Abaellino, der grosse Bandit [Reprint 2021 ed.]
 9783112429983, 9783112429976

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A b ä l l i n o der große Bandit.

Berlin: C. G. Flittnersche Buchhandlung. 4 8 2 3.

Inhalt.

Seite Erstes Buch.

Erstes Capitel. Die Verwandlung

-s

Zweites Capitel. Die Banditen................................................ 4i

Drittes Capitel. Die Bauditenwohmmg.................................... 48 Viertes Capitel. Banditenphilvsophie.

.... a 2



Inhalt.

Fünftes Capitel. Die Einsamkeit.

.....

Seite 62

Sechstes Capitel. Rosamunde, die schöne Nichte des Dogen. .

67

Siebentes Capitel. Fortsetzung............................................

76

Achtes Capitel.

Entdeckungen.

79

ÄeunteS Capitel. Mollas Häuschen.

91

Zwcites Bnch.

Erstes Capitel.

Der Geburtstag-

.

Zweites Capitel.

Flodoard.

118

Inhalt.

Seite

Drittes Capitel. Neuer Lärmen.

.

...

.

129

.

.

i55

.

.

1'18

.

.

155

.

.

163

.

172

Viertes Capitel. Das Veilchen.

.

.

Fünftes Capitel. Abällino.

.

.

.

.

.

Sechstes Capitel. Die Entdeckung. .



,

Drittes Buch.

Erstes Capitel. Flvdoard und Rofamnnde. .

.

Zweites Capitel.

Ein fürchterliches Versprechen.

Drittes Capitel. Die nächtliche Verschwörung.

184

Inhalt.

Seite

Viertes Capitel. Der wichtige Tag.

.

19t

Fünftes CapitelHöllenangst.

.

ÄOO

Sechstes Capitel. Geistererscheinungen. .

.

.

.

207

Siebentes Capitel. Nachschrift.

.....

225

Kaum

Nota für den Buchbinder. Die Blätter, in. IV. V. und VI. werden auf

dem ersten Bogen ausgeschnitten,

und die auf dem

Titelbogen angedruckten dafür angeheftek.

■jV aum wird dcm schönen Lande,

das oct

Apennin theilt und Meer und Alpen uitzge-

bcn, häufiger ein Vorwurf gemacht, als daß cs von Räubern wimmle und daS Leben des

Reisenden in Gefahr setze,

der die Trüm­

mern der gesunkenen Herrlichkeit alter Zei­

ten,

die Leistungen des spätern Geschlechts

und die Reize der reichen

Natur gern an

Ort und Stelle anschaucn möchte.

Auch ist

der Vorwurf nicht grundlos und Ereigniste

genug, selbst der neusten Zeit,

beweisen die

Wirklichkeit solcher Gefahr.

A

Es ist wohl kein Land, besonders keine

große Stadt auf Erden, wo es nicht Böse­ wichter geben sollte, die für Geld einen Wehr­

losen aus dem Wege zu raumen entschlossen

wären.

Wenn sich in Nom und Neapel der­

gleichen etwas häufiger ereignet, als in an­ deren ähnlichen Städten, so ist vorzüglich die

schlechte Straßen-Polizei und sung daran Schuld.

die Verfas­

Nicht einmal Straßen-

Beleuchtung ist eingeführt;

ja sobald die

Schorköpfe und Blaustrümpfe, nachdem die

Franzosen Rom verlassen hatten, wieder zu-

rückkehrtcn,

war eine ihrer ersten Thaten,

die von den Franzosen eingerichtete Straßen-

Beleuchtung wieder aufzuhebcn.

Und doch

sind in Italien die Abenddämmerungen kür­ zer, die Nachte dunkler, als diesseit der Al­

pen, die Menschen Abends mehr und häufi­ ger in Bewegung.

In Neapel wohnt über­

dies eine bedeutende Zahl von Menschen blos

auf der Straße;

natürlich,

daß cs unter

III diesen welche giebt,

die gern für geringe Außerdem ist

Mühe viel Lohn cinnehmen.

die Regierung in Rom und Neapel kraftlos gegen die

Großen,

Geistlichen;

gegen

die

vornehmen

und diese pflegen nicht in Pri­

vathandeln ihr eigenes Leben gegen daS ih­ res Feindes zu wagen, sondern einer bezahl­

ten Faust sich zu bedienen, ohne eigene Ge­ fahr.

Die fremde Faust ist um so leichter

zu finden,

da die vielen Gerichtsbarkeiten

und Asyle dem Mörder überall sichere Zu­ flucht eröffnen.

Erwägt man dazu den Ein­

fluß abergläubischer Meinungen auf den ge­ meinen Haufen in Italien,

bewundern,

so ist eher zu

daß die Zahl der Räuber und

Mörder nicht noch größer ist.

Diese Men­

schen meinen, für das Murmeln unverständ­

licher Worte, ohne alle Sinnesänderung, ja mit dem Vorsatz zum Raubmord im Her­

zen, Vergebung der begangenen Sünden und

derer zu erlangen,

die sie zu thun willens

A 2

sind,

und

ein

priesterliches Gebet könne

Gort wie durch Jauberbann zwingen, ärgsten Bösewicht zu begnadigen;

den

ein Duz-

zend Mordthaten sei viel geringeres Verbre­

chen, als FleischefftN am Freitage.

Solcher

Aberglauben ist bei Gott sehr geeignet, innere

die

Stimmen,

die

den Menschen zum

Guten ruft, zu ersticken. — Das Volk eilt

einem Waldbruder,

Verehrungsvoll zu

küßt

andächtig

die

Hande

jenes

mönchs, aber es wnß es wohl,

es

Bettel­

daß dieser

jetzt in der Kutte für manche vormals be­

gangenen

Unthat Buße

thut,

daß

jener

einst Räuber im Gebirge war und noch jetzt oft nächtlichen Besuch von Fremden erhält: so giebt es selbst unwürdige Diener der Re­

ligion, die deren heilsamen Einfluß auf die Gemüther schwachen. Noch ein Umstand

macht

gewöhnlich,

daß der gemeine Mann in Italien, er sich erzürnet,

wenn

sofort zum Mester greift;

er hat keine andere Waffen.

Die steinernen

Hauser mit Sitzen von Stein gewahren ihm

nicht sofort Schemel und Banke,

deren er

sich in seinen Zankereien bedienen kann, ja er hat nicht einmal einen Stock.

land geht jeder Bauer,

rüche zu tragen hat,

In Deutsch­

wenn er nicht Ge­

mit einem Stecken in

der Hand; in Italien nicht; womit also soll

er sich wehren?

Mit dem Messer,

als Weinbauer immer,

schaffenheit bei sich führt.

daö er

und in guter Be­

So gewöhnt er

sich von Jugend auf an Wunden und blu­ tige Handel, wahrend dieffeit der Alpen die

zankenden Bauern mehr Lärm und Geschrei machen, aber ihre Handel mit leichten Stock­

schlagen enden, die der trunkene Empfänger nach dem Ausschlafen vergessen hat.

Die Banditen sind eine andre Sorte

von Räubern,

die Italien ganz eigenthüm­

lich hat; sie haben einen historischen Ursprung. Wesentlich

benannte

man so die Truppen

der Condottieri, die in Italien an die Stelle der Fcudalheere traten und überhaupt das erste Beispiel stehender Heere unter den christlichen Völkern des Abendlands gaben. Das Land, das allen anderen Ländern

Gesetze gegeben hatte,

erfuhr vom fünften

Jahrhundert an den Wechsel der Dinge, und wurde zuerst die leichte Beute des Mieths-

hecres von Barbaren,

das die Schatten-

Kaiser des Abendlandes gegen andere Bar­

baren in Sold genommen hatten, allein durch nichts im Gehorsam erhalten konnten.

Wer

die Macht hat, dem gehört das Recht, und

der Scepter entfallt jeder Hand,

die das

Schwert nicht halten kann. So bestieg denn der

Feldherr

des

Miethsheeres

Italiens

Thron, wurde aber bald von dem Ostgothcn Dietrich verdrängt, unter deffen unglücklicher

Tochter scholl Italien aufhörte,

sches Ganze zu bilden.

ein politi­

Lange stritten die

Cvnstantinopolitanischcn Heere mit den Go-

Vif

tficn um den Besitz des Landes, und nie ge­

lang cs den Römern, erobern.

es völlig wieder zu

Neue Barbaren, Longobardcn, folg­

ten den Gothen,

und setzten sich allmahlig

in Nord-Italien fest, wahrend die Lst-Rö­ mer den Süden Italiens inne behielten. Auch wahrend

der Frankenherrschaft blieben

Meister von

Neapel,

sie

und die Normanner

erst machten ihrer schwachen Herrschaft ein völliges Ende.

Nord - Italien versuchte nach dem Fall

des Frankcnreichs seine Unabhängigkeit wie­

der zu erhalten, doch, die Deutschen wurden

aufs neue Herren des Landes, und nie seit­

dem haben sic aufgchört,

einen Theil Ita­

liens zu behaupten, wie wiederum die Ita­ liener nie aufgchört haben,

obwohl immer

vergeblich und unvollständig, nach National­

unabhängigkeit zu ringen.

Sie ging beson­

ders darum verloren, weil durch den langen Streit

zwischen Deutschen und Italienern,

der sehr bald die Form eines Streits zwi­

schen Kaisergcwalt und Kirche annabm, Ita­ lien

in eine Menge

kleiner

unabhängiger

Staaten zerfiel, deren Eifersucht und Hader alle Nationalmacht Italiens auflöste.

Jur

Zeit der Hohenstaufcnschen Kaiser und kurz nach derselben war keine Stadt in ganz Ita­ lien, in welcher nicht die Einwohner in zwei Parteien getheilt waren; siegte die eine voll­ kommen über die andre, so mußte diese aus

der Stadt «Landern.

Solche Ausgewanderte

hießen Fuoruscitti.

Junachst im Krieg mit

der Gegenpartei führten sic oft auch Krieg

mit allen, von denen sie Subsistenzmittel zu

erbeuten hoffen konnten,

und bildeten die

ersten Räuberbanden Italiens,

stehend aus

obgleich be­

dem ersten Adel des Landes,

und Herren desselben,

Gegenpartei zu stürzen.

wo cS gelang,

die

Als durch die In­

dolenz der Habsburgschcn Kaiser die Gibcllinen überall unterlagen,

bildeten diese bc-

waffncte Banden, angeführt von Hauptl-'ngcn, die mit den Fürsten, die sie brauchen woll­

ten, Accorde schloffen,

und so deren Kriege

auöfochtcn, ohne darum Unterthanen dersel­ ben zu werden.

Der Krieg wurde nun Me­

tier der Condottieri und ihrer Banditi. Bald

war kein anderer Italiener mehr Soldat,

und eö trat das Verhältniß wiederum ein,

welches im vierten und fünften Jahrhunder­ te stattgcfunden hatte, mit dem Unterschiede,

daß die italienischen Regenten damals Aus­ länder, Barbaren, in Sold nahmen, die je­ tzigen aber vertriebene Italiener

miethete»».

So wurden alle innere Kriege Italiens blos Kampfe bezahlter Banditcnhaufcn,

die sich

gar nicht für die Sache intereffirten, die sie

verfochten, und, wenn ihr Accord mit dem ersten Miether aus war, unbedenklich in den Sold des Feindes traten, sobald dieser mehr

bot.

War Friede, so suchten diese Banden

X Schlupfwinkel im Apennin und Unterhalt von

der Landstraße. Diese Banden waren cs nun, die den stehenden Heeren der neusten Zeit zum Mo­

dell dienten.

Diese entstanden nämlich un­

ter Ferdinand II. durch Wallenstein, der dem

Kaiser, der keine Armee hatte, und von sei­

nen

größtenthcils protestantischen Standen

auch keine aufzubringen hoffen durfte,

als

Cyndotticre aus der Verlegenheit half. Nichts als Geld verlangte er vom Kaiser; dies vertheilte er an Unternehmer, die dafür sich an­ heischig machen mußten, eine Anzahl Leute zu stellen und zu bewaffnen,

und Verlust.

auf Gewinn

So bekamen die

Regenten

Armeen, die blos Werkzeuge ihres Willens, gleich stark gegen die eigenen Unterthanen,

als gegen die Feinde,

von allem Interesse

für irgend eine Sache, irgend ein Land, völ­ lig entfernt, blos um Sold und Berechtigung zu

jeder

Art

von Gesetzlosigkeit dienten.

