§§ 44 bis 100
 3704648981, 9783704648983

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Zweites Hauptstück. Von dem Eherechte
Begriff der Ehe § 44
Nichteheliche Lebensgemeinschaft
Und des Eheverlöbnisses § 45
Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse § 46
§§ 47–88 (außer Kraft)
Persönliche Rechtswirkungen der Ehe § 89
§ 90
§ 91
§ 92
Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 38a SPG, § 382b EO)
§ 93
§ 93a
§ 94
§ 95
§ 96
§ 97
§ 98
§ 99
§§ 100–136 (außer Kraft)
Stichwortverzeichnis

Citation preview

3. Auflage des von DR. HEINRICH KLANG begründeten Kommentars zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch

ABGB §§ 44 bis 100 herausgegeben von O.

UNIV.-PROF. DR. ATTILA FENYVES UNIV.-PROF. DR. FERDINAND KERSCHNER AO. UNIV.-PROF. DR. ANDREAS VONKILCH bearbeitet von O.

UNIV.-PROF. DR. MONIKA HINTEREGGER UNIV.-ASS. MAG. DR. SUSANNE KISSICH

Wien 2006

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://ddb.de abrufbar.riftenreihe ; 192)

Zitiervorschläge: Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 94 Rz 2. Zitiervorschläge: Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 13 KSchG Rz 2.

Alle Rechte vorbehalten Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autorinnen bzw der Herausgeber oder des Verlages ist ausgeschlossen. ISBN 10: 3-7046-4898-1 ISBN 13: 978-3-7046-4898-3 © Verlag Österreich GmbH 2006 A-1070 Wien, Kandlgasse 21 Tel. (++431) 610 77-333, Fax (++431) 610 77-502 e-mail: [email protected] http://www.verlagoesterreich.at Umbruch: b+R satzstudio, graz

Vorwort Vor mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt hatte das Vorhaben konkrete Formen angenommen, mit einer Neuauflage des „Klang-Kommentars“ der österreichischen Zivilrechtswissenschaft und Rechtspraxis in aktueller Fassung wieder jenen Großkommentar zum österreichischen bürgerlichen Recht zur Verfügung zu stellen, der sich durch hohes wissenschaftliches Niveau und Praxisnähe gleichermaßen auszeichnet und dessen Vorauflagen viele Jahrzehnte gleichsam das „Rückgrat“ der österreichischen Zivilrechtsdogmatik gebildet haben. Nach der Publikation der von H. Pichler betreuten Kommentierung der §§ 137 bis 186a ABGB geriet dieses groß angelegte und ehrgeizige Projekt dann allerdings ins Stocken. Die Gründe dafür sind vielfältig, jedoch Vergangenheit. Viel wichtiger erscheint, dass das Projekt einer 3. Auflage des „KlangKommentars“ vor einiger Zeit in eine neue, viel versprechende Phase eingetreten ist. Diese Phase wurde durch eine Erweiterung des Herausgeberteams im Jahr 2005 eingeleitet und erreicht nunmehr durch die Vorlage zweier Bände, nämlich der von Hinteregger und Kissich betreuten Kommentierung der §§ 44 bis 100 ABGB sowie der Kommentierung des KSchG, die von einem Innsbrucker Autorenteam unter der Leitung der Professoren Mayrhofer und Eccher besorgt wurde, ihren ersten Höhepunkt. Ihnen werden im Jahr 2007 weitere Bände folgen, die bereits in Vorbereitung sind. Auch optisch soll der Beginn dieser neuen Phase zum Ausdruck kommen, und zwar dadurch, dass der „Klang-Kommentar“ in Hinkunft nicht mehr in ein braunes, sondern – der allgemeinen Verlagsfarbe entsprechend – in ein blaues Gewand gekleidet sein wird. Das von manchen bereits totgesagte Projekt einer 3. Auflage des „KlangKommentars“ gibt also kräftige Lebenszeichen von sich und wird, dessen sind sich die Herausgeber sicher, in einem überschaubaren Zeitraum abgeschlossen werden können. Wien, im September 2006

Attila Fenyves Ferdinand Kerschner Andreas Vonkilch

3

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 7

Zweites Hauptstück Von dem Eherechte Begriff der Ehe § 44 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichteheliche Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Und des Eheverlöbnisses § 45 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse § 46 . . . . . . . . §§ 47–88 (außer Kraft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Rechtswirkungen der Ehe § 89 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 90 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 91 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 92 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 38a SPG, § 382b EO) . . . § 93 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 93a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 94 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 95 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 96 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 97 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 99 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §§ 100–136 (außer Kraft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 18 49 54 57 58 61 70 75 83 103 121 123 199 202 208 221 228 233

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

5

Abkürzungsverzeichnis aA AB ABGB abl ABl Abs AcP aF AfA allg AlVG AnfO Anm AnwBl AO ArbSlg ARD Art ASG ASok ASVG ATS AußStrG AVRAG

BAO bbl BDG BG BGBl BHV B-KUVG BlgBR BlgNR BMI BMSG BR BRD

anderer Ansicht Ausschussbericht Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch JGS 946 idF BGBl I 2006/113 ablehnend Amtsblatt Absatz (deutsches) Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung Absetzung für Abnutzung allgemein(-e, -er) Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 BGBl 609 idF BGBl I 2006/131 Anfechtungsordnung RGBl 1914/337 idF BGBl I 2006/8 Anmerkung Österreichisches Anwaltsblatt Ausgleichsordnung BGBl II 1934/221 idF BGBl I 2006/8 Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen ARD-Betriebsdienst Artikel Arbeits- und Sozialgericht Arbeits- und Sozialrechtskartei Allgemeines Sozialversicherungsgesetz BGBl 1955/189 idF BGBl I 2006/133 Österreichische(r) Schilling Außerstreitgesetz BGBl I 2003/111 idF BGBl I 2006/92 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz BGBl 1993/459 idF BGBl I 2006/36 Bundesabgabenordnung BGBl 1961/194 idF BGBl I 2006/143 Baurechtliche Blätter Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 BGBl 333 idF BGBl I 2006/129 Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Bundeshaushaltsverordnung 1989 BGBl 570 idF BGBl II 2005/26 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz BGBl 1967/200 idF BGBl I 2006/131 Beilage(-n) zu den stenographischen Protokollen des Bundesrates Beilage(-n) zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates Bundesministerium für Inneres Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Bundesrat Bundesrepublik Deutschland

7

Abkürzungsverzeichnis

BSVG

BVA B-VG bzw

Bauern-Sozialversicherungsgesetz BGBl 1978/559 idF BGBl I 2006/131 Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz BGBl 1972/414 idF BGBl I 2005/104 Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter Bundes-Verfassungsgesetz BGBl 1930/1 idF BGBl I 2005/121 beziehungsweise

ca

circa (ungefähr)

dBGB

(deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch RGBl 1896, 195 idF BGBl I 2006, 1897 (deutsches) Bundesgesetzblatt das heißt Das Recht der Arbeit (deutsches) Reichsgesetzblatt

BUAG

dBGBl dh DRdA dRGBl E EB ecolex EFSlg EG EGBGB EGMR EheG EheRÄG 1999 EheRwG EMRK EO ErbStG EStG etc EvBl EWr f FamRÄG 2006 FamRZ ff FLAG FMedG FN FS

8

Entscheidung Erläuternde Bemerkungen Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht Sammlung ehe- und familienrechtlicher Entscheidungen Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum (deutschen) Bürgerlichen Gesetzbuch dRGBl 1896, 604 idF BGBl I 2006, 866 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Ehegesetz dRGBl I 1938, 807 idF BGBl I 2006/92 Eherechts-Änderungsgesetz 1999 BGBl I 125 Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe BGBl 1975/412 Europäische Menschenrechtskonvention BGBl 1958/210 idF BGBl III 2002/179 Exekutionsordnung RGBl 1896/79 idF BGBl I 2006/56 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 BGBl 141 idF BGBl I 2005/161 Einkommensteuergesetz 1988 BGBl 400 idF BGBl I 2006/134 et cetera (und so weiter) Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen in Österreichische Juristen-Zeitung Entscheidungen Wohnrecht und der, die folgende Familienrechts-Änderungsgesetz 2006 (deutsche) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht und der, die folgenden Familienlastenausgleichsgesetz 1967 BGBl 376 idF BGBl I 2006/3 Fortpflanzungsmedizingesetz BGBl 1992/275 idF BGBl I 2004/163 Fußnote Festschrift

Abkürzungsverzeichnis

G GBSlg gem GeSchG

GesRZ GlU GlUNF GP GSVG GZ

Gesetz Grundbuchsammlung in Österreichische Notariats-Zeitung gemäß Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie (Gewaltschutzgesetz) BGBl 1996/759 idF BGBl I 1999/146 idF BGBl I 2003/31 idF BGBl I 2004/151 Der Gesellschafter, Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des kk Obersten Gerichtshofes Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des kk Obersten Gerichtshofes, Neue Folge Gesetzgebungsperiode Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz BGBl 1978/560 idF BGBl I 2006/131 a) Allgemeine österreichische Gerichtszeitung, Fortsetzung: Gerichts-Zeitung, aufgegangen in: Juristische Blätter b) Geschäftszahl

hL Hrsg HS

herrschende Lehre Herausgeber, -in Handelsrechtliche Entscheidungen

idF idR idS immolex ImmZ infas insb IPRax IPRG iSd iVm

in der Fassung in der Regel in diesem Sinne Neues Miet- und Wohnrecht Österreichische Immobilien-Zeitung Informationen aus dem Arbeits- und Sozialrecht insbesondere Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Bundesgesetz über das internationale Privatrecht BGBl 1978/304 idF BGBl I 2004/58 im Sinne des, – der in Verbindung mit

JA JAB JAP JBl JGS JN JRP JUS-Extra JWG

Justizausschuss Justizausschussbericht Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung Juristische Blätter Justizgesetzsammlung Jurisdiktionsnorm RGBl 1895/111 idF BGBl I 2006/103 Journal für Rechtspolitik Beilage zur Wiener Zeitung Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 BGBl 161 idF BGBl I 2003/112

KBB KG

Koziol/P.Bydlinski/Bollenberger, Kurzkommentar zum ABGB a) Kommanditgesellschaft b) (ehemaliges) Kreisgericht Karenzgeldgesetz BGBl I 1997/47 idF BGBl I 2004/34

KGG

9

Abkürzungsverzeichnis

KlGG KO krit KUG

Kleingartengesetz BGBl 1959/6 idF BGBl I 2001/98 Konkursordnung RGBl 1914/337 idF BGBl I 2006/8 kritisch Karenzurlaubsgeldgesetz BGBl 1974/395 idF BGBl I 2004/34

LAG LDG

Landarbeitsgesetz 1984 BGBl 287 idF BGBl I 2006/147 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz BGBl 1984/302 idF BGBl I 2006/117 legis citatae (der zitierten Vorschrift) Lieferung Landesgesetzblatt Landesgericht für Zivilrechtssachen litera (Buchstabe) Literatur Land- und forstwirtschaftliches Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz BGBl 1985/296 idF BGBl I 2006/117

leg cit Lfg LGBl LGZ lit Lit LLDG

Mat ME MietSlg MRG MRK mwN

Materialien Ministerialentwurf Sammlung mietrechtlicher Entscheidungen Mietrechtsgesetz BGBl 1981/520 idF BGBl I 2006/124 siehe EMRK mit weiteren Nachweisen

NÄG NamRÄG 1995 NÄV 1997 nF NO NotaktsG NR Nr NRsp NZ

Namensänderungsgesetz BGBl 1988/195 idF BGBl 1995/25 Namensrechtsänderungsgesetz 1995 BGBl 25 Namensänderungsverordnung 1997 BGBl II 387 neue Fassung Notariatsordnung RGBl 1871/75 idF BGBl I 2005/164 Notariatsaktsgesetz RGBl 1871/76 idF BGBl I 2001/98 Nationalrat Nummer Neue Rechtsprechung des OGH in Österreichische Juristen-Zeitung Österreichische Notariats-Zeitung

ÖA ÖAMTC-LSK ÖBA OFG OGH ÖJZ ÖJZ-LSK OLG ÖStA ÖStZ ÖStZB

Der Österreichische Amtsvormund ÖAMTC-Leitsatzkartei Österreichisches Bankarchiv Opferfürsorgegesetz BGBl 1947/183 idF BGBl II 2006/3 Oberster Gerichtshof Österreichische Juristen-Zeitung Leitsatzkartei in Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Österreichisches Standesamt Österreichische Steuer-Zeitung Beilage zur Österreichischen Steuer-Zeitung

PKW

Personenkraftwagen

10

Abkürzungsverzeichnis

PStG PStV

Personenstandsgesetz BGBl 1983/60 idF BGBl I 2005/100 Personenstandsverordnung BGBl 1983/629 idF BGBl II 2004/107

RDG RdW RGBl RL RpflSlgA

Richterdienstgesetz BGBl 1961/305 idF BGBl I 2006/117 Österreichisches Recht der Wirtschaft Reichsgesetzblatt Richtlinie Sammelmappe für Rechtspfleger-Besprechungen in Außerstreitsachen Regierungsvorlage Österreichische Richterzeitung Randzahl

RV RZ Rz S s sog SPG SRÄG 2006 SSV-NF StAZ

Satz siehe sogenannt (-e, -er, -es) Sicherheitspolizeigesetz BGBl 1991/566 idF BGBl I 2006/56 Sozialrechts-Änderungsgesetz 2006 BGBl I 131 Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Sozialrechtssachen Das Standesamt, (deutsche) Zeitschrift für Standesamtswesen, Personenstandsrecht, Ehe- und Kindschaftsrecht, Staatsangehörigkeitsrecht StGB Strafgesetzbuch BGBl 1974/60 idF BGBl I 2006/56 StGG Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger RGBl 1867/142 idF BGBl 1988/684 Stmk WFG 1993 Steiermärkisches Wohnbauförderungsgesetz 1993 LGBl 25 idF LGBl 2004/57 StPO Strafprozeßordnung 1975 BGBl 631 idF BGBl I 2006/102 stRspr ständige Rechtsprechung SV Der Sachverständige, Zeitschrift des Hauptverbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs SWRÄG 2006 Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 BGBl I 92 SZ Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungs-)sachen TirGVG

Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 LGBl 61 idF LGBl 2005/85

ua UbG unzutr UPG UrhG UrlG uva UVS

und andere(n), unter anderem Unterbringungsgesetz BGBl 1990/155 idF BGBl I 1997/12 unzutreffend Unterrichtspraktikumsgesetz BGBl 1988/145 idF BGBl I 2004/176 Urheberrechtsgesetz BGBl 1936/111 idF BGBl I 2006/81 Urlaubsgesetz BGBl 1976/390 idF BGBl I 2002/89 und viele(s) andere Unabhängiger Verwaltungssenat

VBG verst Senat

Vertragsbedienstetengesetz 1948 BGBl 86 idF BGBl I 2006/117 verstärkter Senat

11

Abkürzungsverzeichnis

VersVG VfGH VfSlg vgl VwGH VwSlg

wbl WEG 2002 WGG wobl WR Z ZAS ZASB zB ZBl ZfRV ZfVB ZPEMRK ZPO ZRS ZTKG zutr zust ZVR

12

Versicherungsvertragsgesetz 1958 BGBl 1959/2 idF BGBl I 2006/95 Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vergleiche Verwaltungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes Wirtschaftsrechtliche Blätter Wohnungseigentumsgesetz 2002 BGBl I 70 idF BGBl I 2006/124 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz BGBl 1979/139 idF BGBl I 2006/124 Wohnrechtliche Blätter Beilage zu „Der Wiener Richter“ Zahl, Ziffer Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht Beilage zur Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht zum Beispiel Zentralblatt für die juristische Praxis Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Judikaturbeilage zur Zeitschrift für Verwaltung Zusatzprotokoll zur EMRK Zivilprozessordnung RGBl 1895/113 idF BGBl I 2006/7 Zivilrechtssachen Ziviltechnikerkammergesetz 1993 BGBl 1994/157 idF BGBl I 2005/164 zutreffend zustimmend Zeitschrift für Verkehrsrecht

Zweites Hauptstück Von dem Eherechte Allgemeine Lit zu §§ 44–100 Kommentare Klang Heinrich/Gschnitzer Franz (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch I/12 (Wien 1964), abgekürzt zitiert nach dem Bearbeiter in Klang, ABGB I/12, Seite; Schwind Fritz, Kommentar zum österreichischen Eherecht2 (Wien 1980); Rummel Peter (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch I3 (Wien 2000) mit 1. Ergänzungsband zur 3. Auflage zur Berücksichtigung des KindRÄG 2001 (2003), abgekürzt zitiert nach dem Bearbeiter in Rummel, ABGB I3 § … Rz … (§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des ABGB); Hopf Gerhard/Kathrein Georg, Eherecht2 (Wien 2005) (§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des ABGB); Schwimann Michael/Verschraegen Bea (Hrsg), ABGB-Praxiskommentar I3 (Wien 2005), abgekürzt zitiert nach dem Bearbeiter in Schwimann, ABGB I3 § … Rz … (§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des ABGB); Koziol Helmut/Bydlinski Peter/Bollenberger Raimund (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB (Wien–New York 2005), abgekürzt zitiert nach dem Bearbeiter in KBB, § … Rz … (§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des ABGB). Lehrbücher und systematische Darstellungen Gschnitzer Franz/Faistenberger Christoph, Österreichisches Familienrecht2 (Wien–New York 1979); Ehrenzweig Armin/Schwind Fritz, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts III3: Das Familienrecht (Wien 1984), zitiert als Ehrenzweig/Schwind, Familienrecht3, Seite; Deixler-Hübner Astrid, Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft. Rechtliche Folgen der Ehe, Scheidung und Lebensgemeinschaft8 (Wien 2004); Hinteregger Monika, Familienrecht3 (Wien 2004); Schwimann Michael, Familienrecht5 (Wien 2004) (OracRechtsskriptum); Kerschner Ferdinand, Familienrecht2. Springers Kurzlehrbücher der Rechtswissenschaft (Wien–New York 2002) idF Ergänzungsheft (2005); Koziol Helmut/Welser Rudolf, Grundriss des bürgerlichen Rechts. Allgemeiner Teil, Sachenrecht, Familienrecht I13, bearbeitet von Kleteˇcka Andreas (Wien 2006). Monographien und Sammelbände Ent Herbert/Hopf Gerhard, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (Wien 1976); Ent Herbert/Hopf Gerhard, Das neue Eherecht – Die Reform des Ehewirkungsrechts, des Ehegattenerbrechts und des Ehe13

§ 44

Hinteregger

scheidungsrechts mit Materialien, Erläuterungen, Hinweisen und Rechtsprechung (Wien 1979); Floretta Hans (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (Salzburg 1979); Ostheim Rolf (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/78 (Wien 1979); Ruppe Hans Georg (Hrsg), Handbuch der Familienverträge2 (Wien 1985); Feil Erich/Holeschofsky Peter, Unterhalt und Vermögensrechte nach der Scheidung2 (Eisenstadt 1991); Harrer Friedrich/ Zitta Rudolf (Hrsg), Familie und Recht (Wien 1992); Deixler-Hübner Astrid (Hrsg), Die rechtliche Stellung der Frau (Wien 1998); Holzner Christian, Ehevermögen bei Scheidung und bei Tod. Unvereinbarkeit zweier Auseinandersetzungsmodelle (Wien 1998); Deixler-Hübner Astrid, Das neue Eherecht (Wien 1999); Berka Lydia, Scheidung und Scheidungsreform (Wien 2000); Ferrari Susanne/Hopf Gerhard (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (Wien 2000); Gitschthaler Edwin, Unterhaltsrecht (Wien 2001); Aichhorn Ulrike, Das Recht der Lebenspartnerschaften – Ehe und Lebensgemeinschaft (Wien 2003); Schwimann Michael/Kolmasch Wolfgang, Unterhaltsrecht3 (Wien 2004).

Begriff der Ehe § 44. Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitigen Beistand zu leisten. Stammfassung JGS 1811/946 Lit zu I.: Sperl Wolfgang, Die Arbeitsleistung der Ehefrau, ihre Bedeutung für das Unterhalts- und das eheliche Güterrecht, ÖJZ 1965, 197; Edlbacher Oskar, Die Transsexualität im Zivil- und im Personenstandsrecht, ÖJZ 1981, 173, 460 (Berichtigung und Ergänzung); Rebhahn Robert, Familie und Gleichheitssatz, in Harrer/Zitta, Familie 145; Kraner Dietrich, Ist eine Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern in Österreich möglich? ÖStA 1993, 92; Verschraegen Bea, Gleichgeschlechtliche Ehen (Wien 1994); dieselbe, „Neues“ Familienrecht, StAZ 1995, 225; Friedrich Elisabeth/Wagner Helga, 20 Jahre Transsexualismus, 20 Jahre Sensibilisierungsprozeß und „Rechtslage“, ÖStA 1997, 82; Kerschner Ferdinand, Kommt nach der Familie die Familie? RZ 1998, 74; Hinteregger Monika, Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, ÖJZ 1999, 741; Röthel Anne, Registrierte Partnerschaften und österreichisches Kollisionsrecht, ZfRV 1999, 208; Basedow Jürgen/Hopt Klaus/Kötz Hein/Dopffel Peter, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften (Tübingen 2000); Wagner Rolf, Das neue internationale Privat- und Verfahrensrecht zur eingetragenen Lebenspartnerschaft, IPRax 2001, 281; Schwab Dieter (Hrsg), Die eingetragene Lebenspartnerschaft (Bielefeld 2002).

14

Begriffsmerkmale der Ehe

§ 44

Übersicht I. Begriffsmerkmale der Ehe 1. Allgemeines 2. Vertrag 3. Geschlechtsverschiedenheit 4. Unzertrennliche Gemeinschaft 5. Kinderzeugung und Betreuung 6. Beistandspflicht II. Nichteheliche Lebensgemeinschaft

1–10 1 4 5 7 8 10 11–42

I. Begriffsmerkmale der Ehe 1. Allgemeines § 44 definiert die Ehe als Vertrag, in dem zwei Personen verschiedenen 1 Geschlechts gesetzmäßig ihren Willen erklären, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und sich gegenseitigen Beistand zu leisten. Diese Bestimmung stammt noch aus der Stammfassung des ABGB. Die Eherechtsreformen der letzten zwei Jahrhunderte haben § 44 in seinem Wortlaut nicht angetastet. § 44 kommt jedoch heute nur mehr ein eingeschränkter rechtlicher Gehalt zu, da die Rechte und Pflichten der Ehegatten von den Regelungen über die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (§§ 89ff) festgelegt werden.1 Auch der Einleitungssatz des § 44, dass die Familienverhältnisse durch 2 den Ehevertrag gegründet werden, ist heute überholt. Das Verfassungsrecht kennt einen weiten Familienbegriff, der auch die uneheliche Abstammung erfasst. Diesem Grundverständnis hat der Zivilgesetzgeber durch die Gleichstellung des unehelichen Kindes mit dem ehelichen Kind und durch die Aufwertung der Rechte von Pflegeeltern (§§ 186f) Rechnung getragen. Der in § 44 genannte Wille, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben 3 und Kinder zu zeugen, ist für die Wirksamkeit des Eheabschlusses nicht notwendig. Auch wenn bei der Eheschließung der Wille und die Fähigkeit, Kinder zu zeugen und zu erziehen, nicht vorhanden war, kommt eine Ehe zustande.2 Dasselbe gilt für die Kinderbetreuung und die Beistandsleistung. Diese stellen zwar nach wie vor Verpflichtungen aus dem Ehe- bzw Kindschaftsverhältnis dar, das Fehlen eines Willens, diese Verpflichtungen zu erfüllen, hat auf die Wirksamkeit der Eheschließung aber keinen Einfluss. Dies ergibt sich aus den Vorschriften des EheG über das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Eheabschlusses, die zwingender Natur sind und die den Abschluss der Ehe sowie die Gründe, die zu einer Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe führen können, abschließend regeln. 1 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 2; Koch in KBB, § 44 Rz 1; anders Kerschner, Familienrecht2 Rz 2/9, 2/30ff, der § 44 zwingenden Charakter zuweist. 2 OGH 30. 8. 1977, 3 Ob 596/77, RZ 1978, 130/56.

15

§ 44

Hinteregger

2. Vertrag 4

Die Ehe wird durch einen Vertrag begründet. Für Abschluss, Inhalt und Auflösbarkeit des Ehevertrages gelten die Sondervorschriften des Eherechts, die weitgehend zwingenden Charakter haben, die Rechte und Pflichten bei aufrechter Ehe werden in den §§ 89–100 geregelt. 3. Geschlechtsverschiedenheit

Aus § 44 wird allgemein abgeleitet, dass eine Ehe nur von zwei Personen verschiedenen Geschlechts geschlossen werden kann. Eine Eheschließung durch gleichgeschlechtliche Personen ist rechtlich unmöglich und deshalb völlig unwirksam.3 Gleichgeschlechtliche Paare haben in Österreich im Gegensatz zu einer Reihe von anderen europäischen Staaten auch nicht die Möglichkeit, eine gesetzlich anerkannte Lebensgemeinschaft einzugehen.4 Es ist allerdings möglich, dass ausländisches Recht Österreichern die Begründung einer im jeweiligen Staat anerkannten Lebensgemeinschaft ermöglicht.5 Die Geschlechtsumwandlung einer verheirateten Person macht ihre Ehe 6 weder unwirksam noch nichtig.6 Eine Auflösung der Ehe kann nur aufgrund der vom Gesetz vorgesehenen Aufhebungs- oder Scheidungstatbestände erfolgen. Die Aufhebung der Ehe kommt nur in Frage, wenn die transsexuelle Neigung bereits bei Eheschließung bestanden hat (s §§ 33ff EheG). War dies nicht der Fall, kann die Ehe nur durch Scheidung (s §§ 49ff EheG) gelöst werden. Soweit keiner der spezifischen Aufhebungs- oder Scheidungstatbestände erfüllt ist, bleibt den Betroffenen nur die Möglichkeit der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG. Hat eine Person, die unter der zwanghaften Vorstellung lebt, dem anderen Geschlecht anzugehören, eine operative Geschlechtsumwandlung an sich vor5

3 Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 44 Anm 3; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 44 Rz 2; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 44 Rz 2; Kraner, ÖStA 1993, 93. VfGH 12. 12. 2003, B 777/03, ZfVB 2004, 722/1477: Die Beschränkung des Rechts auf Eheschließung auf Personen verschiedenen Geschlechts ist nicht verfassungswidrig. 4 Die Möglichkeit, eine registrierte Partnerschaft einzugehen, besteht beispielsweise in Dänemark (seit 1989), Island (1996), Norwegen (1993), Schweden (1995), Frankreich (1999) und seit 2001 auch in Deutschland (dBGBl 2001 I 266). In den Niederlanden (2001), Belgien (2003) und Spanien (2005) können gleichgeschlechtliche Partner heiraten. Die Regelungen sind im einzelnen sehr unterschiedlich: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Rechtsstellung; Schwab, Lebenspartnerschaft. Vgl dazu auch Verschraegen, Gleichgeschlechtliche Ehen; dieselbe, StAZ 1995, 225ff; Röthel, ZfRV 1999, 208. 5 Dies ist beispielsweise in Deutschland der Fall, da das deutsche Recht (Art 17b EGBGB) nicht nach dem Personalstatut der potentiellen Lebenspartner, sondern nach dem Recht des Staates anknüpft, in dem sich die Lebenspartner registrieren haben lassen: Wagner, IPRax 2001, 281 (287, 289); Henrich, Kollisionsrechtliche Fragen der eingetragenen Lebenspartnerschaft, in Schwab 313. Zur international-rechtlichen Anknüpfung in Österreich: Röthel, ZfRV 1999, 208. 6 Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 44 Anm 4 und Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 44 Rz 2. Für die Annahme einer „Nichtehe“: Schwind, Kommentar2 § 44 Anm 2.2; Edlbacher, ÖJZ 1981, 180.

16

Begriffsmerkmale der Ehe

§ 44

nehmen lassen, so ist sie als Angehörige jenes Geschlechts anzusehen, das ihrem neuen äußeren Erscheinungsbild entspricht.7 Sie kann somit auch heiraten.8 Die Personenstandsbehörde hat für die Beurteilung der Ehefähigkeit die Geschlechtszugehörigkeit im Rahmen eines Beweisverfahrens, vor allem durch Urkunden und, wenn dies nicht ausreicht, durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu klären.9 Die personenstandsrechtliche Stellung von Transsexuellen wurde im Erlass des BMI 27. 11. 1996 ÖStA 1997, 1 („Transsexuellenerlass“) näher ausgeführt. Dieser gab Anleitungen für die Behandlung von Anträgen Transsexueller auf Änderung des Vornamens und der Geschlechtseintragung im Geburtenbuch. Punkt 2.4. des Erlasses legte fest, dass eine Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch nur dann eingetragen werden durfte, wenn die antragstellende Person nicht verheiratet war. Eine Änderung des Vornamens konnte auch ohne Vornahme von geschlechtskorrigierenden Maßnahmen bewilligt werden (Punkt 3.2.), das Vorliegen von Transsexualität sollte aber durch ein entsprechendes Gutachten nachgewiesen werden. Punkt 2 und 3 des Erlasses wurden vom VfGH10 jedoch als gesetzwidrig aufgehoben. Für die Vornahme von Geschlechtsumwandlungen besteht eine Empfehlung des BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. 7. 1997, GZ 20.871/0-VIII/D/13/97.11 4. Unzertrennliche Gemeinschaft Angesichts der relativ leichten Lösbarkeit einer Ehe ist die Erklärung, in 7 unzertrennlicher Gemeinschaft leben zu wollen, nur dahingehend zu verstehen, dass eine Ehe auf unbegrenzte Zeit eingegangen werden muss. Die Eheschließungserklärung kann – bei sonstiger Nichtigkeit – nicht unter einer Bedingung oder Befristung abgegeben werden (§ 17 Abs 2 iVm § 21 EheG). 5. Kinderzeugung und Betreuung § 44 enthält als weiteres Definitionsmerkmal einer Ehe, den Willen, Kin- 8 der zu zeugen. Dem wird heute aber keine Bedeutung mehr zugemessen. Dies ergibt sich schon aus § 90, der eine solche Verpflichtung nicht vorsieht. Diese Wertung wird durch die Aufhebung des § 48 EheG, der die „Verweigerung der Fortpflanzung“ als expliziten Scheidungsgrund vorgesehen hatte, durch das EheRÄG 1999 noch weiter verstärkt. Nach der RV zum EheRÄG 1999 soll dieser Tatbestand in Zukunft im Generaltatbestand der schweren Eheverfehlung des § 49 EheG aufgehen.12 Eine Weigerung, Kinder zu zeugen, kann meiVwGH 30. 9. 1997, 95/01/0061, JBl 1998, 461. Zum Recht Transsexueller auf Eheschließung nach EMRK und EG-Recht: EGMR 11. 7. 2002, Beschw 28.957/95, ÖJZ 2003, 766/34 (Goodwin gegen Vereinigtes Königreich); EuGH 7. 1. 2004, C-117/01, DRdA 2004, 170. 9 VwGH 30. 9. 1997, 95/01/0061, JBl 1998, 461. 10 VfGH 8. 6. 2006, V 4/06–7. 11 Friedrich/Wagner, ÖStA 1997, 82. 12 1653 BlgNR XX. GP 23. 7 8

17

§ 44

Kissich

nes Erachtens wegen ihres höchstpersönlichen Charakters aber nur in besonderen Ausnahmesituationen als schwere Eheverfehlung gewertet werden (s bei § 49 EheG). Die Entscheidung, Kinder zu bekommen, ist Teil des höchstpersönlichen Lebensbereichs jedes Menschen und bleibt auch innerhalb einer Ehe der autonomen Entscheidung der Ehegatten überlassen. Ehegatten sollen diese Entscheidung einvernehmlich und frei von jedem rechtlichen Zwang treffen. Auch ein indirekter Zwang durch das Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht ist völlig unangebracht. 9 Sind Kinder vorhanden, dann besteht eine gesetzliche Verpflichtung zu ihrer Betreuung. Diese wird durch das Kindschaftsrecht konkretisiert. Aus der ehelichen Beistandspflicht wird auch eine gewisse Mitwirkungspflicht an der Betreuung von Kindern, die der andere Partner in die Ehe mitgebracht hat, abgeleitet.13 Nach der RV14 zu einem FamRÄG 2006 soll diese Pflicht in einem neuen § 90 Abs 3 ausdrücklich gesetzlich vorgesehen werden. 6. Beistandspflicht 10

Die Leistung von gegenseitigem Beistand ist die Basis jeder Ehe. Die Beistandsleistung ist in § 44 als Definitionsmerkmal der Ehe angeführt und gem § 90 Teil der persönlichen ehelichen Rechte und Pflichten. Sie umfasst sowohl materielle wie immaterielle Hilfe.15 Die in § 94 geregelte Unterhaltspflicht, die Unterstützung im Haushalt (§ 95), die Mitwirkung im Erwerb (§ 90 Abs 2, §§ 98–100) und der in § 97 geregelte Wohnungsschutz sind besondere gesetzliche Konkretisierungen dieser allgemeinen Beistandspflicht. Zu Inhalt und Rechtswirkungen der allgemeinen Beistandspflicht im Einzelnen bei § 90 Rz 16ff.

II. Nichteheliche Lebensgemeinschaft Lit: Bydlinski Franz, Lohn- und Kondiktionsansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen, in FS-Wilburg (1965) 45; Schneider Franz, Die rechtliche Stellung der Lebensgefährten, ÖJZ 1965, 174; Mell Wolfgang-Rüdiger, Lebensgemeinschaft und Familienrecht in Österreich, in FS-Heinrich Demelius (Wien 1973) 155; Kocevar Franz, Unentgeltliche Dienstleistungen, DRdA 1975, 77; Rummel Peter, Wegfall des Rechtsgrundes und Zweckverfehlung als Gründe der Kondiktion nach § 1435 ABGB, JBl 1978, 449; Verschraegen Bea, „Samenleven Buiten Huwelijk“, „Cohabitation“ oder die „nichteheliche Lebensgemeinschaft“ in niederländischer, englischer und österreichischer Theorie und Praxis, ZfRV 1983, 85; Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft, Nicht-eheliche Lebensgemeinschaften – ihre Stellung in der österreichischen Rechtsordnung (Wien 1983); Holzer Wolfgang, Zivilrechtliche Konsequenzen der Angehörigenmitarbeit, in Ruppe Georg (Hrsg), Handbuch der Familienverträge 13 OGH 29. 3. 1972, 2 Ob 292, 293/71, ZVR 1972, 334/173 (nur für die Frau). Seit dem EheRwG 1975 ist diese Verpflichtung auch auf den Mann zu erstrecken. 14 EB RV 1626 BlgNR XXII. GP: § 90 Abs 3 soll lauten: „Jeder Ehegatte hat dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen.“ 15 So schon Sperl, ÖJZ 1965, 197.

18

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

(Wien 1985) 159; Djalinous Ingrid, Die eheähnliche Gemeinschaft und ihre Bedeutung in Österreich, in Frank Richard, Die eheähnliche Gemeinschaft, Beihefte zur Zeitschrift für Schweizerisches Recht 5 (1986) 35; Schwimann Michael, Zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft im österreichischen Zivilrecht, StAZ 1987, 309; Nowotny Christian, Ehescheidung und Unternehmensvermögen, ÖJZ 1988, 609 und 650; Klaar Helene, Rechtsfragen nichtehelicher Lebensgemeinschaft, AnwBl 1989 (Juli Sondernummer), 18; Rummel Peter, Ehe, Familie, Lebensgemeinschaft – Rechtsdogmatisches und Rechtspolitisches, ÖJZ 1991, 60; Gimpel-Hinteregger Monika, Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta, Familie 633; Meissel Franz-Stefan/Preslmayr Martin, Die Abgeltung von Leistungen in der Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta, Familie 515; Pernthaler Peter/ Rath-Kathrein Irmgard, Der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie, in Machacek Rudolf/Pahr Willibald/Stadler Gerhard (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich II (Kehl–Straßburg–Arlington 1992) 245; Selb Walter, Ehe und Lebensgemeinschaft, in Bydlinski Franz/Mayer-Maly Theo (Hrsg), Fortpflanzungsmedizin und Lebensschutz (Innsbruck–Wien 1992) 97; Watzl Marlies, Der Schutz des Lebensgefährten im System der Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG, wobl 1992, 3; Memmer Michael, Eheähnliche Lebensgemeinschaften und Reproduktionsmedizin, JBl 1993, 297; Engel Sabine, Rechtliche Probleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, JRP 1994, 160 und 202; Stabentheiner Johannes, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – ein Überblick, NZ 1995, 49; Verschraegen Bea, „Neues“ Familienrecht? StAZ 1995, 225; Schweighofer Christian, Lebensgemeinschaft, Ehegattenwohnungseigentum und die eingetragene Erwerbsgesellschaft, wobl 1996, 95; Iro Gert, Weiterhin kein Eintrittsrecht homosexueller Lebensgefährten, RdW 1997, 187; Baumgartner Gerhard, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; Möschl Edith, Der Ausgleich von Leistungen nach Auflösung der Lebensgemeinschaft, in Deixler-Hübner, Stellung 97; Schweighofer Christian, Kein Eintrittsrecht für Homosexuelle, wobl 1998, 262; Deixler-Hübner Astrid, Probleme der Leistungsabgeltung im Zusammenhang mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 201; Röthel Anne, Registrierte Partnerschaften und österreichisches Kollisionsrecht, ZfRV 1999, 208; Stefula Martin, Der gemeinsame Hausbau bei der Auflösung von Ehe und Lebensgemeinschaft, JAP 2001/2002, 138, 203; Ferk Janko, Die privat- und familienrechtlichen Aspekte in den Grundrechten, RZ 2002, 202; Möschl Edith, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft2 (Wien 2002); Winklhofer Manfred, Lebenspartnerschaft – Liberalisierung des Ehegüterrechtes, NZ 2002, 294/114; Frauenberger Andreas in Fasching Hans/Konecny Andreas (Hrsg), Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen III2 (Wien 2004); Helmich Elisabeth, Zur Konkurrenz von Verwendungsanspruch und Leistungskondiktion, ecolex 2004, 780; Wilhelm Georg, Lebensgemeinschaft: Geschenke, Entgeltsleistungen und deren Rückerstattung, ecolex 2004, 917; Windisch-Graetz Michaela, Das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung, ZAS 2004, 58; Stefula Martin, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005, 609/35; Dittrich Robert/Tades Helmuth, Angestelltengesetz23 (Wien 2006).

Übersicht II. Nichteheliche Lebensgemeinschaft 1. Allgemeines 2. Begriffsbildung durch die Rechtsprechung

11–42 11 13 19

§ 44

Kissich

3. Gesetzliche Berücksichtigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft a) Allgemeines b) Beispiele für die gesetzliche Berücksichtigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft 4. Rechtsfolgen der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft a) Allgemeines b) Rückforderung analog § 1435 und Entlohnung analog § 1152 c) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

22 22 23 33 33 34 42

1. Allgemeines 11

Im Gegensatz zur Ehe, die als Institution in der österreichischen Rechtsordnung fest verankert ist, fehlt für die nichteheliche Lebensgemeinschaft (auch: „außereheliche Lebensgemeinschaft“, „eheähnliche Lebensgemeinschaft“, schlicht „Lebensgemeinschaft“, „Lebenspartnerschaft“ oder „wilde Ehe“) ein vergleichbares Regelungsgebilde. Der Grund dafür ist nicht nur in ideologischen Auffassungsunterschieden zu suchen. Gegen ein umfassendes Ordnungssystem für solche Gemeinschaften spricht auch, dass die Form der nichtehelichen Lebensgemeinschaft unter anderem bewusst gewählt wird, um nicht an die rechtlichen Wirkungen einer Ehe gebunden zu sein.16 Die nichteheliche Lebensgemeinschaft unterscheidet sich von der Ehe nicht nur durch das Fehlen eines formellen Aktes bei Begründung und Auflösung.17 Vielmehr ist eine Lebensgemeinschaft auf Grund ihres unverbindlichen Charakters (s Rz 21) kein familienrechtliches Verhältnis, schon gar nicht eines „minderer Art“.18 Diese in ständiger Rechtsprechung verwendete formelhafte Bezeichnung wird von der Lehre zu Recht kritisch kommentiert, weil sie zur Annahme verleitet, dass auch zwischen Lebensgefährten familienrechtliche Ansprüche bestehen.19 Dies ist jedoch nicht der Fall. Lebensgefährten sind wechselseitig weder zur Leistung von Unterhalt20 oder Bei16 Zu den diesbezüglichen Schwierigkeiten des Gesetzgebers Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 44 Anm 11; diesen folgend zB OGH 1. 4. 1998, 9 Ob 96/98b, EFSlg 87.548. 17 Vgl Engel, JRP 1994, 163. 18 So aber OGH 26. 5. 1954, 3 Ob 258/54, SZ 27/156; 7. 11. 1961, 4 Ob 125/61, SZ 34/164 = EvBl 1962, 72/63 = ArbSlg 7453; 8. 10. 1980, 3 Ob 560/79, EFSlg 36.270; 30. 1. 1991, 3 Ob 115, 116/90, JBl 1991, 589; 22. 3. 2000, 3 Ob 204/99t, EFSlg 93.841; 20. 6. 2000, 3 Ob 209/99b, RZ 2001, 51/5; OLG Wien 10. 4. 1987, 16 R 41/87, EFSlg 54.315. Aus dieser Qualifikation leitete der OGH (im Hinblick auf die Frage der Entgeltlichkeit ihrer geleisteten Dienste) ab, dass einer Lebensgefährtin aus dem Verhältnis der Lebensgemeinschaft nie mehr Rechte zukommen können als einer Ehegattin auf Grund der Ehe (vgl OGH 26. 5. 1954, 3 Ob 258/54, SZ 27/156; 7. 11. 1961, 4 Ob 125/61, SZ 34/164 = ArbSlg 7453 = EvBl 1962, 72/63). 19 Vgl Verschraegen, ZfRV 1983, 122f; Schwimann, StAZ 1987, 309; Memmer, JBl 1993, 300; Stabentheiner, NZ 1995, 51; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 §§ 40–42 Rz 5; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 44 Rz 4. 20 OGH 15. 4. 1971, 1 Ob 94/71, SZ 44/46; 18. 11. 1999, 2 Ob 319/99x mwN; 30. 7. 2001, 10 Ob S 185/01f, JBl 2002, 189.

20

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

stand21 noch zu Treue22 verpflichtet. Die Vorschriften über die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (§§ 89ff) sind auf Lebensgemeinschaften nicht analog anwendbar,23 Lebensgefährten haben auch kein gesetzliches Erbrecht.24 Das heißt jedoch nicht, dass die Lebensgemeinschaft rechtlich bedeutungslos wäre. Die Gesetzgebung berücksichtigt die nichteheliche Lebensgemeinschaft in zahlreichen, verstreuten Vorschriften (s Rz 22ff). Über diese einzelgesetzlichen Regelungen hinaus findet die Lebensgemeinschaft auch eine wachsende Beachtung durch die Judikatur. Nach ständiger Rechtsprechung führt das Eingehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch einen geschiedenen Ehegatten zum Ruhen seines Unterhaltsanspruchs nach §§ 66ff EheG25 (zu den Auswirkungen einer außerehelichen Lebensgemeinschaft bei aufrechter Ehe s § 94). Dies gilt jedoch nicht für Unterhaltsansprüche gegenüber einem Schädiger nach § 1327; der verwitwete Ehegatte hat sich jedoch diejenigen materiellen Vorteile anrechnen zu lassen, die sich für ihn aus dem Bestehen der Lebensgemeinschaft ergeben.26 Ferner subsumiert der OGH Lebensgefährten unter den Begriff des (Familien-)Angehörigen: zB nach § 67 Abs 2 VersicherungsvertragsG (keine Legalzession an den Versicherer bei nicht vorsätzlicher Schadenszufügung durch einen Familienangehörigen)27, beim Schmerzengeld für den Schockschaden28 oder etwa beim Angehörigenbegriff nach § 24 AngestelltenG29. Das, unter bestimmten Voraussetzungen auch von Art 8 EMRK umfasste „Recht auf Lebensgemeinschaft“30 schlägt sich auch im Zivilrecht nieder: Nach Ansicht des OGH führt ein vertragliches Verbot der Aufnahme eines Lebengefährten in die Dienstwohnung einer Hausbesorgerin wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts zur Gesetzwidrigkeit des Vertrags.31 Zur überzeugenden Rechtsprechung zur Gleichbehandlung homosexueller und heterosexueller Lebensgemeinschaften s Rz 23.

21 OGH 29. 1. 1996, 5 Ob 1508/96, ZfRV 1996, 169 (Hoyer) = EFSlg 80.159 = ÖA 1996, 168; 25. 11. 1998, 9 Ob A 248/98f, DRdA 1999, 476/58 (Resch); Stefula, ÖJZ 2005, 618. 22 OGH 10. 5. 1955, 4 Ob 55/55, JBl 1955, 418; 10. 4. 1991, 3 Ob 515/91, JBl 1991, 588 = EFSlg 66.390; 26. 9. 2001, 7 Ob 189/01x, EFSlg 97.096. 23 OGH 15. 4. 1971, 1 Ob 94/71, SZ 44/46. 24 Ausführlich zur Rechtsstellung von Lebensgemeinschaften Aichhorn, Lebenspartnerschaften (2003). 25 Vgl bereits OGH 25. 3. 1938, 3 Ob 26/38, SZ 20/83 mwN. Grundlegend Gimpel-Hinteregger in Harrer/Zitta, Familie 633ff; zur Entwicklung der Judikatur vgl Verschraegen, ZfRV 1983, 131ff. 26 OGH 20. 11. 1980, 8 Ob 174/80, EvBl 1981, 295/91 = SZ 53/155 = ZVR 1982, 22/28. 27 VersVG BGBl 1959/2; vgl OGH 14. 1. 2004, 7 Ob 289/03f, ÖAMTC-LSK 2004/133. 28 OGH 29. 8. 2002, 8 Ob 127/02p, JBl 2003, 118 = ZVR 2002/96 (Karner). 29 Vgl Dittrich/Tades, Angestelltengesetz23 § 24 Anm 5. 30 Nichteheliche Lebensgemeinschaften stehen bei Haushaltsgemeinschaft von gewisser Dauer auch unter dem Schutz des Art 8 EMRK: vgl Pernthaler/Rath-Kathrein in Machacek/ Pahr/Stadler, Grund- und Menschenrechte II 265; Baumgartner, ÖJZ 1998, 763; Ferk, RZ 2002, 205; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 44 Anm 8. 31 OGH 30. 11. 1988, 9 Ob A 262/88, wobl 1991/73 (Bernat/Kleewein) = SZ 61/264.

21

§ 44 12

Kissich

Das österreichische Recht kennt keine allgemein gültige Legaldefinition der nichtehelichen Lebensgemeinschaft32. Daher bleibt es der Rechtsprechung überlassen, Tatbestandsmerkmale für den Rechtsbegriff33 der nichtehelichen Lebensgemeinschaft herauszuarbeiten. Diese, großteils zum Unterhaltsrecht entwickelte Definition wendet die Rechtsprechung auch bei der Auslegung jener gesetzlichen Bestimmungen an, welche die nichteheliche Lebensgemeinschaft ausdrücklich berücksichtigen. Manche dieser Regelungen sehen zwar das eine oder andere zusätzliche Merkmal vor, das für ihren Anwendungsbereich die nichteheliche Lebensgemeinschaft prägt, eine umfassende Legaldefinition ist jedoch nur im MietrechtsG und im Karenzurlaubsgeld- und KarenzgeldG enthalten (s Rz 23, 25). Die von der Rechtsprechung erarbeitete Definition hat aber auch für Rechtsstreitigkeiten zwischen Lebensgefährten, die aus Anlass der Beendigung ihrer Beziehung entstehen, gewisse Relevanz. Konflikte über die Aufteilung des von den Lebensgefährten gemeinsam erwirtschafteten Vermögens sind zwar nach den allgemeinen Vorschriften des Schuld- und Sachenrechts zu lösen, bei der Anwendung bestimmter Rechtsinstitute ergibt sich jedoch die Notwendigkeit, das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu prüfen (s Rz 33ff). 2. Begriffsbildung durch die Rechtsprechung

13

Eine typische Lebensgemeinschaft gibt es nicht, zu vielfältig sind die Gründe, warum diese Lebensform gewählt wird (aus ideologischen Gründen; weil eine Eheschließung rechtlich unmöglich ist; um bestimmte oder alle Rechtswirkungen der Ehe zu vermeiden; wegen pekuniärer Vorteile uvm).34 Dieser „offene Typusbegriff“35 wird daher von der Rechtsprechung durch eine Reihe von Merkmalen umschrieben. OGH und diesem folgend VwGH36 definieren die nichteheliche Lebensgemeinschaft in ständiger Rechtsprechung als eine eheähnliche, auf gewisse Dauer beabsichtigte Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft zweier Personen verschiedenen Geschlechts, deren 32 Art 1 des Ministerialentwurfs eines Familienrechts-Änderungsgesetzes 2006 (416/ME XXII.GP) sah, in Anlehnung an die herrschende Rechtsprechung und Lehre, folgende Legaldefinition der nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor: „1. Lebensgemeinschaft ist eine auf längere Dauer beabsichtigte Partnerschaft von zwei im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, die weitere Merkmale einer Solidar-, Geschlechts- und Wirtschaftsgemeinschaft aufweist. Eine Abwesenheit eines Lebensgefährten, die bloß als vorübergehend beabsichtigt ist, hebt die Lebensgemeinschaft nicht auf. 2. Eine Lebensgemeinschaft liegt nicht zwischen in gerader Linie verwandten Personen oder voll oder halbbürtigen Geschwistern vor, die miteinander im gemeinsamen Haushalt leben.“ Diese Bestimmung wurde jedoch nicht in die – bisher nicht beschlossene – RV (1626 BlgNR XXII.GP) übernommen. 33 OGH 2. 9. 1981, 6 Ob 698/81, EFSlg 37.560; VwGH 24. 9. 1969, 0205/69, VwSlg 7643 A. 34 Vgl Verschraegen, ZfRV 1983, 87; Rummel, ÖJZ 1991, 60; Memmer, JBl 1993, 298; Engel, JRP 1994, 160; Stabentheiner, NZ 1995, 50; Möschl, Lebensgemeinschaft2, 20ff. 35 Vgl Engel, JRP 1994, 160. 36 Vgl VwGH 30. 6. 1994, 92/15/0212, VwSlg 6902 F; 23. 10. 1997, 96/15/0176, VwSlg 7228 F.

22

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

innere Verbundenheit denen von Ehepartnern entspricht. Da die Umstände des Einzelfalls dabei eine wesentliche Rolle spielen, ist es unerheblich, wenn das eine oder andere Merkmal schwächer ausgeprägt oder gar nicht vorhanden ist. In der Lehre wird dieses von der Judikatur geschaffene bewegliche System grundsätzlich begrüßt, wenn auch zuweilen die fehlende Einheitlichkeit kritisiert37 oder die blumige Sprache des OGH mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis genommen wird.38 Als eheähnlich bezeichnet die Rechtsprechung einen Zustand, „der dem 14 typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht“39; die Art des Zusammenlebens soll nach außen hin dem entsprechen, was bei Ehegatten unter den gleichen Bedingungen zu erwarten wäre.40 Das setzt nicht voraus, dass die Betroffenen miteinander eine rechtsgültige Ehe eingehen könnten. Zum Teil wird diese Partnerschaftsform ja gerade deshalb gewählt, weil eine Eheschließung rechtlich unmöglich ist (zB ein Lebensgefährte ist noch mit einer dritten Person verheiratet41). Allerdings werden Umstände, die den Eheverboten nach §§ 6–10 EheG gleichkommen, auch das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausschließen.42 Eine solche hat der OGH etwa bei einer Mutter-Sohn-ähnlichen Beziehung (konkret: mehr als 40 Jahre Altersunterschied und angestrebte, aber nicht verwirklichte Adoption)43 verneint. Auch verwandtschaftliche Verhältnisse (zB Geschwistergemeinschaft) sind keine Lebensgemeinschaften.44 Nach der strafrechtlichen Rechtsprechung wird nur eine den Grundsätzen der Monogamie entsprechende Lebensgemeinschaft rechtlich anerkannt. Danach wird das Vorliegen einer LebensgeVgl Verschraegen, ZfRV 1983, 127f; Kerschner, Familienrecht2 Rz 3/2. Vgl zB Gimpel-Hinteregger in Harrer/Zitta, Familie 636; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 203. 39 OGH 4. 4. 1933, 2 Ob 315/33, RZ 1934, 52; 25. 3. 1938, 3 Ob 26/38, SZ 20/83; 3. 10. 1963, 5 Ob 255/63, RZ 1963, 213; 14. 2. 1968, 2 Ob 345/67, EvBl 1968, 491/300; 28. 4. 1970, 4 Ob 29/70, JBl 1973, 159 (Holzer) = JBl 1971, 147; 7. 11. 1972, 4 Ob 582/72, EvBl 1973, 240/103; 20. 7. 1977, 5 Ob 633/77, EFSlg 29.653; 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.268; ebenso OGH 18. 1. 1962, 5 Ob 375/61, EvBl 1962, 213/185; 5. 4. 1967, 3 Ob 32/67, SZ 40/45 = EvBl 1967, 572/401; 29. 3. 1977, 3 Ob 26, 27/77, EFSlg 29.651; 24. 6. 1981, 3 Ob 76/81, EFSlg 38.825; 23. 5. 1984, 8 Ob 511/84, EFSlg 46.305; 1. 7. 1986, 14 Ob 101, 102/86, EFSlg 51.553; 27. 2. 1990, 10 Ob S 53/90, SSV-NF 4/28; 25. 9. 1990, 10 Ob S 276/90, SSV-NF 4/115; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45 = EFSlg 63.510; 30. 1. 1991, 3 Ob 115, 116/90, JBl 1991, 589; 10. 4. 1991, 3 Ob 31/91, EFSlg 66.483; 26. 5. 1992, 5 Ob 88/92, NZ 1993, 20/251 (GBSlg); 9. 10. 1997, 2 Ob 258/97y, EFSlg 85.516 = 2 Ob 256/97y [sic!], ÖA 1998, 165; 15. 10. 1997, 3 Ob 284/97d; 5. 10. 1999, 2 Ob 314/98k; 22. 3. 2000, 3 Ob 204/99t, EFSlg 93.841; LGZ Wien 27. 8. 2002, 44 R 356/02a, EFSlg 100.933; VwGH 30. 6. 1994, 92/15/0212, VwSlg 6902 F. 40 OGH 27. 2. 1990, 10 Ob S 53/90, SSV-NF 4/28; 5. 10. 1999, 2 Ob 314/98k; LGZ Wien 26. 3. 1992, 43 R 2015/92, EFSlg 69.295; 14. 2. 1997, 43 R 79/97d, EFSlg 84.643; 3. 3. 1999, 43 R 88/99f, EFSlg 90.374; VwGH 23. 10. 1997, 96/15/0176, VwSlg 7228 F. 41 OGH 28. 4. 1970, 4 Ob 29/70, JBl 1971, 147 = JBl 1973, 159 (Holzer); 16. 6. 1983, 7 Ob 595/83, EFSlg 43.579. 42 Im Hinblick auf die Blutsverwandtschaft (vgl § 6 EheG) bereits Möschl, Lebensgemeinschaft2, 14; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 44 Rz 3, wobei nach Letzteren „im Strafrecht, Anfechtungsrecht und vor allem im Mietenrecht anderes gelten mag“. 43 OGH 3. 2. 1994, 8 Ob 648/93, EvBl 1994, 811/167. 44 S zB Engel, JRP 1994, 163. 37 38

23

§ 44

Kissich

meinschaft für den Bereich des Strafrechts schon verneint, wenn einer der Lebensgefährten noch in gültiger Ehe lebt.45 Das formelle Bestehen einer Ehe ist aber, schon aus oben genanntem Grund, kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Eheähnlichkeit wird jedoch in der Regel abzulehnen sein, wenn eine Person behauptet, mehrere nichteheliche Lebensgemeinschaften gleichzeitig zu unterhalten (vgl § 8 EheG). Es steht einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft iSd Rechtsprechung jedoch nicht entgegen, dass außerhalb der Zweierbeziehung sexuelle Kontakte mit anderen Personen unterhalten werden, da keine Pflicht zur Treue besteht.46 Die Eheähnlichkeit setzt nach der Rechtsprechung Geschlechtsverschie15 denheit voraus.47 Dies kann nach der Rechtsprechung des EGMR aber nur bedingt gelten. Danach ist zwar eine Differenzierung zwischen Ehe und Lebensgemeinschaft zulässig; eine Unterscheidung innerhalb von Lebensgemeinschaften nach der sexuellen Orientierung verlangt jedoch nach ernstlichen Gründen als Rechtfertigung.48 Dieser Auffassung hat sich mittlerweile auch der VfGH angeschlossen und § 123 Abs 8 lit b ASVG sowie § 83 Abs 8 GSVG (Ausschluss homosexueller Lebenspartner von der Mitversicherung in der Krankenversicherung) mit Wirkung vom 31.7.2006 als verfassungswidrig aufgehoben49 (s auch Rz 24). Es ist daher anzunehmen, dass auch VwGH50 und OGH nicht am generellen Ausschluss homosexueller Partnerschaften aus dem Begriff der nichtehelichen Lebensgemeinschaft festhalten werden. Wesentliche Voraussetzung für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ist 16 das Bestehen einer Geschlechts-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Diese Kriterien werden von der Rechtsprechung in Form eines beweglichen Systems gehandhabt, so dass das eine oder andere Merkmal auch weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann.51 Dies entspricht dem Recht der Le45 OGH 18.12.1997, 15 Os 170/97 (Leitsatz in ÖJZ-LSK 1998/109 = ARD 4948/24/98); zum Monogamieerfordernis s auch OGH 15.5.1979, 9 Os 55/79. 46 OGH 10.5.1955, 4 Ob 55/55, JBl 1955, 418; 10. 4. 1991, 3 Ob 515/91, JBl 1991, 588 = EFSlg 66.390; 26. 9. 2001, 7 Ob 189/01x, EFSlg 97.096. 47 OGH 18. 1. 1962, 5 Ob 375/61, EvBl 1962, 213/185; 3. 10. 1963, 5 Ob 255/63, RZ 1963, 213; 28. 4. 1970, 4 Ob 29/70, JBl 1973, 159 (Holzer) = JBl 1971, 147; 7. 11. 1972, 4 Ob 582/72, EvBl 1973, 240/103; 20. 7. 1977, 5 Ob 633/77, EFSlg 29.653; 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.268; 23. 11. 1988, 7 Ob 44/88, SZ 61/258 = EvBl 1989, 215/59; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45; 26. 5. 1992, 5 Ob 88/92, NZ 1993, 20/251 (GBSlg); 3. 2. 1994, 8 Ob 648/93, EvBl 1994, 811/167; 5. 12. 1996, 6 Ob 2325/96, EvBl 1997, 305/54 = immolex 1997, 69/34 = wobl 1997, 144/39 (krit Stabentheiner) = EFSlg 81.591 = MietSlg 48.251; 15. 10. 1997, 3 Ob 284/97d; LGZ Wien 29. 1. 2001, 44 R 613/00y, EFSlg 97.245; VwGH (verst Senat) 15. 10. 1987, 86/16/0237, JBl 1988, 267 = NZ 1988, 225 = ÖJZ 1989, 156/24F (VwGH). Zu Recht krit (statt vieler) Aichhorn, Lebenspartnerschaften 12. 48 EGMR 24. 7. 2003, 40.016/98 – Karner gegen Österreich – ÖJZ 2004, 36/2 (MRK). 49 VfGH 10. 10. 2005, G 87-88/05, V 65-66/05, infas 2006, 32/S 1 = ZAS 2006, 22/Jud 11 (dort mit falschem Datum). 50 Vgl noch VwGH 4. 10. 2001, 98/08/0218, ARD 5280/15/2002 = ZASB 2002, 20: keine Mitversicherung für den gleichgeschlechtlichen Lebenspartner nach § 56 B-KUVG, obwohl diese Bestimmung keine Geschlechtsverschiedenheit verlangt. 51 OGH 18. 1. 1962, 5 Ob 375/61, EvBl 1962, 213/185; 3. 10. 1963, 5 Ob 255/63, RZ 1963, 213; 5. 4. 1967, 3 Ob 32/67, SZ 40/45 = EvBl 1967, 572/401; 28. 4. 1970, 4 Ob 29/70, JBl 1973,

24

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

bensgefährten, ihre Lebensgemeinschaft einvernehmlich zu gestalten (für die Ehe s § 91).52 Maßgeblich sind zwar die konkreten Umstände des Einzelfalls53; im Ergebnis muss die Beziehung jedenfalls mit einer ehelichen Lebensgemeinschaft54 vergleichbar sein. Wurde nach der älteren Rechtsprechung noch der Geschlechtsgemein- 17 schaft eine entscheidende Rolle zugemessen,55 so kommt dieser heute nur mehr untergeordnete Bedeutung zu.56 Das Bestehen oder der Wegfall der Geschlechtsgemeinschaft ist nicht von Relevanz, wenn Lebensgefährten dazu physisch nicht in der Lage sind (zB auf Grund einer körperlichen Behinderung oder Krankheit, oder wegen ihres fortgeschrittenen Alters) oder diese aus freien Stücken aufgehoben haben.57 Umgekehrt begründet eine bloße Geschlechtsgemeinschaft, selbst wenn diese lange andauert58, noch keine Lebensgemeinschaft, wenn nicht gewichtige Elemente einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinzutreten.59 In diesem Zusammenhang differenziert die Rechtsprechung zwischen Lebensgemeinschaften und sog „intimen Verhält159 (Holzer) = JBl 1971, 147; 7. 11. 1972, 4 Ob 582/72, EvBl 1973, 240/103; 29. 3. 1977, 3 Ob 26, 27/77, EFSlg 29.651; 20. 7. 1977, 5 Ob 633/77, EFSlg 29.653; 25. 3. 1980, 4 Ob 585/79, EFSlg 36.427; 24. 6. 1981, 3 Ob 76/81, EFSlg 38.825; 13. 4. 1983, 3 Ob 505/83, EFSlg 43.742; 23. 5. 1984, 8 Ob 511/84, EFSlg 46.305; 1. 7. 1986, 14 Ob 101, 102/86, EFSlg 51.553; 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.268; 27. 2. 1990, 10 Ob S 53/90, SSV-NF 4/28; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45 = EFSlg 63.510; 26. 5. 1992, 5 Ob 88/92, NZ 1993, 20/251 (GBSlg); 9. 10. 1997, 2 Ob 258/97y, EFSlg 85.516 = 2 Ob 256/97y [sic!], ÖA 1998, 165; 15. 10. 1997, 3 Ob 284/97d; 5. 10. 1999, 2 Ob 314/98k; 22. 3. 2000, 3 Ob 204/99t, EFSlg 93.841; 20. 6. 2000, 3 Ob 209/99b, RZ 2001, 51/5; LGZ Wien 3. 3. 1999, 43 R 88/99f, EFSlg 90.374; 27. 8. 2002, 44 R 356/02a, EFSlg 100.933; VwGH 30. 6. 1994, 92/15/0212, VwSlg 6902 F; 23. 10. 1997, 96/15/ 0176, VwSlg 7228 F. 52 ZB VwGH 30. 6. 1994, 92/15/0212, VwSlg 6902 F. 53 OGH 18. 1. 1962, 5 Ob 375/61, EvBl 1962, 213/185; 7. 11. 1972, 4 Ob 582/72, EvBl 1973, 240/103; 29. 3. 1977, 3 Ob 26, 27/77, EFSlg 29.651; 24. 6. 1981, 3 Ob 76/81, EFSlg 38.825; 23. 5. 1984, 8 Ob 511/84, EFSlg 46.305; 1. 7. 1986, 14 Ob 101, 102/86, EFSlg 51.553; 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.268; 27. 2. 1990, 10 Ob S 53/90, SSV-NF 4/28; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45; 26. 5. 1992, 5 Ob 88/92, NZ 1993, 20/251 (GBSlg); 22. 3. 2000, 3 Ob 204/99t; 20. 6. 2000, 3 Ob 209/99b, RZ 2001, 51/5; VwGH 30. 6. 1994, 92/15/0212, VwSlg 6902 F. 54 OGH 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.268; 22. 3. 2000, 3 Ob 204/99t. 55 Vgl zB OGH 25. 3. 1938, 3 Ob 26/38, SZ 20/83. 56 Vgl OGH 25. 3. 1980, 4 Ob 585/79, EFSlg 36.427, wonach „in der Regel auch eine Geschlechtsgemeinschaft“ vorliegt. 57 OGH 20. 7. 1977, 5 Ob 633/77, EFSlg 29.653; 3. 11. 1983, 6 Ob 550/83, EFSlg 42.564; 23. 5. 1984, 8 Ob 511/84, EFSlg 46.307; in diese Richtung auch OGH 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45; 22. 3. 2000, 3 Ob 204/99t, EFSlg 93.841; VwGH (verst Senat) 15. 10. 1987, 86/16/0237, JBl 1988, 267 = NZ 1988, 225; VwGH 27. 3. 1990, 89/04/0181, ZfVB 1991, 169/545 mwN. S auch Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 203; Möschl, Lebensgemeinschaft2, 16. 58 OGH 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.269. 59 OGH 18. 1. 1962, 5 Ob 375/61, EvBl 1962, 213/185; 14. 2. 1968, 2 Ob 345/67, EvBl 1968, 491/300; 21. 6. 1977, 3 Ob 38/77, EFSlg 29.652; 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.268; 27. 2. 1990, 10 Ob S 53/90, SSV-NF 4/28; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45; 21. 5. 1996, 5 Ob 2104/96i, EFSlg 81.680; 15. 10. 1997, 3 Ob 284/97d; 20. 6. 2000, 3 Ob 209/99b, RZ 2001, 51/5; LGZ Wien 27. 8. 2002, 44 R 356/02a, EFSlg 100.933; VwGH 30. 6. 1994, 92/15/0212, VwSlg 6902 F.

