. Sie erklärt auch, warum Hume gegenüber dem dritten Vorwurf zu der Ausflucht greift, er wisse mit ihm nichts anzufangen (S. u. S. llO ff). Der Vorwurf, das ist ganz deutlich, besagt nämlich, daß Hume wegen seiner Existenztheorie auch den ontologischen Gottesbeweis für nicht schlüssig halten müsse - und damit hat der Pamphletist recht. Denn wenn Hume sagt, daß der Sinn einer Exi-

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stenzbehauptung nicht so verstanden werden kann, als werde zur Vorstellung der Sache noch die Vorstellung der Existenz hinzugefügt, so gibt es auch kein ontologisches Argument für das Dasein Gottes. Denn die Vorstellung von Gott, auch wenn sie die Vorstellung einschließt, daß es ihn gebe, besagt nichts für die Existenzbehauptung, daß es ihn gibt. Hume kann also im 'Brief eines Edelmannes' nicht gut zugleich an seiner Existenztheorie festhalten und behaupten, Descartes' ontologisches Argument bleibe in Kraft; um des taktischen Vorteils dieser letzten Behauptung willen, erklärt er, mit dem dritten Vorwurf nichts anfangen zu können und bezieht ihn auf eine Frage, die mit den Problemen der Gottesbeweise nur indirekt zu tun hat, nämlich: Gibt es abstrakte oder allgemeine Vorstellungen? Was diese Frage betrifft, so haben Berkeley und Hume mit der kritischen These, es gebe keine abstrakten oder allgemeinen Vorstellungen ganz recht, so lange unter einer Vorstellung eine Art Bild im Geiste verstanden wird: man kann sich nicht das Bild eines Pferdes machen, ohne daß es das Bild eines Pferdes von bestimmter Farbe, Größe, Gestalt etc. wäre; und ein Bild von Pferden im allgemeinen, also abgesehen von Größe, Gestalt, Farbe etc. gibt es nicht. Leider haben Berkeley und Hume dieses Ergebnis nicht zum Anlaß für die Überlegung genommen, ob nicht Denken und Vorstellen grundsätzlich anders zu bestimmen wären, als es das empiristische Dogma von Eindrücken und Abbildern im Geiste zuläßt. Denn da wir doch offenbar von abstrakten und allgemeinen Vorstellungen reden können und uns offenbar keineswegs genötigt sehen „when (we) think of a Horse in general, we must always conceive that horse as black or white ... " (S.u. S. 110), weil wir eben, wenn wir an Pferde im allgemeinen denken, nicht an ein Pferd denken, so läge es doch nahe, einen philosophischen Begriff von Denken und Vorstellen aufzugeben, der es unmöglich macht, diesen Sachverhalt zu verstehen. Denken und Vorstellen, das heißt offenbar nicht, im Geiste stärkere oder schwächere Abbilder von Eindrücken zu haben. Auch hier gelangt Hume wieder bis an die Grenze einer anderen Theorie, wenn er sagt, eine allgemeine Vorstellung sei eigentlich eine einzelne mit einem

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generellen Terminus verknüpfte Vorstellung (s. u. S. 110; vergl. 'Traktat' 20/34). Da ist es nur noch ein Schritt, die Vorstellungen ganz beiseite zu lassen und nur noch von den Termini zu reden. Die beiden folgenden Punkte sind weniger wichtig. Der letzte Vorwurf betrüft Humes Moralphilosophie. Humes Antwort bestätigt, daß in ihr wirklich eine Schwierigkeit steckt. Hume unterscheidet zwei Arten von Moralität: einerseits gibt es die natürliche Tugend, natürlich, weil sie sich aus der Natur eines jeden Menschen ergibt, die ihm auch unabhängig davon eigen sein soll, daß er ein in Gesellschaft lebendes und handelndes Wesen ist; und andererseits gibt es die künstliche. Tugend, die es nicht gäbe, gäbe es nicht Einrichtungen unter den Menschen, die sie selber hervorgebracht haben und die nicht schon mit ihrer Natur mitgegeben sind. Die Schwierigkeit, aus der der Pamphletist seinen Vorwurf zu konstruieren versucht, bezieht sich auf moralische Pflichten, die auf die zweite Art zustandegekommen sind, denn die sind sozusagen künstlich und doch natürlich, da sie zwar auf von Menschen hervorgebrachten Einrichtungen beruhen, man ihnen aber ebenso wenig nach eigenem Gutdünken entrinnen kann wie den natürlichen moralischen Pflichten. Den Vorwurf die Moral zu untergraben, hat der Pamphletist auf den impliziten Schluß gestützt, daß man, was künstlich und nicht natürlich ist, auch wieder ändern kann, daß also einer, wenn es ihm gefällt, sich von der Pflicht zur Gerechtigkeit lossagen könnte. Das will Hume keineswegs zulassen, nur scheint er dafür, warum man es nicht kann, kein überzeugendes Argument zu besitzen. Sein Vergleich der zwei Arten von Moralität mit den beiden menschlichen Tätigkeiten des Saugens und des Sprechens ist treffend, aber allein keine ausreichende Erklärung jener natürlichen Konvention oder konventionellen Natur, die das Wesen unserer Sprache und, wie Hume meint, von Teilen unserer Moral ist. Daß Humes Analysen nicht weit genug gehen oder in Schwierigkeiten geraten, für die er kein Hilfsmittel mehr wußte, heißt natürlich nicht, daß seine dogmatischen Kritiker vom Schlage des Pamphletisten in irgend einer Weise Recht

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hätten. In zwei Dingen unterscheidet sich Hume grundsätzlich von seinen Gegnern und vielen Philosophen nach ihm: zum einen durch jene skeptische Haltung, die Kritik zum Mittelpunkt der Philosophie werden läßt und die ihm, völlig zu Unrecht und noch lange über seine Lebzeit hinaus, den Ruf eingebracht hat, die Möglichkeit von Erkenntnis zu bestreiten und sich gänzlich dem Skeptizismus zu ergeben. Zum andern kennzeichnet Hume eine Auffassung von der Aufgabe der Philosophie, die ihr keinen Raum für Metaphysik und Spekulation läßt, wenn er schreibt: „philosophical decisions are nothing but the reflections of common life, methodized and corrected"' 8 •

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Enquiry Gone. Human Understanding 162/Untersuchung ...

BIBLIOGRAPHISCHE HINWEISE

Texte The Philosophical Works of David Hume. Edited by T. H. Green and T. H. Grose. 4 Bände, London 1874-1875. Neudruck Aalen 1964. A Treatise of Human Nature. Edited by L. A. Selby-Bigge. Oxford 1888. Enquiries concerning the Human Understanding and concerning the Principles of Morals. Edited with introduction by L. A. Selby-Bigge. Oxford 2 1902. Dialogues concerning Natural Religion. Edited with introduction by N. Kemp Smith. London-Edinburgh 2 194 7, Neudruck Indianapolis 1963. An Abstract of A Treatise of Human Nature, 1740, A Pamphlet hitherto unknown by David Hume. Reprinted with an introduction by J. M. Keynes and P. Sraffa, Cambridge 1938. A Letter from a Gentleman to his friend in Edinburgh, 1745. Edited by Ernest C. Mossner and John V. Price, Edinburgh 1967. The Letters of DavidHume. Edited by J. Y. T. Greig. 2 Bände. Oxford 1932, 1969. New Letters of David Hume. Edited by Raymond Klibansky and Ernest C. Mossner. Oxford 1954, 1969. Dawida Hume'a Nieznane Listy W Zbiorach Muzeum Czartoryskich (Polska). Herausgegeben von 0. Tadeusz Kozanecki. Archiwum Historii Filozofii I Mysli Spolecznej IX, 1963. Übersetzungen Ein Traktat über die menschliche Natur. Deutsch mit Anmerkungen und Register von Theodor Lipps. Mit einer Einführung neu herausgegeben von Reinhard Brandt. Philosophische Bibliothek Bd. 283. Hamburg 1973. In Einzelbänden als PhB 283a/283b, Hamburg 1978. Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand. Herausgegeben von Raoul Richter. Philosophische Bibliothek Bd. 35. Hamburg 1964. Nachdruck 1973.

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Bibliographische Hinweise

Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral. übersetzt, mit Einleitung und Register versehen von Carl Winckler. Philosophische Bibliothek Bd. 199. Hamburg 1962. Nachdruck 1972. Dialoge über natürliche Religion. Neu bearbeitet von Günter Gawlick. Philosophische Bibliothek Bd. 36. Hamburg 4 1968. An Abstract of A Treatise of Human Nature/Abrege du Traite de Ja nature humaine. Trad. par D. Deleule. Paris 1971. Lettre d' un Gentilhomme a son ami d' Edinbourg. Presentation, traduction et notes par D. Deleule, Paris 19 7 7.

Sekundärliteratur Sachlich einschlägig ist die Literatur zu Humes theoretischer und praktischer Philosophie. In Ergänzung zur Bibliographie, die R. Brandt der Neuauflage des 'Traktats über die menschliche Natur' beigegeben hat, seien hier nur folgende Titel genannt: Roland Hall, Fifty Y ears of Hume Scholarship. A Bibliographical Guide. Edinburgh 1978. Jonathan Bennett, Locke, Berkeley, Hume - Central Themes. Oxford 19 7 1. J. L. Mackie, The Cement of The Universe - A Study of Causation. Oxford 1974. Erstes Kapitel: Hume's Account of Causation. Barry Stroud, Hume. London 1977.

BEMERKUNG ZUR OBERSETZUNG

Da der Paralleldruck dem Leser unmittelbar Rekurs auf das Original erlaubt, konnte darauf verzichtet werden, Freiheiten der Übersetzung eigens kenntlich zu machen oder jede Hinzufügung so pedantisch anzuzeigen, wie Lipps es bei seiner Übersetzung des 'Traktats' getan hat. Um eine gewisse terminologische Einheitlichkeit der deutschen Hume-Übersetzungen zu sichern, habe ich die Wiedergabe von ,impression' als ,Eindruck' und von ,idea' als ,Vorstellung' sowie ,Perzeption' für ,perception' beibehalten, mich im übrigen aber nicht immer den Übersetzungsentscheidungen von Lipps und Richter angeschlossen. Zur Übersicht ist das deutsch-englische Register wertvoll, das Richter seiner Ausgabe der 'Untersuchung über den menschlichen Verstand' beigegeben hat. Die Stellen aus Humes 'Traktat', auf die sich das Pamphlet gegen ihn bezieht und die durch (zum Teil fehlerhafte) Seitenzahlen der Originalausgabe nachgewiesen werden, habe ich in der Übersetzung durch zwei den Zitaten folgende Zahlen nachgewiesen: die erste bezeichnet die Stelle in der Ausgabe des 'Traktats' von Selby-Bigge, die zweite die Stelle in der Übersetzung des 'Traktats' von Lipps. Ich habe die Stellen jedoch nicht aus Lipps' Verdeutschung zitiert, sondern neu übertragen. In den Anmerkungen zum 'Brief eines Edelmannes' sind auch geringfügige Abweichungen zwischen dem Pamphlet und dem 'Traktat' verzeichnet. Die Abweichungen lassen durchwegs die Absicht des Pamphletisten erkennen, unkenntlich zu machen, daß seine Zitate oft größeren Argumentzusammenhängen entstammen, aus denen sich ihr richtiger Sinn ergibt. Um das Erscheinungsbild der englischen Texte nicht zu verändern, mußte dem Leser die Unbequemlichkeit zugemutet werden, daß diese Anmerkungen zu den entsprechenden Stellen in der Übersetzung gemacht werden, sich aber auf den englischen Text beziehen. Ferner sei auf eine ungewöhnliche Form der Paginierung hingewiesen: auf den rechten Buchseiten findet sich links oben die Seitenzahl der linken Buchseite; in Klammern wird die Seitenzahl der Originalausgaben wiederholt.

Übersetzung des gegenüberstehenden Titelblattes: Abriß eines neuen Buches, betitelt: Ein Traktat über die menschliche Natur, etc. worin dessen Hauptgedanken weiter erläutert und erklärt werden. London: Gedruckt für C. Corbet 1 , Addison's Head, gegenüber St. Dunstan's Church, Fleetstreet. 1 740. [Preis: sechs Pence]

AN

ABSTRACT OF A BOOK lately PUBLISHED; E NT 1 TU LED, A

TREATISE OF

Human Nature, &c. WHEREIN

The CHIEF ARGUMENT of that BOOK is farther ILLUSTRATED and EXPLAINED.

L

0 N D 0 N: Printed for C. BoRBET, at Addifan's Head, over-againft St. Du'!flan's Church, in Fleet.ftreet. I 740. [Price fix Pence.]

PR E FACE. ~

r

expettations in this ]mall peiform~t\WA I~ ance may Jeem Jomewhat extraordirf nary, when I declare that my intentions are to render a larger work more intelligible toordinarycapacities, by abridging it. ''fis however certain, that thoje who are not accuflomed to abßratt reefoning, are apt to lofe the thread of argument, where it is drawn out to a great length, and each part fortified with all the arguments, guarded againß all the objettions, and illuflrated with all the views, which occur to a writer in the diligent Jurvey of his fubjett. Such Readers will more readily apprehend a chain of reaJoning, that is more Jingle and concife, where the chief propofitions only are linkt on to each other, illußrated by fome fimple examples, and confirmed by a few of the more jorcible arguments. 'fhe parts lying nearer together can better be compared, and the connexion be more eafily traced from the firft principles to the laß conclufion. 'f HE work, of which l here prefent the Reader with an abßrafl, has been complained of as objcure and difficult to be comprehended, and l am apt to think, that this proceeded as much from the length as .from the abßraflednefs of the argument. If 1 have remedy' d this inconvenience in any degree, 1 have attain'd my end. 'fhe bookfeem'd to me to have Juch an air offingularity, and novelty as claim' d the

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VORWORT

Manchen werden die Erwartungen, die ich mit dieser kleinen Schrift verbinde, reichlich hochgespannt vorkommen. Denn es ist meine Absicht, ein umfangreiches Werk durch eine verkürzte Darstellung einem breiten Publikum verständlicher zu machen. Allein, man weiß doch, wie leicht, wer im abstrakten Denken nicht geübt ist, den Faden in einem lang und breit ausgeführten Gedankengang verliert, dessen Teile mit allen Argumenten versehen, gegen alle Einwände gewappnet und mit allem ausstaffiert sind, was einem Autor nur immer ein- und auffallen mag, wenn er seinen Gegenstand von allen Seiten genau betrachtet. Dagegen wird der untrainierte Leser leichter eine Kette von Überlegungen auffassen, die kurz und bündig nur die wichtigsten Thesen miteinander verknüpft, sie durch einige Beispiele erläutert und durch wenige beweiskräftige Argumente unterstützt. Stehen die Hauptstücke nahe beisammen, kann man sie gut aufeinander beziehen und leicht den Fortgang von den ersten Grundsätzen bis zu den letzten Schlüssen verfolgen. Man hat dem Wer,k, von dem ich hier dem Publikum einen Abriß vorlege, zum Vorwurf gemacht, es sei dunkel und schwer verständlich. Ich glaube, dieser Eindruck rührt einfach von der Länge wie von der Abstraktheit des Gedankenganges her. Gelingt es mir, der Unbequemlichkeit für den Leser ein wenig abzuhelfen, wird mein Zweck erreicht sein. Denn andererseits scheint mir das Buch so einzigartig und neu, daß es die Aufmerksamkeit des Publikums ver-

attention of the public; tjpecially if it be found, as the A uthor feems to injinuate, that were bis philefophy receiv'd, we muß alter from the foundatiqn the greateß part of the Jciences. Such bold attempts are always advantageous in the republic of letters, becauje they Jhake off the yoke of authority, accußom men to think for themfelves, give new hints, which men of genius may carry further, and by the very oppojition, illußrate points, wherein no one before jufpetled any difficulty. q' HE Author muß be contented to wait with patience for jome time before the learned world can agree in their Jentiments of bis performance. ''I'is bis misfortune, that he cannot make an appeal to the people, who in all matters of common reajon and eloquence are found Jo infallible a tribunal. He muß be judg' d by the FE w, whefe verditl is more apt to be corrupted by partiality and prejudice, ejpecially as no one is a proper judge in theje Jubjetls, who has not often thought of them ; and fuch are apt to form to themjelves Jvßems of their own, which tbey rejolve not to relinquijh. I hope the Author will excuje me for intermeddling in this affair, jince my aim is only to encreaje bis auditory, by removing Jome di.fficulties, which have kept many from apprehending bis meaning. I have chefen one }impfe ar'gument, which I have carefully traced from the beginning to the end. '!'bis is the only point I have taken care to .finijh. 'l'he reß is only hints of particular paJ!ages, which jeem' d to me curious and remarkable.

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dient; umso mehr, wenn sich bestätigen sollte, was der Autor uns offenbar zeigen will: folgen wir seiner Philosophie, so werden wir den größten Teil der Wissenschaften von Grund auf neufassen müssen. In der Republik der Gelehrten sind solche kühnen Unternehmungen jederzeit nützlich, denn sie schütteln das Joch der Autorität ab, bringen die Menschen dazu, selbständig nachzudenken, weisen neue Wege, auf denen einfallsreiche Geister dann weiter fortschreiten mögen, und legen allein durch den Widerspruch zu gängigen Lehren Stellen bloß, an denen zuvor niemand Schwierigkeiten vermutet hat. Der Autor wird sich eine Weile in Geduld fassen müssen, bis sich die gelehrte Welt seinen Auffassungen anschließen kann. Sein Unglück ist, sich nicht an das Volk wenden zu können, das in allen Dingen des gemeinen Verstandes und der Beredsamkeit ein unfehlbarer Richter ist. Statt dessen richten über ihn die wenigen, deren Urteil leicht durch Parteilichkeit und vorgefaßte Meinungen korrumpiert ist. Niemand ist in philosophischen Fragen ein guter Richter, wenn er sich nicht selbst eingehend mit ihnen beschäftigt hat, aber gerade er wird sich sein eigenes System entwickeln und dann nicht gerne davon lassen mögen. Unser Autor wird mir hoffentlich verzeihen, wenn ich mich in seine Sache mische. Mein einziges Ziel ist, ihm den Kreis seiner Zuhörerschaft zu erweitern und einige Schwierigkeiten zu beseitigen, die viele daran gehindert haben, seine Theorie richtig zu verstehen. Ich habe einen einfachen Gedanken gewählt und sorgfältig von Anfang bis Ende durchgeführt. Nur in diesem Punkt kam es mir auf eine vollständige Argumentation an. Der Rest besteht aus Hinweisen auf verschiedene Passagen, die mir beachtenswert und von besonderem Interesse zu sein scheinen.

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ABSTRACT OF A B 0 0 K lately p 0

B LI

s H E D,

E NT 1 TU LED,

A Treatife

D

of Human

Nature, &c.

HIS book feems tobe wrote upon the fame plan with feveral other works that have had a greatvogueoflate years in England. The philofophical fpirit, which has been fo much improvedallover Europewithin thefe laft fourfcore years, has been carried to as great a length in this kingdom as in any other. Our writers feem even to have ftarted a new kind of philofophy, which promifes more both to the entertainment and advantage of mankind, than any other with which the world has been yet acquainted. Moft of the philofophers of antiquity, who treated of human nature, have fhewn more

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ABRISS EINES NEUEN BUCHES, BETITELT: EIN TRAKTAT OBER DIE MENSCHLICHE NATUR, ETC.

Im Grundriß scheint mir das Buch mit anderen, wie sie seit einigen Jahren in England en vogue sind, übereinzustimmen. Wie überall in Europa während der letzten achtzig Jahre hat auch in diesem Königreich der philosophische Geist große Verbesserung und Ausbreitung erfahren. Und gerade hier hat sich, wie es scheint, eine neue Art Philosophie entwickelt, die mehr zur Unterhaltung wie zum Nutzen der Menschheit beizutragen verspricht als alle, die der Welt bislang bekannt ist. Die Philosophen des Altertums bewiesen, wenn sie sich mit der menschlichen Natur befaßten, meist eher ein feines Gespür,

of a delicacy of fentiment, a juft fenfe of morals, or a greatnefs of foul, than a depth of reafoningandrefleCtion. Theycontentthemfelveswith reprefenting thecommon fenfeof mankind in the ftrongeft lights, and with the beft turn of thought and expreffion, without following out fteadil y a chain ofpropofitions, or formi ngthe feveral truths into a regular fcience. But 'tis at leaft worth while to try if the fcience of man will not admit of the fame accuracywhichfeveral partsofnatural philofophy are found fufceptible of. There feems tobe all the reafon in theworld toimaginethat itmay becarried to the greateft degreeof exaClnefs. If, in examining feveral pha>nomena, we find thattheyrefolvethemielvesintoonecommon principle, and can trace this principle into another, we fhall at laft arrive at thofe few :fimple principles, on which all the reft depend. And tho' we can never arrive at the ultimate principles, 'tis a fatisfaction to go as far as our faculties will allow us. TH 1 s feems to have been the aim of our late philofophers, and, among the reft, of this author. He propofes to anatomize human nature in a regular manner, and promifes to draw no conclu:fions but where he is authorized by experience. He talks with contempt ofhypothefes; and in:finuates,that

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treffendes moralisches Urteil und Seelengröße als eindringliche Reflexion und Schärfe in der Argumentation. Sie waren es zufrieden, der Menschen geraden Sinn im hellsten Licht erscheinen und in treffenden Gedanken sich ausdrücken zu lassen, ohne dabei unbedingt immer den Zusammenhang und die Folgerichtigkeit ihrer Behauptungen im Auge zu haben oder aus den verstreuten Wahrheiten eine regelrechte Wissenschaft aufzubauen. Da ist es wenigstens den Versuch wert zu prüfen, ob nicht die Wissenschaft vom Menschen mit derselben methodischen Sorgfalt und Genauigkeit betrieben und vorgetragen werden kann wie viele Teile der Naturphilosophie. Alles scheint doch für die Idee zu sprechen, daß auch auf diesem Felde größte Exaktheit erreichbar ist. Wenn sich zeigt, daß vielfältige Erscheinungen bei genauer Betrachtung ihre Verschiedenheit verlieren und aus einem gemeinsamen Prinzip erklärt werden können und wenn sich dann weiter dieses Prinzip auf einen anderen Grundsatz zurückführen läßt, so werden wir schließlich zu einigen wenigen Prinzipien gelangen, von denen alle anderen abhängen. Und sollten wir auch niemals die letzten Grundsätze erreichen können, so liegt doch große Befriedigung darin, soweit zu kommen, wie es mit unseren Kräften eben möglich ist. Genau dies scheint das Ziel unserer neuen Philosophen und auch das unseres Autors zu sein. Er versucht eine regelrechte Anatomie der menschlichen Natur und verspricht, keine Schlüsse zu ziehen, ohne zu ihnen durch das Zeugnis der Erfahrung berechtigt zu sein. Nur Verachtung hat er für unbewiesene Hypothesen, und er meint, daß unsere Landsleute,

foch of our countrymen as have banifhed them from moral philofophy, have clone a more fignal fervice to the world, than my Lord Bacon, whom he confiders as the father of experimental phyficks. He mentions, on this occafion, Mr. Locke, my Lord Shaftfbury, Dr. Mandeville, Mr. Hutchifon, Dr. Butler, who, tho' they differ in many points among themfelves, feem all to agree in founding their accurate difquifitions of human nature intirely upon experience. B ESI DE the fatisfaCtion of beingacquainted with what mofi: nearly concerns us, it may be fafely affirmed, that almofi: all the fciences are comprehended in the fcience of human nature, and are dependent on it. 'l'he fale end eflogic t"s to explain the principles and Operations ef our reafaning faculty, and the nature ef our ideas; morals and criticifm regard our taßes and fintiments; and politics conßder men as united in faciety, and dependent on each other. This treatife therefore of human nature feemsintendedfora fy!l:emof the fciences. The author has finiihed what regards logic, and haslaid the foundation of the other parts in his account of the paffions. TH E celebrated Mo'!.fieur Leibnitz has obferved it to be a defeet in the common fyfi:ems of logic, that they are very copious



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die damit in den Wissenschaften vom Menschen 2 aufgeräumt haben, der Welt einen größeren und sichtbareren Dienst erwiesen haben als Lord Bacon, der ihm doch als Vater der experimentellen Physik gilt. In diesem Zusammenhang werden Mr. Locke, Lord Shaftesbury, Dr. Mandeville, Mr. Hutcheson und Dr. Butler3 erwähnt, die, wie sehr sie sich auch in vielen Punkten voneinander unterscheiden mögen, doch darin übereinstimmen, daß sie sich bei ihren sorgfältigen Untersuchungen über die menschliche Natur vollständig auf Erfahrung stützen. Die Wissenschaft von der menschlichen .:\atur ist von zwiefachem Interesse: einmal handelt sie yon dem, was uns am nächsten liegt und am meisten berührt; außerdem kann man aber sicher sagen, daß in ihr fast alle anderen Wissenschaften eingeschlossen sind oder doch von ihr abhängen. Die Logik hat kein anderes Ende, als die Grundgesetze und Operationsweisen unseres Denkvermögens sowie die Natur unserer Vorstellungen zu erklären; Moral und Kritik betreffen unseren Geschmack und unsere Gefühle; und Politik betrachtet uns als voneinander abhängige in Gesellschaft vereinigte Menschen 4 • :\lit diesem Traktat über die menschliche :\'atur wird also der Anfang zu einem System der Wissenschaften gemacht. Unser Autor hat die Logik vollendet und für die anderen Systemteile in seiner Theorie der menschlichen Leidenschaften den Grund gelegt. Der berühmte Monsieur Leibniz 5 hat an den gewöhnlichen Logiksystemen den Mangel gerügt, daß sie sich weitläufig über die Formen der Deduk-

when they explain the operations of the underfl:anding in the forming of demonfl:rations, but are too concife when they treat of probabilities, and thofe other meafures ofevidence on which life and aB:ion intirely depend, and which are our guides even in mofl: of our philofophical fpeculations. In this cenfure, he comprehends the ef!ay on human underjlanding, le recherche de la verite, and f art de pen.fer. The author of the treatife of human nature feems to have been fenfible of this defeB: in thefe philofophers,and has endeavoured, as much as he can, to fupply it. As his book contains a great number of fpeculations very new and remarkable, it will be impoffible to give the reader a jufl: notion of the whole. We fhall therefore chiefly confine ourfelves to his explication of ourreafonings from caufe and effeB:. If we can make this intelligible to the reader, it may ferve as a fpecimen of the whole. 0 u R author begins with fome definitions. He calls a perception whatever can be prefent to the mind, whether we employ our fenfes, or are aCtuated with paffion, or exercife our thought and refleB:ion. He divides our perceptions into two kinds, viz. impreflions and ideas. When we feel a paffion or emotion of any kind, or have the images of exter-

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tion auslassen, aber nur allzu knapp Wahrscheinlichkeiten und das Einschätzen des Grades unserer Gewißheit behandeln, auf denen doch unser Leben und Handeln vollständig beruhen und die uns genauso in den meisten Fällen philosophischer Spekulation anleiten. Seine Kritik bezieht sich unter anderem auf den 'Essay on Human Understanding', 'La recherche de la verite' und 'L'art de penser'6 • Dem Autor des 'Traktats über die menschliche Natur' ist das Mangelhafte dieser Bücher nicht entgangen. Jedenfalls schickt er sich an, was fehlt, so gut er kann, zu ergänzen. Sein Buch enthält viele wirklich neue und bemerkenswerte überlegungen, von denen dem Leser hier unmöglich ein umfassender und richtiger Begriff gemacht werden kann. Wir werden uns daher hauptsächlich mit seiner Erklärung unserer Schlüsse, die sich auf Ursachen und Wirkungen beziehen, beschäftigen. Wenn es mir gelingt, diese Erklärung dem Leser verständlich zu machen, so mag sie als eine Probe für das Ganze dienen. Einige Definitionen gehen voran. Der Autor nennt Perzeptz'on, was immer unserem Geiste gegenwärtig sein kann, sei es durch den Gebrauch unserer Sinne, sei es daß uns Leidenschaften bewegen oder daß wir denken und über etwas reflektieren. Die Perzeptionen scheidet er in zwei Arten, nämlich Eindrücke und Vorstellungen. Wenn wir eine Leidenschaft oder irgend eine Gemütsbewegung empfinden oder wenn uns unsere Sinne Bilder von äußeren Gegenständen

nal objeets conveyed by our fenfes; the perception of the mind is what he calls an imprejjion, which is a word that he employs in a new fenfe. When we refleet on a paffion or an object which is not prefent, this perception is an zdea. Imprej/ions, therefore, are our lively and ftrong perceptions; tdeas are the fainter and weaker. This diftinetion is evident; as evident as that betwixt feeling and thinking. TH E firft propofition he advances, is, that all our ideas, or weak perceptions, are deri ved from our impreffions,orftrong perceptions, and that we can never think of any thing which we have not feen without us, or feit in our own minds. This propofition feems to be equivalent to that which Mr. Locke has taken fuch pains to eftablifh, viz. that no tdeas are innate. Only it may be obferved, as an inaccuracy of that famous philofopher, that he comprehends all our perceptions under the term of idea, in which fenfe it is falfe, that we have no innate ideas. For it is evident our ftronger perceptions or impreffions are innate, and that natural affeCtion, love of virtue, refentment, and all the other paffions, arife immediately from nature. I am perfwaded, whoever would take the quefüon in this light, would be eafily a-