Wenn auch Nationaltruppen unter diese Ban­

den gemischt wurden, so blieben sie doch die Hauptmassen, bis die Revolution wieder die

Völker bewaffnete.

Die geringe Achtung,

in der diese Banden standen, die Kluft zwi­

schen Officieren und Soldaten, als zwischen Miethern und Gemietheten, daß Compagnie­ kaufen der ersten, daß Werb - und Beurlau­

bungssystem

alles dieß erhalt durch diese

Erinnernng an den Ursprung dieser Einrich­

tungen Zusammenhang, Conscguenz und Sinn und der Unterschied zwischen solchen stehen­ den Heeren und Nationalarmcen fallt mit

allen seinen Folgen in die Augen. In Italien dauerten diese Banditi bis

in daö siebzehnte Jahrhundert fort, und ga­ ben den Anlaß zur Entstehung des Raubersystemö, das noch jetzt nicht ausgerottet ist, vielmehr blos durch Napoleon auf eine Wei­

le unterdrückt, nach dessen Fall kräftiger und

furchtbarer als je hervortrat,

vor kurzem

XII

auch im römischen Gebiet eine völlig organisirte und bewaffnete Eriftenz hatte, und

mit der römischen und neapolitanischen Re­ gierung öfter in Einverständniß, als im Krie­ ge war.

Die Nothwendigkeit, Obdach und Schutz zu haben, wenn etwa Nachforschungen entstan­

den, zwang die Banditen, sich mit den Einwoh­

nern kleiner Städte oder Dörfer im Apennin zu verbinden, und diese verstärkten bald ihre

Reihen, wenn eS eine einträgliche Unterneh­ mung galt, bald traten sie wieder aus den­ selben heraus, die ruhigen Einwohner vorstel­

lend, die sie ausser ihrer Genossenschaft mit den Räubern wirklich waren.

Da aber ohne

gesetzliche Form und Ordnung keine Ausfüh­ rung eines Unternehmens, keine Theilung der

Deute, mit einem

Worte, nicht einmal ei­

ne Räuberbande denkbar ist, die gesetzlose­

ste aller möglichen Gesellschaften, so mußten sich die verbündeten Einwohner, mindestens

Xfll

so weit ihre Theilnahme an den Rauberzü-

flfti ging, den Condottieri der Banditen un­ terwerfen, und streng deren Befehle ausfüh­

ren.

So begreift man wohl,

wie' eS mög­

lich war, daß eine Sicherheitskarte eines Con­ dottiere in Tyrol ertheilt, in Sicilicn respectirt

wurde, und wie diese Menschen mehr als eine Prahlerei aussprachcn, wenn sie sich Könige der Walder und Gebirge nannten. Als Italien im siebzehnten und achtzehn­ ten Jahrhunderte mehr innere Ordnung, und

Ruhe genoß, als seit fast anderthalb tausend Jahren der Fall gewesen war, hörten die

Parteienkampfc in den mehr Sicherheit erlan­ genden kleinen Staaten allmahlig auf, und

keine FuoruScitti verstärkten mehr die Rei­ hen der Banditen, obgleich diese noch immer

fortfuhren, mit einzelnen Aristokratenhauptcrn, besonders des Kirchenstaats, zu stehen.

in Verbindung

Die Fürsten mietheten nicht mehr

Vanditenhaufen, und«chald blieben diese bc-

schrankt auf die Kleinstädter und Bauern des

Gebirgs, die anfangs blos ihre Genossen ge­ wesen waren.

Allein die Erfahrung hatte

sie den Vortheil, ja die Nothwendigkeit der strengen Disciplin unter dem Oberhaupte ken­

nen gelehrt, und so behielten sic die alte Ehr­

furcht, den alten Gehorsam,gegen ihre Con­ dottieri bei,

die jetzt nicht mehr leicht Ari-

stokratenhäupter und Fürsten

waren,

wie

wohl ehedem, sondern mehr durch Kühnheit

und Thätigkeit ausgezeichnete Räuber selbst,

die jedoch Verbindungen unterhielten, welche der

ganzen

Gesellschaft

Schutz

gewahren

konnten, und äußere Bildung genug haben mußten, um in den Hauptstädten eine Rol­

le spielen zu können,

die sie in den Stand

setzte, alles genau zu erfahren, was der Ge­

sellschaft nützlich sein konnte. Je kraftloser eine Regierung, je unab­ hängiger und mächtiger dargegen der Feudal­

adel,

auch wohl die, höhere Geistlichkeit in

einem italienischen Lande war, desto besser gediehen in demselben die Banditen. So war besonders Rom, Neapel und Sieilien ihr Paradies. Die Gebirge und Walder, be­ sonders in Neapel, den Abrutzen und Kala­ brien, die unabhängigen Baromeen in Siei­ lien, deren Besitzer die Banditen jetzt noeh brauehten, wie einst die größeren Fürsten Italiens, als Werkzeuge ihrer Gewaltthaten, waren von Bewohnern angefüllt, die neben ihrer Unterthanenpflicht eine zweite, viel hei­ ligere, gegen ihren Condottiere erkannten. So gab es keine heimathlosen Räuberbanden in den Bergen, die da wie ein feindlich Heer auf Kosten des Staates lebten, und seine Sicherheit gefährdeten, sondern es gab in ganzen Provinzen, namentlich im römi­ schen und neapolitanischen Gebiet, überall umher Einwohner, die Haus und Feld hat­ ten, Gewerbe trieben, sich als Gesinde, als Postillons vermietheten, in dem Staatsdienst,

wenigstens in Subalternen - Aemtern, ange­

stellt waren, und nebenher einem Condottie­

re gehorchten, der, in den Hauptstädten als ein Vornehmer lebend, sein Ansehn erhielt,

wenn er ihnen Gelegenheit zu einträglichen Unternehmungen schaffte, und doch alles so zu leiten wußte,

daß die Regierungen ent­

weder gar keine Nachfrage wegen der ver­

übten Straßenraubcreien oder Verwüstungen des Eigenthums der Feinde ihrer Beschützer

hielten, oder daß diese doch unkraftig genug geführt wurde, um die Sicherheit deS Bun­

des nicht zu gefährden. Von allen italienischen Staaten war kei­

ner von dieser Verbindung freier, als Tos­ cana, besonders seit der Mitte des achtzehn­

ten Jahrhunderts.

Nachstdcm durften sich

diese Genossen in der östcrrcichschen Lombar­ dei nicht merklich erheben,

wenn sic nicht

schnell und nach kurzem Proceß hingerichtct

sein wollten.

Viel kühner und freier waren

sie in den Republiken, obwohl Venedig we­ nigstens die Ehre gebührt, nie in förmlichen

Bündniffen mit ihnen gestanden zu haben.

Auch von der Turiner Regierung kann man dasselbe sagen, wenigstens auf dem Festlande; auf der Insel gab eS eher Baronen, die ihre Unabhängigkeit durch Banditen zu behaupten,

und sich furchtbar zu machen suchten.

Aber

Rom und Neapel blieben deren Hauptsitze,

und im nördlichen Italien wurden von den dort hausenden Condottieri bloß einzelne Ver­ bindungen unterhalten.

Man kann leicht denken, daß es dieser Condottieri oft mehrere zugleich, vielleicht oft .unter sich feindselige gab, daß manchmal ei­ ner sich ein besonderes Ansehn zu geben, und

allen Raubgenoffcn Italiens sein Gesetz auf­

zulegen verstand, und daß hieraus mannich-

fache Verwicklungen hervorgingen, besonders

daß es Mühe kostete, ehe einer sein Ansehn B

recht befestigte.

Diese Einzelheiten der Ge­

schichte der italienischen Banditen weiß kein Mensch genau,

und sie sind allerdings ein

nicht zu verachtendes Feld für die Phanta­ sie der Dichter, die hier Stoff genug zu aben-

theucrlichcn und grauenhaften Romanen ge­ sucht und gefunden haben.

Auch ist diese

Quelle der Erfindung noch lange nicht er­

schöpft,

und zum wenigsten sind ihre Aus­

flüsse nie so geisterverwirrend und verderb­ lich, als die ewigen- Gespenster-Spuk-He­

xen- und Prophetengeschichten, mit welchen

jetzt Deutschlands Dichter insonderheit die jugendlichen und schwachen

Gemüther um

die Wette verderben und Deutschlands Lite­ ratur im Auslande lächerlich machen.

Als Napoleon im Anfang des laufenden Jahrhunderts

seine

Herrschaft über

ganz

Italien befestigte, ergriff er das einzige rech­ te Mittel, diesem noch immer sehr verbreiteten

und furchtbaren Banditenwesen ein schnelles

Ende zu machen.

Bisher hatte man, so oft

eine Gewaltthat verübt worden, vor allen

Dingen die Untersuchung mit Auemittelung der Thäter angefangen.

Da diese nun, wie

begreiflich, fast niemals ausgemittelt werden

konnten, auch, im seltnen und unwahrschein­ lichen Entdeckungsfalle, ein großes Interesse hatten, ihre Verbündeten nicht zu verrathen, weil sie von diesen noch unter dem Galgerr befreit zu werden hoffen konnten; so gewahr­

te die Justitz in Italien gegen die Banditen

keine Sicherheit, und die seltenen einzelnen Hinrichtungen waren ohne Nutzen.

Jener

eben so kräftige als weise Gesetzgeber aber

machte die Commune, auf deren Grund und

Boden die That verübt war, verantwortlich. Konnte sie den Thäter nicht ermitteln, und

den Schaden so gut als möglich ersetzen, so wurde sie unter das Kriegögesetz gestellt, alle B 2

XX

dienstfähige Mannschaft aus derselben weg« geführt und

zum Kriegsdienst gezwungen,

Soldaten in den Ort gebracht, und deren

Commandanten volle Civil-und Justizgcwalt

eingeräumt.

Da horten die Banditen avf,

und Italien war zum erstenmal nach ändert«

halb Jahrtausenden sicher. Kaum war der große Mann gefallen, als alle wieder hervorkrochcn, die seine Majestät

verscheucht hatte; auch die Banditen.

Wie

hätten sie ausbleiben sollen, sie, die so man­ chem Großen, so manchem hohen Geistlichen

nützliche Dienste geleistet, und gerade das

verschafft hatten, was unter Napoleons Herr­

schaft für ihn unerreichbar gewesen war? Wie die Verscheuchten wieder zur Macht ge­ langt waren, organisirten sic auch wieder die Werkzeuge ihrer Macht, und wie alles, was

eine Weile unterdrückt, aber nicht erstickt worden, wenn der Druck aufhört, und es

XXf

wieder Athem gewinnt, kräftiger als je sich zu äußern pflegt, so auch die Banditen. Peter

der Calabrese war ihr erstes, Oberhaupt.

furchtbares

Er ließ ganze Schulen aufhc-

ben, um aus den Söhnen der Reichen Geißeln zu bilden, die feinen Fodcrungen Nachdruck

geben mußten.

Die österreichfche Regierung veranlaßte endlich die päpstliche zu ernsthaften Schritten gegen die

Räuber.

Eine kleine Stadt in

Apennin wurde von Grund auSzcrstört, und die Einwohner weggoführt, Streifzüge ge­

macht und die verdächtigen Bauern aufgeho­ ben.

Aus ihnen haben sich nun Fuoruscitti

aufs neue gebildet, wahrend sich die seßhaft gebliebenen Räuber,

besonders in den Ab-

rutzen,. Malvivcnti nennen.

In Neapel näm­

lich war die neue Königliche Regierung desto

nachsichtiger gegen die Räuber, von denen

welche förmlich als Soldaten in Staatsdienst

traten.

Noch

auffallender wurden sie in

Sicilien begünstigt, wo

sich ein begüterter

Fürst geradezu für ihren Protektor erklärte,

und sie als seine Leute anerkannte.