25

§ 44

Kissich

nissen“. Letzteres wird etwa bei einer Geschlechtsgemeinschaft angenommen, die mit regelmäßigen, gegenseitigen Besuchen, häufigen gemeinsamen Kinobesuchen oder gemeinsamen Wochenendausflügen oder Urlauben verbunden ist.60 Auch die gelegentliche Unterstützung des Partners und sporadisches Übernachten in seiner Wohnung reichen für den Status einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht aus.61 18 Nach dem LGZ Wien ist die Wohngemeinschaft „prägendes Kriterium“ der Lebensgemeinschaft, zu der zumindest noch entweder die Wirtschaftsgemeinschaft oder die Geschlechtsgemeinschaft hinzutreten müsse.62 Die Wohngemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass die Partner in einer gemeinsamen Wohnung mit der Absicht leben, dort den gemeinsamen Schwerpunkt ihrer Lebensführung einzurichten.63 Eine bloße Meldebestätigung weist daher das aufrechte Bestehen einer Lebensgemeinschaft nicht nach.64 Regelmäßige Besuche oder eine fallweise Unterstützung durch den Partner und fallweise Nächtigungen in der Wohnung des Partners verwirklichen noch keine Lebensgemeinschaft.65 Ebenso wenig wird die nach Auszug eines Teiles verbliebene Beziehung, die sich in gelegentlichen Besuchen, entgeltlicher Verköstigung und Reinigung der Wäsche des anderen erschöpft, als Lebensgemeinschaft qualifiziert.66 Getrennte Schlafzimmer schaden der Annahme einer Wohngemeinschaft jedoch nicht, weil dies auch in Ehen vorkommt.67 Das gemeinsame Wohnen ist aber nicht zwingend erforderlich; in Einzelfällen bejaht die Rechtsprechung auch bei getrenntem Wohnen das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Wesentlich ist in diesem Fall der gemeinsame Lebensplan; die Lebensgefährten müssen ihre Lebensführung aufeinander abstimmen und ihre Zukunft nach gemeinsamen Vorstellungen miteinander gestalten. Verschiedene Wohnungen schaden daher der Annahme einer Lebensgemeinschaft nicht, wenn Ehegatten in der gleichen Situation

60 OGH 18. 1. 1962, 5 Ob 375/61, EvBl 1962, 213/185; 3. 10. 1963, 5 Ob 255/63, RZ 1963, 213; 5. 4. 1967, 3 Ob 32/67, SZ 40/45 = EvBl 1967, 572/401; 14. 2. 1968, 2 Ob 345/67, EvBl 1968, 491/300; 21. 6. 1977, 3 Ob 38/77, EFSlg 29.652; 7. 5. 1981, 7 Ob 592/81, EFSlg 38.826; KG Krems ad Donau 4. 4. 1990, 1 R 16/90, EFSlg 63.514. 61 OGH 25. 3. 1980, 4 Ob 585/79, EFSlg 36.427; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, EFSlg 63.511. 62 LGZ Wien 3. 3. 1999, 43 R 88/99f, EFSlg 90.374; 27. 8. 2002, 44 R 356/02a, EFSlg 100.933. 63 OLG Wien 30. 10. 1978, 7 R 201/78, EFSlg 31.763; ebenso LGZ Wien 3. 3. 1999, 43 R 88/99f, EFSlg 90.374; 27. 8. 2002, 44 R 356/02a, EFSlg 100.933. 64 OGH 26. 5. 1992, 5 Ob 88/92, NZ 1993, 20/251 (GBSlg). 65 OGH 18. 1. 1962, 5 Ob 375/61, EvBl 1962, 213/185; 14. 2. 1968, 2 Ob 345/67, EvBl 1968, 491/300; 21. 6. 1977, 3 Ob 38/77, EFSlg 29.652; 20. 2. 1980, 6 Ob 531/80, EFSlg 36.956; 25. 3. 1980, 4 Ob 585/79, EFSlg 36.427; 7. 5. 1981, 7 Ob 592/81, EFSlg 38.826; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45; 21. 5. 1996, 5 Ob 2104/96i, EFSlg 81.680; 15. 10. 1997, 3 Ob 284/97d; LGZ Wien 16. 10. 1986, 47 R 2118/86, EFSlg 51.701; 27. 8. 2002, 44 R 356/02a, EFSlg 100.933; KG Krems ad Donau 4. 4. 1990, 1 R 16/90, EFSlg 63.514. 66 LGZ Wien 16. 10. 1986, 47 R 2118/86, EFSlg 51.701. 67 OGH 20. 7. 1977, 5 Ob 633/77, EFSlg 29.653; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45.

26

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

auch getrennt wohnen würden (zB bei Beschäftigung beider Partner bei einer Fluggesellschaft).68 Eine Wirtschaftsgemeinschaft setzt nach der Rechtsprechung gemeinsa- 19 mes Wirtschaften und eine gemeinsame Lebensablaufplanung voraus.69 Entweder werden die Lebenshaltungskosten weitgehend gemeinsam getragen oder einer der Lebensgefährten kommt auch für den Lebensunterhalt des anderen auf.70 Sind beide Partner berufstätig, werden an die Wirtschaftsgemeinschaft geringere Anforderungen gestellt, weil in diesem Fall auch in einer Ehe finanzielle Leistungen des einen Partners an den anderen (von Gelegenheitsgeschenken abgesehen) in den Hintergrund treten.71 Trotz getrennter Kassenführung liegt demnach eine Wirtschaftsgemeinschaft vor, wenn die jeweiligen Gelder zur Verwendung für einen gemeinsamen Lebensablauf geplant sind,72 sich also beide gemeinsam an den Wohnungs- und Lebenshaltungskosten beteiligen.73 Nach Ansicht des OGH ist die Wirtschaftsgemeinschaft nicht auf eine rein materielle Seite beschränkt, sondern umfasst auch, dass die Partner „Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten – wie Ehegatten – und einander an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Gütern teilnehmen lassen.“74 Dieser Auffassung hat sich auch der VwGH angeschlossen und fordert, vom Idealbild ausgehend, dass sich „die Partner einander im Kampfe gegen alle Not des Lebens beistehen“.75 Keine Wirtschaftsgemeinschaft besteht, wenn für die Wohnraumbenützung, für die Verpflegung und für das Waschen der Wäsche ein Entgelt bezahlt wird.76 Zahlungen von Wirtschaftsgeld und Aushilfe in einer finanziellen Notsituation können hingegen teilweise eine Wirtschaftsgemeinschaft begründen. Mitunter schließt die Rechtsprechung aus dem äußeren Eindruck einer Le68 OGH 31. 8. 1988, 1 Ob 640/88, EFSlg 57.270; s auch OGH 10. 4. 1991, 3 Ob 31/91, EFSlg 66.485. 69 LGZ Wien 14. 9. 1998, 44 R 694/98d, EFSlg 87.524; 29. 1. 2001, 44 R 613/00y, EFSlg 97.245. 70 OGH 9. 10. 1997, 2 Ob 258/97y, EFSlg 85.516 = 2 Ob 256/97y [sic!], ÖA 1998, 165. 71 OGH 31. 8. 1988, 1 Ob 640/88, EFSlg 57.270. 72 LGZ Wien 14. 9. 1998, 44 R 694/98d, EFSlg 87.524. 73 OGH 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45. 74 OGH 29. 3. 1977, 3 Ob 26, 27/77, EFSlg 29.651; s auch: OGH 18. 1. 1962, 5 Ob 375/61, EvBl 1962, 213/185; 24. 6. 1981, 3 Ob 76/81, EFSlg 38.825; 13. 4. 1983, 3 Ob 505/83, EFSlg 43.741; OGH 23. 5. 1984, 8 Ob 511/84, EFSlg 46.305; 1. 7. 1986, 14 Ob 101, 102/86, EFSlg 51.554; 31. 8. 1988, 1 Ob 640/88, EFSlg 57.267; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45; 19. 6. 1996, 3 Ob 43/94; KG Krems ad Donau 4. 4. 1990, 1 R 16/90, EFSlg 63.513. 75 VwGH 9. 6. 1951, 1418/50, VwSlg 2133 A; 27. 10. 1951, 2803/50, VwSlg 2289 A; 11. 4. 1980, 2542/79, ZfVB 1981, 191/531; VwGH (verst Senat) 15. 10. 1987, 86/16/0237, JBl 1988, 267 = NZ 1988, 225 = ÖJZ 1989, 156/24F (VwGH) mwN; s auch VwGH 4. 4. 1956, 2659/54, VwSlg 4032 A. 76 OGH 19. 6. 1996, 3 Ob 43/94; 22. 3. 2000, 3 Ob 204/99t, EFSlg 93.841 (im konkreten Fall lag auch keine Geschlechts- und Wohngemeinschaft vor); ähnlich LGZ Wien 16. 10. 1986, 47 R 2118/86, EFSlg 51.701.

27

§ 44

Kissich

bensgemeinschaft auch auf das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft bzw auf eine Unterhaltsgewährung durch den Partner.77 20 Die Rechtsprechung verlangt auch im emotionalen Persönlichkeitsbereich das Bestehen einer eheähnlichen Beziehung.78 Die objektiven Kriterien der Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft müssen Ausdruck einer inneren Verbundenheit sein, die der zwischen Ehepartnern gleichkommt.79 Es muss sich um eine Partnerschaft handeln, die aus der seelischen Gemeinschaft und aus dem Zusammengehörigkeitsgefühl heraus entstanden ist.80 Ob das Gesamtbild der Lebensgemeinschaft jenem eines ehegemäßen Zusammenlebens entspricht, ist nicht schematisch, sondern nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.81 Da die innere Einstellung der Lebensgefährten naturgemäß schwer nachzuweisen ist, wird auf diese vom äußeren Eindruck her geschlossen.82 Sprechen die äußeren Umstände für das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sind die Lebensgefährten zur Offenlegung verpflichtet.83 Bei dieser „Offenlegungspflicht“ handelt es sich um eine Frage der Beweislastverteilung:84 Das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft wird von der Rechtsprechung angenommen, sofern die Lebensgefährten nicht jene Umstände nachweisen, die einer solchen Vermutung entgegen stehen (zB fehlender Bindungswille). Dem Typus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft entspricht ihre jeder21 zeitige Auflösbarkeit; es kann daher nicht von der selbstverständlichen Erwartung ihrer Fortdauer ausgegangen werden.85 Dennoch muss die Partnerschaft auf gewisse Dauer hin angelegt sein. Auf die tatsächliche Dauer der Gemeinschaft kommt es aber nicht an, es genügt, dass die Lebensgefährten ein längeres Zusammenleben beabsichtigen.86 77 78 79

OGH 25. 2. 1993, 6 Ob 504/93, EFSlg 70.751; 22. 3. 2000, 3 Ob 204/99t, EFSlg 93.841. OGH 3. 11. 1983, 6 Ob 550/83, EFSlg 42.564. LGZ Wien 25. 11. 1997, 44 R 790/97w, EFSlg 84.647; 3. 3. 1999, 43 R 88/99f, EFSlg

90.374. 80 OGH 24. 6. 1981, 3 Ob 76/81, EFSlg 38.825; 13. 4. 1983, 3 Ob 505/83, EFSlg 43.741; 23. 5. 1984, 8 Ob 511/84, EFSlg 46.305; 1. 7. 1986, 14 Ob 101, 102/86, EFSlg 51.556; 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.268; 31. 8. 1988, 1 Ob 640/88, EFSlg 60.111; LGZ Wien 3. 3. 1999, 43 R 88/99f, EFSlg 90.374. 81 LGZ Wien 25. 11. 1997, 44 R 790/97w, EFSlg 84.647; 3. 3. 1999, 43 R 88/99f, EFSlg 90.374. 82 OGH 1. 7. 1986, 14 Ob 101, 102/86, EFSlg 51.555; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45 = EFSlg 63.512. 83 OGH 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.268; 15. 10. 1997, 3 Ob 284/97d; 5. 10. 1999, 2 Ob 314/98k. 84 OGH 5. 10. 1999, 2 Ob 314/98k. 85 OGH 26.5.1954, 3 Ob 258/54, SZ 27/156; 7. 11. 1961, 4 Ob 125/61, SZ 34/164 = EvBl 1962, 72/63 = ArbSlg 7453; 8. 10. 1980, 3 Ob 560/79, EFSlg 36.270; 27. 1. 1983, 6 Ob 817/82, EFSlg 43.576; 16. 6. 1983, 7 Ob 595/83, EFSlg 43.579; OLG Wien 10. 4. 1987, 16 R 41/87, EFSlg 54.315; 18. 7. 1995, 11 R 38/95, EFSlg 78.546 = ZVR 1996, 329/101. 86 Ausführlich zur Dauer OGH 5. 10. 1999, 2 Ob 314/98k; s ferner OGH 5. 4. 1967, 3 Ob 32/67, SZ 40/45 = EvBl 1967, 572/401; 14. 2. 1968, 2 Ob 345/67, EvBl 1968, 491/300; 27. 5. 1988, 3 Ob 61/88, EFSlg 57.268; 22. 11. 1990, 7 Ob 676/90, RZ 1991, 143/45 = EFSlg 63.511;

28

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

3. Gesetzliche Berücksichtigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft a) Allgemeines Im Gegensatz zur Ehe ist die außereheliche Lebensgemeinschaft nicht als 22 eigenes Rechtsinstitut in der österreichischen Rechtsordnung verankert. Daher ist eine Differenzierung zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft verfassungs- und auch europarechtlich zulässig.87 Dennoch wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft in verschiedenen Einzelbestimmungen wie eine Ehe behandelt.88 Oftmals erfolgt diese Gleichstellung durch Einbeziehung des Lebensgefährten in den Kreis der (nahen) Angehörigen. Zum Teil werden aber an die Berücksichtigung der Lebensgemeinschaft zusätzliche Voraussetzungen geknüpft, wie zB eine bestimmte Dauer, das Vorliegen einer Hausgemeinschaft, das Vorhandensein von Kindern oder die Bedingung, dass dadurch die Ansprüche anderer Angehöriger nicht geschmälert werden. Solche Zusatzerfordernisse werden tendenziell häufiger in gesetzlichen Regelungen verlangt, die zu Gunsten von Lebensgefährten erlassen wurden. Zum Teil bezweckt die Gleichbehandlung mit der Ehe aber nicht die Stärkung der Rechte von Lebensgefährten, sondern dient dem Schutz dritter Personen (zB im Anfechtungsrecht) oder soll Begünstigungen gegenüber der Ehe verhindern (zB in Bezug auf öffentlich-rechtliche Leistungen des Staates). In diesen Fällen, in denen die Gleichstellung für die Lebensgefährten mit Nachteilen verbunden ist, scheint der Gesetzgeber eher bereit zu sein, auf spezifische Zusatzkriterien zu verzichten. Von den in Rz 23–32 genannten Sondergesetzen sehen lediglich das MietrechtsG (s Rz 23) und das Karenzurlaubsgeld- und KarenzgeldG (s Rz 25) eine Legaldefinition der nichtehelichen Lebensgemeinschaft für ihren jeweiligen Geltungsbereich vor. Im Übrigen bleibt die Begriffsbildung der Rechtsprechung vorbehalten (s Rz 12ff).

15. 10. 1997, 3 Ob 284/97d; LGZ Wien 14. 9. 1998, 44 R 694/98d, EFSlg 87.524; 29. 1. 2001, 44 R 613/00y, EFSlg 97.245. 87 Vgl zB VfGH 20. 6. 1984, B 540/79, VfSlg 10.064 = ÖStZB 1985, 133 (zu § 7 ErbStG); 27. 2. 1995, B 262/94, MietSlg 47.752 (TirGVG). Für den Bereich des Familienrechts kommt dem Gemeinschaftsgesetzgeber keine Kompetenz zu. Eine Differenzierung zwischen Ehe und Lebensgemeinschaften ist europarechtlich sogar im Bereich des Arbeitsrechts erlaubt (vgl Erwägungsgrund 22 der RL 2000/78/EG des Rates vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl L 303 vom 2. 12. 2000, 16–22); ausführlich dazu Windisch-Graetz, ZAS 2004, 59ff (60, 65). 88 Vgl dazu Schneider, ÖJZ 1965, 174ff; Mell in FS-Demelius 159ff; Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft, Lebensgemeinschaften 5ff; Engel, JRP 1994, 165ff; Stabentheiner, NZ 1995, 49, 52ff; Winklhofer, NZ 2002, 296ff; ausführlich Möschl, Lebensgemeinschaft2 (2002); ausführlich Aichhorn, Lebenspartnerschaften (2003); Deixler-Hübner, Scheidung8 Rz 234.

29

§ 44

Kissich

b) Beispiele für die gesetzliche Berücksichtigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft 23

Wohn- und Pachtrecht: Nach § 14 Abs 3 MietrechtsG89 ist Lebensgefährte im Sinne dieser Bestimmung, „wer mit dem bisherigen Mieter bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat; einem dreijährigen Aufenthalt des Lebensgefährten in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn er die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat.“ Solchen Lebensgefährten kommt in gleicher Weise wie Ehegatten das Eintrittsrecht in den Mietvertrag bei Tod des Hauptmieters zu (§ 14 Abs 2 MRG). Die Legaldefinition des § 14 Abs 3 MRG gilt ferner für die Gebrauchsüberlassung nach dem WohnungsgemeinnützigkeitsG90 (§ 20 WGG) und für die Übertragung des Kleingartens nach § 14 Abs 2 KleingartenG91. Die bisherige judizielle Einschränkung der Lebensgemeinschaft auf heterosexuelle Partnerschaften92 ist angesichts des EGMRUrteils Karner gegen Österreich93 nicht länger aufrecht zu erhalten. Nach überzeugender Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist eine Differenzierung nach dem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung in Ermangelung besonders schwerwiegender Gründe unzulässig; die bisherige Auslegung des § 14 MRG verstößt daher gegen Art 14 iVm Art 8 EMRK. Dieser Auffassung hat sich mittlerweile auch der VfGH94 angeschlossen (s Rz 24). Wohnbauförderungsgesetze normieren bestimmte Kriterien für die Berücksichtigung der Lebensgemeinschaft. ZB gelten nach § 2 Stmk WohnbauförderungsG 199395 Lebensgefährten als Angehörige (§ 2 Z 9 lit e leg cit), wenn sie in einer gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft leben. Für eine Subsumtion unter den Begriff der „Jungfamilie“ wird, anders als bei Ehegatten, zusätzlich das Vorhandensein haushaltszugehöriger eigener oder adoptierter Kinder, für die Familienbeihilfe bezogen wird, verlangt (§ 2 Z 13 Stmk WFG 1993). Im KleingartenG96 sind Lebensgefährten überwiegend Ehegatten gleichgestellt. Gem § 3 KlGG können auch Lebensgefährten gemeinsam ein Unteroder Einzelpachtverhältnis begründen (s auch § 10 KlGG). Begünstigend ist auch die Berücksichtigung nach § 14 KlGG (Übertragung des Kleingartens an MRG BGBl 1981/520. WGG BGBl 1979/139. 91 KlGG BGBl 1959/6. 92 Vgl OGH 5. 12. 1996, 6 Ob 2325/96x, wobl 1997, 144/39 (krit Stabentheiner) = EvBl 1997, 305/54 = immolex 1997, 69/34 = MietSlg 48.251 = EFSlg 81.591 (vgl dazu auch Iro, RdW 1997, 187; Schweighofer, wobl 1998, 262 ff). Zu Recht krit Möschl, Lebensgemeinschaft2, 14; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 12. 93 EGMR 24. 7. 2003, 40.016/98, ÖJZ 2004, 36/2 (MRK). 94 Vgl VfGH 10. 10. 2005, G 87-88/05, V 65-66/05, infas 2006/32, S 1 = ZAS 2006, 22/ Jud 11 (dort irrtümlich zitiert mit Datum vom 23. 6. 2005). 95 Stmk WFG 1993 LGBl 1993/25. 96 KlGG BGBl 1959/6. 89 90

30

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

Lebensgefährten) und § 15 Abs 1a KlGG (Fortsetzung des gemeinschaftlichen Pachtverhältnisses bei Tod des anderen Mitpächters). Hingegen differenzieren § 15 Abs 1 (Fortsetzung des Pachtverhältnisses bei Tod des Unterpächters) und § 15 Abs 3 KlGG (Beschränkung des Eintrittsrechts) zwischen Ehegatten und anderen Personen (zu denen auch Lebensgefährten gehören). Während die Ungleichbehandlung nach § 15 Abs 1 KlGG Lebensgefährten benachteiligt, ist die Differenzierung nach Abs 3 leg cit zu ihrem Vorteil. Das WohnungseigentumsG 200297 enthält keine spezielle Regelung für Lebensgefährten, ermöglicht diesen aber, wie auch zwei anderen natürlichen Personen, die Begründung einer Eigentümerpartnerschaft (§ 2, §§ 13 ff WEG 2002). Vor Inkrafttreten des WEG 200298 war der Erwerb von gemeinsamem Wohnungseigentum Ehegatten vorbehalten.99 Krankenversicherung: Lebensgefährten können Leistungen aus der Kran- 24 kenversicherung beanspruchen, wenn sie als Angehörige gelten. Die Voraussetzungen für die (nunmehr jedenfalls) kostenlose Mitversicherung von Lebensgefährten wurden kürzlich durch das Sozialrechts-ÄnderungsG 2006100 in § 123 Abs 7a Allgemeines SozialversicherungsG101, § 83 Abs 8 Gewerbliches SozialversicherungsG102, § 78 Abs 6a Bauern-SozialversicherungsG103 und § 56 Abs 6a Beamten-Kranken- und UnfallversicherungsG104 neu geregelt. Nach diesen Bestimmungen gilt als Angehörige/r „auch eine mit dem/der Versicherten nicht verwandte Person, die seit mindestens zehn Monaten mit ihm/ihr in Hausgemeinschaft lebt und ihm/ihr seit dieser Zeit unentgeltlich den Haushalt führt, wenn ein/eine im gemeinsamen Haushalt lebende/r arbeitsfähige/r Ehegatte/Ehegattin nicht vorhanden ist“. Für die Mitversicherung einer nicht verwandten Person wird ferner verlangt, dass „sie sich der Erziehung eines oder mehrerer im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder“, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,105 „widmet oder sich durch minWEG BGBl I 2002/70. Vgl § 54 WEG 2002. 99 Vgl § 2 WEG 1975 BGBl 1975/417. 100 SRÄG 2006 BGBl I 2006/131. Die Regelungen über die Mitversicherung nicht verwandter Personen waren in der RV (1408 BlgNR XXII. GP) noch nicht vorgesehen, sondern gehen auf einen im Plenum des NR beschlossenen Abänderungsantrag (153. Sitzung des NR XXII. GP 159ff) zurück. Gegen diesen Beschluss erhob der BR Einspruch, im Wesentlichen mit der Begründung, dass der „Gesetzesbeschluss selbst […] die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare [prolongiert] und […] sie auf PartnerInnen in Lebensgemeinschaften aus[weitet], so lange diese noch keine Kinder haben“ (7557 BlgBR, 1563 BlgNR XII. GP). Das SRÄG 2006 wurde mit Beharrungsbeschluss des NR vom 12. 7. 2006 beschlossen (686/BNR XXII. GP, 1563 BlgNR XII. GP). 101 ASVG BGBl 1955/189. 102 GSVG BGBl 1978/560. 103 BSVG BGBl 1978/559. 104 B-KUVG BGBl 1967/200. 105 Die angeführten Bestimmungen verweisen auf den Abs 4 S 1 der jeweiligen Regelung. Bei § 56 Abs 6a B-KUVG dürfte es sich dabei jedoch um ein redaktionelles Versehen handeln, weil die mit den anderen Sozialversicherungsgesetzen gleichgeschaltete Regelung in Abs 3 S 1 des § 56 B-KUVG normiert ist („Kinder und Enkel … gelten als Angehörige bis zur Vollendung 97 98

31

§ 44

Kissich

destens vier Jahre hindurch der Kindererziehung gewidmet hat“ (lit a leg cit), oder „sie Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 4 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze hat“ (lit b leg cit), oder „sie den Versicherten/die Versicherte mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 4 nach dem Bundespflegegeldgesetz oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze pflegt“ (lit c leg cit). Diese Bestimmungen über die Mitversicherung von Lebensgefährten in der Krankenversicherung sind am 1. 8. 2006 in Kraft getreten.106 Eine Neuregelung der Materie wurde erforderlich, weil der VfGH107, dem EGMR108 folgend (s Rz 23), die Bestimmungen des § 123 Abs 8 lit b ASVG aF und des § 83 Abs 8 GSVG aF mit Wirkung vom 31. 7. 2006 wegen der Unsachlichkeit der Diskriminierung homosexueller Partnerschaften aufgehoben hat:109 Nach diesen Normen bestand die Möglichkeit der Mitversicherung in der Krankenversicherung nur für heterosexuelle Lebensgefährten, Parallelregelungen sahen § 78 Abs 7 BSVG aF und § 56 Abs 6 B-KUVG aF vor.110 Im Unterschied zur nun geltenden Fassung konnte sich bis zum 31. 7. 2006 eine Person bei ihrem/seiner andersgeschlechtlichen Partner/in bereits mitversichern lassen, wenn sie seit mindestens zehn Monaten unentgeltlich den gemeinsamen Haushalt führte.111 Die übrigen Voraussetzungen (Kindererziehung, Pflegebedürftigkeit oder Erbringung von Pflegeleistungen) waren bis zum 31. 7. 2006 nur für die Befreiung von der Beitragspflicht von Bedeutung, nicht jedoch für den Mitversicherungsanspruch an sich.112 Für Lebensdes 18. Lebenjahres“) und Abs 4 leg cit nur aus einem Satz besteht („Kinder und Enkel … gelten im Rahmen der Altersgrenzen des Abs. 3 Z 1 auch dann als Angehörige, wenn sie sich im Ausland in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden; dies gilt auch bei nur vorübergehendem Aufenthalt im Inland“); überdies verweist die „Vorbildregelung“ des § 20b Abs 3 B-KUVG auf § 56 Abs 3 S 1. Daher erstreckt sich – trotz dieses (unrichtigen) Verweises – auch für den Bereich des B-KUVG die Altergrenze der zu erziehenden Kinder nicht bis zum 27. Lebensjahr. Der Fehlverweis findet sich bereits im Abänderungsantrag, auf den die novellierte Gesetzesstelle zurückgeht (vgl 153. Sitzung des NR XXII.GP 159ff [162].) 106 Vgl § 628 Abs 1 Z 2 ASVG, § 314 Abs 1 Z 2 GSVG, § 304 Abs 1 Z 2 BSVG, § 216 Abs 1 Z 2 B-KUVG. 107 VfGH 10. 10. 2005, G 87-88/05, V 65-66/05, infas 2006, 32/S 1 = ZAS 2006, 22/Jud 11 (dort irrtümlich zitiert mit Datum vom 23. 6. 2005). Anders entschied – vor der EGMR-Entscheidung – noch der VwGH 4. 10. 2001, 98/08/0218, ARD 5280/15/2002 = ZASB 2002, 20: keine Mitversicherung für gleichgeschlechtlichen Lebenspartner gem § 56 B-KUVG (s auch Rz 15). 108 EGMR 24. 7. 2003, 40.016/98, ÖJZ 2004, 36/2 (MRK). 109 Vgl auch die Kundmachung der Aufhebung in BGBl I 2005/138. Für den Anlassfall kam es zur sofortigen Wirkung der Aufhebung (Art 139 Abs 6 und 140 Abs 7 B-VG). Nach der bereinigten Rechtslage fiel aber mit Aufhebung der Bestimmungen die Grundlage der Mitversicherung nicht verwandter Personen weg; daher waren die Beschwerden des Anlassfalles abzuweisen (VfGH 14. 10. 2005, B 47/05 und VwGH 21. 12. 2005, 2005/08/0009). 110 Mit Ausnahme des B-KUVG bestand der Anspruch nur, sofern dies die Satzung nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers bestimmte (s im Detail die zitierten Regelungen idF vor der Aufhebung durch den VfGH bzw dem SRÄG 2006). 111 Vgl § 123 Abs 8 lit b ASVG aF, § 83 Abs 8 GSVG aF, § 78 Abs 7 BSVG aF (jeweils durch Satzung) und § 56 Abs 6 B-KUVG aF. 112 Vgl § 51d Abs 3 ASVG, § 27c Abs 3 GSVG, § 24b Abs 3 BSVG, § 20b Abs 3 B-KUVG.

32

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

gefährten, die am 31. 7. 2006 nach damaliger Rechtslage mitversichert waren, sind folgende Übergangsregelungen vorgesehen: Personen, die das 27. Lebensjahr zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet haben, bleiben weiterhin – zeitlich unbegrenzt – anspruchsberechtigt, sofern sich der maßgebliche Sachverhalt nicht ändert (etwa durch Auflösung der Lebensgemeinschaft); bei Personen unter 27 Jahren ist dieser Anspruch bis zum Ablauf des 31. 12. 2009 befristet.113 Die Altersgrenze von 27 Jahren wurde deshalb gewählt, weil bis zu diesem Zeitpunkt eine Mitversicherung als Kind möglich ist.114 Soziales/öffentlich-rechtliche Leistungen: Lebensgefährten erhalten un- 25 ter den auch für Ehegatten geltenden Voraussetzungen (ua: tatsächlicher, wesentlicher Beitrag des Arbeitslosen zum Unterhalt seines Lebensgefährten/ Ehegatten, der kein die Geringfügigkeit übersteigendes Einkommen beziehen darf) Familienzuschläge nach § 20 ArbeitslosenversicherungsG115. Zu Lasten der Lebensgefährten wirkt sich hingegen die Gleichstellung mit Ehegatten bei der Notstandshilfe aus, da bei der Anspruchsprüfung auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten zu berücksichtigen sind (§ 36 AlVG, §§ 2, 6 Notstandshilfeverordnung116; zu den diesbezüglichen Mitwirkungspflichten bei der Erhebung des Einkommens s § 36c AlVG). Gleiches gilt für die Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten bei der Ermittlung des Familieneinkommens nach § 35 Abs 2 FamilienlastenausgleichsG 1967117 oder das Recht zur automationsunterstützten Verarbeitung seiner Daten gem § 46a FLAG. Das KarenzurlaubsgeldG118 und das KarenzgeldG119 verstehen unter einer Lebensgemeinschaft „nicht alleinstehende Mütter bzw Väter, das sind Mütter bzw Väter, die ledig, geschieden oder verwitwet sind und mit dem Vater bzw der Mutter des Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1991 an derselben Adresse angemeldet sind oder anzumelden wären“ (§ 17 KUG und § 18 KGG). Diese „nicht Alleinstehenden“ können nach den für Verheiratete geltenden Voraussetzungen einen Zuschuss zum Karenzgeld erhalten (§ 17 KUG und § 18 KGG) und haben ebenso wenig wie Ehegatten einen Anspruch auf Sonderkarenzurlaubsgeld (§ 31 KUG). Lebensgefährten treffen wie Ehegatten Mitwirkungspflichten bei der Feststellung des monatlichen Einkommens bzw Umsatzes (§ 42 KGG). Pensionsrecht: Ein Lebensgefährte ist nach Ableben des anderen Teils – 26 von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht pensionsrechtlich abgesichert. Ansprüche sehen lediglich das ZiviltechnikerkammerG 1993 und das Opfer113 Vgl § 628 Abs 3a und 3b ASVG, § 314 Abs 3 und 4 GSVG, § 304 Abs 3 und 4 BSVG, § 216 Abs 2 und 3 B-KUVG. 114 Vgl 153. Sitzung des NR XXII. GP 165. 115 AlVG BGBl 1977/609. 116 V BGBl 1973/352. 117 FLAG BGBl 1967/376. 118 KUG BGBl 1974/395. 119 KGG BGBl I 1997/47.

33

§ 44

Kissich

fürsorgeG vor. Das ZiviltechnikerkammerG 1993120 privilegiert Ehegatten gegenüber Lebensgefährten beim Hinterbliebenenrecht. Für Ehegatten besteht von Gesetzes wegen ein Anspruch auf Witwer- bzw Witwenpension nach dem Tod des Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten. Für hinterbliebene Lebensgefährten kann ein solcher Anspruch durch Statut vorgesehen werden, sofern es Stand und Entwicklung des Fondsvermögens zulassen. Weitere Voraussetzung für eine Versorgungsleistung aus dem Pensionsfonds ist, dass die Lebensgemeinschaft im Todeszeitpunkt aufrecht war, für mindestens drei Jahre bestanden hat, und kein(e) anspruchsberechtigte(r) Witwe bzw Witwer vorhanden ist (§ 29 ZTKG). Das OpferfürsorgeG121 berücksichtigt Lebensgefährten als anspruchsberechtigte Hinterbliebene und bei der Bemessung der Unterhaltsrente (§§ 1, 11, 13a, 14b, 15 OFG). Hingegen sind Lebensgefährten bei der Bemessung der Ausgleichszulage nach § 292 ASVG besser gestellt als Ehegatten, weil dem Anspruchswerber das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten mangels gesetzlicher Grundlage nicht zugerechnet wird. Die Rechtsprechung berücksichtigt lediglich tatsächlich zufließende „Unterhaltsleistungen“, die im Einzelfall festgestellt werden können.122 27 Pflege- und Familienhospizfreistellung: In Bezug auf das Recht der Pflegefreistellung und der Sterbebegleitung werden Lebensgefährten und Ehegatten gleich behandelt; beide gelten als „nahe Angehörige“ iSd jeweiligen Gesetzes (zur Pflegefreistellung s § 16 UrlaubsG123, § 76 Beamten-DienstrechtsG 1979124, § 29f VertragsbedienstetenG 1948125, § 75c RichterdienstG126, § 59 Landeslehrer-DienstrechtsG 1984127, § 66 Land- und forstwirtschaftliches Landeslehrer-DienstrechtsG 1985128, § 19 UnterrichtspraktikumsG129 und § 57 Bundesforste-Dienstordnung 1986130; zur Sterbebegleitung s § 14a Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG131, § 78d BDG 1979, § 29k VBG 1948, § 75e RDG, § 59d LDG 1984, § 66d LLDG 1985, § 39t LandarbeitG 1984132). Steuerrecht: Das Steuerrecht zählt Lebensgefährten, ebenso wie Ehegat28 ten, zu den Angehörigen (§ 25 Bundesabgabenordnung133) oder unterstellt sie ZTKG BGBl 1994/157. OFG BGBl 1947/183. 122 Zuletzt OGH 6. 9. 2005, 10 Ob S 271/03f, DRdA 2006, 55 = ASoK 2006, 60 = infas 2006, S 6. 123 UrlG BGBl 1976/390. 124 BDG BGBl 1979/333. 125 VBG BGBl 1948/86. 126 RDG BGBl 1961/305. 127 LDG BGBl 1984/302. 128 LLDG BGBl 1985/296. 129 UPG BGBl 1988/145. 130 BG BGBl 1986/298. 131 AVRAG BGBl 1993/459. 132 LAG BGBl 1984/287. 133 BAO BGBl 1961/194. 120 121

34

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

dem Begriff des „(Ehe)Partners“ (§ 106 Abs 3 EinkommensteuerG 1988134). Letzteres setzt allerdings (nur für Lebensgefährten, nicht für Ehegatten) voraus, dass sie mit mindestens einem Kind, für das ein Kinderabsetzbetrag bezogen wird, in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben. Berücksichtigung findet die Lebensgemeinschaft dann beispielsweise bei der Pensionszusatzversicherung (§ 108b EStG), beim Alleinverdienerabsetzbetrag (§ 33 EStG), bei den Sonderausgaben (§ 18 Abs 3 EStG), bei der Umzugskostenvergütung (§ 26 EStG), bei der außergewöhnlichen Belastung (§ 34 EStG), beim Freibetrag bei Behinderung (§ 35 EStG), beim Bausparen (§ 108 EStG) und beim Zeugnisverweigerungsrecht (§ 171 BAO). Anfechtungsrecht/Betriebsübergang: Zum Schutz der Gläubiger werden 29 Lebensgefährten in die „familia suspecta“ einbezogen (§ 32 Konkursordnung135, ebenso § 4 Anfechtungsordnung136, s auch § 43 Ausgleichsordnung137 und § 1409 Abs 2 ABGB). Sie werden auch bei der Haftung für Beiträge im Fall eines Betriebsübergangs als Angehörige behandelt und haften daher grundsätzlich ebenso wie Ehegatten ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zu Grunde liegende Rechtsgeschäft wie bei der Übereignung (s im Detail § 67 Allgemeines SozialversicherungsG138, § 25a Bauarbeiter-Urlaubs- und AbfertigungsG139 und § 38 Bauern-SozialversicherungsG140). Befangenheit: Der Status des Lebensgefährten kann auch zu Befangen- 30 heiten oder Unvereinbarkeiten führen: s zB § 18 Bundeshaushaltsverordnung 1989141 (Befangenheit bei der Abwicklung eines Geschäftsfalls, wenn der Lebensgefährte beteiligt oder betroffen ist), § 76 Bundesabgabenordnung142 (Befangenheit von Organen der Abgabenbehörden), § 34 iVm § 75c Abs 2 RichterdienstG143 (Hindernis des Angehörigenverhältnisses bei der Ernennung), § 10 VerwalterG 1952144 (Verbot des Abschlusses von Rechtsgeschäften zwischen nahen Angehörigen und dem Unternehmen, Verbot der finanziellen Beteiligung an Rechtsgeschäften des Unternehmens). Familienrechtliche Regelungen: Eine medizinisch unterstützte Fortpflan- 31 zung ist nicht nur in einer Ehe, sondern auch in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zulässig (§ 2 FortpflanzungsmedizinG145). Hinsichtlich der dafür notwendigen Zustimmungserklärung gelten für Lebensgefährten jedoch strenEStG BGBl 1988/400. KO RGBl 1914/337. 136 AnfO RGBl 1914/337. 137 AO BGBl II 1934/221. 138 ASVG BGBl 1955/189. 139 BUAG BGBl 1972/414. 140 BSVG BGBl 1978/559. 141 BHV BGBl 1989/570. 142 BAO BGBl 1961/194. 143 RDG BGBl 1961/305. 144 BG BGBl 1953/100. 145 FMedG BGBl 1992/275. Nach Art 2 der RV zu einem Familienrechts-Änderungsgesetz 2006 sollte die Wortfolge „eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ in § 2 Abs 1 FMedG durch „in einer Lebensgemeinschaft von Mann und Frau“ ersetzt werden (1626 BlgNR XXII.GP). 134 135

35

§ 44

Kissich

gere Formvorschriften; außerdem hat der Zustimmungserklärung in jedem Fall eine eingehende Beratung durch ein Gericht oder einen Notar voranzugehen (§§ 7 und 8 FMedG). Lebensgefährten können ebenso wie Ehegatten eine Kostentragung durch den IVF-Fonds beantragen (s § 1a IVF-Fonds-Gesetz146). Nach dem Sachwalterrechts-ÄnderungsG 2006147 kann ein Lebensgefährte (als nächster Angehöriger) den anderen auf Grund des Gesetzes bei „Alltagsgeschäften“ (§ 284b ABGB) vertreten, wenn dieser auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung seine Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens nicht selbst zu besorgen vermag und der Vertretene weder einen Sachwalter noch einen anderen Vertreter hat (s §§ 284b–284e ABGB, § 140h NO). Diese Vertretungsbefugnis setzt für Lebensgefährten voraus, dass sie seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt leben (§ 284c ABGB). Lebensgemeinschaften unterliegen auch dem Schutz des GewaltschutzG (§ 382b Abs 3 EO, s § 92 Rz 15, 24). Die Regelungen über die gemeinsame Obsorge für außereheliche Kinder nehmen zwar nicht ausdrücklich auf Lebensgemeinschaften Bezug, berücksichtigen diese aber mittelbar (§§ 167, 177, 177a ABGB). Ähnliches gilt für die Ersatzpflicht des außerehelichen Vaters für Entbindungskosten und Unterhalt für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung (§ 168 ABGB). Mit der RV zu einem Familienrechts-ÄnderungsG 2006 (FamRÄG 2006)148 sollte die nichteheliche Lebensgemeinschaft verstärkt in Zivilgesetzen berücksichtigt werden, insb durch die Einbeziehung in den Kreis der „Angehörigen“. Im UrheberrechtsG149 wird die freie Werknutzung zu Gunsten naher Angehöriger an einem Bildnis oder Lichtbildnis auf Lebensgefährten erstreckt. Nach dem Tod der abgebildeten Person könnte dann auch ihr Lebensgefährte/seine Lebensgefährtin einzelne Lichtbilder bzw Vervielfältigungsstücke herstellen oder herstellen lassen (§§ 55, 75 UrhG idF der RV). Des Weiteren wird das Recht auf Briefschutz nach § 77 UrhG idF der RV auch dem überlebenden Lebensgefährten des Verfassers oder Adressaten zugestanden. § 321 ZPO idF der RV gewährt auch Lebensgefährten und deren in gerader Linie Verwandten das Aussageverweigerungsrecht, und zwar über den Bestand der Lebensgemeinschaft hinaus (s Rz 32). Im Insolvenz- und Exekutionsrecht wird der Kreis der Familienmitglieder präziser umschrieben und umfasst neben Lebensgefährten auch deren Kinder, sofern sie im gemeinsamen Haushalt leben. § 105 EO idF der RV regelt die Überlassung von unentbehrlichen Wohnungsräumen bei der Zwangsverwaltung einer Liegenschaft für den Verpflichteten und der mit ihm lebenden Familienmitglieder; § 5 Abs 4 KO idF der RV sieht Entsprechendes für Miet- und Nutzungsrechte an BG BGBl I 1999/180. SWRÄG 2006 BGBl I 2006/92. Gem Art X § 3 leg cit tritt das SWRÄG 2006 mit 1. 7. 2007 in Kraft. 148 RV 1626 BlgNR XXII. GP. 149 UrhG BGBl 1936/111. 146 147

36

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

Wohnungen vor. § 250 Abs 1 EO idF der RV nimmt bei den unpfändbaren Sachen auf Lebensgemeinschaften Bedacht. Ferner wird der Begriff der „familia suspecta“ der §§ 32 KO, 4 AnfO (s Rz 29) durch die RV zum FamRÄG 2006 neu formuliert und um Pflegekinder des Ehegatten oder Lebensgefährten und um das im gemeinsamen Haushalt lebende Kind des Lebensgefährten ergänzt. Das FamRÄG 2006 wurde allerdings in der 22. Legislaturperiode nicht mehr beschlossen. Weitere Regelungen, die Lebensgefährten dem Angehörigenbegriff unter- 32 stellen, sind zB: § 2 HeimarbeitsG 1960150 (Familienangehörige), § 72 Strafgesetzbuch151 (dieser Begriff gilt auch im Verfahrensrecht, zB bei der Befreiung von der Zeugnisablegung nach § 152 Strafprozessordnung 1975152; nicht hingegen nach der Zivilprozessordnung153), § 28 UnterbringungsG154 (Rekursrecht auch für Lebensgefährten). Ehegatten gleichgestellt werden Lebensgefährten außerdem in Gesetzen, die vermögensrechtliche Kriegsfolgen betreffen (s § 5 AushilfeG155, § 7 AnmeldeG156, § 1b HilfsfondsG157, § 2 Kriegsund VerfolgungssachschädenG158). 4. Rechtsfolgen der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft a) Allgemeines Für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den ehemali- 33 gen Lebensgefährten ist nach geltendem Recht kein spezifischer Mechanismus vorgesehen.159 Die eherechtlichen Bestimmungen über die Vermögensaufteilung nach Eheauflösung (§§ 81ff EheG) sind auf Lebensgemeinschaften weder direkt noch analog anwendbar.160 Selbst wenn die Lebensgefährten nach einiger Zeit die Ehe miteinander schließen, bleiben beim nachehelichen BG BGBl 1961/105. StGB BGBl 1974/60. 152 StPO BGBl 1975/631. 153 Vgl § 321 ZPO RGBl 1895/113, wonach das Aussageverweigerungsrecht nur Ehegatten, nicht aber Lebensgefährten zukommt (s auch Frauenberger in Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen III2 § 321 ZPO Rz 7). Nach der RV zu einem Familienrechts-Änderungsgesetz 2006 (s Rz 31) sollte das Recht zur Aussageverweigerung auf den Lebensgefährten/die Lebensgefährtin sowie dessen/deren Verwandte in gerader Linie erstreckt werden und auch nach Auflösung der Lebensgemeinschaft fortbestehen (vgl Art 5 der RV 1626 BlgNR XXII.GP) 154 UbG BGBl 1990/155. 155 BG BGBl 1976/712. 156 BG BGBl 1962/12. 157 BG BGBl 1956/25. 158 BG BGBl 1958/127. 159 OGH 1. 4. 1998, 9 Ob 96/98b, EFSlg 87.548 = MietSlg 50.003. 160 OGH 22. 9. 1983, 7 Ob 584/83, EvBl 1984, 46/12; 7. 3. 1985, 7 Ob 512/85; 1. 4. 1998, 9 Ob 96/98b, EFSlg 88.760; 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t, EFSlg 90.432; OLG Wien 23. 12. 1991, 18 R 160/91, EFSlg 66.385; zust zB Rummel, ÖJZ 1991, 60; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 445f; krit Djalinous in Frank, Gemeinschaft 48. 150 151

37

§ 44

Kissich

Aufteilungsverfahren jene Ersparnisse und jenes Gebrauchsvermögen außer Betracht, die bzw das die Lebensgefährten vor der Eheschließung erworben und in die Ehe eingebracht haben (§ 82 Abs 1 Z 1 EheG).161 Demzufolge ist bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auf das allgemeine Schuld- und Sachenrecht zurückzugreifen. Grundsätzlich wirkt sich die Aufhebung einer Lebensgemeinschaft nicht auf die formellen Eigentumsverhältnisse aus: Jeder Partner bleibt alleiniger Eigentümer dessen, was er während aufrechter Lebensgemeinschaft erworben hat.162 Daher bereitet der Praxis insbesondere die Frage, ob und wie dem anderen zu Gute gekommene Arbeitsleistungen und Geld- und Sachzuwendungen vergütet werden sollen, häufig Schwierigkeiten. Nur selten haben Lebensgefährten klare (oder zumindest ausdrückliche) vermögensrechtliche Vereinbarungen für den Fall des Scheiterns ihrer Beziehung getroffen.163 Etwaige Rückforderungsbegehren werden von der Rechtsprechung vor allem unter dem Aspekt des Bereicherungsrechts (s Rz 34ff) und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geprüft (s Rz 42). Als weitere Rechtsgründe kommen zB ein echtes Dienstverhältnis, die Vereinbarung eines Rückforderungsrechts, der Schenkungswiderruf, die Anfechtung einer Schenkung wegen Motivirrtums oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht.164 b) Rückforderung analog § 1435 und Entlohnung analog § 1152 34

Grundsätzlich sind die von einem Lebensgefährten während des Bestehens der Lebensgemeinschaft erbrachten Aufwendungen und Leistungen unentgeltlich gewollt und daher bei Scheitern der Gemeinschaft nicht auszugleichen.165 Rechtsprechung und Lehre gewähren jedoch in bestimmten Fällen einen Rückforderungsanspruch analog § 1435 (condictio causa data, causa non secuta), wenn Geld- oder Sachzuwendungen oder Arbeitsleistungen (s aber Rz 36) nur in der dem Empfänger deutlich erkennbaren Erwartung eines bestimmten Erfolgs (Gegenleistung) bzw einer bestimmten zukünfti161 S OGH 23. 2. 1999, 7 Ob 25/99y, EFSlg 90.433; 22. 3. 2000, 3 Ob 314/98t ua, EFSlg 93.945. 162 ZB OGH 1. 4. 1998, 9 Ob 96/98b, EFSlg 88.760. 163 So bereits OGH 14. 5. 1975, 8 Ob 38/75, SZ 48/59; vgl auch Möschl, Lebensgemeinschaft2, 53. 164 Vgl zB OGH 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t, EFSlg 90.218. Zu den möglichen Rechtsgrundlagen vgl Schwimann, StAZ 1987, 309f; Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 534f; Stabentheiner, NZ 1995, 55ff; Möschl in Deixler-Hübner, Stellung 98ff; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 203ff; Möschl, Lebensgemeinschaft2, 53ff; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 399ff; Hinteregger, Familienrecht3, 22; Deixler-Hübner, Scheidung8 Rz 252ff. 165 OGH 22. 9. 1977, 6 Ob 655/77, SZ 50/123; 8. 10. 1980, 3 Ob 560/79, EFSlg 36.266; 16. 2. 1982, 4 Ob 557/81, EFSlg 41.029; 30. 11. 1987, 5 (sic! richtig: 4) Ob 610/87, JBl 1988, 253 mwN; 2. 5. 1990, 1 Ob 566/90, EFSlg 63.325; 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t und 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p, EFSlg 90.219; 23. 5. 2001, 7 Ob 40/00h, EFSlg 97.098; OLG Wien 12. 10. 1994, 16 R 152/94, EFSlg 75.483; 23. 5. 1995, 15 R 51/95 ua, EFSlg 78.586; LGZ Wien 21. 1. 1991, 46 R 10/91, EFSlg 66.389.

38

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

gen Entwicklung geleistet und entgegengenommen worden sind.166 Wird die Erfüllung dieses Zwecks später vereitelt (zB durch Aufhebung der Lebensgemeinschaft), können die erbrachten Leistungen, die jetzt nur mehr dem anderen Teil zu Gute kommen, analog § 1435 kondiziert werden. Der Leistungszweck kann zB in der Erwartung der Aufnahme einer dauerhaften Lebensbeziehung167, der Aufrechterhaltung einer schon bestehenden Lebensgemeinschaft168, einer späteren Eheschließung169, einer testamentarischen Bedenkung170, des zukünftigen gemeinsamen Wohnens171, in der Übergabe eines Betriebs172 oder auch in Annahme einer sonstigen Versorgung173 bestehen. Wesentliche Voraussetzung für den Rückforderungsanspruch ist, dass es dem Leistungsempfänger objektiv erkennbar war, dass die Zuwendungen seines Lebensgefährten nur im Hinblick auf den bestimmten Zweck unentgeltlich erfolgt sind.174 Die Beweislast dafür trägt der kondizierende Lebensgefährte: 166 ZB OGH 31. 1. 1980, 7 Ob 802/79, SZ 53/20 mwN; 25. 2. 1988, 6 Ob 725/87; 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t und 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p, EFSlg 90.217; ausführlich Rummel, JBl 1978, 450ff; Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 535ff. 167 OGH 25. 2. 1988, 6 Ob 725/87; 26. 9. 2001, 7 Ob 189/01x; 18. 4. 2002, 6 Ob 44/02t, EFSlg 100.783 und EFSlg 100.794. 168 OGH 24. 4. 1979, 5 Ob 550/79, EFSlg 33.856; 22. 9. 1983, 7 Ob 584/83, EvBl 1984, 46/12; 24. 11. 1987, 2 Ob 509/87, EFSlg 54.320; 30. 11. 1987, 4 Ob 610/87, EFSlg 54.314 = JBl 1988, 253; 16. 4. 1996, 4 Ob 2021/96a, SZ 69/89 = MietSlg 48.176; 26. 9. 1996, 6 Ob 514/96, ecolex 1997, 18 = MietSlg 48.177; 15. 10. 1998, 2 Ob 200/98w, NZ 2000, 19 = EFSlg 87.414; OLG Wien 22. 9. 1994, 14 R 71/94, EFSlg 75.485. 169 ZB OGH 2. 2. 1967, 2 Ob 7/67, EvBl 1967, 435/302; 8. 10. 1980, 3 Ob 560/79, EFSlg 36.266; 16. 6. 1983, 7 Ob 595/83, MietSlg 35.269; 22. 9. 1983, 7 Ob 584/83, EvBl 1984, 46/12; 26. 9. 1996, 6 Ob 514/96, ecolex 1997, 18 = MietSlg 48.177; 26. 9. 2001, 7 Ob 189/01x; 10. 10. 2001, 9 Ob A 222/01i und 9 Ob A 217/01d, RdW 2002, 421/416; 18. 4. 2002, 6 Ob 44/02t, EFSlg 100.783. 170 OGH 7. 11. 1961, 4 Ob 125/61, SZ 34/164 = ArbSlg 7453 = EvBl 1962, 72/63; 8. 10. 1980, 3 Ob 560/79, EFSlg 36.266; 16. 6. 1983, 7 Ob 595/83, MietSlg 35.269; 4. 6. 1985, 4 Ob 6/84, DRdA 1986, 307/16 (Apathy); 2. 5. 1990, 1 Ob 566/90, EFSlg 63.326; 2. 9. 1998, 9 Ob A 207/98a. 171 OGH 3. 10. 1967, 8 Ob 265/67, SZ 40/123; 6. 6. 1973, 1 Ob 99/73, SZ 46/62 = MietSlg 25.186; 14. 5. 1975, 8 Ob 38/75, SZ 48/59; 2. 7. 1975, 1 Ob 118/75, MietSlg 27.243; 31. 1. 1980, 7 Ob 802/79, SZ 53/20; 30. 4. 1980, 1 Ob 568/80, JBl 1981, 153; 11. 6. 1981, 7 Ob 600/81, EFSlg 38.658; 5. 5. 1982, 1 Ob 591/82, SZ 55/70; 16. 6. 1983, 7 Ob 595/83, MietSlg 35.269 = EFSlg 43.579; 19. 9. 1984, 1 Ob 637/84, RZ 1985, 86/23 = JBl 1985, 679 (Wilhelm); 23. 3. 1988, 8 Ob 617/87, EvBl 1988, 754/149; 18. 1. 1989, 1 Ob 703/88, SZ 62/5 = JBl 1989, 590; 10. 4. 1991, 3 Ob 515/91, JBl 1991, 588 = EFSlg 66.390; 16. 4. 1996, 4 Ob 2021/96a, SZ 69/89; 26. 9. 1996, 6 Ob 514/96, ecolex 1997, 18 = MietSlg 48.177; 11. 2. 1997, 10 Ob 2463/96w, EFSlg 84.522; 15. 10. 1998, 2 Ob 200/98w, NZ 2000, 19 = EFSlg 87.414; 23. 5. 2001, 7 Ob 40/00h, EFSlg 97.103; 19. 12. 2003, 8 Ob 129/03h, JBl 2004, 382. 172 ZB OGH 15. 4. 1958, 4 Ob 38/58, JBl 1958, 522; 20. 3. 1962, 4 Ob 18/62, JBl 1963, 49 (Floretta). 173 OGH 8. 10. 1980, 3 Ob 560/79, EFSlg 36.266; 10. 10. 2001, 9 Ob A 222/01; 9 Ob A 217/01d, RdW 2002, 421/416. 174 OGH 2. 5. 1990, 1 Ob 566/90, EFSlg 63.326; OLG Wien 23. 9. 1986, 12 R 189/86, EFSlg 51.548 und EFSlg 51.549; 10. 4. 1987, 16 R 41/87, EFSlg 54.315; Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 536.

39

§ 44

Kissich

Er hat nachzuweisen, dass beide Lebensgefährten die Erreichung des erwarteten Zieles als gleichsam selbstverständlich vorausgesetzt haben, und die Leistung des Kondizierenden auf dieser Erwartung gründet.175 Anderenfalls liegt keine zweckverfehlte Leistung, sondern eine Schenkung vor. Nach der Rechtsprechung bringt etwa die Äußerung einer Person, dass sie es „mit dem Partner ernst meine“, nicht unzweifelhaft ihren Willen zum Ausdruck, dass sie sich für ihre finanziellen Zuwendungen das Eingehen einer Lebensgemeinschaft oder gar einer Ehe erwarte. Solche Erklärungen seien grundsätzlich dahingehend zu verstehen, dass das Interesse am Partner über ein rein sexuelles und ein bloßes „Abenteuer“ hinausgehe. Es liege daher eine Schenkung und keine zweckverfehlende Leistung vor, wenn der Leistungsempfänger derartige Zuwendungen als Beweis der finanziellen Großzügigkeit und der Aufrichtigkeit der Gefühle des anderen deuten konnte.176 Die bloße Heranziehung des Wertes eines Geschenks reicht ebenfalls nicht aus, um eine rein wirtschaftlich orientierte Zielsetzung des Schenkers anzunehmen, da großzügige Geschenke nicht grundsätzlich in Erwartung des Weiterbestands einer Beziehung getätigt werden.177 Leistet ein Lebensgefährte in dem Wissen, dass die Zweckerreichung ausgeschlossen ist, so hat er keinen Rückforderungsanspruch.178 Der Anspruch des Kondiktionsgläubigers ist primär auf Herausgabe des Erlangten in natura gerichtet, nur wenn dies unmöglich oder untunlich ist, besteht ein Geldanspruch.179 Untunlichkeit liegt beispielsweise bei Einbausachen vor, wenn durch die Demontage und Verwertung von Einzelteilen ein großer Wertverlust eintritt.180 Bei den Zuwendungen unterscheidet die hA grundsätzlich zwischen ge35 wöhnlichen Leistungen, die nur den Zweck haben, die laufenden Bedürfnisse der Lebensführung zu befriedigen (Aufwendungen des täglichen Lebens wie zB Kosten des Unterhalts, der Freizeit und des Wohnens) und außergewöhnlichen Leistungen, deren Nutzen auch noch nach Auflösung der Lebensgemeinschaft fortwirkt (Dauerinvestitionen). Laufende Aufwendungen können nach Beendigung der Lebensgemeinschaft nicht kondiziert oder aufgerechnet werden; sie sind ihrer Natur nach für einen entsprechenden Zeitraum bestimmt und haben daher im Fall der späteren Aufhebung der Lebensgemeinschaft ihren Zweck nicht verfehlt.181 Das Gegenteil (ein in die Zukunft reichender 175 OGH 21. 12. 1993, 5 Ob 551/93, EFSlg 72.156; 23. 10. 2000, 6 Ob 66/00z; 18. 4. 2002, 6 Ob 44/02t ua, EFSlg 100.794. 176 OGH 18. 4. 2002, 6 Ob 44/02t und 23. 10. 2000, 6 Ob 66/00z, EFSlg 100.794. 177 OLG Wien 23. 5. 1995, 15 R 51/95, EFSlg 78.592; 3. 12. 1997, 17 R 245/97t, EFSlg 84.524. 178 OGH 15. 10. 1998, 2 Ob 200/98w, NZ 2000, 19. Dies wird nach hA aus der Analogie zur wissentlichen Zahlung einer Nichtschuld (§ 1432) und aus § 1174 abgeleitet – so bereits Wilburg in Klang, ABGB VI2, 470; s Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 536. 179 OGH 30. 4. 1980, 1 Ob 568/80, JBl 1981, 153; OLG Wien 25. 10. 1995, 16 R 176/95, EFSlg 78.593 und EFSlg 78.594; vgl auch Rummel in Rummel, ABGB II/33 (2002) § 1435 Rz 10. 180 OGH 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p, EFSlg 90.224. 181 OGH 22. 9. 1983, 7 Ob 584/83, EvBl 1984, 46/12; 24. 11. 1987, 2 Ob 509/87 ua, EFSlg 54.316; 30. 11. 1987, 4 Ob 610/87, EFSlg 54.314 = JBl 1988, 253; 16. 4. 1996, 4 Ob 2021/96a,

40

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

Zweck) müsste vom Kondiktionsgläubiger bewiesen werden.182 Diese Alltagsleistungen können daher auch dann nicht zurück verlangt werden, wenn ein Partner einen erheblich höheren Beitrag geleistet hat als der andere.183 Unentgeltlich erbracht sind auch reine Gefälligkeitsleistungen.184 Hingegen sind außergewöhnliche Zuwendungen, die für den Empfänger über den Zeitraum der Lebensgemeinschaft hinaus nützlich sind, wegen Zweckverfehlung infolge Auflösung der Lebensgemeinschaft rückforderbar.185 Bei diesen Dauerinvestitionen kann der (bereicherte) Lebensgefährte in der Regel nicht auf die Unentgeltlichkeit der Zuwendung vertrauen. Dazu zählen zB Leistungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Wohnung186 bzw dem Erwerb oder der Errichtung eines Hauses187 erbracht worden sind, uU die Anschaffung von Möbel188 oder eines Pkw189 oder die Tilgung von Schulden, die zur Schaffung langlebiger Investitionen bestimmt waren190. Die Zuwendungen müssen nach der Rechtsprechung beiden Lebensgefährten zukünftigen SZ 69/89; 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t und 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p, EFSlg 90.219; 10. 10. 2001, 9 Ob A 222/01i, 9 Ob A 217/01d, RdW 2002, 421/416; 19. 12. 2001, 9 Ob 291/01m und OLG Wien 13. 4. 2001, 12 R 186/00m, EFSlg 97.097; OLG Wien 9. 9. 1991, 14 R 106/91, EFSlg 66.386; 4. 3. 1993, 13 R 233/92, EFSlg 72.242; 22. 9. 1994, 14 R 71/94, EFSlg 75.486; 25. 10. 1995, 16 R 176/95, EFSlg 78.589; 8. 7. 1996, 14 R 14/96y, EFSlg 81.589; 23. 3. 1999, 12 R 38/99t, EFSlg 90.226; 27. 1. 2000, 12 R 202/99k, EFSlg 93.685; 9. 10. 2002, 12 R 130/02d, EFSlg 100.793; LGZ Wien 17. 11. 1992, 45 R 842/92 ua, EFSlg 69.167. 182 OLG Wien 23. 3. 1999, 12 R 38/99t, EFSlg 90.226. 183 OLG Wien 27. 1. 2000, 12 R 202/99k, EFSlg 93.685. 184 ZB OGH 27. 6. 1979, 3 Ob 512, 513/79, EvBl 1980, 130/37; 8. 10. 1980, 3 Ob 560/79, EFSlg 36.267; 26. 9. 1996, 6 Ob 514/96, ecolex 1997, 18; OLG Wien 23. 12. 1991, 18 R 160/91, EFSlg 66.385; statt vieler F. Bydlinski in FS-Wilburg 57. 185 OGH 24. 11. 1987, 2 Ob 509/87, EFSlg 54.320; 30. 11. 1987, 4 Ob 610/87, EFSlg 54.317 = JBl 1988, 253; 16. 4. 1996, 4 Ob 2021/96a, SZ 69/89; 26. 9. 1996, 6 Ob 514/96 ua, EFSlg 81.583; 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t und 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p, EFSlg 90.220; 19. 12. 2001, 9 Ob 291/01m ua, EFSlg 97.099; 28. 2. 2001, 9 Ob 21/01f; 10. 10. 2001, 9 Ob A 222/01i und 9 Ob A 217/01d, RdW 2002, 421/416; OLG Wien 23. 12. 1991, 18 R 160/91, EFSlg 66.385; 12. 10. 1994, 16 R 152/94, EFSlg 75.484; 3. 12. 1997, 17 R 245/97t, EFSlg 84.523; 16. 8. 2000, 15 R 14/00i, EFSlg 93.682. Vgl auch Schwimann, StAZ 1987, 310; Klaar, AnwBl 1989, 20; Rummel, ÖJZ 1991, 60; Gimpel-Hinteregger in Harrer/Zitta, Familie 636; Engel, JRP 1994, 206f; Stabentheiner, NZ 1995, 57; Möschl in Deixler-Hübner, Stellung 102; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 207; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 415ff; Deixler-Hübner, Scheidung8 Rz 254. 186 ZB OGH 22. 9. 1983, 7 Ob 584/83, EvBl 1984, 46/12; 30. 11. 1987, 4 Ob 610/87, EFSlg 54.317 = JBl 1988, 253; 26. 9. 1996, 6 Ob 514/96; OLG Wien 25. 10. 1995, 16 R 176/95, EFSlg 78.587; 3. 12. 1997, 17 R 245/97t, EFSlg 84.523. 187 ZB OGH 24. 11. 1987, 2 Ob 509/87, EFSlg 54.320; 16. 4. 1996, 4 Ob 2021/96a, SZ 69/89 = MietSlg 48.176; 26. 9. 1996, 6 Ob 514/96; 15. 10. 1998, 2 Ob 200/98w, NZ 2000, 19 = EFSlg 87.414; 23. 5. 2001, 7 Ob 40/00h, EFSlg 97.093; 10. 10. 2001, 9 Ob A 222/01i und 9 Ob A 217/01d, RdW 2002, 421/416; dazu ausführlich Stefula, JAP 2001/2002, 138ff und 203ff. 188 OGH 27. 1. 1983, 6 Ob 817/82, EFSlg 43.576; 22. 9. 1983, 7 Ob 584/83, EvBl 1984, 46/12; OLG Wien 10. 4. 1987, 16 R 41/87, EFSlg 54.319; 23. 12. 1991, 18 R 160/91, EFSlg 66.385. 189 OGH 11. 6. 1981, 7 Ob 600/81, EFSlg 38.656; OLG Wien 28. 11. 1990, 17 R 185/90, EFSlg 63.329; 11. 12. 1990, 15 R 201/90, EFSlg 63.328; 18. 1. 1994, 11 R 237/93, EFSlg 72.239. 190 OGH 30. 11. 1987, 5 (sic! richtig: 4) Ob 610/87, JBl 1988, 253; 23. 10. 2000, 6 Ob 66/00z.