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liefern, so sind solche Perzeptionen Eindrücke. Dieser Terminus wird also in veränderter Bedeutung gebraucht 7 • Wenn wir dagegen über Gefühle oder Objekte nachdenken, die uns nicht gegenwärtig sind, so ist, was sich im Geiste abspielt, bloße Vorstellung. Eindrücke sind also lebhafte und starke Perzeptionen, Vorstellungen dagegen blasser und schwächer. Daß dieser Unterschied besteht, ist offensichtlich und so gewiß wie der zwischen Denken und Fühlen Der erste Lehrsatz besagt, daß alle unsere Vorstellungen oder schwachen Perzeptionen ihren Ursprung in unseren Eindrücken oder starken Perzeptionen haben, und daß wir an nichts zu denken vermögen, was wir nicht zuvor gesehen oder im Geiste unmittelbar empfunden haben. Dieser Lehrsatz scheint dem gleichzukommen, den Mr. Locke beweisen will, nämlich daß es keine angeborenen Vorstellungen gz"bt. Eine Ungenauigkeit hat sich der große Philosoph allerdings dadurch zuschulden kommen lassen, daß er mit dem Ausdruck ,Vorstellungen' unsere sämtlichen Perzeptionen bezeichnet. In diesem Sinne genommen, ist es aber falsch, daß wir keine angeborene_n Vorstellungen haben. Denn offensichtlich gibt es angeborene starke Perzeptionen oder Eindrücke, da doch natürliche Begierden, Tugendliebe, Ärger und alle anderen Leidenschaften unmittelbar aus der Natur entspringen 8 • Nach meiner überzeugung könnte jeder, der das Problem nur im richtigen Licht betrachtet, leicht die strei-

hie to reconcile all parties. Father Malebranche would find himfelf at a lofs to point out any thought of the mind, which did not reprefent fomething antecedently felt by it, either internally, or by means of the external fenfes, and muft allow, that however we may compound, and mix, and augment, and diminilh our ideas, they are all derived from thefe fources. Mr. Locke, on the other hand, would readily acknowledge, that all our paffions are a kind of natural inftinCl:s, derived from nothing buttheoriginalconftitution of the human mind. ÜuR author thinks, "that no difcovery "could have been made more happily for de" ciding all controverfies concerning ideas than "this, that impreffions always take the pre" cedency of them, and that every idea with „ which the imagination is furnilhed, firft "makes its appearance in a correfpondent "impreffion. Thefe latter perceptions are "all fo clear and evident, that they admit "of no controverfy; tho' many of our ide" as are fo obfcure, that 'tis almoft impoffi"ble even for the mind, which forms them, "to tell exaCl:ly their nature and compofi"tion." Accordingly, wherever any idea is ambiguous, he has always recourfe to the impreffion, which muft render it clear

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tenden Parteien einen. Pater Malebranche würde sich außer Stande sehen, irgend einen bewußten Gedanken nachzuweisen, der sich nicht auf etwas bezöge, was zuvor schon, sei es innerlich oder sei es durch die äußeren Sinne dem Geiste unmittelbar gegenwärtig gewesen wäre. Und er müßte zugeben, daß alle unsere Vorstellungen, wie immer wir sie auch zusammensetzen, mischen, erweitern oder verringern mögen, sämtlich aus diesen Quellen stammen. Mr. Locke andererseits würde rasch gewahr werden, daß alle unsere Leidenschaften natürliche Triebe sind, die sich von nichts herleiten, sondern einfach zur ursprünglichen Ausstattung der menschlichen Natur gehören 9 • Unser Autor meint, „daß es keine glücklichere Entdeckung, um alle Streitigkeiten über die Natur der Vorstellungen zu schlichten, hätte geben können als die, daß den Vorstellungen stets Eindrücke vorhergehen und das jede Vorstellung der Einbildungskraft zuerst in einem entsprechenden Eindruck erscheint. Eindrücke aber sind so klar und gewiß, daß über ihre Existenz und ihre Art kein Streit sein kann; während viele unserer Vorstellungen so dunkel sind, daß unser Geist selbst, obwohl er sie doch formt und bildet, fast nicht in der Lage ist, ihr Wesen und ihre Zusammensetzung genau zu erkennen"10. Gemäß diesem Prinzip sucht der Verfasser, wann immer sie vorkommen, mehrdeutige Vorstellungen auf Eindrücke zurückzuführen, durch die sie klar und deutlich werden müssen. Regt sich der

and precife. And when he fufpects that any philofophical term has no idea annexed to it (as is too common) he always aiksfrom what imprej/ion that idea is derived? And if no impreffion can be produced, he concludes that the term isaltogetherinfignificant. 'Tis after this manner he examines our idea offuijlance and ejfence; and it were to be wilhed, that this rigorous method were more practifed in all philofophical debates. 'T1sevident, that all reafonings concerning matter offa8 are founded on the relation of caufe and effeCt, and that we can never infer the exiftence of one object from another, unlds they be connected together, either mediately or· immediately. In order therefore to underftand thefe reafonings, we muft be perfectly acquainted with the idea of a caufe; and in order to that, muft look about us to find fomething that is the caufe of another. H ERE is a billiard-ball lying on the table, and another ball moving towards it with rapidity. They ftrike; and the ball, which was formerly at reft, now acquires a motion. This is as perfect an inftance of the relation of caufe and effect as any which we know, either by fenfation or reflection. Let us therefore examine it. 'Tis evident, that

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Verdacht, daß mit irgend einem philosophischen Wort nicht wirklich eine Vorstellung verbunden ist (und das ist nur zu oft der Fall), so ist nur zu fragen: Von welchem Eindruck leitet sich diese angebliche Vorstellung her? Läßt sich kein entsprechender Eindruck nachweisen, so ist der Schluß berechtigt, daß der betreffende Terminus überhaupt keine Bedeutung hat. Nach diesem Verfahren prüft der Autor die Vorstellungen von Substanz und Essenz. Und es wäre zu wünschen, daß diese strenge Methode in allen philosophischen Auseinandersetzungen mehr Eingang fände. Nun beruht offenbar alles Schließen, sofern es Tatsachen betrifft, auf der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, denn wir können niemals die Existenz eines Gegenstandes von einem anderen ableiten, wenn beide nicht mittelbar oder unmittelbar miteinander verbunden sind. Um diese Art des Schließens zu verstehen, muß man sich die Vorstellung einer Ursache vollständig auseinanderlegen; und das geschieht am besten anhand eines Beispiels, wenn etwas die Ursache für etwas anderes ist. Auf dem Tisch hier liegt eine Billardkugel; eine zweite bewegt sich mit einer gewissen Geschwindigkeit auf die erste zu. Sie stoßen zusammen, und die Kugel, die zuerst in Ruhe war, wird nun in eine gewisse Bewegung versetzt. Hier haben wir, nach allem was wir durch Wahrnehmung kennen oder uns denken mögen, ein Musterbeispiel für die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung; wir wollen es untersuchen. Zunächst ist wohl klar, daß die Kugeln

the two balls touched one another before the motion was communicated, and that there was no interval betwixt the fuock and the motion. Contiguity in time and place is therefore arequifitecircumftance to theoperation of all caufes. 'Tis evident likewife, that the motion, which was the caufe, is prior to the motion, which was the effeB:. Priority in time, is therefore another requifite circumftance in every caufe. But this is not all. Let us try any other balls of the fame kind in a like fituation, and we fhall always find, that the impuHe of the one produces motion in the other. Here therefore is a third circumftance, viz. that of a con.flant conjuncli'on betwixt the cauie and effeB:. Every objeB: like the caufe, produces always fome objeB: like the effeB:. Beyond thefe three circumftances of contiguity, priority, and conftant conjunB:ion, 1 can difcover nothing in this caufe. The firft ball is in motion ; touches the fecond ; immediately the fecond is in motion : and when 1 try the experiment with the fame or like balls, in the fame or like circumftances, 1 find, that upon the motion and touch of the one ball, motion alwaysfollows in the other. In whatever fhape 1 turn this matter, and however 1 examine it, 1 can find nothing farther.

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einander berührten, bevor die eine der anderen den Bewegungsimpuls mitteilte, aber zwischen Stoß und Bewegung der zweiten Kugel war kein Intervall. Berührung in Raum und Zeit ist daher eine notwendige Bedingung, damit Ursachen Wirkungen haben können. Es ist gleichfalls offenkundig, daß die Ursachenbewegung vor der Wirkungsbewegung stattfand. Zeitliche Priorität ist also eine zweite notwendige Bedingung für Ursachen. Aber diese beiden Bedingungen zusammen genügen noch nicht. Wiederholen wir dasselbe Experiment mehrfach, so werden wir stets finden, daß der Bewegungsimpuls der einen Kugel beim Zusammenstoß eine Bewegung der zweiten Kugel hervorruft. Und hieraus ergibt sich als dritte Bedingung, daß zwischen Ursache und Wirkung ein konstanter Zusammenhang bestehen muß: Alles, was der Ursache gleicht, bringt stets eine ähnliche Wirkung hervor. Außer diesen drei wesentlichen Umständen: Berührung, zeitliche Priorität und konstantem Zusammenhang kann ich in unserem Beispiel für eine Ursache keine weiteren entdecken: Die erste Kugel ist in Bewegung, sie stößt die zweite, unmittelbar darauf ist die zweite in Bewegung; und wenn ich das Experiment mit denselben oder ähnlichen Kugeln unter denselben oder ähnlichen Umständen wiederhole, sehe ich, daß auf die Bewegung der ersten Kugel und auf den Zusammenstoß stets eine Bewegung der zweiten Kugel folgt. Ich mag die Sache drehen und wenden und genauestens untersuchen: weiter finde ich nichts.

TH1s is the cafe when both the caufe and effett are prefent to the fen{es. Let us now fee upon what our inferenceisfounded, when we conclude from the one that the other has exifted or will exift. Suppofe I fee a ball moving in a ftreight line towards another, I immediately conclude, that they will fuock, and that the iecond will be in motion. This is the inference from caufe to effett; and of this nature are all our reafonings in the con.dutt of life: on this is founded all our belief in hiftory: and from hence isderived all philofophy,excepting only geometry and arithmetic. If we can explain the inference from the fhock of two balls, we fhall be able to account for this operation of the mind in all inftances. WERE a man, fuch asAdam,createdinthe full vigour of underftanding, without experience, he would never be able to infer motion in the fecond ball from the motion and impulfe of the firft. lt is not any thing that reafon fees in the cau{e, which make us infer the effett. Such an inference, were it poffible, would amount to a demonftration, as being founded merely on the comparifon of ideas. But no inference from caufe to effett amounts to a demonftration. Of which there is this evident proof. The mind can always

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So verhält es sich, wenn Ursache und Wirkung zusammen der Wahrnehmung gegenwärtig sind. Wir wollen nun sehen, worauf die Ableitung beruht, wenn wir auf Grund der einen schließen, die andere habe existiert oder werde existieren. Angenommen, ich sehe eine Kugel in gerader Linie auf eine zweite zurollen, so schließe ich sofort, daß beide zusammenstoßen werden und daß sich die zweite in Bewegung befinden wird. Dies ist ein Schluß von der Ursache auf die Wirkung, und von eben dieser Art sind alle Überlegungen, nach denen wir uns im praktischen Leben richten. Auf solchen Schlüssen beruht unsere Kenntnis der Geschichte oder dessen, was wir davon für wahr halten. Und auf gleichartigen Schlüssen basiert auch alle Philosophie, außer Geometrie und Arithmetik. Wenn wir den Schluß im Fall des Zusammenstoßes zweier Kugeln erklären können, dann haben wir den Schlüssel für die Erklärung der gleichen Denkoperation in all den anderen Fällen. Wäre ein Mensch so wie Adam erschaffen worden, der zwar voll ausgebildete Verstandeskräfte, aber keinerlei Erfahrung besäße, so würde er keineswegs imstande sein, die Bewegung der zweiten Kugel aus der Bewegung der ersten und dem Stoß zu erschliessen. Es gibt da nichts, was die Vernunft in der Ursache entdecken könnte, um auf die Wirkung zu schlt"eßen. Solch ein Schluß, wäre er möglich, könnte nichts anderes sein als eine Demonstration und könnte auf nichts anderem beruhen als auf einem Vergleich von Vorstellungen. Aber Schlüsse von Ursachen auf Wirkungen sind keine logisch zwingenden Demonstrationen. Und dafür gibt es folgenden schlagenden Beweis: wir können uns immer denken, daß

conceive any effeCl: to follow from any caufe, and indeed anyevent tofollowuponanother: whatever we conceive is poffible, at leaft in a metaphyfical fenfe: but wherever a demonftration takes place, the contrary is impoffible, and implies a contradiCl:ion. There is no demonftration, therefore, for any conj unCl:ion of caufe and effeCl:. And this is a principle, which is generallyallowed by philofophers. 1T would have been neceffary, therefore, for Adam (if he was not infpired) to have had experience of the effea, which followed upon the impulfe of thefe two balls. He muft have feen, in feveral inftances, that when the one ball ftruck upon the other, the fecond always acquired motion. If he had feen a fufficient number of inftances of this kind, whenever he faw the one ball moving towards the other,hewould alwaysconclude without hefitation, that the fecond would acquire motion. His underftanding would anticipate his fight, and form a conclufion fuitable to his paft experience. 1T follows, then, that all reafonings concerning caufe and effeCl:, are founded on experience, and that all reafonings from experience are founded on the fuppofition, that the courfe of nature will continue uniformly

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irgend eine beliebige Wirkung auf irgend eine beliebige Ursache folge, ja im Grunde, daß jedes Ereignis auf jedes andere folgen mag. Was immer wir denken, ist möglich, wenigstens im metaphysischen Sinne. Wo es dagegen demonstrative Beweise gibt, ist das Gegenteil unmöglich und enthält einen Widerspruch. Es gibt also keine demonstrativen Beweise für die Zusammenhänge zwischen irgend welchen Ursachen und bestimmten Wirkungen. Dieser Grundsatz wird in der Philosophie auch allgemein zugestanden. Adam hätte also (außer, er wäre inspiriert worden) notwendig durch Erfahrung Kenntnis von der Wirkung bekommen müssen, die auf den Zusammenstoß der beiden Kugeln folgt. Er hätte mehrmals beobachten müssen, daß stets dann, wenn die eine Kugel die andere stößt, die zweite in Bewegung versetzt wird. Und wenn er schließlich eine hinreichende Anzahl solcher Fälle beobachtet hätte, dann würde er in dem Fall, daß er eine Kugel auf eine zweite zurollen sähe, schließen, daß die zweite in Bewegung geraten werqe. Im Denken würde er die Wahrnehmung vorwegnehmen und einen seiner vergangenen Erfahrung entsprechenden Schluß ziehen. So ergibt sich denn, daß alle kausalen Schlüsse auf Erfahrung und daß alle Erfahrungsschlüsse auf der Annahme beruhen, der Lauf der Natur werde ununterbrochen einheitlich derselbe bleiben. Wir

the fame. We conclude, that like caufes, in like circumfiances, will always produce like effeCl:s. lt may now be worth while to confider, what determines us to forma conclufion of fuch infinite confequence. 'T1s evident, that Adam with all his fcience, would never have been able to demonjlrate, that the courfe of nature mufi continue uniformlythe fame,andthat the future mufi be conformable to the pafi. What is poffible can never be demonfirated to be falfe; and 'tis poffible the courfe of nature may change,fincewecan conceive fuch a change. N ay, I will go farther, and affert, that he could not [o much as prove by any probable arguments, that the future mufi beconformable to the pafi. All probable arguments are built on the fuppofition, that there is this conformity betwixt the future and the pafi, and therefore can never prove it. This conformity is a matter qffafl, and if it mufi be proved, will admit of no proof but from experience. But our experience in the pafi can be a proof of nothing for the future, but uponafuppofition, that thereisa refemblance betwixt them. This therefore is a point, which can admit of no proof at all, and which we take for granted without any proof.

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schließen weiter, daß gleiche Ursachen unter gleichen Umständen immer die gleichen Wirkungen hervorrufen werden. Und nun ist es wohl einer überlegung wert, was uns eigentlich zu einem so unendlich folgenreichen Schluß bestimmt. Wiederum ist es offensichtlich so, daß Adam mit all dem Wissen, das er erlangt hätte, doch niemals in der Lage wäre, einen demonstrativen Beweis dafür zu führen, daß der Lauf der Natur ununterbrochen und einheitlich derselbe bleiben müsse und daß die Zukunft der Vergangenheit entsprechen werde. Was möglich ist, das kann man nicht a priori und demonstrativ ausschließen. Und es ist möglich, daß der Lauf der Natur sich ändert, da wir uns eine solche Änderung denken können. Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, daß Adam nicht einmal durch eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung zeigen könnte, daß die Zukunft der Vergangenheit entsprechen müsse. Denn alle Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruhen gerade auf der Annahme, daß zwischen Zukunft und Vergangenheit eine Gleichförmigkeit besteht, und deshalb können sie sie nicht beweisen. Diese Gleichförmigkeit ist eine Tatsache, und um zu beweisen, daß diese Tatsache besteht, gibt es keine anderen Beweismöglichkeiten als Erfahrung. Doch unsere vergangene Erfahrung kann für die Zukunft nichts beweisen, außer aufgrund der Annahme, es bestehe zwischen beiden jene Ähnlichkeit. Für diese Annahme gibt es also keinen Beweis, aber wir nehmen sie auch ohne Beweis als sicher an.

WE are determined by cusToM alone to fuppofe the future conformable to the paft. When I fee a billiard-ball moving towards another, my mind is immediately carry'd by habit to the ufual effeCt, and anticipates my fight byconceivingthefecond ball in motion. There is nothing in thefe objeCts, abftraetly confidered, and independent of experience, whichleads me to form anyfuch conclufion: and even after I havehadexperienceof many repeated effeCts of this kind, there is no argumen t, which determines me to fuppofe, that the effect will be conformable to paft experience. The powers, by which bodies operate, are entirely unknown. We perceive only their fenfible qualities: and what reafan have we to think, that the fame powers will always be conjoined with the fame fenfible qualities? 'T 1 s not, therefore, reafon, which is the guide of life, but cuftom. That alone determines the mind, in all inftances, to fuppofe the future conformable to the paft. However eafy this fiep may feem, reafon would never, to all eternity, be able to make it. TH 1 s is a very curious difcovery, but leads us to others, that are füll more curious. When Ifie a billiard ball moving towards another, my mind is immediately carried by habt! to the u.fual

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Allein Gewohnhez"t bestimmt uns anzunehmen, daß zwischen Vergangenheit und Zukunft Gleichförmigkeit besteht. Sehe ich eine Billardkugel auf eine andere zurollen, so führt mich Gewohnheit unmittelbar dazu, eine Wirkung wie immer zu erwarten, also die zweite Kugel in Bewegung zu denken, bevor ich es sehe. Nichts in den Gegenständen selber, für sich allein und losgelöst von aller Erfahrung betrachtet, gibt mir die Berechtigung zu einem solchen Schluß. Und nicht einmal die oft wiederholte Erfahrung, daß ein gleichartiger Effekt auftritt, ist ein Beweis für die Annahme, auch die nächste eintretende Wirkung werde der vergangenen Erfahrung entsprechen. Die inneren Kräfte, die das Verhalten der Körper bestimmen mögen, sind uns vollkommen unbekannt. Wir kennen nur die Eigenschaften, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Und welche Vernunftgründe haben wir für den Gedanken, daß, wo dieselben sinnlichen Qualitäten auftreten, auch dieselben wirkenden Kräfte vorhanden sein müssen? Also führt uns im Leben nicht Vernunft, sondern Gewohnheit. Sie allein macht uns fortwährend und immer wieder glauben, daß die Zukunft der Vergangenheit entsprechen werde. Vernunft dagegen würde in alle Ewigkeit nicht in der Lage sein, diesen Schritt, der doch so leicht scheint, zu vollziehen. Hier haben wir eine interessante Entdeckung gemacht, die noch zu anderen und interessanteren Entdeckungen führen wird. Sehe ich ez"ne Billardkugel auf ei"ne andere zurollen, so fiihrt mich Gewohnheit unmittelbar dazu di"e gewöhnliche Wirkung zu erwarten, also die zwei"te Kugel i·n Bewe-

and anti'cipate myjight by conceiving the.fecond ball in mrJtion. But is this all? Do 1 nothing but coNCEIVE the motion of the fecond ball? No fürely~ 1 alfo BELIEVE that it will move. What then is this belief? And how does it differ from the fimple conception of any thing? Here is a new queftion unthought ot by philofophers. When a demonfiration convinces me of any propofition, it not only makes me conceive the propofition, but alfo makes me fenfible, that 'tis impoffible to conceive any thing contrary. What is demonfiratively falfe implies a contradiction; and what implies a contradiction cannot be conceived. But with regard to any matter of fact, however firong the proof may be from experience, 1 can always conceive the contrary, tho' 1 cannot always believe it. The belief, therefore, makes fome difference betwixt the conception to which we affent, and that to which we do not affent. To account for this, there are only two hypothefes. lt may be faid, that belief joins fome new idea to thofe which we may conceive without aifenting to them. But this hypothefis is falfe. Forjir:Jl,no fuch idea can be produced. When we fimply conceive an object, we conceive it in all its parts. We

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gung zu denken, bevor z"ch es sehe. Aber ist das alles? Denke ich nur die zweite Kugel in Bewegung? Sicherlich nicht. Ich glaube auch, daß sie sich bewegen wird. Was ist oder worin besteht dieser Glaube und wie unterscheidet er sich vom bloßen Denken? Dies ist eine Frage, über die Philosophen bislang überhaupt noch nicht nachgedacht haben. 11 • Wenn wir uns auf Grund eines demonstrativen Beweises von der Wahrheit einer Behauptung überzeugen, so bilden wir nicht einfach einen entsprechenden Gedanken, sondern wir wissen auch, daß das Gegenteil zu denken unmöglich ist. Was demonstrativerweise falsch ist, impliziert einen Widerspruch; und was widersprüchlich ist, kann nicht gedacht werden. Was dagegen Tatsachen angeht, so mögen die Erfahrungsgründe, daß etwas der Fall ist, so stark sein, wie sie wollen, ich kann doch stets das Gegenteil denken, allerdings nicht immer auch glauben. Also ist es der Glaube, der in diesem Fall den Unterschied macht zwischen einem Gedanken, dem wir zustimmen, und einem, dem wir nicht zustimmen. Es gibt hierfür nur zwei mögliche Erklärungen. So könnte man behaupten, der Glaube sei eine besondere Vorstellung, die zu den Vorstellungen, die man haben kann, ohne ihnen zuzustimmen, hinzukomme. Aber dieser Erklärungsversuch geht fehl. Denn erstens läßt sich keine solche Vorstellung nachweisen. Denken _wir uns etwas, so denken wir es uns vollständig. Wir denken es uns, wie es exi-

conceive it as it might exifi, tho' we do not believe it to exifi. Our belief of it would difcover no newqualities. We maypaintout the entire objett in imagination without believing it. We may fet it, in a manner, before our eyes, with every circumfiance of time and place. 'Tis the very objett conceived as it might exifi; and when we believe it, we can do no more. Second!y, TH E mind has a faculty of joining all ideas together, which involve not a con tradittion; and therefore if belief confül:ed in fome idea, which we add to the fimple conception, it would be in a man's power, byaddingthis idea to it, to believe anything, which he can conceive. S1NcE therefore belief implies a conception, and yet is fomething more; and fince it adds no new idea to the conception; it follows, that it is a different MANNER of conceivingan objett ;famethingthat isdifiingui!hable to the feeling, and depends not upon our will, as all our ideas do. My mind runs by habit from thevifible objettof one ball moving towardsanother, to theufualeffettof motion in the fecond ball. lt not onlyconceives that motion, butjeels fomething different in the conception of it from a mere reverie of the imagination. The prefence of this vifible



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stieren könnte, wenn wir auch nicht glauben, daß es existiert. Und der Glaube, daß es existiert, würde keine neue Eigenschaft des Gegenstandes aufdecken. Wir können uns den Gegenstand in der Einbildung vollständig ausmalen, ohne zu glauben, daß es ihn gibt. Und wenn wir uns den in jeder Hinsicht, auch nach Zeit und Ort bestimmten Gegenstand vorstellen, so denken wir uns, daß eben dieses Objekt existieren könnte. Glauben wir nun, daß es existiert, so tun wir nicht mehr oder anderes als zu glauben, daß genau dieser Gegenstand existiert. Zweitens besitzen wir die Fähigkeit, im Denken beliebige Vorstellungen miteinander zu verbinden, wenn sie nur keinen Widerspruch bilden. Wäre nun der Glaube eine besondere eigene Vorstellung, die wir zum bloßen Gedanken hinzusetzen, so könnten wir durch die Hinzufügung der Vorstellung des Glaubens für wahr halten, was immer wir uns denken können. Da also der Glaube zwar Denken einschließt, aber nicht dasselbe ist, und da er nicht darin besteht, einem Gedanken eine weitere Vorstellung hinzuzufügen, so ergibt sich, daß er eine besondere Art und Weise ist, sich etwas zu denken. Der Glaube gehört zum Gefühl und unterliegt nicht wie unsere Vorstellungen dem Willen. Sehe ich eine Kugel auf eine andere zurollen, so gehen meine Gedanken gewohnheitsmäßig zur Bewegung der zweiten Kugel als der erwarteten Wirkung über. Die zweite Bewegung denke ich nicht bloß, sondern ich fühle zugleich, wie sich dieser Gedanke von den Träumen freier Phantasie unterscheidet. Die sichtbare Gegenwart des Ge-

objeet, and the conftant conjuncrion of that particular effeCt, render the idea different to the fieling from thofe loofe i deas, w hieb come into the mind without any introduCtion. This conclufion feems a little fürprizirig; but we are led into it by a chain of propofitions, which admit of no doubt. To eafe the reader's memory I fhall briefly refüme them. No matter of faet can be proved but from its caufe or its effeCt. N othing can be known to be the caufe of another but by experience. W e can give no reafon for extending to the future our experience in the paft; but are entirelydetermined bycuftom, when weconceive an effeCt to followfrom its ufual caufe. But we alfo believe an effeCt to follow, as well as conceive it. This belief joins no new idea to the conception. lt only varies the manner of conceiving, and makes a difference to the feeling or fentiment. Belief, therefore, in all matters of faet arifes only from cuil:om, and is an idea conceived in a peculiar manner. ÜuR author proceeds to explain the manner or feeling, which renders belief different from a loofe conception. He feems fenfible, that 'tis impoffible by words to dekribe this feeling, which every one muft be confcious of in his own breaft. He calls it fometimes

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genstandes und der konstante Zusammenhang solcher Gegenstände mit einer bestimmten Wirkung geben dem Gedanken an die Wirkung ein besonderes Gefühl, das ihn von einer lockeren und beliebigen Folge von Vorstellungen unterscheidet. Dies Ergebnis mag überraschen, aber es ergibt sich aus einer Reihe zweifelsfrei feststehender Sätze. Zur leichteren Übersicht sei die Überlegung kurz zusammengefaßt. Wie die Wirklichkeit beschaffen ist, kann man nur wissen, wenn man nach Ursachen und Wirkungen forscht. Und allein Erfahrung lehrt, daß etwas die Ursache von etwas anderem ist. Dafür daß wir auf unsere vergangene Erfahrung unsere Erwartungen für die Zukunft stützen, gibt es keinen Vernunftgrund a priori, sondern wir folgen nur einer Gewohnheit, wenn wir denken, eine Wirkung werde ihrer gewöhnlichen Ursache folgen. Aber wir denken uns nicht bloß einen solchen Zusammenhang, sondern wir glauben auch, daß die Wirkung tatsächlich eintreten werde. Dies zu glauben heißt nun nicht, den Gedanken an die Wirkung um eine neue Vorstellung zu erweitern, sondern ist nur eine andere Art zu denken; der Unterschied ist einer des Gefühls oder des Bewußtseins. Der Glaube, daß etwas wirklich der Fall ist; entspringt also einer Gewohnheit und besteht in einer besonderen Art und Weise, sich etwas vorzustellen. Diese besondere Weise des Vorstellens oder das Gefühl, welches Fürwahrhalten vom bloßen Sichwasdenken unterscheidet, sucht der Autor noch weiter zu erklären, aber er scheint zu spüren, daß es unmöglich ist, jenes Gefühl, das jeder in sich selbst erleben muß, mit Worten zu beschreiben. Manchmal nennt er es ein stärkeres Denken, an anderen

aJlrongerconception,fometimes a more lively, a more vivid, a firmer, or a more i'ntenfl conception. And indeed, whatever name we may give to this feeling, which confütutes belief, our author thinks it evident, that it has a more forcible effeet on the mind than fietion and mere conception. This he proves by its influence on the paffions and on the imagination; which areonlymoved bytruth or what is taken for fuch. Poetry, with all its art, can never caufe a paffion, like one in real life. lt fails in the original conception of its objeets, which never fiel in the fame manner as thofe which command our belief and opinion. 0 u R author prefuming, that he had fofficiently proved, that the ideaswe affent to are different to the feeling from the other ideas, and that this feeling is more firm and lively than our common conception, endeavours in the next place to explain the caufe of this livelyfeeling byan analogywith other aets of the mind. His reafoning feems tobe curious; butcould fcarce berenderedintelligible, orat leafi probable to the reader, without a long detail, which would exceed the compafs 1 have prefcribed to myfelf.