Jedem

Unbefangenen bleibt überlassen, zu beurthei­

len, ob bei also regierten Völkern der Wunsch nach Verbesserung der Verfassung verbreche­

risch ist, und Empörung zu heißen verdient. Als

die

österrcichschen

Heere Neapel

besiegt und erobert hatten, wagten die Ban­ diten, in ihrem Rücken Streifzüge vorzuneh­ men, und zur Armee gehende einzelne Offi-

eicre aufzuheben.

Diese kecke Ausforderung

endigte mit einer allgemeinen Jagd auf die

Räuber, und e6 steht zu erwarten, ob von

nun an die öffentliche Sicherheit in Abrutzo und Calabrien hergestcllt bleiben wird.

A

b

ä

I

l

i

n

der

g roße Bandit.

o

ÄZährend

des zweihundcrtjährigen Streits,

den das Haus Arragonien mit Frankreich um

den Besitz von Neapel und Sicilien führte und in welchem Sicilien niemals, Neapel aber

zum öfter»,

doch nie auf lange Zeit,

der Franzosen wurde,

Deute

hatte die arragonischc

Dynastie keine treueren Anhänger in Neapel, als das Haus Ohizzo,

Neapel begütert,

das in Sicilien wie in

allen seinen Einfluß widee

uG Frankreich geltend machte.

Frankreich, das an

Neapel und Sicilicn kein anderes Recht hatte, als die Politik eines verachteten und verhaßt

ten Pabstcs, der dem deutschen Kaiserhause den rechtmäßigen Besitz seines Erbes streitig machen

wollte, und cs dem Hause Anjou schenkte, mit demselben Recht,

mit welchem einer

Nachfolger Amerika verschenkte,

seiner

das so eben

zuerst den Augen kühner europäischer Schiffer

aus den Fluchen des Oceans erschienen war;

Frankreich,

das sich durch die schmähliche und

schändliche Hinrichtung des rechtmäßigen Kö-

nigs Conradin von Neapel, (1260) des einzi­ gen noch übrigen Abkömmlings des kaiserlichen Hauses Hohenstaufen, verhaßt,

zügellosen

Ausschweifungen

und durch die

seiner

Soldaten

verächtlich gemacht hatte; dessen Macht in Sicilien (1282) durch Vertilgung aller Franzosen

auf der Insel, ihrer Frauen, ihrer Kinder und

ihrer Freunde vernichtet war, hatte nicht einen Anhänger "unter den Eingebornen, der im Ru­ fe der Rechtlichkeit stand.

Blos ritte Rotte

27 von Bösewichtern,

der Auswurf und die Vcre

achtung ihres Volks, hielt ihre Partei.

Eine

Zeitlang lähmte Furcht die Gemüther, und in

der That: wäre Karl von Anjou eben so klug und kräftig gewesen,

als er aufgeblasen und

hochmüthig war, so hätte er Italien behaupten können.

Die Deutschen hatten eS damals verc

Gibcllincn

waren

ohne Stühe

gessen;

Idie

punct,

die Guelfcn ohne Widerstand; — der

Strom verflacht und wird zum Sumpfe, wenn seine Ufer einsinken.

Ganz den Geistlichen in

die Hände zu fallen, war wohl nie der Wunsch,

selbst der eifrigsten Guelfcn gewesen.

Ein ge­

schickter Mann hätte alle» gewinnen können,

aber kein Karl von Anjou;

bei seinem bloßen

Namen beschlich ein Gefühl der Erbitterung jeden, der ihn nennen hörte.

So gelang es dann seinem Todfeind, Jo­

hann von Procide, dem Rächer dcS edlen Con» radins, Sicilien ganz wider diesen dünkclvolr len Königsmörder zu empören,

und cs dem

letzten Zweige der normannische» Fürsten, der

auf Arragoniens Throne grünte,

zuzuwenden..

Aber in Neapel erhielt sich das Unglück der

Aniouschen Herrschaft, biS die zügellose Män, ncrmördcrin Johanna eben so hingerichlck ward, wie ihr Großvater hatte Conradin hinrichtcn lassen.

Noch währte cs jedoch über fünfzig Jahre,

ehe Arragvnicn seine Herrschaft über Neapel eben so,

wie über ©teilten befestigte.

Mit

Alfons V. von Arragvnicn und ©teilten kommt

die ©icilianische Familie Obizzo mit nach Ne« apel, und wird hier, wie dort, durch die könig-

liche Gnade begütert und mächtig.

Ein Hauptsturm war noch übrig; der König von Frankreich kam mit aller seiner Macht

nach Italien, und eroberte Neapel — auf wer

nige Wochen.

Doch reichte ihm diese Zeit hin,

um die Freunde des arragonischen Hauses, na­

zu ächten.

Allein

kurz war die Dauer dieser Aechtung,

wie die

mentlich auch die Obizzi,

der Herrschaft Karls des achten.

Ferdinand

von Arragvnicn stellte bald die Ordnung her.

«S Mit Wärme schlossen sich die

Obizzi an de»

edlen Friedrich, Ferdinands Nachfolger.

Als aber Ferdinand der Katholische wider seinen

sich

Verwandten Friedrich mit Lud-

wig XII. von Frankreich verbündete, wurde be­ schlossen, das HauS der Obizzi ZU opfern. Die

Veranlassung gab jugendliche Aufwallung und Heftigkeit des Grafen Fernando Obizzo,

älte­

sten Sohns des Majoratehcrrn.

Dieser war Adjudant des Gouverneurs za Palermo,

als eine französische Gesandtschaft

daselbst ankam, um dem Adel des Königreichs Sictlien die Rechte des Hauses ANjo« auf die

beiden Throne auseinander zu setzen, die Ent­ thronung des Königs Friedrich, die von Ferdi­ nand und Ludwig gcmcinjchaftlich beschlossen sei,

anzuzeigen, und sie aufzufordern, so lange bei­

den Königen gemcinichaftlich zu huldigen, bis

unter ihnen die Theilung zu Stande gekommen

sei.

Auf Befehl des Gouverneurs wurde diese

Gcsandschaft zu Palermo verhaftet,

und bei

dieser Gelegenheit gcrieth Graf Obizzo mit dem

2o ersten der Gesandtschaft in so heftigen Streit, daß beide die Degen zogen,

und der Franzos

eine Wunde empfing, an welcher er nach wenir gen Tagen starb.

Obizzo halte sich sogleich aus

dem Staube gemacht,

und cs blieb ihm nach

dem Tode des Gesandten nicht- übrig, als Sir eilten heimlich zu verlassen Mit großer Mühe, und nur nach völliger Enterbung des Fernando

Obizzo konnte die Confiscation des Vermögens der ganzen Familie abgcwcndet werden;

aber

alle Mitglieder derselben wurden auf ihre Gür ter verwiesen und aller Staatsämter entsetzt. Eine Venezianische Fclukc hatte den Verr

schulder alles Unheils, den jungen Obizzo, in Messina an Bord genommen,

wußte,

ohne daß man

wer er war, und er kam unerkannt

glücklich nach Livorno. Von hier eilte er sofort zu einem ihm verr

wandten Prälaten zu Florenz; allein dieser machte ihn auf die große Unsicherheit aufmcrkr

sam, die überall für ihn sei, wo man nur im mindesten argwöhne» könne, aus welchen Grünr

3i

den er sich verberge.

Der einzige italienische,

ja europäische Staat, in welchem weder Franko

reich noch Spanien Einfluß und Credit hatten der ihm verderblich werden konnte, schien 93c# ncdig zu sein. Las damals auf dem Gipfel der

Macht und des Reichthums

stand.

nahm den Namen Flodoardo an,

Obizz»

und unter

diesem empfahl ihn der Prälat an einen Sense

tor zu Venedig, Ludwig Canari, einen höchst

angesehenen Mann und vertrauten Freund des Doge Andreas Gritti.

Von ihm wurde Obizzo als Flodoardo von Florenz

bei Venedigs Adel eingeführt,

der junge,

schöne,

geistreiche,

und

beherzte und

höchst bestimmte Ritter fand allgemeine Aus,

zeichnung, so wenig seine Geldmittel denen der vornehmsten jungen Vcnetiancr gleich kamen. Selbst der Doge wollte ihm wohl,

und war

nicht abgeneigt, ihn zum Dienste der Republik zu verpflichten, so schwierig dies für einen Aus,

länder bewerkstelligt werden konnte.

Flodoar,

do mußte dies um so mehr wünschen, da seine

32

Baarschaft nicht überllüssiq groß, regelmäßige Unter(tüfeung aus Neapel für ibn, den sein Daker verleugnen mußte, unmöglich, und die Aussicht, in seine Rechte wieder eingesetzt zu wert den, sehr schwankend war. Sie beruhte hauptsachlich auf König Friedrich, der jedoch sich selbst nicht helfen konnte. Fiel er und blieben die "Franzosen Meister in Neapel, so war er ver­ loren; blieb Ferdinand der Katholische Herr, so war seine Begnadigung mindestens sehr un­ gewiß. Sie erfolgte endlich dennoch, nachdem Ferdinand den französischen König getäuscht, und von allem Besitz in Italien ausgeschlossen hatte, durch Verwendung des großen Gonzalo von Cordova, seines Feldherrn. Was sich mit Floboardo in Venedig während seiner Verban­ nung zutrug, erzählt die folgende Geschichte.

33

Flodoardo halte unter anderen lobcnswerthen Eigenschaften auch die,

gegen Niedere

freundlich und höflich zu sein; das Gegentheil der

jungen Pcnctiancr, die gewöhnlich herrisch und brutal gegen solche Leute, sie höchstens würdig.ten,

das Ziel plumper Späße vorzustellcn.

Beiläufig ist diese Brutalität gegen Niedere

das Zeichen, daß der Vornehmere von der Na­ tur zu ihres Gleichen gestempelt, keine andre Art finden kann,

seine Ucberlcgcnheit gelten

zu machen, während der wahrhaftig Ueberlcgcne eher beflissen ist, den Schein anzunchmen,

als stände er mit ihnen auf gleicher Linie. Seine Freundlichkeit und Freigebigkeit hat,

te ihm die Freundschaft eines Gondelführers gewonnen, die ihm das Leben rettete, und gros­

sen Einfluß auf sein Schicksal, auf seine merk,

würdige That hakte.

Fast ausschließlich bediente sich Flodoardo der Gondel dieses Mannes, wen» er, was so oft als möglich geschah,

an den Verstimm,

lungen des Adels beim Doge Theil nahm.

C

34

Dem Scheine nach galt seine Aufmerksamkeit, -em Doge den Hof zu machen, seinem Bestre­ ben, in den Dienst der Republick zu kommen. Aber ein andrer, noch mächtigerer Beweggrund trieb ihn unwiderstehlich zum Dogen; besten schöne Nichte, Rosamunde von Corfu, die erste Schöne Venedigs nach dem Range, aber auch bei weitem das liebenswürdigste Mädchen, das je der feurige Neapolitaner ge­ sehen hatte. Zwar Flodoardo, der geächtete Abentheurer ohne Vermögen — und Rosamunde, die Nich­ te des Dogen, dessen Erbin, und jetzt schon die reiche Besitzerin ihres angestammten Ver­ mögens — welch ungeheure Kluft schien zwi­ schen beiden befestigt! Auch begriff Flodoardo wohl, wie sehr er mindestens zur Zeit seine Leidenschaft verbergen mußte; aber »nwidcrstchlich zog ihn Rosamunbens Reiz an, und er suchte sich ihr vorthcilhaft zu zeigen, mit der Sicherheit und Dreistigkeit, welche den auf der Höhe des Lebens geborncn Sohn des

55

Glücks so sehr vor dem cmporgckommcncn aus/ zeichnet. Die Natur hatte für ihn verschwenderisch gesorgt. Fast von riesenhaft großen, höchst edlem Wüchse, kräftiger Fülle der Bildung, überstrahlte er den ganzen vcnetianischen Adel noch mehr durch seine interessante, verständige, gefällige, doch höchst würdige Weise, sich zu bc/ nehmen, als durch seine Größe und Schönheit. Das glühende dunkle Auge drang in die Tiefe der Herzen, während der schön geformte Mund so sanft, und doch so edel, so wortreich, und doch stets so gehaltvoll sprach. Mütter und ihre Töchter hatten nur Eine Ueberzeugung — Flodoardo sei der erste Mann in Venedig. Schon mancher hatte er, ohne es zu wollen, den Schlaf geraubt, mancher angenehme Mor« genträume verschafft — auch Nosamunden. Wie hätte sie den gebildeten Gesellschafter, den gewandten Tänzer, den herrlichen Mann über/ sehen sollen, der so sichtbar cs darauf anlegte, von ihr bemerkt zu werden! C 9

Einst — es war Ball beim Doge,

Flodoardo voll Hoffnung,

und

als Rosamundens

Tänzer die Scheidewand auf Stunden zu ver­ gessen,

die das Glück zwischen ihr und ihm

über die Trümmer seiner früheren Ansprüche

aufgerichtet hatte — begann der Gondelführer wahrend der Fahrt nach des Doge Pallast zu

Flodoardo: Herr! Ihr möchtet Euch verkleiden wie Ihr wolltet. Euch kennte doch jeder,

so groß und

schön wie Ihr seid.