41

§ 44

Kissich

Nutzen bringen; Ausbildungskosten, die nur einem Teil zu Gute kommen, sind daher nicht kondizierbar.191 Die Kondiktion ist auf den die Lebensgemeinschaft überdauernden Nutzen beschränkt, da nur diesbezüglich der Leistungszweck wegfällt.192 Wurden Sachen für die gemeinsame Verwendung angeschafft und zunächst gemeinsam genutzt, so kann nach Auflösung der Lebensgemeinschaft nur der verbleibende Restnutzen zurückgefordert werden.193 Bei eingebauten Sachen (zB Einbauküche) wird der Restnutzen nicht nach dem Zeitwert der einzelnen Gegenstände berechnet, den diese ohne Einbau in das Haus hätten, sondern nach der durch den Einbau im Haus bewirkten Wertsteigerung.194 Die Werterhöhung, die etwa ein Haus durch Investitionen erfährt, ist nach der Rechtsprechung vom Anspruch analog § 1435 nicht erfasst.195 36 Hinsichtlich der Rechtsgrundlage unterscheidet (zumindest) die ältere Rechtsprechung zwischen Arbeitsleistungen, die – oft im Zusammenhang mit anderen Zuwendungen – insb für den Zweck des gemeinsamen Wohnens erbracht werden, und „reinen“ Dienstleistungen für den anderen Lebensgefährten (zB Führung des Haushalts, Mitarbeit in der Landwirtschaft oder einem sonstigen Betrieb des anderen). Für erstere gilt das in Rz 34f Gesagte. Die „reinen“ Dienstleistungen, die Lebensgefährten einander während aufrechter Lebensgemeinschaft erbringen, werden als unentgeltlich und damit nicht rückforderbar betrachtet, sofern kein besonderer Rechtsgrund (zB ein echter Arbeitsvertrag196) für ihre Entgeltlichkeit spricht.197 Die Entgeltlichkeitsvermu191 OLG Wien 26. 8. 1996, 13 R 36/96a und 13 R 37/96y, EFSlg 81.588; krit Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 207; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 415f. 192 OGH 30. 11. 1987, 4 Ob 610/87, EFSlg 54.318 = JBl 1988, 253; 16. 4. 1996, 4 Ob 2021/96a, SZ 69/89 = MietSlg 48.176; 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t; 28. 2. 2001, 9 Ob 21/01f; 10. 10. 2001, 9 Ob A 222/01i und 9 Ob A 217/01d, RdW 2002, 421/416; 19. 12. 2001, 9 Ob 291/01m (teilweise in EFSlg 97.099); OLG Wien 25. 10. 1995, 16 R 176/95, EFSlg 78.588. 193 OGH 11. 6. 1981, 7 Ob 600/81, EFSlg 38.656; 30. 11. 1987, 4 Ob 610/87, EFSlg 54.318 = JBl 1988, 253; 16. 4. 1996, 4 Ob 2021/96a, SZ 69/89 = MietSlg 48.176; 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t und 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p, EFSlg 90.221; 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p, EFSlg 90.224; 10. 10. 2001, 9 Ob A 222/01i und 9 Ob A 217/01d, RdW 2002, 421/416; 19. 12. 2001, 9 Ob 291/01m und 28. 2. 2001, 9 Ob 21/01f, EFSlg 97.101; OLG Wien 25. 10. 1995, 16 R 176/95 ua, EFSlg 78.595. 194 OGH 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p (teilweise in EFSlg 90.223 und EFSlg 90.224). 195 OGH 31. 1. 1980, 7 Ob 802/79, SZ 53/20; 24. 11. 1987, 2 Ob 509/87, EFSlg 54.320; 10. 10. 2001, 9 Ob A 222/01i und 9 Ob A 217/01d, RdW 2002, 421/416; 19. 12. 2001, 9 Ob 291/01m, EFSlg 97.102; aA Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 540f; Engel, JRP 1994, 206; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 208. 196 Zu den Voraussetzungen eines echten Arbeitsverhältnisses zwischen Lebensgefährten zB OGH 25. 11. 1998, 9 Ob A 248/98f, DRdA 1999, 476/58 (Resch); 17. 3. 1999, 9 Ob A 8/99p, RdW 1999, 487; 6. 9. 2000, 9 Ob A 161/00t, RdW 2001, 103/105 = DRdA 2001, 61; ausführlich Holzer in Ruppe, Handbuch2, 170ff. 197 OGH 12. 7. 1960, 4 Ob 62/60, ArbSlg 7264; 7. 11. 1961, 4 Ob 125/61, SZ 34/164 = ArbSlg 7453 = EvBl 1962, 72/63; 28. 4. 1970, 4 Ob 29/70, JBl 1971, 147 = JBl 1973, 159 (Holzer); 8. 10. 1980, 3 Ob 560/79, EFSlg 36.266; 6. 9. 2000, 9 Ob A 161/00t, RdW 2001, 103/105; 10. 10. 2001, 9 Ob A 222/01i und 9 Ob A 217/01d, RdW 2002, 421/416; ASG Wien 5. 11. 2001, 29 Cga 76/01k, ZASB 2002, 26. Bis zu den 30er-Jahren wurde hingegen die Auffassung vertreten, dass die Lebensgefährtin für geleistete Dienste Entgelt beanspruchen konnte, wenn nicht Un-

42

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

tung des § 1152 ist nach der Rechtsprechung auf Lebensgemeinschaften nicht anwendbar, vielmehr muss der Leistungserbringer beweisen, dass Entgeltlichkeit vereinbart worden ist.198 Auch F. Bydlinski geht in seiner grundlegenden Untersuchung davon aus, dass bei Dienstleistungen zwischen Lebensgefährten in der Regel Unentgeltlichkeit zu vermuten sei.199 Allerdings könne bei zweckverfehlenden Arbeitsleistungen die Entgeltlichkeitsvermutung des § 1152 wieder aufleben, ohne dass eine Entgeltszusage vorliegen müsse. Demnach steht einem Lebensgefährten ein über den Kondiktionsanspruch hinausgehender (außervertraglicher) Entlohnungsanspruch analog § 1152 zu, wenn die Leistung vom Empfänger bewusst in Anspruch genommen wurde und dieser auch den Umständen nach nicht mit ihrer Unentgeltlichkeit rechnen konnte, und der Berechtigte den angestrebten Zweck nicht selbst vereitelt hat (s auch Rz 37).200 Die Rechtsprechung hat sich dieser Auffassung in Bezug auf Lebensgefährten201 nicht angeschlossen, sondern verlangt bei diesen eine ausdrückliche oder stillschweigende Entgeltlichkeitsvereinbarung. Eine solche nimmt der OGH jedoch bereits an, wenn die Arbeitsleistung nur in der dem anderen Lebensgefährten erkennbaren Erwartung eines in Aussicht gestellten Vorteils unentgeltlich erbracht wurde und sich diese Erwartung nicht erfüllt.202 Die unterschiedlichen dogmatischen Begründungen führen aber zum gleichen rechtlichen Ergebnis.203 Ebenso wenig wirkt sich die wenig nachentgeltlichkeit ausdrücklich vereinbart worden ist (anders hingegen OGH 30. 7. 1931, 4 Ob 402/31, SZ 13/209). Zur Entwicklung der Rsp ausführlich OGH 26. 5. 1954, 3 Ob 258/54, SZ 27/156 sowie Schneider, ÖJZ 1965, 177f; Mell in FS-Demelius 158f, 168ff; Verschraegen, ZfRV 1983, 119ff. 198 OGH 12. 7. 1960, 4 Ob 62/60, ArbSlg 7264; weitere Nachweise bei Krejci in Rummel, ABGB I3 § 1152 Rz 7; Pfeil in Schwimann, ABGB V3 (2006) § 1152 Rz 5. Zu Recht krit Verschraegen, ZfRV 1983, 130f; Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 539; Engel, JRP 1994, 207; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 209f; differzierend Fenyves, ZAS 1976, 177. 199 F. Bydlinski in FS-Wilburg 56ff. 200 F. Bydlinski in FS-Wilburg 45ff (66ff, 71ff); zust Strasser, JBl 1968, 437f; Holzer, JBl 1973, 160f; Fenyves, ZAS 1976, 175ff; Rummel, JBl 1978, 454; Apathy, DRdA 1986, 311; Schwimann, StAZ 1987, 310; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 209f; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 44 Rz 11; Koch in KBB, § 44 Rz 7. 201 Hingegen folgt der OGH bei Dienstleistungen zwischen Ehegatten, nahen Angehörigen (s Krejci in Rummel, ABGB I3 § 1152 Rz 6 mwN; Pfeil in Schwimann, ABGB V3 § 1152 Rz 4 mwN) und auch Personen ohne familiäre Bindung seit langem der Auffassung von F. Bydlinski und spricht angemessene Entlohnung analog § 1152 ABGB zu (zB OGH 4. 6. 1985, 4 Ob 6/84, DRdA 1986, 307/16 [Apathy]); ausführlich dazu bereits Stabentheiner, NZ 1995, 56 mwN; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 §§ 40–42 Rz 7. 202 So bereits OGH 17. 8. 1934, 1 Ob 605, ZBl 1935, 56/11; 18. 9. 1934, 1 Ob 752, ZBl 1935, 55/10; 7. 9. 1949, 2 Ob 354/49, SZ 22/122; 26. 8. 1958, 4 Ob 61/58, JBl 1959, 43; 12. 7. 1960, 4 Ob 62/60, ArbSlg 7264; 7. 11. 1961, 4 Ob 125/61, SZ 34/164 = ArbSlg 7453 = EvBl 1962, 72/63; 28. 4. 1970, 4 Ob 29/70, JBl 1971, 147 = JBl 1973, 159 (Holzer); 8. 10. 1980, 3 Ob 560/79, EFSlg 36.266 und EFSlg 36.267; 11. 6. 1981, 7 Ob 600/81, EFSlg 38.651; krit F. Bydlinski in FS-Wilburg 56ff. Vgl auch Djalinous in Frank, Gemeinschaft 41f; Schwimann, StAZ 1987, 310; Klaar, AnwBl 1989, 20; ausführlich Stabentheiner, NZ 1995, 56 mwN; Deixler-Hübner, Scheidung8 Rz 255 mwN. 203 So bereits Stabentheiner, NZ 1995, 56.

43

§ 44

Kissich

vollziehbare Differenzierung zwischen den Arbeitsleistungen im Zusammenhang mit anderen Zuwendungen und den „reinen“ Dienstleistungen in der Praxis aus: Zum einen überträgt die ältere Rechtsprechung den in der condictio causa data, causa non secuta zum Ausdruck gebrachten Gedanken sinngemäß auf die Voraussetzungen der schlüssigen Entgeltvereinbarung (s oben); zum anderen werden die Kriterien, die für die Bemessung der Entgelthöhe von Dienstleistungen maßgeblich sind, von der Rechtsprechung auf Rückforderungsansprüche analog § 1435 angewendet (s Rz 37), so dass die Entlohnung auf Grundlage des § 1435 iVm § 1152 zugesprochen wird.204 Die jüngere oberstgerichtliche Rechtsprechung scheint das Konstrukt der konkludenten Entgeltsvereinbarung nicht mehr zu bemühen.205 37 Der Rückforderungsanspruch ist (in Anlehnung an § 815 dBGB) ausgeschlossen, wenn der Leistende den Eintritt des Geschäftszwecks selbst wider Treu und Glauben verhindert hat. Dieser Grundsatz ist für die Lebensgemeinschaft von untergeordneter Bedeutung, weil auf Grund ihrer Unverbindlichkeit keine Fortsetzungspflicht besteht; eine Lebensgemeinschaft kann jederzeit einseitig und grundlos aufgelöst werden (s Rz 21). Demzufolge ist „Verschulden“ an der Beendigung der Lebensgemeinschaft nicht im Sinne eines Verstoßes gegen Rechtspflichten, sondern nur als adäquate Zweckvereitelung zu verstehen.206 Eine die Rückforderung ausschließende Verletzung von Treu und Glauben wird in diesem Zusammenhang erst angenommen, wenn besondere Umstände oder ein besonderes Verpflichtungsverhältnis vorliegen.207 Für diese rechtsvernichtende Tatsache ist der bereicherte Lebensgefährte beweispflichtig.208 Das „Verschulden“ an der Beendigung der Lebensgemeinschaft wirkt sich jedoch auf die Höhe des Entlohnungs- bzw Rückforderungsanspruchs maßgeblich aus. Die Rechtsprechung hat dabei, mit Zustimmung der Lehre, die von F. Bydlinski209 für zweckverfehlende Dienstleistungen entwickelten Grundsätze übernommen und wendet diese sinngemäß auch auf die Bemes204 Vgl OGH 31. 1. 1980, 7 Ob 802/79, SZ 53/20; 24. 11. 1987, 2 Ob 509/87, EFSlg 54.320; 10. 10. 2001, 9 Ob A 217/01d, Arb 12.153 = RdW 2002, 421/416 = ARD 5330/11/2002. 205 Vgl zB OGH 17. 3. 1999, 9 Ob A/99p, RdW 1999, 487. 206 Vgl F. Bydlinski in FS-Wilburg 65. 207 Ausführlich mwN OGH 14. 5. 1975, 8 Ob 38/75, SZ 48/59; 5. 5. 1982, 1 Ob 591/82, SZ 55/70; 23. 3. 1988, 8 Ob 617/87, EvBl 1988, 754/149; 18. 1. 1989, 1 Ob 703/88, SZ 62/5 = JBl 1989, 591; 29. 8. 1990, 3 Ob 556/90, JBl 1991, 250; 10. 4. 1991, 3 Ob 515/91, JBl 1991, 588 = EFSlg 66.390; 26. 9. 2001, 7 Ob 189/01x, EFSlg 97.096; OLG Wien 4. 3. 1993, 13 R 233/92, EFSlg 72.243. Verfehlt hingegen OGH 16. 6. 1983, 7 Ob 595/83, MietSlg 35.269; OLG Wien 22. 3. 1988, 11 R 35/88, EFSlg 57.063. 208 OGH 18. 1. 1989, 1 Ob 703/88, SZ 62/5 = JBl 1989, 591; 26. 9. 2001, 7 Ob 189/01x. 209 Grundlegend F. Bydlinski in FS-Wilburg 45ff (63ff, 75ff); zust Strasser, JBl 1968, 437f; Holzer, JBl 1973, 161; Fenyves, ZAS 1976, 175ff (176f); Rummel, JBl 1978, 454; Verschraegen, ZfRV 1983, 129f; Apathy, DRdA 1986, 311; Schwimann, StAZ 1987, 310; Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 541f; Stabentheiner, NZ 1995, 56 mwN; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 209; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 §§ 40–42 Rz 7; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 44 Rz 11f; Koch in KBB, § 44 Rz 7.

44

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

sung der Rückforderung analog § 1435 an (nunmehr sogar für Sach- und Geldzuwendungen).210 Hat der Leistungserbringer keinen Grund für die adäquate Verursachung der Zweckverfehlung gesetzt und wurde die Leistung in Kenntnis der Entgelterwartung bewusst in Anspruch genommen, erhält er für erbrachte Dienste eine nach dem Umfang der Arbeitsleistungen angemessene Entlohnung iSd § 1152. Der Anspruch ist vom verschafften Nutzen unabhängig und richtet sich auch bei Sachzuwendungen211 nach dem objektiven Leistungswert. Hat der Leistende den zunächst angestrebten Erfolg durch sein Verhalten selbst vereitelt, so kann er nur Ansprüche im Rahmen der Bereicherung stellen, also ein am verschafften Nutzen orientiertes Entgelt fordern. Haben beide Teile Ursachen für das Scheitern bzw die Nichtaufnahme der Lebensgemeinschaft gesetzt, so haben sie in sinngemäßer Anwendung des § 1304 – im Verhältnis ihrer Verursachungsquoten – auch das Leistungsrisiko gemeinsam zu tragen. Der Anspruch besteht dann in der Differenz zwischen dem angemessenen Entgelt bzw objektiven Wert und dem am Nutzen orientierten Kondiktionsanspruch und ist der Quote entsprechend zuzuerkennen.212 Diese Teilung des Leistungsrisikos wendet die Rechtsprechung auch sinngemäß auf eine Minderung des verschafften Nutzens an, der durch den Notverkauf eines Hauses entsteht.213 Leistungen von Angehörigen oder Freunden eines Lebensgefährten (zB 38 Mitwirkung beim Hausbau) werden im Zweifel diesem erbracht, sofern die Drittleistung nicht dem anderen Lebensgefährten gewidmet ist. Demzufolge hat ein Lebensgefährte aus der Arbeit, die seine Verwandten an den anderen Lebenspartner erbracht haben, einen eigenen (nicht abgeleiteten) Kondiktionsanspruch.214 Der Anspruch auf Rückersatz von Aufwendungen nach Wegfall des Geschäftszwecks steht aber auch unmittelbar dritten Personen zu. So kann zB ein Familienangehöriger eines Lebensgefährten seine Leistungen, die er für die im Eigentum des anderen Lebensgefährten stehende Liegenschaft aufgewendet hat, analog § 1435 zurückverlangen, wenn die Leistungen zum erkennbaren Zweck des künftigen gemeinsamen Wohnens der Lebensgefähr-

210 Ausdrücklich OGH 31. 5. 1990, 8 Ob 538/89, EFSlg XXVII/6 = ecolex 1990, 747 (Knötzl). 211 ZB OGH 30. 4. 1980, 1 Ob 568/80, JBl 1981, 153 = SZ 53/71; 31. 5. 1990, 8 Ob 538/89, EFSlg XXVII/6 = ecolex 1990, 747 (Knötzl). 212 OGH 6. 6. 1973, 1 Ob 99/73, SZ 46/62 = MietSlg 25.186; 14. 5. 1975, 8 Ob 38/75, SZ 48/59 mwN; 2. 7. 1975, 1 Ob 118/75, MietSlg 27.243; 27. 6. 1979, 3 Ob 512, 513/79, EvBl 1980, 130/37; 30. 4. 1980, 1 Ob 568/80, JBl 1981, 153 = SZ 53/71; 16. 2. 1982, 4 Ob 557/81, EFSlg 41.029; 24. 11. 1987, 2 Ob 509/87, EFSlg 54.321; 23. 3. 1988, 8 Ob 617/87, EvBl 1988, 754/149; 31. 5. 1990, 8 Ob 538/89, SZ 63/91; 29. 8. 1990, 3 Ob 556/90, JBl 1991, 250; 10. 4. 1991, 3 Ob 515/91, EFSlg 66.390 = JBl 1991, 588; 12. 11. 1996, 4 Ob 2335/96b, EFSlg 81.584; 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p, EFSlg 90.222; 23. 5. 2001, 7 Ob 40/00h; 26. 9. 2001, 7 Ob 189/01x, EFSlg 97.096; 10. 10. 2001, 9 Ob A 217/01d, Arb 12.153 = RdW 2002, 421/416 = ARD 5330/11/2002. 213 OGH 30. 4. 1980, 1 Ob 568/80, JBl 1981, 153 = SZ 53/71 (hier Ehegatten); Meissel/ Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 542; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 44 Rz 12. 214 OGH 23. 5. 2001, 7 Ob 40/00h (teilweise in EFSlg 97.093); Wilhelm, JBl 1985, 681.

45

§ 44

Kissich

ten erbracht worden sind und dieser Zweck nicht erreicht wurde.215 Eine zwischen den Lebensgefährten getroffene Vereinbarung kann dem Dritten gegenüber nicht eingewendet werden. Kondizierende Angehörige sind an einen Vertrag, der zwischen den Lebensgefährten ohne ihre Beteiligung geschlossen wurde, nicht gebunden; ein derartiger Vertrag zu Lasten Dritter würde das Einverständnis der Angehörigen voraussetzen.216 Kommt die Leistung eines Lebensgefährten einem Dritten zu Gute, so 39 stellt sich die Frage nach der Klagslegitimation. Nach hA ist die Rückabwicklung der fehlgeschlagenen Leistung zwischen denjenigen Personen vorzunehmen, die nach der beabsichtigten Zweckvereinbarung Leistender und Leistungsempfänger sein sollten.217 Die condictio causa data, causa non secuta kann daher direkt gegen den Dritten geltend gemacht werden, wenn der im Interesse beider Lebensgefährten verfolgte Geschäftszweck nur durch Leistung an den Dritten erreicht werden kann (konkret: Aufwendungen für die Innenausstattung der im Haus des Vaters der ehemaligen Lebensgefährtin gelegenen Wohnung, die von beiden Lebensgefährten gemeinsam benützt wird). Dies setzt jedenfalls voraus, dass den Beteiligten bewusst ist, dass durch die Leistung das Vermögen des Dritten vermehrt wird.218 Hingegen steht der Kondiktionsanspruch weiterhin gegenüber dem (ehemaligen) Lebensgefährten zu, wenn dem Leistungserbringer überhaupt nicht erkennbar gewesen ist, dass die seinem Lebensgefährten erbrachten Leistungen dritten Personen zu Gute kommen. Wendet zB eine Lebensgefährtin ihrem Lebensgefährten im Hinblick auf die bestehende Lebensgemeinschaft Geld für den Ausbau seines Hauses zu, so bleibt dieser Leistungsempfänger, auch wenn er das Haus bereits ohne ihr Wissen dritten Personen (seinem Sohn und seiner Schwiegertochter) übergeben hat. Er kann sich nicht auf den nachträglichen Wegfall der Bereicherung durch Investition in das Haus seines Sohnes und seiner Schwiegertochter berufen. Nach Ansicht des OGH schließt das Bestehen dieses Anspruchs gegen den ehemaligen Lebensgefährten einen Verwendungsanspruch gegen seinen Sohn und seine Schwiegertochter aus.219 Die Verjährungsfrist für Leistungskondiktionen beträgt 30 Jahre (§§ 1478f). 40 Für die Rückforderung erbrachter Dienstleistungen analog § 1152 gilt gem § 1486 Z 5 die kurze Drei-Jahres-Frist.220 Die Verjährungsfrist beginnt zu lau-

215 OGH 21. 12. 1993, 5 Ob 551/93, EFSlg 72.156 (im konkreten Fall verneint); 11. 2. 1997, 10 Ob 2463/96w, EFSlg 84.522; 15. 10. 1998, 2 Ob 200/98w, NZ 2000, 19 = EFSlg 87.414 und 87.415; 4. 9. 2002, 9 Ob 170/02v, EFSlg 100.791. 216 OGH 4. 9. 2002, 9 Ob 170/02v (teilweise in EFSlg 100.792). 217 ZB OGH 16. 4. 1996, 4 Ob 2021/96a, SZ 69/89 mwN; 26. 8. 2003, 5 Ob 148/03f, JBl 2004, 254 mwN; 19. 12. 2003, 8 Ob 129/03h, JBl 2004, 382 mwN. 218 OGH 16. 4. 1996, 4 Ob 2021/96a, SZ 69/89; zu letzterem s auch OGH 19. 12. 2003, 8 Ob 129/03h, JBl 2004, 382. 219 OGH 19. 12. 2003, 8 Ob 129/03h, JBl 2004, 382 (vgl dazu Helmich, ecolex 2004, 780). 220 OGH 23. 2. 1971, 4 Ob 9/71, ArbSlg 8844; 6. 4. 1976, 4 Ob 13/76, ArbSlg 9464; 16. 2. 1982, 4 Ob 557/81, EFSlg 41.029; 27. 1. 1988, 3 Ob 589, 590/86, SZ 61/16; 2. 9. 1998, 9 Ob A 207/98a; 19. 12. 2001, 9 Ob 291/01m; s auch F. Bydlinski in FS-Wilburg 65; Aichhorn, Lebens-

46

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

§ 44

fen, sobald objektiv hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass mit der Erfüllung der Erwartung nicht mehr gerechnet werden kann.221 Ein auf Gesetz oder Vertrag gestützter Anspruch schließt die Berufung 41 auf Bereicherungsrecht aus.222 Daher kann zB ein Lebensgefährte seine Leistungen für den Kauf und Ausbau eines gemeinsam bewohnten Hauses nicht kondizieren, solange ein Übergabsvertrag, der ihm ein dingliches, unentgeltliches Wohnrecht auf Lebenszeit einräumt, zur Gänze aufrecht erhalten wird. Nach Auflösung des Wohnrechtsverhältnisses aus wichtigem Grund sind die im Hinblick auf ein lebenslanges Wohnrecht erbrachten Vorleistungen im Ausmaß der Zweckverfehlung rückforderbar.223 c) Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 1175) liegt vor, wenn 42 zwei oder mehrere Personen ihre Mühe, ihr Kapital, ihr Einkommen oder sonstige Sachen zu einem gemeinschaftlichen Nutzen vereinigen. Eine besondere Formpflicht ist für den Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen,224 die schlüssige Vereinbarung (§ 863) genügt. Ob durch das Zusammenwirken zweier Lebensgefährten konkludent eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vereinbart wurde, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei die Rechtsprechung keine allzu strengen Maßstäbe an den gemeinschaftlich verfolgten Zweck anlegt.225 Nach hA kann insbesondere der gemeinsame Erwerb, die Errichtung oder der Ausbau eines Hauses durch Lebensgefährten (oder auch Ehegatten) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründen.226 Ferner wurde beim gemeinsamen Erwerb einer Eigentumswohnung227, beim gemeinsamen Betrieb eines Gasthauses228 oder eines Wäschevertriebes229 und bei der Mitwirkung am

partnerschaften 418, 420f mwN; krit zur (generellen) Anwendung der kurzen Frist Apathy, DRdA 1986, 311f; M. Bydlinski in Rummel, ABGB II/33 (2002) § 1486 Rz 10. 221 OGH 4. 6. 1985, 4 Ob 6/84, DRdA 1986, 307/16 (Apathy); 2. 9. 1998, 9 Ob A 207/98a. 222 OGH 29. 9. 1999, 6 Ob 60/99p und 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t, EFSlg 90.215. 223 OGH 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t (teilweise in EFSlg 90.225). 224 Zur Ausnahme bei Kaufleuten s § 1179. 225 OGH 6. 6. 1973, 1 Ob 99/73, SZ 46/62 mwN; 3. 5. 1983, 5 Ob 588/82, EFSlg 43.484 (Ehegatten); 25. 4. 1989, 2 Ob 50/89, SZ 62/71; 12. 2. 1991, 8 Ob 707/89, JBl 1991, 645; 13. 8. 1998, 2 Ob 197/98d, RdW 1999, 18 (hier keine LG); 15. 10. 1998, 2 Ob 200/98w, NZ 2000, 19 = MietSlg 50.193 = EFSlg 87.313; ausführlich zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts Grillberger in Rummel, ABGB II/13 (2002) § 1175 Rz 1ff (Rz 9f); Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB V3 (2006) § 1175 Rz 1ff (Rz 37f). 226 OGH 6. 6. 1973, 1 Ob 99/73, SZ 46/62 mwN; 14. 5. 1975, 8 Ob 38/75, SZ 48/59; 22. 9. 1977, 6 Ob 655/77, SZ 50/123; 31. 1. 1980, 7 Ob 802/79, SZ 53/20; 18. 11. 1981, 3 Ob 604/81, EFSlg 38.516; 2. 10. 1986, 7 Ob 635/86, SZ 59/161; 29. 1. 1991, 4 Ob 502/91, JBl 1991, 789; 10. 9. 1997, 7 Ob 183/97f; 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t, EFSlg 90.095. 227 OGH 29. 1. 1991, 4 Ob 502/91, JBl 1991, 789. 228 OGH 13. 5. 1993, 2 Ob 608/92, RdW 1993, 364. 229 OGH 10. 9. 1997, 7 Ob 183/97f.

47

§ 44

Kissich

Aufbau und Betrieb des Unternehmens des anderen230 eine Erwerbsgesellschaft iSd § 1175 angenommen.231 Nach ständiger Rechtsprechung setzt dies (entgegen der hL232) jedoch eine Gemeinschaftsorganisation voraus, die jedem Vertragspartner gewisse Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte verschafft.233 Die rechtliche Tragweite ihres Handelns muss den Lebensgefährten nicht bewusst sein.234 Um aber noch von einem Gesellschaftsvertrag sprechen zu können, muss zumindest eine schlüssige Willenseinigung der Lebensgefährten zu einer wechselseitigen Bindung vorliegen. Nach hA setzt diese gesellschaftsvertragliche Bindung konkrete, durchsetzbare Rechte und Pflichten voraus. So muss den Lebensgefährten zB bei der Anschaffung, Errichtung oder Renovierung eines Hauses, das gemeinsam bewohnt werden soll oder schon bewohnt wird, wenigstens in grob bestimmbaren Zügen klar sein, wer was und in welcher Form zum gemeinsamen Ziel beizusteuern hat.235 Bei einer gemeinsamen Kreditaufnahme und dem Ansinnen der Lebensgefährten, „da halt (gemeinsam zu) arbeiten und (zu) investieren“, geht die Rechtsprechung noch nicht von einer bindenden Organisationsabsprache aus.236 Folglich reicht bloßes gemeinsames Wirtschaften und Wohnen der Lebensgefährten allein noch nicht aus;237 nicht jede Lebensgemeinschaft ist a priori eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.238 Gewichtige Indizien, die gegen die Annahme einer Erwerbsgesellschaft iSd § 1175 sprechen, sind vor allem das Fehlen von Abreden über Einwirkungs- und Mitspracherechte,239 was insbesondere bei einer nicht partOGH 7. 10. 1987, 3 Ob 545/87, JBl 1988, 516 (Kerschner). Weitere Anwendungsfälle und Nachweise bei Grillberger in Rummel, ABGB II/13 (2002) § 1175 Rz 9f, 17; Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB V3 (2006) § 1175 Rz 2, 14, 37f. 232 Dagegen wird überzeugend vorgebracht, dass die Gemeinschaftsorganisation kein selbstständiges Tatbestandsmerkmal für das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrags sei, sondern nur als ein wichtiges Indiz für die Existenz einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewertet werden könne: vgl zB Kerschner, JBl 1988, 518; Nowotny, ÖJZ 1988, 614f; Meissel/Preslmayr in Harrer/ Zitta, Familie 528; Engel, JRP 1994, 164; Stefula, JAP 2001/2002, 139; Grillberger in Rummel, ABGB II/13 (2002) § 1175 Rz 15, 21; Kerschner, Familienrecht2 Rz 3/7; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 408; Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB V3 (2006) § 1175 Rz 15 mwN. 233 OGH 6. 6. 1973, 1 Ob 99/73, SZ 46/62 mwN; 14. 5. 1975, 8 Ob 38/75, SZ 48/59; 22. 9. 1977, 6 Ob 655/77, SZ 50/123 mwN; 31. 1. 1980, 7 Ob 802/79, SZ 53/20; 3. 5. 1983, 5 Ob 588/82, EFSlg 43.484; 2. 10. 1986, 7 Ob 635/86, SZ 59/161; 7. 10. 1987, 3 Ob 545/87, JBl 1988, 516 (Kerschner); 25. 4. 1989, 2 Ob 50/89, SZ 62/71; 10. 9. 1997, 7 Ob 183/97f; 13. 8. 1998, 2 Ob 197/98d, RdW 1999, 18; 15. 10. 1998, 2 Ob 200/98w, NZ 2000, 19 = MietSlg 50.193 = EFSlg 87.313; sich mit den Lehrmeinungen auseinandersetzend, das Ergebnis offen lassend hingegen: OGH 12. 2. 1991, 8 Ob 707/89, JBl 1991, 645. Vgl auch Stabentheiner, NZ 1995, 57; Möschl in Deixler-Hübner, Stellung 99; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 204; Möschl, Lebensgemeinschaft2, 57. 234 OGH 29. 1. 1991, 4 Ob 502/91, JBl 1991, 789; 12. 2. 1991, 8 Ob 707/89, JBl 1991, 645; 6. 9. 2000, 9 Ob A 161/00t, RdW 2001, 103/105; krit Kerschner, JBl 1988, 517f; Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 528f; s auch Stefula, JAP 2001/2002, 138. 235 Statt vieler OGH 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t, EFSlg 90.093. 236 OGH 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t (falsch zitiert in EFSlg 90.094) 237 OGH 7. 10. 1987, 3 Ob 545/87, JBl 1988, 516 (Kerschner); 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t, EFSlg 90.091. 238 OGH 22. 9. 1977, 6 Ob 655/77, SZ 50/123 mwN; 7. 10. 1987, 3 Ob 545/87, JBl 1988, 516 (Kerschner); 29. 1. 1991, 4 Ob 502/91, JBl 1991, 789; 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t. 239 Statt vieler OGH 15. 7. 1999, 6 Ob 135/99t. 230 231

48

Allgemeines

§ 45

nerschaftlich, sondern hierarchisch ausgerichteten Lebensgemeinschaft anzunehmen ist.240 Das Vorliegen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird etwa auch verneint, wenn bloß die Aussicht besteht, später Mitbewohner eines zu erwerbenden Hauses zu werden,241 oder wenn nur einem der Partner das alleinige Eigentum am erworbenen Haus zustehen soll.242 Die Aufhebung der Lebensgemeinschaft führt nicht automatisch zur Auflösung der Gesellschaft (zB bei Betrieb eines gemeinsamen Unternehmens), kann aber ein wichtiger Auflösungsgrund sein (insb wenn der Gesellschaftszweck die Errichtung einer Wohnmöglichkeit war)243, der in Folge zur Erhebung der Klage auf Zivilteilung berechtigt (§ 1215).244 Im Zweifel wird das Gesellschaftsvermögen je zur Hälfte geteilt (§ 839). Gem § 1215 hat die Aufteilung nach den Bestimmungen des 27. und des 16. Hauptstücks (insb §§ 841ff) des zweiten Teils des ABGB zu erfolgen.245 In der Praxis hat die Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch dadurch Bedeutung erlangt, dass sie einen Rechtstitel für die Benützung einer Wohnung oder eines Hauses, die bzw das im Eigentum oder in Hauptmiete des anderen Lebensgefährten steht, schafft. Solange die Vermögensteilung noch nicht abgeschlossen ist, kann dies dem Räumungsbegehren des (ehemaligen) Partners entgegengesetzt werden.246

§ 45. Ein Eheverlöbnis oder ein vorläufiges Versprechen, sich zu ehelichen, unter was für Umständen oder Bedingungen es gegeben oder erhalten worden, zieht keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich, weder zur Schließung der Ehe selbst, noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des Rücktrittes bedungen worden ist. Stammfassung JGS 1811/946

Vgl Klaar, AnwBl 1989, 20; Deixler-Hübner, Scheidung8 Rz 253; krit Engel, JRP 1994, 164. OGH 15. 10. 1998, 2 Ob 200/98w, NZ 2000, 19 = EFSlg 87.313. 242 OGH 6. 6. 1973, 1 Ob 99/73, SZ 46/62 mwN; 10. 9. 1997, 7 Ob 183/97f, EFSlg 84.415. 243 Vgl zB Engel, JRP 1994, 205; Stabentheiner, NZ 1995, 57; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 409f. 244 OGH 2. 10. 1986, 7 Ob 635/86, SZ 59/161. 245 Vgl Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB V3 (2006) § 1215 Rz 1 mwN. Ausführlich zur Teilung zwischen Lebensgefährten vgl Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie 531ff; Stabentheiner, NZ 1995, 58; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 205f; Stefula, JAP 2001/2002, 140f; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 410ff; allgemein zur Teilung des Gesellschaftsvermögens: Gamerith in Rummel, ABGB I3 (2000) §§ 841ff; Grillberger in Rummel, ABGB II/13 (2002) §§ 1175ff; Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB V3 (2006) §§ 1175ff; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann, ABGB III3 (2006) §§ 841ff. 246 Vgl zB OGH 22. 9. 1977, 6 Ob 655/77, SZ 50/123; vgl auch Möschl in Deixler-Hübner, Stellung 100; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 205; ausführlich mwN Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB V3 (2006) § 1175 Rz 38. 240 241

49

Hinteregger

§ 45

Lit: Demelius Heinrich, Zur Geschichte des Eheversprechens nach österreichischem Recht, JBl 1948, 277; Wentzel Othmar in Klang, ABGB2 I/1, 321ff; Canaris Claus-Wilhelm, Das Verlöbnis als „gesetzliches“ Rechtsverhältnis, AcP 165, 1; Stefula Martin, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005, 609.

Übersicht I. Allgemeines II. Definition und Abschluss III. Rechtswirkungen

1 2–5 6–8

I. Allgemeines 1

Die Regeln über das Verlöbnis stammen aus der Stammfassung des ABGB und wurden seit dem Jahr 1811 nicht verändert.1 Die geringe Anzahl neuerer Entscheidungen zu den §§ 45f zeugt vom Bedeutungsverlust des Verlöbnisses, das heute mehr ein gesellschaftliches als ein juristisches Phänomen darstellt. § 45 bietet eine Legaldefinition des Verlöbnisses und § 46 normiert eine Schadenersatzpflicht bei Rücktritt vom Verlöbnis.

II. Definition und Abschluss 2

Unter dem Verlöbnis versteht man die Vereinbarung der künftigen Eheschließung. Nach herrschender Ansicht2 ist das Verlöbnis ein Vertrag. Für diesen gelten die allgemeinen Regeln des Schuldrechts, bei Bestehen eherechtlicher Sonderbestimmungen werden diese vorrangig angewendet. Der Abschluss eines Verlöbnisses erfordert ausreichende Geschäftsfähig3 keit. Diese wird nach den Regeln über die Ehefähigkeit (§§ 1ff EheG) bestimmt. Da ein Verlöbnis gleich wie die Eheschließung eigene Willensbildungsfähigkeit fordert,3 können Geschäftsunfähige, dh Kinder unter 7 Jahren und Personen über 7 Jahren, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben (§ 2 iVm § 102 Abs 1 EheG), kein Verlöbnis eingehen. Beschränkt Geschäftsfähige, das sind Minderjährige über 7 Jahren und Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist (§ 102 Abs 2 EheG), bedürfen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Bei Minderjährigen wird analog § 3 Abs 2 EheG auch die EinwilZur Redaktionsgeschichte der §§ 45f ausführlich Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 321ff, 339. Zu den einzelnen Theorien über die Rechtsnatur des Verlöbnisses umfassend Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 326ff mit Nachweis der älteren Literatur, die überwiegend vom Vertragscharakter des Verlöbnisses ausging, und Schwind, Kommentar2 § 45 Anm 2. Für die Vertragsnatur des Verlöbnisses ebenfalls Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 45 Rz 2; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 447; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 45 Rz 1; aA, aber von der österreichischen Lehre einhellig abgelehnt: Canaris, AcP 165, 1. 3 Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 330. 1 2

50

Definition und Abschluss

§ 45

ligung des Erziehungsberechtigten gefordert.4 Um Verlobungen von Minderjährigen zu erschweren, sollten meines Erachtens auch die Regeln über die Ehemündigkeit (§ 1 EheG) auf das Verlöbnis analog angewendet werden. In Abweichung zum allgemeinen Vertragsrecht kann demnach ein Verlöbnis frühestens mit 16 Jahren bei Vorliegen einer gerichtlichen Genehmigung, ansonsten erst ab Vollendung des 18. Lebensjahres eingegangen werden. Ein Verlöbnis, das dieser Bedingung widerspricht, ist gem § 879 wegen Gesetzwidrigkeit nichtig. Diese Rechtsfolge ist für das Verlöbnis angemessen, obwohl das Fehlen der Ehemündigkeit bei der Eheschließung nicht zur Nichtigkeit der Ehe führt, sondern nur ein schlichtes Trauungsverbot darstellt, weil bei der Eheschließung der Standesbeamte die Pflicht hat, auf die Einhaltung dieser Altersgrenze zu achten. Wegen seines höchstpersönlichen Charakters ist ein Verlöbnisabschluss im Wege der Stellvertretung unzulässig.5 Bei Vorliegen eines Willensmangels werden die Sonderbestimmungen des EheG analog herangezogen.6 Da das Verlöbnis aber frei auflösbar ist, spielt dies in der Praxis keine Rolle. Eine nur zum Scherz abgegebene Verlöbniserklärung ist wirksam, wenn die mangelnde Ernstlichkeit objektiv nicht erkennbar war und vom anderen tatsächlich nicht erkannt wurde.7 Im Gegensatz zum Eheabschluss (§ 17 Abs 2 EheG) sind die Setzung von Befristungen und Bedingungen grundsätzlich möglich. Ein zunächst unbedingtes Eheversprechen kann aber nicht nachträglich von Bedingungen abhängig gemacht werden.8 Für die Möglichkeit und Erlaubtheit eines Eheversprechens sind § 878 und § 879 heranzuziehen. Ein Verlöbnis, das auf den Abschluss einer rechtlich unmöglichen Ehe abzielt (Eheverbot der Verwandtschaft, § 6 EheG) ist gem § 878 unwirksam. Das Eheversprechen einer verheirateten Person während aufrechten Ehebandes ist unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit zu prüfen.9 Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 1 kann vorliegen, wenn das Verlöb-

4 Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 45 Anm 2. Die Eltern der Braut können ihre Zustimmung nicht von der Zahlung eines Geldbetrags durch den Vater des Bräutigams abhängig machen. Eine solche Vereinbarung ist (selbstverständlich) sittenwidrig und das Geleistete kann zurückgefordert werden: OGH 11. 6. 2002, 5 Ob 129/02k, EFSlg 100.660. 5 Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 448. 6 Dazu im einzelnen Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 333f; Schwind, Kommentar2 § 45 Anm 3.4. 7 OGH 10. 11. 1966, 1 Ob 242/66, SZ 39/191; 22. 10. 1997, 9 Ob 344/97x, ecolex 1998, 126 (Erklärung einer Prostituierten, die Prostitution aufgeben, den Freier heiraten und mit ihm Kinder haben zu wollen). 8 OGH 5. 7. 1950, 1 Ob 360/50, JBl 1950, 552. 9 Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 335; Schwind, Kommentar2 § 45 Anm 3.1; Schwimann/ Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 45 Rz 3; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 45 Rz 3. Unwirksamkeit nach § 878 (so OGH 5. 3. 1931, 1 Ob 140, ZBl 1931, 685/241 [Schiesser]; 26. 5. 1954, 1 Ob 143/54, EvBl 1954, 396/274; LGZ Wien 10. 3. 1977, 45 R 35/77, EFSlg 28.532) kommt heute wegen Aufhebung des ursprünglich in § 9 EheG geregelten Eheverbots des Ehebruchs nicht mehr in Frage. OGH 28. 4. 1961, 2 Ob 173/61, EvBl 1961, 439/337: Darauf, ob der

51

§ 45

Hinteregger

nis mit ehebrecherischen Beziehungen der beiden Partner in Zusammenhang steht10 oder wenn jemand ein Eheversprechen abgibt, der bereits verlobt ist. Angesichts der Aufhebung der Strafbarkeit des Ehebruchs durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 (BGBl 762) und der aufgeschlossenen Haltung der Gesellschaft zur Auflösbarkeit der Ehe kann heute die Sittenwidrigkeit eines Verlöbnisses während aufrechter Ehe nur bei Vorliegen zusätzlicher Unrechtselemente angenommen werden. Auch die Meinung, dass § 1174 einer Rückforderung von Leistungen, die im Hinblick auf die Eheschließung erbracht wurden, entgegensteht, wenn damit ein ehebrecherisches Verhältnis finanziert wurde,11 sollte angesichts dieser Veränderungen überdacht werden. 4 Das Verlöbnis kann ausdrücklich oder konkludent12 abgeschlossen werden. Entscheidend ist das Vorliegen eines wechselseitigen Eheversprechens,13 die bloße Eheschließungsabsicht genügt nicht.14 Nicht erforderlich sind nähere Vereinbarungen über die gemeinsame Zukunft oder die Festlegung des Hochzeitstermins.15 Die Verlobten können das Verlöbnis jederzeit einvernehmlich lösen und je5 der Verlobte kann durch einseitige Erklärung vom Verlöbnis zurücktreten. Die entsprechenden Erklärungen16 können formlos, sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend, abgegeben werden. Beschränkt Geschäftsfähige bedürfen dafür nicht der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters.17 Ist ein Verlobter geschäftsunfähig geworden, so kann er mangels Willensbildungsfähigkeit selbst das Verlöbnis nicht lösen. Die Auflösung kann somit nur durch einseitige Rücktrittserklärung des anderen Verlobten erfolgen.18 Bei Tod eines Verlobten erlöschen die Rechte und Verbindlichkeiten aus dem Verlöbnis gem § 1448. Bereicherungsansprüche bleiben natürlich bestehen.

Verheiratete im Zeitpunkt der Verlobung das Recht hatte, die Scheidung der Ehe zu verlangen, kommt es nicht an. 10 OGH 27. 2. 1953, 2 Ob 120/53, SZ 26/52; 28. 4. 1961, 2 Ob 173/61, EvBl 1961, 439/337. 11 OGH 5. 11. 1952, 3 Ob 668/52; 28. 4. 1961, 2 Ob 173/61, EvBl 1961, 439/337; 29. 10. 1982, 5 Ob 729/82, EFSlg XIX/3; 18. 5. 1989, 6 Ob 548/88, EFSlg 59.996. 12 OGH 23. 6. 1969, 1 Ob 119/69, EFSlg 10.885; 18. 1. 1989, 1 Ob 703/88, JBl 1989, 591: Frau akzeptiert, dass der Mann bei ihrem Vater um ihre Hand anhält. LGZ Wien 18. 3. 1982, 45 R 164/82, EFSlg 39.928: Ringtausch. OLG Wien 22. 6. 1994, 16 R 100/94, EFSlg 73.780: Einladung zu einer Verlobungsfeier (bei der dann von einer Verlobung keine Rede ist) durch einen Teil reicht nicht. 13 OGH 16. 12. 1982, 6 Ob 701/82, JBl 1983, 540 (Schwimann). 14 OGH 2. 2. 1967, 2 Ob 7/67, SZ 40/15. 15 OGH 15. 10. 1958, 1 Ob 410/58, EvBl 1959, 127/69; 18. 1. 1989, 1 Ob 703/88, JBl 1989, 591. 16 Zur Rechtsnatur der Rücktrittserklärung: Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 336f. 17 Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 337; Schwind, Kommentar2 § 46 Anm 2. 18 Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 336.

52

Rechtswirkungen

§ 45

III. Rechtswirkungen Aus einem Verlöbnis kann zwar nicht auf Abschluss des Ehevertrages ge- 6 klagt werden, es entfaltet aber doch einige Rechtswirkungen. So entsteht ab dem Zeitpunkt des Verlöbnisses der Anspruch auf Ausstattung (§§ 1220ff, 1231 ABGB), der aber erst mit Eheschließung fällig wird, und es können Ehepakte und Eheverträge geschlossen werden. Das Verlöbnis ist ein Vertrag ohne Hauptleistungspflicht. Denn § 45 legt 7 fest, dass aus einem Eheversprechen keine Verpflichtung zum Abschluss der Ehe erwächst. Auch Vereinbarungen zur Befestigung des gegebenen Versprechens, wie Vertragsstrafe, Angeld oder Reugeld sind nicht zulässig. Werden sie irrtümlich geleistet, so können sie nach § 1431 zurückgefordert werden.19 Zulässig ist jedoch die Vereinbarung einer Abfindung nach Auflösung des Verlöbnisses.20 Soweit es sich dabei um eine Schenkung handelt, ist die Notariatsaktspflicht für Schenkungsversprechen zu beachten. Keine Notariatsaktspflicht besteht, wenn es sich dabei um die Abgeltung von im Hinblick auf die Eheschließung erbrachten Arbeits- oder Sachleistungen oder um die vergleichsweise Bereinigung eines Schadenersatzanspruchs nach § 46 handelt. Das Verlöbnis verpflichtet aber zu einem verlöbnisgerechtem Verhalten.21 In Entsprechung zu § 90 sind die Verlobten jedenfalls zur Treue und anständigen Begegnung verpflichtet. Die Verpflichtung zur Beistandsleistung kann wegen des geringeren Verpflichtungscharakters des Verlöbnisses nur in einem im Vergleich zur Ehe entsprechend verminderten Ausmaß bestehen.22 Eine Verletzung der Verpflichtung zu verlöbnisgerechtem Verhalten kann den anderen Verlobten zur Auflösung des Verlöbnisses und zur Erhebung von Schadenersatzforderungen berechtigen (§ 46). Wird die Verlobung gelöst, so kann dies Rückforderungs- und Bereiche- 8 rungsansprüche nach sich ziehen. Gem § 1247 S 2 kann eine im Hinblick auf eine künftige Ehe erfolgte Leistungszusage oder Schenkung widerrufen werden, wenn die Ehe ohne Verschulden des Geschenkgebers nicht zustande kommt. Die Rückforderung der Brautgeschenke ist demnach nur bei Verschulden des Schenkers ausgeschlossen, wobei der rückfordernde Schenker seine Schuldlosigkeit zu beweisen hat.23 Auch ein Schenkungswiderruf wegen groben Undanks gem § 948 ist möglich. Im Hinblick auf die Eheschließung erbrachte Sach- oder Arbeitsleistungen können wegen Zweckverfehlung zu Schwind, Kommentar2 § 45 Anm 4. OGH 6. 10. 1925, Ob 826/25, SZ 7/308; Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 337; Schwind, Kommentar2 § 45 Anm 4. 21 Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 45 Rz 4; Deixler-Hübner, Scheidung8 Rz 237; aA Koch in KBB, § 44 Rz 3 und Stefula, ÖJZ 2005, 619, der darin nur moralische Pflichten sieht. 22 Insofern zu weitgehend Deixler-Hübner, Scheidung8 Rz 237; Koch in KBB, § 44 Rz 3. Stefula, ÖJZ 2005, 618f verneint eine rechtliche Beistandspflicht zwischen Verlobten, was aber ebenfalls überschießend ist. 23 OGH 12. 12. 1962, 1 Ob 258/62, EvBl 1963, 291/201; 18. 1. 1989, 1 Ob 703/88, JBl 1989, 591. 19 20

53

§ 46

Hinteregger

einer Leistungskondiktion nach § 1435 (condictio causa data non secuta) berechtigen.24 Hinsichtlich von Leistungen für den gemeinsamen Haushalt ist die Rechtsprechung aber zurückhaltend, soweit solche Leistungen unter Ehegatten üblicherweise unentgeltlich erbracht werden (s ausführlich für die Lebensgemeinschaft § 44 Rz 34ff).25 Der Rücktritt vom Verlöbnis kann gem § 46 zu Schadenersatzverpflichtungen führen.

Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse § 46. Nur bleibt dem Teile, von dessen Seite keine gegründete Ursache zu dem Rücktritte entstanden ist, der Anspruch auf den Ersatz des wirklichen Schadens vorbehalten, welchen er aus diesem Rücktritte zu leiden beweisen kann. Stammfassung JGS 1811/946 Lit: Krasnopolski Horaz, Der Verlöbnisbruch im österreichischen Recht, GZ 1904, 315, 379, 388, 395; Wentzel Othmar in Klang, ABGB2 I/1, 339ff; Canaris Claus-Wilhelm, Das Verlöbnis als „gesetzliches“ Rechtsverhältnis, AcP 165, 1; Koziol Helmut, Die schadenersatzrechtlichen Folgen des Rücktrittes vom Verlöbnis, JBl 1975, 61; Ostheim Rolf, Zur Haftung für culpa in contrahendo bei grundloser Ablehnung des Vertragsabschlusses, JBl 1980, 522, 570; Koziol Helmut, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 (Wien 1997), II2 (Wien 1984); Oberhofer Reinhold, Setzt der Schadenersatzanspruch wegen Rücktrittes vom Verlöbnis Verschulden des Ersatzpflichtigen voraus? ÖJZ 1994, 433; Mair Ursula, Verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch nach Rücktritt vom Verlöbnis? ÖJZ 1994, 844.

1

§ 46 regelt den Schadenersatzanspruch wegen unbegründeten Rücktritts vom Verlöbnis. Voraussetzung dafür ist ein wirksames Verlöbnis.1 Kam das Verlöbnis gar nicht zustande, etwa weil es an der nötigen Konkludenz des Verhaltens fehlte2 oder weil das Verlöbnis auf eine rechtlich unmögliche Ehe abzielte, kann es auch keinen Schadenersatzanspruch geben.3 § 46 lässt Ansprüche nach § 1328 (Schadenersatz wegen Beeinträchtigung der geschlecht24 OGH 8. 10. 1953, 1 Ob 801/53, SZ 26/246; 2. 2. 1967, 2 Ob 7/67, SZ 40/15 (auch ohne Verlöbnis); 23. 6. 1969, 1 Ob 119/69, SZ 42/94; 27. 1. 1970, 8 Ob 257/69, SZ 43/16; 18. 1. 1989, 1 Ob 703/88, JBl 1989, 591. 25 OGH 26. 5. 1954, 3 Ob 258/54, SZ 27/156; 23. 10. 1963, 7 Ob 281/63, RZ 1964, 15; 24. 10. 1967, 1 Ob 206/67, EFSlg 8.460; OLG Linz 7. 9. 1967, 1 R 85/67, EFSlg 7.650 (In dieser Entscheidung wird allerdings ein Ersatz derartiger Leistungen nach § 46 bejaht: EFSlg 7.651). 1 OGH 24. 11. 1988, 6 Ob 664/88, EFSlg 55.887. 2 LGZ Wien 18. 3. 1982, 45 R 164/82, EFSlg 39.930. 3 LGZ Wien 10. 3. 1977, 45 R 35/77, EFSlg 28.532 für den Fall eines Verlöbnisses während bestehender Ehe. Nach heutigem Verständnis muss ein solches Verlöbnis aber nicht zwangsläufig unwirksam sein (s § 45 Rz 3).

54

Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse

§ 46

lichen Selbstbestimmung), der auch den immateriellen Schaden erfasst, unberührt. Gem § 46 hat der Teil, der keine gegründete Ursache für den Rücktritt ge- 2 setzt hat, Anspruch auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens. Demnach wird derjenige schadenersatzpflichtig, der entweder selbst ungerechtfertigt vom Verlöbnis zurücktritt oder eine gegründete Ursache für den Rücktritt des anderen gesetzt hat. Ein Anspruch kommt somit nicht in Frage, wenn beide einen wichtigen Grund für die Auflösung der Verlobung hatten oder wenn die Ursache allein von dritter Seite herbeigeführt wurde.4 § 46 kann auch nicht als Grundlage für einen Schadenersatzanspruch gegen einen am Verlöbnisbruch beteiligten Dritten dienen.5 Nach wie vor umstritten ist, ob den Ersatzpflichtigen ein Verschulden an der Auflösung des Verlöbnisses treffen muss. Die ältere Lehre6 sprach sich gegen ein Verschuldenserfordernis aus. Auch der Verlobte, in dessen Sphäre sich ein Zufall ereignet, der so schwerwiegend ist, dass er einen Rücktritt vom Verlöbnis rechtfertigt, sei schadenersatzpflichtig. Die Rechtsprechung sieht ebenfalls von einem Verschuldenserfordernis ab.7 Von der jüngeren Lehre wird diese Ansicht zu Recht fast einhellig abgelehnt und die Schadenersatzpflicht wegen Rücktritts vom Verlöbnis an das Vorliegen eines Verschuldens geknüpft.8 Für das Vorliegen einer gegründeten Ursache sind keine allzu strengen 3 Anforderungen zu stellen. Jedenfalls ausreichend sind Verhaltensweisen, die bei einer Ehe zu einer Scheidung aus Verschulden (§ 49 EheG) berechtigen würden.9 Es genügen aber schon Umstände, die nicht die Schwere von Scheidungsgründen erreichen, wie etwa Krankheiten oder ein unerfreulicher Wesenszug des anderen.10 Auch die Verletzung von Aufklärungspflichten über für die Eheschließung bedeutsame Umstände kann zum Rücktritt berechtigen.11 Ein Verhalten des anderen, das erst nach dem Rücktritt gesetzt wurde, kann nicht zur Rechtfertigung des Rücktritts herangezogen werden.12 Der Ersatzanspruch erfasst nur den „wirklichen“ Schaden. Nach allge- 4 meiner Ansicht ist darunter nur der Vermögensschaden, und zwar beschränkt 4 Schwind, Kommentar2 § 46 Anm 6.1.1; LGZ Wien 21. 11. 1995, 37 R 767/95, EFSlg 76.664. 5 OGH 22. 9. 1914, Rv II, 928/14, GlUNF 7.035. 6 Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 340ff; Schwind, Kommentar2 § 46 Anm 2.1.3. 7 OGH 11. 10. 1929, 3 Ob 758/29, JBl 1930, 15; 7. 12. 1960, 5 Ob 377/60, EvBl 1961. 125/74; OLG Linz 7. 9. 1967, 1 R 85/67, EFSlg 7.649. 8 Koziol, JBl 1975, 61; derselbe, Haftpflichtrecht II2, 210; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 46 Rz 5; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 46 Rz 3; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 46 Anm 6; Koch in KBB, § 46 Rz 3. Anders Oberhofer, ÖJZ 1994, 433 (dagegen aber Mair, ÖJZ 1994, 844 und Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 46 Rz 5) und Kerschner, Familienrecht2 Rz 2/4. 9 OLG Linz 7. 9. 1967, 1 R 85/67, EFSlg 7.648: Aufnahme von Beziehungen zu anderen Frauen durch den Mann. 10 OGH 26. 3. 1969, 5 Ob 77/69, EvBl 1969, 390/252; LGZ Wien 21. 5. 1970, 46 R 167/70, EFSlg 12.757. 11 Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 46 Rz 4f. 12 OGH 30. 4. 1968, 8 Ob 104/68, EFSlg 9.407.

55

§ 46

Hinteregger

auf den Vertrauensschaden, zu verstehen.13 Ein Ersatz des immateriellen Schadens14 oder des Nichterfüllungsschadens in Höhe der Vorteile, die durch die vereitelte Ehe zu erwarten gewesen wären,15 oder eines allfälligen entgangenen Gewinns16 stehen nicht zu. Auch der durch Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes entstandene Verdienstentgang ist nach § 46 nicht ersatzfähig.17 Zu ersetzen sind demzufolge die Kosten der Vorbereitung der Eheschließung, die für die Anschaffung oder Ausstattung der Wohnung getätigten, nunmehr nutzlos gewordenen Aufwendungen18, Reisekosten19 oder der konkrete Schaden durch den infolge der erwarteten Eheschließung aufgegebenen Arbeitsplatz bis zur Erlangung einer gleichwertigen Arbeitsmöglichkeit20. Aufgrund des § 46 kann aber keine Dauerversorgung verlangt werden, sondern nur eine Überbrückungshilfe bis eine neue Arbeitsstelle gefunden wird.21 Die Meinung, dass der zu ersetzende Verdienstentgang durch die Leistungsfähigkeit des Ersatzpflichtigen begrenzt werde und deshalb nicht den Unterhaltsanspruch eines schuldlos geschiedenen Ehegatten überschreiten könne,22 ist abzulehnen. Eine dahingehende Begrenzung des Ersatzbetrags ließe sich nur unter Rückgriff auf die für das österreichische Recht umstrittene These begründen, dass die Höhe des Vertrauensschadens durch das hypothetische Erfüllungsinteresse begrenzt sei.23 Im konkreten Fall hätte das hypothetische Erfüllungsinteresse aber nicht im fiktiven Scheidungsunterhalt, sondern nur im Unterhalt bei aufrechter Ehe bestehen können. Aufwendungen für die Bewirtung des anderen können nur geltend gemacht werden, soweit dem keine vergleichbaren Leistungen des anderen gegenüberstanden.24 Dasselbe sollte für Arbeitsleistungen im Haushalt gelten.25

13

OGH 20. 3. 1928, 4 Ob 14/28, SZ 10/105; OLG Wien 31. 10. 1991, 16 R 190/91, EFSlg

64.880. Etwa für die durch den Verlöbnisbruch erlittene Kränkung. OGH 19. 5. 1954, 3 Ob 265/54, RZ 1954, 13. 16 OGH 28. 5. 1868, Nr 5.274, GlU 3074; 20. 3. 1928, 4 Ob 14/28, SZ 10/105; OLG Wien 24. 5. 1967, 6 R 124/67, EFSlg 7.652. 17 OGH 26. 1. 1983, 3 Ob 671/82, EFSlg 42.501. 18 OGH 17. 10. 1956, 1 Ob 537/56, EvBl 1957, 12/3: Wertverlust der aus Anlass der Verlobung angeschafften Ausstattungsgegenstände bis zum tatsächlichen zukünftigen Gebrauch; OLG Wien 31. 10. 1991, 16 R 190/91, EFSlg 64.881; 11. 12. 1996, 16 R 223/96y, EFSlg 79.819. 19 OGH 15. 10. 1958, 1 Ob 410/58, EvBl 1959, 127/69. 20 OGH 5. 7. 1950, 1 Ob 360/50, JBl 1950, 552; 15. 10. 1958, 1 Ob 410/58, EvBl 1959, 127/69. 21 OGH 5. 7. 1950, 1 Ob 360/50, JBl 1950, 552; 22. 8. 1951, 1 Ob 539/51, JBl 1952, 210 (Weiss); 24. 11. 1988, 6 Ob 664/88, EFSlg 55.887. 22 OGH 22. 8. 1951, 1 Ob 539/51, JBl 1952, 210 (abl Weiss). 23 Vgl Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 2/97; Harrer in Schwimann, ABGB VII2 (1997) § 1293 Rz 17. 24 OGH 5. 11. 1929, 1 Ob 959/29-D, NZ 1930, 140; OLG Wien 11. 12. 1996, 16 R 223/96y, EFSlg 79.819. 25 Zum Entlohnungsanspruch für die im gemeinsamen Haushalt geleisteten Arbeiten bei Auflösung einer Lebensgemeinschaft vgl § 44 Rz 34ff. 14 15

56

Persönliche Rechtswirkungen der Ehe

§ 89

Ob der durch die Verlöbnislösung entstandene Gesundheitsschaden zu ersetzen ist, ist schwierig zu beurteilen. Die Rechtsprechung hat ihn einmal anerkannt.26 Nach Koziol27 sind solche Schäden dagegen nicht im Schutzbereich des § 46, da dieser nur den Zweck hat, das Vermögen und nicht die körperliche Unversehrtheit zu schützen. Ein Ersatzanspruch könne deshalb nur nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts bei einem rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zustehen. Auch Dritte (zB Eltern) können einen Ersatzanspruch, etwa wegen nutzlos 5 gewordener Aufwendungen (zB für das Hochzeitsbankett oder die Hochzeitsreise), haben.28 Die dogmatische Grundlage für diesen Anspruch ist umstritten. Während die Rechtsprechung eine ausdehnende Interpretation des § 46 vornimmt und die Ansprüche direkt auf § 46 stützt,29 gewinnt Koziol30 die Schadenersatzlegitimation aus der Bewertung des Verlöbnisses als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten dieser Dritten bzw aus der Berechtigung zur Drittschadensliquidation wegen Vorliegens einer bloßen Schadensverlagerung vom Verlobten auf den Dritten. §§ 47–88. Diese Bestimmungen sind außer Kraft getreten.

Persönliche Rechtswirkungen der Ehe Allgemeine Lit zu §§ 89–100: Ent Herbert, Die Entwicklung der Stellung der Frau im österreichischen Familienrecht, ÖJZ 1969, 589; derselbe, Das neue Ehegattenerbrecht und eheliche Güterrecht (mit Ableitungen für die Neuregelung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe und des Scheidungsfolgenrechts), NZ 1972, 183; Edlbacher Oskar, Die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander, NZ 1972, 177; derselbe, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe – Vorstoß zum Kern der Familienrechtsreform, ÖJZ 1974, 421; derselbe, Entwicklung, Stand und Ziele der Familienrechtsreform, NZ 1975, 129; Ent Herbert, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, NZ 1975, 134, 145, 177; Schwimann Michael, Die nichtvermögensrechtlichen Ehewirkungen im neuen Recht und dessen Problematik, ÖJZ 1976, 365; Ent Herbert, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 165; Migsch Erwin, Persönliche Ehewirkungen, gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht, in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 17; Steininger Viktor, Die persönlichen Ehewirkungen im neuen österreichischen Recht, FamRZ 1979, 774; derselbe, Österreichs Familienrechtsreform unter besonderer Berücksichtigung der vermögensrechtli-

OGH 6. 9. 1938, 3 Ob 562/38, SZ 20/186. JBl 1975, 66. 28 OGH 7. 12. 1960, 5 Ob 377/60, SZ 33/135; 2. 2. 1967, 2 Ob 7/67, SZ 40/15; Koziol, JBl 1975, 67; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 46 Rz 6; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 46 Rz 8. 29 OGH 27. 2. 1931, 1 Ob 143/34, JBl 1934, 188 in Ablehnung der Vorentscheidung vom 26. 11. 1902, Nr 15.431, GlUNF 2.114, in der der OGH den Ersatzanspruch auf die allgemeine Verschuldenshaftung stützte; 7. 12. 1960, 5 Ob 377/60, JBl 1961, 320. 30 JBl 1975, 67. 26 27

57

§ 89

Hinteregger

chen Konsequenzen, in Ruppe, Handbuch2, 1; Gimpel-Hinteregger Monika, Reformnotwendigkeiten im österreichischen Ehe- und Scheidungsrecht, in Floßmann Ursula (Hrsg), Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit (Linz 1997) 193; Barfuß Walter, Neue Entwicklungen im Familienrecht (Vortragsbericht), JBl 1998, 711; ÖRAK, Stellungnahme zum Entwurf für das Ehe- und Scheidungsrechtsänderungsgesetz 1998, AnwBl 1998, 718; Neuwirth Karin, Rechte und Pflichten in der Ehe, in Deixler-Hübner, Stellung 1; Hopf Gerhard/Stabentheiner Johannes, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 821, 861; Hopf Gerhard, Eherechts-Änderungsgesetz 1999 im Überblick, in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform 1; Pichler Helmut, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖA 2000, 62; Ferrari Susanne, Die österreichische Eherechtsreform 1999, FamRZ 2001, 896.