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Stellen ein lebendigeres, ein lebhafteres, ein sichereres oder auch ein eindringlicheres Denken. Alle diese Wörter, die das Gefühl des Glaubens genauer bezeichnen sollen, zielen auf den nach Meinung des Verfassers offensichtlichen Sachverhalt, daß der Glaube auf unseren Geist eine stärkere Wirkung hat als Erdichtung oder bloßes Denken. Der Beweis liegt im Einfluß des Glaubens auf die Leidenschaften und die Einbildungskraft, die nur durch die Wahrheit oder durch das, was für wahr gehalten wird, in Bewegung gesetzt werden. Auch die kunstvollste Dichtung kann nicht solche Leidenschaften wecken wie das wirkliche Leben. Sie kann es nicht, weil ihre Art, Gegenstände vorzustellen, grundsätzlich eine andere ist: wir fühlen ihre Objekte niemals so unmittelbar auf uns eindringen wie jene, die bestimmen, was wir glauben und meinen müssen. Unser Autor ist der Meinung, das Faktum hinreichend belegt zu haben, daß die Vorstellungen, denen wir zustimmen, sich dadurch von anderen unterscheiden, daß wir sie lebhafter und stärker fühlen. Durch einen Vergleich mit anderen geistigen Vorgängen sucht er nun die Ursache für dies lebhaftere Gefühl zu finden. Seine Überlegung ist interessant und verdient Aufmerksamkeit, aber sie läßt sich dem Leser kaum vollkommen überzeugend oder auch nur einigermaßen wahrscheinlich machen, ohne weitläufig auf Einzelheiten einzugehen und damit den Rahmen dieses Abrisses zu sprengen.

1 have likewife omitted many arguments, which he adduces to prove that belief confifismerelyin a peculiar feeling or fentiment. 1 iliallonlymentionone; our pafi experience is not always uniform. Sometimes one eff eCl: follows from a caufe, fometimes another: In which cafe we always believe, that that will exifi which is mofi common. 1 fee a billiard-ball moving towards another. 1 cannot difiinguiili whether it moves upon its axis, or was firuck {o as to skim along the table. In the firfi cafe, 1 know it will not fiop after the iliock. In the fecond it may fiop. The firfi is mofi common, and therefore 1 lay my account with that effeCl:. But 1 alfo conceive the other effeCl:, and conceive it as poffible, and as conneCl:ed with the caufe. W ere not the one conception different in the feeling or fentiment from the other, there would be no difference betwixt them. WE have confin'd ourfelves in this whole reafoning to the relation of caufe and effeCt, as difcovered in the motions and operations of matter. But the fame reafoning extends to the operations of the mind. Whether we confider the influence of the will in moving our body, or in governing our thought, it may fafely be affirmed, that we could never

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Ich habe hier auch viele andere Argumente fortgelassen, die alle beweisen sollen, daß der Glaube nichts anderes ist als ein besonderes Gefühl oder Bewußtsein. Nur eines will ich noch erwähnen: Unsere vergangene Erfahrung ist nicht stets einheitlich. Manchmal folgt auf die Ursache diese Wirkung, manchmal eine andere. In solchen Fällen glauben wir, daß diejenige Wirkung eintreten wird, die am häufigsten aufgetreten ist. Ich sehe zum Beispiel eine Billardkugel sich auf eine andere zubewegen. Dabei kann ich nicht unterscheiden, ob sie in Stoßrichtung rollt oder ob sie so gestoßen wurde, daß sie über die Tischplatte schleift. Für den ersten Fall weiß ich, daß die Kugel auch nach dem Zusammenstoß nicht in Ruhe sein wird; im anderen Fall kann es sein, daß sie stehen bleibt. Der erste Fall ist der häufigere und deshalb rechne ich mit einer entsprechenden Wirkung. Aber auch die andere Wirkung denke ich, konzipiere sie als möglich und als verknüpft mit einer Ursache. Würden sich in beiden Fällen die Gedanken an die Wirkungen nicht in ihrem Gefühls- oder Bewußtseinscharakter unterscheiden, so wäre gar keine Differenz zwischen ihnen. Bisher haben wir die Beziehung von Ursache und Wirkung nur in bezug auf bewegte Körper betrachtet. Dieselben Überlegungen gelten jedoch auch für Operationen des Geistes. Wie der. Wille die Körperbewegung oder das Denken beeinflußt, läßt sich

foretel the effett, merely from the confideration of the caufe, without experience. And even after we have experience of thefe effetts, 'tis cufiom alone, not reafon, which determines us to make it the fiandard of our future judgments. When the caufe is prefented, the mind, from habit, immediately paffes to the conception and belief of the ufual effett. This belief is fomething different from the conception. lt does not, however, join any new idea to it. lt only makes it be feit differently, and renders it fironger and more lively. HAVING diipatcht thismaterial pointconcerning the nature of the inference from caufe and effett, our author returns upon his footfieps, and examines anew the idea of that relation. In the confidering of motion communicated from one ball to another, we could find nothing but contiguity, priority in the caufe, and confiant conjunCtion. But, befide thefe circumfiances, 'tis commonly fuppos'd, that there is a neceffary connexion betwixt the caufe and effett, and that the caufe poffeffes fomething, which we call a power, or force, or energy. The quefüon is, what idea is annex'd to thefe terms? If all our ideas or thoughts be derived from our impreffions, this power mufi either difcover

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sicher ohne entsprechende Erfahrungen, und wenn man ausschließlich die Ursache betrachtete, nicht vorhersagen. Haben wir Erfahrung, so ist es allemal Gewohnheit und nicht Vernunft, dergemäß wir künftig urteilen. Liegt uns eine Ursache vor, so haben wir die Neigung erworben, uns sogleich die gewöhnliche Wirkung vorzustellen und zu glauben, daß sie eintreten werde. Der Glaube, wie gesagt, ist etwas anderes als der Gedanke. Kommt der Glaube zum Gedanken hinzu, so bleibt doch der gedankliche Gehalt unverändert, nur fühlen wir ihn anders: wir werden uns seiner stärker und lebhafter bewußt. Am Ende seiner Erklärung, welches das Wesen unserer kausalen Schlüsse ist, kehrt der Autor zu seinem Ausgangspunkt zurück und betrachtet erneut die Vorstellung, die wir uns gewöhnlich von der Kausalrelation machen. Obwohl sich in der Analyse des Musterbeispiels einer Bewegungsübertragung beim Zusammenstoß zweier Kugeln keine anderen charakteristischen Umstände fanden als Berührung, zeitliche Priorität der Ursache sowie konstanter Zusammenhang von Ursache und Wirkung, so wird doch für gewöhnlich angenommen, es bestehe eine notwendige Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung und es besitze die Ursache eine besondere Eigenschaft, die man Kraft, Macht oder Energz"e nennt. Was bedeuten diese Ausdrücke? Wenn es wahr ist, daß alle unsere Vorstellungen und Gedanken irgendwie von unmittelbaren Eindrücken abhängen, so muß eine solche Kraft entweder mit

itfelf to our fenfes, or to our internal feeling. But fo little does any power difcover itfelf to the fenfes in the operations of matter, that the Carte.ßans have made no fcruple to affert, that matter is utterly depri ved of energy, and that all its operations are perform'd merely bythe energyof the fupreme Being. But the quefüon füll recurs, What idea have we qf energy or power even i'n the fapreme Bei'ng? All our idea of a Deity (according to thofe who denyinnate ideas) is nothingbutacompofition ofthofeideas, which we acquirefrom reflecring on theoperations ofourown minds. N ow our own minds afford us no more notion ofenergy thanmatterdoes. When weconfider our will or volition a priori", abfi:racring from experience, we iliould never be able to infer any effecr from it. And when we take the affifi:ance of experience, it only iliows us objecrs contiguous, fucceffive, and confi:antly conjoined. U pon the whole, then, either we have no idea at all of force and energy, and thefe words are altogether infignificant, or they can mean nothing but that determination of the thought, acquir'd by habit, to pais from the caufe to its ufual effecr. But who-ever would thoroughly underfi:and this mufi: confult the author himfelf. 'Tis fufficient, if I can make the learned world ap-

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äußeren oder inneren Sinnen wahrnehmbar sein. Aber an den Bewegungen der Körper ist durchaus keine Kraft wahrnehmbar. Deshalb wagten auch die Cartesianer zu behaupten, der Materie wohne gar keine Energie inne und alle Bewegung beruhe auf der Energie Gottes 12 . Aber diese These wiederholt nur die Frage: Was stellen wir uns denn vor unter Kraft oder Energie, und sei· es dz"e ez"nes höchsten Wesens? Alle unsere Vorstellungen von einer Gottheit (sagen die, die bestreiten, daß es angeborene Ideen gibt) sind nichts weiter als Zusammensetzungen aus Vorstellungen, die wir uns bilden, wenn wir auf die Vorgänge in unserem eigenen Geiste achten13. Um unseren eigenen Geist zu verstehen, bedarf es aber so wenig des Begriffs der Energie wie im Fall der Materie. Betrachten wir den Willen a prz"orz", also abgesehen von aller unserer Erfahrung, so werden wir schwerlich je auf eine seiner Wirkungen schließen können. Mit Hilfe unserer Erfahrung kennen wir jedoch nur die Verhältnisse von Kontiguität, Sukzession und konstantem Zusammenhang. Daraus ergibt sich, daß wir entweder gar keine Vorstellung von Kraft und Energie haben und daß diese Wörter vollkommen bedeutungslos sind oder daß mit ihnen nichts anderes gemeint sein kann als die durch Gewöhnung erworbene Neigung unseres Denkens, auf Grund einer Ursache eine bestimmte Wirkung zu erwarten. Wer diese Dinge im Einzelnen verstehen will, muß den Autor selber befragen; hier genügt es, die gelehrte Welt auf eine

prehend, that there is fome difficulty in the cafe, and that who-ever folves the difficulty muft fay fome thing very new and extraordinary; as new as the difficulty itfelf. B Y all that has been faid the reader will eafily perceive, that the philofophy contain' d in this book isveryfceptical,and tends to give us a notion of the imperfeCtions and narrow limits of human underftanding. Alinoft all reafoning is there reduced to experience; and the belief, which attends experience,is explained to benothing buta peculiar fentiment, or lively conception produced by habit. N or is this all, when we believe any thing of external exiftence, or fuppofe an objeCt to exift a moment after it is no longer perceived, this belief is nothing but a fentiment of the fame kind. Our author infifts upon feveral other fceptical topics; and upon the whole concludes, that we affent to our faculties, and employ our reafon only becaufe we cannot help it. Philofophy wou' d render us entirely Pyrrhonian, were not nature too ftrong for it. 1 fhall conclude the logics of this author with an accountof twoopinions, whichfeem to be peculiar to himfelf, as indeed are moft of his opinions. He afferts, that the foul, as far as we can conceive it, is nothing but a

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Schwierigkeit aufmerksam gemacht zu haben. Wer sich anschickt, sie zu lösen, wird Dinge sagen müssen, die so neu und ungewöhnlich sind wie das bislang unerkannte Problem selber. Nach allem, was hier berichtet worden ist, wird der Leser den Eindruck gewonnen haben, es handle sich um eine durchweg skeptische Philosophie, die es vor allem darauf anlegt, uns die engen Grenzen unseres Verstandes vor Augen zu führen. Als Basis nahezu allen Denkens und Schlußfolgerns wird Erfahrung, nicht Vernunft, dargetan und das Fürwahrhalten unserer Erfahrungen für nichts weiter als ein besonderes Gefühl erklärt: eine lebhafte Eindringlichkeit des Gedankens, hervorgerufen durch Gewohnheit. Ebenso ist der Glaube an die äußere Existenz der Dinge oder die Annahme, ein Gegenstand bestehe fort, auch wenn er nicht wahrgenommen wird, wiederum nichts als ein Gefühl. Der Autor vertritt noch andere skeptische Thesen und kommt zu dem Schluß, daß wir unseren geistigen Fähigkeiten vertrauen und Vernunft gebrauchen, einfach weil wir nicht anders können. Die Philosophie würde uns zu radikalen Skeptikern machen, wäre nicht unsere Natur, die uns Realisten sein läßt. Ich schließe die übersieht über die theoretische Philosophie des Verfassers mit dem Referat zweier Thesen, die ihm - wie freilich die meisten seiner Auffassungen - besonders eigentümlich zu sein scheinen. Seiner Meinung nach ist die Seele, soweit wir uns einen Begriff von ihr machen können, nichts als ein System oder andauernder Strom von Per-

fyfi:em or train of different perceptions, thofe of heat and cold, love and anger, thoughts and fenfations; all united together, butwithout any perfett fimplicity or identity. Des Cartes maintained that thought was the effence of the mind ; not this thought or that thought, bu t though t in general. This feems to be abfolutely unintelligible,fince every thing, that exifi:s, is particular: And therefore it mufi: be our feveral particular perceptions, that compofe the mind. I fay, compefe the mind, not belong to it. The mind is not a fubfi:ance, in which the perceptions inhere. That notion is as unintelligible as the Cartejian, that thought or perception in general is the eifence of the mind. W e have no idea of fubfi:ance of any kind, fince we have no idea butwhat is derived from fome imprefüon, and we have no impreffion of any fubfi:ance either material or fpiritual. W e know nothing but particularqualitiesand perceptions. As our idea of any body, a peach, for infi:ance, is only that of a particular tafi:e, colour, figure, fize, confifi:ence, &c. So our idea of any mind is only that of particular perceptions, without the notion of anything we call fu bfi:an ce, ei ther firn ple or com pound. TH E fecond principle, which I propofed to take notice of, is with regard to Geome-

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zeptionen: Wärme und Kälte, Liebe und Zorn, Gedanken und Empfindungen. Alle diese Perzeptionen sind zusammen vereinigt, ohne daß es etwas vollkommen Einfaches und durchgängig Identisches gäbe. Descartes behauptete, daß Denken, nicht dieser oder jener Gedanke, sondern daß Denken überhaupt das Wesen der Seele sei 14 • Aber diese Behauptung ist vollkommen unverständlich, weil alles, was existiert, einzelnes ist. Daher müssen es die vielen einzelnen Perzeptionen sein, die zusammen den Geist bilden. Ich sage: den Geist bilden, nicht zum Geiste gehören. Die Seele oder der Geist sind keine Substanz, der die Perzeptionen inhärieren. Der Begriff der Substanz ist so unbegreiflich wie die cartesz"anische Vorstellung, daß Denken oder Perzipieren überhaupt das Wesen des Geistes sei. Wir haben keine Vorstellungen von Substanzen. Denn alle unsere Vorstellungen hängen irgendwie von unmittelbaren Eindrücken ab; und wir haben keinen Eindruck von einer sei es geistigen, sei es materiellen Substanz. Wir kennen nichts als individuierte Eigenschaften und einzelne Perzeptionen. Genauso ist unser Begriff von einem Körper, von einem Pfirsich zum Beispiel, nichts als die Zusammensetzung der Vorstellungen von einem spezifischen Geschmack, von besonderer Farbe, bestimmter Form, Größe, Konsistenz etc. Und genauso ist unser Begriff des Geistes nur die Vorstellung einer Menge einzelner Perzeptionen ohne den Begriff einer einfachen oder auch zusammengesetzten Substanz. Die zweite These, auf die ich aufmerksam machen will, betrifft die Geometrie. Der Autor bestreitet

rry. Having denied theinfinitedivifibilityof extenfion, our author finds himfelf obli g,ed to refute thofe mathematicalargumen ts, which have been adduced for it; and thefe indeed are the only ones of any weight. This he does bydenyingGeometryto be a fcienceexaCtenough to admit of conclufions fo fubtile as thofe which regard infinite divifibility. His arguments may be thus explained. All Geometryis founded on the notionsof equality and inequality, and therefore according as we have or have not an exaB: fi:andard of that relation, the fcience itfelf will or„ will not admit of great exaCtnefs. Now there is an exaet fiandard of equality, if we fuppofe that quantity is compofedof indivifible points. Two lines are equal when the numbers of the points, that compofe them, are equal, and when there is a point in onecorrefponding to a point in the other. But tho' this fi:andard be exaCt, 'tis ufelefs; fince we can never compute the number of points in any line. lt is befides founded on the fuppofition of finite divifibility, and therefore can never afford any conclufion againfi: it. If we rejeB: this fi:andard of equality, we have none that has any pretenfions to exaCtnefs. I find two that are commonly made ufe of. Two lines above a yard, for infi:ance, are

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die unendliche Teilbarkeit einer Strecke und sieht sich daher gezwungen, sich mit den allein ernst zu nehmenden mathematischen Argumenten für die unendliche Teilbarkeit auseinanderzusetzen. Er bestreitet, daß Geometrie eine hinreichend exakte Wissenschaft sei, um so subtile Schlußfolgerungen zuzulassen, wie für die Entscheidung der Frage nach einer unendlichen Teilbarkeit erforderlich sind. Die Begründung lautet:. Alle Geometrie beruht auf dem Begriffspaar: Gleichheit und Ungleichheit. Weiter hängt der Exaktheitsgrad dieser Wissenschaft davon ab, ob unser Maß für Gleichheit beziehungsweise Ungleichheit exakt ist. Nun gibt es ein exaktes Maß der Gleichheit dann, wenn wir die Annahme machen, daß jede Größe sich aus unteilbaren Punkten zusammensetzt. Dann nämlich sind zwei Strecken gleich, wenn sie sich aus einer gleichen Anzahl von Punkten zusammensetzen oder wenn wir zwischen den Punkten beider Strecken eine eineindeutige Korrespondenz herstellen können. Dieses Maß ist zwar exakt, aber es ist nicht anwendbar, da wir die Punkte einer Strecke nicht zählen können. Außerdem beruht die Idee dieses Maßes auf der Voraussetzung bloß endlicher Teilbarkeit und erlaubt daher keine Schlüsse auf das Gegenteil. Geben wir aber die Idee dieses Maßes der Gleichheit auf, so besitzen wir keines mehr, das beanspruchen dürfte, exakt zu sein. Zwei andere Konzeptionen werden oft vertreten. Zwei Strecken, länger als zum Beispiel ein Meter, sollen gleich sein, sagt man, wenn sie die-

faid tobe equal, when they containanyinferior quantity, as an inch, an equal number of times. But this runs in a circle. For thequantitywecall an inch in the oneis fuppofed tobe equal to what we call an inch in the other: And the quefüon füll is, by what ftandard we proceed when we judge them to be equal; or, in other words, what we mean when we fay they are equal. If we take füll inferior quantities, we go on in injinitum. This therefore is no ftandard of equality. The greateft part of philofophers, when ask'd what they mean by equality, fay, that the word admits of no definition, and that it is fufficient to place before ustwo equal bodies, fuch as two diameters of a circle, to make us underftand that term. Now this is taking the general appearance of the objecrs for the ftandard of that proportion, and renders our i magination and fenfes the ultimate judges of it. But fuch a ilandard admits of no exacrnefs„ and can never afford any concluiion contrary to the imagination and fenfes. Whether this quefüon be juft or not, muft be left to the learned world to judge. 'Twere certainly to be wifh'd, that fomeexpedientwerefallen upon to reconcile philofophy andcommon fenfe, which with regard to the quefüon of infinite diviiibility

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selbe Anzahl einer kleineren Maßeinheit, etwa Zentimeter, enthalten. Aber diese Auskunft ist zirkulär. Denn wir nehmen natürlich an, daß ein Zentimeter auf der einen Strecke gleich einem Zentimeter auf der anderen ist. Doch nun wiederholt sich die Frage, welches Maß wir verwenden können um festzustellen, ob sie gleich sind. Oder anders gesagt, es fragt sich, was wir meinen, wenn wir sagen, zwei Zentimeter seien gleich lang? Ziehen wir immer kleinere Maßeinheiten heran, so verschiebt sich das Problem i·n i·nfz"nz"tum; also erhalten wir so kein Maß der Gleichheit. Was ,Gleichheit' bedeute, sagen andererseits die meisten Philosophen, lasse sich nicht definieren. Es genüge vielmehr, vor sich zwei gleiche Dinge zu haben, zum Beispiel zwei Durchmesser eines Kreises, um zu verstehen, was der Ausdruck bedeute. Aber das heißt einfach die generelle Erscheinung der Dinge zum Maß für das Verhältnis der Gleichheit zu nehmen und damit Einbildungskraft und die Sinne zur letzten Urteilsinstanz zu machen. Ein solches Maß entbehrt jedoch aller Exaktheit und erlaubt vor allem keine Schlußfolgerungen, die dem, was wir uns vorstellen oder was wir wahrnehmen, entgegenstehen. Ob der Autor in dieser Frage recht hat oder nicht, wird die gelehrte Welt entscheiden müssen. Es wäre sicher zu wünschen, daß sich ein Ausweg fände, um Philosophie und gemeinen Verstand, die gerade um die Frage der unendlichen Teil-

have wag'd moft cruel wars with each other. WE muft now proceed to give fome account of the {econd volume of this work, which treatsofthe PAss10Ns. 'Tis ofmore eafy comprehenfion than the firft; but containsopinions, that are altogether as newand extraordinary. The author beginswith pride and humility. He obferves, that the objecrs which excite thefe paffions, are very numerous,and feemingly very different from each other. Pride or felf-efteem may arife from the qualities of the mind; wit, good-fep.fe, learning, courage, integrity: from thofe of the body; beauty, ftrerigth, agility, good mein, addreis in dancing, riding, fencing: from external advantages; country, family, children, relations, riches, houfes, gardens, horfes, dogs, cloaths. He afterwards proceeds to find out that common circumftance, in which all thefe objecrs agree, and which caufes them to operate on the paffions. His theory likewife extends to love and hatred, and other affecrions. Asthefe queftions, tho' curious, could not be rendered intelligible without a long difcourfe, we fhall here omit them. IT may perhaps be more acceptable to the reader to beinformedof what our author

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barkeit heftige Kriege geführt haben, wieder zur Übereinstimmung zu bringen 15 • Wir wollen nun noch einige Nachrichten vom zweiten Band des Werkes geben, der von den Leidenschaften handelt. Er ist verständlicher als der erste und enthält doch eine Reihe ganz neuer und außergewöhnlicher Thesen. Zuerst geht es um Stolz und Demut. Zahllose und anscheinend sehr verschiedenartige Dinge können diese Leidenschaften erregen. Stolz oder Selbstwertgefühl können ihren Grund in geistigen Qualitäten haben, in Verstandesschärfe, geradem Sinn, Gelehrsamkeit, Mut, Rechtschaffenheit, oder in körperlichen Vorzügen wie Schönheit, Stärke, Beweglichkeit, einer guten Hand, Gewandheit beim Tanzen, Reiten, Fechten, oder in äußeren Vorteilen wie Land, Familie, Kindern, gesellschaftlicher Stellung, Reichtümern, Haus und Garten, Pferden, Hunden, Kleidern. Dann wird untersucht, unter welchen gewöhnlichen Umständen diese Dinge zusammentreffen und woran es liegt, daß sie auf die Leidenschaften einwirken. In gleicher Weise werden Liebe und Haß und weitere Leidenschaften untersucht. Alle diese Themen sind interessant, bedürften aber einer weitläufigen Darstellung, die hier nicht gegeben werden kann. Statt dessen wollen wir den Leser darüber informieren, was der Autor zum Problem des frez'en

fays concerning free-wtl!. He has laid the foundation of his doetrine in what he faid concerning caufeandeffeet,asaboveexplained. "'Tis univerfally acknowledged, that "the operations of external bodies are necef" fary, and that in the communication of "their motion, in theirattraetion and mutual "cohefion, there are not the leafi traces of "indifference or liberty." -----" Whatever "therefore is in this refpeet on the fame "footing with matter, mufi be acknowledged "to be neceifary. That we may know "whether this be the cafewith the aetionsof "the mind, we may examine matter, and "confider on w hat the idea of a neceffity "in its operations are founded, and why we "conclude one body or aetion tobe the in" fallible caufe of another. "lt has been obferved already, that in no "fingle infiance the ultimate connexion of "any objeet is difcoverable either by our "fenfes or reafon, and that we can never pe" netrate fo far into the eifence and confiruc" tion of bodies, as to percei ve the princi ple "on which their mutual influence is found"ed. 'Tis their confiant union alone, with "which we are acquainted; and 'tis from "the confiant union the neceffity arifes, when "the mind is determined to pafs from one

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Willens zu sagen hat. Das Fundament seiner Theorie ist die oben dargestellte Lehre über den Zusammenhang von Ursache und Wirkung. „Es wird allgemein anerkannt, daß die Bewegungen materieller Körper notwendig sich vollziehen und daß bei Mitteilung von Bewegungsimpulsen, bei wechselseitiger Anziehung und bei Kohäsion sich kein Moment von äußerem Unbeeinflußtsein oder gar von Freiheit findet. . . Was immer in dieser Hinsicht der Materie gleicht, muß ebenfalls für unfrei und notwendig erachtet werden. Um herauszubekommen, ob es sich im Falle geistiger Vorgänge so verhält wie bei der Materie, wollen wir die Materie näher betrachten und überlegen, worauf sich unsere Vorstellung davon gründet, daß die Bewegungen der Materie mit Notwendigkeit in bestimmter Weise ablaufen, und weshalb wir schließen, ein Körper oder ein Ereignis werde unfehlbar die Ursache eines anderen sein. Wie schon bemerkt, lassen sich niemals die letzten Zusammenhänge zwischen den Körpern aufdecken. Weder Vernunft noch die Sinne vermögen so tief in den inneren Bau der Materie einzudringen, um die Prinzipien zu entdecken, denen gemäß die Körper aufeinander Einfluß ausüben. Wir kennen allein ein konstantes Zusammenauftreten; und Notwendigkeit entsteht dann, wenn unser Geist durch den kosntanten Zusammenhang dazu bestimmt wird, von einem

"objeCl: to its ufual attendant, and infer the "exiftence of one from that of the other. "Here then are two particulars, which we "are to regard as effential to necej/ity, viz. "the conftant uni'on and the inference of the "mind, and wherever we difcover thefe we "muft acknowledge a neceffity." Now nothing is more evident than the conftant union of particular aCl:ions with particular motives. If all aCl:ions be not conftantly united with their proper motives, this uncertainty is no more than what may be obferved every day in the aCl:ions of matter, wher.e by reafon of the mixture and uncertainty of caufes, the effeCl: is often variable and uncertain. Thirty grainsofopium will kill anyman that is not accuftomed to it; tho' thirty grains of rhubarb will not always purge him. In like manner the fear of death will always make a man go twenty paces out of bis road; tho' itwill not always make him do a bad aCl:ion. AND as there isoften a conftant conjunCl:ion of the aCl:ions of the will with their motives, fo the inference from the one to the other is often as certain as any reafoning concerning bodies: and there is always an inference proportioned totheconftancyoftheconjunCl:ion. On this is founded our belief in witneffes, our credit in hiftory, and indeed all kinds of mo-