Flod. Wie kommst Du auf den Einfall, Al,

ter? Gond. Herr, weil ich Euch lieb habe. Flod. Du sprichst in Räthseln, guter Alter!

Gond. Weil ich Euch lieb habe, dauert Ihr mich.

Um Euch wärs wahrlich Schade,

und

ich fürchte, Ihr seid in Gefahr. F l o d. In welcher. Freund? Dächte ich doch, mit aller Welt in Friede zu leben.

Gond. Ihr seid ein Florentiner? Ihr seid kein Florentiner, Ihr seid ein FranjoS.

3?

Flod.

Da irrst Du sehr, guter Alter! ich

betheuere Dir bei meiner Ehre, daß ich kein

Franzos, sondern ein Italiener bin.

Gond. Nur nicht aus Florenz—Ihr spreche

gerade wie einer,

der das florentinische Ira,

licnisch gelernt hat,

nicht wie ein Eingebor,

ncr. Flod.

Du unterscheidest sehr fein.

(Man muß wissen, daß der neapolitanische Dialekt Wirklich sehr von anderen italienischen, besondervom venetianischen, ab sticht, Flodoardo aber, in der Bemühung, seine neapolitanische Abkunft zu verber­

gen, sich Mühe gab, florenrinisch zu sprechen.)

Gond. Nicht allein darum dacht' ich, Ihr

wart ein Franzos. — Herr Ritter, ich möcht'

Euch so gern was sagen, aber schwört mir, daß

Ihr

mich

nicht

Schwört mir,

unglücklich

machen

wollt.

mich bei allem aus dem Spiel

zu lassen, und Euch nie auf mich zu berufen.

Flod. Sehr gern! hier hast Du Hand und

Ehrenwort! Gond. Einem von unseren jungen Herren

traute ich darauf nicht — Euch will ich trauen. — Seid Ihr wirklich kein Franzos? Flod. Du vergißt, Alter! daß ich Dir schon auf Ehre versichert, ich sei ein Italiener. Gond. Nun so habt Ihr doch Feinde unter den Franzosen. Flod. Das könnte wahr sein. Gond. Ist cs? so nehmt Euch in Acht. Der Matteo hat eine Beschreibung von einem, der Euch sehr gleichen muß, und ein Versprechen von einem Franzosen, daß er hundert Zcchinen am Tage erhält, an welchem er den ermordet, der so aussieht, wie Ihr. Flod. Wer ist der Matteo? Gond. Wünscht lieber nicht, ihn kennen zu lernen. Flod. Meinst Du, ich fürchte mich vor Venedigs Banditen? Gond. Also kennt Zhr ihn schon? Flod. Das nicht, guter Alter! aber den Sinn Deiner Rede habe ich vollkommen verstanden. Ich danke Dir, und wiederhole Dir das feier,

Z9

lichc Verbrechen:

cs soll Dir durch mich nie

zum Schaden gereichen, daß Du den Matteo

und seines Gleichen kennst.

werde ich benutzen,

Deine Warnung

und dies Gold nimm für

Deinen guten Willen. Vielleicht kann ich einst Deine Treue besser belohnen.

So waren sie bis zum Landungsplatz ge;

kommen, und Flodoardo suchte erst die Einsam­ keit, um sich zu sammeln, seinen Plan zu ent­

werfen,

wieder Unbefangenheit zu gewinnen,

ehe er- zur Gesellschaft ging.

Also war er verrathen, Banditen gedun­ gen, ihn zu erdolchen. Die Franzosen,

seine

Todfeinde, hatten ihn auch in Venedig, trotz seines falschen Namens, erkundschaftet. Wie

sollte er sich sichern? — Schnell war sein Plan gefaßt,

und noch in dieser Nacht begann die

Ausführung.

40

Er entfernte sich früher vom Ball, als die

übrige Gesellschaft; allein heiter und unbefan­ gen hatte er mit Nosamunden getanzt, scherzt, ganz im leichten, Weltmanns,

ge­

gefälligen Tone deS

und ohne daß irgend jemand an

ihm eine Veränderung bemerkt hätte.

Sobald

aber die Stunde da war. an welcher er seinen

Gondelführer erwarten konnte, eilte er zu die­ sem.

Besser, sich dem vertrauen, der ihm An­

hänglichkeit und Wohlwollen bewiesen hatte, der zur Zeit der einzige war,

der mindestens

einen Theil feines Geheimnisses wußte.

Seinen Plan gründete er auf die oft be­ wiesene,

bisher nur zum Scherz ausgcübte

Kunst, seine Stimme, seinen Gang, sein gan­ zes Aeußcrc zu'verstellen.

Der Gondelführer

schaffte die nöthige Maske von Goldschlägcrhäutchen,

die Kleidung herbei,

und noch in

dieser Nacht schritt — eine furchtbare häßliche Riesengestalt in der Kleidung eines gemeinen

Venetiancrs aus des Gondelführers Hütte.

4i

Zweites Capitel. D i e

Banditen.

Er durchkreuzte itzt Venedig, er haderte

mit dem Schicksal, lachte und fluchte, stand zur weilen still, als übersänn' er einen großen

Plan, eilte zuweilen fort, als flög' er ihn zn vollführen.

An einem Eckstein der prächtigen Signor

ria gelehnt, überdachte er die ganze Schwierige

feit -seines Unternehmens.

Er wollte sich den

Banditen zngcsellen, sie zu täusche«, und eine

doppelte Rolle spielen, deren Entdeckung ihm tödtlich werden mußte.

„Das Schicksal hat mich zum Abentheurer oder gar zum Bösewicht verdammt!" rief er in einer Ekstase seines Mismuths; „denn wa­

rum muß der Sohn des reichsten Neapolita­ ners als Vertriebener das Mitleid der Vene-

tiancr anflehen? Ich, der ich Geist und Kraft zu großen Thaten in mir fühle, muß hier um-

4a herschleichen und darauf sinnen, wodurch ich mit- das Leben wider die Mörder bewahre. Menschen, die ich sonst satt fütterte, die an

meiner Tafel in Cyprier ihre Mückcnseelen 6c;

rauschten, und die Leckerbissen fremder Welt; theile von meinen Schüsseln naschten, würden

unter dieser Maske den einst glücklichen Obij;

zo nicht suchen. Ich bin hinweg gedrängt aus

allem, was mir werth war. Deute des Mords,

oder Mörder — keine andre Wahl ist mir üb; rig.

0, das ist abscheulich, abscheulich von

Menschen und vom Himmel! —" Er schwieg,

schlug die Arme untereinander, und seufzte: „Doch nein, so ists recht, ich will alle Grade

des menschlichen Elendes durchwandern, und

allenthalben mir gleich bleiben, und allenthal;

ben groß sein. — Jetzt bin ich nicht mehr der Graf Obizzo, um den Neapel einst buhlte —

ich bin der Bandit Abällino.

Ein Bandit,

in der Ordnung der Verbrecher der letzte, — so will ich denn unter diesen verworfenen Men; schcn der erste fein."

43

Ein Geräusch entstand. Abällino horchte umher, er wurde eilten Schleicher gewahr, der die Augen überall umher rollend durch die Straße schritt, in Gesellschaft dreier andern. — Sie suchten. „Vielleicht suchen sie dich!" sagr le Aballino leise zu sich selber, ging ein Paar Schritte vor, und pfiff ihnen. Die Kerls blieben stehn. Sic besprachen^ sich unter einander und schienen unentschlossen zu fein. Aballino pfiff zum andernmal. „Er ists!" hörte er einen von ihnen deutlich genug spree chen — und in dem Augenblick kamen sie lang« sam gegen ihn angewandert. „Nein, er ists nicht," rief dieselbe Stimme. Abällino blieb stehn, und zog den Degen. Die drei Verkappten standen einige Schritte von ihm entfernt. „Was soll das? he, warum ziehst du Gauch den Degen?" fragte einer von ihnen. „Wir müssen uns nicht zu nahe kommen.

44

denn ihr guten Leute lebt vom Leben anderer; ich kenn' euch;" antwortete Abällino. Ein Kerl. „Galt nicht dein Pfeifen UNS?"

Abällino.

„Nun ja."

Ein Kerl.

Was willst du?

Abällino. Hört, ich bin ein armer Schelm,

gebt mir doch von eurer Beute ein Allmofcn. Ei» Kerl. Allmosen?

ha, ha, ha, mein

Seel, das ist lustig! Allmofcn von uns? doch,

es gefällt mir, warum nicht? (,u den ander«.) seht ihr wohl, daß ers nicht ist? die Figur trifft zu, aber öies Gesicht? und um Allmosen

wird er wohl niemand ansprcchen.

Abällino. Oder streckt mir fünfzig Zechi/ nen vor,

ich will mich zu euch in den Dienst

geben, und die Schuld abarbeiten.

Ein andrer.

Wer bist du denn?

Abällino. Zur Stunde der ärmste Schlukr

ker in der Republik.

Kräfte hab ich und las

gen drei Panzer vor einem Herzen, ich durchs bohr' cö; und Augen,

daß ich in cgyptischer

Finsterniß nicht fehlstoßen würde.

45

Eine r. Was suchst du in Venedig? denn dein Gesicht habe ich hier noch nie gesehn. Abällino. Geld zu verdienen; aber mit der Ehrlichkeit verdient man heut zu Tage kci, flcn rothen Heller. Ein andrer. Das gefällt mirl meinst's

redlich? Ab ä l l i n o. Die Verzweiflung lügt nicht. Der dritte.

Kerl, wenn du aber ein

Schurke wärst! Abällin o. So wären wir nicht weit von

einander — und eure Dolche sind ja immer

geschliffen.

Die drei gefährlichen Burschen sprachen leise mit einander, und steckten ihre Gewehre «in.

„Na, komm zu uns, hier auf der Straße läßt sich's nicht gut von gewissen Sachen tc: den!" sprach einer.

„Aber weh euch, wenn einer feindselig wir der mich handelt! die Hand, die ich euch biete.

kann ich auch zu meiner Vertheidigung brau­

chen.

Ich will euer Gesell werden!"

„Auf Ehre," riefen alle; „wir thun dir

nichts Leides; der ist unser Feind, der dir übel

thut, ein Kerl, wie du, gefällt uns! komm!" Sic gingen, Abällino in ihrer Mitte. Mistrauisch schielte er von allen Seiten, aber in

den Banditen schien kein biser Gedanke zu er­

wachen.

Unterwegs fragte Abällino:

Irre

ich nicht, so suchtet ihr wen, der mir wohl ähnr

lich sein muß, denn dieser rief: er ist's.

Einer. Ja, wir suchten einen so langen, jungen Mann, wie du bist, aber einen vorneh­

men.

Das bist du nicht, Kerlchen, den» hun­

dert Zcchinen giebt wahrlich kein Mensch für

dich.

Abällino. Hundert Zcchinen! dafür will ich selber hin zu dem, der sic für mich bietet. Der Bandit.

ES war nur ein franzö­

sischer Schelm und so ein Kerl weiß nicht ein­ mal Banditen zu dienen.