§ 89. Die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis zueinander sind, soweit in diesem Hauptstück nicht anderes bestimmt ist, gleich. BGBl 1975/412 (Mat.: RV 851 BlgNR XIII. GP; JAB 1662 BlgNR XIII. GP; BR: AB 1396 BlgBR) Lit: Kerschner Ferdinand, Vereinbarungen der Ehegatten über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta, Familie 391.

Übersicht I. Persönliche Rechtswirkungen der Ehe II. Gleichbehandlung von Mann und Frau

1–6 7

I. Persönliche Rechtswirkungen der Ehe Die §§ 89–100 regeln die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe. Es handelt sich dabei um die spezifischen Rechte und Pflichten der Ehepartner. Die persönlichen Rechtswirkungen entstehen mit der Eheschließung und enden mit der Auflösung der Ehe. Diese sind teils rein persönlicher und teils vermögensrechtlicher Natur.1 Rein persönliche Rechtswirkungen sind die in § 90 genannten Verpflich2 tungen zur umfassenden Lebensgemeinschaft, zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand. Dazu gehört auch die Regelung des Wohnsitzes.2 Auch die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 91) mitsamt der 1

RV 851 BlgNR XIII. GP 10. AA Kerschner in Harrer/Zitta, Familie 406, der den Wohnsitz zu den persönlichen Rechtswirkungen vermögensrechtlicher Natur zählt und Vereinbarungen über den Wohnsitz die Klagbarkeit zuspricht. Eine Klagbarkeit von Wohnsitzvereinbarungen ist aber nur im Rahmen von § 92 und § 97 gegeben. So auch OGH 15. 2. 2000, 5 Ob 117/99p, JBl 2000, 517. 1 2

58

Persönliche Rechtswirkungen der Ehe

§ 89

Haushaltsführung (§ 95) und die Regelung des Ehenamens (§§ 93f) fallen in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Partner. Diese sind von den Ehepartnern einvernehmlich zu regeln. Für die Durchsetzung der rein persönlichen Rechtswirkungen ist eine An- 3 rufung der Gerichte ausgeschlossen. Einzige Ausnahme ist die Feststellung der Rechtfertigung einer gesonderten Wohnungsnahme nach § 92. In der RV3 war die Nichteinklagbarkeit von rein persönlichen Rechten und Pflichten sogar ausdrücklich vorgesehen. Die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft sollte der autonomen Entscheidung der Ehegatten überlassen bleiben. Der entsprechende Passus wurde vom JA zwar gestrichen. Aus der Tatsache, dass er für den Fall der gesonderten Wohnungsnahme in § 92 Abs 3 die Anrufung des Gerichts ausdrücklich vorgesehen hat, ist jedoch abzuleiten, dass der JA diesen Grundsatz aufrechterhalten wollte. Die Nichteinklagbarkeit der rein persönlichen Rechte und Pflichten ergibt sich demnach aus einem Umkehrschluss aus § 92 Abs 3, in dem die Anrufung des Gerichts für den Fall gesonderter Wohnungsnahme ausdrücklich vorgesehen ist.4 Gerichtliche Leistungsbefehle, etwa dass der andere Ehegatte wieder in die häusliche Gemeinschaft aufzunehmen sei, können demnach nicht mehr erteilt werden.5 Verletzungen der aus den rein persönlichen Rechtswirkungen resultierenden Rechte und Pflichten können nur im Scheidungsrecht geltend gemacht werden. Auch im ehelichen Unterhaltsrecht können sie als Vorfrage eine Rolle spielen (§ 94). Von den rein persönlichen Rechtswirkungen sind die persönlichen Rechts- 4 wirkungen vermögensrechtlicher Natur zu unterscheiden. Dies sind die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung (§ 94), die Schlüsselgewalt (§ 96), der Anspruch auf Wohnungserhaltung (§ 97) und die Mitwirkung im Erwerb (§§ 98–100). Daraus entstehende Ansprüche können vertraglich geregelt werden und bei aufrechter Ehe im Rechtswege verfolgt werden. Als Einigung vermögensrechtlicher Natur kann nach Ansicht des OGH auch eine Vereinbarung betreffend die Bestreitung des Haushaltsaufwands gerichtlich geltend gemacht werden. Habe ein Ehegatte mehr geleistet als er aufgrund der Vereinbarung zu leisten verpflichtet war, dann könne er den überschießenden Betrag nach § 1042 vom anderen zurückfordern.6 Diese Ansicht ist abzulehnen. Vereinba-

3 851 BlgNR XIII. GP: § 90 Abs 2 idF der RV lautete: „Wegen einer Verletzung der im Abs. 1 genannten Pflichten, soweit sie rein persönlicher Art sind, kann, außer zur Geltendmachung eines Scheidungsgrundes, das Gericht nicht selbständig angerufen werden.“ 4 Ent in Ent/Hopf, Neuordnung 43; Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 23 fasst dies zum „Prinzip der staatlichen Nichteinmischung“ zusammen; zustimmend Kerschner in Harrer/Zitta, Familie 401f; aA Steininger, FamRZ 1979, 776ff; derselbe in Ruppe, Handbuch2, 8. 5 OGH 21. 9. 1976, 5 Ob 637/76, EvBl 1977, 208/95; 15. 11. 1976, 1 Ob 723/76, JBl 1977, 155; 19. 3. 1981, 7 Ob 760/80, SZ 54/37; 26. 5. 1988, 8 Ob 529/88, EFSlg 55.891; LGZ Wien 28. 9. 1988, 43 R 1063/88, EFSlg 55.898. 6 OGH 4. 3. 1987, 1 Ob 697/86, JBl 1987, 652; krit zu dieser Entscheidung Kerschner in Harrer/Zitta, Familie 406, 409, der vor allem die Annahme des OGH bestreitet, dass die Führung eines gemeinsamen Kontos eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung darstellt, im Verhältnis zu den beiderseitigen Einkommen zum gemeinsamen Lebensaufwand beizutragen.

59

§ 89

Hinteregger

rungen über die Tragung des Haushaltsaufwands gehören zur Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft und sind demzufolge einer gerichtlichen Durchsetzung nicht zugänglich.7 Wie Kerschner8 richtig einwendet, würde die Anerkennung eines solchen Bereicherungsanspruchs mittelbar zu einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit der Vereinbarung über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Bezug auf Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung führen. Aus diesem Grund geht es auch nicht an, an die Verletzung von aus den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe resultierenden Pflichten Schadenersatzansprüche zu knüpfen.9 Die Wirkung der Eheschließung auf das Vermögen der Ehegatten wird 5 vom Ehegüterrecht geregelt. Dieses normiert den gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung (§ 1237) und die Möglichkeit seiner Modifikation durch Verträge (Ehepakte, §§ 1217ff). Neben diesen spezifisch eherechtlichen Ansprüchen kann ein Ehegatte ge6 gen den anderen auch allgemeine zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Dies gilt für vermögensrechtliche Ansprüche (zB Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens, Teilungsanspruch bei Miteigentum, Ansprüche aus Kaufverträgen, Dienstverträgen, Gesellschaftsverträgen etc), aber auch für Schadenersatzansprüche wegen Körperverletzung, Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen,10 oder Besitzstörungs- und dingliche Unterlassungsansprüche.11

II. Gleichbehandlung von Mann und Frau 7

§ 89 dient der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes im Eherecht.12 Mann und Frau haben in der Ehe grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten. Die einschränkende Wortfolge „in diesem Hauptstück“ wurde vom JA13 eingefügt, um zum Ausdruck zu bringen, dass eine etwaige Ungleichbehandlung von Mann und Frau in anderen Bereichen (zB dem Kindschaftsrecht) nicht zum Anlass genommen werden darf, um eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau in ihren persönlichen Rechtsbe7 Richtig LGZ Wien 13. 7. 1994, 47 R 2128/94, EFSlg 73.792. Unrichtig LGZ Wien 13. 7. 1994, 47 R 2071/94, EFSlg 73.793, wo die Möglichkeit der Durchsetzung einer konkludenten Vereinbarung über die Tragung der Haushaltskosten in Betracht gezogen wird. 8 In Harrer/Zitta, Familie 409. 9 So aber Steininger, FamRZ 1979, 777f; derselbe in Ruppe, Handbuch2, 8. Zu Recht ablehnend LGZ Wien 26. 1. 1989, 44 R 1078/88, EFSlg 56.673: Die Unterlassung der Verletzung der Pflicht zur Haushaltsführung kann nicht über den Umweg eines Schadenersatzanspruchs erzwungen werden. 10 OGH 26. 5. 1988, 8 Ob 529/88, EFSlg 55.891. Aber kein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der psychischen Gesundheit wegen Verstoßes gegen die eheliche Treuepflicht durch den anderen Ehegatten: OGH 20. 2. 2003, 6 Ob 124/02g, ZVR 2004, 16/5. 11 Zur Abwehr von Störungen durch Gäste des anderen Ehegatten: § 90 Rz 6ff. 12 RV 851 BlgNR XIII. GP 10. 13 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 2.

60

Allgemeines

§ 90

ziehungen zueinander zu begründen. Ungleichbehandlungen von Mann und Frau durch das Gesetz sind aber inzwischen selten geworden. Im zivilrechtlichen Bereich enthalten nur mehr § 23 EheG (Namens- und Staatsbürgerschaftsehe), § 62 EheG (Name der geschiedenen Frau) und § 180 ABGB (Adoptionsalter) geschlechtsspezifische Formulierungen. Eine gewisse Ungleichbehandlung von Mann und Frau besteht außerdem immer noch im Namensrecht (s § 93 und § 139 Abs 3). Die Ehegatten haben das Recht, ihre eheliche Lebensgemeinschaft einvernehmlich zu gestalten (§ 91). Der JAB14 betont, dass die in § 89 postulierte Gleichheit von Mann und Frau diese Befugnis nicht einschränken soll. Der den Ehegatten gewährte Spielraum zur einvernehmlichen Gestaltung ist aber inzwischen enger geworden, weil der durch das Eherechts-ÄnderungsG 1999 in § 91 Abs 1 eingefügte Gleichbeteiligungsgrundsatz der Gestaltungsfreiheit nun eine am Gleichheitsgrundsatz orientierte inhaltliche Grenze setzt (s § 91 Rz 3). Zum Partnerschaftsprinzip s § 91.

§ 90. (1) Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. (2) Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich und nicht anderes vereinbart ist. BGBl I 1999/125 (Mat.: NR: RV 1653 BlgNR XX. GP, JAB 1926 BlgNR XX. GP; BR: AB 5974 BlgBR) Lit: Allg Lit zu §§ 89–100 und Welser Rudolf, Der OGH und der Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖJZ 1975, 1; Binder Martin, Der Wohnungsschutz des Ehegatten und des Kindes, in Harrer/Zitta, Familie 53; Jesser Helga, Der Anspruch des Ehegatten auf Ausschluß anderer Personen, auch eigener Kinder, vom Aufenthalt in der Ehewohnung, in Harrer/Zitta, Familie 729; Koziol Helmut, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 (Wien 1997), II2 (Wien 1984); Holzner Christian, Ehevermögen bei Scheidung und bei Tod (Wien 1998); Stefula Martin, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005, 609.

Übersicht I. Allgemeines II. Die rein persönlichen Rechte und Pflichten im Einzelnen 1. Eheliche Lebensgemeinschaft 2. Treue 14

1–2 3–20 3 11

JAB 1662 BlgNR XIII. GP 2.

61

Hinteregger

§ 90 3. Anständige Begegnung 4. Beistand

15 16

I. Allgemeines § 90 nennt die rein persönlichen Rechte und Pflichten zwischen Ehegatten. Es handelt sich dabei um besondere höchstpersönliche Rechte zwischen den Ehegatten, die ihren Geltungsgrund im Eheverhältnis haben. Sie entstehen mit Abschluss der Ehe und enden mit ihrer Auflösung. Die rein persönlichen Rechte und Pflichten sind gegenseitige Rechte und Pflichten der Ehegatten. Ihre Erfüllung setzt voraus, dass beide Ehegatten im Rahmen des Zumutbaren auf die Eigenheiten ihres Partners eingehen und so nach Kräften zur Verwirklichung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft beitragen.1 Die in § 90 genannten Rechte und Pflichten stehen weitgehend zur Dispo2 sition der Ehegatten. Diese haben nach § 91 das Recht, ihre eheliche Lebensgemeinschaft einvernehmlich zu gestalten. Ein völliger Ausschluss aller in § 90 genannten rein persönlichen Rechte und Pflichten widerspricht jedoch dem gesetzlichen Bild der Ehe und ist deshalb wirkungslos. Dies bedeutet, dass jeder Ehegatte jederzeit von dieser Vereinbarung abgehen kann. Aufgrund der Nicht-Klagbarkeit der rein persönlichen ehelichen Rechte und Pflichten hat eine solche Vereinbarung nur Bedeutung für die Beurteilung der Berechtigung zur Erhebung der Scheidungsklage und die Beurteilung des Verschuldensausspruchs im Scheidungsverfahren sowie uU für den Unterhaltsanspruch (s § 89 Rz 3). Die Verpflichtung zur anständigen Begegnung und die Verpflichtung zur Beistandsleistung können überhaupt nicht abbedungen werden (s Rz 15, 16). Eine weitere Grenze der Gestaltungsfreiheit setzt § 94 Abs 3, der festlegt, dass auf den Unterhaltsanspruch an sich im Vorhinein nicht verzichtet werden kann. 1

II. Die rein persönlichen Rechte und Pflichten im Einzelnen 1. Eheliche Lebensgemeinschaft 3

Mit dem Abschluss der Ehe sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Es handelt sich dabei um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, der der Wandlung in der Zeit unterworfen ist.2 Die umfassende eheliche Lebensgemeinschaft besteht aus emotionalen und wirtschaftlichen Komponenten. Im Vordergrund steht aber die geistig-seelische Gemeinschaft der Ehegatten.3 Aus dem Wesen der Ehe als einer umfasOGH 29. 1. 1981, 8 Ob 548/80, EFSlg 37.508. OGH 18. 9. 1984, 5 Ob 649/83, EFSlg 44.815. 3 OGH 29. 4. 1981, 1 Ob 540/81, EFSlg 37.510; 11. 6. 1985, 2 Ob 582/85, EFSlg 47.415; 26. 2. 1987, 8 Ob 676/86, EFSlg 52.961; 18. 5. 1989, 6 Ob 563/89, JUS-Extra 1989, 274. 1 2

62

Die rein persönlichen Rechte und Pflichten im Einzelnen

§ 90

senden Lebensgemeinschaft folgt auch, dass die Ehegatten verpflichtet sind, sich gegenseitig Einblick in ihre private und berufliche Tätigkeit zu geben.4 Vom Gesetz besonders hervorgehoben wird die Verpflichtung zum ge- 4 meinsamen Wohnen. Deren Bedeutung wird auch von der Rechtsprechung betont.5 Allerdings unterliegt diese Pflicht heute weitgehend der Gestaltungsfreiheit der Ehegatten.6 Der erste gemeinsame Wohnsitz ist gemeinsam zu bestimmen.7 § 92 kommt hier nicht zur Anwendung.8 Die Ehegatten können auch vereinbaren, keinen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen. Haben sie einen gemeinsamen Wohnsitz, dann können sie in der Folge beschließen, wieder getrennt zu wohnen.9 Auch die Vereinbarung, dass ein Ehegatte aus persönlichen Gründen eine eigene Wohnung nimmt, ist zulässig.10 Die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen entfällt, wenn das Zusammenleben mit dem anderen nicht zumutbar ist, oder eine vorübergehende abgesonderte Wohnungsnahme aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist (s § 92).11 Nach dem GewaltschutzG kann einem Ehegatten auch das Verlassen der Wohnung aufgetragen werden und über ihn ein Rückkehrverbot verhängt werden (s § 92 Rz 12ff). Ehegatten können vereinbaren, dass ein Ehegatte auf die Benützung der Ehewohnung verzichtet, solange er ehewidrige Beziehungen unterhält. Eine solche Vereinbarung verstößt weder gegen die guten Sitten noch unterliegt sie der Notariatsaktspflicht. Da es sich dabei um eine Regelung handelt, die die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft betrifft, ist sie aber nicht einklagbar.12 Bloße Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft sind auch die Ent- 5 scheidungen über die Art und das Ausmaß der Nutzung der Wohnung (zB Wechsel zwischen Hauptwohnsitz und Ferienwohnung, gemeinsames oder ge-

OGH 9. 7. 2003, 9 Ob 76/03x, EFSlg 103.140. OGH 25. 10. 1977, 5 Ob 671/77, EvBl 1978, 154/50; OLG Wien 14. 9. 1983, 16 R 169/83, EFSlg 42.502; LGZ Wien 21. 12. 1983, 43 R 1124/83, EFSlg 42.506. Die Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen während der Ehe ist nicht unsachlich und widerspricht weder dem Gleichheitsgrundsatz noch dem Grundrecht auf Eigentum: OGH 7. 7. 1988, 6 Ob 597/88, EFSlg 56.913, EFSlg 56.914. 6 OGH 26. 2. 1997, 3 Ob 2292/96x, JBl 1998, 245 (Holzner). 7 OGH 27. 11. 1985, 8 Ob 621/85, EFSlg 47.414; LGZ Wien 16. 7. 1987, 47 R 361/87, EFSlg 52.970. 8 LGZ Wien 16. 7. 1987, 47 R 361/87, EFSlg 52.980 unter Verweis auf JAB 1662 BlgNR XIII. GP 3; Ent in Ent/Hopf, Neuordnung 36; Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 44; Schwind, Kommentar2 § 90 Anm 5; aA Schwimann, ÖJZ 1976, 370; Kerschner in Harrer/Zitta, Familie 395 FN 9; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 92 Rz 3. 9 OGH 9. 12. 1981, 3 Ob 640/81, EFSlg 37.509; 30. 3. 1989, 8 Ob 516/89, JBl 1989, 717; 26. 2. 1997, 3 Ob 2292/96x, JBl 1998, 245 (Holzner); Schwind, Kommentar2 § 90 Anm 5; Koch in KBB, § 90 Rz 2. Ent in Ent/Hopf, Neuordnung 36 und Kerschner in Harrer/Zitta, Familie 399 halten getrennte Wohnsitze nur bei Vorliegen wichtiger Gründe für gerechtfertigt. 10 OGH 30. 3. 1989, 8 Ob 516/89, JBl 1989, 717. 11 OGH 4. 6. 1987, 7 Ob 581/87, EFSlg 52.964. 12 OGH 15. 2. 2000, 5 Ob 117/99p, JBl 2000, 517. 4 5

63

§ 90

Hinteregger

trennte Schlafzimmer), die Ausgestaltung der Wohnung und dergleichen. Jeder Ehegatte muss dabei die Persönlichkeit des anderen respektieren und diesem einen angemessenen Freiraum lassen. Eine gerichtliche Benützungsregelung in Bezug auf die Ehewohnung während des aufrechten Bestandes der Ehe kann nicht begehrt werden,13 wohl aber über eine gemeinsame Liegenschaft, die nicht dem Wohnbedürfnis der Ehegatten dient.14 6 Auch über die Aufnahme von dritten Personen in die Wohnung, sei es auf Dauer oder besuchsweise, ist grundsätzlich einvernehmlich zu entscheiden. Dabei ist zu beachten, dass jeder Ehegatte das Recht haben muss, bis zu einem gewissen Grad alleine über den Empfang von Besuchen in der gemeinsamen Wohnung zu bestimmen. Dies wurde von der Rechtsprechung bereits mehrfach anerkannt. Nach Ansicht der Rechtsprechung hat dieses Recht aber seine Grenze darin, dass solche Besuche die häusliche Ordnung und das Eheund Familienleben nicht stören dürfen. Ist dies der Fall, dann kann der gestörte Ehegatte seinem Ehepartner, aber auch dem störenden Dritten die Störung gerichtlich untersagen bzw den Dritten auf Räumung klagen.15 Die Rechtsprechung hat bereits mehrmals betont, dass es Ehegatten nicht 7 verwehrt sein kann, sich in ihrer Beziehung zum anderen Ehepartner auf Ansprüche zu stützen, die ihnen nach dem allgemeinen Zivilrecht zustehen.16 In Betracht kommen Unterlassungs-, Räumungs- oder Besitzstörungsklage. Wie Binder17 richtig ausführt, werden diese allgemeinen zivilrechtlichen Verfügungsrechte über die Ehewohnung durch die sich aus dem Familienrecht ergebenden Pflichten überlagert und beschränkt. Ein Unterlassungs- oder Räumungsanspruch gegen den anderen Ehegatten kommt deshalb beispielsweise nur dann in Betracht, wenn dessen Verhalten nicht durch einen familienrechtlichen Anspruch gerechtfertigt ist. Der Eigentümer der Ehewohnung kann demzufolge den anderen Ehegatten nicht auf Räumung belangen, solange dieser ein eherechtliches Wohnungsnutzungsrecht hat, und er kann ihm auch nicht völlig verbieten, in der gemeinsamen Wohnung Besuche zu empfangen oder engen Familienangehörigen (Kindern, Eltern) ein Notquartier anzubieten. Hier ist offensichtlich, dass dieses Verhalten vom familienrechtlichen Wohnanspruch gedeckt ist. Liegt diese Berechtigung nicht auf der Hand, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei ist das Interesse des gestörten Ehegatten auf Unterbleiben der Besuche bzw der Aufnahme in die Wohnung dem 13 OGH 7. 7. 1988, 6 Ob 597/88, EFSlg 56.912; LGZ Wien 4. 10. 1989, 44 R 643/89, EFSlg 59.958; 17. 1. 1991, 47 R 22/91, EFSlg 66.272. 14 OGH 13. 9. 1995, 9 Ob 517/95, ÖJZ-LSK 1995/242. 15 OGH 4. 10. 1983, 5 Ob 680/83, MietSlg 35.006 (Besucher); LGZ Wien 12. 12. 1984, 41 R 861/84, MietSlg 36.005 (Besucher); OGH 26. 5. 1988, 8 Ob 529/88, SZ 61/133 (Ehebrecher); 15. 12. 1999, 6 Ob 54/99f, wobl 2000, 193/108 (Schwiegermutter). Gegenteilig LGZ Wien 16. 6. 1978, 45 R 269/78, EFSlg 30.615 mit der Begründung, dass dem Ehemann seit dem EheRwG 1975 nicht mehr das Leitungsrecht zukommt. 16 § 89 Rz 6. Jesser in Harrer/Zitta, Familie 735. OGH 26. 5. 1988, 8 Ob 529/88, SZ 61/133; 15. 12. 1999, 6 Ob 54/99f, wobl 2000, 193/108. 17 In Harrer/Zitta, Familie 70ff.

64

Die rein persönlichen Rechte und Pflichten im Einzelnen

§ 90

Interesse des anderen an den Besuchen bzw der Aufnahme gegenüberzustellen. Überwiegt das Interesse des gestörten Ehegatten, dann ist dem Unterlassungs- bzw Besitzstörungsanspruch statt zu geben, weil das Verhalten des anderen nicht mehr von dessen Berechtigung zur Wohnungsnutzung gedeckt ist. Bei dieser Interessenabwägung sind auf die in § 90 festgelegten rein persönlichen Rechte und Pflichten Bedacht zu nehmen. Handelt es sich bei dem Gast beispielsweise um den Geliebten/die Geliebte eines Gatten, wird sich der andere gegen den Besuch jedenfalls zur Wehr setzen können. Will dagegen ein Gatte sein voreheliches minderjähriges Kind in die Wohnung aufnehmen, dann wird der andere dies infolge seiner Beistandspflicht akzeptieren müssen, wenn nicht ganz außergewöhnliche Umstände dagegen sprechen. Dieselben Überlegungen gelten für die Berechtigung, gegen den Dritten mit Unterlassungs-, Räumungs- oder Besitzstörungsklage vorzugehen. Soweit das Verhalten des Dritten vom Wohnungsnutzungsanspruch eines Gatten gedeckt ist, hat der andere Gatte den Aufenthalt des Dritten in der Wohnung zu dulden. Der Dritte handelt insofern nicht eigenmächtig.18 Der Anspruch auf Unterlassung, Räumung bzw Besitzstörung besteht bis 8 zur Auflösung der Ehe, also auch, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft bereits aufgehoben ist.19 Dieser Umstand ist bei der Interessenabwägung aber entsprechend zu berücksichtigen. So wurde dem Ehegatten, der weiterhin die Wohnungskosten allein bestritt und die Wohnung regelmäßig aufsuchte, um sein Kind zu besuchen, der Vorrang vor der von seiner Gattin in die Wohnung aufgenommenen Schwiegermutter gegeben, die sich im Konflikt zwischen den Ehegatten auf die Seite ihrer Tochter stellte und dem Ehemann immer wieder den Zutritt zur Wohnung verwehrte.20 Ist die Ehe vollkommen zerrüttet und wurde der Ehemann nach dem Gewaltschutzgesetz aus der Wohnung gewiesen, dann kann er dem Dritten, der mit der Ehefrau ein Kind hat, den Zutritt zur Wohnung nicht verwehren, wenn dieser in der Wohnung seine kleine Tochter besuchen will.21 Bei diesem Klagerecht handelt es sich um eine gewisse Durchbrechung 9 des allgemeinen Grundsatzes, dass Meinungsverschiedenheiten über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht an das Gericht herangetragen werden können (§ 89 Rz 3). Diese Sonderbehandlung ist aber gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber den Anspruch auf Wohnungsnutzung nicht bloß als rein persönliche Ehewirkung betrachtet, die der freien Gestaltung der Ehegatten unterliegt. Die Beziehung zur Wohnung wird, wie § 92 und § 97 deutlich zeigen, als besonders wichtig und schutzwürdig angesehen. Außerdem hat die Frage der Öffnung der Ehewohnung für Besucher und Mitbewohner nicht bloß interne Bedeutung zwischen den Ehegatten, sondern eine beträchtliche Außenwirkung. 18 Keine Räumungsklage gegen die volljährige Tochter, die ihr Wohnrecht von der Mutter ableitet: OGH 18. 3. 2004, 1 Ob 212/03p, JBl 2004, 579. 19 OGH 15. 12. 1999, 6 Ob 54/99f, wobl 2000, 108/193. 20 OGH 15. 12. 1999, 6 Ob 54/99f, wobl 2000, 108/193. 21 OGH 5. 11. 2002, 4 Ob 223/02a, JBl 2003, 371.

65

§ 90 10

Hinteregger

Der Ehegatte, der seinen Wohnungsbenutzungsanspruch nur vom anderen Ehegatten ableitet, hat die Rechtsposition eines Mitbesitzers.22 Er kann deshalb Störungen seines Besitzes mit der Besitzstörungs- bzw Besitzentziehungsklage gem § 339 abwehren. Auf den Immissionsabwehranspruch des § 364 Abs 2 kann er sich nach Meinung der Rechtsprechung nicht stützen, weil das familienrechtliche Wohnverhältnis keine dem Bestandrecht vergleichbare petitorische („quasi-dingliche“) Rechtsposition vermittelt.23 Gegenüber dem über die Wohnung verfügungsberechtigten Ehegatten kann sich der gestörte Ehegatte auch auf den Wohnungserhaltungsanspruch des § 97 stützen.24 Dieser setzt aber ein dringendes Wohnbedürfnis und den drohenden Verlust der Wohnung voraus. 2. Treue

Nach allgemeiner Auffassung ergibt sich die Funktion der Ehe als Sexualgemeinschaft aus der Verpflichtung zur umfassenden Lebensgemeinschaft.25 Dass gerade hier die Dispositionsfreiheit der Ehegatten eine besonders große Rolle spielt, liegt auf der Hand. Die Sexualsphäre ist Teil des höchstpersönlichen Lebensbereichs jedes Menschen, in dem es keinen rechtlichen Zwang geben darf. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist ein grundlegendes Persönlichkeitsrecht und muss auch gegenüber dem Ehepartner bestehen. Die Vereinbarung von Sexualfreiheit wird von einem Teil der Lehre und 12 der älteren Rechtsprechung als sittenwidrig angesehen.26 Neuere Kommentatoren27 halten sich bei der Beurteilung einer solchen Vereinbarung als sittenwidrig eher zurück. Klar ist jedenfalls, dass eine solche Vereinbarung, die sich einerseits auf den höchstpersönlichen Lebensbereich jedes Gatten und andererseits auf die – einer klagbaren Verpflichtung nicht zugänglichen – Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft bezieht, keine Rechtswirksamkeit und keine Bestandskraft haben kann.28 Dies bedeutet, dass jeder Ehegatte jederzeit 11

22 Klicka in Schwimann, ABGB II3 (2005) § 339 Rz 39 und § 312 Rz 9 mit Nachweis der umfangreichen Judikatur. Binder in Harrer/Zitta, Familie 73 möchte einen Besitzanspruch des nicht verfügungsberechtigten Ehegatten nur über § 97 anerkennen. Er kommt demzufolge zum Ergebnis, dass der an der Wohnung nicht verfügungsberechtigte Ehegatte nur bei Vorliegen der qualifizierten Voraussetzungen des § 97 (dringendes Wohnbedürfnis, drohender Verlust der Wohnung) gegen Störungen durch Dritte geschützt werden kann. Dies würde zu dem unter Gleichheitsgesichtspunkten (§ 89) äußerst problematischen Ergebnis führen, dass der über die Wohnung verfügungsberechtigte Ehegatte sich gegenüber Störungen, die von seinem Partner ausgehen, besser wehren kann als der nicht verfügungsberechtigte Ehegatte. 23 OGH 26. 1. 1999, 4 Ob 324/98w, EvBl 1999, 465/103. 24 LGZ Wien 12. 3. 1991, 47 R 2013/91, EFSlg 64.883; Jesser in Harrer/Zitta, Familie 736f. 25 RV 851 BlgNR XIII. GP 13. OGH 19. 2. 1986, 3 Ob 508/86, EFSlg 50.151; 25. 10. 1988, 5 Ob 623/88, EFSlg 55.889; Ent in Ent/Hopf, Neuordnung 27f; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 90 Rz 6. 26 OGH 26. 7. 1935, 4 Ob 280/35, JBl 1935, 517; 14. 2. 1957, 5 Os 42/57, EFSlg 1570; 24. 4. 1975, 6 Ob 51/75, EFSlg 24.928; 1. 6. 1982, 5 Ob 622/82, EFSlg 41.175; Schwind, Kommentar2 § 90 Anm 6; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 90 Rz 10. 27 Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 90 Anm 12; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 90 Rz 7. 28 OGH 24. 4. 1975, 6 Ob 51/75, EFSlg 24.928; 10. 5. 1990, 8 Ob 583/90, EFSlg 63.342.

66

Die rein persönlichen Rechte und Pflichten im Einzelnen

§ 90

von dieser Vereinbarung wieder abgehen kann. Solange sie besteht, ist sie jedoch bei der Beurteilung des Scheidungsverschuldens zu berücksichtigen.29 Dies ergab sich schon vor dem EheRÄG 1999 aus § 47 Abs 2 EheG (aF), der dem Ehegatten das Recht auf Scheidung verwehrte, wenn er dem Ehebruch zugestimmt oder ihn durch sein Verhalten absichtlich ermöglicht hat.30 Nach der Aufhebung des § 47 EheG und der Integration des Ehebruchstatbestands in § 49 EheG ist diese Überlegung nunmehr bei der Beurteilung des Verschuldens an der Eheverfehlung zu berücksichtigen. Ehewidrige Beziehungen sind rechtswidrig und verpflichten deshalb zum 13 Schadenersatz an den anderen Ehegatten. Zugestanden werden die dem Informationsinteresse des nachforschenden Gatten angemessenen Detektivkosten,31 die Kosten für die Ehelichkeitsbestreitung und den Unterhalt für das im Ehebruch gezeugte Kind32 sowie die Scheidungskosten.33 Der Anspruch kann sowohl gegen den schuldigen Ehegatten als auch gegen den Dritten geltend gemacht werden.34 Das Interesse am Weiterbestand der Ehe ist dagegen nicht ersatzfähig, weil das Gesetz die Folgen der Scheidung abschließend regelt.35 Auch ein Anspruch auf Unterlassung ehewidriger Beziehungen besteht nicht; weder gegen den anderen Ehegatten noch gegen den Dritten.36 Die in § 90 festgelegte Treuepflicht geht nach allgemeiner Ansicht über 14 den sexuellen Bereich hinaus. Sie verpflichtet jeden Ehegatten das durch die Eheschließung begründete innige Vertrauensverhältnis zu bewahren.37 So muss ein Ehegatte den anderen über wichtige persönliche Umstände aufklären.38 Vor längerer Abwesenheit muss er das Einvernehmen mit dem anderen pflegen und ihn über den jeweiligen Aufenthalt informieren.39 Grundsätzlich hat ein Ehegatte dem anderen auch Einblick in sein Berufsleben zu geben. Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 90 Anm 12; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 90 Rz 7. OGH 24. 4. 1975, 6 Ob 51/75, EFSlg 24.928; 10. 5. 1990, 8 Ob 583/90, EFSlg 63.342. 31 OGH 18. 3. 1970, 6 Ob 56/70, EvBl 1970, 545/309; 30. 10. 1985, 6 Ob 580/83, SZ 58/132; 5. 7. 2001, 6 Ob 315/00t, JBl 2002, 40 (Bumberger); 27. 11. 2001, 1 Ob 224/01z, EFSlg 97.010; 20. 8. 2002, 4 Ob 166/02v, EFSlg 100.720; 30. 10. 2002, 7 Ob 195/02f, EFSlg 100.719, 100.726; 12. 12. 2002, 6 Ob 277/02g, JBl 2003, 860; 21. 5. 2003, 2 Ob 102/03v, EFSlg 104.711, 104.714; LGZ Wien 31. 8. 2000, 44 R 294/00m, EFSlg 93.525, 93.526, 93.527; Welser, ÖJZ 1975, 7. 32 OGH 15. 3. 1984, 6 Ob 529/84, SZ 57/53; Welser, ÖJZ 1975, 7. 33 Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/48, II2, 19. 34 OGH 27. 10. 1981, 2 Ob 523/81, RZ 1982, 57/15; 30. 10. 1985, 6 Ob 580/83, SZ 58/132. 35 Welser, ÖJZ 1975, 8; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/48, II2, 19f. OGH 20. 2. 2003, 6 Ob 124/02g, ZVR 2004, 16/5: Kein Schmerzengeldanspruch für die durch die eheliche Treueverletzung verursachten psychischen Beeinträchtigungen, selbst wenn diese Krankheitscharakter haben und als Körperverletzung iSd § 1325 einzustufen sind. 36 OGH 23. 11. 1972, 6 Ob 234/72, JBl 1973, 374; KG Krems 1. 6. 1974, R 151/74, EFSlg 21.444; LGZ Wien 16. 6. 1978, 45 R 269/78, EFSlg 30.615. 37 Schwind, Kommentar2 § 90 Anm 6; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 90 Rz 7; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 90 Rz 10; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 90 Anm 11. 38 OGH 30. 10. 1985, 6 Ob 580/83, JBl 1986, 524; OLG Wien 7. 6. 1983, 12 R 109/83, EFSlg 42.503. 39 OGH 18. 2. 1987, 1 Ob 513/87, EFSlg 52.965. 29 30

67

§ 90

Hinteregger

Dazu gehört auch das Betreten der Geschäftsräumlichkeiten des anderen. Verletzt ein Ehegatte bei solchen Besuchen aber berechtigte Interessen des anderen, dann kann ihm dieser den Zutritt gerichtlich untersagen.40 3. Anständige Begegnung 15

Jeder Ehegatte muss den anderen respektieren41 und dessen Persönlichkeit und Würde achten.42 Die Ausübung von Gewalt oder die Zufügung von körperlichem oder seelischem Leid gegenüber dem anderen Ehegatten (§ 49 EheG) und gegenüber den Kindern (§ 146a) ist strengstens untersagt. Wenn dies für das Zusammenleben nötig ist, besteht auch eine Verpflichtung, bestehende negative Gewohnheiten zu ändern.43 4. Beistand

Die Verpflichtung zur Beistandsleistung (s § 44 Rz 10) unterliegt wie alle persönlichen Rechtswirkungen der Ehe der Gestaltung durch die Ehegatten, sie ist aber nicht abdingbar.44 Die RV zum EheRwG 197545 wollte die Beistandspflicht auf die immaterielle Unterstützung des anderen beschränken. Der JA46 war dagegen der Auffassung, dass die Beistandspflicht auch eine materielle Komponente enthalte. Er hat deshalb eine ausdrückliche Verpflichtung in § 90 aufgenommen, dass ein Ehegatte im Erwerb des anderen mitzuwirken hat, soweit ihm dies zumutbar und nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich ist. Ausschlaggebend dafür war die Überzeugung, dass der Beistand im Erwerb des anderen große praktische Bedeutung habe, weil die Mitarbeit des Ehegatten zur wirtschaftlichen Grundlage vieler gewerblicher und vor allem bäuerlicher Klein- und Mittelbetriebe gehöre. Durch das EheRÄG 1999 wurde ausdrücklich festgelegt, dass die Verpflichtung zur Mitwirkung im Erwerb dispositiv ist und auch schon bei der Eheschließung zur Gänze abbedungen werden kann.47 Zur Mitwirkung im Erwerb s §§ 98–100. Die Beistandsleistung ist eine gegenseitige Pflicht.48 Der Ehegatte, der zu 17 erkennen gibt, dass ihm an der Aufrechterhaltung der Ehe nichts gelegen ist, kann sich nicht auf die Beistandspflicht des anderen Gatten berufen.49 16

OGH 22. 12. 1987, 2 Ob 514/87, EvBl 1988, 338/64. OGH 14. 6. 1988, 2 Ob 550/88, EFSlg 55.888. 42 OGH 22. 12. 1987, 2 Ob 514/87, EvBl 1988, 338/64. 43 LGZ Wien 25. 6. 1992, 43 R 2025/92, EFSlg 67.651, 67.652: Alkohol- und Nikotinkonsum. 44 RV 851 BlgNR XIII. GP 13. 45 RV 851 BlgNR XIII. GP 13. 46 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 2. 47 RV 1653 BlgNR XX. GP 18; Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 823. 48 OLG Wien 14. 3. 1974, 9 R 54/74, EFSlg 21.442. Ein echtes Austauschverhältnis in dem Sinne, dass nur Beistand zu leisten ist, wenn auch der andere Beistand leistet, besteht selbstverständlich nicht: vgl Stefula, ÖJZ 2005, 613. 49 OLG Wien 15. 10. 1974, 5 R 172/74, EFSlg 21.443. 40 41

68

Die rein persönlichen Rechte und Pflichten im Einzelnen

§ 90

Die Beistandspflicht umfasst immaterielle Unterstützung, schließt aber 18 auch materielle Hilfe, wie unentgeltliche Arbeits-, Sach- und Geldaushilfen mit ein.50 Es besteht aber keine Verpflichtung, finanzielle Verpflichtungen des Gatten gegenüber Dritten abzudecken51 oder zum Betrieb des anderen Ehegatten zuzuschießen, um die Sozialversicherung zu entlasten.52 Unter die Beistandspflicht fällt die Pflege bei Krankheit, die Rücksichtnahme auf die Krankheit des anderen,53 oder die fallweise Beförderung des anderen zu seinem Arbeitsplatz.54 Verfolgt ein Ehegatte den anderen aus bloßer Rachsucht strafgerichtlich, dann liegt eine Verletzung der Beistandspflicht vor.55 Es widerspricht auch der Beistandspflicht, wenn die Gattin, die dem Mann einzelne Räumlichkeiten zur Benützung für sein Unternehmen überlassen hat, während aufrechter Ehe deren Räumung verlangt, wenn sie ihm damit die Existenzgrundlage entzieht.56 Die Verpflichtung zum Beistand umfasst nicht nur unmittelbar dem anderen Ehegatten zukommende Leistungen, wie die Krankenpflege oder die Mitwirkung im Erwerb, sondern auch Leistungen gegenüber nahen Angehörigen des anderen. Dazu gehört die Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen des anderen Ehegatten57 und die Mithilfe bei der Erziehung der in die Ehe mitgebrachten Kinder des Partners.58 Diese Verpflichtung soll nun ausdrücklich gesetzlich festgelegt werden. Nach der RV zu einem FamRÄG 200659 soll dem § 90 ein neuer Abs 3 angefügt werden, nach dem jeder Ehegatte verpflichtet wird, dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen. Aus der ehelichen Beistandspflicht folgt auch eine Verfügungsbeschrän- 19 kung über den Hausrat und die Ehewohnung. Solange die Ehe dauert, kann über Güter, die von einem Gatten in die Ehe eingebracht und der Haushaltsführung in der Ehewohnung gewidmet wurden (Hausrat), deshalb nicht frei verfügt werden. Dies war vor dem EheRwG 1975 von der Rechtsprechung allgemein anerkannt.60 Für die Ehewohnung wurde diese Verfügungsbeschrän-

50 OGH 13. 9. 1988, 2 Ob 83/88, EFSlg 55.890; VwGH 12. 10. 1989, 88/16/0228, AnwBl 1990, 509. 51 OGH 28. 8. 1985, 6 Ob 599/85, JBl 1986, 249. 52 OGH 17. 12. 1991, 10 Ob S 257/91, JBl 1992, 403. 53 OGH 28. 1. 1959, 5 Ob 38/59, EvBl 1959, 269/159. 54 OGH 13. 9. 1988, 2 Ob 83/88, ZVR 1989, 122/77. 55 OGH 6. 2. 1962, 8 Ob 43/62, EvBl 1962, 239/209. 56 OGH 17. 9. 1975, 1 Ob 177/75, MietSlg XXVII/9. 57 RV 1653 BlgNR XX. GP 19. 58 OGH 29. 3. 1972, 2 Ob 292, 293/71, ZVR 1972, 334/173 (nur für die Frau). Seit dem EheRwG 1975 ist diese Verpflichtung auch auf den Mann zu erstrecken. 59 EB RV 1626 BlgNR XXII. GP. 60 Hausrat: OGH 23. 6. 1966, 1 Ob 151/66, EFSlg 6.079; 30. 8. 1967, 1 Ob 157/67, SZ 40/109; OLG Wien 5. 5. 1971, 8 R 82/71, EFSlg 14.805; 29. 9. 1971, 6 R 160/71, EFSlg 15.542; 14. 12. 1973, 9 R 175/73, EFSlg 20.119. Für die Ehewohnung: OGH 16. 9. 1981, 6 Ob 680/81, EvBl 1982, 604/184.

69

§ 91

Hinteregger

kung durch das EheRwG 1975 in § 97 nun ausdrücklich geregelt. Es ist deshalb naheliegend, § 97 analog auch für Hausratsgegenstände anzuwenden.61 Bei Miteigentum beschränkt die Widmung der Liegenschaft für Zwecke der Ehewohnung das Recht zur Teilungsklage.62 Solange die Widmung aufrecht ist, kann auch eine rein nach sachenrechtlichen Gesichtspunkten zu treffende Benützungsregelung zwischen Miteigentümern nicht verlangt werden. Diese Beschränkung gilt bis zur rechtskräftigen Erledigung des nachehelichen Aufteilungsanspruchs.63 20 Der Anspruch auf Beistand in der Haushaltsführung und beim Erwerb wird als ein dem Unterhaltsanspruch entsprechender Anspruch unter § 1327 subsumiert.64 Der überlebende Ehegatte kann demzufolge vom schadenersatzpflichtigen Schädiger den Ersatz der geldwerten Beistandsleistungen verlangen.65

§ 91. (1) Die Ehegatten sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung, die Erwerbstätigkeit, die Leistung des Beistandes und die Obsorge, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten. (2) Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein Ehegatte abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen oder der Kinder entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des Ehegatten, besonders sein Wunsch nach Aufnahme einer Er61 Steininger, FamRZ 1979, 781f; derselbe in Ruppe, Handbuch2, 10f; Holzner, Ehevermögen 64ff. Eine Sicherung dieses Anspruchs durch einstweilige Verfügung nach § 382e EO ist nicht möglich, weil sich diese Bestimmung ausdrücklich nur auf den Schutz des Wohnbedürfnisses bezieht. Vgl aber § 382 Z 8 lit c EO (einstweilige Regelung der Benützung oder einstweilige Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse im Zusammenhang mit einem Aufteilungsverfahren oder einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe). 62 Gamerith in Rummel, ABGB I3 § 831 Rz 3; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann, ABGB III3 (2006) § 831 Rz 11; OGH 12. 7. 1967, 7 Ob 103/67, EvBl 1968, 69/38: Dies gilt auch für den vertraglichen Einzelrechtsnachfolger, der das Teilungshindernis kannte oder zumindest kennen musste. 63 OGH 24. 4. 2003, 3 Ob 51/03a, JBl 2003, 929; wohl aber für gemeinsame Räumlichkeiten, die nicht vom Wohnrecht des § 97 erfasst sind: 18. 6. 1991, 4 Ob 537/91, wobl 1993, 25/18. Gamerith in Rummel, ABGB I3 § 835 Rz 6; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann, ABGB III3 (2006) § 835 Rz 22ff. 64 OGH 18. 9. 1958, 2 Ob 282/58, EvBl 1958, 660/386; 13. 11. 1959, 2 Ob 566/59, EvBl 1960, 132/67. 65 ZB OGH 18. 10. 1962, 2 Ob 305/62, EvBl 1963, 40/25; 27. 3. 1973, 8 Ob 48/73, EvBl 1973, 463/217; 20. 11. 1980, 8 Ob 174/80, SZ 53/155; 4. 11. 1982, 8 Ob 198/82, SZ 55/167; 31. 10. 1989, 2 Ob 87, 88/89, ZVR 1990, 235/86; 9. 9. 1992, 2 Ob 42/92, EvBl 1993, 308/65; 19. 5. 1994, 2 Ob 533/94, RZ 1995, 256/78. Fenzl, Der Anspruch des Ehemannes aus einem Unfall der Ehefrau auf Schadenersatz wegen Entgangs der Mithilfe, ÖJZ 1961, 7; Harrer in Schwimann, ABGB VII2 (1997) § 1327 Rz 17ff; Reischauer in Rummel, ABGB II/2b3 (2004) § 1327 Rz 27.

70

Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft

§ 91

werbstätigkeit, als gewichtiger anzusehen sind. In diesen Fällen haben sich die Ehegatten um ein Einvernehmen über die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen. BGBl I 1999/125 (Mat.: NR: RV 1653 BlgNR XX. GP; JAB 1926 BlgNR XX. GP; BR: AB 5974 BlgBR) Lit: Allg Lit zu §§ 89–100 und Kerschner Ferdinand, Vereinbarungen der Ehegatten über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta, Familie 391.

Übersicht I. Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft 1. Partnerschaftsprinzip und Gleichbeteiligungsgrundsatz 2. Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit II. Rechtsnatur und Änderung der Gestaltung

1–5 1 5 6–10

I. Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft 1. Partnerschaftsprinzip und Gleichbeteiligungsgrundsatz Die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft obliegt den Ehegatten. 1 Aus den vielfältigen Aspekten der ehelichen Lebensgemeinschaft (s § 90 Rz 3ff) hebt § 91 Abs 1 ausdrücklich die Verteilung von Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung, die Beistandsleistung und die Obsorge hervor. Beistandsleistung und Obsorge wurden erst durch das EheRÄG 1999 in § 91 Abs 1 eingefügt. Damit soll die Bedeutung der Betreuung und Versorgung der Kinder und der Beistandsleistung für die eheliche Aufgabenverteilung betont werden.1 Die Ehegatten sind bei der Gestaltung ihrer Lebensgemeinschaft nicht völ- 2 lig frei, sondern an gesetzliche Vorgaben gebunden. § 91 Abs 1 verpflichtet sie, einvernehmlich vorzugehen. § 91 Abs 1 legt damit den Grundstein für das partnerschaftliche Prinzip. Die Vereinbarung eines Leitungsrechts eines der Ehegatten (patriarchalisches Familienmodell) ist demnach unzulässig.2 Bemüht sich ein Ehegatte nicht oder nicht ausreichend um die Erzielung eines Einvernehmens mit seinem Partner, dann kann dies den anderen zur Scheidung berechtigen und als Scheidungsverschulden gewertet werden.3 Dies ist jedenfalls der Fall, wenn es um eine wichtige Angelegenheit, wie die Vornah1 RV 1653 BlgNR XX. GP 19; Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 824; Hopf in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform 4. 2 Kerschner in Harrer/Zitta, Familie 398f unter Ablehnung von OLG Wien 13. 1. 1984, 11 R 264/83, EFSlg 44.817. 3 OGH 14. 6. 1988, 4 Ob 533/88, EFSlg 55.892; 12. 4. 1989, 3 Ob 524/89, EFSlg 58.665; 13. 6. 1990, 6 Ob 555/90, EFSlg 61.720; 29. 1. 1991, 8 Ob 601/89, EFSlg 64.886; 10. 9. 1991, 4 Ob 534/91, JBl 1992, 38; OLG Wien 13. 1. 1984, 11 R 264/83, EFSlg 44.817.

71

§ 91

Hinteregger

me einer künstlichen Befruchtung,4 geht oder wenn ein Ehegatte den anderen laufend nicht in seine Entscheidungen einbezieht. Entzieht ein Ehegatte dem anderen eigenmächtig und ohne ausreichenden Grund das gemeinsame Kind, so haftet er dem anderen auch für die dadurch entstehenden Gerichts- und Reisekosten.5 Dass ein Ehegatte die Widmung der von ihm eingebrachten Wohnung als Ehewohnung nicht einseitig aufheben darf, solange die Ehe aufrecht ist, ist mit dem Einvernehmlichkeitsprinzip allein aber noch nicht begründbar.6 Eine solche Verpflichtung ergibt sich aber aus der Beistandspflicht (§ 90 Rz 16ff). 3 § 91 Abs 1 gibt auch konkrete inhaltliche Vorgaben. Die Ehegatten sind verpflichtet, bei der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft aufeinander und auf das Wohl der Kinder Rücksicht zu nehmen, und sie sollen dafür sorgen, dass die von ihnen erbrachten Beiträge ausgewogen sind. Dieser Gleichbeteiligungsgrundsatz wurde durch das EheRÄG 1999 in den § 91 Abs 1 aufgenommen. Damit wollte der Gesetzgeber das Gebot prinzipiell gleicher Lastenverteilung zwischen den Ehepartnern verdeutlichen und verstärken. Dies soll auch zu einer entsprechenden gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung beitragen, um die bestehenden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im familiären Bereich zu vermindern.7 Nach der RV8 sollen die Ehegatten „nach ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten so zum ehelichen Zusammenleben beitragen, dass sich in einem quantitativen und qualitativen Gesamtkalkül ihre Leistungen und Lasten die Waage halten.“ Sind beide Ehegatten gleich leistungsfähig, so haben sie auch gleichwertige Beiträge zu leisten. Die Art der Beiträge kann aber durchaus je nach den Umständen (Vorlieben, Fähigkeiten, äußere Rahmenbedingungen wie etwa Arbeitszeiten) unterschiedlich sein. Gehen beispielsweise beide Partner einer Erwerbstätigkeit nach, dann haben sie sich auch beide an der Führung des Haushalts und der Kinderbetreuung zu beteiligen. Dass sich dabei eine gewisse Arbeitsteilung ergibt, widerspricht nicht dem Gleichbeteiligungsgrundsatz, solange beide im Ergebnis gleich belastet sind. Bei der Hausfrauen- bzw Hausmannehe besteht schon von Gesetzes wegen eine klare Rollenverteilung in Bezug auf die Haushaltsführung, allerdings ist selbst hier der Erwerbstätige nach Maßgabe des Gleichbeteiligungsgrundsatzes zur Mithilfe im Haushalt verpflichtet (s § 95). Ist ein Ehegatte infolge Krankheit oder Behinderung weniger leistungsfähig als der andere, dann ist auch eine ungleiche Lastenverteilung gerechtfertigt. 4 Eine Gestaltung, die dem Gleichbeteiligungsgrundsatz krass widerspricht, ist nicht zulässig. Dies bedeutet, dass der dadurch benachteiligte Ehegatte an die Gestaltung nicht gebunden ist und dass das benachteiligende Verhalten des anderen selbst bei jahrelanger Übung als Scheidungsverschulden gewertet OGH 10. 9. 1991, 4 Ob 534/91, JBl 1992, 38. OGH 28. 8. 1997, 3 Ob 505/96, JBl 1998, 243. 6 So aber OLG Wien 16. 5. 1986, 14 R 9/86, EFSlg 50.152. Krit Kerschner in Harrer/ Zitta, Familie 407. 7 Vgl dazu auch Deixler-Hübner, Eherecht 27. 8 RV 1653 BlgNR XX. GP 19. 4 5

72

Rechtsnatur und Änderung der Gestaltung

§ 91

werden kann.9 Für das Recht des benachteiligten Ehegatten, einseitig von der bisherigen Gestaltung abzugehen, s Rz 7.

2. Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit sind von den Ehegatten einver- 5 nehmlich so zu verteilen, dass beide gleich belastet sind. Diese können eine „Doppelverdienerehe“ oder auch eine Hausfrauen- bzw Hausmannehe führen. Es steht ihnen auch frei, über die Intensität ihrer Erwerbstätigkeit (zB Teilzeitoder Vollbeschäftigung) oder über den Aufwand, den sie für den Haushalt tätigen wollen, zu entscheiden. Die Verpflichtung zur Haushaltsführung richtet sich dann nach § 95. Die Partner haben tolerant und achtungsvoll zu sein und müssen sich bemühen, allfällige widerstreitende Vorstellungen zu koordinieren. Jeder Partner hat bei der Wahl und der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit auf die Belange des Partners und der Familie Rücksicht zu nehmen.10 Art und Ausmaß der Rücksichtnahme sind nach den gesellschaftlichen Wertungen zu beurteilen.11 Jeder Ehegatte ist verpflichtet, seine berufliche Arbeit so einzuteilen, dass er entsprechend Zeit für den anderen Ehegatten und für die Familie hat.12 Dass ein Ehegatte einem Kind, das nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, geldunterhaltspflichtig ist, hindert die Vereinbarung einer Hausfrauenbzw Hausmannehe nicht. Die Aufgabe der Erwerbstätigkeit und die Übernahme der Haushaltsführung führen aber nicht zur Befreiung von der Unterhaltspflicht.13

II. Rechtsnatur und Änderung der Gestaltung Die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft kann durch ausdrückli- 6 che Vereinbarung, aber auch durch bloß faktisches Verhalten erfolgen. Dabei kann eine zwischen den Ehegatten durch längere Zeit unwidersprochen befolgte Übung ähnlich wie nach § 863 Abs 1 die gleiche Wirkung äußern wie eine ausdrückliche Gestaltungsabsprache.14 Derartigen Absprachen kommt aber kein rechtsgeschäftlicher Charakter zu.15 Als Vereinbarung über rein persönliche Rechtswirkungen der Ehe sind sie nicht gesondert klagbar, sondern haben nur Bedeutung im ehelichen Unterhaltsrecht und in einem allfälligen Scheidungsverfahren (§ 89 Rz 3). § 91 Abs 2 wurde durch das EheRÄG 1999 neu geschaffen, um klarzu- 7 stellen, welche Bestandskraft und Bindungswirkung von solchen GestaltungsHopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 824f. OGH 29. 4. 1981, 1 Ob 540/81, EFSlg 37.513. 11 OGH 29. 10. 1987, 7 Ob 686/87, EFSlg 52.969. 12 OGH 19. 2. 1986, 1 Ob 523/86, EFSlg 50.153. 13 OGH 29. 4. 1992, 3 Ob 528/92, JBl 1993, 243. Vgl dazu § 94 Rz 8. 14 OGH 4. 3. 1987, 1 Ob 697/86, EFSlg 52.966; 29. 1. 1991, 8 Ob 601/89, EFSlg 64.887; 26. 2. 1997, 3 Ob 2292/96x, JBl 1998, 245; LGZ Wien 14. 4. 2000, 43 R 140/00g, EFSlg 91.776. 15 Kerschner in Harrer/Zitta, Familie 404. 9

10

73

§ 91

Hinteregger

vereinbarungen ausgeht. Dies wurde vom Gesetzgeber deshalb gemacht, weil nach der alten Rechtslage nicht ganz klar war, wann ein einseitiges Abgehen eines Ehegatten zulässig war.16 Vollkommen klar ist, dass die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft jederzeit einvernehmlich wieder abgeändert werden kann. § 91 Abs 2 legt nun fest, dass ein Ehegatte von einer einmal getroffenen Gestaltung grundsätzlich auch einseitig abgehen kann. Nach dem Gesetzeswortlaut muss er dafür nicht das Einvernehmen mit dem anderen suchen. Bei wichtigen Änderungen (zB Aufnahme oder Aufgabe einer Erwerbstätigkeit) kann sich allerdings bereits aus der in § 90 festgelegten Treuepflicht (§ 90 Rz 14) und aus der Pflicht zur anständigen Begegnung (§ 90 Rz 15), die Verpflichtung ergeben, das Vorhaben mit dem anderen Ehegatte zu besprechen bzw ihn zumindest rechtzeitig und angemessen von der Entscheidung zu informieren. Stehen dem Änderungswunsch aber wichtige Umstände auf der Seite des 8 anderen Ehegatten oder der Kinder entgegen, dann ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Bei dieser Interessenabwägung sind die Gründe des Änderungswilligen den Interessen des anderen oder der Kinder an einer Beibehaltung der bisherigen Regelung gegenüberzustellen. § 91 Abs 2 stellt dabei klar, dass der Änderungswillige sich dabei auch auf rein persönliche Gründe stützen kann. Diesen ist grundsätzlich eine hohe Bedeutung zuzumessen, was von der RV deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Nach der RV17 besteht der Zweck des neuen § 91 Abs 2 darin, „einer Versteinerung der ehelichen Lebensgestaltung entgegenzuwirken“ und das Recht jedes Ehegatten auf Selbstentfaltung, auf Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und auf Änderung seiner Lebenssituation, die mit dieser Fortentwicklung nicht mehr im Einklang steht, zu schützen. Die Absicht, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, wird vom Gesetz ausdrücklich als wichtiger persönlicher Grund angeführt. Bei dieser Interessenabwägung ist auch zu beachten, inwiefern die alte Gestaltung und die gewünschte Neuregelung dem Gleichbeteiligungsgrundsatz entspricht.18 Widerspricht die alte Regelung dem Gleichbeteiligungsgrundsatz, dann wird das Änderungsinteresse jedenfalls berechtigt sein. Das Gegenteil ist der Fall, wenn die alte Regelung dem Gleichbeteiligungsgrundsatz entspricht, die gewünschte Neugestaltung aber mit diesem nicht vereinbar ist. Überwiegen die Interessen des Änderungswilligen, dann haben sich beide 9 Ehegatten um eine einvernehmliche Neugestaltung der ehelichen Lebensge16 RV 1653 BlgNR XX. GP 19f; Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 825; Deixler-Hübner, Eherecht 27; Hopf in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform 6. Zur alten Rechtslage Schwimann, ÖJZ 1976, 371; Ent in Ent/Hopf, Neuordnung 34; Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 21; Schwind, Kommentar2 § 91 Anm 3; Kerschner in Harrer/Zitta, Familie 408ff. OGH 30. 8. 1984, 6 Ob 638/84, EFSlg 44.816; 4. 3. 1987, 1 Ob 697/86, EFSlg 52.967; 29. 1. 1991, 8 Ob 601/89, JBl 1991, 714 (Ferrari-Hofmann-Wellenhof); 22. 5. 1991, 3 Ob 1538/91, EFSlg 64.884; 25. 10. 1996, 1 Ob 2266/96h, RZ 1997, 9/64; 26. 2. 1997, 3 Ob 2292/96x, JBl 1998, 245 (Holzner); OLG Wien 13. 1. 1984, 11 R 264/83, EFSlg 44.817; LGZ Wien 23. 11. 1993, 47 R 2081/93, EFSlg 70.567; 5. 9. 1995, 44 R 2103, 2104/95, EFSlg 76.667. 17 RV 1653 BlgNR XX. GP 19f. 18 RV 1653 BlgNR XX. GP 20.

74

Wohnsitzverlegung und gesonderte Wohnungsnahme

§ 92

meinschaft zu bemühen. Gelingt es nicht, ein solches Einvernehmen zu erzielen, dann kann der änderungswillige Ehegatte dennoch von der bisherigen Gestaltung abgehen, weil es im Rahmen der rein persönlichen Rechtswirkungen der Ehe keinen Erfüllungszwang gibt. Soweit dieses Verhalten nicht durch die oben beschriebene Interessenabwägung gerechtfertigt ist, kann dies aber negative Konsequenzen bei der Beurteilung von ehelichen Unterhaltsansprüchen und im Scheidungsverfahren haben. Gibt beispielsweise ein Ehegatte seine Erwerbstätigkeit auf, obwohl dies gewichtigen Interessen seines Partners und der Kinder widerspricht, wird er dennoch weiterhin zu Unterhalt im bisherigen Ausmaß verpflichtet werden (Anspannungsgrundsatz, § 94 Rz 57ff). Außerdem wird sein Verhalten eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG darstellen und als Scheidungsverschulden gewertet werden können. Auf der anderen Seite kann aber auch das sture Nichteingehen auf den berechtigten Änderungswunsch des anderen als schwere Eheverfehlung bewertet werden.19 Beispiele für eine solche Neugestaltung sind die Aufnahme oder Aufgabe 10 einer Erwerbstätigkeit, die Neuverteilung der Lasten der Haushaltsführung, die Übernahme oder Aufgabe der Pflege eines Angehörigen oder die externe Betreuung eines Kindes in Kinderkrippe, Kindergarten, Hort oder Internat. Für die Verlegung der Wohnung gilt die Sonderregel des § 92. Vereinbarungen betreffend Unterhalt, Mitwirkung im Erwerb oder Schlüsselgewalt sind persönliche Rechtswirkungen vermögensrechtlicher Natur, für die das allgemeine Vertragsrecht gilt. Dabei ist aber zu beachten, dass das Bestehen von derartigen Ansprüchen (zB Unterhalt des Haushaltsführenden oder Abgeltungsanspruch des im Erwerb des anderen Mitwirkenden) von der Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft abhängig ist.

§ 92. (1) Verlangt ein Ehegatte aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, so hat der andere diesem Verlangen zu entsprechen, es sei denn, er habe gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen. (2) Ungeachtet des Abs. 1, kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. (3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann jeder der Ehegatten vor oder auch nach der Verlegung der Wohnung oder der gesonderten Wohnungnahme die Entscheidung des Gerichtes beantragen. Das Gericht hat im Verfahren außer Streitsachen festzustellen, ob das Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung oder die Weigerung mitzuziehen oder die gesonderte Wohnungnahme durch einen Ehegatten rechtmäßig war

19

RV 1653 BlgNR XX. GP 21.

75

Hinteregger

§ 92

oder ist. Es hat bei der Entscheidung auf die gesamten Umstände der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder, Bedacht zu nehmen. BGBl 1975/412 (Mat.: NR: RV 851 BlgNR XIII. GP; JAB 1662 BlgNR XIII. GP; BR: AB 1396 BlgBR) Lit zu I.: Allg Lit zu §§ 89–100 und Maurer Ewald, Ein Sechs-Instanzenzug für eine Scheidung? RZ 1981, 5; Schoibl Norbert, Der Auftrag zum Verlassen der Wohnung und die Bewilligung des abgesonderten Wohnsitzes, in Harrer/Zitta, Familie 439; Giefing Thomas, Die familien- und exekutionsrechtlichen Aspekte des ehelichen Wohnens: Rechte und Pflichten zwischen Ehegatten während aufrechter Ehe (Wien 1998).

Übersicht I. Wohnsitzverlegung und gesonderte Wohnungsnahme 1. Allgemeines 2. Wohnsitzverlegung 3. Gesonderte Wohnungsnahme 4. Feststellungsanspruch II. Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz

1–10 1 3 4 9 11–37

I. Wohnsitzverlegung und gesonderte Wohnungsnahme 1. Allgemeines § 92 war in der RV zum EheRwG 1975 noch nicht enthalten. Diese war davon ausgegangen, dass Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die rein persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, und damit auch über das gemeinsame Wohnen, überhaupt nicht vor Gericht ausgetragen werden sollen. Der JA1 hat eine Sonderregel für notwendig erachtet, weil einerseits der Pflicht zum gemeinsamen Wohnen eine besondere Bedeutung zukommt und andererseits § 92 aF die einseitige Folgepflicht der Frau vorgesehen hatte. § 92 nF sollte das Prinzip der gleichrangigen Partnerschaft von Mann und Frau auch in Bezug auf das gemeinsame Wohnen klar zum Ausdruck bringen. Die neue Regelung soll diesem Prinzip Rechnung tragen, ohne am Grundsatz, dass die Ehegatten gemeinsam wohnen sollen, zu rütteln. Da Ehegatten am Beginn der Ehe ohnedies bestrebt sein werden, im gegenseitigen Einvernehmen einen gemeinsamen Hausstand zu gründen, wurde nur der Fall der Verlegung der gemeinsamen Wohnung (Abs 1) und der Fall der gesonderten Wohnungsnahme (Abs 2) geregelt. Auf die erste Begründung einer gemeinsamen Wohnung ist § 92 nicht anzuwenden (§ 90 Rz 4). Gemeinsame Wohnung iSd § 92 ist die Ehewohnung. Diese unterliegt 2 nach der Eheauflösung unter Lebenden (s § 82 Abs 2 EheG) und von Todes 1

1

76

JAB 1662 BlgNR XIII. GP 3.