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Objekt zu seinem gewöhnlichen Begleiter überzugehen und auf die Existenz des einen aus der Existenz des anderen zu schließen. Diese beiden Momente gehören im wesentlichen zum Begriff der Notwendigkeit, nämlich der konstante Zusammenhang und die Schlußfolgerung, die wir im Denken vollziehen. Wo diese Momente gegeben sind, müssen wir von einer Notwendigkeit sprechen. " 16 Nun ist kaum ein Zusammenhang konstanter als der zwischen bestimmten Handlungen und bestimmten Beweggründen. Freilich gilt nicht, daß ausnahmslos alle Handlungen auf beständige Weise mit gewissen Motiven verknüpft sind. Aber diese Ungewißheit ist nicht größer als im Fall der Materie, da auf Grund eines Zusammenwirkens mehrerer Ursachen die Wirkungen recht verschieden ausfallen können und man dann auch nicht weiß, welche Wirkung nun eintreten wird. Dreißig Gran Opium werden einen Menschen töten, der an dieses Gift nicht gewöhnt ist, und dreißig Gran Rhabarberextrakt werden ihn nicht stets purgieren. Ebenso gilt, daß Todesfurcht jemanden gewöhnlich veranlassen wird, bei Gefahr zwanzig Schritt vom Weg abzuweichen, aber ihn nicht unbedingt dazu bringen muß, eine verwerfliche Handlung auszuführen. Andererseits besteht oft genug ein konstanter Zusammenhang zwischen willentlichen Handlungen und entsprechenden Motiven, so daß der Schluß von den einen auf die anderen mit derselben Gewißheit möglich ist wie im Fall der Bewegung materieller Körper. Immer steht die Möglichkeit des Schlusses in einem proportionalen Verhältnis zur Konstanz, mit der beide Dinge zusammen auftreten. Darauf gründen wir unser Vertrauen auf Zeugnisse und darauf beruht, daß wir der historischen Überlieferung glauben. Schließlich gilt das Prinzip für alles,

ral evidence,and almofithewholeconduCtof life. ÜUR author pretends, that this reafoning puts the whole controverfy in a new light, by giving a new definition of neceffity. And, indeed, the mofi zealous advocates for freewill mufi allow this union and inference with regard to human aCtions. Theywill only deny, that this makes the whole of neceffity. But then they mufi iliew, that we have an idea of fomething elfe in the aCtions of matter; 'vhich, according to the foregoing reafoning, is impoffible. THRo' this whole book, there are great pretenfions to new difcoveries in philofophy; but if any thing can intitle the author to fo glorious a name as that of an inventor, 'tis the ufe he makes of the principle of the affociation of ideas, which enters into mofi of his philofophy. Our imagination has a great au thori ty over our ideas; and there are no ideas that are different from each other, which it cannot feparate, and jein, and compofe into all the varieties of ficrion. But notwithflanding the em pire of the imagination, there is a fecret tie or union among particular ideas, which caufes the mind toconjoin them more freq uen tl y together, and makes the one, u pon its appearance, introduce the other. Hence

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was wir im Leben und von den Beziehungen der Menschen untereinander für erwiesen halten. Nach Meinung unseres Verfassers wirft seine Definition der Notwendigkeit auf das Problem des freien Willens ein ganz neues Licht. Tatsächlich wird ja auch der eiferndste Verfechter eines freien Willens zugeben müssen, daß es auch im Fall von Handlungen konstante Zusammenhänge mit gewissen Motiven gibt und daß wir darauf unsere Schlüsse gründen. Er wird allerdings bestreiten, daß dies bereits Notwendigkeit sei. Aber dann muß er zeigen, daß wir, wenn wir die Bewegung der Materie betrachten, noch eine besondere Vorstellung der Notwendigkeit haben. Doch nach der vorgetragenen Überlegung wird ihm dieser Nachweis mißlingen. überall in seinem Werk erhebt der Autor den Anspruch, Neuland in der Philosophie entdeckt zu haben. Aber wenn eines rechtfertigt, ihm den Ruhm eines fz"ndigen Kopfes zuzusprechen, dann dies, wie er überall in seiner Philosophie den Gesetzmäßigkeiten der Vorstellungsassoziation nachgeht. Unsere Einbildungskraft hat große Macht über unsere Vorstellungen. Sind sie verschieden voneinander, so kann sie sie trennen und in beliebigen, auch erdichteten Variationen neu zusammensetzen. Doch trotz dieser Macht der Einbildungskraft gibt es ein geheimes Band zwischen den Vorstellungen. So beziehen wir, was zusammengehört, häufiger aufeinander; und schließlich ruft eine gerade auftretende Vorstellung die andere herbei. Daher erklärt sich das Apro-

arifes what we call the apropos of difcourfe: hence the conneCtion of writing: and hence that thread, or chain of thought, which a man naturally fupports even in the loofeil: reverie. Thefe principles of affociation are reduced to three, viz. Refimblance; a picture naturally makes us think of the man it was drawn for. Contiguity; when St. Dennis is mentioned, the idea of Paris naturally occurs. Caufation ; when we think of the fon, we are apt to carry our attention to the father. 'Twill be eafy to conceive of what vail: confequence thefe principles muil: be in the fcience of human nature, if we confider, that fo far as regards the mind, thefe are the only links that bind the parts of the univerfe together, or conneet us with any perfon or objeCt exterior to ourfelves. For as it is by means of thought only that any thing operates upon our paffions, and as thefe are the only ties of our thoughts, they are really to us the cement of the univerfe, and all the operations of the mind muil:, in a great meafure, depend on them.

FINIS.

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pos im Gespräch, der Gedankenzusammenhang beim Schreiben und jene Gedankenverkettung, jener Faden, der sich noch durch die ungebundenste Träumerei· hindurchzieht. Die Prinzipien der Assoziation lassen sich auf drei zurückführen: Ahnlichkez"t (wenn uns das Bild an den erinnert, den es darstellt); Berührung oder Nachbarschaft (wird St. Denis erwähnt, denkt man an Parzs); Verursachung (denken wir an den Sohn, fällt uns leicht der Vater ein). Man wird schnell einsehen, wie weitreichende Folgen die Entdeckung dieser Gesetzmäßigkeiten für die Wissenschaft von der menschlichen Natur haben muß, wenn man bedenkt, daß sie allein es sind, die in unserem Geiste die Teile des Universums zu einem Bilde zusammenfügen und die uns mit anderen Personen oder Dingen außer uns verbinden, denn nur vermittelt über das Denken wirken die Dinge auf unsere Leidenschaften ein. Und sofern die Prinzipien der Assoziation die einzigen Bänder zwischen unseren Gedanken sind, sind alle geistigen Vorgänge wesentlich von ihnen bestimmt; sie sind für uns der wirkliche Zement des Universums.

F 1N1 S

Übersetzung des gegenüberstehenden Titelblattes: Brief eines Edelmannes an seinen Freund in Edinburgh, enthaltend einige Bemerkungen über: Proben der Grundsätze, Religion und Moral betreffend, die in einem neuen Buch, betitelt: Ein Traktat über die menschliche Natur etc., aufgestellt sein sollen. Edinburgh, Gedruckt im Jahre 1745.

A

.LETTER FROM A

GENTLEMAN TO

His

FRIEND

in Edinburgh:

CONTAINING

Some OBSERVATIONS ON

A Specimen of the Principles concerning RELIGION and MORALITY, faid to he maintaia,d in a Book Iately pu• blith'd, intituled, A Treatife Qf Humafl Nature, lcc.

EDINBURGH> finted in the Year M. DCC. XLV.

S 1 R, Have read over the Specimen of the Principles concerning Religion and Morality, faid to be maintain'd in a Book lately publifhed, intituled,

A Treatifa

of Human Na-

ture; being an Attempt to introducc the Experimental Method of Reafoning into Moral Subjells. I have alfo read over what is called the Sum of the Charge. Which Papers, as you inform me, have bcen induilrioufly fpread about, and werc put into your Hands fome few Days ago. 1 was perfwaded that the Clamour of Scepticifm, Atheifm, &c. haci been fo often employ'd by the warft of Men againft the beH, that it had now loft all its Influence; and fhould never have thonght of making any Remarks on thefe maim'd Excer}ts, if you bad not laid your Commands on me, as a Piece of common Jufiice to the Author, and for undeceiving fome well-meaning People, on whom it fecms the enormous Charge has made Impreffion.

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Mein Herr, Die Proben der Grundsätze, Religion und Moral betreffend, die in einem neuen Buch, betitelt: Ein Traktat über die menschliche Natur, Versuch, die experimentelle Methode in die Wissenschaften vom Menschen einzuführen, aufgestellt sein sollen, habe ich gelesen. Ebenso die Summe der Vorwürfe. Die Schrift wurde, wie Sie mir mitteilen, fleißig verbreitet und ist vor einigen Tagen in Ihre Hände gelangt. Ich bin davon überzeugt gewesen, daß heutzutage lauthals erhobene Vorwürfe des Skeptizismus, des Atheismus etc., wodurch nur allzu oft die schlechtesten die besten Menschen zu verleumden trachteten, keine Wirkung mehr tun würden. Ich hätte auch niemals daran gedacht, über verstümmelte Zitate aus dem genannten Buch irgend welche Bemerkungen zu machen, hätten Sie es mir nicht befohlen, um dem Autor öffentlich ein Stück Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und wohlmeinenden Leuten die Augen zu öffnen, auf die a~scheinend die monströsen Vorwürfe Eindruck gemacht haben.

I fhall infert the Accufation at füll Length, and then go regularly through what is called the Sum of the Charge; be„ caufe it is intended, 1 fuppofe, to contain the Subftance of the whole. 1 fhall alfo .take notice of the Specitnen as 1 go along.

Specime11 of the Principles concerning Religion and Morality, & c.

T

H E Author puts on bis Titlc-page (Vol. 1. printed for J. Noon, 1739.)

a Paffage of Tacitus to this Purpofe; " Rare " Happincfs of our Times, that you may " think as you will, and fpeak as yo11 '' think." He exprefi"es his Defefence to the Publick in thefe Words (Advertifement,l. 2.) " The Approbation of the Pu blick con'' fider as the greatefl Reward of my La" bours; but am determined to regard its " Judgment, whatever it /Je, as my hefl In" ftruCl:ion. 11 458. He gives us the fummary View of bis 45.9· Philofophy from p. 458. to 470.-'' I am " confounded with that forlorn Solitude,

" in wbich 1 am placed in my Philofophy.

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Ich gebe hier zunächst in voller Länge die Anklageschrift wieder und gehe dann Punkt für Punkt die Summe der Vorwürfe durch, die ja wohl den Kern des Ganzen enthalten soll; dabei werde ich gelegentlich auch auf die Proben eingehen.

Proben der Grundsätze, Religion und Moral betreffend, etc.

Auf die Titelseite (Band 1, gedruckt für J. Noon, 17 39) setzt der Autor als Motto einen Satz aus Tacitus: „Seltenes Glück in unseren Tagen, daß einer denken darf, was er will, und sagen, was er denkt. " 17 Seine Hochachtung vor dem Publikum kleidet er in folgende Worte (Vorwort S. VIIl) 18 : „Den Beifall des Publikums betrachte ich als höchsten Lohn für meine Arbeit, aber ich bin bereit, sein Urteil, welches immer es sei, mir die beste Belehrung sein zu lassen." Eine Zusammenfassung seiner Philosophie findet sich auf den Seiten 263 bis 274/341 bis 352. „Verwirrt19 finde ich mich durch meine Philosophie m Einsamkeit und Verlassenheit versetzt ...

'' -1 havc expofed myfelf to the Enmity " of all Metaphyficians, Logicians, Mac, thematicians, and even Tbeologians." 1 have declared my Difapprobations of '' their Syftems.-When I turn my Eye '' inward, I find nothing but Doubt and " Ignorance. All the W orld confpires to " oppofe and contradiCl: me; tho' fuch is " my Weaknefs, that I feel all my Opi• '' nions loofen and fall of themfelves, when " unfupported by the Approbation of '' others. -Can 1 be fure, that, in leaving 460. u all eftablifhed Opinions, I am following " Truth? and by what Criterion fhall I " difiinguifh her, even if Forttme fhould " at laft guide me on her Footfteps ? Afret '' the moft accurate and exaa: of my Rea• " fonings, 1 can give no Reafon why I '' fhould affent eo it; and feel nothing but '' a ftrong Propenfity to confider Objeas " firongly in that View under which they '' appear to mc.-The Memory, Senfes, 461 • '' and Underftanding, are all of them foun" dcd on the lmagindtion~- No Wonder '' a Principle fo inconftant and fallacious " fhould lead us inro Errors, when impli'' citely fol1owed (as it mufi be) in all its " Variations.- 1 have already fhown, th~t 46.i. " the U nderfianding, when it aCl:s alone, " and according to its moft general Princi-

" pks, entire[1 fubve1ts itfclf, and Jcaves

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Ich habe mich der Feindschaft aller Metaphysiker, Logiker, Mathematiker, ja der Theologen preisgegeben ... Schaue ich in mich, so finde ich nichts als Zweifel und Unwissendheit. Alle Welt ist im Bunde, mir zu opponieren und zu widersprechen; und meine Schwäche ist, daß ich alle meine Thesen und Behauptungen sich auflösen und in sich zusammenfallen fühle, wenn andere ihnen nicht beipflichten" (264-65/342). „Kann ich denn sicher sein, wenn ich vom Weg der herrschenden Meinung abweiche, der Wahrheit zu folgen? Und welches Kriterium hätte ich, selbst wenn mich am Ende doch das Glück auf ihren Pfad leitete? Auch wenn ich alles genau und gründlich durchdacht habe, kann ich doch keinen Grund angeben, warum ich die Ergebnisse für wahr halte: ich kann einfach nicht anders, als die Dinge für das zu nehmen, was sie mir zu sein scheinen" (265/342-43). „Gedächtnis, sinnliche Wahrnehmung und Verstand, alle beruhen sie auf Funktionen der Einbildungskraft 20 • • • Kein Wunder, wenn uns ein so unbeständiges, unsicheres und täuschendes Prinzip zu Irrtümern verleiten sollte, zumal wir ihm unbewußt in allen seinen verschiedenen Formen unterliegen" (265-66/343 ). „Ich habe bereits gezeigt, daß Verstand, nur sich selbst und seinen allgemeinen Prinzipien überlassen, sich selber vollständig untergraben muß und uns weder

'' not the loweft Degree of Evidence fo 6 " any Propo~tion either in Philofophy or 4 5· " common L1fe.- W e have no Choice lefr, 4~6. " hut betwixt a fa!fo Reafon and 11one at 4 7· '' atJ.-Where am I, or what? From what '' Caufes do 1 derive my Exifience, and to " what Condition fhall 1 return ? Whofe " Favour fhall 1 court, and whofe Anger " muft 1 dread ? What Beings furround " me ? On whom h ave 1 any lnfluence, or " who have any lnfluence on me? 1 am " confounded with all thefe QEeftions, and " begin to fancy myfelf in the mofi deplo'' rable Condition imaginable, invironed " with the deepefi Darknefs, and utterly " deprived of the Ufe of every Member 468. '' and Faculty.- If 1 mufi be a Foot, as aJl '' thofe who reafon or believe any Thing cer'' tainly are, my Follies 1hall at Ieaft be 46.9· " natural and agreeable.- In all the Inci" dents of Life, we ought füll to preferve " our Scepticifm : If we believe that Fire '' UJarms, or /Pater refrejhes, 'tis only be'' caufe it cofts us too much Pains to think " otherwife; nay, if we are Philofophcrs, '' it ottght only to be upon fceptical Prind· 470. " ples.- 1 cannot forbear having a Curio.: " füy to be acquainted with the Principles '' of moral Good and Evil, ~c. 1 am con'' cerned for the Condition of the karned " lforld, which lies under fuch a deplo-

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in der Philosophie noch im Leben über irgend etwas die geringste Gewißheit geben kann" (267-68/ 345 )21 • „Uns bleibt keine Wahl als zwischen irreführender Vernunft oder gar keiner" (268/346) 22 • „Wo bin ich oder was bin ich? Aus welchen Ursachen schließe ich darauf, daß ich existiere? Und in welches Dasein werde ich gelangen? Wessen Gunst soll ich suchen und wessen Zorn fürchten? Welche Wesen sind um mich? Alle diese Fragen bedrängen mich. Und endlich wähne ich mich in der unglücklichsten Lage, im tiefsten Dunkel, nicht fähig meine Glieder und meine geistigen Fähigkeiten zu gebrauchen" (269/346-47) 23 • „Wenn ich aber schon ez"n Narr sein muß, wie gewiß alle sind, die über irgend etwas nachdenken oder irgend etwas für wahr halten, so soll meine Narrheit wenigstens meiner Natur entsprechen und angenehm sein" (270/348). „In allen Wechselfällen des Lebens sollten wir uns die Skepsis bewahren: glaubenwir,daß Feuer wärme oder Wasser erfrische, so nur deshalb, weil es uns zu viel Mühe kostete, anders zu denken. Erst recht Philosophen dürfen wir nur nach skeptischen Grundsätzen sein" (270/348) 24 • „Ich habe das unstillbare Verlangen, die Prinzipien des moralisch Guten und Bösen etc. zu ergründen. Ich sorge mich um die gelehrte Welt, die beklagenswerterweise von allen

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" " " ''

rable Ignorance in all thefe Particulars. I feel an Ambition arife in me of conrributing to the lnftrutlion of Mankind, and of acquiring a Name by my lwventionJ and Difco'Veries.- Should I endeavour to bani1h thefe Sentiments, 1 feel I fhould be a Lofer in point of Pleafure; and this is the Origin of my Philofo-

" phy." Agreeable to this fummary View, he tells us, p. 1 23. " Let us fix our Attention " ottt oJ ourfdves as much as poffible." We really never advance a Step /;eyond '' ourfakes; nor can conceive any Kind of '' Exiftence, but thefe Perceptions whicl1 '' have appeared in that nanow CompaiS: " This is the U niverfe of the Imagination, " nor have we any Idea but what is rhere " produced."- Accordingly, '' An Opi· " nion or Belief may be moft accurately

'' defined, A Jively ldea related or affociat- 172. " ed wit h a prefent lmpreIJion ; and is more 3 21. " properly an Alt of the fonfitive than of " " " ''

tbe cogitive Part of our Natures.'' And, Belief in general confifis in nothing but 363. the Vivacity of an Idea. Aga in, the ldea 1 :u. of E:ciflence is the very fame with the Idea '' of what we conceive to be exifient. '' Any ldea we pleafe to form is the Jdea of " a Being; and the Idea of a Being is any

'' Idea wc pleafe to form.

And as to the

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diesen Dingen gar nichts weiß. Da regt sich in mir der Ehrgeiz, zur Aufklärung der Menschheit beizutragen und mz"r durch meine Erkenntnisse und Entdeckungen einen Namen zu machen ... Würde ich versuchen, diese Gedanken zurückzudrängen, so fürchte ich, an Lust und Vergnügen einzubüßen; und das ist der Ursprung meiner Philosophie" (27071/349)25. In Übereinstimmung mit dieser Zusammenfassung erklärt uns der Autor auf Seite 67-68/92: „Wie sehr wir auch unsere Aufmerksamkeit auf etwas außer uns richten . . . wir kommen doch niemals einen Schritt über uns selbst hinaus. Niemals können wir uns anderes als existierend denken als die Perzeptionen, die im engen Kreis unseres Bewußtseins aufgetreten sind. Das ist das Universum der Einbildungskraft; und von anderem als dem, was es hier gibt, haben wir keine Vorstellung." Entsprechend heißt es an anderer Stelle: „Meinung oder Glaube kann also so definiert werden: eine lebhafte Vorstellung, die mit einem gegenwärtigen Ez"ndruck verbunden z"st oder zu ihm z"n Beziehung steht" (96/129) 26 „und Glaube ist eher das Resultat des fühlenden als des denkenden Teils unserer Natur" (183/245-246). Und „der Glaube ist, allgemein gesagt, nichts weiter als die Lebhaftigkeit einer Vorstellung" (208/276). Ferner: „Die Vorstellung der Existenz ist nicht verschieden von der Vorstellung dessen, was wir als existierend denken ... Jede Vorstellung, die wir uns machen, ist die Vorstellung von einem Seienden, und die Vorstellung von einem Seienden haben wir einfach dann, wenn wir uns irgend eine Vorstellung machen" (66-67/90-91) 27 • „Und den Begriff der

" Notion of an externaI Exiffence; wheo " taken for fomething fpeci.fically different " from our Perceptions, we have Jhown its 33o. '' Abfurdity: And what we call a Mind " is nothing but a Heap or CollelHon of " different Perceptions unitcd together by '' certain Relations, and fuppofed, tho' falf36r. " ly, tobe endowed with a perfed: Simpli· 370. " city.'> And, " The only Exifieoce, of '' which we are cettain, are Perceptions. 438. '' When I enter moft intimately into what '' I call myfalf, 1 always fiumble on fome " particular Perception or other. - 1 never '' can catch myfelf at any Time without a " Perception, and never can obferve any 43.9· " 1hi~ but the Perception.-If any one " think he has a different Notion of him" felf, 1 mufi confefs 1 can reafoo no lang'' er wich him.- I may venture to affirnt " of the reH: of Mankind, tbat they are '' nothing but a Bundle of Perceptions, " which fucceed each other with an incon'' ceivable Rapidity, and are in a perpetual '' FJux and Movement."-And left the

Reader fhould forget to apply all this to the Supreme Mind, and the Exifience of the Firfi Caufe, he has a long Difquifition conceming Ca11.fes aod Ejfefls, the Sum of 311. which amounts to this, That all our Rea„ 138. foning conccrning Caufes and Effecb are derived from #Qtbing but Cuftom: That,

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äußeren Existenz, sofern damit etwas von unseren Perzeptionen gänzlich Verschiedenes gemeint sein soll, haben wir als absurd erwiesen" (188/252) 28 • Und „was wir Geist nennen und fälschlich für vollkommen einfach halten, ist nichts als ein Haufen oder eine Ansammlung verschiedener Perzeptionen, die untereinander durch verschiedenartige Relationen zusammengebunden sind" (207 /275 ). Und „das einzige, wovon wir sicher wissen, daß es existiert, sind Perzeptionen" (212/280) 29 • „Suche ich so tief wie möglich in das einzudringen, was ich mein Selbst nenne, so treffe ich bloß auf diese oder jene einzelne Perzeption ... Niemals bekomme ich mich zu fassen, ohne daß da zugleich noch Perzeptionen wären; auf nz'chts als Perzeptionen kann ich aufmerksam werden" (252/326). „Ich gestehe, daß ich mich anderen, die eine andere Vorstellung von sich haben, nicht verständlich machen kann ... Ich wage aber die Behauptung, daß alle Menschen nichts anderes als Bündel von Perzeptionen sind, und daß die Perzeptionen einander unvorstellbar schnell folgen und so einen ständig bewegten Fluß bilden" (252/327) 30 • Um den Leser schließlich alles dies auch vom Höchsten Wesen und der Existenz der Ersten Ursache glauben zu machen, stellt der Autor eine lange Untersuchung über Ursache und Wirkung an, die auf die These hinausläuft, daß alle unsere kausalen Schlüsse auf nichts als Gewohnheit beruhen sollen (183/245 ). „Die Definition, daß eine

'' if any prrtcnd to dcfine a Cau(e by faying '' it is fomething produd:ive of another, '' 'tis evident he would fa y not hing ; for '' what does he mean by Produd:ion? That ~ 98. " we may definc a Caufe to be an Objell

" " " " " " ''

precedent and contiguous to another, and where att the O/;jeCfs refembting the farmer are placed in tike Relations of 'Precedency and Contiguit'Y to thefa Ohjefls that refemhte the Jatter; or, a Caufe is an Objell precedent and contiguous to another, andfo united with it, that the ldea " of_ the one determines the Mind to form " the Idea of the other, and the Imprej/ion

'' ef the one to form a more tif[}ely Idea of the

" other." From thcfe clear and plain Definitions he infers, " That all Caufes are of the " fame Kind; and there is no Foundation for '' the Diftinction · betwixt efficient Caufes, '' and Caures ßne qua non; or betwixt e.fficient " Caufes, and formal and material, and ex„ " emplary, and final Caufes: And tbat300. '' there is but one Kind of Neceffity, and " the common Difünction betwixt Moral 301. '' and Phyfical is without any Foundation " in Nature: And that thc Diftintlion we " often make betwixt Power, and the Exer„ " cife of it, is equally wit~out Foundation: " And that the Neceffity of a Caufe to " every Beginning of Exiftence, is not " founded on any Arguments dea1onftrative

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Ursache etwas hervorbringe, sagt offenbar nichts, denn was bedeutet ,Hervorbringung'?" (77 /104) 31 • „Ursache können wir definieren als ein Objekt, das ez'nem anderen benachbart ist und ihm zeitlich vorhergeht, und als den Fall, daß alle ähnlichen Gegenstände sich in den gleichen Relationen von Abfolge und Kontiguität zueinander befinden. Oder: Ursache z"st ein Objekt, das einem anderen vorhergeht, ihm benachbart und so mit ihm verbunden ist, daß die Vorstellung des einen die Vorstellung des anderen nach sz"ch zz"eht, oder daß dz"e Gegenwart des ersten uns sofort eine lebhafte Vorstellung der zwez"ten bz"lden läßt" (170/229-30). Aus diesen glasklaren und ohne weiteres einleuchtenden Definitionen wird gefolgert: „daß alle Ursachen von einerlei Art sind und daß es keine Grundlage gibt für die Unterscheidung zwischen wirkenden Ursachen und causae sine qua non oder zwischen wz"rkenden Ursachen und formalen, materialen, exemplarischen oder Zweckursachen" (171/231). Weiter, „daß es ebenso nur eine Art von Notwendigkeit gibt und die geläufige Unterscheidung zwischen moralischer und physikalischer Notwendigkeit der Grundlage entbehrt;" und daß „die Unterscheidung zwischen einer Kraft und ihrer Ausübung ebenfalls wegfällt;" und „daß es weder demonstrativ noch intuitiv möglich ist zu beweisen, daß alles Daseiende notwendig eine Ursache habe" (171-72/231-32) 32 • Und endlich wird behauptet,

'' or intuitive-: And in fine, That ar1J

" Thin$. may produce any Thing; Creation, " Anmhilarion, Motion, Reafon, Volition;

·" all thefe may arife from one another, or '' from any other Objefr we can imagine." This curious Noflrum he often repeats, 284. p. 430, 434· Again he tells us, '' That '' when we talk of any Being, whether of " a Superior or Inferior Nature, as en" dowed with a Power or Force proportio· '' ned to any EffeCl:,- W e have really no '' diftinll: Meaning, and mal(e Ufe only of " common W 01ds, without any clear and 2 .94· " determinate Ideas. And if we have " really no Idea of Power or Efficacy in " any ObjeCl:, or of any real ConnecHon " betwixt Caufes and Effells, 'twill be to '' lirtle Purpofe to prove that an Efficacy '' is neceffary in all Operations. W e do '' not underftand our own Meaning in talk" ing fo, but ignorantly confound ldeas " which are intirely difiinCl: from each 291. " other." Again he fays, '' The Efficacy " or Energy of Caufes is neither placcd in '' the Caufes themfelves, nor in the Deity, " nor in the Concurrence of thefe two '' Principles, but belongs entirely to the '' Soul (or the Bundte of Perceptions) " which confiders the Union of two or '' more Objells in all paft Inftances : 'Tis '' here that the real Power of Caufes is