Gesicht und Figur

beschrieb er mir wohl, aber er wußte nicht den

47 Nahmen, nicht ob der Neapolitaner alls Florenz schon hier sei oder erst kommen solle. Fünf Zechlnen auf die Hand sind verdient und mehr wird wohl nicht cingehn. Der Franzos, der die Banditen gedungen, mußte wohl bald nachher Venedig verlassen lj7

die halbe Welt erobern würde.

Ich

möchte

wenigstens den Mann nur einmal sehen!"

„„Ich will deinen Wunsch erfüllen!"" sag­ te eines Abends, da Grittk allein in dem Gar­ ten

feiner Familie auf und niedcrwandclke,

ein unbekannter Mensch zu ihm; deinen Wunsch erfüllen.

„ich will

Sich hier den Abä!«

lino, den Freund des erschlagncn Sylvio, und

deinen

und der Republik allgctreusten Die­

ner! — " Gritti sah auf und bebte zurück.

Eine,

halb in ihren Mantel vermummte Gestalt,

mit dem schcuslichstcn Angesicht von der Welt, stand vor ihm und röchelte ihm diese Worte

zu.

Er,

der in den Feld- und Seeschlachten

nie gezittert,

und von keiner Gefahr aus sei­

ner Glcichmüthigkeit gestört worden war, er, der

tapfre Doge, verlor in diesem Augenblick auf

einige Minuten seine Geistesgegenwart. Sprach,

los starrte er den Banditen an, der furchtlos vor ihm da stand, und nicht von der Arasestär

des Ersten in Venedig gerührt wurde.

Abällino grinste ihn freundlich an.

„Du bist ein fürchterlicher — ein abscheu­

licher Mensch!" sprach Grittk, indem er sich

wieder sammelte.

„„Fürchterlich?"" entgegnete der Bandit, „das freut mich! — Abscheulich? das möcht' ich nicht sagen.

zeugt

von

Freilich mein Aushängeschild

einem abscheulichen

Handwerke,

aber Doge, was meinst du? vielleicht sind wir beide die größten Männer Venedigs,

du in

deiner, ich in meiner Art."

Der Doge lächelte unwillig.

„0!" fuhr Abällino fort, „lächle nicht so ungläubig.

Erlaub es immerhin, daß ich mich,

als Bandit, mit einem Dogen vergleiche;

ich

denke immer, man darf sich mit dem verglei­ chen, mit wem man sich messen darf! — " Der Doge machte eine Bewegung ihn zu verlassen. „Nicht doch!"

zelnd,

rief der Bandit schmun­

„das Ohngcfähr führt solch' ein Paar

>•’!)

großer Männer nicht fo bald wieder

sen kleinen Landstrich zusammen.

an,

auf die/

Bleib doch!"

„Höre Aballino,"

redete ihn der Doge

mit aller Hoheit,

die in seiner Gewalt

stand,

„du hast große Talente vom Himmel warum wucherst du mit denselben

empfangen, nicht besser?

— Ich

verkündige dir völlige

Verzeihung und Amnestie über alles das, waS

geschehen ist.

Unter der Bedingung, daß du

mir den nennst,

gedungen,

der dich zu Sylvios Mörder

und daß du das Gebiet der Repu/

blik verlassest — "

„Hi, hi!" entgegnete Abällino, „über die Grillen bin ich längst hinweggcsprungen. Men/ schen können für meine Sünden keinen Ab/

laß ertheilen,

und an jenem Tage, wenn alle

Menschen ihren Schuldbrief verzeigen, werd'

ich auch den meinigen aufjeigen können.

Den

Namen dessen, der mich zu Sylvios Mord be/

zahlte, wirst du, aber nur heute nicht, ersah/ reu.

Ich soll das Gebiet der Republik räu/

men? — warum? aus Furcht vor dir? hi, hi!

i6o

aus Furcht vor der Republik?

— ha,

die

fürchtet den Abällijio, aber Aballino sie nicht!

Doch unter einer Bedingung könnt' ichs viel­ leicht thun------- " „„ llitö die tvdi'c? " "

fragte der Doge,

„„willst du zehntausend Goldstücke?"" — „ Ich gäbe dir selber gern zehntausend

Goldstücke, wenn du deine häßlichen Worte ungesagt machen könntest. — Nein, gieb mir deine Nichte,

Rosamunde, die Tochter des

Guiscardo von Corfu, zur Gemahlin!" „„Unmensch!""

„Hi, hi! Geduld! — du willst nicht? —" „„Fodre Geld und Gut, ich gebe dirs.

Und wenn die Republik eine Million an dich verlöre, sie gewänne dabei, wenn du ihre Luft nicht mehr verpesten wolltest!""

„Wahrhaftig? — sich eine halbe Million beinah hab ich schon wieder bekommen für das Leben deiner treusten Freunde,

für Canaris

und Dandolvs Kopf! gieb mir Rosamunde»,

oder-------

161 Schurke!""

„In vier und zwanzig Stunden sind Car tiflvi und Dandolo ZUM Teufel! sag', Abällino

hats gesagt."

Bei diesen Worten zog der Bandit ei» Tcrzcrol hervor,

schoß cs in die Luft ab —

der Herzog prallte zurück, und als er sich umr

sah, war Abällino verschwunden. An eben demselben Abend, oder vielmehr

in der Mitternachtsstunde, stand Abällino im Pallaste des Kardinal Grimaldi unter den Vcrr

schwornen.

Parozzi, Memmo, Falieri, Conr

tarino, welche wir schon kennen, und andere ihres saubern Gelichters waren gegenwärtig. Man saß eben bei Tische,

die vollen Pokale.

und schwenkte

Grimaldi erzählte, wie er

sich beim Dogen eingcschmcichclt, und den Par rozzi, Memmo, Contarino und Falieri cmpfohr

len hätte;

Contarino prahlte mit der erlcdigr

ten Procuratorstclle,

wie sie ihm gewiß nicht

entgehen würde, Parozzi zweifelte gar nicht an DandoloS oder CanariS Stelle

beim Herzog

L

162

Platz nehmen zu können, wenn sie nuv erst hingerichtet sein würden, und — in dem Augen' blick stand Aballino vor ihnen. „Na," tief er, ,,Wein her! das Werk war vollbracht! Dandolo und Canari sitzen jetzt beim Teufel zum Nachrmahl!" —

Alle sprqngen erstaunt auf.

„Und dem

Dogen hab' ich persönlich Wahrheiten -gesagt. Seid ihr nun zufrieden mit mir, ihr Blutt Hunde?" „„Flodoarden noch!"" schrie jauchzend Parozzi, und Abällino rief: „Brr! Brr!"

Drittes

Buch

Erstes Capitel. Flodoard und Rosamunde. war krank;

Rosamunde, Venedigs Liebling,

Jduclla seufzte sich müde am Lager der schör

ncn Elevin, und seufzte sich wach daran. 9to# samunde war krank,

ein stiller Seclcnharm

nagte an ihrer Blüthe, — ach,

edlen Flodoard;

sic liebte den

aber wer hätte Flodoardcn

auch hassen können? Sein Heldenwuchs,

schönes Angesicht,

sein

sein schwärmerischer Blick,

L2

sein ganzes Wesen predigte laut: seht hier den Günstling der Natur. Aber Flodoard war auch kränklich. Er schloß sich oft ein, vermied alle Gesellschaften, oder reiste zur Erheiterung seines Geistes durch die Städte der Republik. Oft war er Wochen lang abwesend, und wenn er dann wiederkam, o wie sehnsuchtsvoll erwartete ihn dann jeder Familiencirkcl, in welchem er eingcweiht war! Jetzt war er drei Wochen von Venedig abwesend gewesen. Niemand wußte von ihm, in welchen Gegenden er umherschwärmte. Der Doge hatte ihn so gern jetzt gehabt, um sich nach so vielen Fatalitäten etwas in seiner Gc/ scllschaft zu zerstreuen, und — wie gerufen — erschien er nun! „Lieber Flodoard!" seufzte der Doge, als Flodoard zu ihm in das Zimmer trat, „ihr müßt euch nicht mehr so lange von uns ent; fernen. Ich bin jetzt ein verwaister Mann. Ihr wlßt doch schon, daß mein Canari, mein Danbolo"---------

165

„„Alles;""

entgegnete

Flodoard

mit

verbißnem Schmerz. „Es schleicht der Teufel durch Venedig unter dem Namen Abällino's, und raubt mir alles, was mir theuer ist.

Flodoard, ich zitterte auch

schon für euch. — Wir haben vieles,

vieles

Mit einander zu reden, aber setzt gebricht mir

die Zeit.

Es hat sich ein Fremder melden

lassen; ich muß ihn empfangen. Aber"------In diesem Augenblick schwankte Rosamun-

de aus einem Nebenzimmer herein.

Flodoarden,

und bebte seitwärts.

Sie sah Flodoard

schlug die Augen nieder, und begrüßte bebend die holde Nichte des bekümmerten Dogen.

„In einer halben Stunde werd' ich euch rufen lassen;" fuhr der Herzog fort, „unter­ haltet meine kranke Nichte,"

Der ehrwürdige Gritti verließ den bestürz­ ten Jüngling,

ster.

Rosamunde trat an ein Fen­

Flodoard schlich ihp langsam nach. Verlegen standen sie beide da — sahen

bald hinaus auf den St. Marcusplatz,

bald

nach bett herrlichen Gemälden des herzoglichen Zimmers, bald auf ihre Fingerspitzen. „Ihr zürnet noch?" stammelte endlich Flodoard, und dachte an die fatale Garten/ fcetic.

„„Ich zürne nicht," antwortete Rosa/ Munde, und ein schönes Roth flog über die blassen Wangen. Flodoard. (mit feilerer Stimme.) Und ihr habt mir meine Sünde ganz vergeben? Rosamunde, (vor sich nieder lächelnd) SÜN/ de? — nun ja, ganz vergeben. — Ein Ster/ bender muß ja gern verzechn, damit ihm Gott in seinem Gericht auch gern verzeihe. Und ich bin eine Sterbende — ich fühl es. Flodoard. Sennora!

Rofnmunde. Zweifelt nicht. Seit gestern hab ich zwar das Krankenlager verlas/ feit, aber es ahndet mir, ich werd es bald wie/ der aufsuchen, um es nie wieder zu verlassen. Und darum — darum bitt ich auch von euch

167

Verzeihung, wenn ich euch gekrankt haben sollte. F l 0 d 0 a r d. (ftyroeiflt)

Rosamund c. Ihr scheinet sehr rachsüch­ tig, sehr unversöhnlich zu seyn. F l 0 d 0 a r d. (lächelt sie wehmüthig an) Rosamunde, (ihm die Hand reichend) Nun, Signor, alles vergessen? Flodoard. Nein, nein! das kann ich nicht. Ich kann nichts vergehen, was ich mit euch gelebt habe. Ich will nichts vergessen, was ich mit euch gelebt habe. Ich will nichts vergessen, die Auftritte sind mir zu heilig. — Aber verzeihen? (indem er ihre Hand an seinen Mundrüekt) Ach, wollte Gott, ihr hättet mich recht sehr beleidigt, theure Sennora, recht sehr be­ leidigt, dann könnt ich euch auch sehr vieles verzechn — aber jetzt kann ich nichts verge­ ben. (lange Pause.)

Rosamunde. Ihr habt wohl viel mnhergcschwärmt seit den letzten Wochen?

j68

Flodoard.

Viel.

Rosamunde- Und hattet vieles Vergnügcn? Flodoard. (schnell) Warum nicht? man sprach ja allenthalben mit mir von Rosamunden. RosaMNNde. sanftem r»n)

(mit einem strafenden Blick, und

Flodoard!

Flodoard. Und wißt ihr, welchen Plan

ich nun habe? Rosamunde. Wieder fortzureisen? Flodoard. Getroffen, und zwar um nie

wieder nach Venedig heimzukehren.

Rosamunde,

(überrascht)

Nicht doch, Flo.'

doard! Flodoard, das solltet ihr können? (vor ihren Worten erröthend) Ihr — ihr scherzt? Flodoard. Fürwahr, ich habe nie ern­ ster gesprochen. R o sam u n d e. Nein,

(mit einem interessanten Bück)

Flodoard, ich glaube eS euch in Ewig­

keit nicht.