Wohnsitzverlegung und gesonderte Wohnungsnahme

§ 92

wegen (s § 758) besonderen Regelungen. § 92 kommt nur zur Anwendung, solange die Wohnung als Ehewohnung gewidmet ist. Haben sich beide Ehegatten einvernehmlich getrennt, dann kommt ein Antrag nach § 92 Abs 3 nicht mehr in Frage. Unter der Ehewohnung ist jene Einheit von Räumen zu verstehen, in der sich der Schwerpunkt der gemeinsamen Lebensführung der Ehegatten befindet. Dies wird im Allgemeinen dort sein, wo diese hauptsächlich gemeinsam leben und einen gemeinsamen, dem Großteil ihrer Lebensbedürfnisse Rechnung tragenden Haushalt führen.2 Auf die Größe und Ausstattung und das Rechtsverhältnis an der Wohnung kommt es nicht an. Ehewohnung kann ein Schloss, ein Einfamilienhaus, eine Eigentumswohnung, eine Mietwohnung oder eine im Haus der Eltern benützte Räumlichkeit sein. Ehegatten können auch zwei Ehewohnungen haben, nämlich dann, wenn beide Wohnungen nach ihrer Ausstattung und den tatsächlichen Benützungsverhältnissen als gleichrangig zu betrachten sind.3 Dies kann beispielsweise bei jahrelangem berufsbedingten Auslandsaufenthalt beider Ehegatten der Fall sein, wenn sie über eine Wohnung im Ausland und eine Wohnung im Inland verfügen.4 2. Wohnsitzverlegung Die Verlegung der gemeinsamen Wohnung soll einvernehmlich erfolgen. 3 Können sich die Ehegatten nicht einigen, dann gibt § 92 Abs 1 die Richtlinien vor, an denen sie sich zu orientieren haben. Das Verlangen eines Ehegatten nach Verlegung der gemeinsamen Wohnung ist nur beachtlich, wenn dafür gerechtfertigte Gründe vorliegen. Dies können Umstände sein, die die Familie ganz allgemein betreffen, oder auch rein persönliche Gründe des Veränderungswilligen, wie etwa berufliche oder gesundheitliche Gründe.5 Liegen derartige Gründe vor, ist der andere Ehegatte verpflichtet, dem Begehren zu entsprechen. Hat er aber ebenfalls gerechtfertigte Gründe, nicht mitziehen zu wollen, so ordnet § 92 Abs 1 die Vornahme einer Interessenabwägung an. Je nachdem, wessen Gründe schwerer wiegen, besteht eine Verpflichtung des einen, mit dem anderen mitzuziehen, oder eine Verpflichtung des Veränderungswilligen nicht auszuziehen.6 Bei der Entscheidung ist immer auf den Willen beider Partner7 und die Umstände des Einzelfalls8 Bedacht zu nehmen. Auch dem Interesse der Kinder kommt große Bedeutung zu.9 Haben beide gleich gewichtige Gründe für ihren Standpunkt, dann kann der VeränderungsOLG Wien 9. 1. 1984, 14 R 249/83, EFSlg 44.818. OLG Wien 9. 1. 1984, 14 R 249/83, EFSlg 44.818. 4 OLG Wien 9. 1. 1984, 14 R 249/83, EFSlg 44.819. 5 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 3. OGH 3. 9. 1992, 7 Ob 591/92, EFSlg 67.653. 6 OGH 3. 9. 1992, 7 Ob 591/92, EFSlg 67.654. 7 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 3. OLG Wien 17. 9. 1979, 14 R 101/79, EFSlg 32.696; 11. 1. 1983, 11 R 239/82, EFSlg 42.504; 20. 11. 1984, 11 R 241/84, EFSlg 44.821. 8 OGH 3. 11. 1999, 9 Ob 207/99b, EFSlg 88.794. 9 OGH 30. 8. 1984, 6 Ob 638/84, SZ 57/133; LGZ Wien 30. 4. 1986, 47 R 317/86, EFSlg 50.155; 19. 12. 1990, 44 R 416/90, EFSlg 61.722. 2 3

77

§ 92

Hinteregger

willige ausziehen und der andere braucht nicht mitzuziehen. In diesem Fall kommt es zu getrennten Wohnsitzen, ohne dass einem von ihnen ein rechtlicher Vorwurf gemacht werden könnte.10 Fallen auf der Seite eines Ehegatten die wichtigen Gründe weg, die ihn zum Ausziehen bewogen bzw am Mitziehen gehindert haben, dann lebt die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen wieder auf, und beide Teile müssen sich bemühen, wieder einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen. Eine Pflicht, den ausgezogenen Ehegatten wieder in die ehemals gemeinsame Wohnung aufzunehmen, wird aber nur bestehen, wenn dies dem verbliebenen Ehegatten noch zumutbar ist. Wurde nicht nur die Wohngemeinschaft, sondern in der Folge überhaupt die eheliche Gemeinschaft aufgelöst, dann besteht diese Verpflichtung jedenfalls nicht mehr.11 Der ausgezogene Ehegatte hat dann auch kein Recht, die ehemalige Ehewohnung fallweise zu betreten oder als Absteigquartier zu benützen.12 3. Gesonderte Wohnungsnahme 4

§ 92 Abs 2 behandelt den Fall der gesonderten Wohnungsnahme eines Ehegatten ohne Zustimmung des anderen. Er nennt zwei Gründe. Ein Ehegatte kann die häusliche Gemeinschaft verlassen, wenn ihm ein Zusammenleben mit dem anderen nicht zumutbar ist oder wenn er wichtige persönliche Gründe hat, die dies rechtfertigen. Die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft darf immer nur vorübergehend sein. Sobald der Grund für die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft wegfällt, soll der Ehegatte wieder in die gemeinsame Wohnung zurückkehren.13 Das Vorliegen einer gesonderten Wohnungsnahme ist auch denkbar, wenn ein Ehegatte die völlige Trennung der Lebensbereiche im selben Haus wünscht14 oder wenn ein Ehegatte die im Konsens erfolgte gesonderte Wohnungsnahme gegen den Willen des anderen weiter aufrecht hält.15 Halten sich die Ehegatten ohnedies nur vorübergehend im Elternhaus des Mannes auf, liegt keine gesonderte Wohnungsnahme vor, wenn die Frau zurück zu ihren Eltern zieht.16 Bei der Entscheidung über die gesonderte Wohnungsnahme kommt es auf den objektiven Sachverhalt und nicht auf die subjektive Meinung eines Ehegatten an.17 Es ist dabei auf die gesamten Umstände der Familie,18 wie ihre wirtschaftliche Lage, die Einkommens-, Vermö10 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 3. OGH 30. 8. 1984, 6 Ob 638/84, JBl 1985, 487; 10. 7. 1985, 1 Ob 615/85, EFSlg 47.416; Koch in KBB, § 92 Rz 2. Ebenso nun Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 92 Rz 5; aA nur noch Gschnitzer/Faistenberger, Familienrecht2, 70; Kerschner, Familienrecht2 Rz 2/38. 11 OLG Wien 20. 3. 1981, 11 R 28/81, EFSlg 37.512. 12 LGZ Wien 24. 2. 1993, 43 R 2008/93, EFSlg 70.568. 13 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 3. LGZ Wien 14. 3. 1985, 43 R 224/85, EFSlg 47.419. 14 LGZ Wien 10. 12. 1987, 47 R 984/87, EFSlg 52.981. 15 LGZ Wien 26. 1. 1999, 44 R 930/98k, EFSlg 88.793. 16 OGH 13. 6. 1990, 6 Ob 555/90, EFSlg 61.732. 17 OGH 24. 3. 1977, 6 Ob 731/76, EFSlg 28.542; LGZ Wien 24. 9. 1980, 44 R 190/80, EFSlg 35.158. 18 OGH 9. 5. 2001, 9 Ob 112/01p, EFSlg 95.191.

78

Wohnsitzverlegung und gesonderte Wohnungsnahme

§ 92

gens- und Wohnverhältnisse, das Alter und den Gesundheitszustand, besonders aber auf das Wohl der Kinder Bedacht zu nehmen.19 Eine nicht rechtmäßig erfolgte gesonderte Wohnungsnahme kann wegen nachfolgender Verstöße des anderen gegen die sich aus § 90 ergebenden Pflichten rechtmäßig werden.20 Ein Zusammenleben ist gem § 92 Abs 2 jedenfalls unzumutbar, wenn ein 5 Ehegatte den anderen körperlich bedroht21 und wenn die Gefahr psychischer oder körperlicher Schäden besteht.22 Nicht schon jedes ungehörige Verhalten eines Ehegatten, das der Verpflichtung zur anständigen Begegnung widerspricht, führt zur Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens.23 Eine einmalige Tätlichkeit minderer Art, vor allem wenn die Frau danach noch monatelang in der Wohnung geblieben ist, wurde allerdings nicht als ausreichend betrachtet.24 Bloße psychische Beeinträchtigungen können nur dann zum Anlass für eine gesonderte Wohnungsnahme genommen werden, wenn die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung droht25 oder sie zu einer psychischen Dauerbelastung werden.26 Die theoretische Möglichkeit einer Schädigung infolge psychischer Beeinträchtigung genügt ebenso wenig wie bloße persönliche Empfindungen und Meinungen.27 Nicht nur körperliche Bedrohung, sondern auch ein anderes Verhalten, das das Zusammenleben unzumutbar macht, kann ausreichend sein.28 Ganz allgemein ist eine gesonderte Wohnungsnahme gerechtfertigt, wenn der andere Ehegatte eine besonders schwere Eheverfehlung setzt.29 Dies ist der Fall, wenn ein Ehegatte den anderen in dessen Berufsausübung behindert,30 wenn er ihn durch Abhören des Telefons überwacht31 oder ein unleidliches schikanöses Verhalten an den Tag legt. Ein Verbleib in der Ehewohnung ist auch nicht mehr zumutbar, wenn der andere ehewidrige Beziehungen hat und seinen Ehegatten damit auch in der Ehewohnung konfrontiert.32 19

LGZ Wien 24. 9. 1980, 44 R 190/80, EFSlg 35.157; 25. 2. 1982, 43 R 138/82, EFSlg

39.934. LGZ Wien 20. 6. 1979, 44 R 150/79, EFSlg 32.700. OGH 18. 10. 1977, 5 Ob 632/77, EFSlg 28.544; 28. 3. 1985, 7 Ob 538/85, EFSlg 47.420; 21. 11. 1990, 2 Ob 620/90, EFSlg 61.730; LGZ Wien 21. 12. 1978, 44 R 317/78, EFSlg 32.697; 12. 6. 1991, 44 R 2028/91, EFSlg 64.889 (Zufügung einer fünf cm langen Schnittwunde); 7. 11. 2001, 45 R 633/01y, EFSlg 95.192 (Bedrohungen und Beschimpfungen). 22 OGH 24. 3. 1977, 6 Ob 731/76, EFSlg 28.543; OLG Wien 30. 6. 1977, 5 R 152/77, EFSlg 28.541; LGZ Wien 2. 6. 1982, 44 R 65/82, EFSlg 39.936; 25. 1. 1984, 44 R 10/84, EFSlg 44.825. 23 LG Krems an der Donau 12. 2. 2000, 2 R 11/01g, EFSlg 98.660. 24 OGH 2. 4. 1982, 7 Ob 809/81, EFSlg 39.937. 25 OGH 3. 9. 1992, 7 Ob 591/92, EFSlg 67.655. 26 LGZ Wien 24. 9. 1980, 44 R 190/80, EFSlg 35.161; 30. 8. 1983, 44 R 152/83, EFSlg 42.512 (Streitigkeiten bei angegriffenen Nerven); 14. 3. 1985, 43 R 224/85, EFSlg 47.422. 27 OGH 3. 9. 1992, 7 Ob 591/92, EFSlg 67.656. 28 OGH 12. 11. 1981, 7 Ob 710/81, EFSlg 37.517; 4. 6. 1987, 8 Ob 590/87, EFSlg 52.971. 29 OGH 19. 6. 1986, 8 Ob 516/86, EFSlg 50.156; 30. 8. 1989, 2 Ob 564/89, EFSlg 58.668. 30 Wegweisung von Patienten des Mannes aus der Ehewohnung, in der sich auch dessen Facharztpraxis befindet: LGZ Wien 30. 8. 1990, 43 R 528/90, EFSlg 61.731. 31 OGH 28. 3. 1985, 7 Ob 538/85, EFSlg 47.421. 32 OLG Wien 30. 3. 1977, 7 R 54/77, EFSlg 28.545; LGZ Wien 26. 3. 1980, 44 R 57/80, EFSlg 35.160. 20 21

79

§ 92

Hinteregger

Wiederholte Beschimpfungen33 und ein verständnis- und liebloses Verhalten verbunden mit ehebrecherischen Beziehungen und Versuchen, die Frau zum Geschlechtsverkehr zu zwingen, wurden ebenfalls als ausreichend gewertet.34 Daran änderte auch nichts, dass die Frau nach diesen Vorfällen noch einige Zeit in der Wohnung verblieben war.35 Auf ein Verschulden eines Ehegatten kommt es nicht an.36 Auch ein ständiges Zusammenleben mit einem trunksüchtigen Ehegatten kann unzumutbar sein.37 Auf der anderen Seite ist eine gesonderte Wohnungsnahme durch eine Alkoholikerin gerechtfertigt, wenn dadurch eine Besserung ihrer psychischen und physischen Gesundheit zu erwarten ist, weil sie durch den nicht einfühlsamen Ehemann beschimpft und misshandelt wird.38 6 Als wichtige persönliche Gründe zur Auflösung der häuslichen Gemeinschaft wurden medizinische bzw gesundheitliche Gründe39 und die Pflege eines nahen Angehörigen40 bewertet. Die Rechtmäßigkeit einer gesonderten Wohnungsnahme ist im Wege einer Interessenabwägung zu beurteilen, wenn der andere Ehegatte die Beibehaltung der häuslichen Gemeinschaft wünscht. Dabei ist auf die gesamten Umstände der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder Bedacht zu nehmen (§ 92 Abs 3 letzter Satz).41 Nicht jede schwere Eheverfehlung berechtigt zum Verlassen der gemein7 samen Wohnung.42 Nicht ausreichend war die Verletzung der Unterhaltspflicht verbunden mit Interesselosigkeit an der Aufrechterhaltung der Ehe und dem Verdacht ehewidriger Beziehungen43 oder die Installierung einer Videoüberwachungsanlage in der Küche, die sofort entdeckt wurde.44 Auch die mit einer Scheidung gewöhnlich verbundenen Spannungszustände,45 das Stoßen des anderen ohne Misshandlungsabsicht bei einem Streit,46 die Einstellung des Kochens durch die Ehefrau47 oder der Umstand, dass die Ehefrau die Wohnungstür ab 22 Uhr versperrt hält, sodass der Ehemann anläuten muss,48 LGZ Wien 24. 9. 1980, 44 R 190/80, EFSlg 35.162. OGH 12. 11. 1981, 7 Ob 710/81, EFSlg 37.519. 35 OGH 12. 11. 1981, 7 Ob 710/81, EFSlg 37.520. 36 OGH 24. 3. 1977, 6 Ob 731/76, EvBl 1978, 48/8; LGZ Wien 2. 6. 1982, 44 R 65/82, EFSlg 39.931; 30. 8. 1983, 44 R 152/83, EFSlg 42.511; 3. 5. 2002, 43 R 254/02z, EFSlg 99.098. 37 OGH 13. 9. 1983, 2 Ob 557/83, EFSlg 42.510. 38 LGZ Wien 5. 10. 1989, 47 R 696/89, EFSlg 58.669. 39 OLG Wien 4. 2. 1981, 17 R 5/81, EFSlg 37.518; LGZ Wien 15. 9. 1976, 44 R 257/76, EFSlg 26.009; 3. 5. 2002, 43 R 254/02z, EFSlg 99.100. 40 LGZ Wien 25. 2. 1982, 43 R 138/82, EFSlg 39.935. 41 OGH 24. 3. 1977, 6 Ob 731/76, EvBl 1978, 48/8; LGZ Wien 25. 2. 1982, 43 R 138/82, EFSlg 39.933; 3. 5. 2002, 43 R 254/02z, EFSlg 99.099. 42 OGH 9. 11. 1977, 1 Ob 711/77, EFSlg 28.539; LGZ Wien 21. 12. 1983, 43 R 1124/83, EFSlg 42.508. 43 OGH 30. 8. 1989, 2 Ob 564/89, EFSlg 58.667. 44 LGZ Wien 9. 10. 1998, 44 R 782/98w, EFSlg 85.847. 45 LGZ Wien 25. 1. 1984, 44 R 10/84, EFSlg 44.826. 46 OGH 18. 3. 1986, 2 Ob 538/86, EFSlg 50.162. 47 LGZ Wien 18. 12. 1979, 43 R 2067/79, EFSlg 32.698. 48 LGZ Wien 20. 6. 1979, 44 R 150/79, EFSlg 32.699. 33 34

80

Wohnsitzverlegung und gesonderte Wohnungsnahme

§ 92

machen ein weiteres Zusammenleben nicht unzumutbar. Das gilt auch für ein Verhalten, das schon längere Zeit zurückliegt.49 Eine Verwirkung des Rechts auf Feststellung der mangelnden Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungsnahme ist aber nicht möglich.50 Dem Ehegatten, dem die gesonderte Wohnungsnahme gestattet worden ist, 8 wird damit nicht das Recht genommen, die Ehewohnung jederzeit und ohne Einholung der Zustimmung oder Gestattung durch den anderen zu betreten und zu benützen.51 Zu den Maßnahmen nach dem GewaltschutzG s im Folgenden unter II. 4. Feststellungsanspruch Im Unterschied zu den anderen Verpflichtungen, die ihre Grundlage in den 9 rein persönlichen Rechtswirkungen der Ehe haben (§ 89 Rz 3), besteht bei der Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen ein gesondertes Recht auf Anrufung des Gerichts. Gem § 92 Abs 2 kann jeder Ehegatte in den Fällen der Wohnungsverlegung (Abs 1) oder der gesonderten Wohnungsnahme (Abs 2) eine Entscheidung des Gerichts verlangen, in der ausgesprochen wird, ob das Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung oder die Weigerung mitzuziehen oder die gesonderte Wohnungsnahme rechtmäßig war oder ist. Diese Entscheidung kann begehrt werden, wenn die Maßnahme schon beendet ist oder noch andauert52 oder wenn sie erst in Zukunft erfolgen soll.53 Es kann auch die Feststellung begehrt werden, dass das eigene Verbleiben in der Ehewohnung rechtmäßig war oder dass die gesonderte Wohnungsnahme durch den anderen unrechtmäßig war.54 Die Entscheidung ergeht im Verfahren außer Streitsachen, sie hat rein feststellenden Charakter und ist nicht vollstreckbar.55 Mit einem Antrag nach § 92 Abs 3 kann deshalb nicht die Ausweisung des Gegners aus der Ehewohnung,56 oder eine Verpflichtung zu bestimmten Handlungen und Unterlassungen oder die Verhängung von Beschränkungen, etwa die Beschränkung eines Ehegatten auf einen bestimmten Wohnungsteil, verOGH 2. 4. 1982, 7 Ob 809/81, EFSlg 39.937. LGZ Wien 20. 6. 1979, 44 R 150/79, EFSlg 32.695. 51 LG Linz 29. 6. 1979, 13 R 374/79, MietSlg 31.002. 52 OGH 31. 5. 1977, 5 Ob 587/77, SZ 50/78; 20. 3. 1980, 7 Ob 545/80, EFSlg 35.156; 4. 6. 1987, 7 Ob 581/87, EFSlg 52.982; LGZ Wien 18. 3. 1982, 43 R 113/82, EFSlg 39.932; 16. 7. 1987, 47 R 361/87, EFSlg 52.985. 53 OGH 28. 3. 1985, 7 Ob 538/85, EFSlg 47.426; LGZ Wien 16. 11. 1989, 47 R 795/89, EFSlg 58.671. 54 LGZ Wien 7. 11. 1986, 43 R 653/86, EFSlg 50.164; 10. 12. 1987, 47 R 984/87, EFSlg 52.986, mit denen die Entscheidung LGZ Wien 25. 1. 1984, 44 R 247/83, EFSlg 44.828, in der ein Anspruch auf negative Feststellung noch verneint worden war, ausdrücklich abgelehnt wurde. 55 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 4. OGH 28. 11. 1978, 4 Ob 576/78, SZ 51/168; 4. 6. 1987, 7 Ob 581/87, EFSlg 52.983; OLG Wien 18. 11. 1976, 5 R 303/76, EFSlg 26.017; LG Eisenstadt 28. 10. 1977, R 229/77, EFSlg 32.701; LG Linz 7. 2. 2002, 14 R 382/01x, EFSlg 99.101; LG Salzburg 30. 1. 2002, 21 R 19/02v, EFSlg 99.101; LGZ Wien 26. 1. 1977, 44 R 16/77, EFSlg 28.548; 3. 5. 2002, 43 R 262/02a, EFSlg 99.101. 56 LG Salzburg 30. 1. 2002, 21 R 19/02v, EFSlg 99.104; LGZ Wien 24. 3. 1976, 44 R 71/76, EFSlg 26.018; 4. 10. 1989, 44 R 580/89, EFSlg 58.672. 49 50

81

§ 92

Hinteregger

langt werden.57 Auch die Erlassung eines gerichtlichen Auftrags, den Gatten wieder in die Hausgemeinschaft aufzunehmen, ist nicht möglich.58 Der Zweck der Entscheidung erschöpft sich in einer präjudiziellen Vorklärung für ein allfälliges späteres Unterhalts- oder Scheidungsverfahren.59 Das erkennende Gericht ist an die Feststellung des Außerstreitgerichts gebunden. Die Anrufung des Gerichts ist aber keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft,60 da die Frage der Rechtmäßigkeit der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft auch als Vorfrage in einem Scheidungsverfahren61 oder in einem Unterhaltsverfahren62 beurteilt werden kann. Das Verfahren nach § 92 Abs 3 soll rasch und ohne unnötige Verfahrensverzögerungen durch überspannte Genauigkeitserfordernisse durchgeführt werden.63 Aus dem Umstand, dass eine gesonderte Wohnungsnahme nur vorüberge10 hend sein darf,64 schließt die Rechtsprechung, dass eine Entscheidung nach § 92 Abs 3 dann nicht begehrt werden darf, wenn die ins Treffen geführten Umstände dauernder Natur sind.65 Die Grenzen werden allerdings sehr uneinheitlich gezogen. Die Entscheidung wird nur dann verweigert, wenn ein echter Dauerzustand gegeben ist.66 Ein solcher wird erst angenommen, wenn die Ehe unheilbar zerrüttet ist.67 Solange sich das Verhalten des anderen, das das Zusammenleben unzumutbar macht, ändern könnte, wird ein solcher Dauerzustand noch nicht angenommen.68 Das Ende dieses Zustands muss nicht absehbar sein.69 Auch die Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens schadet LGZ Wien 19. 12. 1990, 44 R 2094/90, EFSlg 61.734. LGZ Wien 24. 2. 1993, 43 R 2008/93, EFSlg 70.571. 59 OGH 2. 4. 1982, 7 Ob 809/81, EFSlg 39.939; 15. 6. 1989, 6 Ob 610/89, EFSlg 61.495; 12. 9. 1990, 1 Ob 655/90, EFSlg 61.736; 20. 3. 1991, 1 Ob 526/91, EFSlg 64.893. 60 OLG Wien 18. 11. 1976, 5 R 303/76, EFSlg 26.017; LGZ Wien 1. 12. 1976, 44 R 327/76, EFSlg 26.003. 61 LGZ Wien 4. 7. 1979, 44 R 161/79, EFSlg 32.702. 62 OGH 28. 11. 1978, 4 Ob 576/78, SZ 51/168; OLG Wien 12. 11. 1981, 16 R 177/81 EFSlg 37.516. 63 OGH 12. 1. 1988, 4 Ob 601/87 und 20. 10. 1988, 6 Ob 687/88, EFSlg 55.897; LGZ Wien 1. 12. 2000, 43 R 631/00p, EFSlg 91.777; 3. 5. 2002, 43 R 254/02z, EFSlg 99.105; 13. 2. 2003, 43 R 73/03h, EFSlg 103.142. 64 LGZ Wien 17. 1. 2001, 45 R 22/01w, EFSlg 95.190. 65 OGH 12. 5. 1977, 7 Ob 565/77, EFSlg 28.549; 20. 3. 1980, 7 Ob 545/80, EFSlg 35.156; 12. 4. 1984, 6 Ob 559/84, EFSlg 44.823; 21. 11. 1990, 2 Ob 620/90, EFSlg 61.724; LGZ Wien 14. 3. 1985, 43 R 224/85, EFSlg 47.417; 11. 9. 1986, 43 R 432/86, EFSlg 50.157; 8. 4. 1987, 44 R 34/87, EFSlg 52.974; 9. 4. 1987, 47 R 243/87, EFSlg 52.972; 24. 9. 1987, 47 R 702, 703/87, EFSlg 52.973; 8. 7. 1988, 47 R 408/88, EFSlg 55.893 und 55.894; 4. 10. 1989, 44 R 580/89, EFSlg 58.666; 19. 12. 1990, 44 R 2094/90, EFSlg 61.723; 17. 11. 1993, 47 R 734/93, EFSlg 70.569. 66 OGH 12. 11. 1981, 7 Ob 710/81, EFSlg 37.515; 21. 11. 1990, 2 Ob 620/90, EFSlg 61.726; LGZ Wien 25. 1. 1984, 43 R 1322/83, EFSlg 44.824; 9. 4. 1987, 47 R 243/87, EFSlg 52.979. 67 LGZ Wien 13. 3. 1986, 47 R 75/86, EFSlg 50.161; 8. 4. 1987, 44 R 34/87, EFSlg 52.977; KG Krems 15. 12. 1983, 1 b R 366/83, EFSlg 42.513. 68 OGH 21. 11. 1990, 2 Ob 620/90, EFSlg 61.727; extremes Überwachungsverhalten aus grundloser Eifersucht: OGH 26. 11. 1992, 7 Ob 648/92, EFSlg 67.657. 69 LGZ Wien 25. 1. 1984, 43 R 1322/83, EFSlg 44.824; 31. 1. 1985, 43 R 246/84, EFSlg 47.418; 9. 4. 1987, 47 R 243/87, EFSlg 52.975; 30. 8. 1990, 43 R 528/90, EFSlg 61.725. 57 58

82

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

nicht unbedingt,70 jedenfalls soweit ein darüber hinaus gehendes Rechtsschutzinteresse besteht.71 Eine Entscheidung nach § 92 Abs 3 kommt nicht mehr in Frage, wenn die gesonderte Wohnungsnahme bis zur rechtskräftigen Scheidung angestrebt wird72 oder wenn die Ehe rechtskräftig geschieden ist und kein Unterhaltsanspruch erhoben wurde.73 Dasselbe gilt, wenn dieser Zustand im Laufe des Rechtsmittelverfahrens eintritt.74 Die gesonderte Wohnungsnahme darf nicht auf Dauer erteilt werden.75 Eine Fristbestimmung durch das Gericht ist aber nicht zulässig.76

II. Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG) Lit zu II.: Allg Lit zu §§ 89–100 und Schoibl Norbert, Der Auftrag zum Verlassen der Wohnung und die Bewilligung des abgesonderten Wohnsitzes, in Harrer/Zitta, Familie 439; Dohnal Johanna (Hrsg), Test the West. Geschlechterdemokratie und Gewalt (Wien 1993); Klicka Thomas/Albrecht Isabel, Einstweiliger Rechtsschutz zur Abwehr von Gewalt in der Familie, in Floßmann Ursula (Hrsg), Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit (Linz 1997) 282; Kneihs Benjamin/Preiß Joachim, Wegweiserecht und Rückkehrverbot: Sicherheitspolizeiliches Einschreiten bei Gewalt „in Wohnungen“, JRP 1997, 102; Mottl Ingeborg, Alte und neue rechtliche Instrumente gegen Gewalt in der Familie, ÖJZ 1997, 542; Neuhauser Franz, Der gesetzliche Schutz vor Gewalt in der Familie und dessen Auswirkungen auf den Jugendwohlfahrtsträger, ÖA 1997, 45; Giefing Thomas, Die familien- und exekutionsrechtlichen Aspekte des ehelichen Wohnens (Wien 1998); Seibt Helmuth, Einstweilige Verfügungen im Familienrecht, in Deixler-Hübner 70 OGH 24. 11. 1982, 3 Ob 680/82, EFSlg 39.938; 3. 4. 1990, 4 Ob 518/90, EFSlg 61.733; 20. 3. 1991, 1 Ob 526/91, EFSlg 64.891; 26. 11. 1992, 7 Ob 648/92, EFSlg 67.658; OLG Wien 18. 11. 1976, 5 R 303/76, EFSlg 26.013; LGZ Wien 31. 1. 1985, 43 R 246/84, EFSlg 47.423; 5. 3. 1986, 44 R 39/86, EFSlg 50.160; 8. 4. 1987, 44 R 34/87, EFSlg 52.976; 17. 11. 1993, 47 R 734/93, EFSlg 70.570; 3. 5. 2002, 43 R 262/02a, EFSlg 99.103; KG Krems 15. 12. 1983, 1 b R 366/83, EFSlg 42.514. Krit Maurer, RZ 1981, 5. Gegenteilig LGZ Wien 11. 12. 1997, 44 R 943/97w, EFSlg 83.036: für die Dauer eines Scheidungsverfahrens fehlt es an einem rechtlichen Interesse; Trennung im Zuge eines Scheidungsverfahrens ist ganz offensichtlich auf Dauer: LGZ Wien 9. 10. 1998, 44 R 782/98w, EFSlg 85.846; 26. 1. 1999, 44 R 930/98k, EFSlg 88.795. 71 LGZ Wien 31. 1. 1985, 43 R 246/84, EFSlg 47.424; 13. 3. 1986, 47 R 75/86, EFSlg 50.159; 26. 1. 1999, 44 R 930/98k, EFSlg 88.796. Ohne diese Einschränkung: OGH 20. 3. 1991, 1 Ob 526/91, RZ 1993, 74/16: Während eines Scheidungsverfahrens ist ein Antrag nach § 92 Abs 3 selbst dann zulässig, wenn im Fall der Berechtigung des Scheidungsbegehrens eine endgültige gesonderte Wohnungnahme angestrebt wird. 72 LGZ Wien 24. 9. 1987, 47 R 702, 703/87, EFSlg 52.978; 8. 7. 1988, 47 R 408/88, EFSlg 55.896. 73 OGH 12. 1. 1988, 4 Ob 601/87 und 20. 10. 1988, 6 Ob 687/88, EFSlg 55.895; LGZ Wien 30. 3. 1989, 47 R 192/89, EFSlg 58.670; LG Salzburg 26. 6. 2002, 21 R 84/02b und LGZ Wien 3. 5. 2002, 43 R 262/02a, EFSlg 99.102. 74 OGH 4. 6. 1987, 7 Ob 581/87, EFSlg 52.984. 75 LGZ Wien 25. 1. 1984, 43 R 1322/83, EFSlg 44.824; 31. 1. 1985, 43 R 246/84, EFSlg 47.418; 9. 4. 1987, 47 R 243/87, EFSlg 52.975; 30. 8. 1990, 43 R 528/90, EFSlg 61.725. 76 OGH 31. 5. 1977, 5 Ob 587/77, EFSlg 28.552; 12. 9. 1990, 1 Ob 655/90, EvBl 1991, 277/58; LGZ Wien 14. 3. 1985, 43 R 224/85, EFSlg 47.427; 26. 1. 1999, 44 R 930/98k, EFSlg 88.797; 1. 12. 2000, 43 R 631/00p, EFSlg 91.778.

83

§ 92

Kissich

Astrid (Hrsg), Die rechtliche Stellung der Frau (Wien 1998) 31; Dearing Albin (Hrsg), Sicherheitspolizeigesetz (Wien 1999); Erdemgil-Brandstätter Anneliese, Gewalt in der Familie aus Sicht der Frauenberatung, ÖA 1999, 4; Löw Sylvia, Zwei Jahre Gewaltschutzgesetz, ÖA 1999, 244; Dearing Albin/Haller Birgitt (Hrsg), Das österreichische Gewaltschutzgesetz (Wien 2000); Kodek Erich in Angst Peter (Hrsg), Kommentar zur Exekutionsordnung (Wien 2000); Barth Peter, Kann ein Rückkehrverbot nach § 382b Abs 1 Z 2 EO gegen jemanden erlassen werden, dessen Aufenthalt unbekannt ist? AnwBl 2002, 83; Rangger Hansjörg, Das österreichische Gewaltschutzgesetz (Wien 2002); Angst Peter/Jakusch Werner/Mohr Franz (Hrsg), Exekutionsordnung14 (Wien 2004); Neumayr Matthias, Exekutionsrecht (Wien 2004); Dearing Albin/Haller Birgitt (Hrsg), Schutz vor Gewalt in der Familie. Das österreichische Gewaltschutzgesetz (Wien 2005); Hauer Andreas/Keplinger Rudolf, Sicherheitspolizeigesetz3 (Wien 2005); Pürstl Gerhard/Zirnsack Manfred (Hrsg), Sicherheitspolizeigesetz (Wien 2005); Schrott Robert, Die einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz, in Dearing Albin/Haller Birgitt (Hrsg), Schutz vor Gewalt in der Familie. Das österreichische Gewaltschutzgesetz (Wien 2005) 233; Sailer Hansjörg in Burgstaller Alfred/Deixler-Hübner Astrid (Hrsg), Exekutionsordnung (Wien 2002 idF Erg 2004); Schwarzl Ursula, La tutela contro la violenza in famiglia nell’ ordinamento austriaco, familia 2005, 537; Sorgo Marina, Was sind Interventionsstellen? in Dearing Albin/Haller Birgitt (Hrsg), Schutz vor Gewalt in der Familie. Das österreichische Gewaltschutzgesetz (Wien 2005) 199; Angst Peter/Jakusch Werner/Pimmer Herbert (Hrsg), Exekutionsordnung14 (Wien 2006).

Übersicht II. Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG) 1. Allgemeines 2. Wegweisung und Betretungsverbot nach § 38a SPG 3. Einstweilige Verfügungen nach § 382b EO a) Allgemeines b) Maßnahmen nach § 382b Abs 1 und Abs 2 EO c) Geschützter Personenkreis d) Dringendes Wohnbedürfnis e) Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens f) Dauer der einstweiligen Verfügungen nach § 382b EO g) Verfahren und Vollzug

11–37 11 13 21 21 22 24 27 28 32 33

1. Allgemeines 11

Nach Schätzungen der Polizei werden 90% aller Gewalttaten in der Familie und im sozialen Nahraum ausgeübt; am häufigsten betroffen sind Frauen. Die Dunkelziffer bei familiärer Gewalt ist sehr hoch, Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass jede fünfte bis zehnte in einer Beziehung lebende Frau von Gewalt betroffen ist.77 Gewaltausübung ist regelmäßig keine zufällige, 77 Vgl Appelt/Höllriegl/Logar, Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder, in BMSG (Hrsg), Gewalt in der Familie 406 (Gewaltbericht), abrufbar auf der Homepage des BMSG unter http:

84

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

sondern erfolgt im Rahmen eines vielschichtigen Systems von Macht und Kontrolle und beabsichtigt die Zerstörung des Selbstwertgefühls und der Autonomie des Opfers.78 Nach dem im Zuge der Familienrechtsreformen der 70er Jahre novellierten § 382 Z 8 lit b (aF) EO konnte ein Ehegatte aus der gemeinsamen Wohnung, die dem dringenden Wohnbedürfnis des anderen Ehegatten diente, ausgewiesen werden, wenn er diesem das weitere Zusammenleben unerträglich machte, besonders ihn erheblich körperlich bedrohte. Die einstweilige Verfügung konnte aber nur im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung beantragt werden.79 Trotz Nachbesserung80 bewährte sich dieses Instrumentarium in der Praxis nicht (zu enge Voraussetzungen, ineffizienter Vollzug).81 Nach etlichen Studien und Kampagnen82 gelang es dem Frauen-, Familien- und Justizministerium in gemeinsamer Aktion einen – für Europa vorbildhaften83 – Gesetzesentwurf vorzulegen, der am 27. 11. 1996 als BG zum Schutz vor Gewalt in der Familie (Gewaltschutzgesetz – GeSchG)84 verabschiedet worden ist. Mit dem Gewaltschutzgesetz, das seit 1. 5. 1997 in Kraft steht,85 wurden die rechtlichen Voraussetzungen für einen rasch wirksamen und vorbeugenden Schutz potenzieller Opfer von Gewalt in der häuslichen Sphäre erheblich verbessert. Die dafür erforderlichen Kompetenzen der Organe der öffentlichen Sicherheit wurden in § 38a SPG86 verankert.87 Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurden entschärft, der erfasste Personenkreis erweitert und die Durchsetzbarkeit erleichtert (§§ 382b–382d EO).88 Das Gewalt//www.bmsg.gv.at/cms/site/attachments/9/6/0/CH0098/CMS1056453530966/gewaltbericht_ neu.pdf. Zur Problematik vgl auch Dearing in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 15ff; Haller/Liegl in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 167ff; Haller in Dearing/Haller, Schutz 271ff. 78 So zutr OGH 9. 7. 2003, 9 Ob 33/03y, JBl 2004, 171 mwN. Zu Ursachen und Formen der Gewalt s zB Erdemgil-Brandstätter, ÖA 1999, 4f. 79 Vgl § 382 EO idF des EheRwG BGBl 1975/412. 80 Vgl das BG über die Erweiterung der Bestimmungen gegen Gewalt in der Ehe in der Exekutionsordnung, BGBl 1990/96, mit dem § 382 Abs 2 (aF) EO einfügt wurde. Danach konnte ein Auftrag zum Verlassen der Ehewohnung auch ohne Zusammenhang mit einem Hauptverfahren erlassen werden. Die Bestimmungen des § 382 Abs 1 Z 8 lit b und Abs 2 EO wurden durch das Gewaltschutzgesetz (Art II Z 4 des BG BGBl 1996/759) aufgehoben. 81 S dazu RV 252 BlgNR XX. GP 6f; ausführlich zur rechtlichen Entwicklung Schoibl in Harrer/Zitta, Familie 440ff; Giefing, Aspekte 66ff; Mottl, ÖJZ 1997, 542f; Klicka/Albrecht in Floßmann, Recht 284f. 82 Statt vieler Dohnal, Geschlechterdemokratie und Gewalt (1993); weitere Nachweise bei RV 252 BlgNR XX. GP 6; Mottl, ÖJZ 1997, 542 FN 1; Löw, ÖA 1999, 244. 83 S Aichhorn, Lebenspartnerschaften 212; zur Vorbildfunktion und Rechtslage in anderen Staaten vgl Rangger, Gewaltschutzgesetz 197ff. 84 BGBl 1996/759. 85 Vgl Art IV des GeSchG BGBl 1996/759. 86 Sicherheitspolizeigesetz BGBl 1991/566 idF BG BGBl I 2004/151. 87 Zur rechtlichen Entwicklung des Gewaltschutzgesetzes vgl RV 252 BlgNR XX. GP 6f; Mottl, ÖJZ 1997, 542f; Klicka/Albrecht in Floßmann, Recht 282ff; Schwarzl, familia 2005, 537ff. 88 Vgl auch die neuen Kompetenzen des Jugendwohlfahrtsträgers in § 215 Abs 2 ABGB; dementsprechend wurden § 382 Abs 1 Z 8 lit b und Abs 2 EO aufgehoben.

85

§ 92

Kissich

schutzgesetz wurde bisher dreimal novelliert, um den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden.89 Eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes kommt den Interventionsstellen90 gegen Gewalt in der Familie zu, die als Drehscheibe zwischen den betroffenen Institutionen agieren. Als Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs 3 SPG) bieten sie Betroffenen, insbesondere nach polizeilicher Intervention, aktiv Hilfe und Unterstützung an. Um die Effektivität der Interventionsstellen zu erhöhen, wurden die Sicherheitsbehörden dazu verpflichtet, mit den (grundsätzlich privat organisierten) Einrichtungen zu kooperieren.91 12 Das Gewaltschutzgesetz sieht ein sog „Zwei-Phasen-Modell“ vor. In der ersten Phase schreitet die Sicherheitsexekutive ein, die auf Grundlage einer Gefahreneinschätzung einen potenziellen Gewalttäter aus der Wohnung wegweisen und mit einem Betretungsverbot belegen kann. Diese Anordnungen sind nicht vom Willen des Opfers abhängig, da das polizeiliche Einschreiten vom gesamtgesellschaftlichen Interesse getragen ist, Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von Interessen als kriminell zu ächten.92 Von den gesetzten Maßnahmen ist die jeweilige Interventionsstelle93 und, sofern Minderjährige in der Wohnung leben, auch der Jugendwohlfahrtsträger (§ 37 JWG)94 zu verständigen. Die Interventionsstelle nimmt Kontakt mit der von der Gewalttat betroffenen Person (idR die Frau)95 auf und bietet ihr Unterstützung bei der Beantragung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO an (zweite Phase). Die Maßnahmen nach § 38a SPG und §§ 382b ff EO bestehen unabhängig von einander; es bleibt der freien Entscheidung der betroffenen Person vorbehalten, ob sie eine einstweilige Verfügung bei Gericht beantragt. Zum Schutz von Minderjährigen kommt diese Antragslegitimation auch dem Jugendwohlfahrtsträger zu (§ 215 Abs 2 ABGB).96 2. Wegweisung und Betretungsverbot nach § 38a SPG 13

Gem § 38a Abs 1 SPG sind „die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Woh89 SPG-Novelle 1999, BGBl I 1999/146; EO-Novelle 2003, BGBl I 2003/31 und SPG-Novelle 2005, BGBl I 2004/151 (in dieser Novelle wurde in § 38a SPG nur ein Verweis korrigiert). 90 Ausführlich Sorgo in Dearing/Haller, Schutz 199ff; s auch Aichhorn, Lebenspartnerschaften 213ff. 91 Ausführlich zu den rechtlichen Grundlagen und zur Funktion der Interventionsstellen Dearing in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 54ff; Rangger, Gewaltschutzgesetz 209ff; Dearing in Dearing/Haller, Schutz 98ff. 92 Erlass des BMI 3. 9. 1998, 64.000/165-II/20/98 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 416ff [417]). 93 Erlass des BMI 3. 9. 1998, 64.000/165-II/20/98 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 416ff [418]). 94 S auch Erlass des BMI 2. 5. 1997, 64.000/140-II/20/97 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 413ff [415]). 95 Zum Ausnahmefall der Frau als Gefährderin vgl Haller in Dearing/Haller, Schutz 291ff. 96 Vgl Dearing in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 68ff; ausführlich zur Antragsverpflichtung des Jugendwohlfahrtsträgers Neuhauser, ÖA 1997, 48ff.

86

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

nung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen“. Unter denselben Voraussetzungen kann dem Gefährder das Betreten des nach Abs 1 festgelegten Bereichs untersagt werden (§ 38a Abs 2 SPG). Die Wegweisung ist, im Gegensatz zum Betretungsverbot (§ 38a Abs 2 SPG), auch mit Zwangsgewalt (§ 50 SPG) durchsetzbar. Die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen nach § 38a SPG bestehen unabhängig voneinander. Das Betretungsverbot muss nicht unbedingt mit einer Wegweisung kombiniert werden (zB wenn der gefährliche Mitbewohner die Wohnung freiwillig verlässt oder vor der Exekutive geflüchtet ist). Eine Wegweisung ohne Betretungsverbot macht allerdings wenig Sinn. Die alleinige Wegweisung würde es dem Gefährder erlauben, unmittelbar nach der Anordnung, den geschützten Bereich zu verlassen, sich wieder dorthin zu begeben.97 Daher sieht auch ein Erlass des BMI aus 1998 vor, dass es „von Gesetzes wegen eine Wegweisung ohne ein Betretungsverbot nicht geben“ darf.98 Wegweisung und Betretungsverbot nach § 38a SPG setzen nicht voraus, 14 dass bereits eine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt. Vielmehr geht es hierbei um den vorbeugenden Schutz von Rechtsgütern, der den Sicherheitsbehörden insbesondere dann obliegt, wenn mit gefährlichen Angriffen gegen die körperliche Unversehrtheit von Menschen zu rechnen ist (§ 22 Abs 2 und 4 SPG); dieser Aufgabe räumt das SPG besondere Priorität ein (§ 28 SPG).99 Voraussetzung für Wegweisung und Betretungsverbot ist daher, dass die einschreitenden Sicherheitsorgane auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, annehmen, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht (§ 38a Abs 1 SPG). Dieser Rechtsgüterkatalog schließt auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ein, da seine Verletzung stets in die Freiheit des Opfers, oftmals sogar in seine Gesundheit eingreift.100 Rein psychische Gewalt kann ohne Hinzutreten weiterer Gefährdungsmomente eine Wegweisung oder ein Betretungsverbot nicht rechtfertigen.101 Den Exekutivbeamten obliegt daher die schwierige Aufgabe der Gefahrenanalyse.102 Es kommt maßgeblich darauf an, ob ein gegen die geschützten Rechtsgüter der gefährdeten Person gerichteter gefährlicher Angriff zu erwarten ist.103 Für diese Prognose über die Ge97 So auch Erlass des BMI 2. 5. 1997, 64.000/140-II/20/97 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 413ff [414]); ferner Dearing in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 126f; Schwarzl, familia 2005, 541. Zu den Problemen, die sich durch die singuläre Maßnahme der Wegweisung durch die Polizei im Hinblick auf das Fehlen einer Zustelladresse ergeben können, s Barth, AnwBl 2002, 83ff. 98 Erlass des BMI 3. 9. 1998, 64.000/165-II/20/98 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 416ff [419]). 99 Vgl RV 252 BlgNR XX. GP 11; Dearing in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 104ff; Dearing in Dearing/Haller, Schutz 111f. 100 Ebenso Hauer/Keplinger, SPG3, 402f; Dearing in Dearing/Haller, Schutz 119. 101 UVS Stmk 26. 3. 1999, 20.3-66/98. 102 Vgl VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003, ZfVB 2003, 721/1551; s auch UVS Stmk 1. 8. 2005, 20.3-16,17,18/2005. 103 VwGH 24. 2. 2004, 2002/01/0280; UVS Stmk 11. 7. 2005, 20.3-13/2005; UVS Tirol 18. 7. 2005, 2005/23/1905-5.

87

§ 92

Kissich

fährlichkeit einer Person sind neben eigenen Beobachtungen der Sicherheitsorgane (zB verängstigte Kinder, Sachbeschädigungen in der Wohnung, Verletzungen und Spuren am Einsatzort) insbesondere die Aussagen von Opfer(n) und Zeugen sowie das Verhalten des (potenziellen) Täters während des Polizeieinsatzes maßgeblich.104 Die Sicherheitsorgane müssen zwar keine genauen Beweise erheben,105 bloße Gerüchte, Mutmaßungen und Verdächtigungen reichen jedoch nicht aus;106 ebenso wenig, dass bloße Belästigungen drohen.107 Der Tatsache, dass unmittelbar vor oder im Zuge des polizeilichen Einschreitens ein gefährlicher Angriff stattgefunden hat, kommt eine gewichtige Indizwirkung zu; ob aber wegen des vorangegangenen Angriffs ein weiterer gefährlicher Angriff bevorsteht, ist vom einschreitenden Organ zu beurteilen.108 15 Die Befugnisse nach § 38a SPG knüpfen an die „Gewalt in Wohnungen“ an. Wohnung ist jeder abgeschlossene räumliche Bereich, der Wohnzwecken dient.109 Ein bestimmtes familiäres oder verwandtschaftliches Verhältnis zwischen Täter und Opfer ist daher ebenso wenig erforderlich wie ein dringendes Wohnbedürfnis110 oder das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft111 oder Geschlechtsverschiedenheit der Mitbewohner. Der räumliche Bereich, auf den sich Wegweisung und Betretungsverbot beziehen, ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen und dem (potenziellen) Gewalttäter zur Kenntnis zu bringen (§ 38a Abs 1 S 2 SPG). Die Anordnung eines Betretungsverbots kann sich auch auf einen Ort beziehen, den der Gefährder noch nie betreten hat, zB wenn eine Frau wegen der Gewalttätigkeit ihres Mannes in eine andere Wohnung zieht, der Gefährder diese ausfindig macht und die Frau telefonisch mit neuerlicher Gewalt bedroht.112 Das Schutzbedürfnis geht auch nicht verloren, wenn sich die gefährdeten Personen nicht aktuell in der Wohnung aufhalten, weil sie vor dem Gewalttäter geflüchtet und vorübergehend zB in einem Frauenhaus untergebracht sind.113 Die Anordnung eines Betretungsverbots greift in die Grundrechte des 16 Betroffenen nicht unerheblich ein (Schutz der Privat- und Familiensphäre nach Art 8 EMRK, Eigentumsrecht nach Art 5 StGG und Art 1 des 1. ZPEMRK,

104 RV 252 BlgNR XX. GP 12 und Erlass des BMI 2. 5. 1997, 64.000/140-II/20/97 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 413ff [413f]); s auch Löw, ÖA 1999, 244. 105 UVS Stmk 26. 3. 1999, 20.3-66/98; 11. 7. 2005, 20.3-13/2005. 106 Vgl Hauer/Keplinger, SPG3, 402; Schwarzl, familia 2005, 540. 107 VwGH 24. 2. 2004, 2002/01/0280; UVS Tirol 18. 7. 2005, 2005/23/1905-5. 108 VwGH 21. 12. 2000, 2000/01/0003, ZfVB 2003, 721/1551. 109 RV 252 BlgNR XX. GP 12. 110 Erlass des BMI 3. 9. 1998, 64.000/165-II/20/98 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 416ff [420]). 111 Vgl Hauer/Keplinger, SPG3, 403. 112 RV 1479 BlgNR XX. GP 17f. 113 UVS Stmk 13. 8. 2002, 20.3-7/2002; im Detail zum Schutzbedürfnis hinsichtlich der Wohnung Hauer/Keplinger, SPG3, 403.

88

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

Erwerbsausübungsfreiheit nach Art 6 StGG, wenn die Wohnung zugleich der Arbeitsplatz ist). Die Bestimmung ist aber verfassungsrechtlich unbedenklich, weil der einfache Gesetzgeber Grundrechtsbeschränkungen vornehmen kann, um Beeinträchtigungen öffentlicher Interessen hintanzuhalten; die Maßnahmen nach § 38a SPG stellen auch ein taugliches und adäquates Mittel zur Bekämpfung der Gewalt in der Familie dar.114 Überdies ordnet § 38a Abs 2 S 2 SPG ausdrücklich an, dass beim Ausspruch eines Betretungsverbots auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit (§ 28a Abs 3, § 29 SPG)115 besonders Bedacht zu nehmen ist. Das nach den Voraussetzungen des § 38 Abs 1 SPG angeordnete Betretungsverbot ist dem Gefährder gegenüber auszusprechen; der räumliche Bereich, auf den es sich bezieht (s Rz 15), ist ihm mitzuteilen. Die sicherheitsbehördlichen Organe haben ihm überdies alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel abzunehmen (§ 38a Abs 2 SPG). Dem potenziellen Gewalttäter ist Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs (zB Kleidung, Toilettenartikel, Arbeitsunterlagen, Medikamente, Dokumente, Bargeld)116 mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat unterzukommen. Nach den EB ist ein Gefährder, der nicht in der Lage ist, eine Unterkunft zu finden, auf die zur Verfügung stehenden Mittel der Krisenintervention hinzuweisen;117 eine derartige Verpflichtung der Sicherheitsorgane findet jedoch im Gesetz keine Deckung.118 Die einschreitenden ExekutivbeamtInnen sind ferner verpflichtet, vom Betroffenen die Bekanntgabe einer Abgabestelle zu verlangen, damit die Aufhebung des Betretungsverbots oder eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO zugestellt werden kann. Gibt der Betroffene keine Abgabestelle bekannt, so ist er darauf hinzuweisen, dass solche Schriftstücke dann durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch zugestellt werden können (§ 38a Abs 3 SPG). Die Einhaltung des Betretungsverbots ist von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zumindest einmal während der ersten drei Tage seiner Geltung zu überprüfen (§ 38a Abs 7 S 1 SPG). Sofern sich die Notwendigkeit ergibt, dass der Betroffene die Wohnung, deren Betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er dies nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun (§ 38a Abs 2 S 4 SPG). Im Gegensatz zur Wegweisung ist aber das Betretungsverbot nicht durch die Ausübung von Zwangsgewalt durchsetzbar (§ 38a Abs 2 S 1 SPG); bei Nichtbefolgung droht dem Gefährder eine Verwaltungsstrafe bis zu € 360, bei Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Freiheitsstrafe (§ 84 Abs 1 Z 2 SPG).119 Bezweifelt der Gefährder die Vgl UVS Vorarlberg 2. 12. 1997, 3-51-03/97. S Dearing in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 112; ausführlich Rangger, Gewaltschutzgesetz 84ff; Dearing in Dearing/Haller, Schutz 120f. 116 Erlass des BMI 2. 5. 1997, 64.000/140-II/20/97 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 413ff [414]); s auch Hauer/Kepling, SPG3, 405f. 117 RV 252 BlgNR XX. GP 13. 118 So bereits Schwarzl, familia 2005, 542; ebenso Pürstl/Zirnsack, SPG § 38a Anm 14. 119 S auch UVS Stmk 21. 10. 2003, 30.9-21/2003; UVS Tirol 15. 1. 2004, 2003/22/185-3. 114 115

89

§ 92

Kissich

Rechtmäßigkeit des ihm auferlegten Betretungsverbots, kann er dieses beim UVS nach § 88 Abs 1 SPG anfechten.120 Die gefährdete Person bedarf einer professionellen Betreuung und Un17 terstützung. Daher sind die einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet, die gefährdete Person über die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO zu informieren und ihr geeignete Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs 3 SPG) bekannt zu geben (§ 38a Abs 4 SPG), die eine weitergehende Beratung übernehmen. Überdies ist binnen 24 Stunden die örtlich zuständige Interventionsstelle von der Anordnung des Betretungsverbots zu verständigen, damit diese von sich aus Kontakt mit dem Opfer aufnehmen kann.121 Da mit dieser Verständigungspflicht die Übermittlung personenbezogener Daten einhergeht, war auch eine datenschutzrechtliche Änderung im SPG notwendig (§ 56 Abs 1 Z 3 SPG).122 Betrifft das Betretungsverbot eine Wohnung, in der Minderjährige wohnen, ist binnen 24 Stunden123 auch der Jugendwohlfahrtsträger zu verständigen (§ 37 JWG); dieser hat das Recht, eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO und deren Vollzug nach § 382d EO als Vertreter des Minderjährigen zu beantragen, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter säumig ist (§ 215 Abs 2 ABGB). Eine rasche und effektive innerorganisatorische Kontrolle des Betre18 tungsverbots sieht § 38a Abs 6 SPG vor.124 Danach haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Sicherheitsbehörde (Bundespolizeidirektionen bzw Bezirksverwaltungsstellen)125 vom Betretungsverbot unverzüglich zu informieren. Diese hat die Anordnung des Betretungsverbots binnen 48 Stunden zu überprüfen. Überprüfungsgegenstand ist nur die Frage, ob die Voraussetzungen für das Betretungsverbot im Zeitpunkt der Anordnung vorlagen; eine aktuelle Gefährlichkeitsprognose ist hingegen nicht zu treffen.126 Zu diesem Zweck kann die Sicherheitsbehörde alle maßgeblichen Einrichtungen und Stellen beiziehen (s im Detail § 38a Abs 6 SPG). Stellt die Sicherheitsbehörde fest, dass die Voraussetzungen für die Anordnung des Betretungsverbots nicht (mehr) bestehen, so hat sie dieses dem Betroffenen gegenüber unverzüglich aufzuheben und die gefährdete Person unverzüglich darüber zu in-

120 RV 252 BlgNR XX. GP 12; zB UVS Vorarlberg 2. 12. 1997, 3-51-03/97; Kneihs/Preiß, JRP 1997, 109; zust Hauer/Keplinger, SPG3, 405 mwN. 121 Erlass des BMI 3. 9. 1998, 64.000/165-II/20/98 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 416ff [418]). Zur Kooperation der Exekutive mit den Interventionsstellen vgl Dearing in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 94f; Dearing in Dearing/Haller, Schutz 98ff. 122 Vgl Art III Z 2 des Gewaltschutzgesetzes, BGBl 1996/759. 123 Erlass des BMI 2. 5. 1997, 64.000/140-II/20/97 (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 413ff [415]). 124 S auch UVS Kärnten 27. 5. 2004, KUVS-437/5/2004. 125 S Erlass 21. 4. 1997 betreffend das BG zum Schutz vor Gewalt in der Familie, Gewaltschutzgesetz (GeSchG BGBl 1996/759, JMZ 4.214/214-I 1/97 vom 18. 7. 1997), ÖA 1997, 153 (154f). 126 Erlass des BMI 20. 12. 2001, 95.012/956-V/1/01/DR (abgedruckt in Hauer/Keplinger, SPG3, 422ff [422]).

90

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

formieren; wenn möglich, sollen die Parteien mündlich oder telefonisch von den Organen der Sicherheitsbehörden verständigt werden, sonst schriftlich durch persönliche Übergabe. Wird das Betretungsverbot aufgehoben, müssen die Sicherheitsorgane dem Betroffenen abgenommene Schlüssel wieder ausfolgen, außer es wurde ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO gestellt; in diesem Fall sind die Schlüssel bei Gericht zu erlegen (§ 38a Abs 6 SPG). Das Betretungsverbot ist gesetzlich befristet, es endet mit Ablauf des 19 zehnten Tages nach seiner Anordnung. Wurde binnen dieser Frist ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO eingebracht, endet es mit der Zustellung der Entscheidung des Gerichts an den Antragsgegner, spätestens jedoch mit Ablauf des zwanzigsten Tages nach Anordnung des Betretungsverbots. Von der Einbringung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO hat das Gericht die Sicherheitsbehörde unverzüglich in Kenntnis zu setzen (§ 38a Abs 7 SPG). Mit der SPGNovelle 1999127 wurden die polizeilichen Maßnahmen noch effektiver mit dem gerichtlichen Rechtsschutz nach § 382b EO verknüpft: Durch das Abstellen auf den Zugang der einstweiligen Verfügung an den Antragsgegner wird das sicherheitsbehördliche Betretungsverbot nahtlos von der einstweiligen Verfügung abgelöst.128 Die maßgeblichen Umstände für das Einschreiten sowie Umstände, die für 20 ein Verfahren nach § 382b EO von Bedeutung sein können, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu dokumentieren (§ 38a Abs 5 SPG).129 Wird über den Antrag einer Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne Anhörung des Antragsgegners entschieden, können diese Aufzeichnungen zur Entscheidungsfindung herangezogen werden (s Rz 33).130 Die Qualität des Polizeiprotokolls ist daher in der Praxis von großer Bedeutung, um der gefährdeten Person die Bescheinigung der Unzumutbarkeit im Provisorialverfahren zu erleichtern.131 3. Einstweilige Verfügungen nach § 382b EO a) Allgemeines Im Regelfall wird eine einstweilige Verfügung im Anschluss an ein si- 21 cherheitspolizeiliches Betretungsverbot (s Rz 13ff) erlassen. Beide Schutzinstrumente sind jedoch von einander unabhängig; eine einstweilige Verfügung 127

BGBl I 1999/146. Mit dieser Novelle wurde auch die Dauer des Betretungsverbots ver-

längert. 128 Vgl RV 1479 BlgNR XX. GP 19. Krit zur alten Rechtslage, die diesbezüglich eine Lücke aufwies, Dearing, Sicherheitspolizeigesetz 75. 129 Ausführlich dazu Dearing in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 135f; Rangger, Gewaltschutzgesetz 129ff; Dearing in Dearing/Haller, Schutz 150f. 130 RV 252 BlgNR XX. GP 13. 131 Vgl Klicka/Albrecht in Floßmann, Recht 297f.