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„daß Beliebiges beliebiges Anderes hervorbringen kann; Schöpfung, Vernichtung, Bewegung, Vernunft, Wille, alles kann auseinander oder aus beliebig Anderem hervorgehen" (173/233) 33 • Dieser kuriose Zauberspruch wird noch mehrfach wiederholt, S. 247, 249-50/321, 324. Weiter erklärt uns der Autor, „sprechen wir von Wesen höherer oder niederer Art, begabt mit Kräften und Mächten, um Bestimmtes zu bewirken, so hat solche Rede in Wahrheit gar keinen bestimmten Sinn. Wir gebrauchen nur geläufige Wörter, ohne sie mit klaren und bestimmten Vorstellungen zu verbinden" (162/ 220) 34 • Und „wenn wir in Wirklichkeit gar keine Vorstellung von einer Kraft und einer Wirksamkeit haben, die in den Gegenständen liegen, so wenig wie wir die Vorstellung von einer realen Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung haben, dann hat es keinen Sinn, beweisen zu wollen, daß es für alle Vorgänge notwendigerweise wirkende Ursachen gebe. Wir verstehen den Sinn unserer eigenen Rede nicht und bringen durch Unwissendheit Vorstellungen durcheinander, die nichts miteinander zu tun haben" (168/227). Wieder an anderer Stelle wird behauptet: „Die Wirksamkeit oder die Energie der Ursachen liegt nicht in diesen selbst, auch nicht in der Gottheit, auch nicht in einem Zusammenwirken beider, sondern ist einzig in unserer Seele" (also dem Bündel von Perzeptfonen) „zu suchen, die das Zusammensein verschiedener Gegenstände in einer Gesamtheit vergangener Fälle betrachtet: Hier haben die wirkliche Kraft der Ursachen, die

" plaeed, along with their ConnecHon and " Neceffity. And in fine, we may obferve '' a Conjum:\:ion or a Relation of Caufe and •c Ejfetl between different Perceptions, but '' can never obferve it between Perceptions " and ObjeCls." 'Tis impoffible tberefore, that, from the Exiftence or any of the Q!.ialities of the former, we can ever form any Conclufion concerning tbe Exiftence of the Iatter, or ever fatisfy our Reafon in this Particular with regard to the Exiftence of a Supreme Being. 'Tis well known that this Princi ple, Whatever hegins to exifi mufl ha-oe a Caufe of Exiflence, is the firft Step in the Argument for the Being of a Supreme Caufe; and that, without it, '1 is impoffible to go one Step further in that Argument. Now this Maxim he is at great Pains from p. 141. to explode, and to fbow, '' That it is neither intuitively nor demon" firatively certain;" and he fays, "Reafon " can never fatisfy us that the Exiftence of '' any Objed: does ever imply that of '' another. So that, when we pafs from 173. '' the lmpreffion of one to the ldea and '' Belief of another, we are not determined '' by Reafon, but by Cuftom." In a mar- l 72. ginal Note on the preceeding Page he fays, ''In that Propofirion, God is, or indeed '' any other which regards Exiftence, the

" Idea of Exiftcoce is no diftinll: Icfea

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Verknüpfung von Ursache und Wirkung und die Notwendigkeit ihren Ort" (166/225). Allenfalls können wir eine Verbindung oder ein Verhältnis von Ursache und Wirkung zwischen verschiedenen Perzeptionen beobachten, niemals jedoch zwischen Perzeptionen und Objekten 35 • Es ist also unmöglich, von der Existenz von Perzeptionen oder aus irgendeiner ihrer Eigenschaften auf die Existenz von Gegenständen zu schließen, und unter diesen Umständen gibt es niemals einen überzeugenden Gottesbeweis. Das Prinzip: Alles, was zu existieren beginnt, muß eine Ursache seiner Existenz haben, ist bekanntlich der erste Schritt im Beweis für die Existenz einer Ersten Ursache; und ohne diesen ersten gibt es auch keine weiteren Beweisschritte. Auf Seite 78-79/106 gibt sich der Autor alle Mühe, eben dies Prinzip zu zerstören und zu zeigen, „daß es weder demonstrativ noch intuitiv gewiß ist" 36 • „Vernunft", sagt er, „kann uns niemals dessen versichern, daß die Existenz eines Gegenstandes die eines anderen einschließe. Bilden wir in Gegenwart des einen die Vorstellung des anderen und glauben wir, daß er existiert, so bestimmt uns dazu nicht Vernunft, sondern Gewohnheit" (97 /131) 37 • In einer Fußnote zur vorhergehenden Seite heißt es: „In der Behauptung: Gott ist, aber auch in jeder anderen Existenzbehauptung ist die Vorstellung der Existenz keine besondere eigene Vorstellung, die wir mit der Vor-

'' which we unite with that of the Ob" jefr, and which is capablc of forming a " compound Idea by the Union." Con~So. Cßrning this Principle, That the Deit,y is

the }rime Mover

of the

Univer[e, who ftrfl created Matter, and gMJe its originat Im·

pulfa, m1d likewife Jupports its Exijlence, and fuccej/ively hejlows on it its Motions; he fays, "This Opinion is certainly very '' curious, but it will appear fuperfluous to '' examine it in this Place.- For, if the " very Idea be derived from an Impreffion, '' the ldea of a Deity proceeds from tbe " fame Odgin; and, if no Impreffion im" plies any Force or Efficacy, 'tis equally " impoffible to difcover, or even imagine, " any fuch acl'ive Principle in the Deity. '' - Since Philofophers therefore have con'' cluded, that Matter cannot be endowed " with any efficacious Principle, becaufe it " is impoffible to difcover in it fuch a " Principle; the fame Courfe of Reafon" ing fhould determine them to exclude it '' from the Supreme Being : Or if they " efieem that Opinion abfurd and impi" ous, as it really is, 1 fuall tell them how '' they may avoid it, and that is, by con" tluding from the qJCry firjl, that 'they " have no adequate ldea of Power or Effi" cacy in any Objelt ; :fince neither in

'' Body nor Spirit, neither in Superior nor

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stellung vom Gegenstand vereinigen, denn sie kann überhaupt nicht mit anderen zu einer komplexen Vorstellung vereinigt zu werden" (96/130). Den Grundsatz, daß G:ott der erste Beweger des Universums ist, daß er die Materie schuf und ihr den ersten Impuls gab, daß er ferner ihre Existenz erhält und ihr Bewegung verleiht, kommentiert er so: „Diese Meinung ist zwar sehr interessant, aber eine Prüfung erübrigt sich hier ... Denn wenn jede Vorstellung aus einem Eindruck hervorgeht, so entstammt die Vorstellung von einer Gottheit aus derselben Quelle; und wenn kein Eindruck den Gedanken von Kraft oder kausaler Wirksamkeit in sich schließt, dann ist es auch unmöglich, in Gott ein solches aktives Prinzip zu endecken oder sich auch bloß vorzustellen. Einige Philosophen vertreten die Auffassung, daß die Materie kein wirkendes Prinzip enthalten könne, weil es sich in ihr nicht entdecken lasse. Genau die gleiche Überlegung müßte sie aber dazu führen, eine entsprechende Annahme für das höchste Wesen auszuschließen. Erscheint ihnen diese These absurd oder gottlos (was sie ja in der Tat ist), so will ich ihnen sagen, wie sich diese Gottlosigkeit vermeiden läßt, nämlich indem sie zuerst einmal erkennen, daß sie nicht die richtige Vorstellung von Kräften und in den Gegenständen wirkenden Prinzipien haben. Denn weder im Geiste noch im Körper irgend eines Wesens, sei es höherer, sei es niederer Natur, läßt

" Inferior Natures, are they able to dif" cover one 6ngle Infiance of it." And fays he, " We have no Jdea of a Being 432. " endowed with any Power, much lefs of '' one endowed with in&nite Power.'' Concerning the Immateriatity of the &ut (from which the Argument is taken for its natural Immortality, or that it cannot perifh by Diffolution as the Body) he fays, " W e certainly may conclude that 43 r. " Motion may be and actually js the Caufeof " Thougbt and Perception: And no won- 434• '' der, for any Thing may be the Caufe or " Effed of any Thing; which evidently " gives the Advantage to the Materialifis " above their Adverfaries." But yet more 418. plainly, '' 1 affert, fays he, that the Do" thine of the Immateriality, Simplicity, '' and lndivifibility-of a thinking Subfl:ancc, " is a trtte Atheifm, and will ferve to juß:i" fy alt thefe Sentiments for which Spinoza " is fo univertälly infamous." This hideous 41 ~ H ypothefis is almofi the fame with that of the Immateriality of the Soul, which has become fo popular. And again he endea- 413. vours to prove, that all the Abfurdities which have been found in the Syftems of 8pinoza, may likewife be difcovered in that of the Theologians : And concludes, that 42-S• '' We cannot advance one Step towards the

" efiablHhing thc Simplic;ity and lmmateri-

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sich auch nur ein einziger Beispielfall entdecken" (160/216-17) 38 • Sein Fazit: „Wir haben keine Vorstellung von Wesen mit Kräften, geschweige von Wesen mit unendlicher Macht" (248/322-23). über die lmmaterialität der Seele (von der man auf die zu ihrem Wesen gehörende Unsterblichkeit schließen kann, weil sie nicht wie die Körper durch Auflösung in Teile untergehen kann) schreibt er: „Wir halten es für gewiß, daß Bewegung die Ursache unseres Denkens und unserer Perzeptionen nicht nur sein kann, sondern in der Tat ist" (248/322). „Dies darf nicht wundern, da Beliebiges Ursache oder Wirkung von Beliebigem sein kann. Und das bedeutet den Sieg der Materialisten über ihre Widersacher" (249-5 0/324 )39 • Noch deutlicher ist folgende Stelle: „Ich behaupte, daß die Lehre von der Immaterialität, Einfachheit und Unteilbarkeit einer denkenden Substanz ein wahrer Atheismus ist und dazu dienen kann, alles zu rechtfertigen, was Spinoza gründlich und überall in Verruf gebracht hat" (240/313). Spinozas „abscheuliche Hypothese kommt fast auf dasselbe hinaus wie die allgemein angenommene Lehre von der Immaterialität der Seele" (241/314). Und tatsächlich schickt sich der Autor an darzutun, daß alle Absurditäten in Spinozas System ebensowohl in den Lehren der Theologen entdeckt werden können (243/317). Er endet: „Wir können der These von der Einfachheit und Immaterialität der Seele

" aJity of the Soul, without preparing the '' Way for a dangerous and irrecoverable

p. 5.

J ~·

B.8. 101.

43 •

" Atheifm." The Author's Sentiments in Morality we have in Vol. 3. printed for T. Longma11, 1740. He there tells us, that " Reafon " has no Influence on our Paffions and '' All:ions: ACtions may be laudable or " blameable, but they cannot be reafana/;/e " or unrea{onable. That all Beings in the '' UniverfC, confidered in themfelves, ap" pear entirely loofe and independent of " each other; 'Tis only by Experience we '' learn their lnfluence and ConneCl:ion, " and this Inßuence we ought ne'lJer to " extend beyond Experience." He takes great Pains to prove, from p. 37. That Juftice is not a natural, but an artificial Virtue; and gives one pretty odd Reafon for it: '' We may co~clude, that " the Laws of Juftice, being univerfäl and '' perfeCl:ly inflexible, can never be derived " from Nature. 1 fuppofe (fays be) a '' Perfon to have lent me a Sum of Money, " on Condition that it be reilored in a few " Days; and alfo fuppofe, that, after Ex· '' piration of the Term agreed on, he de„ " mands the Sum : 1 ask, What Reafon or " Moti"Je ha'lJ~ 1 to re/lore the Money/ Pub-'' licklntcreft 1s not naturally attatch dto the

'' Obfervation of thc Rules of Jufticc, but

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keinen Schritt weit entgegen gehen, ohne zugleich einem gefährlichen und unüberwindlichen Atheismus den Weg zu ebnen" (244/318)4°. Im dritten Band (gedruckt für T. Longman, 1740) findet sich die Moraltheorie des Verfassers. Er erklärt uns, daß „Vernunft keinen Einfluß auf unsere Leidenschaften und Handlungen hat . . . Unsere Handlungen sind löblich oder verwerflich, aber sie können nicht vernünftig oder unvernünftig sein" (458/11 198-99) 41 • „Alle Dinge des Universums erscheinen, für sich betrachtet, selbständig und voneinander unabhängig. Nur Erfahrung lehrt uns ihren gegenseitigen Einfluß und Zusammenhang. Und nz'emals dürfen wir von Einflüssen reden, die jenseits der Erfahrung liegen" (466/11 207-08). Auf Seite 4 7 7/II 219 gibt er sich alle Mühe zu beweisen, daß Gerechtigkeit keine natürliche, sondern eine künstliche Tugend sei, und gibt dafür folgende schön abwegige Begründung: „Wir dürfen schließen, daß die Gesetze der Gerechtigkeit, da sie streng allgemein und unabänderlich gelten, nicht von der Natur abgeleitet werden können" (531-32/11 281) 42 • „Angenommen, jemand hat mir Geld mit der Bedingung geliehen, daß ich es ihm in wenigen Tagen zurückzahle, und weiter angenommen, daß er nach Ablauf der vereinbarten Frist sein Geld zurückverlangt, so frage ich: Welchen Grund oder welches Motiv habe ich, das Geld zurückzuzahlen?" (479/11 222) 43 • „Zwischen öffentlichem Interesse und einer Beachtung der Gerechtigkeitsregeln besteht kein natürlicher Zusammenhang; erst nach einer künstlichen

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is only conneded with it, afrer an artifi- 48. cial Convenrion, for the Efiablifhment of thefe Rufes. U nlefs we will allow that Nature has eftablifhed a Sophiflry, and rendered it neceffary and unavoidable; we muft aliow that the Senfe of Juftice and lnjufiice is not derived from Nature, but arifes artificially, tho' necelfarily, from Education and human Conventions. 69· Here is a Propofition which 1 think may be regarded as certain, That it is onf:Y

" '' " "

from the Selfifonefs and confined Generoßty of Men, atong with the (can~y Provifion Nature has made for his Wants, that Ju~ice derives its Origin. Thefe

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lmpreffions, which give Rife to this Senfe of Jufiice, are not natural to the Mind of Man, but arife from Artifice and human Conventions. Without fuch a Convention, no one would ever have dreamed that there was fuch a Virtue as Jufüce, or have been induced to conform his Altions to it. Taking any fingle Acr, my Jufiice may be pernicious in every Refpect: And 'tis only upon the Suppofition that others are to imitate my Example, that 1 can be induced to embracc that Virtue; fince nothing but the Combination can rendcr Jufiice advantageous, or afford rne any " Motive to conform myfelf to its Rules.

734~

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Übereinkunft zur Setzung jener Regeln besteht ein öffentliches Interesse daran, daß sie beachtet werden." (480/II 223). „Wenn wir nicht annehmen wollen, die Natur mache Sophismata und mache sie notwendig und unvermeidlich, dann folgt, daß unser Sinn für Recht und Unrecht kein natürliches, sondern ein künstliches, aber durch Erziehung und Konvention notwendiges Vermögen ist" (483/ II 226) 44 • „Folgendes halte ich für ausgemacht: Di"e Ez"nrichtung des Rechts gibt es, wez"l die Menschen selbstsüchtig und wenig großmütig si"nd und weil die natürlz"chen Mittel für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse knapp sind ... Und die Erfahrungen, die ein Rechtsbewußtsein erzeugen, machen die Menschen nicht aufgrund ihrer Natur, sondern unter den künstlichen Bedingungen bestimmter von Menschen erst erzeugter Konventionen" (495-96/II 239-40). „Ohne solche Übereinkunft würde niemand auf die Idee kommen, es könnte die Tugend der Gerechtigkeit geben, oder sich genötigt fühlen, entsprechend zu handeln. Wollte nur ich gerecht sein, könnte mir mein Handlen schädlich und verderblich sein. Nur solange ich annehme, daß andere in gleicher Weise handeln werden, sehe ich ein, daß ich Gerechtigkeit üben soll. Denn Gerechtigkeit ist nur nützlich als ein wechselseitiges Verhalten, und nur dann habe ich ein Motiv, ihre Regeln zu befolgen" (498/II 242).

44. " And in general it may be affirmed, that '' there is no foch Paffion in human Minds, " as the Love of Mankind merely as fuch, '' independent of perfonal ~alities, of " Service or of Relation to ourfelf." Mr. Hobbs, who was at Pains to fhake loofe all other natural Obligations, yet found it neceffary to leave, or pretended to leave, the Obligation of Promifes or Patlions; but our Author ilrikes a bolder Stroke: 101. " That the Rule of Morality (fays he) " which enjoins the Performance of Pro" mifas, is not natural, will fufficiently ap'' pear from thefe two Propofitions, which " 1 proceed to prove, 'Viz. That a Promife

114.

" wou!d not he intelligible hefare human " Conventions bad eflablijhed it; and that, " even if it were intelligible, it would not '' 6e attended U1ith any moral Obligat1on." And he concludes, " That Promifes im" pofe no natural Obligation:• And, p. 115. '' 1 fhall forther obferve, That fince every '' new Promife irnpofos a new Obligation " of Morality upon the Perfon who pro'' mifes, and fince this new Obligation '' arifes from his Will, it is one of the '' moft myfierious and incomprehenfible " Operations that can poffibly be imagi" ned, and may even bc compared to 4 ' Tranfubftantiation or Hof:Y Orders, where '' a certain Form of Words, along with a

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„Kurz gesagt: Liebe zu den Menschen, bloß um ihrer selbst willen, unabhängig von persönlichen Umständen, ohne eigenen Nutzen oder jedenfalls ohne Beziehung auf uns selbst, findet sich nicht in der Menschenbrust" (481/II 223) 45 • Selbst Mr. Hobbes, der sich doch alle Mühe gab zu zeigen, daß es im Naturzustand keinerlei Pflichten gebe, hielt es für notwendig, die Pflicht, Versprechen und Verträge zu halten, bestehen zu lassen, jedenfalls gab er dies vor46 • Unser Autor dagegen versetzt der Moral einen noch heftigeren Schlag: „Daß die moralische Regel, man solle Versprechen halten, kein natürliches Gesetz ist, geht aus den folgenden beiden Sätzen hervor, die ich hernach beweisen werde: Versprechen sind nz"cht denkbar,. bevor es nicht eine entsprechende Konventz"on unter den Menschen gi"bt; und selbst wenn es ein Versprechen auch ohne eine solche Konvention gäbe, hätten wir kez"ne moralische Pflicht, es zu halten" (516/11 262). Sein Schluß: „Versprechen enthalten keine natürliche Verpflichtung" (523/II 271)4 7 • Und Seite 524/II 272 heißt es: ,Jedes Versprechen erlegt dem Versprechenden eine weitere moralische Verpflichtung auf und zugleich geht diese Verpflichtung aus seinem eigenen Willen hervor. Wir könne nur feststellen, daß, wie dies zugeht, ein höchst mysteriöser und kaum verständlicher Vorgang ist, ähnlich der Transsubstantiation oder der Wez"he, bei denen auch eine Wortformel und bestimmte Absichten die Natur

" " " " '' " "

certain Intention, changes entirely the Nature of an external Objeet, and even of a human Creature. In fine (fays he) as Force is fuppofed to invalidate all ContraCts, fuch a Principle is a Proof that Promifes have no natural Obligation, and are mere artificial Contrivances, " for the Conveniency and Advantage of '' Society."

Sum of the Charge. From the preceeding Specimen it will appear, that the Author maintains, 1. UniverfalScepticifm. See bis Afferti· ons, p. 458,- 470. where he doubts of every Thing (his own Exiftence excepted) and rnaintains the .Folly of pretending to believe anv Thing with Certainty. ~ Principles leading to downright Athe„ ifm, by denying the Dochine of Caufes and EffeCts, p. 321, 138, z98, 300, 301, 303, 430, 434, z84. where he maintains, that the Neceffity of a Caufe to every Beginning of Exiftence is not founded on any Arguments dernonftrative or intuitive. 3. Errors concerning the very Being and Exiftence of a God. For lnfiance, Marginal Note, p. 172. as to that Propofition, God is, he fays (or indeed as to any other Thing which regards Exiftence) "The ldea

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eines Gegenstandes und sogar das Wesen eines Menschen vollkommen verändern". Schließlich behauptet er, „der Grundsatz, daß Gewalt Verträge zunichte macht, beweist, daß Versprechen nicht natürlicherweise verpflichten, sondern daß es sich um künstliche Einrichtungen zur Erleichterung und zum Vorteil der menschlichen Gesellschaft handelt" (525/II 273) 48 •

Summe der Vorwürfe Die vorstehenden Proben belegen, welche Auffassungen der Autor vertritt. 1. Universellen Skeptizismus. Vergl. die Äußerungen auf den Seiten 263-74/341-52. Dort bezweifelt er alles außer seiner eigenen Erfahrung und bezeichnet es als Narrheit, irgend etwas mit Gewißheit für wahr zu halten. 2. Grundsätze, die unmittelbar zum Atheismus führen, nämlich durch Leugnung der Lehre von Ursachen und Wirkungen. Vergl. die Seiten 183/245, 77 /104, 170/229-30, 171/231, 172/232, 173/233, 247 /321, 249-50/324, 162/220. Es wird behauptet, das Prinzip, daß notwendigerweise alles, was zu existieren beginne, eine Ursache haben müsse, könne weder demonstrativ noch intuitiv bewiesen werden. 3. Irrtümer in Bezug auf das Wesen und die Existenz Gottes. Vergl. zum Beispiel die Fußnote zu Seite 96/130; dort sagt er über die Behauptung: Gott ist, aber genausogut in Bezug auf beliebige andere Existenzbehauptungen: „Die Vorstellung der

'' of ExiRence is no diftinel Idea which " we unite with that of the Objett, and " which is capable of forming a compound '' ldea by Union." 4. Errors concerningGod's being the firfl Caufe, and prime Mover of the Univerfe: For as to this Principle, That theJDeity firfl: created Matter, and gave it its original Impulfe, and likewife fupports its Exiftence, he fays, "This Opinion is certainly very " curious, but it will appear fuperfl.uous " to examine it in this Place, ~c." p. 2 80. 5. He is chargable with denying the Immateriality of the Soul, and the Confequences flowing fiom this Denial, p. 431, 4, 418, 419, 423. . 6. With fapping theFoundations ofMorality, hy denying the natural and effential Difference betwixt Right and W rong, Good and Evil, Juftice and lnjuftice; making the Difference only arti.ficial, and to arife from human Conventions and CompaCl:s, Vol. 2. p. 5, 19, B.8, 41, 43J 48, 69, 70, 7.3> 4, 44· You fee, Dear Sir, that I have concealed no Part of the Accufation, but have in„ :ferted the Specimen and Charge, as tranf:. mirted to rne, without the fmalleft Variation. 1 fhall now go regularly thro' what

is called the Si1m of th~ Charge, becaufe it

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Existenz ist keine besondere Vorstellung, die wir etwa mit der Vorstellung vom Gegenstand vereinigen, denn sie kann überhaupt nicht mit anderen zu einer komplexen Vorstellung vereinigt werden." 4. Irrtümer bezüglich Gottes Eigenschaft, die erste Ursache und der erste Beweger des Universums zu sein. Denn über den Grundsatz, daß Gott urpsrünglich die Materie schuf, ihr den ersten Bewegungsimpuls gab und ihre Existenz weiterhin erhält, sagt er: „Diese Meinung ist gewiß interessant, aber hier scheint es überflüssig, sie einer genaueren Erörterung zu unterziehen, etc." (160/216). 5. Vorzuwerfen ist ihm ferner, daß er die Immaterialität der Seele bestreitet, und was aus dieser Leugnung folgt. Vergl. die Seiten 248/322, 24950/324, 240/313, 241/314, 243/317. 6. Schließlich muß ihm vorgeworfen werden, die Grundlagen der Moral zu untergraben, weil er bestreitet, daß es einen natürlichen und essentiellen Unterschied gibt zwischen dem Richtigen und dem Verkehrten, zwischen Gut und Böse, zwischen Gerecht und Ungerecht. Statt dessen soll es sich seiner Meinung nach nur um künstliche, von Menschen durch Konventionen und Verträge geschaffene Unterschiede handeln. Vergl. die Seiten 458/II 1:98-99, 466/II 207-08, 531-32/II 281, 479/II 222, 480/II 223, 483/II 226, 495-96/II 239-40, 496/II 240, 498/II 242, 481/II 223. Sie sehen, mein lieber Herr, ich unterschlage kein Stück der Anklage. Ich habe hier vielmehr die Proben der Grundsätze und die Vorwürfe vollständig und ohne die geringste Änderung, so wie sie mir zugegangen sind, hergesetzt. Ich will jetzt die Summe der Vorwürfe Punkt für Punkt durchgehen, denn sie

is intended, I fuppofe, to contain the Sub„ fiance of the whole; and fhall take Noticc of .the Specimen as 1 go along. 1fi, As to the Sceptecifm with whicb the Author is chargecf, 1 muft obferve, that the Dochine of the Pyrrhonians or Sceptic:ks have been regarded in all Ages as Principles of mere Curiofity, or a Kind of Jeux a' efprit, without any lnfluence on a Man's fteady Principles or ConduCl: in Life. In ReaHty, a Philofopher who affecls to doubt of the Maxims of common Rea{o11, and even of bis Senfas, declares fofficiently that he is not in earneft, and that he in· tends not to advance an Opinion which he would recommend as Standards of Judgment and ACl:ion. All he means by thefe Scruples is to abate .the Pride of mere huma11 Reafoners, by fhowing them, that even with regard to Principles which feem the cleareft, and which they are neceffitated from the firongeft Inftincts of Nature to embrace, they are not able to attain a füll Confiftence and abfolute Certainty. Modefly then, and Humility, with regard to the Operations of our natural Faculties, is the Refult of Sceptic:ifm ; not an univerfal Doubt, which it is irnpoffible for any Man to fupport, and which the firft and moß: trivial Accident in Life muß: immediately difconce1t and deftroy.

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soll ja wohl das Wesentliche des Ganzen enthalten; und bei Gelegenheit werde ich auch auf die Proben eingehen. 1. Was den Skeptizismus angeht, der dem Autor zum Vorwurf gemacht wird, so muß ich darauf verweisen, daß man die Lehren der Pyrrhonischen Schule oder der Skeptiker stets nur für Gegenstände eines bloß theoretischen Interesses, für eine Art jeux d'exprit gehalten hat, ohne Einfluß auf eines Mannes feste Grundsätze und Lebensführung. In Wirklichkeit ist es doch so, daß ein Philosoph, der vorgibt, die Maximen des gemeinen Verstandes oder gar das Zeugnis seiner Sinne zu bezweifeln, eben dadurch genügend deutlich macht, daß er nicht im Ernst spricht und daß er nicht daran ist, eine neue Theorie zu verbreiten und neue Regeln für Urteil und Handlung zu propagieren. Alles was er mit seinen skeptischen Einwürfen im Sinn hat, ist, den Stolz der reinen Vernünftler zu mäßigen. Ihnen will er zeigen, daß sie sogar in Bezug auf solche Grundsätze, die denkbar klar sind und die für wahr zu halten uns von den stärksten Trieben unserer Natur aufgezwungen wird, nicht durch bloße Vernunftgründe zu unerschütterlicher und absoluter Gewißheit gelangen können. Bescheidenheit und Demut, was unsere natürlichen Fähigkeiten anlangt, sind das Ergebnis des Skeptizismus, nicht universeller Zweifel, den doch niemand aufrecht erhalten kann und den das geringste Ereignis im Leben sofort aufheben und zunichte machen muß.