169 Flodoard.

Hab ich schon allen Glauben

bei euch verloren?

Rosamunde.

Und wohin wollt ihr,

wenn ich darum fragen darf? Flodoard.

Nach Maltha, und mit den

Malthesern wider die Korsaren. Der Himmel

wirds doch geben, daß ich mich zum Commanz

dcur eines Schiffs aufschwingc — das Schiff führe dann den Namen Rosamunde! und das Schlachtgeschrci sei Rosamunde! Ich bin dann

gewiß unüberwindlich. —

Rosamunde. Ihr spottet bitter; aber, wahrhaftig!. das hat Rosamunde um euch nicht verdient.

Flodoard.

Spott? — ich euch verspät/

len? — ich spotte nicht, die Zeitungen mögen

über Jahr und Tag mich und diese Stunde

rechtfertigen. Rosamunde,

(ihn angarrend)

Ihr treibt cs

weit mit euerm Wih.

Flodoard. (lächeln-) Nun ja, und wem vcr/ dank' ich diesen Witz? kurz und gut, Scnno,

iyo ra? ich Dfflofie Venedig, um euch keine unanz

genehmen Augenblicke zu schaffen.

Vielleicht

sehn mich die türkischen Freibeuter lieber.

Rosamunde.

Man sollte auf euch Jagd

machen; ihr ftcibeutert nur zu sehr, und selbst

auf festem Lande. Ich bin ein sehr unglückli-

Flodoard.

chcr Freibeuter auf festem Lande, denn ich gee

rathe da in Gefangenschaft,

wo ich zu siegen

träumte.

Rosamunde, (ausweichend) Und ihr könntct den

Dogen verlassen,

der euch so sehr

schätzt? Die Liebe des Dogen ist

F l o d o a r d.

mir theuer.

Aber fürwahr!

macht mich nicht glücklich,

Rosamunde, und

mir Königreiche zu Füßen legte,

wenn

sie

man

sie machten

mich nicht glücklich —

Rosamunde.

Bedürft

ihr zu

eucrm

Glück so viel?

Ftodoard.

Viel, unendlich viel! — ich

habe darum gebettelt — (intern et sie anstarte, und

171

ihre Hand heftig drückt)

— Rosamunde, gen.

ich habe darum gebettelt

und man har mrrS abgeschla-

Rosamunde. Ihr seid ein Schwär­ mer! Flodoard. (sich näher an sie schließend) Rosa­

munde? Rosamunde, (rrnernd) Was wollt ihr?

Flodoard. (halbleise) Mein Glück! Rosamunde. (sieht ihn ein Weilchen an, rieht ihn zu sich, stößt ihn wieder zurück) Geht! geht! UM Gottes willen geht! — Flodoard.

( wandelt langsam nnd traurig mit

unter einander geschlagenen Armen durchs Zimmer.)

Rosamunde, (schwankt ihm nach, nimmt seine Hand — sinkt an seine Brust) „Flodoard!"

172

Zweites

Capitel.

Ein fürchterliches Versprechen.

Heil dem glücklichen Flodoard,

er hatte

überwunden! er hielt das liebende Mädchen in

seinen Armen fest, und glaubte eine Gottheit zu umarmen.

Fest schlang sich RosamundcnS

Hand um Flodoards Nacken; er war der ihri­

ge,

dem sie so manche Thräne geweint,

so

manchen Seufzer geseufzt, so manchen Traum geträumt hatte. Dicht in einander verschlungen,

sie da,

standen

eine herrliche Gruppe für den Pinsel

einer Angelika Kaufmann — und

die Engel

Gottes schwebten unsichtbar über die Liebe die­ ser Heiligen. Nur einmal schlägt unter allen tausend

Stunden des Lebens dem Sterblichen eine sol­

che Stunde.

Man sage immerhin, cs ist doch

nur Gaukelspiel

der entzückten Einbildungs-

173 kraft,

ein

leicht

verdunstender

Sinnlichkeit — o, eine Sceligkcit,

ihren

Rausch der

nennt mir unterm Mond

welcher die Einbildungskraft

Zauber nicht leiht! — Flodoard und

Rosamunde vergaßen nun zum crstcnmahle,

daß sie Menschen wären.

Das Zimmer um

ihnen her ward zum Himmel;

Altar Gottes,

die Erde der

ihre Seufzer, ihre Küsse wur/

Len Lobgcsänge dessen, der das Hochgefühl der

Liebe gab!

„Ich bin dir gut!"

lispelte Rosamunde,

und gedachte nicht ihrer Jduclla; „ach, ich bi«

dir nur zu gut, Flodoard!" — Der Jüngling antwortete nichts. munde stammelte ein leises Ach!

glühte an Lippe,

Rosa/

und Lippe

Busen stürmte an Busen,

Arme hingen gewunden um Arme.

Und — plötzlich eröffnete sich die Seiten.'

thür. Der Doge Andreas Gritti trat schon wie­

der herein.

Der erwartete Fremde war. Kränk/

lichkciten halber, nicht erschienen. —

iy4 Flodoard und Rosamunde hörten den Herr cinkommcnden nicht. Gritti stand bestürzt da, er sah der Seer ne einige Augenblicke zu;

seine Mienen vcrr

zogen sich in ein sanftes Lächeln, er drehte sich

um und ging wieder zurück.

Das Geräusch seines Kleides an der Flür gelthür erweckte Wonnetraum.

die Trunkenen aus ihrem

Rosamunde riß. sich mit Entr

sehen los; Flodoard verlor seine Geistesgegcnr «art aber keineswegs.

„Gnädigster Herr!" rief er dem Doge» nach------Der Herzog wandte sich um, und Flodoard

lag zu seinen Füßen. Gritti sah mit stiller Würde und mit Ernst

auf den Kniecndcn hernieder.

„Ich mag eure Vertheidigung nicht hö,

rcn!" sagte der Doge mit steigender Stimme. ,, „Nein," " entgegnete Flodoard mit

festem Tone, „nein,

gnädigster Herr, ich bc/

darf keiner Vertheidigung, daß ich Rosamunde»

17j

liebe, wohl muß sich der vertheidigen, der sie nicht liebte!

Isis aber ein Verbrechen,

ich Rosamundcn anbctc,

daß

o so mag mich Gott

von dieser Sünde frcisprechen — weil er Ro­ samunde» so schön erschuf." —

„Ihr scheint auf eure witzige

Apologie

vielen Fleiß verwandt zu haben; aber sie ver­ fehlt ihren Zgreck;" versetzte Gritti. „„Ich sag es noch einmal,

Herr!" erwiederte Flodoard,

und stand auf:

„entschuldigen will ich mich nicht.

will mehr,

gnädigster

Aber ich

ich bitte bei euch um Rosamun­

de»."

Gritti stierte den Kähnen mit einem frem­ den Blick an.

„Freilich, gnädigster Herr, freilich bin ich ein armer Edelmann, und cs scheint Verwegen­

heit zu seyn,

wenn ein solcher um die Nichte

des vcnctianischen Dogen buhlt.

Aber — ich

glaube, der große Gritti wird seine Rosamun­

de nicht an Männer verschenken, die nur mit Goldstücken, Grafschaften, und Titeln prahlen.

176

oder sich in den Glanz ihrer Ahnen verhüllen, wenn sie nicht selber glänzen. — Ich gestehe cs freilich, noch besitze ich keine Verdienste, die mich eurer Rosamunde würdig machen könnten, aber ich will sie mir erwerben."--------

Der Doge drehte sich unwillig um. samunde flog herbei,

Ror

und schlang ihren Arm

um Gritkis gebeugten Nacken. —

„Zürnet nicht!"

rief

sie und verbarg

ihr bcthränteS Antlitz an dem Busen ihres Oheims.

„Fobert!" rief Flodoard, „was muß ich

seyn, was soll ich thun, erhalten von euch?

um Rosamunden zu

Fodcrt,

cS soll mir das

Schwerste ein Kinderspiel werden! Ich wünsche

te, Venedig lege unter der gräßlichsten Gefahr,

oder euer Leben würde von zehntausend Dol/ chen bedroht — dann dürft ich hoffen, Rosiu munden zu verdienen.

Ich rettete Venedig,

und schlüge zehntausend Klingen zurück." — Gritti lächelte bitter.

er,

„Ich habe," sagte

„ich habe der Republik viele Jahre gc.

177 ich habe Leben und Blut gewagt,

ich erwartete wenigstens zur Belohnung ein sanft dient:

tes,

glückseliges Alter — aber ich habe mich

betrogen.

Meine alten Freunde werden mir

durch Banditen geraubt, und — ihr, Flodoard,

ihr nehmt mir nun noch diese einzige, die bU? her. meine letzte Freude war. — — Höre, Rosamunde, liebst du den Flodoard wirklich?" Flodoard zitterte. Rosamunde ergriff des Jünglings Hand, und — schwieg. Gritti wandte sich aus Rosamundens Ar/ me, und ging langsam mit tiefem Ernste im Zimmer auf und nieder. Rosamunde warf sich

auf einen benachbarten Sessel, und weinte. Flodoard beobachtete den Dogen.

So verstrichen einige Minuten. Es herrschte im Zimmer eine feierliche Stille; Gritti schien mir einem fürchterlichen Entschlaft se schwanger zu gehn. Bekümmert erwarteten

die Liebenden den Ausgang der Geschichte.

Plötzlich blieb der Doge in der Mitte des Zimmers stehn. „Flodoard!" sprach er, und

M

17*

Flodoatd nahte sich ihm ehrerbietig,

„Flodo/

ard, ich habe den Entschluß gefaßt.

Liebt euch

meine Rosamunde, wohl, so mag sie es thun;

ich will der Wahl ihres Herzens keine Schranz fett bauen.

Aber Rosamunde ist mir viel zu

theuer, als daß ich sie dem ersten besten über/ lassen könnte,

der sie fordert.

Der Mann,

dem ich Rosamunden lasse, muß Rosamundcnwcrlh sein; sic soll eine Belohnung seiner Ver/

dienste werden.

Noch habt ihr euch nur ger

ringe Verdienste um unsern Staat erworben

— cs ist letzt Gelegenheit da,

großes zu verschaffen.

euch ein seh»

Schafft mir den Mir/

der Sylvio's, Canari's und Dandolo's — schafft mir den fürchterlichen Banditenkönig Abällino,

todt oder lebendig!" — Flodoard trat bei dieser Forderung, an de/

rcn Erfüllung sein Wohl und Weh hing,

blassend zurück.

er/

„Gnädigster Herr" — --

stammelte er. „Ich weiß,

fuhr Andreas Gritti

„ich weiß sehr gut,

fort,

welch eine Federung ich

179

wage, wenn ick den Abällino fodre. Lieber will ick selber mich durch eine türkische Flotte

schlagen, und das Admiralschiff aus ihrer Mit­ te stehlen, als diesen Abällino fangen, der mit

der Hölle einen Bund geschlossen zu haben

scheint, der allenthalben und nirgends ist, den viele gesehn haben, und den keiner kennt, der den Witz unsrer Staatsinquisitoren, des Colle­ giums der zehn Männer und ihrer Spione zu

Schanden macht; vor dem jeder edle Vcnekra-

ner zittert,

vor dessen Dolch rch selber auf

meinem Throne nicht sicher bitt. — Ich weiß

es, was ich fodre; auch,

aber,

was ich gebe.