91

§ 92

Kissich

kann auch ohne vorangehende Anordnungen nach § 38a SPG beantragt werden.132 Inhaltlich unterscheiden sich die gerichtlichen und polizeilichen Maßnahmen nicht nur in ihren Voraussetzungen, sondern auch hinsichtlich des geschützten Personenkreises: § 38a SPG kommt generell bei Gewalt in Wohnungen zur Anwendung, hingegen soll § 382b EO Gewalt verhindern, die speziell in familiären und familienähnlichen Gemeinschaften ausgeübt wird.133 Zu diesem Zweck sieht § 382b EO zwei Maßnahmen vor: die Ausweisung und das Rückkehrverbot (Abs 1) sowie das Aufenthaltsverbot an bestimmten Orten und der Auftrag zur Vermeidung des Zusammentreffens und der Kontaktaufnahme (Abs 2). Anders als die Polizei wird das Gericht immer nur auf Antrag134 der gefährdeten Person tätig. Verfügungen nach § 382b EO setzen ferner die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens und das Vorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses voraus. b) Maßnahmen nach § 382b Abs 1 und Abs 2 EO 22

Gem § 382b Abs 1 EO hat das Gericht „einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf dessen Antrag 1. das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen und 2. die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten, wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient.“ Wegweisung und Rückkehrverbot können auch getrennt beantragt werden, in der Praxis ist jedoch die Wegweisung als singuläre Maßnahme wenig zielführend (s Rz 13). Abs 2 erweitert den räumlichen Schutzbereich des bedrohten Angehörigen auf Örtlichkeiten im sozialen Nahraum, sog „Bannmeile“ (zB Arbeitsweg, Arbeitsplatz,135 Haltestellen der regelmäßig benützten Verkehrsmittel, häufig aufgesuchte Geschäfte, Betreuungseinrichtungen für Kinder)136. Sicherungsmittel nach § 382b Abs 2 EO sind das Verbot des Aufenthalts an bestimmt zu bezeichnenden Orten (Z 1) und der Auftrag, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden (Z 2), soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen (§ 382b Abs 2 EO). Die Maßnahmen nach § 382b Abs 2 EO sollen die gefährdete Partei davor schützen, außerhalb der Wohnung einem gewalttätigen, drohenden oder psychisch erheblich belastenden Verhal-

Statt vieler Schwarzl, familia 2005, 544. Vgl OGH 23. 10. 2000, 6 Ob 238/00v, EFSlg 94.803. 134 Zum Inhalt des Antrags und zum Verfahrensablauf im Überblick Seibt in Deixler-Hübner, Stellung 48ff. 135 Vgl OGH 30. 3. 1999, 3 Ob 21/99f, JBl 2000, 45; 10. 6. 1999, 6 Ob 77/99p, EvBl 1999, 844/198. 136 OGH 10. 6. 1999, 6 Ob 77/99p, EvBl 1999, 844/198 = EFSlg 91.318; 25. 5. 2000, 1 Ob 124/00t, EvBl 2000, 851/202 = EFSlg 94.797 = MietSlg 52.851. 132 133

92

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

ten des Antragsgegners ausgesetzt zu sein. Gedacht ist vor allem an Örtlichkeiten, die im Alltag immer wieder aufgesucht werden oder werden müssen.137 Damit soll den in der Praxis nicht so seltenen Fällen, dass ein gewalttätiger Angehöriger zwar die Ausweisung aus der Wohnung respektiert, die gefährdete Partei dafür aber außerhalb der Wohnung attackiert oder in Angst versetzt, Rechnung getragen werden.138 Dem Gefährder kann der Aufenthalt an genau bestimmten Orten verboten, aber auch allgemein der Auftrag erteilt werden, ein Zusammentreffen mit der antragstellenden Person möglichst zu vermeiden. Beide Aufträge können auch kumulativ erlassen werden.139 Wird dem Antragsgegner die Kontaktaufnahme untersagt, ist auch das Versenden von SMSNachrichten140 oder Telefonieren141 verboten. Im Gegensatz zu § 382b Abs 1 EO verlangt die Regelung nach Abs 2 da- 23 her zwingend nach einer Abwägung der Interessen der Streitparteien.142 Demnach ist der Sicherungsantrag nach § 382b Abs 2 EO abzuweisen, wenn einer Verfügung schwerwiegende Interessen des Antragsgegners entgegenstehen. Dies ist etwa der Fall, wenn beide im selben Betrieb arbeiten oder zum Erreichen der Arbeitsstelle auf bestimmte öffentliche Verkehrsmittel zu einer bestimmten Zeit angewiesen sind.143 Hingegen kann nach den Umständen des Einzelfalls bei gemeinsamer Betriebsführung das Interesse der Antragstellerin, weiter im eigenen Betrieb arbeiten zu können, dasselbe Interesse des Antragsgegners überwiegen, wenn dieser Betrieb auch ihre Existenzgrundlage bildet.144 Der Schutz des verletzten Teils hat aber jedenfalls Vorrang gegenüber der Verminderung der Kontaktaufnahme des Gefährders mit den gemeinsamen Kindern. Das Besuchsrecht (§ 148 ABGB) steht deshalb der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO grundsätzlich nicht entgegen.145 Aber auch bei der Wegweisung ist die Verhältnismäßigkeit zu wahren; sie darf keine unangemessene Reaktion auf das Verhalten des Gefährders sein.146 Die Regelungen nach Abs 1 und Abs 2 des § 382b EO unterscheiden sich außerdem im Vollzug (s Rz 36f).147 LGZ Wien 16. 9. 2003, 42 R 620/03t, EFSlg 106.259. OGH 10. 6. 1999, 6 Ob 77/99p, EvBl 1999, 844/198 = EFSlg 91.318. 139 LGZ Wien 16. 9. 2003, 42 R 620/03t, EFSlg 106.260. 140 LG Salzburg 22. 9. 2004, 21 R 294/04p, EFSlg 109.368. 141 LGZ Wien 15. 9. 2004, 45 R 397/04x, EFSlg 109.369. 142 OGH 25. 5. 2000, 1 Ob 124/00t, EvBl 2000, 851/202 = EFSlg 94.797 = MietSlg 52.851; LGZ Wien 19. 5. 2004, 45 R 115/04a, EFSlg 109.343. 143 OGH 10. 6. 1999, 6 Ob 77/99p, EvBl 1999, 844/198; LGZ Wien 18. 11. 2004, 43 R 656/04w, EFSlg 109.345. 144 OGH 10. 6. 1999, 6 Ob 77/99p, EvBl 1999, 844/198; anders jedoch LGZ Wien 18. 11. 2004, 43 R 656/04w, EFSlg 109.345. 145 LGZ Wien 21. 12. 1999, 44 R 960/99y, EFSlg 91.321; 17. 8. 2004, 42 R 384/04p, EFSlg 109.344. 146 OGH 2. 6. 2004, 1 Ob 65/04x, EvBl 2005, 69/17. 147 OGH 10. 6. 1999, 6 Ob 77/99p, EvBl 1999, 844/198; 25. 5. 2000, 1 Ob 124/00t, EvBl 2000, 851/202 = EFSlg 94.797 = MietSlg 52.851. 137 138

93

§ 92

Kissich

c) Geschützter Personenkreis Die in der Stammfassung des Gewaltschutzgesetzes vorgesehene Definition der geschützten „nahen Angehörigen“ hat sich in der Praxis als zu eng erwiesen148 und wurde daher mit der EO-Novelle 2003149 auf jene Personen ausgedehnt, „die mit dem Antragsgegner in einer familiären oder familienähnlichen Gemeinschaft leben oder gelebt haben“ (§ 382b Abs 3 EO). Dieser ausfüllungsbedürftige Begriff bietet der Rechtsprechung die Möglichkeit, auf aktuelle soziale Entwicklungen Bedacht zu nehmen.150 Der erweiterte Begriff schließt jedenfalls die nach alter Rechtslage erfassten Personengruppen ein (dazu gehören Ehegatten und Lebensgefährten, Geschwister und Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahl- und Pflegekinder und der Wahl- und Pflegeeltern, die Ehegatten und Lebensgefährten dieser Personen, sowie die oben genannten Verwandten des Ehegatten und Lebensgefährten,151 ferner Stiefkinder, auch wenn der die Abstammung vermittelnde leibliche Elternteil verstorben ist152) und nunmehr zweifelsfrei153 auch Ex-Ehegatten154 und ExLebensgefährten.155 Durch die EO-Novelle 2003 wurde überdies der eng gefasste Begriff des Lebensgefährten156 ausgedehnt.157 Demzufolge fallen auch Verbindungen, die bisher nicht als Lebensgemeinschaften iSd Bestimmung qualifiziert wurden158, wie zB homosexuelle Partnerschaften, unter den Angehörigenbegriff des § 382b Abs 3 EO. Als familienähnlich wird auch eine Gemeinschaft gelten, in der auf Grund eines persönlichen Naheverhältnisses Versorgungs- und Betreuungsleistungen erbracht werden.159 Die Angehörigeneigenschaft beschränkt sich nicht mehr auf Opfer, die in25 nerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung in häuslicher Gemeinschaft mit dem Täter lebten.160 Der Schutz nach § 382b EO steht nunmehr unbefristet zur Verfügung, weil es auch nach Auflösung einer „Partnerschaft“ noch zu 24

148 Zu Recht krit zum zu engen personellen Schutzbereich der Stammfassung zB Klicka/Albrecht in Floßmann, Recht 291; aA hingegen Sykora (AnwBl 1998, 293), der diesen für zu weit (!) gefasst erachtet. 149 BGBl I 2003/31 (in Geltung für Anträge, die nach dem 31. 12. 2003 gestellt werden). 150 RV 39 BlgNR XXII. GP 42. 151 S im Detail § 382b Abs 3 EO idF BGBl 1996/759. 152 Diese hat der OGH schon vor Inkrafttreten der EO-Novelle 2003 in den Anwendungsbereich einbezogen: OGH 27. 8. 2002, 5 Ob 170/02i, EvBl 2003, 147/31. 153 Zum diesbezüglichen Meinungsstreit vor Inkrafttreten der EO-Novelle 2003 Aichhorn, Lebenspartnerschaften 221f. 154 S auch LGZ Wien 13. 1. 2004, 42 R 866/03v, EFSlg 109.323. 155 RV 39 BlgNR XXII. GP 42. 156 S etwa OGH 23. 10. 2000, 6 Ob 238/00v, JBl 2001, 390 (391). Vgl auch Kodek in Angst, Exekutionsordnung § 382b Rz 6; Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung § 382b Rz 4. 157 RV 39 BlgNR XXII. GP 42. 158 Vgl zB Kodek in Angst, Exekutionsordnung § 382b EO Rz 6. 159 Schrott in Dearing/Haller, Schutz 239. 160 So noch § 382b Abs 3 EO idF BG BGBl 1996/759. Ausführlich zum weiterhin bestehenden Erfordernis der „häuslichen Gemeinschaft“ OGH 9. 11. 2005, 7 Ob 226/05v, JBl 2006, 397 mwN.

94

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

Gewalttätigkeiten kommen kann, wenn gemeinsame Berührungspunkte (zB Besuchsrecht für Kinder) vorhanden sind.161 Nach § 382b EO antragsberechtigt sind – unabhängig von ihrem Hei- 26 matrecht – auch Migrantinnen und Migranten, da dieser Norm „eine derart grundlegende Bedeutung zukommt, dass im Sinne des sogenannten ‚positiven ordre public‘ im Anwendungsbereich dieses Gesetzes das IPR ausgeschaltet wird und die Bestimmungen des Gewaltschutzgesetzes unabhängig von den kollisionsrechtlich relevanten Auslandsberührungen maßgeblich bleiben.“162 d) Dringendes Wohnbedürfnis Zum Begriff der Wohnung s Rz 15 S 1. Ob ein dringendes Wohnbedürfnis 27 besteht, ist eine Rechtsfrage, deren Lösung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. An das Wohnbedürfnis nach § 382b EO sind jedenfalls keine strengeren Anforderungen zu stellen als nach § 97 ABGB. Demnach soll dem Gefährdeten, dem das Zusammenleben unzumutbar gemacht wird, die ihm schon bisher zur Deckung des Wohnbedürfnisses dienende Wohnmöglichkeit erhalten bleiben.163 Unabhängig von der materiellen Berechtigung an der Wohnung hat der Gewalttäter, nicht das Opfer zu weichen.164 Eine Abwägung zwischen dem Wohnbedürfnis des Opfers und jenem des Täters hat daher zu unterbleiben.165 Das dringende Wohnbedürfnis fehlt, wenn eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft tatsächlich zur Verfügung steht.166 Gleichwertig ist eine Ersatzwohnung nur dann, wenn ihre Qualität das angemessene Wohnbedürfnis des Opfers nicht erheblich unterschreitet; auf das Wohl167 und Wohnbedürfnis der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder ist dabei Bedacht zu nehmen.168 Eine bloße Notschlafstelle oder die vorübergehende Unterbringung bei Verwandten deckt das Wohnbedürfnis der gefährdeten Partei nicht.169 Die Behauptungs- und Bescheinungslast dafür, dass eine Wohnung nicht der

161 RV 39 BlgNR XXII. GP 43. Vgl noch zur alten Rechtslage die Entscheidung OGH 28. 11. 2002, 3 Ob 166/02m, in der ein – ansonsten gerechtfertigter – Sicherheitsantrag wegen der engen Voraussetzungen nach § 382b Abs 3 aF EO abzuweisen war. 162 So nach Dearing in Dearing/Haller, Gewaltschutzgesetz 53, das LG ZRS Graz (9. 6. 2000, 2 R 197/00); zust Aichhorn, Lebenspartnerschaften 229f. 163 OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a; LGZ Wien 10. 11. 2004, 45 R 632/04f, EFSlg 109.329 und 109.337. 164 So auch RV 252 BlgNR XX. GP 6; Mottl, ÖJZ 1997, 545; LGZ Wien 8. 11. 2004, 42 R 524/04a, EFSlg 109.315. 165 RV 252 BlgNR XX. GP 8; LG Salzburg 15. 12. 2004, 21 R 464/04p, 109.338; LGZ Wien 18. 8. 2004, 45 R 464/04z, EFSlg 109.339. 166 OGH 24. 11. 1998, 4 Ob 278/98f, EvBl 1999, 382/86. 167 LG Krems ad Donau 31. 12. 1999, 2 R 243/99v, EFSlg 91.329. 168 OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a (teilweise in EFSlg 102.492 und 102.493). 169 OGH 24. 11. 1998, 4 Ob 278/98f; 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a, EFSlg 102.492; LGZ Wien 19. 10. 2001, 44 R 454/01t, EFSlg 98.655 mwN; 10. 11. 2004, 45 R 632/04f, EFSlg 109.334.

95

§ 92

Kissich

Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses dient, trifft nach ständiger Rechtsprechung den Antragsgegner.170 e) Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens 28

Mit dem Gewaltschutzgesetz wurde die für Verfügungen nach § 382b EO geforderte Intensität der Gewalt von der Unerträglichkeit (§ 382 Abs 1 Z 8 EO aF) auf die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens171 bzw eines Zusammentreffens172 (§ 382b Abs 2 EO) gesenkt. Verhaltensweisen, die nach der Rechtsprechung zu § 382 Abs 1 Z 8 EO aF die Unerträglichkeit begründeten, sind daher für die Bejahung der Unzumutbarkeit in jedem Fall ausreichend.173 Ob Unzumutbarkeit gegeben ist, wird nach mitteleuropäischen Maßstäben in Hinblick auf ein Zusammenleben im partnerschaftlichen Sinn beurteilt.174 Bei Erlassung der gerichtlichen Provisorialentscheidung ist jedenfalls auch auf die „künftig zu gewärtigende Situation“ abzustellen, also eine Zukunftsprognose vorzunehmen.175 Die Unzumutbarkeit muss wegen eines körperlichen Angriffs oder einer Drohung mit einem solchen oder wegen eines die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigenden Verhaltens gegeben sein. Die von der Rechtsprechung schon zum Recht zur gesonderten Wohnungsnahme nach § 92 Abs 2 ABGB entwickelten Kriterien hinsichtlich der Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens wegen Gewalttätigkeiten (s § 92 Rz 5) können auch zur Konkretisierung dieses Begriffs in § 382b EO herangezogen werden, zumindest soweit es sich um Ehegatten handelt.176 Jeder körperliche Angriff und jede ernsthafte und als solche verstandene Drohung entspricht dem Unzumutbarkeitserfordernis.177 Auch ein einmaliger, seiner Art nach nicht völlig unbe-

OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a; LGZ Wien 10. 11. 2004, 45 R 632/04f, EFSlg 109.330. Vgl dazu Angst/Jakusch/Mohr, EO14 § 382b E 8ff; Giefing, Aspekte 73ff. 172 LG Wels 20. 10. 2004, 21 R 315/04d, EFSlg 109.342. 173 Vgl Seibt in Deixler-Hübner, Stellung 44; LGZ Wien 17. 8. 2004, 42 R 384/04p, EFSlg 109.353. 174 So bereits OGH 28. 2. 1991, 6 Ob 514/91, EFSlg 67.176 und LGZ Wien 8. 4. 1992, 47 R 3022/92, EFSlg 70.084 zu § 382 Z 8 EO aF; vgl auch Aichhorn, Lebenspartnerschaften 218. 175 OGH 30. 6. 1998, 1 Ob 90/98m, SZ 71/118 = MietSlg 50.850; 30. 3. 1999, 3 Ob 21/99f, JBl 2000, 45. 176 OGH 30. 6. 1998, 1 Ob 90/98m, SZ 71/118; 30. 3. 1999, 3 Ob 21/99f, JBl 2000, 45; 26. 2. 2004, 8 Ob 6/04x; LGZ Wien 14. 5. 2003, 45 R 332/03m, EFSlg 106.294; LGZ Wien 17. 9. 2003, 44 R 632/03x und LG Salzburg 29. 9. 2003, 21 R 351/03v, EFSlg 106.278; LG Salzburg 1. 3. 2000, 55 R 16/00z, EFSlg 94.806; 19. 6. 2002, 21 R 197/02w, EFSlg 102.495. 177 Vgl OGH 30. 6. 1998, 1 Ob 90/98m, SZ 71/118 = MietSlg 50.850; 30. 3. 1999, 3 Ob 21/99f, JBl 2000, 45; 9. 7. 2003, 9 Ob 33/03y, JBl 2004, 171. Nach einer jüngeren Entscheidung des 8. Senats würde es bei Drohungen ausreichen, wenn der Antragsteller die Drohung ernst genommen hat („ernst gemeinter oder so verstandener Drohungen“: OGH 26. 2. 2004, 8 Ob 6/04x); dabei dürfte es sich jedoch nur um einen Schreibfehler handeln, da bei nicht ernst gemeinten Drohungen ein Schutzbedürfnis des Antragstellers fehlt, sofern dadurch nicht der Tatbestand des Psychoterrors verwirklicht wird. 170 171

96

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

deutender Übergriff oder die Drohung mit einem solchen178 können ausreichend sein.179 Neben der physischen ist auch die psychische Integrität geschützt.180 Psy- 29 chische Beeinträchtigungen müssen ein Ausmaß erreichen, das eine Maßnahme nach § 382b EO rechtfertigt (Psychoterror);181 dies ist etwa auch bei sexueller Belästigung der Kinder gegeben.182 Die Rechtsprechung legt an das Kriterium der Unzumutbarkeit zu Gunsten der Opfer von Gewalttätigkeiten einen großzügigeren Maßstab an: Werden erhebliche psychische Beeinträchtigungen glaubhaft gemacht, so spricht dies als Indiz für die Unzumutbarkeit.183 Ob ein Verhalten Psychoterror darstellt, wird anhand eines subjektiven Maßstabs beurteilt. Entscheidend ist nicht das Empfinden eines Durchschnittsmenschen, sondern die Wirkung eines Verhaltens gerade auf die Psyche der antragstellenden Partei.184 Objektiver Beurteilungsmaßstab sind die Umstände des Einzelfalls. Maßgeblich sind Ausmaß, Häufigkeit und Intensität des die psychische Gesundheit beeinträchtigenden Verhaltens185 oder der bereits – auch schon länger zurückliegenden – angedrohten oder gar verwirklichten Angriffe; bei Drohungen ist auch die Wahrscheinlichkeit von deren Ausführung relevant.186 Je massiver das dem Antragsgegner zur Last fallende Verhalten auf die körperliche und seelische Integrität des Opfers eingewirkt hat, je schwerwiegender die unmittelbaren Auswirkungen und die weiteren Beeinträchtigungen des Antragsgegners sind und je häufiger es zu solchen Vorfällen gekommen ist, desto eher geht die Rechtsprechung unter den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls von einer Unzumutbarkeit aus. Je geringer die Auswirkungen des Verhaltens des Antragsgegners gewesen sind, je länger es – ohne weitere Vorkommnisse – zurückliegt und je mehr sich der Antragsgegner in der Folge bewährt hat, desto eher wird dem Gefährdeten das weitere Zusammenleben zugemuLGZ Wien 19. 5. 2004, 45 R 115/04a, EFSlg 109.358. OGH 9. 7. 2003, 9 Ob 33/03y, JBl 2004, 171; 26. 2. 2004, 8 Ob 6/04x; LGZ Wien 26. 4. 2000, 42 R 130/00d, EFSlg 94.813; gegenteilig: LGZ Wien 16. 7. 2003, 45 R 482/03w, EFSlg 106.288. 180 OGH 16. 12. 2003, 1 Ob 285/03y, MietSlg 55.816; 2. 6. 2004, 1 Ob 65/04x, EvBl 2005, 69/17. 181 OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a (teilweise in EFSlg 102.513); 16. 12. 2003, 1 Ob 285/03y, MietSlg 55.816; 2. 6. 2004, 1 Ob 65/04x, EFSlg 109.363. 182 So bereits das OLG Linz 5. 12. 1979, 5 R 203/79, EFSlg 34.706 und das OLG Wien 28. 5. 1986, 17 R 129/86, EFSlg 52.411, zu § 382 Z 8 lit b EO aF; s auch Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 382b EO Anm 8. 183 OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a (teilweise in EFSlg 102.496); 16. 12. 2003, 1 Ob 285/03y, MietSlg 55.816; LG Linz 5. 10. 2004, 15 R 378/04w und LGZ Wien 14. 9. 2004, 42 R 438/04d, EFSlg 109.351 und EFSlg 109.357. 184 OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a (dieser Teil nicht veröffentlicht) mwN; 2. 6. 2004, 1 Ob 65/04x, EvBl 2005, 69/17. 185 OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a; 16. 12. 2003, 1 Ob 285/03y, MietSlg 55.816; 2. 6. 2004, 1 Ob 65/04x, EvBl 2005, 69/17. 186 OGH 30. 6. 1998, 1 Ob 90/98m, SZ 71/118 = MietSlg 50.850; 30. 3. 1999, 3 Ob 21/99f, JBl 2000, 45; vgl auch OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a; 16. 12. 2003, 1 Ob 285/03y, MietSlg 55.816; 2. 6. 2004, 1 Ob 65/04x, EvBl 2005, 69/17. 178 179

97

§ 92

Kissich

tet.187 Die Unzumutbarkeit geht im Regelfall nicht dadurch verloren, dass die gefährdete Person das unzumutbare Verhalten des Gefährders eine Zeit lang hinnimmt.188 Schuldhaftes Handeln des Antragsgegners ist nicht erforderlich.189 Nach der Rechtsprechung sind auch die konkreten Lebensumstände und 30 die Persönlichkeit der Parteien zu berücksichtigen, so dass im Einzelfall bei einem bloß singulären Vorfall in gewissem Umfang einer Provokation durch den Antragsteller Bedeutung zukommen kann.190 Dies darf aber nicht missinterpretiert werden; ein vorangegangenes provozierendes Verhalten ist kein Freibrief für Misshandlungen.191 Angesichts des Gewaltverbots in familiären Beziehungen192 und der durch das Gewaltschutzgesetz zum Ausdruck gebrachten Ächtung jeglichen gewalttätigen Verhaltens sollte auch von vorsichtigen Stehsätzen wie diesen Abstand genommen werden, um rechtlich und rechtspolitisch unzulässige Deutungen von vornherein zu vermeiden. Unzumutbar iSd § 382b EO sind nach der Judikatur schwere oder wieder31 holte Misshandlungen durch den Partner, eine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung, die dauernde Gesundheitsschäden nach sich zu ziehen geeignet ist, die Bedrohung der Kinder, wiederholte ordinäre Beschimpfungen, der Vorwurf der Prostitution und die Aufforderung, sich umzubringen, das Zusammenleben mit einem Gatten, der in der Ehewohnung ehewidrige Beziehungen unterhält, aber auch mit einem nicht gewalttätigen, aber trunksüchtigen Ehegatten.193 Als Psychoterror wurde zB ständiges Beobachten, Nachfahren mit dem Auto, Herumschleichen im Garten und der Versuch des gewaltsamen Eindringens in die Wohnung bewertet.194 Ohne Zweifel erreicht auch das ständige Verfolgen mit Eifersucht, das Abschirmen vor dritten Personen und das laufende Überwachen und Kontrollieren die von § 382b EO geforderte Intensität von psychischer Gewalt.195 Beträchtlich von Psychoterror entfernt sind hingegen Handlungen wie das behindernde Parken des Autos und das Versperren des Garagentors.196 Ein Antrag auf Wegweisung ist nicht gerechtfertigt, wenn ein Antragsgegner morgens nach Gebrauch die Kaffeemaschine wieder ausschaltet, nachts eine Taschenlampe benutzt, um nicht die Antragstellerin und das gemeinsame Kind zu wecken, und der Antragsgegner gedroht hat, die 187 OGH 30. 3. 1999, 3 Ob 21/99f, JBl 2000, 45; 2. 6. 2004, 1 Ob 65/04x, EvBl 2005, 69/17 = EFSlg 109.360 und 109.361. 188 OGH 30. 6. 1998, 1 Ob 90/98m, SZ 71/118; 30. 3. 1999, 3 Ob 21/99f, JBl 2000, 45. 189 OGH 30. 6. 1998, 1 Ob 90/98m, SZ 71/118; LG Salzburg 15. 12. 2004, 21 R 464/04p, EFSlg 109.355. 190 OGH 30. 6. 1998, 1 Ob 90/98m, SZ 71/118; 30. 3. 1999, 3 Ob 21/99f, JBl 2000, 45; 27. 11. 2001, 1 Ob 244/01s. 191 So auch LGZ Wien 21. 1. 2003, 42 R 12/03f, EFSlg 106.306; 28. 4. 2004, 44 R 194/04m, EFSlg 109.366; klarstellend in diesem Sinn auch Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 382b EO Anm 4. 192 Vgl § 146a ABGB und § 49 EheG. 193 Zusammenfassend LGZ Wien 14. 5. 2003, 45 R 332/03m, EFSlg 106.294. 194 OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a. 195 Vgl OGH 16. 6. 1993, 7 Ob 554/93, EFSlg 73.226 (noch zu § 382 Abs 1 Z 8 EO aF). 196 OGH 2. 6. 2004, 1 Ob 65/04x, EvBl 2005, 69/17 mit weiteren Beispielen.

98

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

Katze, die unrein ist und die Wohnung verschmutzt, aus der Wohnung zu werfen.197 f) Dauer der einstweiligen Verfügungen nach § 382b EO Die Geltungsdauer der einstweiligen Verfügungen nach § 382b EO ist vom 32 Gericht festzulegen.198 Gem § 382b Abs 4 EO können die Maßnahmen nach Abs 1 oder Abs 2 unabhängig vom Fortbestehen der häuslichen Gemeinschaft der Parteien (zB Antrag auf Verhängung eines Rückkehrverbots und eines Aufenthaltsverbots im sozialen Nahbereich nach Auszug des Gewalttäters)199 und auch ohne Zusammenhang mit einem Hauptverfahren erlassen werden. Als Beispiele für solche Rechtfertigungsverfahren nennt Abs 4 das Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, das Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse und Verfahren zur Klärung der Benützungsberechtigung an der Wohnung. Da § 382b EO nicht auf Ehegatten beschränkt ist, sind auch andere Klagen denkbar, wie zB Räumungsklagen, Klagen auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft oder einer Mitmietgemeinschaft.200 Die antragstellende Person ist daher nicht gezwungen, eine Klage einzubringen.201 Solange aber ein Hauptverfahren nicht anhängig ist, darf die einstweilige Verfügung die Dauer von maximal drei Monaten nicht übersteigen (§ 382b Abs 4 EO). Wird die einstweilige Verfügung gleichzeitig mit oder erst nach Einbringung einer entsprechenden Klage beantragt, so kann die Verfügung längstens bis zum Ende aller Verfahren über die Benützung der Wohnung, also zB bis zum Ende eines Aufteilungsverfahrens nach §§ 81ff EheG, erlassen werden.202 Nach der Rechtsprechung kann eine außerhalb eines Hauptverfahrens erlassene Verfügung auch noch nach Einbringung einer solchen Klage innerhalb der Geltungsfrist auf Antrag verlängert werden, wenn der Gefährdungstatbestand fortdauert oder zumindest in diesem Zeitpunkt verwirklicht ist.203 Ist die Drei-Monatsfrist nach § 382b Abs 4 EO bereits abgelaufen, ohne dass ein Hauptverfahren eingeleitet wurde, kann die einstweilige Verfügung nicht mehr verlängert werden. Verhält sich der Antragsgegner, nach Wiederaufnahme der Gemeinschaft, wieder gefährdend iSd § 382b EO, ist eine neuerliche Antragstellung unter den Voraussetzungen nach § 382b EO möglich.204

197 198 199 200 201 202 203

LG Salzburg 24. 3. 2000, 21 R 91/00d, EFSlg 94.825. RV 252 BlgNR XX. GP 9; OGH 29. 1. 1998, 6 Ob 11/98f, SZ 71/13. S RV 252 BlgNR XX. GP 9; Mottl, ÖJZ 1997, 545. S RV 252 BlgNR XX. GP 9 mit weiteren Beispielen. RV 252 BlgNR XX. GP 8f. RV 252 BlgNR XX. GP 9. Vgl auch OGH 29. 1. 1998, 6 Ob 11/98f, SZ 71/13. OGH 29. 1. 1998, 6 Ob 11/98f, SZ 71/13; 16. 4. 2002, 10 Ob 426/01x, MietSlg 54.773

mwN. 204 Vgl Neuhauser, ÖA 1997, 46; Klicka/Albrecht in Floßmann, Recht 293; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 382b EO Anm 19 mwN; ausführlich Aichhorn, Lebenspartnerschaften 236f; Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung § 382b Rz 19; unzutr aA Sykora, AnwBl 1998, 295.

99

§ 92

Kissich

g) Verfahren und Vollzug 33

§ 382c und § 382d EO sehen für das Verfahren und den Vollzug Sonderregelungen vor, die von den allgemeinen Grundsätzen des Provisorialverfahrens abweichen. Zum größten Teil gelten diese Sonderregelungen nur für Maßnahmen nach § 382b Abs 1 EO (ausgenommen § 382c Abs 3 EO, § 382d Abs 1 und 4 EO), sodass Maßnahmen nach § 382b Abs 2 EO nach den allgemeinen Bestimmungen (§§ 354ff EO) anzuordnen und zu vollziehen sind.205 § 382c EO betrifft die Anhörung sowie die gerichtliche Zustellung. Danach ist von einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung der einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 EO insbesondere abzusehen, wenn eine weitere Gefährdung durch den Antragsgegner unmittelbar droht. Ob dies der Fall ist, ergibt sich vor allem aus dem Bericht der Sicherheitsbehörde (s Rz 20), den diese unverzüglich den Gerichten zu übermitteln hat. Das Gericht ist seinerseits von Amts wegen verpflichtet, die Dokumentation der Sicherheitsbehörde beizuschaffen (§ 382c Abs 1 S 1 und 2 EO). Das Gericht kann auch auf Grund des Vorbringens der antragstellenden Partei und der von ihr vorgelegten Bescheinigungsmittel eine weitere Gefährdung annehmen.206 Auch ohne eine solche kann aber von einer Anhörung abgesehen werden,207 zB wegen der damit verbundenen, unvertretbaren Zeitverzögerung oder wenn dadurch der Zweck der einstweiligen Verfügung vereitelt würde.208 Bei Unterbleiben der Anhörung steht dem Antragsgegner das Recht des Widerspruchs nach § 397 EO zu.209 Aus § 382c Abs 2 EO ist aber nicht der Umkehrschluss zu ziehen, dass einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 2 EO immer eine Anhörung vorangehen müsste.210 Da jedoch beim Aufenthaltsverbot im sozialen Nahbereich zwingend eine Interessensabwägung vorzunehmen ist (s Rz 23), wird eine Anhörung häufiger erforderlich sein. Gem § 55 Abs 1 EO können die Parteien zu Vernehmungen im Exekutionsverfahren und im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung neben ihren Bevollmächtigten auch Vertrauenspersonen beiziehen; dies kann untersagt werden, wenn begründete Besorgnis besteht, dass die Anwesenheit zur Störung der Einvernahme oder zur Erschwerung der Sachverhaltsfeststellung missbraucht wird.211 205 OGH 25. 5. 2000, 1 Ob 124/00t, EvBl 2000, 851/202 (noch zur Rechtslage vor der EONovelle 2003); Schwarzl, familia 2005, 550f. 206 Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 382c EO Anm 2; Schwarzl, familia 2005, 551. 207 LGZ Wien 11. 12. 2001, 42 R 573/01b, EFSlg 98.711; LG Salzburg 28. 8. 2003, 21 R 232/03v und LGZ Wien 5. 8. 2003, 42 R 527/03s, EFSlg 106.339. 208 Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 382c EO Anm 2. 209 LGZ Wien 11. 12. 2001, 42 R 573/01b, EFSlg 98.710; LG Salzburg 13. 2. 2002, 21 R 34/02z, EFSlg 102.545; LG Salzburg 28. 8. 2003, 21 R 232/03v und LGZ Wien 5. 8. 2003, 42 R 527/03s, EFSlg 106.339. Zum Widerspruchsrecht nach § 397 EO statt vieler Neumayr, Exekutionsrecht 236ff. 210 RV 252 BlgNR XX. GP 9; LG Salzburg 1. 3. 2000, 55 R 16/00z, EFSlg 94.832. 211 Vgl auch Neuhauser, ÖA 1997, 45.

100

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GeSchG)

§ 92

Ein Antrag, der innerhalb von zehn Tagen nach Anordnung eines sicher- 34 heitspolizeilichen Betretungsverbots gestellt wird, ist dem Antragsgegner unverzüglich zuzustellen. Durch die rechtzeitige Antragstellung nach § 382b EO verlängert sich nämlich die Geltungsdauer des Betretungsverbots; dieses endet dann erst mit der Zustellung der Gerichtsentscheidung an den Antragsgegner, spätestens jedoch mit Ablauf des zwanzigsten Tages nach Anordnung des Betretungsverbots (§ 38a Abs 7 SPG, s Rz 19). § 382c Abs 1 S 3 EO knüpft diese Zustellungsverpflichtung noch daran, dass der Antrag auf einstweilige Verfügung „ohne unnötigen Aufschub“ gestellt wurde. Darauf kann es aber, wie bereits Hopf/Kathrein212 feststellten, seit der SPG-Novelle 1999213 nicht mehr ankommen, weil dies nicht mehr Voraussetzung für die ex legeVerlängerung des Betretungsverbots ist. Von der Einbringung des Antrags auf einstweilige Verfügung ist auch die Sicherheitsbehörde unverzüglich in Kenntnis zu setzen (§ 38a Abs 7 SPG). Der Auftrag zum Verlassen der Wohnung ist, wenn der Antragsteller nichts 35 anderes beantragt, dem Antragsgegner durch das Vollstreckungsorgan beim Vollzug zuzustellen. Dieser Zeitpunkt ist auch der gefährdeten Partei mitzuteilen (§ 382c Abs 2 EO), so dass diese Vorbereitungen treffen kann, um beim Vollzug nicht anwesend sein zu müssen.214 Hat der Antragsgegner gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus Anlass einer Wegweisung nach § 38a Abs 3 SPG eine Abgabestelle bekannt gegeben, so gilt diese als Abgabestelle für das gerichtliche Verfahren. Hat er eine solche Bekanntgabe trotz Rechtsbelehrung unterlassen, so können die Zustellungen im gerichtlichen Verfahren ohne vorausgehenden Zustellversuch durch Hinterlegung vorgenommen werden (§§ 8 und 23 ZustellG); und zwar so lange, bis dem Gericht eine Abgabestelle bekannt gegeben wird (§ 382c Abs 4 EO). Damit ist sichergestellt, dass die einstweilige Verfügung auch dann wirksam wird, wenn der Antragsgegner beim Vollzug (zB auch wegen eines Betretungsverbots) nicht anwesend ist. Ist der Antragsgegner unbekannten Aufenthalts, kann ein Rückkehrverbot trotz Fehlens einer Zustelladresse erlassen werden; in diesem Fall wird die einstweilige Verfügung an den zu bestellenden Abwesenheitskurator zugestellt.215 Der Beschluss über den Antrag auf einstweilige Verfügung oder die Aufhebung einer solchen Verfügung ist der zuständigen Sicherheitsbehörde und, wenn Minderjährige betroffen sind, auch dem Jugendwohlfahrtsträger zuzustellen (§ 382c Abs 3 EO). Dies ist für die sicherheitspolizeilichen Organe von besonderer Bedeutung, weil sie einerseits mit dem Vollzug sowohl von Verfügungen nach § 382b Abs 1 als auch Abs 2 betraut werden können (s Rz 37) und es andererseits erforderlich sein kann, dass ein sicherheitsbehördliches Betretungsverbot aufzuheben ist.216 212 213 214 215 216

Zutr bereits Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 382c EO Anm 3. BGBl I 1999/146. RV 252 BlgNR XX. GP 10. Ausführlich Barth, AnwBl 2002, 83ff; zust Aichhorn, Lebenspartnerschaften 244. Vgl Rangger, Gewaltschutzgesetz 187; Schwarzl, familia 2005, 552f.

101

§ 92

Kissich

Einstweilige Verfügungen nach § 382b EO217 sind sofort von Amts wegen oder auf Antrag zu vollziehen (§ 382d Abs 1 EO). Beim Vollzug einer Maßnahme nach § 382b Abs 1 EO hat das Vollstreckungsorgan den Antragsgegner aus der Wohnung zu weisen und ihm alle Schlüssel zur Wohnung abzunehmen und bei Gericht zu erlegen. Für die Dauer der einstweiligen Verfügung ist daher der Austausch des Wohnungsschlosses durch die gefährdete Person zulässig.218 Das Vollstreckungsorgan hat dem Antragsgegner Gelegenheit zur Mitnahme seiner persönlichen Wertsachen und Dokumente sowie jener Sachen zu gewähren, die seinem alleinigen persönlichen Gebrauch oder der Ausübung seines Berufs dienen (§ 382d Abs 2 EO). Gem § 382d Abs 3 EO hat es dem beim Vollzug nicht anwesenden Antragsgegner auf seinen Antrag binnen zweier Tage Gelegenheit zu geben, seine Sachen iSd Abs 2 aus der Wohnung abzuholen; eine weitere Beschlussfassung des Gerichts ist dafür nicht erforderlich.219 Auf dieses Recht ist der Antragsgegner durch Hinterlassung einer Nachricht an der Wohnungstüre hinzuweisen (§ 382d Abs 3 EO). Damit wird sichergestellt, dass die gefährdete Person nicht gezwungen ist, ohne polizeilichen Schutz dem Gewalttäter Zutritt in die Wohnung zu verschaffen.220 Dieses Abholrecht steht dem Antragsgegner nach der Rechtsprechung nicht mehr zu, wenn er persönlich vom Sicherheitsorgan weggewiesen wurde und dabei bereits Gelegenheit zur Mitnahme von Gegenständen hatte.221 Seit der EO-Novelle 2003 können die Sicherheitsbehörden mit der Durch37 führung des Vollzugs einer einstweiligen Verfügung sowohl nach Abs 1 als auch Abs 2 des § 382b EO betraut werden. Dies hat den Vorteil, dass auch zur Durchsetzung der Bannmeile (§ 382b Abs 2 EO) faktische Amtshandlungen gesetzt werden können, die kein Verschulden voraussetzen.222 Dieser Auftrag umfasst nicht nur einzelne Vollzugshandlungen, sondern bezieht sich auf alle in der Folge notwendig werdenden Maßnahmen. Die im Spruch der einstweiligen Verfügung (generell) mit dem Vollzug beauftragte Sicherheitsbehörde hat in diesem Fall gem § 382d Abs 4 S 2 EO nur auf Ersuchen der gefährdeten Partei – ohne vorherige Zwischenschaltung des Gerichts – einzuschreiten, um den der einstweiligen Verfügung entsprechenden Zustand durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt herzustellen.223 Die Sicherheitsorgane haben dem Gericht darüber zu berichten (§ 382d Abs 4 EO). Einstweilige Verfügungen nach § 382b Abs 2 EO können aber auch weiterhin durch gerichtliche Un36

217 Bis zur EO-Novelle 2003 galt § 382d Abs 1 S 1 EO nur für einstweilige Verfügungen nach § 382b Abs 1 EO, nicht aber für Abs 2 leg cit. Zur damaligen Rechtslage zB Neuhauser, ÖA 1997, 47. 218 So bereits Neuhauser, ÖA 1997, 47; zust Aichhorn, Lebenspartnerschaften 245f. 219 OGH 29. 10. 2001, 7 Ob 180/01y, JBl 2003, 124 = EvBl 2002, 234/54; 7. 11. 2002, 2 Ob 269/02a, EFSlg 102.552. 220 RV 252 BlgNR XX. GP 10. 221 LGZ Wien 13. 8. 2002, 44 R 412/02t, EFSlg 102.551. 222 RV 39 BlgNR XXII. GP 43. 223 OGH 29. 10. 2001, 7 Ob 180/01y, JBl 2003, 124 = EvBl 2002, 234/54 = EFSlg 98.715.

102

Allgemeines

§ 93

terlassungsexekution mit Zwangsstrafen durchgesetzt werden.224 Bei Beugestrafen besteht für die antragstellende Partei allerdings die Gefahr der Selbstschädigung, wenn sie vom Antragsgegner finanziell abhängig ist.225

§ 93. (1) Die Ehegatten führen den gleichen Familiennamen. Dieser ist der Familienname eines der Ehegatten, den die Verlobten vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde als gemeinsamen Familiennamen bestimmt haben. Mangels einer solchen Bestimmung wird der Familienname des Mannes gemeinsamer Familienname. (2) Derjenige Verlobte, der nach Abs. 1 als Ehegatte den Familiennamen des anderen als gemeinsamen Familiennamen zu führen hat, kann dem Standesbeamten gegenüber vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, bei der Führung des gemeinsamen Familiennamens diesem seinen bisherigen Familiennamen unter Setzung eines Bindestrichs zwischen den beiden Namen voranoder nachzustellen. Dieser Ehegatte ist zur Führung des Doppelnamens verpflichtet. Eine andere Person kann ihren Namen nur vom gemeinsamen Familiennamen ableiten. (3) Derjenige Verlobte, der nach Abs. 1 mangels einer Bestimmung den Familiennamen des anderen Ehegatten als gemeinsamen Familiennamen zu führen hätte, kann dem Standesbeamten gegenüber vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, seinen bisherigen Familiennamen weiterzuführen; auf Grund einer solchen Erklärung führt jeder Ehegatte seinen bisherigen Familiennamen weiter. In diesem Fall haben die Verlobten den Familiennamen der aus der Ehe stammenden Kinder zu bestimmen (§ 139 Abs. 2). BGBl 1995/25 (Mat: NR IA 4/A, 21/A und 25/A BlgNR XIX. GP; JAB 49 BlgNR XIX. GP; BR: AB 4949 BlgBR) Lit zum Ehenamensrecht idF des BG BGBl 1975/412: Allg Lit zu §§ 89–100 und Deschka Ferdinand, Die Namensführung der Frau nach der Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, ÖStA 1975, 84; Koziol Helmut, Entschuldbare Fehlleistungen des Gesetzgebers? JBl 1976, 169; Hopf Gerhard in Ent Herbert/Hopf Gerhard, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (Wien 1976); Edlbacher Oskar, Das Recht des Namens in systematischer Darstellung (Wien 1978); Raschauer Bernhard, Namensrecht (Wien 1978); Zeyringer Walter, Neuerungen im Personenstandsrecht – einige Probleme in der Vollziehung, ÖStA 1978, 85; Schwimann Michael, Namensfragen in Auslandsfällen, NZ 1983, 65; Schwimann Michael, IPRFragen im Namensrecht, ÖStA 1983, 89; Schwind Fritz, Familienrecht3 (Wien 1984); Teschner Wolfgang, Die Wiederannahme des früheren Ehenamens nach § 63 Ehegesetz, 224 225

RV 39 BlgNR XXII. GP 43. Vgl Aichhorn, Lebenspartnerschaften 247.

103

§ 93

Kissich

ÖStA 1985, 19; Berger Elisabeth, Erwerb und Änderung des Familiennamens (Frankfurt am Main 2001). Lit zum Ehenamensrecht idF des BG BGBl 1986/97: Allg Lit zu §§ 89–100 und Zeyringer Walter, Das neue Namensänderungsgesetz, ÖJZ 1988, 737; derselbe, Der Familienname – Unterscheidungsmittel oder mehr? ÖStA 1990, 82 und 1991, 1, 9; Hintermüller Johann, Ist § 93 ABGB verfassungswidrig? Zum Stand der Diskussion über ein neues Ehenamensrecht, ÖStA 1993, 9; Zeyringer Walter, Namensführung nach § 93 Abs 2 ABGB. Anmerkung zum Erk VwGH 5. 11. 1992, 92/01/0606, ÖJZ 1993, 218; Berger Elisabeth, Erwerb und Änderung des Familiennamens (Frankfurt am Main 2001). Lit zum Ehenamensrecht idF des NamRÄG BGBl 1995/25: Allg Lit zu §§ 89–100 und Bernat Erwin/Jesser Helga, Meier & Müller, Meier-Müller oder Müller-Meier: Neue Grundsätze im Namensrecht, JAP 1995/96, 54; Hintermüller Johann, Namensrechtsänderungsgesetz – Kurzinformation über die wichtigsten Neuerungen für den Praktiker, ÖStA 1995, 46; Zeyringer Walter, Neuregelung des Ehe- und Kindesnamensrechts, ÖA 1995, 76; derselbe, Das Namensrechtsänderungsgesetz, ÖStA 1995, 14; derselbe, Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem Namensrechtsänderungsgesetz, ÖStA 1995, 63; Kraner Dietrich, Die Ermittlung des Familiennamens des für unehelich erklärten Kindes, ÖStA 1996, 55; Mottl Ingeborg, Ein Jahr neues Namensrecht, NZ 1996, 321; Aichhorn Ulrike/Furgler Erika, Das Familiennamensrecht, in Aichhorn Ulrike (Hrsg), Frauen und Recht (Wien 1997) 293; Mottl Ingeborg, Der Name der Ehefrau – Gleichberechtigung kontra Familieneinheit, in Floßmann Ursula (Hrsg), Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit (Linz 1997) 217; Zeyringer Walter, Die Zuständigkeit der Gemeinde Wien nach § 54 Abs 2 Z 6 PStG, ÖStA 1997, 65; Kurnik Peter, Namensbestimmungserklärung nach § 93 ABGB bei Eheschließung im Ausland, ÖStA 1998, 11; Ofner Helmut, Internationales Privatrecht und Namensführung, ÖStA 1998, 40; Zeyringer Walter, Keine Weitergabe eines Doppelnamens nach § 93 Abs 2 ABGB durch behördliche Namensänderung – Bemerkungen zum E VwGH 3. 12. 1997, 96/01/ 0742, ÖStA 1998, 28; Hinteregger Monika, Die Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, ÖJZ 1999, 741; Berger Elisabeth, Erwerb und Änderung des Familiennamens (Frankfurt am Main 2001); Ent Herbert, Der legistische Preis der Gleichberechtigung am Beispiel des Ehenamens, ÖStA 2001, 1, 15 = ÖA 2001, 289; Teschner Wolfgang, Zeitpunkt der Widerrufbarkeit von Erklärungen, die über die Bestimmung des Familiennamens nach § 93 ABGB abgegeben worden sind, ÖStA 2003, 99; derselbe, Die Bestimmung des Familiennamens vor der Eheschließung (Anlage 6 zur PStV) und bei der Eheschließung (Anlage 15 zur PStV), deren Festhalten und Entgegennahme, ÖStA 2004, 64; Zeyringer Walter/Weitzenböck Johann/Koutny Martin, Das österreichische Personenstandsrecht2 (Wien 1992 idF 13. Lfg 2006).

Übersicht I.

104

Allgemeines 1. Entstehungsgeschichte 2. Grundsatz der Namenseinheit und Begriff des Verlobten 3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Namensbestimmung 4. Form der Erklärung 5. Empfänger der Namenserklärung

1–6 1 2 4 5 6

Allgemeines

II.

Gemeinsamer Familienname (§ 93 Abs 1 S 2) 1. Bestimmung des gemeinsamen Familiennamens 2. Unwirksame Namenswahl III. Namenserwerb ex lege (§ 93 Abs 1 S 3) IV. Doppelname (§ 93 Abs 2) V. Änderung des Familiennamens des namensgebenden Ehegatten VI. Getrennte Namensführung (§ 93 Abs 3) VII. Übergangsbestimmungen (§§ 72–72e PStG)

§ 93 7–10 7 9 11 12–17 18–20 21–23 24–26

I. Allgemeines 1. Entstehungsgeschichte Das Ehenamensrecht liefert seit den 70er Jahren Zündstoff für rechtspoli- 1 tische Diskussionen.1 In der Stammfassung des ABGB (damals § 92) war vorgesehen, dass die Frau auf Grund der Eheschließung zwingend den Familiennamen des Mannes erhält. Dies änderte sich erst mit Inkrafttreten des BG über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (EheRwG 1975 BGBl 1975/412).2 Ab 1. 1. 19773 bestand die Möglichkeit, vor der Eheschließung in qualifizierter Form den Namen der Frau als gemeinsamen Familiennamen zu bestimmen. Mangels Vereinbarung war der Mannesname ex lege gemeinsamer Familienname (§ 93 Abs 1 idF EheRwG 1975). Zur Wahrung der Namenskontinuität wurde der Frau in diesem Fall das Recht zuerkannt, ihren bisherigen Familiennamen unter Setzung eines Bindestrichs nachzustellen. Sie konnte verlangen, dass sie in Urkunden aller Art mit diesem Doppelnamen bezeichnet wird, ausgenommen davon waren jedoch die Personenstandsbücher und -urkunden (§ 93 Abs 2 idF EheRwG 1975). Ein Familienname, der von einem früheren Ehegatten aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe abgeleitet wurde, durfte weder als gemeinsamer Familienname geführt noch diesem nachgestellt werden; in diesem Fall musste der zuvor geführte Name verwendet werden (§ 93 Abs 3 idF EheRwG 1975). Diese Regelungen erregten von Anbeginn an Kritik, einerseits wegen der Privilegierung des Mannes beim gemeinsamen Familiennamen, andererseits wegen des nur Frauen zukommenden Rechts auf einen Doppelnamen.4 In weiterer Folge qualifizierte auch der VfGH § 93 als verfassungswidrig, allerdings nur im Hin1 Zu den Reformen im Ehenamensrecht vgl Zeyringer, ÖStA 1990, 82 und 1991, 1 und 9 mwN; Aichhorn/Furgler in Aichhorn, Frauen 300ff; Ent, ÖStA 2001, 1 und 15 = ÖA 2001, 289 mwN; ausführlich zur historischen Entwicklung Berger, Erwerb 19ff; s auch JAB 49 BlgNR XIX. GP 2ff. 2 Zu dieser Reform zB Ent, NZ 1975, 149f. 3 Gem Art V des BG BGBl 1975/412 traten § 93 Abs 1 und Abs 3 (soweit er sich auf Abs 1 bezieht) erst am 1. 1. 1977 in Kraft; die Regelung des § 93 Abs 2 (und Abs 3 soweit er sich auf Abs 2 bezieht) hingegen schon mit 1. 1. 1976. 4 Vgl zB Schwimann, ÖJZ 1976, 366; Koziol, JBl 1976, 169; Schwind, Familienrecht3, 78; Zeyringer, ÖStA 1990, 83; Hintermüller, ÖStA 1993, 9ff.

105

§ 93

Kissich

blick auf die Benachteiligung des Mannes: Mit Erkenntnis vom 5. 3. 19855 wurde § 93 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben, weil Männern, die den Namen der Frau annahmen, das Recht auf Nachstellung ihres früheren Namens verwehrt war. Daraufhin wurde § 93 Abs 2 durch das Ehenamensrechtsänderungsgesetz 1986 (BGBl 1986/97) geschlechtsneutral gestaltet. Am Vorrang des Mannesnamens hielt der Gesetzgeber jedoch weiterhin fest;6 es wurde lediglich hervorgehoben, dass auch der gemeinsame Familienname grundsätzlich zu bestimmen ist, und die Frist für solche Erklärungen verlängert (Abgabe auch noch bei der Eheschließung möglich). Die Neuregelungen, die am 1. 3. 19867 in Kraft traten, stießen abermals auf Kritik, insbesondere weil es nicht zulässig war, bei der Bildung des Doppelnamens den bisherigen Namen dem gemeinsamen Familiennamen voranzustellen oder überhaupt den vor der Ehe geführten Familiennamen beizubehalten.8 Wegen der großen Auffassungsunterschiede darüber, ob es Ehegatten möglich sein soll, verschiedene Familiennamen zu führen, gelang es jedoch nicht, eine RV in den Nationalrat einzubringen.9 Erst das Erkenntnis des VfGH vom 18. 12. 199310, wonach der subsidiäre Vorrang des Mannesnamens nach § 93 Abs 1 verfassungskonform sei, brachte wieder Bewegung in den Reformprozess; als Ergebnis wurde 1995 das Namensrechtsänderungsgesetz (NamRÄG, BGBl 1995/25) verabschiedet, das seit 1. 5. 199511 in Kraft steht. Dieses brachte eine weitere Liberalisierung des Ehenamensrechts, ohne jedoch eine völlige Gleichstellung von Mann und Frau auf diesem Gebiet zu verwirklichen (s Rz 11). 2. Grundsatz der Namenseinheit und Begriff des Verlobten 2

Gem § 93 Abs 1 S 1 sollen die Ehegatten grundsätzlich den gleichen Familiennamen führen. Der Ehename wird entweder durch Wahl der Verlobten oder ex lege (§ 93 Abs 1 S 3) bestimmt. Dieser vom Gesetzgeber postulierte Grundsatz der Namenseinheit wird durch die Ausnahmeregelungen des § 93 Abs 2 und 3 jedoch erheblich abgeschwächt.12 Nach Abs 2 kann der Verlobte, 5 VfGH 5. 3. 1985, G 174/84, VfSlg 10.384 = JBl 1985, 414 (Pichler) = ÖStA 1985, 59 = ZfVB 1985, 551/2016. 6 Hingegen war in der RV (865 BlgNR XVI. GP) noch vorgesehen, dass mangels einer Namensbestimmung nach § 93 Abs 1 S 2 „der Familienname des Mannes oder der Frau gemeinsamer Familienname [wird], je nachdem ob nach dem Ergebnis statistischer Ermittlungen für das der Eheschließung zweite vorangegangene Kalenderjahr der eine oder der andere häufiger als Folge einer Eheschließung gemeinsamer Familienname geworden ist“ (§ 93 Abs 1 S 3 idF dieser RV). Das statistische Ergebnis wäre nach S 4 des Regelungsvorschlags für jedes Jahr bis zum 30. Oktober des folgenden Jahres kundzumachen gewesen. 7 Vgl Art III des BG BGBl 1986/97. 8 Ausführlich mwN Zeyringer, ÖStA 1990, 84. 9 S JAB 49 BlgNR XIX. GP 3. 10 VfGH 18. 12. 1993, G 227/92, VfSlg 13.661 = JBl 1994, 326 (Pichler) = ecolex 1994, 132 = ÖStA 1994, 19 = ÖJZ 1994, 677/13 (VfGH) = EFSlg 70.572 = ZfVB 1995, 433/1208. 11 Vgl Art VII des BG BGBl 1995/25. 12 Vgl auch Bernat/Jesser, JAP 1995/96, 56.

106

Allgemeines

§ 93

der den Familiennamen des anderen angenommen hat, zusätzlich seinen eigenen (bisherigen) Familiennamen führen; Abs 3 ermöglicht es der Ehefrau, die nach Abs 1 ex lege den Familiennamen des Mannes führen müsste, ihren bisherigen Familiennamen weiterzuführen, so dass die Eheleute unterschiedliche Familiennamen tragen. Der von § 93 verwendete Begriff des „Verlobten“ dient nur der Abgren- 3 zung zum nachfolgenden Familienstand als Eheleute, setzt aber (wie auch in § 17 EheG) kein Verlöbnis iSd § 45 voraus.13 Unter dem „Familiennamen“ des/der Verlobten ist der Name zu verstehen, den er oder sie unmittelbar vor der Eheschließung führt.14 3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Namensbestimmung Gem § 93 haben die namensrechtlichen Erklärungen „vor oder bei der 4 Eheschließung“ zu erfolgen; dasselbe gilt für die Bestimmung des Kindesnamens nach § 139 Abs 2. Ob sich die Wortfolge „bei der Eheschließung“ auf den Zeitpunkt bezieht, in dem die Ehe rechtlich zustande kommt15 (spätestens mit Abgabe der zweiten Ehekonsenserklärung16, s § 17 EheG) oder auf den gesamten Vorgang der Trauung (der mit dem Abschluss der Eintragung in das Ehebuch durch Unterschrift des Standesbeamten endet)17, ist gesetzlich nicht eindeutig geklärt. Für den Zeitpunkt des rechtlichen Zustandekommens der Ehe spricht, dass anderenfalls eine „Namenserklärung über den Zeitpunkt der Trauung hinaus bis zur Vornahme der Eintragung, die vom Gesetz nicht befristet ist,“ möglich wäre.18 Die zweite Auffassung wurde in der Literatur bisher nicht näher begründet. Nach den Gesetzesmaterialien muss die Erklärung „spätestens vor Abschluss des Trauungsaktes“ abgegeben werden.19 Der Trauungsakt endet jedoch nicht mit der Abgabe der Ehekonsenserklärung, sondern umfasst (zumindest) auch den Ausspruch des Standesbeamten, dass die Verlobten nun rechtmäßig verbundene Eheleute sind (§ 47 Abs 2 PStG).20 Demnach ist eine Ehenamenserklärung auch noch nach Abgabe der zweiten Ehekonsenserklärung (zumindest bis zum vollendeten Ausspruch des Standesbeamten) rechtswirksam. Ob die Beurkundung der Trauung noch zum Trauungsakt ge-

So bereits Hopf in Ent/Hopf, Neuordnung § 93 ABGB Anm 5. So auch Zeyringer, ÖStA 1995, 14. 15 So Mottl, NZ 1996, 333; Teschner, ÖStA 2003, 99; derselbe, ÖStA 2004, 67; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93 Rz 2. 16 Bei Trauung durch den Scheinstandesbeamten kommt die Ehe erst durch Eintragung in das Ehebuch zustande (§ 15 Abs 2 EheG). 17 So Zeyringer, ÖStA 1995, 14; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93 Rz 2; Zeyringer/Weitzenböck/Koutny, Personenstandsrecht2, 128/2; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 93 Anm 5. 18 Mottl, NZ 1996, 333; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93 Rz 2. 19 JAB 49 BlgNR XIX. GP 2. 20 Das Unterbleiben dieses Ausspruchs hat allerdings keine Auswirkung auf die Gültigkeit der Ehe. 13 14

107

§ 93

Kissich

rechnet werden kann, hängt von der Auslegung des vom Justizausschuss verwendeten Begriffs „Trauungsakt“ ab. Darunter sind nach Teschner21 alle, auch die zivilrechtlich bedeutungslosen Tätigkeiten des Standesbeamten zu verstehen; dies spricht für eine weite Auslegung. Ferner ist zu bedenken, dass die Erklärungsfrist bei Trauungen durch einen Scheinstandesbeamten (§ 15 Abs 2 EheG) zweifellos erst mit der Eintragung in das Ehebuch endet; und zwar auch dann, wenn die Verlobten ihre Ehe bewusst vor einem unzuständigen Standesbeamten schließen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese, vor dem Scheinstandesbeamten geschlossenen Ehen im Hinblick auf die namensrechtliche Erklärungsfrist begünstigt sein sollten. Eine großzügige, über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Interpretation der Erklärungsfrist iSd zweitgenannten Auffassung scheint nicht nur dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen; damit können auch nachträgliche, verwaltungsrechtliche Namensänderungen (mit denen im Wesentlichen dieselben Rechtsfolgen erreicht werden, s Rz 10, 20) hintan gehalten werden. Da in der österreichischen standesamtlichen Praxis die Ehe üblicherweise unmittelbar nach dem Ausspruch des Standesbeamten nach § 47 Abs 2 PStG beurkundet wird,22 ist im Allgemeinen nicht zu befürchten, dass wegen der noch fehlenden Beurkundung erst Jahre nach der Eheschließung Namensbestimmungserklärungen abgegeben werden können. In der Praxis dürfte dieser Meinungsstreit eine untergeordnete Rolle spielen, weil solche Erklärungen gewöhnlich schon in der Verhandlung zur Ermittlung der Ehefähigkeit abgegeben und beurkundet werden.23 4. Form der Erklärung 5

Alle namensrechtlichen Erklärungen24 haben in der qualifizierten Form der öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde zu erfolgen. Öffentliche Urkunden sind gem § 292 ZPO Urkunden, die „von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgesehenen Form errichtet sind“. Öffentlich beglaubigte Urkunden sind von den Parteien selbst errichtete Urkunden, auf denen die Echtheit der Unterschrift oder des Handzeichens durch eine dazu befugte öffentliche Behörde oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person bezeugt ist.25 Öffentliche Urkunden über Namenserklärungen können von jedem Standesbeamten oder Notar errichtet werden. Daher erfüllt eine (zB während der Verhandlung über die Ehefähigkeit) aufgenommene Niederschrift eines Standesbeamten diese Voraussetzung. Zur öffentlichen Beglaubigung der Na-

21 22 23 24 25

108

Teschner, ÖStA 2004, 67. Vgl Mottl, NZ 1996, 333 FN 128. JAB 49 BlgNR XIX. GP 7; Hintermüller, ÖStA 1995, 46; vgl auch Mottl, NZ 1996, 333. S §§ 93, 93a, § 139, § 162d, § 183 iVm § 162d, §§ 72a, 72b PStG. Vgl Hopf in Ent/Hopf, Neuordnung § 93 ABGB Anm 7.

Allgemeines

§ 93

mensbestimmung ist neben den Standesbeamten (§ 53 Abs 1 PStG) und den Notaren (§ 53 Abs 3 PStG iVm § 79 NO) jedes österreichische Zivilgericht (§ 53 Abs 3 PStG iVm § 188 AußStrG) sowie jede österreichische Vertretungsbehörde im Ausland (§ 53 Abs 2 PStG) befugt.26 Als öffentliche Urkunden gelten ferner ausländische Urkunden, die auf Grund eines Staatsvertrags den inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind.27 Darüber hinaus soll nach den EB eine im Ausland abgegebene Namenserklärung wirksam sein, wenn sie den Formvorschriften des ausländischen Staates entspricht (Ortsrecht; § 8 IPRG).28 Erklärungen im Ausland entfalten daher für den österreichischen Rechtsbereich namensrechtliche Wirkung, wenn sie rechtzeitig abgegeben werden und entweder die Ortsform erfüllen oder in Form einer ausländischen Urkunde erfolgen, die nach einem Staatsvertrag die inländische öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde substituiert. 5. Empfänger der Namenserklärung Empfangsstelle ist die Personenstandsbehörde, welche die namensrechtli- 6 che Wirkung in ein von ihr geführtes Buch einzutragen hat.29 Wenn die namensrechtlichen Erklärungen nicht vor dem zuständigen Standesbeamten abgegeben werden, sind sie diesem in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde zu übermitteln (§ 54 Abs 1 PStG). Für Erklärungen nach §§ 93, 93a sowie § 139 Abs 2 ist die Personenstandsbehörde zuständig, in deren Ehebuch die Eheschließung eingetragen ist (§ 54 Abs 2 Z 2–4 PStG). Dasselbe gilt für die Entgegennahme der Zustimmungserklärung des Ehepartners eines legitimierten oder an Kindes Statt angenommenen Kindes (§ 54 Abs 2 Z 5 lit b PStG). Die Zustimmungserklärung des Legitimierten oder Adoptierten selbst (s Rz 18) ist der Personenstandsbehörde zu übermitteln, in deren Geburtenbuch die Geburt des Kindes eingetragen ist (§ 54 Abs 2 Z 5 lit a PStG). Wurde die Ehe oder Geburt in keinem inländischen Ehe- oder Geburtenbuch registriert, besteht die Zuständigkeit der Gemeinde Wien (§ 54 Abs 2 PStG).

26 Zeyringer/Weitzenböck/Koutny, Personenstandsrecht2, 84; JAB 49 BlgNR XIX. GP 7; Mottl, NZ 1996, 332. 27 S JAB 49 BlgNR XIX. GP 7. Zu den Übereinkommen vgl zB BGBl 1968/27, BGBl 1973/274, BGBl 1982/239 (weitere Nachweise bei Zeyringer/Weitzenböck/Koutny, Personenstandsrecht2, 419ff). 28 JAB 49 BlgNR XIX. GP 7; Zeyringer, ÖStA 1995, 14; Zeyringer, ÖStA 1997, 66; ebenso der Erlass des BMI 19. 10. 1997, 36.120/106-IV/4/97, Namensbestimmungserklärungen anlässlich der Eheschließung im Ausland, ÖStA 1998, 2; Kurnik, ÖStA 1998, 11; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93 Rz 3; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 116f; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 93 Anm 4. Weiterführend Mottl, NZ 1996, 332f und Zeyringer/Weitzenböck/Koutny, Personenstandsrecht2, 87. AA Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93 Rz 6. 29 Vgl Zeyringer, ÖStA 1995, 18.

109

§ 93

Kissich

II. Gemeinsamer Familienname (§ 93 Abs 1 S 2) 1. Bestimmung des gemeinsamen Familiennamens 7

Die Verlobten können frei wählen, ob der Familienname des Mannes oder jener der Frau als gemeinsamer Familienname geführt wird. Es kann allerdings nur ein Name als gemeinsamer Familienname bestimmt werden, den einer der Verlobten unmittelbar vor der Eheschließung rechtmäßig führt. Dies kann auch ein Familienname aus einer früheren Ehe sein;30 nicht jedoch ein Doppelname, den ein Verlobter in einer früheren Ehe gem § 93 Abs 2 geführt hat (s Rz 16).31 Unzulässig ist ferner die Kombination aus den bisherigen Familiennamen von Braut und Bräutigam. Ein Mehrfachname kann jedoch als gemeinsamer Familienname geführt werden, wenn der unmittelbar vor der Eheschließung geführte Familienname eines Verlobten ein zusammengesetzter Name ist (zB bei Herkunft aus fremden Rechtsordnungen).32 Wollen die Verlobten einen Familiennamen, den keiner von beiden aktuell und berechtigter Weise führt, muss vor der Eheschließung eine zivil- oder verwaltungsrechtliche Namensänderung beantragt werden (s Rz 18–20). Ist diese rechtzeitig (s Rz 4) erfolgreich, kann der neue Familienname eines Verlobten zum gemeinsamen Ehenamen bestimmt werden. 8 Die Bestimmung des gemeinsamen Familiennamens ist ein familienrechtliches, zweiseitiges Rechtsgeschäft, auf das die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts anzuwenden sind (zB Anfechtung wegen Willensmängeln, kein einseitiger Widerruf). Aus dem familienrechtlichen Bezug ergeben sich allerdings einige Abweichungen: Eine Stellvertretung im Willen ist nicht möglich; Namenserklärungen eines beschränkt Geschäftsfähigen bedürfen nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters; Bedingungen und Befristungen sind nur sehr eingeschränkt zulässig und dürfen sich nicht auf die Zeit nach der Eheschließung beziehen. So ist zB eine Erklärung unter der Bedingung, dass die Ehe spätestens bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen ist, rechtswirksam.33 2. Unwirksame Namenswahl 9

Die Namensbestimmung ist unwirksam, wenn sie nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Form erfolgt, wenn ein unzulässiger Name angenommen werden soll oder ein Verlobter geschäftsunfähig ist oder die Erklärung wegen Willensmängeln (zB Irrtum, List) erfolgreich angefochten worden ist. In diesen Fällen wird gem § 93 Abs 1 S 3 der Name des Mannes zum gemeinsamen Familiennamen. Eine gemeinsame Vereinbarung der Verlobten, Vgl JAB 49 BlgNR XIX. GP 7. VwGH 3. 12. 1997, 96/01/0742, VwSlg 14.799 (A) = ÖStA 1998, 84 (zust Zeyringer, ÖStA 1998, 28) = ZfVB 1999, 105/228 = ÖJZ 1998, 756/146 (VwGH). 32 ZB VwGH 23. 2. 1995, 93/18/0509, ZfVB 1996, 468/1265; mit weiteren Beispielen Zeyringer, ÖStA 1995, 63. 33 Ausführlich Hopf in Ent/Hopf, Neuordnung § 93 ABGB Anm 8; s auch Mottl, NZ 1996, 332; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 93 Anm 4. 30 31

110

Namenserwerb ex lege

§ 93

wonach jeder seinen bisherigen Namen weiterführt (unzulässige Namenswahl iSd § 93 Abs 1 S 2), ist in eine Erklärung nach § 93 Abs 3 umzudeuten.34 Bei verspäteter Abgabe einer ehenamensrechtlichen Erklärung besteht 10 die Möglichkeit, diese im Wege einer verwaltungsrechtlichen Namensänderung nachzuholen. Gem § 2 Abs 1 Z 7 NÄG35 ist ein Antrag auf Namensänderung zu bewilligen, wenn „der Antragsteller einen Familiennamen erhalten will, den er durch eine befristete namensrechtliche Rechtshandlung erlangt hätte, jedoch die rechtzeitige Rechtshandlung ohne sein Verschulden oder bloß mit einem minderen Grad hievon unterlassen hat“. Fristgebunden sind etwa die Erklärungen nach § 93 oder § 162d. Bloß leichte Fahrlässigkeit wird in diesem Zusammenhang zu bejahen sein, wenn der Standesbeamte (bzw bei Eheschließungen im Ausland das trauungsbefugte Organ) die Eheleute nicht über die namensrechtlichen Möglichkeiten aufgeklärt (§ 22 PStV) hat.36 Der Grad des Verschuldens ist von der Verwaltungsbehörde zu beurteilen.37 Eine Namensänderung nach § 2 Abs 1 Z 7 NÄG ist insofern begünstigt, als sie von Verwaltungsabgaben und Gebühren des Bundes befreit ist (§ 6 NÄG).