How is fuch a Frame of Mind prejudicial to Picty PAnd mufi not a Man be 1idiculous to a:f.fert that our Author denies the Principles of Religion, when he looks upon them as equally certain with the Objeas of bis Senfes? lf 1 be as much affured of thefe Principles, as that thisTable at which I now write is before me; Can any Thing further be defired by the moft rigorous Antagon ift? 'Tis evident, that fo extravagant a Doubt as that which Scepticifm may feem to recommend, by deftroying every 'Ihing, really affects nothing, and was never intended to be underftood ferioußy, but was meant as a mere Philofophical Amufement, or Trial of Wit and Suhti.lty . This is a Conftrull:ion fuggefied by the very Nature of the Subjea; but he has not been contented with that, bnt exprefiy declared it. And all thofe Principles, cited in the Specimen as Proofs of bis Scepticifm, are poßrively renounced in a few Pages af.. terwards, and called the Effects of Phi/ofrr phicat Melancho/y and Delufion. Thefe are his very W ords; and his Accufer's over]ooking them may be thought very prudent, but is a Degree of U nfairnefs which appears to me altogether aftonifhing. WereAuthorities proper to he employed in any Philofophical Reafoning, I could

cite you that of ~ocr11tes ehe wiiCft and

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Wieso soll eine solche Geisteshaltung der Religiosität abträglich sein? Und ist es nicht wirklich lächerlich, unserem Autor zu unterstellen, er leugne die Grundlehren der Religion, da er sie für ebenso gewiß hält wie das Zeugnis unserer Sinne? Wenn ich dieser Grundlehren so gewiß bin wie des Umstandes, daß vor mir ein Tisch steht, auf dem ich schreibe: was kann denn der unerbittlichste Verteidiger der Religion mehr verlangen? Es ist vollkommen klar, daß der maßlose Zweifel, den uns der Skeptizismus scheinbar anempfiehlt, indem er alles zu zerstören vorgibt, gar nichts berührt. Er wollte niemals ernst genommen werden, sondern sollte stets nichts weiter als philosophisches Vergnügen oder eine Herausforderung an Verstand und Scharfsz'nn sein. Daß dies das Wesen des philosophischen Skeptizismus ist, ergibt sich schon aus der Sache selbst. Aber nicht genug damit erklärt es der Autor auch noch ausdrücklich. Alle Sätze, die die Proben als Belege für den Vorwurf des Skeptizismus anführen, werden wenige Seiten später ausdrücklich zurückgenommen und zu dem erklärt, was sie sind: Folgen philosophischer Schwermut und Selbsttäuschung. Eben dies sind die Ausdrücke, die dort gebraucht werden. Daß der Ankläger sie geflissentlich übersieht, mag er für besonders schlau halten, aber es ist bloß Unredlichkeit in einem allerdings erstaunlichen Ausmaß. Käme es in der Philosophie auf Autoritäten an, so könnte ich Sokrates, den weisesten und gläu-

moft religious of the Greek Philofophers, as weil as Cicero among the Romans, who both of them carried their Philofophical Doubts to the higheft Degree of Scepticifm. All the antient Fathers, as well as our firft Reformers, are copious in reprefenting the W cakaefs and U acertainty of mere human Reafon. And Monfieur fittet the learned Bifhop of .Avaranches (fo celebrated for bis Demo11firatirm Evangetique which contains all the great Proofs of the Chriftian Religion) wrote alfo a Book on this very Topick, wherein he endeavours to revive all the Dolhines of the antient Scepticks or

Pyrrhonians. In Realiry, whence come all the various Tribes of Hereticks, the Arians, Socinians and Deifls, but frorn too great a Confidence

in mere human Reafon, which they regard as the Standard of every Thing, and which they will not fubmit to the fuperior Light of Revelation? And can one do a more effential Service to Piety, than by fhowing them that this boafted Reafon of theirs, fo far from accounting for the great Myfteries of the Trinity and Incarnation, is not able fully to fatisfy itfelf with regard to its own Operations, and mufi in fome Meafure fall into a Kind of irnplicite Faith, even in the moft obvious and familiar Principles?

II. The Author is charged with Opini.-

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bigsten griechischen Philosophen oder den Römer Cz"cero zitieren, die beide ihre philosophischen Zweifel bis zum höchsten Punkt des Skeptizismus getrieben haben. Alle Kirchenväter ebenso wie die Reformatoren unserer Tage haben immer wieder auf die Schwäche und Unsicherheit einer bloßen Menschenvernunft hingewiesen. Und M. Huet, der hochgelehrte Bischof von Avranches (berühmt für seine 'Demonstration Evangelique', die alle Beweistümer der christlichen Religion enthält) hat außerdem ein Buch über den Skeptizismus geschrieben, in dem er die Lehren der antiken Skepsis und der Pyrrhonischen Schule wiederzubeleben sucht49 • Woher, beim Lichte betrachtet, kommen denn eigentlich all die Häretikerstämme, die Arianer, die Sozinianer und die Deisten, als von zu großem Vertrauen in nichts als Menschenvernunft, die sie zum Maß aller Dinge machen und die sie sich scheuen dem höheren Licht der Offenbarung auszusetzen? Und kann man wahrer Religiosität einen größeren Dienst erweisen als durch den Nachweis, daß prahlerische Vernunft, weit entfernt davon in die Mysterien der Trinität und der Fleischwerdung einzudringen, nicht einmal in Bezug auf ihre eigenen Operationen den selbst gesetzten Maßstäben genügen kann, sondern daß man selbst die offenbarsten und jedermann vertrauten Grundsätze in einem gewissen Maß und auf eine gewisse Art einfach glauben muß, da man sie nicht beweisen kann? 2. Dem Autor wird vorgeworfen, Auffassungen zu

ons leading to downright Atheifm, chiefly by denying this Principle, That whatever ~e_t,ins

to exi(l mufl harve a Cat~(e of Exijtence. To give you a Notion of the Extravagance of this Charge, 1 muft e,nter into a little Detail. lt is common for Philofophers to diftinguilh the Kinds of Evi„

dence into intuitive, demonjlrative, fenfi/;Je, and morat; by which they intend on{y to mark a Difference betwixt them, not to denote a Su.periority of one above another. Moral Certainty may reach as high a Degree of Affurance as Mathematicai; and ocr Senfes are furely tobe comprifed amongft the cleareft and moft canvincing of all Evidences. Now, it being the Author's Purpofe, in the Pages cited in the Specimen, to examine the Grounds of that Propolition; he ufecl the Freedom of difputing the comrnon Opinion, that it was founded on demon/lrative or intuitive Certainty; but afferts, that it is fupported by moratEvidence, and is followed by a Conviltion of the fame Kind with thefe Truths, That alt Men mufl die, and that the Sun witt rije To-morrow. Is this any Thing like denying the Truth of that Propofition, which indeed a Man

1111tfl have Jofi aJJ common Senfe to do116t of l

Bat, granting that he bad denied it, how

is this a Principle that leads to Atheifm ?

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vertreten, die geradewegs zum Atheismus führen; hauptsächlich sei es die Leugnung des Grundsatzes, daß, was immer zu existieren beginnt, eine Ursache seiner Existenz haben muß. Um Ihnen einen Begriff von der Abwegigkeit dieses Vorwurfes zu geben, muß ich ein wenig ausführlicher werden. Gewöhnlich wird in der Philosophie zwischen intuz.tiver, demonstratz.ver, wahrnehmungsmäßiger und moralz"scher Evidenz unterschieden. Dabei handelt es sich allez·n um die Unterscheidung verschiedener Arten von Evidenz, nicht jedoch um eine höhere oder niedrigere Bewertung. Moralische Gewißhei·t kann denselben hohen Evidenzgrad haben wie mathematische; und das Zeugnis unserer Sinne gehört sicher zu den überzeugendsten und stärksten Evidenzen. Nun geht es dem Autor in den Passagen, die in den Proben zusammengetragen sind, um eine Untersuchung der Gründe für das genannte Prinzip. Er hat sich die Freiheit genommen, die geläufige Auffassung in Frage zu stellen, daß das Prinzip demonstratz°v oder i·ntuz·tv gewiß sei, und behauptet statt dessen, daß es auf moralischer Evi·denz gründe und daß wir in derselben Weise von ihm überzeugt seien wie von solchen Wahrheiten, daß alle Menschen sterblfrh sind oder daß die Sonne morgen wz.eder aufgehen wfrd 50 • Heißt das im entferntesten, die Wahrheit des Grundsatzes zu leugnen, den zu bezweifeln jemand wirklich schon all seinen Verstand verloren haben muß? Aber selbst wenn der Autor ihn verneint hätte, wieso ergäbe sich daraus ein Atheismus? Es ließe

lt would be no difficult Matter to fhow, that the Arguments a pofleriori from the Order aod Courfe of Nature, thefe Arguments fo fenfible, fo convincing, and fo obvious, remain füll in their füll Force; and that nothing is affetled by it but the metaphyßcatArgument a priori, which many Men of Learning cannot comprehend, and which many Men both of Piety and Learning fhow no great Value for. Bithop Ttitotfon has ufed a Degree of Freedom on this Head, which 1 would not willingly allow myfelf; 'tis in bis excellent Sermon

concerning the Wi(dom of 6eing retigious, where he fays, That the Being of a God is not capab/e of Demonfiration, 6ut of moral E'Vidence. 1 hope none will pretend that that pious Prelate intended by thefe Affertions to weaken the Evidenccs for a Divine Exiftence, but only to diftinguifh accurately its Species of Evidence. I fay further, that even the metaphyfical Arguments for a Deity are not affetled by a Denial of the Propofition above-mentioned. It is only Dr. Ctark's Argument which can be foppofed to be any way concerned. Many other Arguments of the fame Kind füll remain; 'Des Cartes's for lnftance, which has always been efteemed as folid and convincing as the other. 1 fhall add,

that a great DiftinCl:ion ought always to be

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sich leicht zeigen, daß alle Argumente a posteriori für das Dasein Gottes, all die so sinnfälligen, überzeugenden und unbestreitbaren Argumente, die die Ordnung und den Lauf der Natur zum Beweisgrund nehmen, vollkommen in Kraft bleiben und daß nichts als die metaphysischen Argumente a priori betroffen sind, die freilich sowieso den Nachteil haben, daß viele Gelehrte sie unverständlich finden und daß gerade viele fromme Männer ihnen wenig Wert beimessen. Bischof Tillotson hat sich in diesem Punkt Freiheiten erlaubt, die ich mir nie gestatten würde. Ich meine seine Predigt Uber die Weisheit des Glaubens, in der er sagt, daß das Dasein Gottes keines demonstrativen Beweises fähig, wohl aber moralisch gewiß ist 51 • Ich hoffe doch, niemand wird so dreist sein zu behaupten, der fromme Kirchenmann beabsichtige, mit seinen Thesen die Gewißheit vom Dasein Gottes zu schwächen; er wollte nur genau die Art der Gewißheit bestimmen. Weiter sage ich aber, daß nicht einmal alle metaphysischen Argumente für das Dasein Gottes von der Leugnung des besagten Prinzips in Mitleidenschaft gezogen werden. Einzig Dr. Clarke's Argument mag betroffen sein 52 • Viele andere metaphysische Argumente bleiben dagegen in Kraft; Descartes' Argument zum Beispiel, das man immer für genauso stark und überzeugend gehalten hat wie das andere 53 • Ich möchte noch hinzufügen, daß man stets sehr genau unterscheiden muß zwischen den Meinungen und

made betwixt a Man's pofitive and avowed Opinions, and the Inferences which it may pleafe others to draw from them. Had the Author really denied the Truth of ehe foregoing Propofition, (which the moft fuper.ticial Reader cannot think ever entred bis Head) fl:ill he could not properly bc charged as defigning to invalidate any one Argument that any Philofopher has employed for a Divine Exiftence ; that only an fo„ ference and Conftruß:ion of others, which he may refufe if he thinks proper. Tbus you may judge of the Candor of the whole Charge, when you fee the affJgning of one Kind of E'Vidence for a Propofition, inftead of another, is called denying that Propofition; that the invalidaring only one Kind of Argument for the Divine Exiftence is called po/iti'Ve /Jtheifm; nay, that the weakning only of one indi'Viduat .Argument of that Kind is called rejeß'.ing that whole 8pecies of .Argument, and the Inferences of others are afcribed to the Author~as his real Opinion. ,Tis impoffible ever to fatisfy a captious Adverfary, but it would be eafy for me to convince the fevereft Judge. that all the folid Arguments für Natural Religion retain their füll Force upon the Author's Principles concerning Caufes and Effects, and that theie is no Neceßity even for al-

is

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Auffassungen, die jemand positiv äußert und bekennt, und Folgerungen, die daraus zu ziehen anderen gefallen mag. Selbst wenn unser Autor wirklich das vorgenannte Prinzip verworfen .hätte (was zu meinen sich auch der oberflächlichste Leser nicht einfallen lassen kann), so könnte ihm doch korrekterweise nicht vorgeworfen werden, er habe irgend ein Argument schwächen wollen, das je ein Philosoph dazu benutzt hat, um Gottes Existenz zu beweisen. Denn hierbei handelte es sich bloß um eine konstruierte Folgerung, die der Autor zu recht zurückweisen kann. Sie werden sich also Ihr eigenes Urteil über die Redlichkeit der ganzen Anklage bilden können, wenn Sie sehen, daß es als Leugnung eines Satzes ausgegeben wird, wenn ihm eine Art der Evidenz statt einer anderen zugesprochen wird, daß die Widerlegung einer Art von Gottesbeweisen gleich positz'v als Athez'smus ausgelegt wird, ja, daß die Widerlegung eines bestz'mmten einzelnen Arguments der Zurückweisung einer ganzen Art von Argumenten gleichkommen soll, und wenn Sie ferner sehen, wie Folgerungen, die andere ziehen, dem Autor als seine wirkliche Meinung untergeschoben werden. Es ist unmöglich, einem voreingenommenen Gegner befriedigende Antwort zu geben, aber ich würde leicht den strengsten Richter davon überzeugen können, daß auch nach des Autors Kausalitätslehre alle wirklich überzeugenden Argumente für die natürliche Religion vollkommen unberührt bleiben und daß es auch vollkommen unnötig ist, an der Art und Weise, wie wir unsere Argumente gewöhnlich aus-

tering the common Methods of expreffing or conceiving thefe Arguments. The Auth?r has indeed alferted, That we can judge only of the Operations of Caufes by Experience, and that, reafoning a priori, any thing might appear able to produce any thing. W e could not know that Stones would defcend, or Fire burn, bad we not Experience of thefe Effects; and indeed, without fuch Experience, we could not certainly infer the Exiftence of one Thing from that of another. This is no great Paradox, but feems to have been the Opinion of feveral Philofophers, and feems the moft ob· vious and familiar Sentiment on that Su bjett ; but, tho; all lnferences concerning Matter of Fatl: be thus refolved into Experience, thefe lnferences are noway weakned by fuch an Alfertion, but on the contrary will be found to acquire more Force, as long as Men are difpofed to truft to their Experi• ence rather than to mere human Reafoning. Wherever I fee Order, I infer from Experience that there, there hath been De1ign and Contrivancc. And the fame Principle which leads me into this lnference, when I contemplate a Building, regnlar and beautiful in its whole Frame and Struß:ure; the fame Principle obliges me to infer an infinitely perfetl: Architetl:, from the infinite Art and Contiivance which is difplay'd in the whole

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drücken, irgend etwas zu ändern. Der Autor behauptet in der Tat, daß wir kausale Wirkungszusammenhänge nur durch Erfahrung feststellen können und daß, a priod betrachtet, anscheinend Beliebiges die Ursache von beliebigem Anderem sein kann. Wir könnten nicht wissen, daß Steine fallen und wir uns am Feuer verbrennen, wenn wir nicht entsprechende Erfahrungen hätten, und ohne sie könnten wir gewiß nicht die Existenz eines Dinges aus dem Dasein eines anderen schließen. Darin liegt kein großes Paradox, sondern es scheint im Gegenteil die Auffassung mehrerer Philosophen, ja überhaupt die nächstliegende und jedermann vertraute Meinung zu sein. Daß alle Schlüsse, die sich auf tatsächliche Zusammenhänge beziehen, auf Erfahrung basieren, schwächt sie nicht, sondern gibt ihnen mehr Kraft, solange man seiner Erfahrung mehr als bloßem Vernünfteln vertraut. Wo ich Ordnung sehe, sagt mir Erfahrung, daß eben dort Absicht und Plan herrschen. Genau dieselbe Oberlegung, zu der mir ein in Bau und Gestalt schönes und regelmäßiges Gebäude Anlaß gibt, zwingt mich, aus dem Plan und dem unendlich kunstvollen Aufbau des ganzen Universums auf

Fabrick of the Univerfe. Is not this the Light in which this Argument hath been placed by all W riters concerning Natural Religion? III. The next Proof of Atheifm is fo unaccountable, that 1 know not what to make of it. Our Author indeed afferts, afrer the prefent pious and learned Bifhop of Cloyne, That we have no ahf/ratl or general Ideas, properly fo fpeaking ; and that thofe ldeas, wh1ch are called general, are nothing but particular ldeas affixed to general Terms. Thus, when 1 think of a Horfe in general, 1 muft always conceive that Harfe as black or white, fat or Jean, ~c. and can form no Nation of a Horfe that is not of fome particular Colour or Size. In Profecution of the fame Topick, the Author hath faid, That we have no general Idea of Exiftence, diftinCl: from every particular Exißence. But a Man muft have !trange Sagacity, that could difcover A theifm in fo harmlefs a Propofüion. This, in my Opinion, might be jufiified before the Univerfity of Salamanca, or a Spanijh lnqu1fition. 1 do indeed believe, that, when we affert the Exifience of a Deity, we do not form a general abftratl ldea of Exiftence, which we unite with the ldea of God, and which is capable of formiog a compound Idea by Union; bu.t this is

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emen unendlich vollkommenen Architekten zu schließen. Haben nicht alle Schriftsteller, die sich mit der natürlichen Religion beschäftigten, den Gottesbeweis genau so geführt 54 ? 3. Der nächste Beweis für einen angeblichen Atheismus ist so unverständlich, daß ich überhaupt nichts mit ihm anzufangen weiß. Unser Autor behauptet tatsächlich, er folgt darin dem frommen und hochgelehrten Bischof von Cloyne 55 , daß wir, genau genommen, keine abstrakten oder allgemeinen Vorstellungen haben und daß die Vorstellungen, die wir als allgemeine bezeichnen, nichts anderes sind als einzelne mit generellen Termini verknüpfte Vorstellungen. Denke ich mir ein Pferd im allgemeinen, so muß ich doch immer dies Pferd als schwarz oder weiß, schlank oder dick etc. denken und kann mir keinen Begriff von einem Pferd machen, das nicht eine bestimmte Farbe und eine gewisse Größe hätte. Im selben Zusammenhang behauptet der Autor, wir hätten keine allgemeine Vorstellung von Existenz als etwas vom einzelnen Existierenden Verschiedenes. Man muß schon über besonderen Scharfsinn verfügen, um Atheismus in dieser harmlosen Behauptung zu entdecken, die sich nach meinem Dafürhalten sogar vor der Universität von Salamanca oder der spanischen Inquisition verteidigen ließe. Meiner Ansicht nach verhält es sich wirklich so: behaupten wir das Dasein Gottes, so heißt das nicht, daß wir eine allgemeine und abstrakte Vorstellung von Existenz bilden, die sich mit anderen zu einer komplexen Vorstellung vereinigen ließe, und daß wir sie mit der Vorstellung von Gott verknüpfen. Aber dies ist

the Cafe with regard to every Propofirion concerning Exiftence. So that, by this Courfe of Reafoning, we muft deny the Exiftence of every Thing, even of our· felves, af which at leaft even the Accufer himfelf will ad mit our Author is periwaded. IV. Ere anfwering the fourth Charge, I muft ufe the Freedom to deliver a fbort Hiftory of a particular Opinion in Philofophy. When Men confidered the feveral Effech and Operations of Nature, they were led to examine into the Force or Power by which they were performed ; and they divided into feveral Opinions upon this Head, according as their other Prin„ ciples were more or lefs favourable to Religion. The Followers of Epicurus and 8trato afrerted, That this Force was origi„ nal and inherent in Matter, and, operating blindly, produced all the various Effech which we behold. The Platonfrk and Peripatetick Schools, perceiving the Abfardity of this Propofition, afcribed the Origin of all Force to one primary efficient Caufe, who firft beftowed it on Matter, and fucceffively guided it in all its Operations. .But all the antient Philofophers agreed, that there was a real Force in Matter, either original or derived ; and that it was really Fire which burnt, and Food that nourifhed, when we obferved any of thefe

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bei allen anderen Existenzbehauptungen ebensowenig der Fall. Wenn die These unseres Autors auf die Leugnung Gottes hinausliefe, dann würde dasselbe Argument auch zeigen, daß es gar nichts gebe, auch uns selbst nicht. Doch daß der Autor wenigstens in diesem Punkt vom Gegenteil überzeugt ist, wird wohl selbst der Ankläger einräumen. 4. Bevor ich auf den vierten Anklagepunkt eingehe, nehme ich mir die Freiheit, einen kurzen überblick über die Geschichte eines bestimmten philosophischen Gedankens zu geben. Als die Menschen die verschiedenen Wirkungen und Vorgänge in der Natur betrachteten, begannen sie nach den zugrundeliegenden Mächten und Kräften zu forschen. Sie kamen zu sehr verschiedenen Auffassungen, je nach dem wie sehr oder wie wenig ihre übrigen Grundsätze religiöse Vorstellungen begünstigten. Die Anhänger von Epikur und Straton behaupteten, diese Kraft liege ursprünglich in der Materie und bringe die verschiedenen Effekte hervor, die wir dann wahrnehmen können. Die platonische und die peripathetische Schule verwarfen diese Auffassung als absurd. Sie schrieben den Usprung aller Kräfte einer ersten wirkenden Ursache zu, die ihre Kraft der Materie verlieh und dann durch alle Vorgänge hindurch weiterleitete. Auf jeden Fall waren alle antiken Philosophen der Meinung, daß es in der Materie eine wirkliche Kraft gebe, ob nun ursprünglich oder abgeleiteterweise, und daß das Feuer uns verbrenne durch seine verbrennende Kraft und die Nahrung uns nähre durch eine nährende Kraft, wenn

Eff'etls to follow upon the Operations of thefe Bodies: The Schoolmen fuppofed alfo a real Power in Matter, to whofe Operations however the continual Concurrence of the Deity was requiftte, as well as to the Support cf that Exiftence which had been hefiowed on Matter, and which they con• fidered as a perpetual Creation. No one, till 'Des Cartes and .ftfalbranche, ever entertained an Opinion that Matter bad no Force either primary or fecondary, and independent or concurrent, and couJd not fo much as properly be called an ln/lrument in the Hands of the Deity, to ferve any of the Purpofes of Providcnce. Thefe Philofophers laft-mentioned fubfütuted the Notion of occaßonat Caufes, by which it was afferted that a Billiard ,Ball did not move another by its lmpulfe, but w~s only the Occafion why the Deity, in purfuance cf general Laws, beftowed Motion on the fecond Ball. But, tho' this Opinion be very innocent, it never gained great Cred1t, efpeciall y in England, where it was confidered as too much contrary to received popular Opinions, and too little füpported by Philofophical Arguments, ever to be adpiitted as any Thing but a mere lfypothefa. Cudworth, Lock and Clark make Iittle or no mention of it. Sir lfaac Newto11 (tbo' fome of bis Followers have taken a.

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wir aufgrund eines entsprechenden Verhaltens der Körper diese Wirkungen beobachten. Auch die Scholastiker sprachen von einer wirklichen Kraft in der Materie. Sie glaubten aber, diese Kraft könne nicht wirken ohne das fortgesetzte Eingreifen Gottes und ohne daß die Kraft, die der Materie verliehen worden war, andauernd unterhalten wird. So ergab sich die Idee einer ewig fortgesetzten Schöpfung. Niemand bis zu den Tagen Descartes' und Malebranches hat je geglaubt, die Materie besitze keine Kraft, ob nun pri'mär oder sekundär, ob unabhängig oder durch Gottes Eingreifen, und könnte nicht sein, was man ganz richtig ein Instrument in der Hand Gottes nennt, dessen er sich zu den Zwecken seiner Vorsehung bedient. Descartes und Malebranche aber führten den Begriff einer okksionellen Ursache ein 56 • Er besagt, daß eine Billardkugel eine andere nicht durch die Übertragung eines Impulses in Bewegung setzt, sondern daß die erste nur die Gelegenheit ist, die Gott ergreift, um nach allgemeinen Gesetzen der zweiten Kugel Bewegung zu verleihen. Diese an sich ganz unschuldige These hat nie großen Anklang gefunden, besonders in England nicht. Sie stand einfach der landläufigen Auffassung zu sehr entgegen und hatte zu wenig philosophische Argumente für sich, um je für mehr als eine bloße Hypothese genommen zu werden. Cudworth 57, Locke und Ctarke erwähnen sie kaum oder gar nicht. Und Sir Isaac Newton weist sie offensichtlich durch die Hypothese

different Turn of thinking) plainly rejeC\:s. it, by fubftiruting the Hypothefis. of an .Altheral Fluid, not the immediate Volition of the Deity, as the Caufe of Attratlion. And, in fhort, this has been a Difpute left entirely to the Argnments of Philofophers, and in which Religion has never been fuppofed tobe in thc kaft concerned. Now it is evidently concerniog this Car-

te.ß-:zn Doflrine, of facondary Caufts, the Author is trearing, when be fays, (in the Paffage refem:d to in the Charge) That it was a qtrious Opinhm, hut which it woula appear [uperjluous to examine in that Place. The Topick there handled is fome· what abfiraC\. : But 1 believe any Reader will eafily perceive the Truth of this Affertion, and that the Author is far from pretending to deny (as afferred in the Charge)

GoJ's being the firjl Caufe and prime Mo'Oer of the Univerfe. That the Author's Words could have no fuch Meaning as they ftand connected, is to rne fo evident, that I could pledge on this Head, not only rny fmaJl Credit as a Philofopher, but cven all my Pretenfions to Truft or Belief in the comrnon Affairs of Life. V. As to the fifth Article; The Author has not anywhere that I xemember denied

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zurück, daß ein Äther (und nicht etwa der unmittelbare Wille Gottes) die Ursache der Anziehungskraft sei 58 • (Allerdings sind nicht alle Newtonianer in diesem Punkt derselben Meinung.) Kurz, die ganze Sache ist ein reiner Philosophenstreit und hat mit der Religion nicht das geringste zu tun. Es ist nun vollkommen klar, daß sich der Autor auf die cartesfonische Lehre von den sekundären Ursachen bezieht, wenn er sagt (und worauf sich die Anklage stützt), daß diese Ansicht zwar i'nteressant ist, es sich aber erübrigt, sie hier einer genauen Prüfung zu unterziehen. Auch wenn der Gegenstand, um den es geht, einigermaßen abstrakt ist, so wird, glaube ich, jeder Leser sich doch leicht von der Wahrheit und davon überzeugen können, wie weit der Autor davon entfernt ist zu leugnen (wie ihm vorgeworfen wird), daß Gott di'e erste Ursache und der erste Beweger des Uni'versums ist. Daß des Autors Worte nicht mißverstanden werden können, scheint mir so offenkundig, daß ich darauf nicht nur meinen (freilich unbedeutenden) Kredit als Philosoph, sondern auch all meinen Anspruch auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit im alltäglichen Leben verwetten könnte. 5. Was den fünften Artikel angeht, so hat nach meiner Erinnerung der Autor an keiner Stelle die

the Immateriality of the Soul in the common Senfe of the Word. He only fays, Thät that ~efl:ion did not admit of any diftinB: Meaning ; becaufe we bad no di„ ftina Idea of Sll bftance. This Opinion may be found everyw here in Mr. Lock, as wc:ll as in Bifhop Berktey. VI. 1 come now to the laß: Charge, which, accordiog to the prevalent Opinion of Philofophers in this Age, will ccrtainJy be re„ garded as the fevereft, 'Viz. the Author's defiroying all the Foundations of Morality. He hath indeed denied the eternal Diffe„ rcnce of Right and W rong in the Senfe fo which Clark. and Wootajlon maintained them, 'Viz. That the Propofitiqns of MoJ'ality were of the fame Nature with the Truths of Mathematicks and the abftrall: Sciences, the ObjeCls mere/y of Reafon, not the Feelings of our internal Tajles and Senthnents. In this Opinion he concurs with all the antient Moralifts, as well as with Mr. Butchifan Profeffor of Moral Pbilofophy fo the Univerfiry of Gtafgow, who, with others, has revived the antient Philofophy fa this Particular. How poor the Artifice, to cite a /Jroken Pajfoge of a Philofophical Difcourfe, in order to throw an Odium on the Author ! When the Author aff'erts tbat Jufl:ice is an artijiciaJ not a natural Virtue, he feems

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Immaterialität der Seele im gewöhnlichen Sinne des Wortes geleugnet. Er sagt lediglich, daß die Frage, welche Art Substanz die Seele sei, keinen präzisen Sinn hat, weil wir keine bestimmte Vorstellung von Substantialität haben. Mr. Locke und Bischof Berkeley behaupten übrigens dasselbe 59 • 6. Ich komme nun zum letzten Vorwurf, der sicher nach überwiegender Meinung unter den Philosophen unserer Zeit als der schwerste angesehen wird, daß nämlich der Verfasser die Grundlagen der Moral zerstöre. Er bestreitet in der Tat, daß es einen ein für allemal feststehenden Unterschied zwischen dem moralisch Richtigen und dem Verkehrten in dem Sinne gebe, wie Clarke und Wollaston 60 es behauptet haben. Nach ihnen sollen die Sätze der Moral von derselben Art sein wie mathematische Wahrheiten und Aussagen abstrakter Wissenschaften: Objekt bloß der Vernunft, nicht Sache des Gefühls der inneren Nez·gungen und des Takts. In dieser Auffassung trifft er sich mit den antiken Moralisten wie auch mit Mr. Hutcheson 61 , dem Professor für Moralphilosophie in Glasgow, der sich mit anderen besonders um die Widerbelebung der antiken Philosophie bemüht hat. Welch schäbige List, Bruchstücke aus einer umfangreichen philosophischen Abhandlung zu zitieren, um dem Autor dadurch einen Makel anzuhängen! Der Verfasser scheint sich ganz im klaren darüber zu sein, daß er, wenn er Gerechtigkeit als künstliche und nicht als natürliche Tugend bezeichnet, Wörter

ienfible that he employed W ords that ad mit of an invidious Conftruaion; and therefore makes ufe of all proper Expedients, by 'Definitions and Exptanations, to prevent it. ßut of thefe bis Accufer takes no N otice. By the natural Virtues he plainly anderftands Compaf!ion and Genero/ity, and fucft as we are immediately carried to by a natural InjlinCI ; and by the artificiat Virtues he means Juflice, Loyalty, and fuch as require, along with a naturat lnflinfl, a certain Rcßell:ion on the general lnterefts of Human Society, and a Combination with others. In the fame Senfe, Sucking is an ACl:ion nataral to Man, and Speech is artificial. ßut what is there in this Doll:rine that can be fuppofed in the leaft pernicious? Has he not exprefly afferted, That Juß:ice, in another Senfe of thc Word, is fo natural to Man, that no Society of Men, and even no individual Member of any Society, was ever entirely devoid of all Senfe of it? Some Pcrfons (tho' without any Reafon, in my Opinion) are difpleafed with Mr. Hutchifan's Philofophy, in founding all the Virrues fo much on lnjlinEI, and admitting fo little of Reafon and Reflellion. Thofe fhould be pleafed to find that fo confiderable a Branch of the Moral Duties are founded on that Principle.