Flodoard, ich weiß

Ihr seid verlegen? —

Ihr schweiget? — Flodoard, ich habe euch lan­ ge genug beobachtet,

ich habe in euch Spuren

eines wahrhaft großen Geistes entdeckt — da­ rum wag ich die Forderung; ists einer vermö­

gend, den Abällino zu fassen, so, glaub ich, seid ihrs. — Nun? " Flodoard ging schweigend vor sieb umher;

ein fürchterliches Wagstück wars, M-,

das er unr

i8o

tcrnehmen sollte, Wehe, wenn Abällino seilt Vorhaben erfuhr! aber Rosamunde war der Preis! Er warf einen Blick auf das Mädr d>cn, und sein Plan war entworfen, alles z« Wflyen. Er ging zum Dogen. Gritti. (sanft) Nun Flodoard? Flodoard. (mit großem Nachdruck ) Erhalt' ich wahrlich dann Nosimunden, wenn ich euch den Abällino überliefere? — Grirti. Nicht eher. Rosamunde. Flodoard! Flodoard? das Sviel endet sich schreckirch — hüte dich selber vor AbällinoS Dolch! Flodoard. (indem er mit den Zähnen knirscht)

Still! — (gefaßt) Gnädigster Herr, gebt mir eure Herzogliche Hand darauf. Gritti. Ich schwör' es euch, Flodoardschafft ihr mir den schrecklichen Feind der 9te# publik lebendig oder todt, so geb ich euch Rosamunden mit fürstlicher Aussteuer zur Ge­ mahlin!

Flodoard. (6äit schwel-«,- die Hand hin.) Hier empfangt meine Herzoglir

Gritti.

cfjc Rechte. Flodoard ging in Gedanken verloren durch

das Ztmmer.

Im Thurme der St. Marcus/

kirche schlug es fünf Uhr.

„Der Abend übereilt uns!" ard; „wohlan,

rief Flodo/

so sei's! in vier und zwanzig

Stunden überliefe' ich euch den fürchterliche»

Banditen Abällino.

Eritti. (betroffen) Junger Mensch,

ver/

sprecht weniger, unb leistet mehr.

Flodoard. («mit «nd feil) Es gehe wie es

gehe, ich halte entweder mein Wort, oder tre/

te nimmermehr wieder über die Schwelle eures Palastes.

Ich habe Spuren und sichre Merke

male von dem Bösewicht — entweder spiel ich

morgen um diese Zeit ein Lustspiel,

oder es

»Verde in Gottes Namen ein Trauerspiel! Gritti.

Uebereilung ist gefährlich.

Flodoard.

(mit Sto>»)

Ueber die Jahre

182 bei1 Uebereilung denk ich in meinem Leben hinweggesprungen zu sein. — Rosamunde, (feine Hand fassend) Flodoard, Flodoaed! besinnt euch. Mei» Oheim liebt euch, — nehmt euch vor Aballinos Dolch in Acht! Flodoard. Eben deswegen muß alles in vier und zwanzig Stunden, oder nie gethan werden. Wohlan, gnädigster Herr! ich will beweisen, daß die Liebe alles wagen kann — — Gritti. Wagen freilich, aber ob errin­ gen? Flodoard. (dem man tine wachsende Verlegen» sselr ansseyr) Macht mich nicht kleinmüthig, gnä­ digster Herr; sehr, ich will euch bessern Muth geben. Habt die Gnade, morgen Nachmittag in diesem Zimmer große Gesellschaft zusammen zu bitten, Damen und Herrn; denn gewinn' ich morgen den Sieg, so erleb ich ein großes Fest. Ladet vorzüglich die Beisitzer des ehr­ würdigen Gerichts der zehn Männer ein, da­ mit sie doch den Abälltno von Angesicht zu

Angesicht kennen lernen, mit dem sie so lange vergebens im Kriege lebte».

©ritt I.

(liebt ihn lange bedenklich an, endlich:>

Sie sollen erscheinen. Flodoard. Und ihr habt ja wohl, wenn

ich nicht irre,

einige neue Freunde an dem

Kardinal Grimaldi,

dem Nobile Contarino,

Memmo, Falieri und Parozzi erhalten.

Sie

sind auch meine Fkeunde vor kurzer Zeit ges worden;

ich wünschte,

sie wären morgen ges

gcnwärtig. Gritti.

Sic sollen gegenwärtig sein.

Flodoard.

Aber tioch eins.

Sagt nies

mandem früher die Ursach der Zusammenkunft,

ehe sie nicht alle ««gekommen

sind.

Dann

stelle rings um cuern Pallast Wachen mit ges

ladncn Gewehren, und selbst vor den Thüren dieses Zimmers, mit dem strengen Befehl, je/

den herein, niemanden, bei Todesstrafe, heran-/ zulassen.

Denn

vor

Abällino ist

sicher.

G r i t t i.

Es wird geschehn.

niemand

18 i Flodoard.

Morgen mit dem Glocken/

schlage fünf, oder nie, sehn wir UNS wieder!"

Flodoard empfahl sich schnell.

Rosamunde

bebte am Arme des Herzogs, und Gritti schütz

telte den Kopf.

Drittes Capitel. Die nächtliche Verschwörung. rief in der Mitternachts/

„Juchheisa.'"

stunde Paiozzi im Zimmer dcS Kardinals Griz

maldi,

wo das ganze höllische Complot wieder

beisammen war;

„die Sachen gehn trefflich.

Flodoard ist heut angekommcn,

und Abällino

schon richtig bezahlt! G r lM a l d t. Der Flodoard ist ein Schlau/

köpf; ich wünschte lieber, er bliebe am Leben,

und schlüge sich zu unsrer Partei. euch, Flodoard ist tut Schlaukopf!

Ich sage

Parozzi.

Wie die Vagabonden immer

Mcmmo.

Und stolz ist er,

sind.

stolz, als

wär er Venedigs Herrgott.

Falieri. Rosamunde,

wie ich erfahren

habe, soll ihm nicht unhold sein. Parozzi.

0, Geduld, Abällino bricht

ihm den Hals; dann kann er mit dem Teufel

und seiner Großmutter liebeln.

Contarino. Ucbrigcns hab ich trotz ab ler Kundschaft seinetwegen in Florenz wenig erfahren.

Es sollen einmal, schreibt man mir,

es sollen einmal Flodoardo'S in Florenz eri#

stirt,

aber sich längst von da hinweg begeben

haben, man wisse nicht, wohin? und zu dieser

Familie Flodoardo müsse denn wohl unser Var gabond gehören.

Erimaldi.

Der Doge hat euch also

sämmtlich ans morgen Nachmittag zu sich ein#

geladen? Alle.

Wahrhaftig! wahrhaftig!

Erimaldi. (mit Sudsts-Wl) Das freut

iL6 mich,

das freut mich.

Ich sehe mit Vergnü­

gen, daß meine Empfehlung bei ihm so vieles gewirkt hat. — Und morgen Abend ist bei ihm

Ball mit Masken, wie nur fein Kammerdiener

sagte? Falieri.

Freilich!

M e mm o.

Wenn er nur nicht um unsre

Verschwörung weiß — ich wäre des Todes!

Er kann unmöglich davon

Grimaldi.

wissen. Memmo.

Ei,

jum Teufel, jeder Beu,

telschneider, Pflastertreter, Abentheurer, Bett­ ler und wie das Lumpengesindel heißen mag,

welches unsre Armee ausmacht,

weiß davon,

und er sollte noch nichts gewittert haben?

Contarino.

Du Narr, da gehts ihm

wie betrvgnen Ehemänner»;

daß sie Hörner tragen,

keine Notiz davon.

jedermann weiß,

nur sie selber haben

Aber,

wahrhaftig,

müssen nun den Anfang Machen,

lecke zu realisiern, verrathen. —

wir

unsre Pro-

oder wir werden endlich

Falieri.

Du hast Recht Bruder.

Parozzi.

Die Mißvergnügten,

die sich

auf unsre Seite geschlagen haben, sinds zufric-

den, wenn der Vctteltanj in dieser Nacht vor

sich ginge. Ich nehme

Contarino.

morgen den

Dogen auf mich, und steche ihn nieder.

ergeh cs,

Dan«

Entweder wir sind

wie es wolle.

dann aus allen Bedrängnissen durch allgemeinen Aufruhr der Republik gerettet,

oder wir

segeln mit vollem Winde aus dieser vermale­ deiten Zeitlichkeit ab. Parozzi.

Wir versehn nnö alle mit Ge,

wehr.

Grimaldi.

Das

Collegium

der zehn

Männer ist sammt und sonders morgen gegen­

wärtig — — Falieri.

Alle müssen sie niedergcmacht

werden! Memmo. Wenns nur zuletzt nicht schreck­

lich für uns selber abläuft. Contarino.

Ei, du verdammter feiger

j.88

.Rnabc,

bleib zu Haufe hinter« Ofen;

sind wir durchgedrungen,

aber

so komm nicht und

fodre deme Geldsummen wieder.

Memmo.

Bei meiner Seel, Contarino,

an Much fehlt mirs nicht; willst du, ich messe

mich mit dir tu diesem Augenblick mit der Klinge.

Aber dein unseeliger Hitzkopf fehlt

mir.

Grimaldi.

Und wenn alles verdorben

ist, so macht es die Kirche wieder gut, und das große Wo« Sr. Heiligkeit. Memmo.

Aber wo sind denn die Briefe

vom Pabst? Grimaldi. (wirst ihm »wei Papiere vor)

Lies,

ungläubiger Thomas! Memmo.

Donner und Wetter, wir frei/

-en also eine privilcgirte Schurkerei! —

Grimaldi.

Der Pabst muß uns schüz/

zen; ich sage, er muß; denn wir vertheidigen

als gute Christen die Gerechtsame seines Stuhls

in der Republik Venedig — schon das kann euch eine Quelle des Muthes werden,

wenn

lSy

in der letzten Noth alles scheitern sollte.

Kei­

ne Hand darf euch verletzen! Contarino.

Höre,

nach unsrer Abrede dabei,

Parozzi, es bleibt

du bestellst unsre

Bundesgenossen mit Waffen und Wehr in dei­ ne Behausung.

den Ball,

Um Mitternacht verläßt du

und bemächtigst dich des Arsenals.

Der Hauptmann Sebiüi ist unser,

und halt

dort die Wacht. Grimaldi. Der Schissscapitain Adormo wird auf das Signal der Sturmglocke zu «ns

stoßen mit seinen Leuten. Fqlicri.

Es kann gar nicht fehlen!

Contarino. Macht nur die Verwirrung so groß, als möglich; Freunde und Feinde müs-

ftn durch einander wüthen, keiner muß wissen, woher der Aufruhr, warum, und wohin? — Parozzi.

Bei meiner Seele,

ich bin

froh, daß cs endlich so weit gediehen ist. Falieei.

Hast du die weißen Armbin­

den unter unsre Leute ausgethcilt, Parozzi?

Parozzi.

Schon vorgestern.

11)0

Contarino. Halloh, Brüder, die Kelche gefüllt! so wie jetzt sitzen wir nickt so ba(i> wieder beisammen, als nach vollbrachter Ar­ beit! — Memmo. Laßt uns noch einmal alles weislich überlegen! Contarino. Pfui! Ucbcrkegiing ist das Kind der kalten Vernunft, und diese gilt in der Rebellion nicht. Hier spricht die Verzweif­ lung. Nur erst das Werk begonnen, das Staatßsystem Venedigs mit Heldenmuth über einander geworfen, bis keiner mehr weiß, wer Herr, und wer Unterthan sei; dann kann die Uebcrlcgung kommen, um zu rathen, wie wei­ ter! lustig, cingcschenkt! — Der Doge bietet uns durch seinen Ball die Hand — ha, ha, ha! / Parozzi. Den Abällino müssen wir nothwendig vorher sprechen. Contarino. (schwenkt den Weinbecher) Es lebe Abällino! Alle, (ninkend) Abällino! Abällino!

1'1*

(M i i m .t (0 i. Und glücklichen Ausgang ter

künftigen Nacht!

Memmo.

A11 e.

Ja wohl! ja wohl!

Ein glücklicher Ausgang!

Parozzi.

Wo sitzen wir übermorgen

Nacht?

Viertes Capitel, Der

wichtige

Tag.

Am folgenden Morgen war alles so ruhig in Venedig, als wäre nichts geschehn, und doch

war es gewiß, daß dieser Tag einer der merk/ würdigsten in diesem Staate werden mußte. Im Herzoglichen Pallaste war alles schon

sehr früh erwacht.

Der bekümmerte Gcitli

verließ ungewöhnlich zeitig

das Nachtlager,

auf welchem er sich diesmal schlaflos und sorr

genvoll hin- und hcrgewälzt hatte.