III. Namenserwerb ex lege (§ 93 Abs 1 S 3) Bestimmen die Verlobten keinen gemeinsamen Ehenamen oder ist ihre Be- 11 stimmung nicht rechtswirksam (s Rz 9), wird ex lege der Familienname des Mannes gemeinsamer Familienname (§ 93 Abs 1 S 3). Dieser Vorrang des Mannesnamens bei der Eheschließung ist nach Ansicht des VfGH38 unbedenklich. Es handle sich hier nicht um eine – des Ausgleichs zugunsten der Frau bedürftige – Bevorzugung des Mannes, sondern um die technisch einfachste Form, die von den Verlobten regelmäßig gewünschte Rechtsfolge eintreten zu lassen39 und „die Bedachtnahme auf die erfahrungsgemäß im Einzelfall vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten“.40 Diese Entscheidung wurde, ebenso wie die Regelung selbst, zu Recht als Überrest patriarchalischer Denkmuster und Familienstrukturen kritisiert.41 Eine sachgerechtere Lösung, Vgl Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93 Rz 2. Namensänderungsgesetz BGBl 1988/195 idF des NamRÄG BGBl 1995/25. 36 JAB 49 BlgNR XIX. GP 11; ebenso Zeyringer, ÖA 1995, 79. 37 JAB 49 BlgNR XIX. GP 11; ebenso Zeyringer, ÖStA 1995, 20f. 38 VfGH 18. 12. 1993, G 227/92, VfSlg 13.661 = JBl 1994, 326 (zust Pichler) = ecolex 1994, 132 = ÖStA 1994, 19 = ÖJZ 1994/13 (VfGH) = EFSlg 70.572 = ZfVB 1995, 677/1208. Anders entschied der VfGH im Hinblick auf die Diskriminierung des Mannes beim Doppelnamen: Diese Regelung wurde als verfassungswidrig aufgehoben (VfGH 5. 3. 1985, G 174/84, VfSlg 10.384, s auch Rz 1). 39 So bereits im Erkenntnis zum „Doppelnamen“: VfGH 5. 3. 1985, G 174/84, VfSlg 10.384 (274). 40 VfGH 18. 12. 1993, G 227/92, VfSlg 13.661 (825). Zutreffend hingegen das deutsche BVerfG 5. 3. 1991, 1 BvL 83/86, 1 BvL 24/88, ZfRV 1991, 386 (Bernat), das gerade eine solche Argumentation für unzulässig erachtete. 41 So bereits die abweichende persönliche Stellungnahme der Abg. Stoisits anlässlich der Beschlussfassung des NamRÄG (49 BlgNR XIX. GP 22f). Krit auch Bernat/Jesser, JAP 1995/96, 34 35

111

§ 93

Kissich

die nicht an bloß traditionsbedingte Wahrscheinlichkeiten anknüpft, müsste bei Nichteinigung von Braut und Bräutigam vorsehen, dass jeder der Verlobten automatisch seinen bisherigen Namen weiterführt. Allerdings kann die Frau auch nach geltendem Recht die zwangsweise Übernahme des Namens ihres Mannes durch rechtzeitige und formgebundene Erklärung nach § 93 Abs 3 verhindern (s Rz 21ff). Ein solcher „Ausweg“ steht Frauen bei der Nichteinigung über den Kindesnamen (s § 139) nicht zur Verfügung, so dass dieses – nach Ansicht des VfGH ebenfalls verfassungskonforme42 – Männerprivileg weitaus gravierender wirkt.43

IV. Doppelname (§ 93 Abs 2) Der Verlobte, dessen Name nicht zum gemeinsamen Familiennamen bestimmt worden ist, hat das Recht, seinen eigenen Namen unter Setzung eines Bindestrichs voran- oder nachzustellen. Dass dieses Recht nicht auch dem Ehegatten, dessen Name ohnehin zum gemeinsamen Familiennamen bestimmt wurde, zukommt, ist nach Ansicht des VwGH nicht gleichheitswidrig.44 Der Ehegatte, dessen Name zum gemeinsamen Familiennamen wurde, kann einen solchen Doppelnamen auch nicht durch verwaltungsrechtliche Namensänderung nach dem NÄG erlangen, da einem solchen Antrag der Versagungsgrund nach § 3 Abs 1 Z 4 NÄG entgegensteht.45 Danach darf die Änderung des Familiennamens nicht bewilligt werden, wenn der beantragte Familienname aus mehreren Namen zusammengesetzt ist; die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 Z 1 NÄG ist auf diesen Fall nicht anwendbar. Der von § 93 Abs 2 verwendete Rechtsbegriff „Doppelname“ weicht 13 vom allgemeinen Sprachgebrauch ab. Darunter ist stets ein Kombinationsname zu verstehen, der aus dem gemeinsamen Familiennamen und dem Familiennamen des Verlobten, dessen früherer Name nicht zum gemeinsamen Familiennamen bestimmt wurde, gebildet wird. Die Annahme eines Doppelnamens iSd § 93 Abs 2 ist daher auch zulässig, wenn der gemeinsame Familienname bereits ein zusammengesetzter Name ist; dies kann zur Führung eines Drei- oder sogar Vierfachnamens führen.46 12

55f mwN; Mottl, NZ 1996, 322 mwN; Mottl in Floßmann, Recht 220f, 232f; Neuwirth in DeixlerHübner, Stellung 12; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93 Rz 1; Hinteregger, Familienrecht3, 56; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93 Rz 1. 42 VfGH 4. 12. 1997, G 124/96, VfSlg 15.031 = ZfVB 1998, 563/1391 und 1998, 564/1399 und 1998, 575/1428. 43 Zu Recht krit Mottl, NZ 1996, 325f; Bernat/Jesser, JAP 1995/96, 58f; Mottl in Floßmann, Recht 225ff; Aichhorn/Furgler in Aichhorn, Frauen 322ff; Hinteregger, ÖJZ 1999, 746; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93 Rz 1; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93 Rz 1. 44 VwGH 3. 12. 1997, 96/01/0742, VwSlg 14.799 (A) = ÖStA 1998, 84 (zust Zeyringer, ÖStA 1998, 28) = ÖJZ 1998, 756/146 (VwGH) = ZfVB 1999, 105/288. 45 Vgl VwGH 3. 12. 1997, 96/01/0742, VwSlg 14.799 (A) = ÖStA 1998, 84 (zust Zeyringer, ÖStA 1998, 28) = ÖJZ 1998, 756/146 (VwGH) = ZfVB 1999, 105/288. 46 Vgl auch Zeyringer, ÖStA 1995, 15; Mottl, NZ 1996, 323 FN 26f.

112

Doppelname

§ 93

Nur der bisherige Name kann zur Bildung des Doppelnamens herange- 14 zogen werden.47 Das ist der unmittelbar vor der Eheschließung geführte Familienname, also auch ein aus einer früheren, aufgelösten Ehe abgeleiteter Familienname oder ein unmittelbar vor der Eheschließung durch verwaltungsrechtliche Namensänderung erworbener Familienname (s Rz 7, 20).48 Nach einer Entscheidung des VwGH ist es auch noch nach der Eheschließung zulässig, nur den voran- oder nachgestellten Namen im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens zu ändern.49 Diese Auffassung wird von Zeyringer50 heftig kritisiert, da sie sowohl dem Zweck (Sicherstellung der Namenskontinuität mit dem früheren Namen) als auch dem Wortlaut des § 93 Abs 2, wonach nur der bisher geführte Name nachgestellt werden darf, widerspreche; ein derartiger Antrag auf Namensänderung sei nicht zu bewilligen, weil dadurch eine Umgehung des § 93 Abs 2 ermöglicht werde (s § 3 Abs 1 Z 1 NÄG). Die Erklärung, dass der bisherige Name dem gemeinsamen Familienna- 15 men entweder voran- oder nachgestellt werden soll, muss rechtzeitig und in qualifizierter Form abgegeben werden (s Rz 4, 5); sie wird – ebenso wie der gemeinsame Familienname – in das Ehebuch eingetragen (§ 24 Abs 2 Z 6 PStG). Seit dem Inkrafttreten des NamRÄG 1995 ist der Doppelname nach § 93 16 Abs 2 verpflichtend zu führen, sowohl in öffentlichen Urkunden und Dokumenten (wie zB Pass, Führerschein, Zeugnisse) als auch im privatrechtlichen Rechtsverkehr. Bei Eintragungen in personenstandsrechtliche Bücher ist zusätzlich zum Doppelnamen anzugeben, welcher Bestandteil des Doppelnamens der gemeinsame Familienname ist (§ 10 Abs 2 PStG).51 Ähnliches gilt für amtliche Lichtbildausweise, die ab dem 1. Mai 1995 ausgestellt werden (s Rz 26). Durch die Kennzeichnung des Namensteils, der gemeinsamer Familienname ist, wird ersichtlich, welcher Teil des Familiennamens weitergegeben werden kann. Ein gemeinsamer Ehename oder ein Kindesname kann nur vom gemeinsamen Familiennamen, nicht hingegen vom voran- oder nachgestellten bisherigen Namen abgeleitet werden (§ 93 Abs 2 S 3). Obwohl die Führung eines Doppelnamens nach § 93 Abs 2 seit dem NamRÄG 1995 nicht mehr ausdrücklich als „höchstpersönliches Recht“ bezeichnet wird, hat sich die Rechtslage diesbezüglich nicht geändert.52 S JAB 49 BlgNR XIX. GP 6f. § 93 Abs 3 aF wurde durch das NamRÄG 1995 ersatzlos aufgehoben (vgl auch JAB 49 BlgNR XIX. GP 7). 49 So noch zum alten Recht VwGH 5. 11. 1992, 92/01/0606, VwSlg 13.735 (A) = JBl 1993, 542 = EFSlg 67.659. 50 Vgl noch zum alten Recht Zeyringer, ÖJZ 1993, 219. 51 Vgl die ausdrückliche Anordnung in § 19 Z 4 PStG (Geburtenbuch), § 24 Abs 2 Z 7 PStG (Ehebuch), § 28 Abs 1 Z 1 PStG (Sterbebuch), § 29 Abs 2 Z 1 PStG (Todeserklärungen), § 34 Abs 1 Z 3 PStG (Heiratsurkunde). Dazu ausführlich mit weiteren Angaben Zeyringer, ÖStA 1995, 18; Zeyringer/Weitzenböck/Koutny, Personenstandsrecht2, 26f. 52 Vgl Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 93 ABGB Anm 8; Zeyringer, ÖA 1995, 77. Zum alten Recht zB Raschauer, Namensrecht 170. 47 48

113

§ 93 17

Kissich

Die Pflicht zur Führung eines Doppelnamens kann nicht einseitig widerrufen werden. Der Doppelname kann aber durch eine nachträgliche Änderung des eigenen Verlobtennamens geändert (s Rz 14) oder in einem abgabenund gebührenfreien (§ 6 NÄG) Verfahren nach § 2 Abs 1 Z 7 NÄG wieder abgelegt werden.53 Wurde die Erklärungsfrist nach § 93 Abs 2 versäumt oder entsteht der Wunsch nach Führung eines Doppelnamens erst nach der Eheschließung, ist ein nachträglicher Erwerb gem § 2 Abs 1 Z 7 NÄG unabhängig vom Verschulden möglich. Einer Begründung, warum der Wunsch zur Annahme oder Ablegung eines Doppelnamens erst nach der Eheschließung entstanden ist, bedarf es nicht.54 Wie aus § 3 Z 8 NÄG hervorgeht, ist eine solche Änderung auch mehrmals möglich, weil die Einschränkung der Änderungsmöglichkeit auf Zehn-Jahres-Abstände für Änderungen nach § 2 Abs 1 Z 6 bis 9 NÄG nicht vorgesehen ist. Der Versagungsgrund nach § 3 Abs 1 Z 4 NÄG (der beantragte Familienname darf nicht aus mehreren Namen zusammengesetzt sein) kommt in diesen Fällen auf Grund der Ausnahmeregel des § 3 Abs 2 NÄG nicht zur Anwendung. Danach ist ein Namensänderungsantrag zu bewilligen, wenn „der Antragsteller in sinngemäßer Anwendung des § 93 Abs 2 ABGB nach der Eheschließung einen Doppelnamen erhalten soll und angeführt wird, welcher Bestandteil des Doppelnamens gemeinsamer Familienname (§ 93 Abs 1 ABGB) ist“ (§ 3 Abs 2 Z 1 lit b NÄG). Mit Letzterem soll sichergestellt werden, dass eine Namensableitung auch beim nachträglichen Erwerb eines Doppelnamens nach dem NÄG nur vom gemeinsamen Familiennamen möglich ist.

V. Änderung des Familiennamens des namensgebenden Ehegatten 18

Der Familienname des namensgebenden Ehepartners kann sich nach der Eheschließung durch Legitimation55 entsprechend der Regelung des § 139 ändern, sofern der Legitimierte dieser Namensänderung zustimmt (§ 162a).56 Bei Zustimmung erhält der Legitimierte den gemeinsamen Familiennamen seiner Eltern (§ 139 Abs 1), bei getrennter Namensführung jenen Namen, den die Eltern gem § 139 Abs 2 bestimmt haben, mangels Bestimmung den Familiennamen des Vaters (§ 139 Abs 3, s auch Rz 11). Der gemeinsame Familienname ändert sich dadurch aber nur dann, wenn beide Ehepartner dieser Namensänderung zustimmen (§ 162b). Stimmt der Ehepartner des Legitimierten nicht zu, führen die Ehepartner ab der Legitimation unterschiedliche Familiennamen. Lehnen beide Ehepartner eine Namensänderung ab, behalten sie ihren bisher geführten gemeinsamen Familiennamen. Auf die Kinder des Vgl Zeyringer, ÖJZ 1993, 219. Vgl Zeyringer, ÖStA 1995, 21. 55 S §§ 161f ABGB. 56 Dieses Zustimmungserfordernis entfällt bei unmündigen Ehepartnern. Zur wohl eher theoretischen Eheschließung Unmündiger s §§ 1–3, 102 EheG. 53 54

114

Änderung des Familiennamens des namensgebenden Ehegatten

§ 93

Legitimierten geht der durch Legitimation erworbene Familienname über, wenn diese einen von ihm abgeleiteten Familiennamen führen; ab Mündigkeit des Kindes ist dessen Zustimmung erforderlich (§ 162c). Zustimmungserklärungen nach den §§ 162a–162c müssen dem Standesbeamten innerhalb von drei Jahren nach Verständigung des Berechtigten (§ 54 Abs 5 PStG) in qualifizierter Form (s Rz 5) zukommen; mit dem Zugang der Erklärung treten die namensrechtlichen Folgen ein (s im Detail § 162d). Wird diese Zustimmungsfrist versäumt, ist theoretisch eine verwaltungsrechtliche Namensänderung nach § 2 Abs 1 Z 7 NÄG möglich; diese dürfte in der Praxis aber an der Glaubhaftmachung des mangelnden Verschuldens oder eines bloß minderen Grad des Verschuldens scheitern, weil die Frist erst ab der Verständigung über das Zustimmungsrecht läuft.57 Für die namensrechtlichen Folgen der Adoption eines Ehepartners58 gilt gem § 183 Entsprechendes. Gem § 72d PStG sind die durch das NamRÄG 1995 geänderten Bestimmungen der §§ 162a bis 162c und des § 183 anzuwenden, wenn die Legitimation bzw die Adoption nach dem 1. 5. 1995 eingetreten bzw wirksam ist. Der Familienname des namensgebenden Ehegatten kann sich auch auf 19 Grund der Feststellung seiner Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter (§ 156) ändern. Mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung erhält der nunmehr uneheliche Ehegatte den aktuellen Familiennamen seiner Mutter bzw ihren zuletzt geführten Familiennamen, falls diese bereits verstorben ist.59 Dadurch ändert sich auch eo ipso der gemeinsame Familienname der Ehepartner.60 Die Wiederherstellung des ursprünglich geführten Familiennamens ist jedoch nach dem NÄG (s Rz 20) möglich. Eine verwaltungsrechtliche Namensänderung nach dem NÄG lässt den 20 Familiennamen des anderen unberührt. Da sich die bewilligte Änderung des Familiennamens seit Inkrafttreten des NamRÄG 1995 nicht mehr auf den anderen Ehepartner erstreckt,61 ist auch bei Führung eines gemeinsamen Ehenamens nicht mehr die Zustimmung des anderen Ehepartners notwendig, wenn ein Ehepartner seinen Namen ändern möchte.62 Eine Änderung des Familiennamens nach dem NÄG war vor dem 1. 5. 1995 nur zu bewilligen, wenn ein wichtiger Grund dafür vorlag.63 Seit Inkrafttreten des NamRÄG 199564 darf ein Antrag65 nur dann nicht bewilligt Vgl Zeyringer, ÖStA 1995, 17. S §§ 179ff ABGB. 59 Vgl Kraner, ÖStA 1996, 55f. 60 Vgl auch Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93 Rz 5. 61 Anders noch § 4 NÄG idF BGBl 1988/195. Das NamRÄG 1995, BGBl 1995/25, ist am 1. 5. 1995 in Kraft getreten (Art VII leg cit). 62 Anders noch § 1 Abs 3 NÄG idF BGBl 1988/195. S auch JAB 49 BlgNR XIX. GP 10; Zeyringer, ÖStA 1995, 22f. 63 Vgl § 1 NÄG idF BGBl 1988/195; ausführlich Zeyringer, ÖJZ 1988, 740ff. 64 Gem Art VII des NamRÄG 1995, BGBl 1995/25, ist dieses am 1. 5. 1995 in Kraft getreten. 65 Zum Inhalt des Antrags, den erforderlichen Beilagen und den Mitteilungspflichten s Verordnung des BMI zur Durchführung des Namensänderungsgesetzes (Namensänderungsverordnung 1997 – NÄV 1997), BGBl II 1997/387. 57 58

115

§ 93

Kissich

werden, wenn ein Versagungsgrund nach § 3 NÄG gegeben ist. Der taxative Katalog der für eine Namensänderung maßgeblichen Gründe (§ 2 Abs 1 Z 1–11 NÄG) hat nur mehr für die Befreiung von den Verwaltungsabgaben und Gebühren des Bundes Bedeutung (§ 6 NÄG), da § 2 Abs 1 Z 11 NÄG eine Namensänderung zulässt, wenn „der Antragsteller aus sonstigen Gründen einen anderen Familiennamen wünscht“. Nur bei einem bloßen Wunschnamen nach Z 11 sind Abgaben und Gebühren zu entrichten (§ 6 NÄG). Unter die abgaben- und gebührenfreien Gründe fallen Änderungsanträge wegen lächerlicher, anstößiger, unaussprechlicher oder schwer zu schreibender Namen (Z 1–2), bei österreichischen Antragstellern ausländischer Herkunft der Wunsch nach einem „inländischen“ Namen (Z 3), die Wiederannahme eines bisher im guten Glauben oder früher zu Recht geführten Namens (Z 4–5), Verwechslungsgefahr (Z 6), Änderungsanträge nach § 2 Abs 1 Z 7 NÄG (s Rz 10, 17), der Wunsch nach Namensgleichheit mit den Eltern, Obsorgeberechtigten oder Pflegeeltern (Z 8–9) oder um unzumutbare wirtschaftliche oder soziale Nachteile abzuwenden (Z 10).66 Um häufige Anträge auf Namensänderungen zu verhindern, darf ein Antrag gem § 3 Abs 1 Z 8 NÄG nicht bewilligt werden, wenn der Antragsteller seinen derzeitigen Familiennamen auf Grund eines von ihm selbst gestellten Antrags innerhalb der letzten zehn Jahre erhalten hat; davon ausgenommen sind Namensänderungen nach § 2 Abs 1 Z 6–9 NÄG. Wesentliche Voraussetzung für die Bewilligung einer Namensänderung ist das Nichtvorliegen eines Versagensgrundes nach § 3 Abs 1 NÄG bzw dass ein solcher durch eine Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 NÄG wieder wegfällt. So ist die Änderung des Familiennamens zu versagen, wenn dies die Umgehung von Rechtsvorschriften ermöglichen würde67 (zB Beantragung eines nach § 93 Abs 1 unzulässigen gemeinsamen Familiennamens oder eines Adelstitels68) oder der beantragte Familienname aus mehreren Namen zusammengesetzt ist (ausgenommen davon ist zB der Erwerb eines Doppelnamens iSd § 93 Abs 2, s Rz 17)69; ferner wenn der gewünschte Name lächerlich oder anstößig oder zur Personenkennzeichnung im Inland nicht gebräuchlich ist,70 bei bestimmten Fällen von Verwechslungsgefahr71 oder wenn der beantragte Familienname von einer anderen Person geführt wird, die ein berechtigtes Interesse am Ausschluss des Antragstellers von der Führung des gleichen Familiennamens hat (außer der Antragsteller hat diesen Namen früher bereits zu Recht geführt oder zB bei einer Antragstellung nach § 2 Abs 1 Z 7 NÄG).72 Vgl im Detail § 2 Abs 1 Z 1–10 NÄG. S § 3 Abs 1 Z 1 NÄG. 68 VwGH 20. 12. 1995, 95/01/0516, ZfVB 1997, 772/2099. 69 S § 3 Abs 1 Z 4 NÄG iVm § 3 Abs 2 Z 1 lit b NÄG. Nach § 3 Abs 2 Z 1 lit a NÄG ist die Namensänderung zulässig, wenn der beantragte Familienname ein rechtmäßig aus mehreren Namen zusammengesetzter Familienname ist, von dem der Name einer anderen Person abgeleitet werden kann. 70 S § 3 Abs 1 Z 2 NÄG. 71 S § 3 Abs 1 Z 5 NÄG und die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 NÄG. 72 S § 3 Abs 1 Z 3 NÄG; diese Bestimmung gilt nicht für Änderungsanträge nach § 2 Abs 1 Z 5 und 7–9 NÄG. 66 67

116

Getrennte Namensführung

§ 93

Die Zuständigkeit für die Änderung des Familiennamens liegt, abgesehen von der Auffangzuständigkeit der Stadt Wien, bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Antragsteller seinen Wohnsitz, subsidiär seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Mangels Wohnsitzes oder Aufenthalts im Inland ist der letzte Wohnsitz im Inland maßgebend (§ 7 NÄG).

VI. Getrennte Namensführung (§ 93 Abs 3) Der Verlobte, der nach § 93 Abs 1 den Familiennamen des anderen zu 21 führen hat, kann dem Standesbeamten gegenüber erklären, weiterhin seinen bisherigen Familiennamen zu führen. Die scheinbar neutrale Wortwahl überrascht, da diese Erklärung aufgrund des Vorrangs des Mannesnamens nach § 93 Abs 1 S 3 nur von der Frau abgegeben werden kann.73 Der Mann kann daher nicht verhindern, dass seine Ehefrau seinen Namen führt. Die Erklärung der Frau bewirkt, dass jeder der Verlobten seinen bisherigen 22 Ehenamen weiterführt. Die Verlobten haben in diesem Fall den Namen der aus der Ehe stammenden Kinder zu bestimmen, wobei alle Kinder aus einer Ehe denselben Namen erhalten müssen.74 Gem § 139 Abs 2 erhält ein Kind, dessen Eltern getrennte Familiennamen führen, den Familiennamen, den die Eltern vor oder bei der Eheschließung in qualifizierter Form zum Familiennamen der Kinder bestimmt haben. Kinder können nur den Namen eines Elternteils führen. Mangels Bestimmung erhält das Kind den Namen des Vaters (§ 139 Abs 3). Letzteres wird von der Lehre zutreffend kritisiert (s Rz 11).75 Zur Form und zum Zeitpunkt der Erklärung s Rz 4, 5. Wurde die Weiter- 23 führungserklärung aus leichtem Verschulden verabsäumt, kann diese Erklärung nach § 2 Abs 1 Z 7 NÄG (s Rz 10, 17) nachgeholt werden.

VII. Übergangsbestimmungen (§§ 72–72e PStG) Die Übergangsbestimmungen zum Namensrecht (§§ 72–72e PStG idF 24 BGBl 1995/25) lauten: „§ 72. Auf Grund einer vor dem 1. Mai 1995 erfolgten Geburt oder geschlossenen Ehe erworbene Rechte und entstandene Pflichten zum Gebrauch eines Namens bleiben unberührt. Vgl auch Mottl, NZ 1996, 323. Der Grundsatz des gleichen Familiennamens aller Kinder, die aus derselben Ehe stammen, kann durch eine Namensänderung nach § 2 Abs 1 Z 8 NÄG durchbrochen werden (Zeyringer, ÖStA 1995, 16). 75 Nach Ansicht des VfGH ist § 139 Abs 3 verfassungsrechtlich unbedenklich (VfGH 4. 12. 1997, G 124/96, VfSlg 15.031). Krit dazu zB Mottl, NZ 1996, 325f; Bernat/Jesser, JAP 1995/96, 58f; Mottl in Floßmann, Recht 225ff; Aichhorn/Furgler in Aichhorn, Frauen 322ff; Hinteregger, ÖJZ 1999, 746; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93 Rz 1; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93 Rz 1. 73 74

117

§ 93

Kissich

§ 72a. (1) Auf Grund einer Erklärung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde einer Person, die zur Führung eines Doppelnamens nach § 93 Abs. 2 ABGB in der vor dem 1. Mai 1995 geltenden Fassung berechtigt ist, ist im Ehebuch ein Vermerk (§§ 13 Abs. 2, 25 PStG) über die Führung des Doppelnamens einzutragen. In der Erklärung kann die Anwendung des § 93 Abs. 3 ABGB in der vor dem 1. Mai 1995 geltenden Fassung begehrt oder ausgeschlossen werden. Mit der Eintragung ist der Ehegatte zur Führung dieses Doppelnamens verpflichtet. Dies ist in der Heiratsurkunde an der für Vermerke vorgesehenen Stelle anzuführen. (2) Abs. 1 gilt auch dann, wenn die Ehe bereits aufgelöst ist. (3) Die Abs. 1 und 2 gelten für die Voranstellung des bisherigen Familiennamens nach § 93 Abs. 2 ABGB entsprechend. (4) Personen, die auf Grund einer vor dem 1. Mai 1995 geschlossenen Ehe den Familiennamen des anderen Ehegatten als gemeinsamen Familiennamen zu führen haben, können erklären, ihren früheren Familiennamen wieder anzunehmen. Der Abs. 1 gilt für diese Wiederannahme des früheren Familiennamens entsprechend. § 72b. § 93a ABGB in der ab dem 1. Mai 1995 geltenden Fassung gilt für die Wiederannahme des Geschlechtsnamens entsprechend. § 72c. In amtlichen Lichtbildausweisen, die ab dem 1. Mai 1995 ausgestellt werden, ist bei Führung eines Doppelnamens nach § 93 Abs. 2 ABGB in der vor und ab dem 1. Mai 1995 geltenden Fassung anzuführen, welcher Bestandteil des Doppelnamens gemeinsamer Familienname ist. Ist die betreffende Person zur Führung des Doppelnamens verpflichtet, so ist auch dies anzuführen. § 72d. (1) Die §§ 162a bis 162c ABGB in der ab dem 1. Mai 1995 geltenden Fassung sind anzuwenden, wenn die Legitimation nach diesem Zeitpunkt eingetreten ist. (2) Der § 183 ABGB in der ab dem 1. Mai 1995 geltenden Fassung ist anzuwenden, wenn die Annahme nach diesem Zeitpunkt wirksam (§ 179a ABGB) wird. § 72e. § 72a tritt mit Ablauf des 30. April 2007 außer Kraft.“ Die Übergangsbestimmungen zum NamRÄG 1995 gelten einerseits für Ehen, die vor dem 1. 5. 1995 geschlossen wurden (§§ 72, 72a, 72c, 72e PStG) und ergänzen andererseits die Neuregelung der §§ 93, 93a (§ 72b und § 72c PStG). § 72d PStG regelt die Geltung der namensrechtlichen Änderungen bei der Legitimation und der Annahme an Kindes statt (s §§ 162a ff und § 183). § 72 PStG lässt Namensrechte, die auf Grund einer Eheschließung vor dem 1. 5. 1995 erworben wurden, unberührt. Daraus folgt, dass Ehepartner, die den Familiennamen des anderen Ehepartners als gemeinsamen Familiennamen führen, weiterhin zur formlosen Bildung eines Doppelnamens berechtigt sind.76 Nach der bis zum 1. 5. 1995 geltenden Fassung des § 93 Abs 277 76 77

118

Vgl JAB 49 BlgNR XIX. GP 9. S § 93 Abs 2 idF BG BGBl 1986/97.

Übergangsbestimmungen

§ 93

konnte der Ehepartner, der den Namen des anderen annahm, dem gemeinsamen Familiennamen seinen früheren Familiennamen unter Setzung eines Bindestrichs nachstellen; eine Voranstellung war hingegen nicht zulässig. Das höchstpersönliche Recht zur Führung dieses Doppelnamens war an keine besondere Erklärung gebunden und konnte auch noch während der Ehe oder sogar nach Auflösung der Ehe ausgeübt werden;78 eine Pflicht zur Führung des Doppelnamens bestand nicht. Der gemeinsame oder nachgestellte Familienname konnte aber nicht aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe abgeleitet werden (§ 93 Abs 3 aF). Dieser Doppelname nach altem Recht kann zwar nicht in die Personenstandsbücher und -urkunden, wohl aber in andere Urkunden eingetragen werden (§ 93 Abs 2 aF; s auch Rz 1).79 An diesen Rechten nach § 93 Abs 2 aF hat sich auch nach Inkrafttreten des NamRÄG 1995 nichts geändert: Die Bildung des formlosen Doppelnamens nach § 93 Abs 2 aF ist (für vor dem 1. 5. 1995 geschlossene Ehen) ohne zeitliche Beschränkung weiterhin zulässig, weil ein Außerkrafttreten des § 72 PStG nicht vorgesehen ist. § 72a PStG ermöglicht es dem Ehepartner, dessen Name nicht zum ge- 25 meinsamen Familiennamen geworden ist, noch bis zum 30. 4. 2007 (§ 72e PStG) die Wirkungen des neuen Ehenamensrechts in Anspruch zu nehmen, wie zB die Erlangung eines verpflichtenden Doppelnamens nach § 93 Abs 2, bei dem der vor der Ehe geführte Familienname wahlweise voran- oder nachgestellt werden kann, oder die Wiederannahme des unmittelbar vor der Ehe geführten Familiennamens. Gem § 72a Abs 1 PStG kann ein Ehepartner, der zur Bildung eines Doppelnamens nach § 93 Abs 2 aF berechtigt ist, durch Erklärung in qualifizierter Form (s Rz 4) auf den neuen Doppelnamen nach § 93 Abs 2 umsteigen. In diesem Fall kann der frühere Familienname dem gemeinsamen Ehenamen auch vorangestellt werden (§ 72a Abs 3 PStG). Die Erklärung muss gegenüber dem seinerzeitigen Standesbeamten abgegeben oder diesem übermittelt werden; bei Eheschließungen im Ausland ist das Standesamt der Gemeinde Wien zuständig.80 Mit der Eintragung ins Ehebuch wird der Ehegatte zur Führung des Doppelnamens verpflichtet (§ 72a Abs 1 S 3 PStG), die Eintragung in die Heiratsurkunde (§ 72a Abs 1 S 4 PStG) hat hingegen nur deklarative Bedeutung.81 Bei Abgabe seiner Erklärung kann der Ehepartner über die Anwendbarkeit des § 93 Abs 3 aF82 entscheiden (§ 72a Abs 1 S 2 PStG); Edlbacher, Namensrecht 68. Zeyringer, ÖStA 1995, 19; Zeyringer, ÖA 1995, 76. 80 Die Beurkundung, Beglaubigung und Entgegennahme von Erklärungen nach § 72a PStG ist zwar nicht ausdrücklich in den §§ 53f PStG geregelt, jedoch sind diese Bestimmungen sinngemäß anzuwenden (vgl Zeyringer, ÖStA 1995, 66f; Zeyringer, ÖA 1995, 77); in diesem Fall kommen die Regelungen des § 54 Abs 1 und Abs 2 Z 2 PStG bzw § 54 Abs 2 Z 6 PStG zur Anwendung. 81 Vgl Zeyringer, ÖStA 1995, 67; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 93 Anm 14. 82 § 93 Abs 3 idF BGBl 1986/97 lautete: „Ein Familienname, der von einem früheren Ehegatten aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe abgeleitet wird, darf weder im Sinn des Abs. 1 als gemeinsamer Familienname bestimmt oder geführt noch im Sinn des Abs. 2 nachge78 79

119

§ 93

Kissich

also bestimmen, ob er den unmittelbar vor der Eheschließung geführten Familiennamen voran- oder nachstellt, auch wenn er ihn aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe ableitet (Ausschluss des § 93 Abs 3 aF), oder diesen übergeht, sodass der zuletzt vor der geschiedenen oder aufgehobenen Ehe geführte Name maßgebend ist (Anwendung des § 93 Abs 3 aF). Die Wirkungen des neuen Doppelnamens nach § 93 Abs 2 können auch erlangt werden, wenn die Ehe bereits aufgelöst ist (§ 72a Abs 2 PStG). Ebenso kann ein Ehepartner, der vor dem 1. 5. 1995 die Ehe geschlossen hat und den Familiennamen des anderen führt, noch bis einschließlich 30. 4. 2007 (§ 72e PStG) einen früheren Familiennamen wieder annehmen; § 72a Abs 1 gilt dafür entsprechend (§ 72a Abs 4 PStG). Die Wiederannahme eines früheren Familiennamens ist allerdings nur zulässig, solange die Ehe aufrecht ist.83 Nach dem Bericht des Justizausschusses ist diese Erklärung – im Gegensatz zu sämtlichen anderen namensrechtlichen Erklärungen – an keine qualifizierte Form gebunden; „eine einfache Erklärung“ vor dem Standesbeamten sei ausreichend.84 Demnach würde sich, entgegen der herrschenden Auffassung85, § 72a Abs 4 S 2 PStG nicht auf die Erklärungsform des Abs 1 beziehen. Dabei dürfte es sich jedoch um ein redaktionelles Versehen handeln. Es ist kein Grund ersichtlich, dass der Gesetzgeber nur für diese Namenserklärung von der qualifizierten Form abweichen wollte; ebenso wenig dafür, dass hinsichtlich der Formerfordernisse zwischen Erklärungen nach Abs 1 und Abs 4 des § 72a PStG zu differenzieren sei. Daher ist die (allgemeine) qualifizierte Form des Abs 1 mittels § 72a Abs 4 S 2 PStG auch für Erklärungen der Wiederannahme eines früheren Namens zu verlangen. Für die Parteien wird damit in der Regel kein Mehraufwand verbunden sein, weil die Erklärung ohnehin vor dem – zur Beurkundung und Beglaubigung verpflichteten (§ 53 PStG86) – Standesbeamten abzugeben ist. Auch für diese Erklärung kann der Berechtigte wählen, ob er einen Familiennamen, den er aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe erworben hat, ausschließt und auf den vor dieser Ehe geführten Namen zurückgreift (§ 72a Abs 4 S 2 PStG). Damit können die Rechtswirkungen des neuen § 93 Abs 3 (getrennte Namensführung) auch für Ehen, die vor dem 1. 5. 1995 gestellt werden; dann beziehen sich die Abs. 1 und 2 auf den zuletzt vor der Schließung der geschiedenen oder aufgehobenen Ehe geführten Familiennamen.“ 83 § 72a Abs 4 PStG verweist (im Gegensatz zu § 72a Abs 3 PStG) nur auf § 72a Abs 1 PStG; so bereits Zeyringer, ÖStA 1995, 66. 84 JAB 49 BlgNR XIX. GP 10. 85 In der Literatur wird für Erklärungen nach § 72a PStG durchwegs eine qualifizierte Form verlangt, allerdings wird auf die Erläuterungen im JAB und auf das Fehlen der Wortfolge „in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde“ in Abs 4 nicht eingegangen (zB Zeyringer, ÖStA 1995, 19; Zeyringer/Weitzenböck/Koutny, Personenstandsrecht2, 101; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93 Rz 11; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 93 ABGB Anm 15; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93 Rz 5). 86 § 53 Abs 1 Z 3 PStG begründet auch die Zuständigkeit zur Beurkundung und Beglaubigung von Erklärungen nach § 72a PStG (Zeyringer/Weitzenböck/Koutny, Personenstandsrecht2, 85).

120

Allgemeines

§ 93a

schlossen wurden, erlangt werden. Im Unterschied zu § 93 Abs 3 nF, der nur für Frauen gilt, kann eine Erklärung nach § 72a Abs 4 PStG auch von einem Mann abgegeben werden, der anlässlich einer Eheschließung vor dem 1. 5. 1995 den Familiennamen seiner Frau angenommen hat.87 Gem § 72c PStG ist in amtlichen Lichtbildausweisen, die nach dem 1. 5. 26 1995 ausgestellt werden, anzuführen, welcher Bestandteil des Doppelnamens gemeinsamer Familienname ist. Um die Doppelnamen nach altem und neuem Recht zu trennen, ist zusätzlich die Verpflichtung zur Führung des Doppelnamens anzugeben.88 Die Kennzeichnung des gemeinsamen Namensteils in personenstandsrechtlichen Büchern (§ 10 Abs 2 PStG, s Rz 16) ist für die Namensableitung erforderlich; hingegen ist der Zweck dieser Angabe in Lichtbildausweisen unklar.89

§ 93a. Eine Person, deren Ehe aufgelöst ist, kann dem Standesbeamten gegenüber in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, einen früheren Familiennamen wieder anzunehmen. Ein Familienname, der von einem früheren Ehegatten aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe abgeleitet wird, darf nur wieder angenommen werden, wenn aus dieser früheren Ehe Nachkommenschaft vorhanden ist. BGBl 1995/25 (Mat: NR IA 4/A, 21/A und 25/A BlgNR XIX. GP; JAB 49 BlgNR XIX. GP; BR: AB 4949 BlgBR) Lit: s § 93.

Übersicht I. Allgemeines II. Wiederannahme eines früheren Familiennamens (§ 93a S 1) III. Nachkommenschaft iSd § 93a S 2

1–3 4–5 6

I. Allgemeines Das NamRÄG 19951 hat die bis dahin geltende Regelung des § 63 EheG2 1 in das ABGB übergeführt. Die in § 63 EheG enthaltene Regelung wurde geVgl bereits Zeyringer, ÖStA 1995, 66. JAB 49 BlgNR XIX. GP 10. 89 Krit zu § 72c PStG auf Grund des Persönlichkeitsschutzes und des mit dem Vollzug dieser Regelung verbundenen Aufwands bereits Zeyringer, ÖStA 1995, 19f. 1 BGBl 1995/25. 2 § 63 aF sah für die geschiedene Frau die Möglichkeit vor, ihren Familiennamen wieder anzunehmen. Einen früheren Ehenamen, den sie bei Eingehung der geschiedenen Ehe hatte, konnte sie nur wieder annehmen, wenn aus der früheren Ehe Nachkommenschaft vorhanden war und sie nicht das alleinige oder überwiegende Verschulden an der Scheidung trug. 87 88

121

§ 93a

Kissich

schlechtsneutral formuliert und auf den Fall der Auflösung der Ehe durch Tod ausgedehnt. Das Scheidungsverschulden spielt bei § 93a keine Rolle mehr, weil eine namensrechtliche Strafe zu Recht als inadäquate Sanktion für Fehlverhalten in der Ehe betrachtet worden ist.3 Die Untersagungsrechte des Mannes und des Vormundschaftsgerichts nach §§ 64f EheG wurden ersatzlos aufgehoben.4 2 § 93a regelt die Möglichkeit der Wiederannahme eines früheren Familiennamens, nachdem die Ehe durch Scheidung, Aufhebung oder Tod aufgelöst worden ist. Scheidung und Aufhebung haben grundsätzlich keine Auswirkung auf den Familiennamen; jeder der ehemaligen Eheleute kann den während aufrechter Ehe geführten Familiennamen beibehalten (§§ 42, 62 EheG). Entsprechendes gilt für die Auflösung der Ehe durch Tod.5 Hingegen beseitigt die Nichtigerklärung der Ehe auch die namensrechtlichen Folgen der Ehe, sodass jeder Teil wieder den vor der Eheschließung geführten Familiennamen erhält.6 Die Wiederannahme erfolgt durch formgebundene (s § 93 Rz 5) Erklä3 rung, die an keine Frist gebunden ist; bei Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Aufhebung muss die gerichtliche Entscheidung allerdings bereits rechtskräftig sein.7 Empfänger der Erklärung ist die Personenstandsbehörde, in deren Ehebuch die Ehe eingetragen ist (§ 54 Abs 2 Z 4 PStG). Die Wiederannahme wird mit dem Zugang der Erklärung an den zuständigen Standesbeamten rechtswirksam.8 Erklärungen nach § 93a werden vom Standesbeamten im Ehebuch vermerkt (§ 25 Abs 2 PStG) und auch in die Heiratsurkunde eingetragen (§ 34 Abs 1 Z 3 PStG). Zur Rechtsnatur der Wiederannahme als familienrechtliches Rechtsgeschäft s § 93 Rz 8.

II. Wiederannahme eines früheren Familiennamens (§ 93a S 1) 4

Nach dem Gesetzeswortlaut können auch Ehegatten, die während aufrechter Ehe verschiedene Namen geführt haben (§ 93 Abs 3), nach Auflösung ihrer Ehe einen früheren Familiennamen gem § 93a wieder annehmen. Diese Option ist aber teleologisch auf die Fälle der Führung eines gemeinsamen Familiennamens zu beschränken, gilt dann aber auch für den Ehepartner, dessen Name zum gemeinsamen Familiennamen wurde. Auch dieser kann ein berechtigtes Interesse haben, den gemeinsamen Ehenamen nach Auflösung der Ehe nicht weiterführen zu wollen. Ein solches ist hingegen bei getrennter Namensführung nach § 93 Abs 3 nicht vorhanden.9 Vgl JAB 49 BlgNR XIX. GP 7. Vgl Art II des NamRÄG BGBl 1995/25. Gem Art VII Z 3 leg cit war § 65 EheG aF noch in Verfahren weiter anzuwenden, die vor dem 7. 11. 1994 anhängig gemacht worden sind. 5 Vgl Edlbacher, Namensrecht 85; Mottl, NZ 1996, 324. 6 Vgl Hinteregger, Familienrecht3, 47; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 459. 7 S auch Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 93a Anm 1. 8 Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93a Rz 1. 9 Mottl, NZ 1996, 324; zust Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93a Rz 1; Schwimann/ Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93a Rz 2; aA anscheinend Mottl in Floßmann, Recht 229. 3 4

122

Allgemeines

§ 94

Gem § 93a kann jeder früher geführte Familienname wieder angenom- 5 men werden, dies kann auch ein Name aus irgendeiner früheren Ehe (s aber Rz 6), der Geschlechtsname (§ 72b PStG) oder ein früher verbindlich geführter Doppelname nach § 93 Abs 210 sein. Bei Wiederannahme eines Doppelnamens sind Namensketten im Fall einer nachfolgenden Eheschließung nicht zu befürchten, da der Doppelname nicht auf andere Personen übertragen werden kann (§ 93 Abs 2 S 3).11 Wurde vor Auflösung der Ehe ein Doppelname nach § 93 Abs 2 geführt, so kann auch nur der Teil des Namens abgelegt werden, der gemeinsamer Familienname war (Wiederannahme des unmittelbar vor der Eheschließung geführten Namens).12

III. Nachkommenschaft iSd § 93a S 2 Ein aus einer früheren Ehe abgeleiteter Familienname darf nur wieder an- 6 genommen werden, wenn aus dieser Ehe noch Nachkommenschaft vorhanden ist. Es müssen somit noch (legitimierte) Kinder oder deren Nachkommen (Enkel, Urenkel) am Leben sein. Nach zutreffender jüngerer Auffassung13 schließt der Begriff der Nachkommenschaft adoptierte Kinder und deren Nachkommen ein, da Adoptierten die gleiche Rechtsstellung zukommt und das Bedürfnis eines Elternteils nach Namenseinheit mit seinen Adoptivkindern gleichermaßen bestehen kann. Das Erfordernis der Nachkommenschaft gilt nur für die Annahme von Familiennamen, die aus geschiedenen oder aufgehobenen Ehen abgeleitet werden sollen, nicht hingegen bei Namen aus Ehen, die durch Tod aufgelöst worden sind.

§ 94. (1) Die Ehegatten haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. (BGBl 1975/412) (2) Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts

10 So bereits Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93a Rz 3; Mottl, NZ 1996, 324; aA Zeyringer, ÖStA 1995, 64; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93a Rz 3. 11 AA Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93a Rz 3. 12 Vgl Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93a Rz 3; aA Mottl in Floßmann, Recht 229f. 13 Vgl Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 93a Anm 2; ebenso Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 93a Rz 2; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 93a Rz 1; Zeyringer/Weitzenböck/Koutny, Personenstandsrecht2, 269f; aA Edlbacher, Namensrecht 90 mwN; Teschner, ÖStA 1985, 19f; Zeyringer, ÖStA 1995, 15; Hintermüller, ÖStA 1995, 46; Mottl, NZ 1996, 324 FN 41.

123

§ 94

Hinteregger

zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag. (BGBl 1975/412) (3) Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den Unterhaltsanspruch an sich kann im vorhinein nicht verzichtet werden. (BGBl I 1999/125) BGBl 1975/412 (Mat.: NR: RV 851 BlgNR XIII. GP; JAB 1662 BlgNR XIII. GP; BR: AB 1396 BlgBR); BGBl I 1999/125 (Mat.: NR: RV 1653 BlgNR XX. GP; JAB 1926 BlgNR XX. GP; BR: AB 5974 BlgBR) Lit: Allg Lit zu §§ 89–100 und Kohlegger Karl, Der Schwerpunkt der Familienrechtsreform: Das Bundesgesetz über die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, ÖJZ 1975, 85; Pichler Helmut, Die Anspannungstheorie im Unterhaltsrecht: Begriff und Anwendungsbereich, ÖA 1976, 53; Lackner Heinz, Das neue Unterhaltsrecht der Ehegatten in der Praxis, ÖJZ 1977, 197; Reinl Kurt, Unterhaltsvereinbarung und Umstandsklausel, JBl 1977, 176; Koziol Helmut, Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit und Regreßansprüche eines Drittzahlers, JBl 1978, 626; Lackner Heinz, Die Auslegung des § 94 ABGB in der Praxis, ÖJZ 1978, 542; Aicher Josef, Ehescheidung und Scheidungsfolgen, in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 129; derselbe, Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (§ 55 EheG) und ihre unterhaltsrechtlichen Folgen, in Ostheim, Schwerpunkte 103; Kerschner Ferdinand, Zum Unterhalt nach Scheidung nach neuem Recht, JBl 1979, 561; Migsch Erwin, Persönliche Rechtswirkungen, gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht, in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 17; Steininger Viktor, Die persönlichen Ehewirkungen im neuen österreichischen Recht, FamRZ 1979, 774; Aicher Josef, Die Reform des Rechts der Ehescheidung und der unterhaltsrechtlichen Scheidungsfolgen in Österreich, FamRZ 1980, 637; Holler Ingrid, Der Abfertigungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers, ÖJZ 1980, 372; Feil Erich, Ehegatten-Unterhalt (Eisenstadt 1981); Marhold Franz, Neues Unterhaltsrecht und Abfertigung, ZAS 1981, 128; Schüch Konrad, Die Unterhaltsbemessungsgrundlage im Unterhaltsstreit, ÖA 1981, 65; Pichler Helmut, Zur Beweislastverteilung in der Unterhaltsbemessung, ÖA 1981, 67; Apathy Peter, Schadenersatz wegen entgangenen Unterhalts und Wiederverheiratung, JBl 1983, 397; Hirmann Gerhard, Zur Einkommensberechnung bei einem nicht buchführenden Landwirt, SV 1984/4, 2; Huber Christian, Endgültige Zuweisung bei einstweiligem Unterhalt, JBl 1984, 182; Leitzenberger Kurt, Kann eine einkommenslose Ehefrau zu einer Unterhaltsleistung für ein Kind aus einer früheren Ehe verpflichtet werden? ÖA 1984, 83; Pichler Helmut, Die Verjährung von Unterhaltsansprüchen, ÖA 1986, 67; derselbe, Probleme des Unterhalts, ÖA 1987, 91; Schmidt Alfred, Barunterhaltspflicht der wiederverheirateten einkommens- und vermögenslosen Kindesmutter, RZ 1987, 158; Gamerith Helmut, Zum Unterhaltsanspruch von

124

Allgemeines

§ 94

Ehegatten und volljährigen Kindern, ÖA 1988, 63; Pichler Helmut, Gedanken zum Unterhalt für die Vergangenheit, ÖA 1988, 68; Hoyer Hans, Entscheidungsgründe im „besonders gelagerten Fall“, JBl 1989, 199; Salzmann Wolfgang, Die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage, SV 1990/1, 8; Eypeltauer Ernst, Verjährungshemmung und Familie – Ein Beitrag zur Auslegung von § 1495 erster Satz ABGB, RZ 1991, 26; Harrer Friedrich/Hörzinger Iris, Zur Auskunftspflicht zwischen dem Unterhaltsschuldner und dem Unterhaltsberechtigten, in Harrer/Zitta, Familie 29; Lackner Heinz, Gleichbehandlung im Unterhaltsanspruch der Ehegatten? RZ 1992, 62; Thöni Wilfried, Geldunterhalt und Naturalunterhalt, in Harrer/Zitta, Familie 3; Gitschthaler Edwin, Einige aktuelle Probleme des Kindesunterhaltsrechts, ÖJZ 1994, 10; Mader Peter, Rechtsmißbrauch und unzulässige Rechtsausübung (Wien 1994); Reckenzaun Axel, Die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegen den Gemeinschuldner, ÖJZ 1994, 113; Gitschthaler Edwin, Zur finanziellen Belastbarkeit eines Unterhaltspflichtigen – Anmerkungen zu OGH 22. 2. 1995, 9 Ob 507/95, JBl 1995, 808; derselbe, Zur Rückforderbarkeit zu Unrecht bezahlter Unterhaltsbeiträge, ÖJZ 1995, 652; Kerschner Ferdinand, Gesellschaftspolitische Tendenzen in der Zivilrechtsjudikatur, RZ 1995, 271; Pichler Helmut, Konkurs – Privatkonkurs – Unterhalt, ÖA 1995, 43; Gitschthaler Edwin, Die Anspannungstheorie im Unterhaltsrecht – 20 Jahre später, ÖJZ 1996, 553; Lackner Heinz, Die Unterhaltspflicht des nicht erwerbstätigen Ehegatten (Lebensgefährten) gegenüber vorehelichen, nicht familienzugehörigen Kindern, ÖA 1996, 175; Ferrari Susanne, Unterhaltspflichten zwischen erwachsenen Personen im österreichischen Recht, in Schwab Dieter/Henrich Dieter (Hrsg), Familiäre Solidarität – Die Begründung und die Grenzen der Unterhaltspflicht unter Verwandten im europäischen Vergleich (Bielefeld 1997) 149; Pichler Helmut, Die unterhaltsrechtliche Stellung des Elternteils, der das Kind betreut, ÖA 1997, 109; Jesser-Huß Helga, Ehegattenunterhalt während aufrechter Ehe und nach der Scheidung, in Deixler-Hübner Astrid (Hrsg), Die rechtliche Stellung der Frau (Wien 1998) 13; Schwimann Michael, Leistung von Kindesunterhalt aus eigenen Unterhaltseinnahmen der Eltern? NZ 1998, 289; Hopf Gerhard/Stabentheiner Johannes, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 821, 861; Hoyer Hans, Unterhaltsrechtsprechung findet den Weg zurück zum Gesetz, JBl 1999, 201; Lackner Heinz, Und noch einmal – Gleichheit im Unterhaltsrecht, RZ 1999, 194; Lammer Adolf, Zum „Ruhen“ des Unterhaltsanspruchs bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 53; Deixler-Hübner Astrid, Unterhaltsverzicht und Änderung der Umstände – Zugleich eine Besprechung von 3 Ob 229/98t (ecolex 2000/173 (Spunda)), ecolex 2000, 638; dieselbe, Grundfragen des neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruches nach § 68a EheG, ÖJZ 2000, 707; Ferrari Susanne, Nochmals zum Verzicht auf nachehelichen Unterhalt – Anmerkung zu OGH 24. 11. 1999, 3 Ob 229/98t, JBl 2000, 609; Fucik Robert, Kann ein Verzicht auf Verschuldensscheidung sittenwidrig sein? RZ 2000, 266; Lukasser Georg, Zum „ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel“ im Sinne des § 74 EheG, ÖJZ 2000, 301; Pichler Helmut, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖA 2000, 62; Rabl Christian, Die Zulässigkeit eines Unterhaltsverzichts während aufrechter Ehe, ÖJZ 2000, 591; Reischauer Rudolf, Unterhalt für die Vergangenheit und materielle Rechtskraft, JBl 2000, 421; Battlogg Michael, Die Inflationskomponente im Unterhaltsrecht, AnwBl 2001, 313; Brugger Martina, Die Barunterhaltspflicht eines vermögens- und einkommenslosen Elternteils gegenüber Kindern aus einer früheren Ehe, ÖJZ 2001, 11; Czoklich Peter, Privatstiftung und Scheidung, RdW 2000, 402/371; Deixler-Hübner Astrid, Zur Anrechnung von Geld- und Naturalunterhalt, ecolex 2001, 110; dieselbe, Scheidung kompakt – ein praktischer Ratgeber mit zahlreichen Beispielen, Tipps, Zusammenfassungen und Mustern

125

§ 94

Hinteregger

(Wien 2001); Knoll Gerhard, Zum neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruch – Eine Erwiderung zum Aufsatz von Astrid Deixler-Hübner, Grundfragen des neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruches nach § 68a EheG, ÖJZ 2000, 707, ÖJZ 2001, 386; Rosenmayr Ronald/Rosenmayr Martina, Kinderbetreuungsgeldgesetz (Wien 2001); Zankl Wolfgang, Unterhaltsrechtliche Partizipation am Vermögenszuwachs bei Getrenntleben? ecolex 2001, 272; Lichtl Kurt/Kunz Helmut, Der Scheidungsvergleich (Wien 2003); Lochmann Erich/Wachter Barbara, Das unterhaltsrechtliche Einkommen der Selbstständigen im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, ÖA 2003, 62; dieselben, Besonderheiten bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens bei Beteiligung des Unterhaltsschuldners an Kapitalgesellschaften, ÖA 2003, 209; Verschraegen Bea, Mitversicherungsbeitrag und Unterhalt, ÖJZ 2003, 289/16; Berka-Böckle Lydia, Der verschuldensunabhängige Anspruch nach § 68a EheG – Neue Überlegungen zum Scheidungsunterhalt anhand aktueller Rechtsprechung, JBl 2004, 223; Georg Kodek, Unterhalt und Konkurs – ein Leitfaden für die Praxis, Der Rechtspfleger 1/2004, 17; Schwimann Michael, Zum Unterhalt volljähriger Kinder, NZ 2004, 97; Wieland Arno, Auswirkungen der unentgeltlichen Nutzung einer Eigentumswohnung auf die Unterhaltsbemessung, ÖA 2005, 138.

Übersicht I.

II.

III.

IV.

126

Allgemeines 1. Entwicklung des § 94 2. Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft und Beitragsleistung 3. Unterhaltsanspruch Die einzelnen Unterhaltsarten 1. Unterhalt des Haushaltsführenden und ehemals Haushaltsführenden 2. Unterhalt des beitragsschwächeren und beitragsunfähigen Ehegatten Art der Unterhaltsleistung 1. Form der Unterhaltsleistung (Natural- oder Geldunterhalt) 2. Anrechnung von Naturalleistungen auf den Geldunterhaltsanspruch 3. Naturalunterhaltsleistungen a) Allgemeines b) Anrechnung der Wohnungskosten Bemessung 1. Bemessungsgrundlage a) Einkommen aa) Allgemeines bb) Unselbstständig Erwerbstätige cc) Selbstständige dd) Öffentlich-rechtliche Leistungen b) Vermögen c) Abzüge, Ausgaben

1–10 1 3 5 11–23 11 20 24–33 24 27 28 28 30 34–56 34 34 34 36 41 42 43 44

Allgemeines

d) Einkommen des Berechtigten e) Sonstiges 2. Höhe V. Anspannungsgrundsatz VI. Rechtsmissbrauch 1. Rechtsprechung a) Allgemeines b) Einzelfälle 2. Kritik und eigene Lösung VII. Unterhaltsvereinbarung 1. Vertrag 2. Verzicht 3. Umstandsklausel VIII. Sonstiges 1. Konkurs 2. Unterhalt für die Vergangenheit 3. Verjährung

§ 94 48 50 51 57–62 63–75 63 63 70 72 76–88 76 79 83 89–92 89 90 92

I. Allgemeines 1. Entwicklung des § 94 Der eheliche Unterhaltsanspruch wurde durch das EheRwG 1975 neu ge- 1 staltet. Wesentlicher Regelungsgesichtspunkt war die Gleichbehandlung von Mann und Frau und damit die Abkehr von § 91 aF, der den Mann verpflichtet hatte, der Frau, unabhängig von deren eigenem Einkommen und Vermögen, den anständigen Unterhalt zu leisten. Die RV sah vor, dass sich jeder Ehegatte selbst erhalten müsse. Ein Unterhaltsanspruch solle nur demjenigen zustehen, der außerstande sei, seine den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechenden Bedürfnisse aus Eigenem zu befriedigen (§ 92 idF der RV). § 93 idF der RV sah außerdem das Recht und die Pflicht jedes Ehegatten zur eigenen Erwerbstätigkeit vor, soweit eine solche zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem anderen notwendig und, insbesondere wegen der Belastung durch Haushaltsführung und Kindererziehung, zumutbar sei. Der JA folgte diesen Vorschlägen nicht. Er war der Auffassung, dass sich das Recht auf eigene Erwerbstätigkeit bereits aus § 89 ergäbe, sodass eine ausdrückliche Regelung nicht notwendig sei. Die Unterhaltspflicht selbst wurde vom JA in § 94 nach Maßgabe folgender Grundsätze neu gefasst: Aus dem Grundsatz gleichberechtigter und gleichverpflichteter Partnerschaft folge, dass beide Ehegatten zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen haben. Die Haushaltsführung, und mit ihr die Kinderbetreuung, die als Teil der Haushaltsführung gewertet wird, sei als voller Beitrag zu werten und in ihrer Bedeutung der Erwerbstätigkeit gleichzuhalten, woraus folge, dass der Ehegatte, der den Haushalt führt, gegenüber dem anderen einen Anspruch auf Unterhalt habe. 127

Hinteregger

§ 94 2

Mit dem EheRÄG 1999 wurde dem § 94 ein dritter Absatz angehängt. Nach dessen neu eingefügtem ersten Satz kann der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft verlangen, dass ihm der andere den Unterhalt ganz oder teilweise in Geld leiste. S 2 regelt die Zulässigkeit des Unterhaltsverzichts. Er stammt aus dem ursprünglichen Abs 2 und wurde inhaltlich unverändert in den Abs 3 verschoben. 2. Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft und Beitragsleistung

§ 94 Abs 1 verpflichtet beide Ehegatten, zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Damit werden zwei wichtige Grundsätze des Eherechts, die Gleichbehandlung von Mann und Frau (§ 89) und das Recht der Ehegatten auf autonome Lebensgestaltung (§ 91), angesprochen. Als bestimmende Faktoren für das Bestehen und das Ausmaß der Beitragspflicht nennt das Gesetz die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, die Leistungsfähigkeit jedes Ehegatten und die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Bedürfnisse. Mit dem Verweis auf die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft wird klargestellt, dass die Ehegatten ihren „Lebenszuschnitt“ selbst bestimmen können.1 Sie können über das Maß ihrer Erwerbstätigkeit und die Art der Haushaltsführung entscheiden und die damit zusammenhängenden Lasten untereinander verteilen. Dabei sind die von § 91 gezogenen Grenzen (Einvernehmlichkeits- und Gleichbeteiligungsgrundsatz) zu beachten. Im Rahmen der durch die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorgegebenen Grenzen sind beide Ehegatten verpflichtet, nach ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit zum ehelichen Aufwand beizutragen. Dies wird durch die Wortfolge „nach ihren Kräften“ zum Ausdruck gebracht. Damit soll einerseits klargestellt werden, dass von einem Ehegatten kein höherer Beitrag verlangt werden darf, als seiner Leistungsfähigkeit entspricht, und dass andererseits die Beiträge der Ehegatten dem Verhältnis ihrer Kräfte zu entsprechen haben. Dies bedeutet, dass der leistungsfähigere Ehegatte auch einen höheren Beitrag zu leisten hat.2 Kann ein Ehegatte gar keinen Beitrag leisten, so muss der andere für den gesamten Lebensaufwand aufkommen. Zum daraus abgeleiteten Anspannungsgrundsatz im Unterhaltsrecht s Rz 57ff. Die Erfüllung der Beitragspflicht kann nicht gesondert eingeklagt werden. 4 Verletzungen der Beitragspflicht können allerdings während aufrechter Ehe für den Unterhaltsanspruch und im Fall der Scheidung für die Bewertung des Scheidungsverschuldens von Bedeutung sein. 3

1 2

128

JAB 1662 BlgNR XIII. GP 5. JAB 1662 BlgNR XIII. GP 5.

Allgemeines

§ 94

3. Unterhaltsanspruch § 94 Abs 2 und 3 enthalten nähere Bestimmungen zum ehelichen Unter- 5 haltsanspruch. Als persönliche Ehewirkung vermögensrechtlicher Natur kann der Unterhaltsanspruch vertraglich geregelt und gerichtlich eingefordert werden.3 Unterhaltsansprüche von Ehegatten sind im streitigen Verfahren geltend zu machen. Im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhalts oder auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe kann auch die Zuweisung eines einstweiligen Unterhalts begehrt werden (§ 382 Z 8 lit a EO). Der Unterhaltsanspruch nach § 94 besteht nur bis zur Auflösung der 6 Ehe.4 Bei der Eheauflösung unter Lebenden ist der entscheidende Zeitpunkt die Rechtskraft der Entscheidung über die Eheauflösung, nicht der über einen allfälligen Verschuldensausspruch.5 Für den ehelichen Unterhaltsanspruch erwirkte Unterhaltstitel (Urteil, gerichtlicher Vergleich, Vereinbarung) wirken deshalb grundsätzlich nicht über die Scheidung hinaus.6 Eine Ausnahme stellt der Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 2 EheG dar. Da in diesem Fall Unterhalt wie bei aufrechter Ehe zu leisten ist, wird angenommen, dass der für den ehelichen Unterhaltsanspruch geschaffene Titel auch nach der Scheidung weitergilt.7 Bei einem gerichtlichen Vergleich oder einer sonstigen Unterhaltsvereinbarung kann sich allerdings ein Weiterwirken nach Scheidung aus der Vereinbarung, entweder ausdrücklich oder im Wege der Auslegung, ergeben.8 Faktische Weiterleistung und Annahme des Unterhalts nach Scheidung kann möglicherweise als schlüssige Unterhaltsvereinbarung gewertet werden.9 Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem Tod des Berechtigten. Bei Eheauflösung durch den Tod des Verpflichteten kommt § 796 zur Anwendung. Der Anspruch auf Ehegattenunterhalt geht allen anderen Ansprüchen auf 7 Unterhalt vor. Dies ergibt sich aufgrund eines Größenschlusses aus § 71 EheG.10 Tatsächliche Unterhaltsleistungen durch Kinder oder ein Verweis auf deren Unterhaltspflicht haben auf den Unterhaltsanspruch keinen Einfluss.11 Leistungen Dritter sind nur dann anzurechnen, wenn sie mit der Absicht erbracht wurden, den Unterhaltspflichtigen zu entlasten. 3 Zur Unterscheidung zwischen den rein persönlichen Rechtswirkungen der Ehe und den persönlichen Rechtswirkungen vermögensrechtlicher Natur s § 89 Rz 1ff. 4 OGH 20. 3. 1991, 3 Ob 3/91, ÖA 1992, 161; 16. 3. 2000, 2 Ob 318/99z, EFSlg 91.891. 5 OGH 16. 3. 2000, 2 Ob 318/99z, EFSlg 91.893; 25. 7. 2000, 1 Ob 35/00d, EFSlg 91.894. 6 OGH 16. 3. 2000, 2 Ob 318/99z, EFSlg 91.890; 25. 7. 2000, 1 Ob 35/00d, EFSlg 91.895; OLG Linz 2. 9. 1999, 2 R 64/99s, EFSlg 88.897; LGZ Wien 3. 11. 1989, 47 R 2061/89, EFSlg 58.708. 7 OGH 12. 12. 1979, 3 Ob 156/79, EvBl 1980, 212/58; 16. 3. 2000, 2 Ob 318/99z, EFSlg 91.893; 25. 7. 2000, 1 Ob 35/00d, EFSlg 91.892; 20. 12. 2001, 6 Ob 90/01f, EFSlg 95.300. 8 OGH 22. 10. 2003, 3 Ob 240/02v, EFSlg 103.232; LGZ Wien 3. 11. 1989, 47 R 2061/89, EFSlg 58.709. 9 OGH 20. 12. 2001, 6 Ob 90/01f, EFSlg 95.300. 10 LGZ Wien 19. 6. 1998, 46 R 552/98m, EFSlg 85.850. 11 OLG Wien 12. 9. 1979, 13 R 144/79, EFSlg 32.715; LGZ Wien 29. 5. 1979, 45 R 242/79, EFSlg 32.716.