The Author has likewife taken care in

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gebraucht, die eine übelwollende Auslegung erlauben. Dagegen sucht er durch alle geeigneten Mittel: Definitz'onen und Erläuterungen Vorkehrungen zu treffen, von denen sein Ankläger natürlich keine Notiz nimmt. Unter natürlz'chen Tugenden versteht er Mitlez'd und Großmut, also solche Tugenden, zu denen wir von Natur aus kommen. Künstliche Tugenden sind zum Beispiel Gerechtigkeit und Gesetzestreue, also solche Tugenden, die außer einer natürlz'chen Neigung zur Tugend auch die Erwägung der allgemeinen Interessen der menschlichen Gesellschaft erfordern und einen Handlungszusammenhang mit anderen Menschen voraussetzen. Zum Vergleich: Saugen ist eine natürliche menschliche Tätigkeit, Sprechen eine künstliche. Aber was ist eigentlich an dieser Lehre, was im geringsten für gefährlich gehalten werden könnte? Ist denn nicht ausdrücklich gesagt worden, daß Gerechtigkeit eine, nun aber in einem anderen Sinn des Wortes 62 : so natürliche Menschentugend ist, daß keine Gesellschaft und auch kein Einzelner je gänzlich ohne Gerechtigkeitssinn gewesen sind? Manche sind (allerdings ohne Grund, wie mir scheint) mit Mr. Hutchesons Philosophie nicht einverstanden, weil in ihr die Tugenden zu sehr auf Instinkt und Sinn und so wenig auf Vernunft und Reflexz'on gegründet werden. Also müßten sie eigentlich erfreut sein, daß in diesem Buch ein bedeutender Zweig moralischer Pflichten (Gerechtigkeit, Gesetzestreue) auf das Prinzip einer erwägenden Vernunft gegründet wird. Der Autor hat weiterhin ausdrücklich erklärt, daß

pofitive Terms to afü:rt, That he does noe maintain rhat Men ly under no Obligation to obferve Contracrs, independent of Society; but only, that they never would have formed Contrad:s, and even would not have underfiood the Meaning of them, fodependent of Society. And whcreas it is obferved in the Specimen, That our Author offers further to prove, that, fuppofe a Promife was intelligible before Human Conventions had eftablifued it, it would not be attended with any Moral Obligation. The moA: carelefs Reader mufi perceive that he does not underftand Moral in fucb an cxtended Senfe, as to deny thc Obligation of Promifes, independent of Society; fceing he not only affcrts what is above-teprefented, but Jikewife that the Laws of Jufiice are univerfal, and perfelUy inflexible. lt is evident, that fuppofe Mankind, in fome primitive unconneCled Stare, fhould by fome Means come to the Knowledge of the Nature of chofe Things which we call Contralts and Pfomifcs; that this Knowledge would bave laid them und er no fuch altual Obligation, if not placed in fuch Circumftances as give rife to thefe Contratb.

1 am forry 1 fhould be obliged to cite from my Memory, and cannot mention Page and Chapter fo accurately as the Accufer. I came hithcr by Poft, and brought no

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es nicht seine Meinung sei, die Menschen seien außerhalb der Gesellschaft nicht verpflichtet, Verträge zu halten, sondern nur, daß sie, gäbe es keine Gesellschaft, niemals Verträge geschlossen und auch den Sinn solcher Handlungen nicht verstanden hätten. Statt dessen behauptet die Proben der Autor schikke sich an zu beweisen, ein Versprechen, angenommen, es wäre vorstellbar, bevor es durch eine Obereinkunft der Menschen zustandegebracht wurde, besitze keine moralische Verbindlichkeit. Auch der oberflächlichste Leser muß sehen, daß, wie der Autor das Wort ,moralisch' gebraucht, nicht geleugnet wird, Versprechen verpflichteten auch unabhängig von der Gesellschaft. Denn es wird Gerechtigkeit zwar als eine künstliche Tugend bezeichnet, aber zugleich auch erklärt, daß die Gesetze der Gerechtigkeit universell und vollkommen unabänderlich sind. Nehmen wir aber an, die Menschen befänden sich in einem primitiven vereinzelten Zustand und erhielten auf irgend eine Weise Kenntnis von den Dingen, die wir Vertrag und Versprechen nennen, so ist es doch offensichtlich, daß diese Kenntnis ihnen keine Verpflichtungen auferlegen würde, solange sie nicht in jene Umstände versetzt werden, aus denen Verträge hervorgehen 63 • Leider muß ich aus dem Gedächtnis zitieren und kann deshalb nicht so akkurat Kapitel und Seite bezeichnen wie der Ankläger. Ich bin mit der Post hierher gereist und habe keine Bücher bei' mir. Und



Books along with me, and cannot now provide myfelf in the Country with the Book 1cferred to. This long Letter, with which 1 have troubled you, was compofed in one Morning, that 1 might gratify your Demand of an immediate Anfwer to the heavy Charge brought againft your Friend ; and this, I hope, will excufe any lnaccuracies that may have crept into it. 1 am indeed of Opinion, that the Author bad better delayed the pu• blifhing of that Book; not on account of any dangerous Principles contained in it, but becaufe on more ·mature Confideration be might have rendered it much Jefs imperfeß: by fürther Correß:ions and Revifals. 1 muft not at the fame Time omit obfer„ ving, that nothing can be wrote fo accurate~ ly or innocently; which may not be perverted by foch Arts as have been imployed on this Occafion. No Man would underrake fo invidious a Task as that of our Author's Accufer, who was not aCtuared by particulai' lnterefts; and you know how eafy it is, by broken and partial Cirations, to pervert any Difcourfe, much more one of fo abßratt: a Nature, where it is difficult, or almoft impoffible, to juftify one's felf to the Publick. The Words which have bcen carefully pickt out frorn a !arge Volume will no doubt have a daogerous Afpea to carelefs



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hier auf dem Lande kann ich mir das zur Debatte stehende Buch nicht besorgen. Ich habe diesen langen Brief, mit dem ich Ihnen zur Last falle, an einem Morgen niedergeschrieben, um Ihrer Aufforderung nachzukommen und sofort auf die schweren Vorwürfe gegen Ihren Freund zu antworten. Deshalb bitte ich, Ungenauigkeiten, sollten sie unterlaufen sein, zu entschuldigen. Ich bin wirklich der Meinung, der Autor hätte besser daran getan, das Buch nicht zu veröffentlichen, nicht weil darin irgend welche gefährlichen Prinzipien enthalten wären, sondern weil er es mit reiflicher Überlegung, nach neuerlicher Durchsicht und weiteren Korrekturen weit besser hätte machen können. Natürlich darf man auch nicht vergessen, daß nichts so genau oder so kindlich unschuldig geschrieben werden kann, als daß nicht Künste, wie sie hier am Werke gewesen sind, alles verderben und die Sache gerade auf den Kopf stellen könnten. Niemand würde sich wie der Ankläger unseres Autors einer so häßlichen Aufgabe unterziehen, wenn er nicht bestimmte Interessen damit verfolgte. Sie wissen, wie leicht ~s ist, mit verstümmelten und dem Zusammenhang entrissenen Zitaten den Sinn einer jeden Abhandlung in sein Gegenteil zu verkehren, erst recht wenn es um so abstrakte Gegenstände geht, die es ihrer Natur nach schwer, ja fast unmöglich machen, sich vor dem Publikum zu erklären und zu rechtfertigen. Die Worte, die man gezielt aus einem umfänglichen Buch herausgepickt hat, werden ohne Zweifel für unbedachte Leser ein gefährliches An-

Readers; and the Author, in my Apprehenfion, cannot fully defend himfelf without a particular Detail, which it is impoffible for a carelefs Reader to enter into. This Advantage of the Ground has been trufted to by his Accufer, and furely never more abufed than on the prefent Occafion. But he has one Advantage, 1 truft, which is worth a Hundred of what bis Oppofers can boafi of, viz. that of Innocence ; and I hope he has alfo another Advantage, 'Diz. that of Faf()our, if we really live in a Country of Freedom, where lnformers and Inquifitors are fo defervedly held in univerfal Deteflation, where Liberry, at leaft of Philofophy, is fo highly valu'd and efieem>d.

1 am, Sir,

May Sth 1745.

Tour mofl o!Jedient hum!Jle Servant.

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sehen haben. Und nach meiner Meinung kann sich der Autor auch nicht wirklich verteidigen, ohne auf Einzelheiten und Details einzugehen, die jedoch gerade dem oberflächlichen Leser unverständlich bleiben müssen. Auf diesen Terrainvorteil baut der Ankläger; und schwerlich ist damit je größerer Mißbrauch getrieben worden als bei dieser Gelegenheit. Ich vertraue aber darauf, daß der Autor einen Vorteil hat, der hundertfach aufwiegt, womit sich sein Ankläger immer brüsten mag: nämlich die Unschuld. Und ich hoffe, daß ihm ein weiterer Vorteil zuwachsen wird: nämlich Wohlwollen, sofern wir wirklich in einem freien Lande leben, in dem zu Recht Denunzianten und Inquisitoren allgemein verachtet werden und in dem die Freiheit, wenigstens die der Philosophie, hochgehalten und geschätzt wird. Ich bin, mein Herr, Ihr gehorsamster 8. Mai 1745. und untertäniger Diener.

ANMERKUNGEN

1 Wie Keynes und Sraffa eruiert haben (vergl. deren Ausgabe des 'Abrisses' S. XII) lautet der Name des Buchhändlers Corbet statt Borbet. 2 Der Ausdruck ,moral philosophy' hat in Humes Sprachgebrauch eine viel umfassendere Bedeutung als unser Wort ,Moralphilosophie'. Der Untertitel des Traktats lautet: „being an attempt to introduce the experimental method of reasoning into moral subjects" (VII). Dabei ist unter der „experimental method of reasoning" natürlich keine experimentelle Methode im modernen Sinn zu verstehen, sondern es ist gemeint, daß Erfahrung als Erkenntnisquelle auch in „moral subjects" zur Geltung gebracht werden soll. Das so bezeichnete Gebiet läßt sich zunächst am einfachsten negativ charakterisieren: es umfaßt all das, was nicht „natural philosophy" ist; und dieser Begriff deckt sich ziemlich genau mit unserem Wort ,Naturwissenschaft'. Das ist wohl auch der Grund gewesen, aus dem Lipps an entsprechenden Stellen (obwohl er den Untertitel unterdrückt hat) „moral subjects" oder „moral philosophy" mit ,Geisteswissenschaften' übersetzt. Nun läßt sich dieser Begriff, selbst wenn man unberücksichtigt läßt, welchen problematischen Klang er durch den Methoden- und Kompetenzstreit seit Dilthey erfahren hat, nur verstehen mit den Konnotationen aus Hegels Philosophie, und allein deshalb ist er in Bezug auf Hume ein Anachronismus. Es ist interessant, daß schon der erste deutsche übersetzer des 'Traktats', Ludwig Heinrich Jakob, dessen übertragung 1790 erschien, mit Humes Bezeichnung offensichtlich nichts anzufangen wußte; jedenfalls unterdrückt er bereits den Untertitel, verfaßt eine gänzlich neue, Teile der 'Untersuchung über den menschlichen Verstand' heranziehende Einleitung und vermeidet ganz offensichtlich den problematischen Terminus. Offenbar gab es also im Deutschen keinen vergleichbar allgemeinen und eingeführten Begriff. Das Wort ,Sitten' hat noch am ehesten die Weite, läßt sich aber nur schwer in gute Zusammensetzungen bringen; ,Sittengeschichte' (im Unterschied zur ,Naturgeschichte'), hätte es nicht einen dubiosen Beiklang, ginge allenfalls.

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Anmerkungen

Eine andere mögliche Übersetzung verbietet sich, weil der Ausdruck durch ein berühmtes Werk besetzt ist. Aber die Beschreibung, die Kant vom Gegenstand seiner 'Anthropologie in pragmatischer Hinsicht' gibt, trifft recht genau das, was Hume unter ,moral subjects' versteht: „Eine Lehre von der Kenntnis des Menschen, systematisch abgefaßt (Anthropologie), kann es entweder in physiologischer oder in pragmatischer Hinsicht sein. - Die physiologische Menschenkenntnis geht auf die Erforschung dessen, was die Natur aus dem Menschen macht, die pragmatische auf das, was er, als freihandelndes Wesen, aus sich selber macht, oder machen kann und soll" (Akademie-Ausgabe von Kants Werken, Bd. VII, S. 119). Mir scheint am treffendsten, ,moral philosophy' mit ,Wissenschaften vom Menschen' zu übersetzen, wenn dies so verstanden wird, daß alles umfaßt ist, außer was den Menschen rein als Naturwesen betrifft. Hume selber legt diese übersetzung nahe, wenn er (s.o.S. 8) die Termini „science of man" und „natural philosophy" einander gegenüberstellt. 3 Francis Bacon, 1561-1626; sein 'Novum Organum' von 1620 gilt als eine Art Programmschrift der empirischen Wissenschaften. John Locke, 1632-1 704, ist neben Berkeley und Hume der Hauptvertreter des englischen Empirismus; sein Hauptwerk ist der im Jahre 1690 erschienene 'Essay Conceming Human Understanding'. Anthony Ashley Cooper, Earl of Shaftesbury, 1671-1713, war ein im Geiste von Lockes Philosophie erzogener Mann von klassischer Bildung, der in seinen Schriften das Ideal eines Schönheit und Sittlichkeit harmonisch vereinigenden Menschen zeichnete und erheblichen Einfluß auf die Entwicklung von Moralphilosophie und Ästhetik nahm; wichtige Werke: 'An Inquiry Concerning Virtue and Merit', 1699, 'Characteristics of Men, Manners, Opinions, Times', 1711. Bernard de Mandeville, um 16701 733, war Arzt in London und wurde durch die 'Fable of the Bees or private vices made public benefits', 1714, berühmt, in der er behauptet, die Menschen seien ursprünglich selbstsüchtig, und die Annahme der Moralisten kritisiert, es gebe ein natürliches Wohlwollen gegenüber anderen. Fraricis Hutcheson, 1694-17 46, von Locke und Shaftesbury beeinflußt, hat er besonders die Moralphilosophie des letzten systematisiert und die Theorie des „moral sense" entwikkelt; Hauptwerke: ,An Inquiry into the Original of Our ldeas of Beauty and Virtue', 1725, 'An Essay on the Nature

Anmerkungen

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and Conduct of the Passions and Affections' und 'Illustrations upon the Moral Sense', 1728. Joseph Butler, 169217 52, versuchte in seiner Moralphilosophie eine Synthese zwischen den Prinzipien der Selbstliebe und des mitmenschlichen Wohlwollens; seine 'Sermons' erschienen 1726, eine 'Dissertation upon Virtue' 1736. 4 Zitat aus dem 'Traktat', Einleitung (XV/3). 5 Hume bezieht sich auf eine Stelle in Gottfried Wilhelm Leibniz' (1646-1716) 'Die Theodicee'; dort heißt es im§ 28: „die Kunst, aus Wahrscheinlichkeitsgründen zu urteilen, ist noch wenig gepflegt, so daß unsere Logik in dieser Hinsicht noch ganz unvollkommen ist und wir bis jetzt fast nur die Kunst, Beweise zu beurteilen, besitzen", und in § 31: „Beinahe alle unsere Fehler stammen ... aus Verachtung oder mangelhafter Ausbildung der Kunstfertigkeit des Denkens; gibt es doch nichts Ungenügenderes als unsere Logik, sobald man über die notwendigen Schlußfolgerungen hinausgeht. Die ausgezeichnetsten Philosophen unserer Zeit, die Verfasser der ,Art de penser', der ,Recherche de la verite' und des ,Versuchs über den menschlichen Verstand' sind weit davon entfernt, uns die wahren Mittel anzugeben zur Unterstützung dieser Fähigkeit, vermittels deren wir die Wahrscheinlichkeit des Wahren und Falschen abwägen sollen ... " ('Die Theodizee', übersetzt von Artur Buchenau, um ein Literaturverzeichnis um einen einführenden Essay von Morris Stockhammer ergänzte Auflage, Hamburg 1968). 6 Gemeint sind: das Hauptwerk von Locke (s. Anmerkung 3), das 16 74 und 16 75 erschienene Hauptwerk von Nicolas Malebranche (1638-1715) und die sogenannte Logik von Port Royal von Antoine Arnauld (1612-1694) und Pierre Nicole (1625-1695) von 1662. 7 Im 'Traktat' macht Hume folgende Anmerkung (2/10): „Ich gebrauche hier die Termini Eindruck und Vorstellung (impression and idea) anders, als es gewöhnlich geschieht, und ich hoffe, daß mir diese Freiheit verstattet ist. Vielleicht gebe ich dem Wort ,Vorstellung' auch bloß seinen ursprünglichen Sinn wieder, den Mr. Locke verdrehte, indem er unsere sämtlichen Perzeptionen Vorstellungen nannte. Das Wort ,Eindruck' möchte ich nicht so verstanden wissen, als sollte damit die Art bezeichnet werden, auf die in unserer Seele die lebhaften Perzeptionen erzeugt werden; ich meine damit einfach die lebhaften Perzeptionen, für die es weder

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Anmerkungen

im Englischen noch sonst in einer mir bekannten Sprache eine eigene Bezeichnung gibt". 8 Die an dieser Stelle erstmals vorgetragene Kritik an Locke wird eigentlich erst in der Fassung verständlich, wie sie sich als Fußnote in der 'Untersuchung über den menschlichen Verstand' findet. Dort lautet sie so: „Wahrscheinlich haben die, die bestritten, daß es angeborene Vorstellungen gebe, einfach nicht mehr gemeint als dies, daß alle unsere Vorstellungen Abbilder von Eindrücken sind. Aber leider haben sie ihre Worte weder sorgfältig genug gewählt noch hinreichend genau definiert, um ihre Lehre vor Fehlern zu bewahren. Denn was heißt eigentlich angeboren? Wenn es dasselbe bedeutet wie ,natürlich', dann sind alle Perzeptionen und Vorstellungen angeboren oder natürlich, wenn wir mit dem letzten Wort den Gegensatz zum Ungewöhnlichen, Künstlichen oder Wunderbaren meinen. Wenn aber ,angeboren' bedeuten soll: zugleich mit der Geburt, dann scheint mir der Streit so nichtig wie die Frage, ob das Denken vor, nach oder bei der Geburt beginne. Das Wort Vorstellung wird normalerweise von Locke und anderen in einem sehr weiten Sinne gebraucht und dann bezeichnet es beliebige unserer Perzeptionen: Wahrnehmungen, Affekte, Gedanken. Wird aber der Terminus so weit gefaßt, dann möchte ich gerne wissen, was mit der Behauptung gemeint sein kann, Selbstliebe, Empörung über Ungerechtigkeiten oder die Liebe zwischen den Geschlechtern seien nicht angeboren? Verwendet man dagegen die Termini Eindruck und Vorstellung, wie ich sie eingeführt habe, und versteht man unter angeboren eine ursprüngliche, nicht von einer vorhergehenden abgebildete Perzeption, dann können wir sagen, daß alle unsere Eindrücke angeboren und alle unsere Vorstellungen nicht angeboren sind" ('Untersuchung über den menschlichen Verstand' 22/22-23). 9 Malebranche hat in seiner umfangreichen, unter cartesianischen und neuplatonischen Einflüssen stehenden 'Recherche de la verite' die Theorie entwickelt, daß wir die Dinge selbst mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen können, sondern nur durch die in Gott seienden Ideen der Dinge, von denen Gott, mit dem wir als geistige Wesen verbunden sind, Vorstellungen in uns wirkt. Eine kurze Darstellung seiner Lehre findet sich im 10. Eclairecissement: Sur la nature des idees im Anhang zur Recherche. - Vergl. ferner Locke, 'An

Anmerkungen

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Essay Concerning Human Understanding', edited with an introduction, critical apparatus and glossary by Peter H. Nidditch, Oxford 1975, 1. Buch: Of Innate Ideas. 10 Zitat aus 'Traktat', 1. Buch, 2. Teil, 3. Abschn. (33/50.) 11 Hier, wird man sagen, nimmt „unser Autor", den Mund ein wenig voll, da er wissen mußte, daß immerhin Locke im vierten Buch seines 'Versuchs über den menschlichen Verstand' unter dem Titel: Of Knowledge and Opinion eine ausfiihrliche Analyse von Arten und Graden des Wissens und der Wahrscheinlichkeit, der Gewißheit und des Glaubens vorgenommen hat. In wesentlichen Punkten stimmt Humes Theorie des Glaubens auch mit der Lockes überein; einzig in den Thesen, daß Glaube nicht eine besondere, mit anderen verknüpfbare Vorstellung, sondern bloß eine besondere Art des Denkens und daß er als eine Folge von Gewöhnung anzusehen sei, geht Hume über Locke hinaus, doch ohne etwas zu behaupten, was sich mit Lockes Analyse nicht vereinbaren ließe. 12 Hume bezieht sich auf die Theorie des Okkasionalismus; einer ihrer Hauptvertreter ist Malebranche. In der 'Recherche de la verite' (livre sixieme, seconde partie, chap. III: De l'erreur la plus dangereuse de la Philosophie des Anciens) verwirft Malebranche die Vorstellung der Alten, daß es in den Körpern wirkende Kräfte gebe, durch die sich ihr Verhalten erklären lasse. „Wenn eine in Bewegung gesetzte Kugel einer anderen begegnet und sie in Bewegung setzet, so teilet sie ihr nichts mit, was sie hat; - denn sie hat selbst nicht die Kraft, die sie ihr mitteilet". Malebranche fährt fort: „Indessen ist die Kugel doch eine natürliche Ursache der Bewegung, welche sie mitteilet. Eine natürliche Ursache ist aber nicht eine reelle und wahre, sondern nur eine gelegentliche Ursache, die den Urheber der Natur bestimmt, bey dieser und jener Gelegenheit gerade so und nicht anders zu handeln." (Malebranche, 'Von der Wahrheit oder von der Natur des menschlichen Geistes und dem Gebrauch seiner Fähigkeiten um Irrtümer in Wissenschaften zu vermeiden'; sechs Bücher, aus dem französischen übersetzt und mit Anmerkungen herausgegeben von einem Liebhaber der Weltweisheit. Dritter Band, Halle 1778, S. 274 f.) Also ist Gottes Wille die eigentliche Ursache aller Veränderungen in der Welt, die sich nur gelegentlich der natürlichen Ursachen, die wir aus Erfahrung kennen, äußert. Zum Verhältnis von Hume und

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Anmerkungen

Malebranche vergl. R. W. Church, Malebranche and Hume, in: Revue Internationale de Philosophie I, 1938-39. Und vergl. die ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Okkasionalismus im 'Traktat', Buch I, Teil III, Abschnitt 14 (157 ff/ 21 2 ff) sowie Humes Äußerungen im 'Brief eines Edelmannes', s. o. S. 114, 115. 13 Hume könnte folgende Stelle aus Berkeleys (16851 7 5 3) 'Three Dialogues between Hylas and Philonous' im Auge haben: „ ... all the notion I have of God is obtained by reflection on my own soul, heightening its powers, and removing its imperfections" (The Works of Georges Berkeley, ed. by A. C. Fraser, Oxford 1871, Band 1, S. 326). 14 Zum Beispiel in der Zweiten Meditation: „Denken? Hier liegt es: Das Denken ist's, es allein kann von mir nicht getrennt werden. Ich bin, ich existiere, das ist gewiß. Wie lange aber? Nun, solange ich denke. Denn vielleicht könnte es sogar geschehen, daß ich, wenn ich ganz aufhörte zu denken, alsbald auch aufhörte zu sein. Für jetzt lasse ich aber nichts zu, als was notwendig wahr ist! Ich bin also genau nur ein denkendes Wesen, d. h. Geist, Seele, Verstand, Vernunft lauter Ausdrücke, deren Bedeutung mir früher unbekannt war. Ich bin aber ein wahres und wahrhaft existierendes Ding, doch was für ein Ding? Nun, ich sagte es bereits - ein denkendes." (Rene Descartes, 'Meditationen über die Grundlagen der Philosophie', auf Grund der Ausgaben von Artur Buchenau neu herausgegeben von Lüder Gäbe, Hamburg 1960, s. 23 f.). 15 Vergl. 'Traktat', Buch I, Teil II: Of the ideas of space and time, besonders den Abschnitt 4: Objections answer'd. Vergl. ferner den Appendix zu Book I, page 4 7 (63 7 - diese Stelle des Appendix von Lipps dem Text eingefügt, S. 65): hier korrigiert sich Hume und erklärt sein Einverständnis mit der These, daß man Gleichheit nicht definieren, aber durch die Präsentation zweier gleicher Objekte verständlich machen könne. Im übrigen deutet der vorsichtige Schluß dieser Passage im 'Abriß' bereits darauf hin, daß Hume sich seiner Theorie der Geometrie nicht mehr recht sicher war. Ihre Irrtümer im einzelnen darzustellen, würde hier zu weit führen. Sie beruhen jedoch alle auf einer grundlegenden Unklarheit über den Charakter der Geometrie als Wissenschaft. Zu behaupten, daß man de facto eine Strecke nicht unendlich oft teilen kann und daß doch die Idee unendlicher Teilbarkeit

Anmerkungen

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deshalb nicht sinnlos sein muß, scheint Hume widersprüchlich auf Grund des folgenden Prinzips: „that whatever the mind clearly conceives includes the idea of possible existence, or in other words, that nothing we imagine is absolutely impossible" (32/49). Hierbei versteht Hume unter ,möglich' so viel wie ,durchführbar, realisierbar', und deshalb kann er behaupten, es bestehe ein Widerspruch zwischen der zugestandenen Begrenztheit unserer geistigen Kapazitäten und der Idee unendlicher Teilbarkeit. Wenn aber ,möglich' bedeutet: ,ohne Widerspruch denkbar', dann trifft Humes überlegung der Idee unendlicher Teilbarkeit nicht. Scheint es nach dem 'Traktat', daß Hume die Geometrie im Grunde als eine empirische Wissenschaft ansah, so hat er schon im 'Abriß' (s.o. S. 22, 23) und besonders deutlich in der 'Untersuchung über den menschlichen Verstand' seine Auffassung geändert, wenn er schreibt: „All the objects of human reason or enquiry may naturally be divided into two kinds, to wit, Relations of ldeas, and Matters of Fact. Of the first kind are the sciences of Geometry, Algebra, and Arithmetic; and in short, every affirmation which is either intuitively or demonstratively certain... Propositions of this kind are discoverable by the mere operations of thought, without dependence on what is anywhere existent in universe. Though there never where a circle or triangle in nature, the truths demonstrated by Euclid would for ever retain their certainty and evidence" (25/35 ). Zwar hält Hume auch in der 'Untersuchung über den menschlichen Verstand' daran fest, daß die Idee einer unendlichen Teilbarkeit einer Strecke für den gesunden Menschenverstand schockierend sei (156/183); aber er folgert daraus nicht, daß die _Idee unendlicher Teilbarkeit sinnlos sein müsse, denn er muß zugestehen: „ ... what renders the matter more extraordinary, is, that these seemingly absurd oplnions are supported by a chain of reasoning, the clearest and most natural; nor is it possible for us to allow the premises without admitting the consequences". In dieser Lage gibt Hume ein Beispiel für die Haltung der Skepsis, die er propagiert: der Streit zwischen den Einwänden des gesunden Verstandes und den Lehren der Geometrie bleibt ungeschlichtet, und bis zur Lösung ist Skepsis die angemessene Reaktion auf eine paradoxe Lage: „How any clear, distinct idea can contain circumstances, contradictory to itself, or to any other clear, distinct idea, is absolutely in-

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comprehensible; and is, perhaps, as absurd as any proposition, which can be formed. So that nothing can be more sceptical, or more full of doubt and hesitation, than this scepticism itself, which arises from some of the paradoxical conclusions of geometry or the science of quantity" ('Untersuchung' 157-58/184). 16 Zitat aus dem 'Traktat' 399-400/II 136-37. 1 7 Das Tacituszitat auf der Titelseite des 'Traktats' ist nicht ins Englische übersetzt und lautet: „Rara temporum felicitas, ubi sentire, quae velis, & quae sentias, dicere licet. Tacit." (vergl. Tacitus, Historien I, 1). 18 Lipps hat aus unbekannten Gründen weder den vollen Titel des Werkes noch das Motto noch das „Advertisement" übersetzt. 19 Zitat ungenau: „I am first affrighted and confounded ... " (264/342). 20 Zitat ungenau: „The memory, senses, and understanding are, therefore, all of them founded on the imagination, or the vivacity of our ideas" (265 /343 ). 21 Zitatanfang lautet richtig: „For I have already shewn (Sect. 1, p. 182 f.) ... " {267/345). 22 Zitat ungenau: „We have, therefore, no choice left ... "

(268/346 ). 23 Geringe Ungenauigkeit: „ ... What beings surround me? and on whom ... " (269/347). 24 Der Satz geht weiter: „ ... upon sceptical principles, and from an inclination, which we feel to the employing ourselves after that manner" (270/348). 25 Anstatt des „etc" heißt es im 'Traktat': „I cannot forbear having a curiosity to be acquainted with the principles of moral good and evil, the nature and foundation of government, and the cause of the several passions and inclinations, which actuate and govern me. I am uneasy to think I approve of one object, and disapprove of another; call one thing beautiful and another deform'd; decide concerning truth and falsehood, reason and folly, without knowing upon what principles I proceed." (270-71/349). Der Schluß des Zitats lautet vollständig: „ ... and should I endeavour to banish them, by attaching myself to any other business or diversion, I f eel I should be a loser in point of pleasure; and this is the origin of my philosophy" (271/349).