Rosamun,

de hatte vom schönen Flodoard geträumt, und

jga wachend setzte sie ihre Träumereien fort. Zdur

ella hatte unruhig geschlafen; sie liebte Rosa, munden zu sehr, und wußte schon,

welch ein

interessanter Tag für das arme liebende Ger

schöpf der heutige

werden würde

Aber Noe

samunde war ungemein heiter; sic scherzte mit

Jduellcn,

setzte sich zu ihrer Harfe, und sang

sich das Lied ihres Licblingsdichtcrs!

Liebe, Liebe, Kind des HimmelS, Aller Welte« Königin, Durch die Graun des Weltgetümmels

Warst du meine Führerin. Früh hat mich dein Arm umschlmigeik.

Früh dein holder Geist bezwungen. Früh dein Rosenmund geküßt.

In dem Morgentraum des Lebens

Sog des Lebens erste Lust Stiller Wonne, frohen Lebens Lieb' o Lieb an deiner Brust!

Ach, von deinem Arm geschaukelt. Deinen Tändelern «mgaukelt, Floh zn früh der Morgentraum!

ig3 Deinen Namen, deinen Stempel Tragt die Schöpfung immerdar; Sieh, der Himmel ist dein Tempel, Und die Erde dein Altar — Ja solange meine Augen Roch den Retz der Schöpftmg saugen, Bet' ich dich, o Liebe! an.

Aber

Rosamnndens

selige Laune

vm

schwand, als der Mittag hcranrückte und vor­

überzog.

Aengstlich wankte sie hier und da­

hin; ihr Herz klopfte ungestüm, in Erwartung

fürchterlicher Auftritte.

Schon versammelten sich die Vornehmen Venedigs im Pallast ihres Oheims, schon war der schreckliche Nachmittag da, und der Doge

sandte Jduellcn an sic ab, in den großen Saal sic zu führen, wo die Herrn und Damen ihrer

harrten.

„Sott! o mein Sott!" rief sie leise, „laß alles wohl gelingen."

Blaß wie eine Leiche trat sie in das Zim­

mer, in Welchem sie gestern ihrem Flodoard

N

jg4 Liebe bekannt hatte,

und Flodoard — war

noch nicht da.

Die Gesellschaft war glanzend, und heiter gestimmt; man sprach von Skadtnovellcn, ctu

ropäischen Staatsangelegenheiten.

Contarino

und Grimaldi unterhielten sich mit dem Dor

gen; Memmo, Falicri und Parozzi standen in

einem Winkel schweigend beisammen. Draußen

wars trübe

und dunkel;

es

stürmte der Wind in den Wellen des Kanals,

und den Wetterfahnen der Palläste am Marr

kusplatz;

ein Regenschauer

folgte dem anr

breit.

ES schlug vier Uhr. blässer als vorher.

Rosamunde ward

Gritti befahl dem Kamr

merdiener etwas leise ins Ohr.

Man hör.'

te bald darauf Männer von außen wanken,

und Waffen klirren an den Thüren des Saals. Eine plötzliche Stille herrschte durch die

Gesellschaft.

Die jungen Nobili stockten in

ihren Liebeserklärungen vor den Damen;

die

Damen vergaßen ihre Modcneuigkeiten; die

195 Staatsmänner starrten sich an,

und brachen

ihre politischen Discourse ab. Der Doge trat langsam in die Mitte der

Versammlung.

ihm.

Hoch

Jedes Auge wandte schlug

den

sich zu

Vcrschworncn

das

Herz. „Wundert euch nicht, meine Lieben, über

jene seltsamen Anstalten!" redete Andreas Grit.'

ti, Venedigs Herzog, zu bedeuten,

„es hat nichts

sie an;

was dem Vergnügen dieser Ger

scllschaft gefährlich sein könnte.

Euch

allen

wird der Bandit Abäflino bekannt sein,

der

Mörder des braven Prokurator Sylvio,

und

meiner getreuen Rathe Canari und Dandoli.

Dieser,

vor welchem jeder rechtschaffne Rcpur

blikancr zittern muß,

dem nichts heilig und

ehrwürdig heißt, der allen Trotz bietet, die ihm

drohen, — dieser höllische Auswurf wird viel­ leicht binnen einer Stunde in diesem Saale

vor unsren Augen erscheinen!"

Alle,

(etftaunt) Abällino? Abällino?

Grimaldi.

Freiwillig?

N 2

igG Gritti.

Nein, freiwillig in der That

nicht. Aber Flodoard von Florenz hat gelobt,

unsrer Nepubltk diesen wichtigen Dienst mit

Gefahr seines Lebens zu leisten, es koste was

es wolle, den Abällino zu fangen und hichcr zu bringen. Einer der

Besitzer des Zchngce

kichts. Viel, unendlich viel gelobt! Ein andrer.

Ich zweifle an der Voll/

führung deS Gelübdes!

Ein dritter. Aber wahrlich! Flodoard machte sich uns und die Republik zu großen

Schuldnern. Ein vierter.

Wahrhaftig! wie soll der

Staat dem Flodoard vergelten?

Gritti. Die Vergeltung übernehm' ich aft lein. Flodoard hat um die Hand meiner Nichr

te angehaltcn — ich gebe sie ihm. A 11 e. (sehn sich schweigend unter einander

an, theil-

MitBlicken der höchsten Zufuchenheit, rheilS deS Erstaunens.)

Falicri.

C'-tso Parozzi, was meinst du?

Memmo. Ich habe das kalte Fieber!

’9 7

Parojjk. fheimkich lachend) Abällino Wild sich fangen lassen! —

Contarino.

Meine Herrn,

har einer

von euch schon den Abällino von Angesicht zu Angesicht gesehn? Einige. Wir nicht! wir nicht!

Ein andrer.

Es ist ein Gespenst, der

nur dann und wann, und sehr unverhofft und ungebeten erscheint.

Rosamunde. Ich vergesse das Ungeheuer nicht — (sie erzählt einigen Damen leise.) Gritti.

Und wie er mir erschienen ist,

wird euch bekannt sein. McMMo. (>u einigen Senatoren) Ich habe mir von dem Ungeheuer tausend Wunderding

ge erzählen lassen — er ist der Teufel in

menschlicher Gestalt — ich halte nicht für gut, daß man ihn in diese Versammlung

bringt,

denn er ist fähig hier ohne Gnade einen nach

dem andern zu erwürgen.

Mehrere Damen. Gott bewahre; in dieses Zimmer?

igs

Contarino. Die Hauptsache ist, ob ihn Flodoard, oder er den Flotoard besiegt. Und

ich geh' eine schwere Wette darauf ein,

daß

Flodoard unverrichteter Sache abzieht.

Ein Senator. mit,

Und ich halte die Wette

daß nur ein einziger Mann in Venedig

cs unternehmen darf, den Abällino zu fangen — und der eine ist Flodoard von Florenz; eben der, von dem ich längst prophezeit habe, er werde in den Jahrbüchern der Welt einmal

eine glänzende Rolle spielen — E in andrer.

Ihr habt Recht, Sennor,

ich bin erstaunt über ihn, als ich zum ersten/

male in seine Gesellschaft trat. Contarino.

Tausend' Zechinenl

Abäl/

lino laßt sich nicht greifen, oder er wäre denn gestorben. Der erste Senator.

(Mz) Tausend

Zechinen! Flodoard hascht ihn — Gritti.

Und liefert ihn tob oder leben/

big. Contarino. Ihr, edle Venctiancr, seid

’99

3fligc. (et reicht tem Senator tie Han», fit Lebe» sich die Hände.)

Die Wette gift.

Senator.

Contarino.

(lachend) Ich danke euch für

die tausend Zechinen,

Sennor!

Abällino ist

ein feiner Gauch —- gewiß Flodoarb hat Utv fach sich zu hüten.

Grimaldi.

Hat Flodoard die Sbirren

zur Hülfe?

Gritti.

Keinen als sich selber.

Seit

gestern ist er nun schon abwesend, um auf den Banditen Jagd zu machen.

Grimaldi.

(mit einem tklumphi«enden Lächeln

ju Varoiii) Glück jü, Sennor!

Parozji. (mit einer ehrfurchtkvollen Verbeugung) Gewiß, Ew. Eminenz prophezeien wahr.

Memmo.

Ich lebe wieder auf.

Nun,

nun! man wird doch sehen.

Drei und zwanzig Stunden waren über seit dem Gelübde des

kühnen Flodoard

— die vier und zwanzigste brach an,

kam noch nicht.

vor/

und er

200

Fünftes Capitel.

Höllenangst. Der Doge ward unruhig. Der Senator fina an, für seine tausend Zechinen zu zittern, und Contarino und seine Partei lachten schadenfroh, wiewohl Contarino laut bekannte: er wünsche lieber tausend Zechinen und zwei­ tausend zu verlieren, weil mit der Gefangen­ schaft Abällinos die allgemeine Sicherheit der Revubltk gewönne. Es schlug im Thurme der St. Markus­ kirche fünf Hbf — Rosamunde bebte; Todesschwels perlte von ihrer schönen Stirn. Flodoard kam noch nicht. Der alte Andreas Gritti liebte Flodoarden wirklich — jetzt schauderte er zum ersten­ male vor dem Gedanken, daß Abällinos Dolch gesiegt Haden könne.

Rosamunde grng zum Herzog; sie schien

ihm etwas sagen zu wollen, lähmte ihre Zunge,

rem Auge hervor.

aber, die Angst

eine Thräne quoll in ihr

Sie verbarg die Angst und

ihre Thränen so meisterhaft, als cs sich, immer hier thun ließ — in einem Winkel warf sie sich auf einen Sessel nieder, rang die Hände, und ihre Seufzer flehten Hülfe von dem barm-

herzigen Gott. Die ührigc Gesellschaft trippelte in sicht­ barer Verlegenheit umher; man wollte fröh­ lich fein, aber auch nicht einmal der Schein der Fröhlichkeit konnte affeclirl werden.

So vcrflosi wieder eine Stunde, und Flor doard kam nicht. Jetzt brach die Abendsonne lächelnd hinter

den Regengcwöiken hervor, ein Stxahl der sin­ kenden Tageskönigin fiel auf Rosamunde» — und Rosamunde wurde,

sie wußte nicht war­

um ? froh. Contarino.

Um fünf Uhr wollte Flo-

doard den Abällino liefern! — es sind andert­

halb Stunden darüber.

Senator.

gen dann

Wenn er ihn'Nur liefert, mS/

auch anderthalb Wochen

darüber

fein. Gritti. Nein! —'still! — ich höre brau« ficn Geräusch.-------Die Flügelthüren sprangen auf, und Flo/ doard

trat allein herein im Reiscklcide und

Regenmantel.

Wild und wüst flog fein Haar,

düster rollte sein Auge durch die Gesellschaft. Er riß den Hntvon Kopf herab und begrüßte

die Versammlung.

Alles drehte sich zu ihm hin, jeder Mund schien zehn Fragen zu haben, jedes Auge stu/

fcirtc feine Mienen.

,,Mir ahndet

was':"

schrie

Memmo.

„„Seid ohne Sorgen, Scnnorl"" murmelte

Contarino. „Edle Vcnetianer!" sprach Flodoard, und (eine Sprache war die Stimme des Helden; wahrscheinlich hat unser Durchlauchtigster Herr

euch die Ursach dieser Zusammenkunft gemel/

der — ich will jetzt eure Sorgen lösen.

Aber

2o3

vorher frag ich noch einmal, gnädigster Herr,

wird Flodoard Nosamundcn zur Gemahlin er, Hallen, wenn er den ?lbällino in eure Hände lie­

fert?" Eritti.

Habt

(ihn mit »en Angen messend)

ihr den Abällino?

Flodoard.

Gritki.

Empfang' ich Rofamundcn?

Ohne Widerspruch, ja! ihr em­

pfangt sie mit einem fürstlichen Drautschatz.

Ihr Edlen von Venedig,

Flodoard.

ihr habt bas Wort des Dogen gehört! V i c l c S c n a l o r e n. Wir habens gehört! Flodoard.

Saal macht.)

(indem, er drei Schritt' durch den

Wohlan,

Abällino ist in meiner

«nd eurer Gewalt!

Alle.