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26 Zitat ungenau: „An opinion, therefore, or belief. .. " (96/ 129). 27 Zitat ungenau: „The idea of existence, then, is the very same ... " (66/90). Der letzte Satz des Zitats ist, wörtlich genommen, unverständlich; die Obersetzung scheint mir Humes Meinung zu treffen. 28 Zitat ungenau: „For as to the notion ... " (188/252); außerdem ist unterdrückt Humes Hinweis auf „Part II. sect 6". 29 Zitat unvollständig: „The only existence, of which we are certain, are perceptions, which being immediately present to us by consciousness, command our strongest assent, and are the first foundation of all our conclusions" (212/280). 30 Zitat verstümmelt: „If any one upon serious and unprejudic'd reflexion, thinks he has a different notion of himself, 1 must confess 1 can reason no longer with him"

(252/327). 31 Dieser Satz schließt an Humes Feststellung an, daß die Betrachtung eines einzigen Beispielfalls für das Verhältnis von Ursache und Wirkung nur zwei wesentliche Momente erkennen lasse: „contiguity" und „succession"; dann heißt es: „Should any one leave this instance, and pretend to define a cause, by saying it is something productive of another, 'tis evident he would say nothing ... " (77/104) 32 Verstümmelte und jeweils um Humes Begründungen gekürzte Zitate; vergl. 'Traktat' 171-72/231-32. 33 Diese Behauptung wird Hume durch die Unterdrükkung des Zusammenhangs unterschoben; dem Zitat gehen die Sätze vorher: „According to the precedent doctrine, there are no objects, which by the mere survey, without consulting experience, we can determine to be the causes of any other; and no objects, which we can certainly determine in the same manner not to be the causes. Any thing may produce any thing ... " (173/233) 34 Die Auslassung im Text des Pamphlets verändert den Sinn; vollständig lautet der Satz: „Thus upon the whole we may infer, that when we talk of any being, whether of a superior or inferior nature, as endow'd with a power or force, proportion'd to any effect; when we speak of a necessary connexion betwixt objects, and suppose, that this connexion depends upon an efficacy or energy, with which any of these objects are endow'd; in all these expressions, so apply 'd, we have really no distinct meaning... " (162/220).

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35 Dieser Satz wird im Pamphlet irreführend als zum Zitat gehörend ausgegeben. 36 Der Satz lautet vollständig: „But here is an argument, which proves at once, that the foregoing proposition is neither intuitively nor demonstrably certain" (79/106). 3 7 Zitat ungenau und unvollständig: „Reason can never satisfy us that the existence of any one object does ever imply that of another; so that when we pass from the impression of one to the idea or belief of another, we are not determin'd by reason, but by custom or a principle of association" (97/131 ). 38 Der erste Satz des Zitats lautet richtig: „This opinion is certainly very curious, and weil worth our attention; but 'twill appear superfluous to examine it in this place, if we reflect a moment on our present purpose in taking notice of it." {160/216). Die folgende Auslassung unterdrückt die für den Leser wichtige Information, daß es sich hier um eine Auseinandersetzung mit der Theorie des Okkasionalismus handelt. Das Zitat ist weiterhin ungenau: „For if every idea be deriv'd from an impression, the idea of a deity proceeds from the same origin; and if no impression, either of sensation or reflection, implies any force or efficacy, 'tis equally impossible to discover or even imagine any such active principle in the deity. Since these philosophers ... " (160/21617). 39 Die Wörter „And no wonder" sind hinzugesetzt, und das ganze Zitat ist so aus dem Zusammenhang gerissen, daß es scheint, als stimme Hume dem Sieg der Materialisten zu, was gar nicht der Fall ist. 40 Daß Spinoza (1632-1677) dem Vorwurf des Atheismus ausgesetzt war, hat wohl weniger mit seiner Metaphysik, also der Lehre, daß nur eine Substanz sei, die sich notwendigerweise zur Mannigfaltigkeit der Welt modifiziere, sondern mit seiner durch Hobbes beeinflußten Staatstheorie, seiner Verteidigung der Gedankenfreiheit und seiner Kritik an der Institution von Kirchen zu tun. Er ist ein Fall, auf den das zutrifft, was Hume zu Beginn des 'Briefs eines Edelmannes' sagt (s.o.S. 64/65 ), daß der Vorwurf des Atheismus in der Regel die Waffe orthodoxer Kleingeister gegenüber selbständigen und originellen Denkern ist. Es ist kaum anzunehmen, daß Hume die philosophische Bedeutung Spinozas, auch wenn er ihn kritisiert, verborgen geblieben sein sollte. Dennoch

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scheint Spinoza ähnlich wie Hobbes so sehr ein Verfehmter gewesen zu sein, daß auch der sonst besonnene und die Gedankenfreiheit hochhaltende Verfasser des 'Traktats über die menschliche Natur' nicht anders als im Brustton des Abscheus von ihm zu sprechen wagt. Im übrigen verzerrt der Pamphletist, indem er die Argumente Humes verschweigt, dessen Position. Hume behauptet, die Lehre, daß die Seele schlechthin einfach, unteilbar und immateriell sei, führe dieselben begrifflichen Schwierigkeiten wie Spinozas Metaphysik mit sich; sei diese Atheismus, dann auch jene Lehre und dann dürfe man jener auch „keinen Schritt weit entgegengehen, ohne zugleich einem gefährlichen und unüberwindlichen Atheismus den Weg zu ebnen" (244/318). 41 Der erste Satz des Zitats, vor der Auslassung, entspricht dem 'Traktat' nur sinngemäß, nicht wörtlich. 42 In der Tat sollte man glauben, daß die Ufiwandelbarkeit der Gesetze der Gerechtigkeit ein Grund für die Oberzeugung sein müßte, es handle sich also um gottgegebene, natürliche Gesetze. Aber das Zitat ist unvollständig und unterdrückt Humes Oberlegung. Der Satz ist eine Folgerung aus dem fortgelassenen Argument, daß generelle Regeln für unser Verhalten, da dies immer in bestimmten einzelnen Situationen stattfindet, nicht völlig starr und unwandelbar sein können. „Since, therefore, this is the ordinary course of human actions, we may conclude, that the laws of justice, being universal and perfectly inflexible, can never be deriv'd from nature, nor be the immediate offspring of any natural motive or inclination" (531-32/11 281). 43 Die Seitenzahl am Rand stimmt nicht; lies: 41 statt: 101.

44 Zitatanfang ungenau: „Unless, therefore, ... " (483/ II 226). 45 Die Stellung des Zitats erweckt den Eindruck, es handle sich um eine abschließende Konklusion, während es in Humes Text Beginn einer Oberlegung ist, die zeigen soll, daß Menschenliebe ein Fall von Sympathie ist und daß Sympathie eine teils zu umfassende, teils zu eingeschränkte Leidenschaft ist, um das Motiv für die Gerechtigkeit sein zu können. 46 Diese Bemerkung kann sich zum Beispiel auf folgende Aussagen von Hobbes (1588-1679) berufen: im Naturzustand, das heißt „to this warre of every man against every

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man, this also is consequent; that nothing can be Unjust. The notions of Right and Wrong, Justice and Injustice have there no place. Where there is no common Power, there is no Law: where no Law, no Injustice." (Leviathan, ed. by C. B. Macpherson, 1975, S. 188) und „where no Covenant hath precided, there hath no Right been transferred, and every man hath right to every thing; and consequently, no action can be Unjust ... And the Definion of lnjustice is no other than the not Performance of Covenant. And whatsoever is not Unjust, is Just ... the Originall of Justice (is) the making of Convenants. . . but the Validity of Covenants begins not but with the Constitution of a Civill Power, sufficient to compell men to keep them" (202 f.). Zugleich aber behauptet Hobbes, es sei ein Gesetz der Natur „That men performe their Covenants made" (201 ), und das ist nur eine Sonderform des moralischen Grundsatzes, daß man Versprechen halten soll. Man sieht, daß die Berufung auf Hobbes gegen Hume, um diesen als noch größeren Moralverächter erscheinen zu lassen, nicht ungeschickt ist, denn beide treffen sich bei allen Unterschieden in der These, daß es Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit nur auf Grund bestimmter Einrichtungen gibt, aber während Hume die Verpflichtung zur Gerechtigkeit und zur Versprechenstreue zur künstlichen erklärt, behauptet Hobbes doch wenigstens, daß es sich um „Lawes of Nature" handelt. 47 Vollkommen aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat; vor allem will Hume auf keinen Fall sagen: Versprechen verpflichten überhaupt nicht. Die these, daß sie keine natürliche Verpflichtung darstellen, gehört in den Kontext einer Untersuchung der Frage, auf welche Weise sie den Versprechenden binden.· 48 Zitat ungenau: „We may draw the same conclusion, .concerning the origin of promises, from the force, which is suppos'd to invalidate all contracts, and to free us from their obligation. Such a principle ... " (525/II 273 ). 49 Pierre DanielHuet (1630-1721). Seine 'Demonstratio Evangelica' erschien 1679. Die zweite Schrift, auf die Hume anspielt, ist der 'Traite philosophique de Ja foiblesse de l'esprit hutnain', erschienen 1723. Huet gehört in die Tradition der christlichen Skeptiker. Er unterscheidet drei Weisen Philosophie: die dogmatische, die glaubt, im Lichte derVer-

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nunft die Wahrheit erkennen zu können; die sokratische, die vorgibt zu wissen, daß sie nichts wisse; und die skeptische, die nicht einmal Gewißheit dafür beansprucht, nichts sicher zu wissen. Zur letzten bekannte sich Huet, allerdings in der christlichen Version, derzufolge Gottes Gnade die schwache Menschenvernunft auf den Weg des Glaubens weist. Hume kann also hier mit Verweis auf Huet geltend machen, daß skeptische überlegungen und christlicher Glaube nicht unvereinbar seien; und das ist alles, was er braucht, da ihm ein Bekenntnis zum Atheismus nur untergeschoben ist, also nicht angelastet werden kann. 50 Der Ausdruck ,moralische Evidenz' wird im 'Traktat' folgendermaßen definiert: „moral evidence is nothing but a conclusion concerning the actions of men, deriv'd from the consideration of their motives, temper and situation" (404/11 142). Weiter sagt Hume, daß sie sich eigentlich nicht von „natural evidence" unterscheide: „when we consider how aptly natural and moral evidence cement together, and form only one chain of argument betwixt them, we shall make no scruple to allow, that they are of the same nature, andderiv'd from the same principles" (406/11 143). ,Moral evidence' ist also nur ein Name für die auf Grund von Erfahrungsregelmäßigkeiten erworbene Erwartungsgewißheit, daß sich die Menschen in bestimmter Weise verhalten. Die vier Arten von Evidenz behandelt Hume im 'Traktat', Buch 1, Teil II, Kap. 1 und 2: Über das Wissen, über die Wahrscheinlichkeit und die Vorstellung der Ursache und Wirkung. 51 Nach Mossner und Price könnte Hume die folgende Stelle aus Tillotson's (1630-1694) 'Sermon 1: The Wisdom of being Religious', S. 20-21 im Auge gehabt haben: ,,Mathematical things, being of an abstracted nature are capable of the clearest and strictest Demonstration; But Conclusions in Natural Philosophy are capable of proof by an lnduction of experiments; things of a moral nature by moral arguments; and matters of fact by credible testimony. And tho none of these be capable of the strict kind of demonstration, which Mathematical matters are; yet we have an undoubted assurance of them, when they are proved by the best arguments that things of that kind will bear ... Now to apply this to the present case. The being of a God is not Mathematically demonstrable, nor can it be expected it should, because only Mathematical matters admit of this Kind of evidence" (zi-

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tiert nach Mosser und Price, S. 3 7). 52 Samuel Clarke (1675-1729) hat in einer Schrift mit dem Titel 'A Demonstration of the Being and Attributes of God: More particularly in Answer to Mr. Hobbs, Spinoza, and their Followers' (1705) einen Gottesbeweis vorgelegt, den er so charakterisierte: „One clear and plain series of Propositions necessarily connected and following one from another, to demonstrate the Certainty of the Being of God, and to deduce in order the Necessary Attributes of his Nature" (Faksimile-Neudruck der Londoner Ausgabe, Stuttgart-Bad Cannstatt 1964, S. 16). Die ersten drei Sätze dieses Arguments sind die wichtigsten; sie lauten: 1. „it is Absolutely and Undeniably certain, that Something has existed from all Eternity" (18), 2. „There has Existed from Eternity Some One Unchangeable and Independent Being" (23), 3. „That Unchangeable and Independent Being, which has Existed from Eternity, without any external Cause of its Existence; must be seif-existent, that is, Necessarily-existent" (27). Humes Kritik der Ansicht, das Prinzip, wonach alles, was zu existieren beginne, eine Ursache seiner Existenz haben müsse, sei a priori gewiß, entzieht Clarkes Argument den Status, ein metaphysisches Argument zu sein, und läßt es, von aller übrigen Problematik abgesehen, allenfalls ein Argument a posteriori sein. Vergl. auch Humes Kritik an Clarkes Beweis für das fragliche Prinzip, daß alles Existierende eine Ursache haben müsse, im 'Traktat', Buch 1, Teil III, 3. Abschnitt (80-81 /108 ). 53 Die Bezeichnung „Descartes' Argument" läßt es unklar, welches Hume meint, da Descartes (1596-1650) sowohl das kosmologische wie auch das ontologische Argument vertreten hat. Wenn Hume an dieser Stelle aber „Descartes' Argument" als eines von den metaphysischen Argumenten anführt, die von seiner Kritik nicht getroffen werden, so bleibt nur die Annahme plausibel, daß er das ontologische Argument meint. 54 Welcher Art genau das von Hume zitierte teleologische Argument für das Dasein Gottes ist und welche Beweiskraft es besitzt, wird weder hier noch im'Traktat' diskutiert; im 'Traktat' findet sich nur ein Hinweis auf das teleologische Argument (633 Fußnote/219 Fußnote). Dagegen stellen Humes 'Dialoge über natürliche Religion' (erst posthum 1779 erschienen, aber schon am 10. März 1751 brieflich erwähnt;

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vergl. Greig, Letters Bd. 1, S. 153 ff) eine systematische Erörterung an. Dort führt Cleanthes das teleologische Argument mit folgenden Worten ein: „Seht Euch um in der Welt; betrachtet das Ganze und jeden Teil; Ihr habt darin nichts als eine einzige große Maschine, die in eine unendliche Anzahl kleinerer Maschinen geteilt ist, deren jede wieder bis zu einem Grade Unterteilungen gestattet, die menschliche Sinne und Fähigkeiten nicht mehr zu verfolgen und zu erklären vermögen. Alle diese verschiedenen Maschinen und selbst ihre kleinsten Teile sind einander mit einer Genauigkeit angepaßt, die jedermann, der sie jemals betrachtet hat, in staunende Bewunderung versetzt. Die wunderbare Angemessenheit von Mitteln und Zwecken in der ganzen Natur gleicht genau, wenn sie auch weit darüber hinausgeht, den Hervorbringungen menschlicher Kunst, menschlicher Absicht, Weisheit und Einsicht. Da also die Wirkungen einander gleichen, werden wir nach allen Regeln der Analogie zu dem Schluß geführt, daß auch die Ursachen einander gleichen und daß der Urheber der Natur dem Geist des Menschen einigermaßen ähnlich ist, freilich im Besitz viel größerer Fähigkeiten, entsprechend der Größe des Werkes, das er hervorgebracht hat. Durch diesen Beweis a posteriori und durch diesen Beweis allein begründen wir zugleich das Dasein einer Gottheit und ihre Ähnlichkeit mit menschlichem Geist und Verstand" ('Dialoge über natürliche Religion', S. 19 f). 55 George Berkeley hat 1710 seinen 'Treatise concerning the Principles of Knowledge' (The Works of George Berkeley, ed by A. C. Fraser, Oxford 18 71, Bd. 1, S. 131 ff) veröffentlicht und darin die Möglichkeit, sich abstrakte Ideen zu bilden, mit ziemlich denselben Argumenten bestritten, wie sie Hume im 'Traktat' wiederverwendet. 56 Vergl. oben Anmerkung 12. 57 Ralph Cudworth (1617-1688), Vertreter des Kreises der sogenannten Cambridger Platonisten. Hume erwähnt ihn hier offenbar um zu demonstrieren, daß eine platonische Philosophie keineswegs notwendig zu Malebranches Okkasionalismus führen muß. 58 Diese Stelle ist eine Vorwegnahme einer Fußnote in der 'Untersuchung über den menschlichen Verstand', S. 73/ 88--89: „I need not examine at length the vis inertiae which is so much talked of in the new philosophy, and which is

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ascribed to matter. We find by experience, that a body at rest or in motion continues for ever in its present state, till put from it by some new cause; and that a body impelled takes as much motion from the impelling body as it acquires itself. These are facts. When we call this a vis inertiae, we only mark these facts, without pretending to have any idea of the inert power; in the same manner as, when we talk of gravity, we mean certain effects, without comprehending that active power. lt was never the meaning of Sir Isaac Newton to rob matter* of all force or energy; though some of his followers have endeavoured to establish that theory upon his authority. On the contrary, that great philosopher bad recourse to an etherial active fluid to explain bis universal attraction; though he was so cautious and modest as to allow, that it was a mere hypothesis, not to be insisted on, whithout more experiments. 1 must confess, that there is something in the fate of opinions a little extraordinary. Descartes insinuated that doctrine of the universal and sole efficacy of the Deity, without insisting on it. Malebranche and other Cartesians made it the foundation of all their philosophy. lt had, however, no authority in England. Locke, Clarke, and Cudworth, never so much as take notice of it, but suppose all along, that matter has a real, though subordinate and derived power. By what means has it become so prevalent among our modern metaphysicians?" (* Spätere Ausgaben der 'Untersuchung' haben statt ,matter' ,second causes'.) Wie vorsichtig Newton {1642-1727) tatsächlich die Ästherhypothese formuliert hat, zeigt deutlich folgende Stelle: „Ich habe noch nicht dahin gelangen können, aus den Erscheinungen den Grund dieser Eigenschaften der Schwere abzuleiten, und Hypothesen erdenke ich nicht. Alles nämlich, was nicht aus den Erscheinungen folgt, ist eine Hypothese und Hypothesen, seien sie nun metaphysische oder physische, mechanische oder diejenigen der verborgenen Eigenschaften, dürfen nicht in die Experimentalphysik aufgenommen werden. In dieser leitet man die Sätze aus den Erscheinungen ab und verallgemeinert sie durch Induction. Auf diese Weise haben wir die Undurchdringlichkeit, die Beweglichkeit, den Stoß der Körper, die Gesetze der Bewegung und der Schwere kennen gelernt. Es genügt, daß die Schwere existiere, daß sie nach den von uns dargelegten Gesetzen wir-

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ke, und daß sie alle Bewegungen der Himmelskörper und des Meeres zu erklären im Stande sei. Es würde hier der Ort sein, etwas über die geistige Substanz hinzuzufügen, welche alle festen Körper durchdringt und in ihnen enthalten ist. Durch die Kraft und Thätigkeit dieser geistigen Substanz ziehen sich die Theilchen der Körper wechselseitig in den kleinsten Entfernungen an und haften so an einander, wenn sie sich berühren. Durch sie wirken die elektrischen Körper in den größten Entfernungen, sowohl um die nächsten Körperchen anzuziehen, als auch sie abzustoßen. Mittels dieses geistigen Wesens strömt das Licht aus, wird zurückgeworfen, gebeugt, gebrochen und erwärmt die Körper. Alle Gefühle werden erregt und die Glieder der Thiere nach Belieben bewegt, durch die Vibrationen desselben, welche sich von den äußeren Organen der Sinne, mittels der festen Fäden der Nerven bis zum Gehirn und hierauf von diesem zu den Muskeln fortpflanzen. Diese Dinge lassen sich aber nicht mit wenigen Worten erklären, und man hat noch keine hinreichende Anzahl von Versuchen, um genau die Gesetze bestimmen und beweisen zu können, nach welchen diese allgemeine geistige Substanz wirkt." - (Isaac Newton, 'Mathematische Prinzipien der Naturlehre', mit Bemerkungen und Erläuterungen herausgegeben von J. Ph. Wolfers, Berlin 1872, Nachdruck Darmstadt 1963, S. 511 f). 59 Vergl. Humes 'Traktat', Buch I, Teil IV, 5. Abschnitt: Von der Unkörperlichkeit der Seele; Locke, 'An Essay Concerning Human Understanding', Buch IV, Kap. III: Of the Extent ofHumanKnowledge,§ 6;Berkeley, 'PrinciplesofHuman Knowledge', in: The Works of George Berkeley, ed. by A. C. Fraser, Oxford 1871, Bd. 1, § 135 ff. Wenn Hume sagt, erbestreite nicht die Immaterialität der Seele im gewöhnlichen Sinne, aber den Sinn der Frage, welcher Art von Substanz die ~eele sei, so könnte er sich auch auf folgende Steile bei Berkeley berufen: „I say ... that I have a notion of Spirit, though I have not, strictly speaking, an idea of it. .. I know what I mean when I affirm that there is a spiritual substance of support of ideas, that is, that a spirit knows and perceives ideas. But, I do not know what is meant when it is said that an unperceiving substance hath inherent in it and supports either ideas or the archetypes of ideas. There is therefore upon the whole no parity of case between Spirit and Matter" ('Three Dialogues', Works Bd. 1, S. 328 u. 329). Hume hat seine

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überlegungen noch einmal sehr klar und präzis in dem Essay 'Of the Immortality of the Soul' (Philosophical Works, Green/Grose, Bd. 4, S. 399 ff) niedergelegt, diesen Essay aber unveröffentlicht gelassen. 60 Vergl. Clarke, 'A Discourse Concerning the Unchangeable Obligations of Natural Religion, and the Truth and Certainty of Christian Religion', London 1706 (FaksimileNeudruck der Londoner Ausgabe, Stuttgart-Bad Cannstatt 1964), S. 47: „ ... that from the different relations of different Persons one to another, there necessarily arises a fitness or unfitness of certain manners of behaviour of some Persons towards others: is as manifest, as that the properties which flow from the Essences of different mathematical Figures, have different congruities or incongruities between themselves ... "Und vergl. William Wollaston (1660-1724), 'The Religion of Nature Delineated' (1722), sowie Humes Kritik an Wollaston im 'Traktat', Buch III, Teil II, 1. Abschnitt (461 Fußnote/II 202 Fußnote). 61 Neben den in Anmerkung 3 genannten moralphilosophischen Schriften Hutchesons wird Hume auch das 1742 erschienene Werk 'Philosophiae Moralis Institutio Compendiaria' im Auge gehabt haben. 62 Vergl. zur Differenzierung der Bedeutung von ,natürlich' den 'Traktat' 473 ff/II 215 ff sowie die 'Untersuchung über die Prinzipien der Moral' 307 Fußnote/ 161 Fußnote. Daß sich der Autor des 'Traktats' der Problematik seiner Charakterisierung bewußt sei, kann Hume umso leichter sagen, als es schon 1 739 im Briefwechsel mit Hutcheson um diesen Punkt ging. Hume antwortete der Kritik Hutchesons am 17 .9.1739: „I have never call'd Justice unnatural, but only artificial" (Greig Bd. 1, S. 33 ). Das trifft, was Hume ausdrücken will: Gerechtigkeit ist dem Menschen nichts Unnatürliches, aber er besitzt sie nicht auf Grund dessen, was unabhängig von seinem Verhältnis zu anderen Menschen seine Natur ist. 63 Diese Stelle ist undurchsichtig. Hume will einerseits daran festhalten, daß die moralische Verpflichtung, sein Versprechen zu halten, künstlich ist, das heißt: nur besteht, wenn die Menschen in Verhältnissen der Assoziation leben und wenn konventionelle Bedingungen gegeben sind. In dem Sinne, daß es die Institution des Versprechens nicht gäbe, ist das Versprechen nicht „independent of society". Daraus soll

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aber nicht, wie das Pamphlet unterstellt, folgen, daß auch jeder einzelne Akt des Versprechens, wäre er „independent of society", also zum Beispiel nicht öffentlich oder in der Einsamkeit vollzogen worden, nicht moralisch verpflichtend wäre. So weit erstreckt sich der Begriff einer künstlichen moralischen Verpflichtung nicht. Humes These ist also: es gibt gewisse Tugenden, die künstlich sind, sofern sie auf institutionellen Voraussetzungen basieren, aber für das Verhalten der Individ~en gelten die entsprechenden Forderungen dann fraglos, also gleichsam natürlich.

NAMENREGISTER

Arnauld 131 Bacon 10, 11, 130 Berkeley 110, ll l, 118, 119, 130, 134, 143, 145 Butler 10, 11, 131 Cicero 100, 101 Clarke 104, 105, 114, 115, 118, 119, 142, 144, 146 Cudworth 114, 115, 143, 144 Descartes 46, 47, 104, 105, 114, 115, 134, 142, 144 Hobbes 90, 91, 138, 139, 140, 142 Huet 100, 101, 140, 141 Hutcheson 10, 11, 118, 119, 120, 121, 130, 146 Jakob 129 Kant 130

Leibniz 10, 11, 131 Locke 10, 11, 14, 15, 16, 17, 114, 115, 118, ll9, 130, 131, 132, 133, 144, 145 Malebranche 16, 17, 114, 115, 131, 132, 133, 134, 143, 144 Mandeville 10, 11, 130 Nicole 131 Newton 114, 115, 144, 145 Shaftesbury 10, 11, 130, 131 Sokrates 98, 99 Spinoza 84, 85, 138, 139, 142 Tacitus 66, 67, 136 Tillotson 104, 105, 141 Wollaston 118, 119, 146