129

§ 94 8

Hinteregger

Zur Frage, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte verpflichtet ist, aus seinen eigenen Unterhaltseinnahmen seinem Kind oder seinem geschiedenen Ehegatten Geldunterhalt zu leisten, besteht umfangreiche Rechtsprechung und Literatur.12 Unbestritten ist, dass Unterhaltspflichten eines unterhaltsberechtigten Ehegatten gegenüber Dritten keine Erhöhung seines ehelichen Unterhaltsanspruchs bewirken.13 Der Unterhaltspflichtige muss vielmehr seine ehelichen Lebensverhältnisse so gestalten, dass ihm die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltsberechtigten möglich ist.14 Er ist deshalb zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit anzuspannen (zum Anspannungsgrundsatz s Rz 57ff).15 Nur soweit dies nicht möglich oder zumutbar ist, ist zu prüfen, ob und inwiefern der unterhaltsberechtigte Dritte auf den Unterhaltsanspruch des Unterhaltspflichtigen greifen kann. In einigen älteren Entscheidungen verpflichtete der OGH den einem Dritten unterhaltspflichtigen Ehegatten dazu, zur Befriedigung dieser Unterhaltspflicht auf das im Rahmen des ehelichen Unterhaltsanspruchs zustehende Taschengeld zu greifen.16 Die neuere Rechtsprechung geht weiter und bezieht nun Unterhaltsempfänge in die Unterhaltsbemessungsgrundlage ein.17 12 Diese sprach sich seit jeher mehrheitlich für eine Einbeziehung von Unterhaltsleistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage aus: vgl Leitzenberger, ÖA 1984, 83; Pichler, ÖA 1987, 92f; Schmidt, RZ 1987, 158; Lackner, ÖA 1996, 175; Pichler, ÖA 1997, 111; Brugger, ÖJZ 2001, 11; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 94 Rz 10; Neuhauser in Schwimann, ABGB I3 § 140 Rz 73. Einschränkend in Bezug auf Naturalunterhalt: Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 48f. Für die Bewertung des Naturalunterhaltsanspruchs: Zechner, Forderungsexekution (2000) 50. Gegen die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen nur Schwimann, NZ 1998, 289; derselbe, NZ 2004, 100. Überschießend Koch in KBB, § 94 Rz 3, der der Meinung ist, dass solche Pflichten „von den neuen Ehegatten gemeinsam zu tragen“ sind. 13 OGH 10. 10. 1983, 1 Ob 720/83, ÖA 1984, 102; 4. 7. 1985, 7 Ob 593/85, JBl 1987, 715 (Schmidt); 11. 7. 1996, 6 Ob 2126/96g, JBl 1997, 35. 14 OGH 4. 10. 1994, 4 Ob 556/94, ÖA 1995, 96; 29. 9. 1995, 1 Ob 597/95, ÖA 1996, 96; LGZ Wien 28. 1. 1982, 43 R 32/82, EFSlg 40.115. 15 OGH 10. 10. 1983, 1 Ob 720/83, ÖA 1984, 102; 4. 7. 1991, 6 Ob 573/91, EFSlg 65.241; 18. 9. 1991, 1 Ob 595/91, EFSlg 65.248; 12. 11. 1991, 5 Ob 1562/91, EFSlg 65.252; 14. 11. 1991, 7 Ob 615/91, RZ 1992, 69/24; 25. 1. 1994, 1 Ob 502/94, ÖA 1994, 192; 30. 11. 1994, 3 Ob 569/94, ÖA 1995, 99 (Gamerith); 29. 9. 1995, 1 Ob 597/95, ÖA 1996, 96; 16. 1. 1997, 6 Ob 2360/96v, ÖA 1998, 18; 31. 3. 2004, 9 Ob 120/03t; LGZ Wien 14. 3. 2001, 42 R 114/01b, EFSlg 95.801. 16 OGH 10. 10. 1983, 1 Ob 720/83, ÖA 1984, 102; 11. 7. 1996, 6 Ob 2126/96g, JBl 1997, 35; 16. 1. 1997, 6 Ob 2360/96v, ÖA 1998, 18; 18. 12. 1998, 6 Ob 285/98z, JBl 1999, 311 (einschränkend: nur bei einem deutlich überdurchschnittlichen Einkommen des Ehemanns); 20. 5. 1999, 2 Ob 4/99y, ÖA 1999, 258. Zur Problematik eines solchen Taschengeldanspruchs s Rz 24ff. 17 OGH 26. 5. 1993, 7 Ob 526/93, ZfRV 1993, 255; 28. 1. 1997, 5 Ob 3/97w, ÖA 1998, 21; 17. 5. 2000, 6 Ob 97/99h, ÖA 2000, 215: Geldunterhalt nach Scheidung. Vgl auch OGH 14. 1. 2000, 1 Ob 337/99m, EvBl 2000, 508/114: Anspruch eines Elternteils auf Kindesunterhalt. Für den Geldunterhaltsanspruch nach § 94 Abs 3: OGH 22. 3. 2001, 4 Ob 42/01g, JBl 2001, 645; 31. 3. 2004, 9 Ob 120/03t; LG Linz 1. 8. 2001, 14 R 239/01t, EFSlg 95.796. Vgl auch LG Feldkirch 16. 10. 2002, 1 R 216/02a, EFSlg 99.605: Unterhaltsanspruch ist bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Einschränkend noch OGH 26. 5. 1998, 5 Ob 140/98v, EFSlg 86.290: Naturalunterhaltsleistungen sind nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn sie nur den allernötigsten Lebensunterhalt abdecken, sie vermindern aber die Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen. Einschränkend auch Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 48f: Einbezie-

130

Die einzelnen Unterhaltsarten

§ 94

Die Definition des Unterhalts richtet sich nach § 672. Er umfasst demnach 9 Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse.18 Unter die übrigen Bedürfnisse fallen alle Lebensbedürfnisse,19 wie etwa die Kosten der medizinischen Versorgung,20 einschließlich Krankenhauskosten21 und die Kosten zahnärztlicher Behandlung,22 der Befriedigung kultureller Bedürfnisse,23 Prozesskosten im Scheidungs- und Unterhaltsstreit24 und die Aufwendungen für Erholung, Freizeit und Urlaub.25 Der dabei einzuhaltende Standard richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten.26 Der Unterhaltsanspruch deckt nicht nur die laufenden Lebensbedürfnisse, sondern muss dem Unterhaltsberechtigten auch ausreichende Mittel verschaffen, um eine angemessene Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Dies bedeutet, dass der Unterhalt auch die Kosten einer angemessenen Kranken- und Pensionsversicherung umfasst.27 Bei gehobenen Lebensverhältnissen betrifft dies überdies die Aufwendungen für eine Unfallversicherung, eine Krankenzusatzversicherung sowie Rücklagen für überraschend auftretende Notfälle.28 § 94 Abs 2 unterscheidet drei Arten von Unterhaltsansprüchen: den An- 10 spruch des nicht erwerbstätigen Haushaltsführenden, den Anspruch des ehemals Haushaltsführenden nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft und den Anspruch des beitragsschwächeren oder beitragsunfähigen Ehegatten. § 94 Abs 3 regelt den Anspruch auf Geldunterhalt und die Zulässigkeit des Unterhaltsverzichts.

II. Die einzelnen Unterhaltsarten 1. Unterhalt des Haushaltsführenden und ehemals Haushaltsführenden § 94 Abs 2 S 1 bestimmt, dass die Haushaltsführung ein vollwertiger Bei- 11 trag zur Deckung der Lebensverhältnisse der Ehegatten ist. Auf die Größe des

hung von Naturalunterhalt nur soweit ein Anspruch auf Umwandlung des Naturalunterhalts in Geldunterhalt besteht. 18 OLG Wien 23. 4. 1979, 16 R 57/79 ua, EFSlg 32.712; LGZ Wien 9. 12. 1982, 43 R 2196/82, EFSlg 39.944. 19 LGZ Wien 29. 10. 1981, 43 R 2108/81, EFSlg 37.523. 20 OGH 29. 6. 1983, 1 Ob 535/83, EFSlg 42.517. 21 OGH 24. 9. 1980, 3 Ob 613/79, EFSlg 35.243. 22 LGZ Wien 18. 3. 1998, 43 R 30/98z, EFSlg 85.852. 23 OLG Wien 14. 5. 1976, 7 R 98/76, EFSlg 26.075. 24 S Rz 56. 25 OLG Wien 14. 5. 1976, 7 R 98/76, EFSlg 26.075. 26 LGZ Wien 29. 10. 1981, 43 R 2108/81, EFSlg 37.523. 27 Vgl Verschraegen, ÖJZ 2003, 289/16 für den Unterhalt nach Scheidung. Dies muss umsomehr für den Unterhalt bei aufrechter Ehe gelten. Ebenso Kerschner, Familienrecht2 Rz 2/51. 28 Richtig OLG Wien 6. 3. 1981, 16 R 32/81, EFSlg 37.583. AA Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 94 Anm 11.

131

§ 94

Hinteregger

Haushalts kommt es nicht an.29 § 94 Abs 2 S 1 legt weiters fest, dass der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt hat. Dieser Unterhaltsanspruch besteht gem § 94 Abs 2 S 2 nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts weiter. Eigene Einkünfte des Haushaltsführers sind nicht voll anzurechnen, sondern angemessen zu berücksichtigen.30 Dies ermöglicht es, „dem Einzelfall nach billigem Ermessen gerecht zu werden“.31 Berücksichtigungswürdige Umstände sind Belastung durch Haushaltsführung und Kinderbetreuung, Alter, Krankheit und dergleichen.32 Dies gilt nur für die tatsächlich erzielten Einkünfte.33 Einkünfte, die nur erzielt wurden, weil der andere Ehegatte seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen ist, bleiben unberücksichtigt.34 Haushaltsführung ist die hauptverantwortliche Erledigung der Alltags12 versorgung der Familie, wie Nahrungsbeschaffung, Wartung, Heizung und Reinigung des gemeinsamen privaten Lebensbereichs, einschließlich der Wäschereinigung,35 sowie die Betreuung der Kinder.36 Das bloße Zubereiten der Mahlzeiten37 oder die Mithilfe im Haushalt38 reicht nicht aus. Auf der anderen Seite ist auch nicht erforderlich, dass der Haushaltsführer den Haushalt ganz allein besorgt.39 Entscheidende Kriterien sind sowohl die Organisation als auch die tatsächliche Ausführung dieser Tätigkeiten. Bei einem entsprechend aufwändigen Haushalt40 kann allerdings bereits die bloße Organisation des Haushalts die Haushaltsführereigenschaft begründen.41 Wird der Haushalt da-

OGH 15. 9. 1982, 1 Ob 663/82, EFSlg 39.948. OGH 16. 3. 1977, 1 Ob 548/77, EFSlg 28.554 = ÖJZ 1977, 489/219; 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, EFSlg 70.606; 13. 12. 1995, 7 Ob 618/95, SZ 68/236; OLG Linz 16. 1. 1978, 2 R 4/78, EFSlg 30.640; 13. 1. 1983, 3 R 6/83, EFSlg 42.520; LG Salzburg 21. 5. 2003, 21 R 186/03d, EFSlg 103.212. Aus Gleichheitserwägungen für eine volle Anrechnung: Lackner, ÖJZ 1977, 199. 31 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 6. 32 OGH 28. 2. 1991, 7 Ob 503/91, EFSlg 64.917. LG Salzburg 6. 6. 2001, 21 R 323/00x, EFSlg 95.282: je nach Arbeitsbelastung nur Berücksichtigung bis zu 80% der Einkünfte. 33 OGH 23. 6. 1982, 6 Ob 671/82, EFSlg 39.967; LGZ Wien 8. 2. 1982, 44 R 1004/82, EFSlg 39.966; 7. 9. 1987, 44 R 1046/87, EFSlg 52.992. 34 OGH 29. 5. 1996, 4 Ob 2019/96g, SZ 69/129; 29. 5. 2001, 1 Ob 108/01s, JBl 2002, 449 (Kerschner); OLG Wien 14. 8. 1981, 17 R 135/81, EFSlg 37.584; LGZ Wien 21. 10. 1981, 43 R 2083/81, EFSlg 37.585; 24. 2. 1993, 43 R 2015/93, EFSlg 70.603. 35 OGH 19. 5. 1994, 2 Ob 533/94, RZ 1995, 256/78; 29. 5. 1996, 4 Ob 2019/96g, SZ 69/129; LGZ Wien 11. 6. 2002, 42 R 324/02m, EFSlg 99.106. 36 OLG Linz 17. 7. 1976, 4 R 107/76, EFSlg 26.029. 37 LGZ Wien 30. 12. 1987, 43 R 2004/87, EFSlg 52.991. 38 LGZ Wien 13. 9. 1990, 43 R 3050/90, EFSlg 61.738. 39 In diesem Sinne schon der JAB 1662 BlgNR XIII. GP 6. Zur Verpflichtung des erwerbstätigen Ehegatten im Haushalt mitzuhelfen vgl § 95. 40 ZB bei einer größeren Anzahl der zu versorgenden Personen oder bei einem besonders aufwändigen Lebenszuschnitt. 41 Lackner, ÖJZ 1977, 199; Gamerith, ÖA 1988, 64. Dieser Umstand wird von der neueren Rechtsprechung, die die Erbringung eines ins Gewicht fallenden Anteils an Hausarbeit fordert, nicht ausreichend gewürdigt: LGZ Wien 17. 2. 1999, 43 R 908/98t, EFSlg 88.803; 11. 6. 2002, 42 R 324/02m, EFSlg 99.106. 29 30

132

Die einzelnen Unterhaltsarten

§ 94

gegen von beiden Ehegatten organisiert und werden die anfallenden Arbeiten sodann von einer oder mehreren Hilfspersonen ausgeführt, so ist keiner der beiden Ehegatten als Haushaltsführer anzusehen. Dasselbe gilt, wenn der Haushalt von beiden Ehegatten gemeinsam besorgt wird. Zur Verpflichtung zur Haushaltsführung und zur Mithilfe im Haushalt vgl § 91 und § 95. Voraussetzung für die Erlangung der Haushaltsführereigenschaft ist eine 13 entsprechende Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, die einem Ehegatten die Hauptverantwortung für den Haushalt zuweist (Hausfrauenbzw Hausmannehe). Dies kann durch ausdrückliche Vereinbarung oder aufgrund faktischen Verhaltens erfolgen.42 Für eine Gestaltung kraft faktischen Verhaltens braucht keine jahrelange Haushaltsführung vorzuliegen, die tatsächliche Übernahme der Haushaltsführung durch eine nicht bloß unerhebliche Zeit ist ausreichend.43 Gegen den Widerstand des anderen Ehegatten kann die Haushaltsführereigenschaft jedoch nicht erlangt werden.44 Ist die Haushaltsführereigenschaft einmal begründet, so führt eine Vernachlässigung des Haushalts noch nicht zum Verlust des Unterhaltsanspruchs.45 Während aufrechter Hausgemeinschaft ist die Gestaltung nach den in § 91 14 Abs 2 geregelten Grundsätzen abänderbar. Dies bedeutet, dass ein Ehegatte unter bestimmten Voraussetzungen von der Aufgabenverteilung auch einseitig abgehen kann (s § 91 Rz 6ff). Die ältere Rechtsprechung, nach der der unterhaltspflichtige Ehegatte von der bisher einvernehmlichen Gestaltung einer Hausfrauenehe nicht einseitig abgehen konnte,46 oder wonach der Haushaltsführende nicht gegen seinen Willen auf eine volle oder teilweise Berufstätigkeit47 oder auf eine sonstige Erzielung von Einkünften48 verwiesen werden konnte, ist deshalb überholt.49 § 94 Abs 2 S 2 legt fest, dass der Unterhaltsanspruch des Haushaltsführers 15 nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts aufrecht bleibt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der unterhaltsberechtigte Haushaltsführer deshalb auch nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht verpflichtet, einer 42 Vgl zB LGZ Wien 20. 4. 1982, 43 R 2022/82, EFSlg 39.949, 39.952: keine ausdrückliche oder formelle Vereinbarung erforderlich; 18. 9. 2001, 42 R 364/01t, EFSlg 95.193. 43 OLG Wien 19. 3. 1981, 17 R 47/81, EFSlg 37.537; LGZ Wien 23. 3. 1983, 44 R 1028/83, EFSlg 42.547. 44 LGZ Wien 28. 2. 1983, 44 R 1071/82, EFSlg 42.546; 17. 2. 1999, 43 R 908/98t, EFSlg 88.804. 45 Lackner, ÖJZ 1977, 199; LGZ Wien 22. 9. 1987, 47 R 2083/87, EFSlg 52.994; 21. 1. 1991, 44 R 2002/91, EFSlg 64.913. 46 LGZ Wien 3. 9. 1982, 43 R 2092/82, EFSlg 39.953. 47 LGZ Wien 15. 7. 1982, 43 R 2080/82, EFSlg 39.951; 26. 6. 1985, 43 R 2045/85, EFSlg 47.429; 7. 9. 1987, 44 R 1046/87, EFSlg 52.990; 7. 3. 1994, 44 R 2006/94, EFSlg 73.796. 48 LGZ Wien 28. 11. 1990, 43 R 2073/90, EFSlg 61.739. 49 Vgl aber OLG Wien 11. 10. 1979, 12 R 154/79, EFSlg 32.733; LGZ Wien 5. 3. 1982, 43 R 2016/82, EFSlg 39.950, wonach bereits nach der alten Rechtslage eine eigene Erwerbstätigkeit des Haushaltsführers einforderbar war, wenn sie der einvernehmlichen Lebensgestaltung der Ehegatten entsprach und zumutbar war. In diesem Sinne auch LG Salzburg 6. 6. 2001, 21 R 323/00x, EFSlg 95.292.

133

§ 94

Hinteregger

Erwerbstätigkeit nachzugehen,50 selbst wenn ihm eine solche zumutbar wäre.51 Denn Ziel des § 94 Abs 2 S 1 und 2 sei es, „dem den Haushalt führenden Ehegatten, der – von geringfügigen Nebenerwerbstätigkeiten abgesehen – seinen Unterhalt nicht durch die Erträgnisse einer eigenen Berufstätigkeit sichern kann, einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten auch nach der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft zu sichern und insbesondere jene Frauen zu schützen, die von ihrem Mann nach jahrelanger Versorgung des Haushalts allein gelassen werden. Von ihnen darf nicht verlangt werden, dass sie nach Auflösung des gemeinsamen Haushalts einem eigenen Erwerb nachgehen oder für ihren Unterhalt selbst sorgen.“52 Der Unterhaltsanspruch besteht somit weiter, wenn der gemeinsame Haushalt einvernehmlich aufgelöst wird,53 oder der unterhaltspflichtige Ehegatte den gemeinsamen Haushalt verlässt,54 oder der unterhaltsberechtigte Ehegatte berechtigterweise aus der Ehewohnung auszieht.55 Dies soll auch gelten, wenn der Haushaltsführer ein Studium betreibt.56 Dies kann in dieser Allgemeinheit aber nicht gesagt werden, weil es für die unterhaltsrechtliche Relevanz eines Studiums auf die jeweilige Gestaltungsabrede zwischen den Ehegatten ankommt. Das Studium kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn es vom Haushaltsführer als bloße Freizeitgestaltung ohne dahinterstehende Erwerbsabsicht betrieben wird. Liegt der Gestaltungsabrede aber die Erwartung zugrunde, dass das Studium eine eigene Erwerbstätigkeit des haushaltsführenden Ehegatten vorbereiten soll, so ist der unterhaltspflichtige Ehegatte nur solange an die Abrede gebunden, solange das

50 OGH 22. 12. 1976, 1 Ob 783/76, EFSlg 26.040; 28. 11. 1989, 5 Ob 635/89, EFSlg 58.682; 13. 12. 1995, 7 Ob 618/95, SZ 68/236; OLG Linz 3. 1. 1984, 3 a R 217/83, EFSlg 44.843; OLG Wien 16. 12. 1986, 11 R 269/86, EFSlg 50.176; 20. 7. 1987, 11 R 136/87, EFSlg 52.993; LGZ Wien 16. 10. 1979, 43 R 2034/79, EFSlg 32.706; 19. 11. 1981, 43 R 2126/81, EFSlg 37.535; 19. 8. 1981, 44 R 1020/81, EFSlg 37.536; 16. 9. 1982, 43 R 2125/82, EFSlg 39.965; 12. 8. 1986, 43 R 2052/86, EFSlg 50.175, 50.177; 19. 10. 1988, 43 R 1090, 1091, 1099/88, EFSlg 55.903; 2. 3. 1993, 44 R 2005/93, EFSlg 70.580 etc. 51 OGH 11. 3. 1994, 1 Ob 514/94, EFSlg 73.798; 10. 5. 1995, 7 Ob 550/95, EFSlg 76.675, 76.676; OLG Wien 21. 9. 1976, 6 R 171/76, EFSlg 26.043; 14. 10. 1976, 5 R 252/76, EFSlg 26.042; 6. 3. 1979, 12 R 11/79, EFSlg 32.732; 8. 5. 1979, 15 R 76/79, EFSlg 32.735; 13. 10. 1981, 16 R 150/81, EFSlg 37.538; LGZ Wien 25. 6. 1992, 47 R 2012/92, EFSlg 67.660; 22. 4. 1996, 44 R 63/96g, EFSlg 79.833. 52 OGH 6. 9. 1977, 5 Ob 642/77, EvBl 1978, 182/64; 20. 11. 1980, 4 Ob 566/80, EFSlg 35.170; 15. 9. 1982, 1 Ob 663/82, EFSlg 39.693; 29. 5. 1996, 4 Ob 2019/96g, SZ 69/129; OLG Linz 23. 11. 1983, 1 R 207/83, EFSlg 42.519; LGZ Wien 16. 6. 1976, 45 R 272/76, EFSlg 26.039; 20. 4. 1978, 45 R 36/78, EFSlg 30.631; 11. 6. 1981, 44 R 1007/81, EFSlg 37.524 uva. Diese Formulierung geht auf den JAB 1662 BlgNR XIII. GP 6 zurück. 53 OGH 16. 8. 1978, 1 Ob 679/78, EFSlg 30.639; OLG Wien 29. 7. 1976, 4 R 112/76, EFSlg 26.044; 20. 2. 1978, 7 R 254/77, EFSlg 30.638. 54 OGH 14. 11. 1979, 3 Ob 605/79, EFSlg 32.731; OLG Linz 2. 7. 1976, 2 R 152/76, EFSlg 26.045; LGZ Wien 4. 3. 1976, 45 R 94/76, EFSlg 26.041; 8. 2. 1982, 44 R 1004/82, EFSlg 39.964. 55 OGH 29. 5. 1996, 4 Ob 2019/96g, SZ 69/129; OLG Wien 30. 6. 1977, 5 R 158/77, EFSlg 28.575. 56 LGZ Wien 25. 4. 1995, 44 R 2037, 2038/95, EFSlg 76.678.

134

Die einzelnen Unterhaltsarten

§ 94

Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Ist dies nicht der Fall, so unterliegt der unterhaltsberechtigte Ehegatte dem Anspannungsgrundsatz und muss sich auch nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts die Einkünfte einer zumutbaren Erwerbstätigkeit anrechnen lassen. Verzögerungen beim Studienfortschritt aufgrund der Belastung durch Haushalt und Kinderbetreuung sind natürlich angemessen zu berücksichtigen.57 Die Grenze für die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, weiterhin Un- 16 terhalt zu leisten, bildet der Rechtsmissbrauch (s Rz 63ff). Nach der ausdrücklichen Anordnung in § 94 Abs 2 S 2 behält der unterhaltsberechtigte Haushaltsführer den Unterhaltsanspruch, „sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs […] ein Mißbrauch des Rechtes wäre.“ Angesichts dieses klaren Wortlauts ist an der Ansicht, dass der Haushaltsführer nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts nicht verpflichtet ist, eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen, auch nach der Reform des § 91 durch das EheRÄG 1999 festzuhalten. Dies bedeutet, dass der unterhaltspflichtige Ehegatte nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts selbst bei Vorliegen eines wichtigen Anliegens iSd § 91 Abs 2 keine Neugestaltung der Pflichtenverteilung einfordern kann. Dies lässt sich sachlich vor allem damit rechtfertigen, dass der Haushaltsführer damit (bis zur rechtskräftigen Scheidung) eine Anpassungsfrist erhält, innerhalb der er sich beruflich neu orientieren kann. Nach Auflösung des gemeinsamen Haushalts kann der Unterhaltsver- 17 pflichtete nicht verlangen, dass der Unterhaltsberechtigte noch Leistungen erbringt, die zur Führung des gemeinsamen Haushalts gehören.58 Dass der Unterhaltsberechtigte durch die Auflösung des gemeinsamen Haushalts in der Haushaltsführung weniger belastet ist, hat auf den Unterhaltsanspruch keinen Einfluss.59 Die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts berührt nicht den Anspruchs- 18 grund, sie beinflusst aber die Höhe60 und die Art der Unterhaltsgewährung, weil der Unterhaltsberechtigte nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts grundsätzlich Anspruch auf Geldunterhalt hat (s Rz 24). Für die Höhe des Anspruchs bleiben die ehelichen Lebensverhältnisse, so wie sie bei aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft bestanden haben, maßgebend.61 Die Höhe des LGZ Wien 27. 11. 1991, 43 R 2098/91, EFSlg 64.916. OLG Wien 6. 8. 1980, 12 R 130/80, EFSlg 35.165. 59 OGH 20. 1. 1982, 6 Ob 506/82, EFSlg 39.969; LGZ Wien 23. 3. 1983, 44 R 1028/83, EFSlg 42.544. 60 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 6; Aicher, FamRZ 1980, 639. 61 OLG Linz 16. 7. 1976, 4 R 107/76, EFSlg 26.048; LGZ Wien 21. 2. 1978, 45 R 73/78, EFSlg 30.644: keine höhere Verpflichtung gleichsam als Bestrafung des den Haushalt grundlos auflösenden Unterhaltsverpflichteten; OLG Wien 5. 9. 1979, 13 R 143/79, EFSlg 32.729: Der den Haushalt führende Ehegatte soll durch die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden; LGZ Graz 13. 9. 1976, 1 R 249/76, EFSlg 26.047. Missverständlich ist die Aussage des JAB 1662 BlgNR XIII. GP 6 (ebenso OLG Wien 21. 9. 1976, 6 R 171/76, EFSlg 26.046), dass „nun ja keine gemeinsamen Lebensverhältnisse der Ehegatten mehr bestehen“. Die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts ändert jedoch nichts am vereinbarten „Lebenszuschnitt“ der Ehegatten iSd § 94 Abs 1. Dieser kann unter bestimmten Voraus57 58

135

§ 94

Hinteregger

Unterhalts richtet sich auch in diesem Fall nach der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und den Bedürfnissen des Berechtigten im Zeitpunkt der Unterhaltsbemessung.62 Damit kann sich die Tatsache, dass die Ehegatten nun getrennte Haushalte führen, auf die Bemessung des Unterhalts auswirken.63 Nach Auffassung der Rechtsprechung steht der Unterhaltsanspruch nach 19 § 94 Abs 2 S 2 nicht zu, wenn beide Ehegatten erwerbstätig sind, aber dennoch ein Ehegatte allein den Haushalt führt.64 Eigene Erwerbstätigkeit liegt nicht vor, wenn die Erwerbstätigkeit bloß von untergeordneter Bedeutung ist65 und die Einkünfte im „Taschengeldbereich“66 liegen. Dies gilt auch, wenn eine Erwerbstätigkeit in ihrer Ausgestaltung als Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten zu qualifizieren ist.67 Eine Teilzeitbeschäftigung, die schon die Hälfte der gewöhnlichen Arbeitszeit ausmacht, ist dagegen schon ausreichend.68 Liegt eigene Erwerbstätigkeit vor, wird der Unterhaltsanspruch nicht an die Tatsache der Haushaltsführung geknüpft, sondern dem § 94 Abs 2 S 3 unterstellt. Von diesem Ehegatten wird im Gegensatz zum Haushaltsführer verlangt, dass er alle seine Kräfte anspannt, um seinen Beitrag zu leisten. Ein Unterhaltsanspruch steht in diesem Fall nur zu, soweit der betreffende Ehegatte nicht in der Lage ist, die für seinen Lebensunterhalt erforderlichen Mittel aus eigener Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften.69 Da für den Unterhaltsanspruch § 94 Abs 2 S 3 maßgebend ist, wird für die Unterhaltsberechnung nicht die 33%-Klausel, sondern die 40%-Klausel angewendet (s Rz 52). Außerdem werden eigene Einkünfte des Ehegatten nicht bloß angemessen berücksichtigt, sondern voll angerechnet. Diese Ansicht wird in der Literatur kritisiert,70 weil

setzungen sogar im nachehelichen Unterhaltsrecht fortwirken (vgl den angemessenen Unterhalt nach § 66 EheG oder § 69 Abs 2 EheG, wonach Unterhalt wie bei aufrechter Ehe zu leisten ist). 62 OGH 11. 3. 1994, 1 Ob 514/94, EFSlg 73.799; LGZ Wien 15. 12. 1986, 43 R 2081/86, EFSlg 50.178. 63 OLG Wien 20. 7. 1978, 7 R 159/78, EFSlg 30.667; 25. 11. 1981, 12 R 138/81, EFSlg 37.540. 64 OGH 5. 3. 1980, 1 Ob 786/79, EFSlg 35.168; 3. 6. 1980, 5 Ob 527/80, EvBl 1981, 72/17; 24. 2. 1982, 6 Ob 684/81, EvBl 1982, 435/127; 13. 10. 1994, 8 Ob 598/93, ÖA 1995, 123; 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.178; OLG Linz 18. 9. 1978, 1 R 153/78, EFSlg 30.633; 22. 4. 1980, 5 R 61/80, EFSlg 35.174; LGZ Graz 13. 9. 1976, 1 R 249/76, EFSlg 26.027; LGZ Wien 24. 3. 1978, 45 R 92/78, EFSlg 30.630; 31. 1. 1984, 43 R 2133/83, EFSlg 44.830; 18. 9. 1984, 43 R 2140/84, EFSlg 44.831 etc. 65 LGZ Graz 13. 9. 1976, 1 R 249/76, EFSlg 26.027: Nachhilfeunterricht, Erledigung von Korrespondenzen, Übersetzungen oder Erbringung von sonstigen kleineren Dienstleistungen; LGZ Wien 20. 2. 1979, 45 R 594/78, EFSlg 32.796; 27. 6. 1979, 45 R 264/79, EFSlg 32.797. 66 LGZ Wien 25. 6. 1992, 47 R 2012/92, EFSlg 67.661 (hier ca € 200). 67 LGZ Wien 29. 4. 1996, 43 R 110/96m, EFSlg 79.832. 68 OLG Wien 14. 3. 1979, 13 R 36/79, EFSlg 32.710. 69 OGH 11. 8. 1977, 6 Ob 679/77, SZ 50/108; 13. 10. 1994, 8 Ob 598/93, ÖA 1995, 123; 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.178; OLG Linz 22. 4. 1980, 5 R 61/80, EFSlg 35.174. 70 Steininger, FamRZ 1979, 784f; Aicher in Ostheim 107f; derselbe, FamRZ 1980, 640; Holler, ÖJZ 1980, 375; Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 28; Schwind, Kommentar2 § 94 Anm 5.3.2; Gamerith, ÖA 1988, 64f; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 94 Rz 14; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 94 Rz 24.

136

Die einzelnen Unterhaltsarten

§ 94

sie den durch Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit doppelbelasteten Ehegatten gegenüber dem bloß haushaltsführenden Ehegatten benachteilige. Diese Kritik ist aber nicht zielführend. Eine ungleiche Lastenverteilung zwischen den Ehegatten sollte nicht durch die Zuerkennung eines höheren Unterhaltsanspruchs kompensiert werden, sondern muss iSd Gleichbeteiligungsgrundsatzes (§ 91 Abs 1) Anlass für eine Neuverteilung der Pflichten sein.71 2. Unterhalt des beitragsschwächeren und beitragsunfähigen Ehegatten § 94 Abs 2 S 3 bestimmt, dass einem Ehegatten ein Unterhaltsanspruch 20 zusteht, soweit er seinen Beitrag iSd § 94 Abs 1 nicht zu leisten vermag. Daraus wird abgeleitet, dass der beitragsschwächere bzw der beitragsunfähige Ehegatte einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem beitragsstärkeren Ehegatten hat. Verfügt jeder Ehegatte dagegen über ein zur Deckung der den gemeinsamen Lebensverhältnisen angemessenen Bedürfnisse hinreichendes eigenes Einkommen, so kommt ein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten nicht in Betracht.72 In diesem Fall hat jeder Ehegatte die ihn treffenden Aufwendungen aus Eigenem zu tragen.73 Der nach § 94 Abs 2 S 3 Unterhalt Begehrende unterliegt dem Anspan- 21 nungsgrundsatz. Anders als beim Haushaltsführer wird von diesem Ehegatten verlangt, dass er sich nach Kräften um seinen Beitrag zum Familieneinkommen bemüht und seine eigenen Erwerbsmöglichkeiten ausschöpft.74 Ergreift ein Ehegatte keine ihm zumutbare Erwerbstätigkeit oder gibt er seine bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit auf, obwohl ihm die Fortsetzung zumutbar wäre, oder bemüht er sich nach Verlust einer Arbeitsmöglichkeit nicht aktiv um einen neuen Arbeitsplatz, so kann er keinen Unterhaltsbeitrag des anderen begehren.75 Bleibt trotz entsprechender Bemühungen eine wesentliche Einkommensdifferenz zwischen den Ehegatten, so muss der Ehegatte mit dem höheren Einkommen dem anderen Mittel zuschießen, um auch diesem die Deckung der den Lebensverhältnissen beider Ehegatten angemessenen Bedürfnisse zu ermöglichen.76 Auch beim Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 S 3

71 72

Marhold, ZAS 1981, 131f; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 94 Anm 23. OGH 9. 5. 1979, 3 Ob 542/79, EFSlg 32.719; OLG Wien 28. 7. 1981, 17 R 129/81, EFSlg

37.526. LGZ Wien 18. 4. 1978, 45 R 183/78, EFSlg 30.632. OGH 3. 2. 1977, 6 Ob 521/77, EFSlg 28.563; 11. 8. 1977, 6 Ob 679/77, SZ 50/108; OLG Wien 25. 8. 1980, 16 R 126/80, EFSlg 35.172; LGZ Wien 21. 2. 1978, 45 R 73/78, EFSlg 30.634; 5. 11. 1982, 43 R 2167/82, EFSlg 39.958; 20. 8. 2003, 42 R 483/03w, EFSlg 103.226; LG Linz 3. 9. 2003, 15 R 262/03k, EFSlg 103.224. 75 OLG Wien 9. 4. 1980, 17 R 55/80, EFSlg 35.166. 76 OGH 16. 3. 1977, 1 Ob 548/77, EvBl 1977, 489/219; 11. 8. 1977, 6 Ob 679/77, SZ 50/108; 16. 1. 1979, 2 Ob 566/78, EvBl 1979, 435/156; 5. 3. 1980, 1 Ob 786/79, EFSlg 35.175; 24. 2. 1982, 6 Ob 684/81, EFSlg 39.959; 28. 2. 1991, 7 Ob 503/91, EFSlg 64.896; 5. 7. 1991, 5 Ob 505/91, RZ 1992, 263/87; 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, ÖA 1993, 145; 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, 73 74

137

§ 94

Hinteregger

sind, wie von § 94 Abs 1 vorgegeben, der Lebenszuschnitt der Ehegatten und die über ihre Beiträge getroffenen Absprachen zu beachten.77 Für die Zumutbarkeit, sich selbst die Mittel zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse zu verschaffen, muss auf die gesamten Lebensverhältnisse des Unterhalt begehrenden Ehegatten, insbesondere auf sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine Berufsausbildung und Berufslaufbahn, die Lage auf dem Arbeitsmarkt und schließlich auf seine Unterhalts- und Betreuungspflichten Bedacht genommen werden.78 Die Arbeitsmöglichkeit muss konkret sein. Eine Verweisung auf eine bloß theoretische, aber tatsächlich nicht erreichbare Arbeitsmöglichkeit ist nicht zulässig.79 Nicht zumutbar ist beispielsweise eine Berufstätigkeit, wenn eine Frau ein Kind unter drei Jahren80 oder zwei Kinder81 im Alter von 6 und 10 Jahren82 oder drei Kinder83 zu betreuen hat. Allerdings ist auch hier auf die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft Bedacht zu nehmen, sodass die Beibehaltung einer bisher ausgeübten Beschäftigung eher zumutbar ist als die Neuaufnahme einer Beschäftigung.84 Einer 54-jährigen Frau, die seit Jahren keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgeht und weiterhin für das 15-jährige eheliche Kind zu sorgen hat, ist die Aufnahme einer regelmäßigen Beschäftigung, auch einer Teilzeitbeschäftigung, nicht zumutbar.85 Erhält der Unterhaltsberechtigte bereits eine Invaliditätspension, so kann angenommen werden, dass eine geregelte Berufstätigkeit nicht möglich ist.86 Der Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 S 3 steht auch zu, wenn ein Ehe22 gatte gar keinen Beitrag zu leisten vermag, weil er dazu aus psychischen oder physischen Gründen nicht in der Lage ist. In diesem Fall hat der andere Ehegatte allein für die Deckung der ehelichen Lebensbedürfnisse zu sorgen, was

EFSlg 99.181; OLG Wien 28. 7. 1981, 17 R 129/81, EFSlg 37.526; 29. 3. 1983, 12 R 210/82, EFSlg 42.522; LGZ Wien 18. 4. 1978, 45 R 183/78, EFSlg 30.632; 31. 1. 1984, 43 R 2133/83, EFSlg 44.833; 28. 11. 1985, 47 R 2087, 2088/85, EFSlg 47.428 etc. 77 LGZ Wien 18. 9. 1984, 43 R 2140/84, EFSlg 44.832; LG Wels 7. 10. 2003, 21 R 234/03s, EFSlg 103.225. 78 OLG Linz 7. 10. 1976, 3 R 120/76, EFSlg 26.031; LGZ Wien 10. 10. 1978, 45 R 493, 494/78, EFSlg 30.635; 22. 9. 1988, 47 R 2056/88, EFSlg 55.901. 79 OLG Linz 1. 2. 1979, 5 R 11, 12/79, EFSlg 32.794; LGZ Wien 5. 10. 1976, 45 R 405/76, EFSlg 26.033. 80 LGZ Wien 18. 1. 1984, 43 R 2146/83, EFSlg 44.846. 81 LGZ Wien 16. 2. 1988, 44 R 5010/87, EFSlg 55.934. 82 OLG Wien 20. 2. 1978, 7 R 254/77, EFSlg 30.636. Vgl auch LGZ Wien 16. 6. 1976, 45 R 272/76, EFSlg 26.032: keine Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit, wenn die Ehefrau zwei Kleinkinder und auch den Beklagten zu versorgen hat. 83 OLG Linz 16. 7. 1976, 4 R 107/76, EFSlg 26.050; LGZ Wien 28. 6. 1979, 45 R 372/79, EFSlg 32.791. 84 LGZ Wien 1. 7. 1998, 45 R 993/97f, EFSlg 85.851: Verpflichtung der Frau zur weiteren Erwerbstätigkeit trotz der Betreuung von zwei Kindern. 85 OLG Linz 3. 6. 1977, 3 R 112/77, EFSlg 28.564. 86 LGZ Wien 11. 12. 1986, 44 R 1048/86, EFSlg 50.170.

138

Art der Unterhaltsleistung

§ 94

zu einer Doppelbelastung mit Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit führen kann.87 Der Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 S 3 bleibt auch nach Aufhebung 23 der häuslichen Gemeinschaft aufrecht.88

III. Art der Unterhaltsleistung 1. Form der Unterhaltsleistung (Natural- oder Geldunterhalt) Bis zum Inkrafttreten des EheRÄG 1999 vertrat die Rechtsprechung die 24 Auffassung, dass der Unterhalt bei aufrechter Hausgemeinschaft vorrangig durch Naturalleistungen zu erbringen sei.89 Diese Naturalunterhaltsleistungen mussten jedoch in einem Umfang und auf eine Art erbracht werden, die mit der Würde des anderen als gleichberechtigter Ehepartner vereinbar war.90 Der Unterhaltsberechtigte durfte nicht durch knapp bemessene Unterhaltsleistungen in jedem Monat in die Rolle eines Bittstellers gedrängt werden.91 Darüber hinaus wurde dem Unterhaltsberechtigten auch schon in älteren Entscheidungen ein Anspruch auf die Leistung eines Geldbetrages zugestanden, um damit sonstige, den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechende Bedürfnisse befriedigen zu können.92 In weiterer Folge wurde dieser Geldanspruch unpassender Weise als „Taschengeldanspruch“ bezeichnet.93 Die Höhe des Anspruchs wurde eher zurückhaltend beurteilt. Bei überdurchschnittlichen Verhältnissen wurde ein Anspruch auf 5% des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zugestanden. Bei durchschnittlichen oder unterdurch-

87 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 6. OGH 3. 6. 1980, 5 Ob 527/80, EvBl 1981, 72/17; LGZ Wien 5. 2. 1982, 43 R 2164/81, EFSlg 39.957. 88 OGH 3. 2. 1977, 6 Ob 521/77, EFSlg 28.572; 11. 8. 1977, 6 Ob 679/77, SZ 50/108; 6. 10. 1977, 6 Ob 722/77, SZ 50/128; 5. 3. 1980, 1 Ob 786/79, EFSlg 35.168; LGZ Wien 24. 3. 1978, 45 R 92/78, EFSlg 30.630; 16. 9. 2003, 42 R 606/03h, EFSlg 103.214. 89 OLG Wien 3. 10. 1979, 12 R 142/79, EFSlg 32.721; OLG Linz 12. 12. 1979, 5 R 208, 209/79, EFSlg 32.722; 19. 5. 1983, 5 R 92/83, EFSlg 42.523; LGZ Wien 19. 1. 1979, 45 R 697/78, EFSlg 32.714; 29. 10. 1981, 43 R 2108/81, EFSlg 37.528; 15. 7. 1982, 43 R 2080/82, EFSlg 39.960. Dazu Thöni in Harrer/Zitta, Familie 8ff. 90 OGH 14. 9. 1977, 1 Ob 671/77, EFSlg 28.566; OLG Linz 12. 12. 1979, 5 R 208, 209/79, EFSlg 32.725; 9. 7. 1986, 3 Ob 545/86, EFSlg 50.282; LGZ Wien 17. 2. 1999, 45 R 707/98y, EFSlg 88.823; 10. 9. 2002, 44 R 430/02i, EFSlg 99.125. 91 OLG Wien 7. 12. 1976, 4 R 218/76, EFSlg 26.034. 92 OLG Wien 27. 1. 1981, 15 R 13/81, EFSlg 37.530; LGZ Wien 19. 1. 1979, 45 R 697/78, EFSlg 32.714. Geldzahlungspflicht für die Deckung der persönlichen Bedürfnisse (Friseur, Kosmetik etc) bei Entzug des Wirtschaftsgeldes durch den unterhaltsverpflichteten Mann: LGZ Wien 11. 3. 1976, 45 R 92/76, EFSlg 26.037; 19. 1. 1979, 45 R 701, 702/78, EFSlg 32.723; 29. 7. 1999, 43 R 551/99v, EFSlg 88.824. 93 OGH 18. 12. 1998, 6 Ob 285/98z, JBl 1999, 311; LGZ Wien 21. 4. 1999, 43 R 246/99s, EFSlg 88.806; 24. 10. 2000, 42 R 416/00p, EFSlg 91.782; 10. 9. 2002, 44 R 430/02i, EFSlg 99.125. Vgl Thöni in Harrer/Zitta, Familie 10ff.

139

§ 94

Hinteregger

schnittlichen Lebensverhältnissen sollte der Anspruch auf Taschengeld von den Umständen des Einzelfalls abhängig sein und bei geringeren zur Verfügung stehenden Mitteln bis auf Null gesenkt werden können. Anspruch auf vollen Geldunterhalt hatte der unterhaltsberechtigte Ehegatte nur nach Aufhebung der Hausgemeinschaft94 oder bei Vorliegen einer Unterhaltsverletzung (s Rz 26). Das EheRÄG 1999 hat das Recht des Unterhaltsberechtigten auf Geld25 leistung nun ausdrücklich klargestellt und erweitert,95 denn die Beschränkung des unterhaltsberechtigten Ehegatten auf Naturalversorgung mit „Taschengeldanspruch“ führe, so die Erläuterungen,96 zu einer „unangemessenen, in manchen Fällen geradezu unwürdigen Abhängigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten von seinem Partner“. Dem ist zuzustimmen. Die bisherige Rechtsprechung widersprach auch dem Gesetz, weil sie den Grundsatz der Gleichheit der Ehepartner (§ 89) und das in § 91 festgelegte partnerschaftliche Prinzip verletzte.97 Diese Grundsätze gebieten dem Unterhaltspflichtigen nicht nur, dem unterhaltsberechtigten Ehegatten, und zwar unabhängig von der Höhe des Familieneinkommens, angemessene Geldmittel zur Deckung seiner persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung zu stellen, sondern auch, den Unterhaltsberechtigten in die beide Ehegatten betreffenden wirtschaftlichen Entscheidungen einzubinden. Obliegt dem unterhaltsberechtigten Ehegatten die Haushaltsführung, so sind ihm überdies ausreichende Geldmittel zur Verfügung zu stellen, damit er dieser Aufgabe eigenverantwortlich nachkommen kann (sog Wirtschaftsgeld, s § 95 Rz 7). § 94 Abs 3 S 1 sieht nun vor, dass der Unterhalt auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten auch bei aufrechter Hausgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten ist, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Daraus ist abzuleiten, dass der Unterhaltsberechtigte nun selbst entscheiden kann, ob und inwieweit er Naturalleistungen akzeptiert oder Unterhalt in Geld erhalten möchte. Soweit er den Unterhalt in Geld bekommt, hat er für die Deckung seiner Lebensverhältnisse selbst aufzukommen, da das Verlangen nach Geldunterhalt nicht zu einer Doppelversorgung des unterhaltsberechtigten Ehegatten führen kann.98 Dies bedeutet, dass er mit den erhaltenen Geldmitteln zu den gemeinschaftlichen Kosten (Wohnung, Lebensmittel etc) im Rahmen der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft entsprechend beitragen muss. Eine Anrechnung von Na-

94 OGH 20. 10. 1992, 4 Ob 544/92, ÖA 1993, 103; OLG Wien 30. 9. 1983, 12 R 190, 198/83, EFSlg 42.539; 21. 11. 1983, 14 R 193/83, EFSlg 42.536; LGZ Wien 29. 8. 1986, 47 R 2056/86, EFSlg 50.173. 95 OGH 22. 3. 2001, 4 Ob 42/01g, JBl 2001, 645. 96 RV 1653 BlgNR XX. GP 21. 97 Ebenso krit Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 94 Rz 12; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 94 Anm 16a. 98 So zutr Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 570.

140

Art der Unterhaltsleistung

§ 94

turalleistungen auf den Unterhaltsanspruch mit der Wirkung, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nur mehr den Differenzbetrag zum vollen Unterhalt in Geld fordern kann, ist – ganz iSd Rechtsprechung zur Anrechenbarkeit von Naturalleistungen bei Anspruch auf Geldunterhalt (s Rz 27) – nur mit Zustimmung des Unterhaltsberechtigten zulässig.99 Die Tatsache, dass der unterhaltsverpflichtete Ehegatte bislang gewisse Bedürfnisse (zB Wohnungskosten) regelmäßig und rechtzeitig beglichen hat, führt demzufolge noch nicht zur Unbilligkeit des Geldbegehrens.100 Verlangt der unterhaltsberechtigte Ehegatte jedoch nur zum Teil Geldleistung, um damit seine persönlichen Bedürfnisse zu decken, so muss ihm dieser Geldbetrag „uneingeschränkt zur autonomen Verwendung“ zur Verfügung stehen.101 Unbilligkeit des Begehrens auf Leistung in Geld wird vor allem dann vorliegen, wenn die Verpflichtung zur Geldleistung in unvernünftiger Weise zu höheren Lebenskosten führen würde.102 Der Anspruch auf Leistung von Geldunterhalt nach § 94 Abs 3 kann gesondert gerichtlich geltend gemacht werden.103 Kommt der Unterhaltsverpflichtete dem berechtigten Begehren auf Geldleistung nicht nach, so liegt überdies eine Unterhaltsverletzung vor, was den Unterhaltsgläubiger berechtigt, den vollen Geldunterhaltsanspruch gerichtlich geltend zu machen.104 Außerdem kann ein solches Verhalten eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG darstellen.105 Eine Unterhaltsverletzung liegt vor, wenn der Unterhalt nicht in vol- 26 ler Höhe, nicht zur gehörigen Zeit oder in der gehörigen Form geleistet wird.106 Dies ist der Fall, wenn die Art der Unterhaltsgewährung die Würde des Unterhaltsberechtigten verletzt107 oder ständiger Anlass für Auseinander-

99 Dies wird von der RV 1653 BlgNR XX. GP 22 und der Literatur (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 827; Hopf in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform 9; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 94 Rz 12; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 570), die den unterhaltsberechtigten Ehegatten von vornherein auf den Differenzanspruch verweist, nicht ausreichend gewürdigt. Eine solche Auslegung würde den unterhaltsbedürftigen Ehegatten aber wieder in eine unmündige Position drängen, weil sie ihm die Mitsprache bei der Deckung der gemeinsamen Bedürfnisse nimmt. 100 So aber die RV 1653 BlgNR XX. GP 22 sowie unter Berufung auf die Materialien Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 827; Hopf in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform 9 und Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 94 Rz 12. 101 RV 1653 BlgNR XX. GP 22 und Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 827. 102 S das in der RV 1653 BlgNR XX. GP 22 zitierte Beispiel, dass bestimmte Unterhaltsleistungen durch Produkte aus dem eigenen Betrieb (zB Landwirtschaft) in zumutbarer Weise befriedigt werden können. 103 Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 828; Hopf in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform 10; Hopf/ Kathrein, Eherecht2 § 94 Anm 16a. 104 Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 573. 105 H. Pichler, ÖA 2000, 62; Hopf in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform 10. 106 OLG Wien 7. 4. 1977, 5 R 87/77, EFSlg 28.567; 22. 12. 1981, 17 R 218/81, EFSlg 37.531; LGZ Wien 16. 2. 1981, 43 R 2163/80, EFSlg 37.532; 15. 7. 1982, 43 R 2080/82, EFSlg 39.961; 29. 9. 1983, 43 R 1069/83, EFSlg 42.529; LG Salzburg 3. 10. 2001, 21 R 158/01h, EFSlg 95.212. 107 Zitate s oben.

141

§ 94

Hinteregger

setzungen oder sogar einen tätlichen Angriff108 ist. Zur Feststellung, ob der Unterhalt in ausreichender Höhe geleistet wird, sind alle Leistungen des Unterhaltspflichtigen, das heißt sowohl die erbrachten Geld- als auch Sachleistungen, zu berücksichtigen und dem fiktiven Geldanspruch gegenüberzustellen.109 Erhält der Unterhaltsberechtigte Wirtschaftsgeld, so muss das Gericht für die Frage, ob die Unterhaltspflicht verletzt wurde, eine verhältnismäßige Aufteilung dieses Betrags an den unterhaltsberechtigten Ehegatten und die Kinder vornehmen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Unterhaltspflichtige aus dem gemeinsamen Haushalt auch für sich Leistungen in Anspruch nimmt.110 Das Wirtschaftsgeld muss so bemessen sein, dass damit sowohl die Fixkosten des Haushalts als auch die persönlichen Bedürfnisse der auf das Wirtschaftsgeld Verwiesenen in einer den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Weise bestritten werden können.111 Überlässt ein Ehegatte bei aufrechter Ehegemeinschaft dem anderen ein Wirtschaftsgeld, so kommt er demnach seiner Unterhaltspflicht nur dann im vollen Umfang nach, wenn und soweit der andere Ehegatte daraus auch seine persönlichen Bedürfnisse zur Gänze befriedigen kann.112 Liegt eine Unterhaltsverletzung vor, so hat der Unterhaltsberechtigte Anspruch auf den gesamten Unterhalt in Form einer Geldrente.113 Dabei hat er das Recht auf die Schaffung eines Exekutionstitels für den vollen Unterhaltsanspruch und nicht nur für den verkürzten Differenzbetrag.114 Das Verlangen nach vollem Geldunterhalt ist nach der Rechtsprechung auch dann berechtigt, wenn der Unterhaltsverpflichtete aus Anlass der Klagsführung in der Folge wieder Unterhalt in voller Höhe gezahlt hat.115 108 LG Salzburg 18. 12. 2002, 21 R 353/02m, EFSlg 99.126: Ohrfeige bei Behebung von Geld vom gemeinsamen Konto. 109 OLG Wien 7. 12. 1976, 4 R 218/76, EFSlg 26.038; 13. 12. 1977, 7 R 227/77, EFSlg 28.568; OLG Linz 22. 4. 1980, 5 R 61/80, EFSlg 35.180; LG Salzburg 3. 10. 2001, 21 R 158/01h, EFSlg 95.212; 15. 9. 2003, 21 R 262/03f, EFSlg 103.156. 110 OLG Linz 22. 4. 1980, 5 R 61/80, EFSlg 35.177; 19. 5. 1983, 5 R 92/83, EFSlg 42.524, 42.525; LGZ Wien 20. 2. 1980, 44 R 1014/79, EFSlg 35.176; 6. 10. 1981, 43 R 2103/81, EFSlg 37.529. 111 OLG Wien 7. 4. 1977, 5 R 87/77, EFSlg 28.565; LGZ Wien 30. 12. 1988, 43 R 2037, 2038/88, EFSlg 55.902. 112 OLG Linz 19. 5. 1983, 5 R 92/83, EFSlg 42.526; LGZ Wien 9. 4. 2003, 42 R 222/03p, EFSlg 103.143. 113 OLG Wien 18. 1. 1985, 14 R 308/84, EFSlg 47.431; LGZ Wien 21. 8. 1984, 43 R 2129/84, EFSlg 44.837; 25. 1. 1984, 43 R 2142/83, EFSlg 44.840; 27. 11. 1986, 43 R 2077/86, EFSlg 50.171; 28. 12. 1989, 43 R 1067/89, EFSlg 58.677; 2. 3. 1993, 44 R 2005/93, EFSlg 70.579; 7. 9. 1999, 44 R 505/99m, EFSlg 88.825. 114 OGH 17. 12. 1979, 1 Ob 785/79, EFSlg 32.726; LGZ Wien 29. 10. 1981, 43 R 2108/81, EFSlg 37.533; 21. 9. 1982, 43 R 2126/82, EFSlg 39.962; 27. 11. 1986, 43 R 2077/86, EFSlg 50.172; 14. 11. 2000, 42 R 439/00w, EFSlg 91.804; LG Salzburg 20. 11. 2002, 21 R 278/02g, EFSlg 99.127. 115 LGZ Wien 29. 5. 1979, 45 R 255/79, EFSlg 32.727; 19. 9. 2000, 42 R 392/00h, EFSlg 91.805.

142

Art der Unterhaltsleistung

§ 94

2. Anrechnung von Naturalleistungen auf den Geldunterhaltsanspruch Hat der Unterhaltsberechtigte Anspruch auf Geldunterhalt, so ist der Un- 27 terhaltspflichtige nicht berechtigt, den Unterhalt durch Naturalunterhaltsleistungen zu begleichen. Denn ein auf Geld lautender Unterhaltstitel kann nur durch Leistung des geschuldeten Geldbetrags erfüllt werden, da der Unterhaltsberechtigte gem §§ 1412, 1413 nicht gegen seinen Willen gezwungen werden kann, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern hat.116 Naturalleistungen sind demzufolge nur zu berücksichtigen, wenn sich der Unterhaltsberechtigte damit ausdrücklich oder doch schlüssig einverstanden erklärt hat.117 Für eine Anrechnung auf zukünftige Unterhaltsleistungen ist weiters erforderlich, dass aufgrund des stabilen Verhaltens des Schuldners die begründete Annahme besteht, dass dieser die Naturalleistungen auch künftig erbringen wird.118 Dies wird vor allem bei Wohnungskosten angenommen,119 weil der Unterhaltspflichtige üblicherweise ein Interesse an der Beibehaltung der Wohnung hat, nicht aber bei PKW-Kosten.120 Werden Naturalleistungen auf den Unterhaltsanspruch angerechnet, so steht dem Unterhaltsberechtigten nur mehr ein Ergänzungsanspruch zu.121 Die erbrachten Naturalleistungen werden somit nicht bloß von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen, sondern sie verringern den zustehenden Unterhaltsbetrag.

116 LGZ Wien 26. 4. 1977, 45 R 88/77, EFSlg 28.570; LG Salzburg 18. 12. 2002, 21 R 353/02m, EFSlg 99.108. 117 OGH 12. 7. 1990, 8 Ob 1518/90, EFSlg 61.741; 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.790; 17. 8. 2001, 1 Ob 173/01z, EFSlg 95.194, 95.195, 95.214 (Schuldentilgung); LGZ Wien 13. 7. 1978, 45 R 161/78, EFSlg 30.641; 23. 2. 1979, 45 R 39/79, EFSlg 32.737; 19. 12. 1984, 43 R 2144, 2145/84, EFSlg 44.841; 11. 12. 1986, 44 R 1046/86, EFSlg 50.206 (private Krankenversicherung und PKW-Kosten); 24. 11. 1987, 47 R 2102/87, EFSlg 52.996; 10. 8. 1988, 43 R 2020/88, EFSlg 55.906; 13. 10. 1988, 47 R 2065/88, EFSlg 55.928 (Kreditrückzahlung); 9. 10. 1989, 44 R 1042/89, EFSlg 58.675 (Krankenzusatzversicherung), EFSlg 58.676 (Einrichtungsgegenstände); 17. 7. 2001, 42 R 116/01x, EFSlg 95.196 (Lebensmitteleinkauf) etc. 118 OGH 18. 4. 2002, 6 Ob 22/02g, EFSlg 99.107; LG Linz 10. 4. 2003, 15 R 120/03b, EFSlg 103.157; LGZ Wien 30. 8. 1985, 47 R 2048/85, EFSlg 47.433; 12. 6. 1987, 47 R 2047/87, EFSlg 52.999; 23. 2. 1988, 47 R 2005/88, EFSlg 55.926; 27. 11. 1991, 44 R 2073/91, EFSlg 64.899. 119 LGZ Wien 25. 1. 1984, 43 R 2142/83, EFSlg 44.840, 44.842; 30. 1. 1986, 43 R 2135/85, EFSlg 50.179; 28. 12. 1989, 43 R 1067/89, EFSlg 58.679. 120 LGZ Wien 8. 9. 1987, 47 R 2070/87, EFSlg 53.001. 121 OLG Wien 19. 2. 1984, 12 R 47/84, EFSlg 44.845; LG Salzburg 13. 3. 2002, 21 R 20/02s, EFSlg 99.109; LGZ Wien 12. 6. 1987, 47 R 2047/87, EFSlg 52.997. Vgl aber Thöni in Harrer/ Zitta, Familie 17ff, der sich für die Möglichkeit der Schaffung eines aus Natural- und Geldleistungen „gemischten“ Unterhaltstitels ausspricht.

143

§ 94

Hinteregger

3. Naturalunterhaltsleistungen a) Allgemeines 28

Naturalunterhaltsleistungen sind grundsätzlich alle Leistungen mit Unterhaltscharakter,122 die bewirken, dass der Unterhaltsberechtigte zur Bestreitung seiner Lebensbedürfnisse nur noch eines geringeren Geldbetrages bedarf.123 Dies gilt beispielsweise für die Kosten der Benützung eines PKW,124 für Selbstbehalte in der Krankenversicherung125 und den Kirchenbeitrag, den der Unterhaltspflichtige für den Unterhaltsberechtigten leistet.126 Der geleistete Kirchenbeitrag kann nicht dem anderen zur Hälfte angerechnet werden, wenn nur für den erwerbstätigen Ehegatten eine Beitragsgrundlage besteht.127 Keine Naturalunterhaltsleistungen sind gelegentliche Einladungen zum Essen, weil hier der Geschenkcharakter überwiegt128 oder die Beistellung eines PKW, wenn die Unterhaltsberechtigte nur als Beifahrerin mitfahren durfte.129 29 Versicherungsprämien, die für den Unterhaltsberechtigten aufgewendet wurden, wurden unterschiedlich beurteilt. Als Naturalleistung anerkannt wurden Krankenversicherungsprämien.130 Leistungen für eine Krankenzusatzversicherung wurden ganz,131 teilweise132 oder gar nicht133 auf den Geldunterhalt angerechnet. Abgelehnt wurde die Anrechnung von Zahlungen zur Pensionsvorsorge,134 von Prämienzahlungen für eine Lebensversicherung, die der Vermögensbildung dient,135 sowie der Prämienzahlung für eine Unfallversicherung.136 Leistungen für die freiwillige Weiterversicherung in der Pensionsversicherung wurden nicht einmal von der Unterhaltsbemessungsgrundlage ab-

OGH 18. 4. 2002, 6 Ob 22/02g, EFSlg 99.107. OGH 17. 3. 1993, 7 Ob 529/93, EvBl 1993, 657/161; 14. 10. 1999, 1 Ob 237/99f, RZ 2000, 20/3; 9. 11. 2000, 2 Ob 354/99v, EFSlg 91.793; 19. 12. 2000, 1 Ob 270/00p, EFSlg 91.783; LGZ Wien 26. 7. 2002, 42 R 244/02x, EFSlg 99.110. 124 LG Salzburg 13. 3. 2002, 21 R 20/02s, EFSlg 99.113. 125 Für den nach § 63 Abs 4 B-KUVG an die BVA bezahlten Behandlungsbeitrag: OGH 15. 9. 1999, 3 Ob 306/98s, RZ 2000, 206/30. 126 OLG Wien 8. 1. 1985, 14 R 308/85, EFSlg 47.436; LGZ Wien 6. 12. 1990, 47 R 3043/90, EFSlg 64.345. Für die Kirchensteuer in der BRD: OLG Wien 26. 3. 1987, 13 R 29, 44/87, EFSlg 53.062. 127 LGZ Wien 29. 4. 1988, 44 R 5004/88, EFSlg 55.930; 4. 7. 1990, 44 R 2032/90, EFSlg 61.757. 128 LGZ Wien 24. 1. 2000, 44 R 926/99y, EFSlg 91.784. 129 LGZ Wien 25. 10. 2000, 42 R 434/00k, EFSlg 91.785. 130 LG Salzburg 18. 12. 2002, 21 R 353/02m, EFSlg 99.111. 131 LGZ Wien 31. 1. 1984, 43 R 2133/83, EFSlg 44.838; 6. 12. 1990, 47 R 3043/90, EFSlg 64.345. 132 LG Salzburg 16. 2. 2000, 21 R 522/99g, EFSlg 91.787. 133 LGZ Wien 18. 11. 1987, 44 R 5008/87, EFSlg 53.002. 134 OGH 16. 12. 1993, 8 Ob 595/93, EFSlg 70.599; LG Salzburg 16. 2. 2000, 21 R 522/99g, EFSlg 91.786. 135 LG Salzburg 18. 12. 2002, 21 R 353/02m, EFSlg 99.112. In LGZ Wien 20. 12. 2000, 42 R 453/00d, EFSlg 91.852 wurde sie von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen. 136 LG Salzburg 18. 12. 2002, 21 R 353/02m, EFSlg 99.112. 122 123

144

Art der Unterhaltsleistung

§ 94

gezogen.137 Richtigerweise ist bei derartigen Leistungen zu differenzieren. Leistet der Unterhaltspflichtige insgesamt einen zur Deckung der Lebensbedürfnisse ausreichenden Unterhalt, so sind derartige Zahlungen (Unfall-, Kranken-, Pensionsversicherungen oder sonstige Vorsorgeleistungen) als Naturalunterhalt anzurechnen, weil diese einen, wenngleich möglicherweise gehobenen Lebensbedarf138 abdecken.139 Würde eine volle Anrechnung der Prämien die Deckung der laufenden Lebensbedürfnisse beeinträchtigen, so ist auch eine Teilanrechnung möglich. Soweit derartige Leistungen vorrangig der Vermögensbildung dienen, sollten sie dagegen nicht beim Unterhalt, sondern erst im Fall der Auflösung der Ehe bei der Aufteilung des Ehevermögens (§§ 81ff EheG) berücksichtigt werden. b) Anrechnung der Wohnungskosten Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Anrechnung der Wohnungs- 30 kosten und die unterhaltsrechtliche Bewertung des Umstands, dass der Unterhaltspflichtige dem Unterhaltsberechtigten die Wohnung zur Verfügung stellt. Eine Anrechnung auf den Unterhalt ist insoweit gerechtfertigt, als damit ein Teil der Lebensbedürfnisse des Unterhaltspflichtigen gedeckt wird.140 Diese Anrechnung kann aber nicht schematisch erfolgen, sondern es sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.141 Dies ergibt sich aus der grundsätzlichen Erwägung, dass der Unterhaltsanspruch sich nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten richtet. Sind etwa die Wohnungskosten ungewöhnlich hoch, so können sie nicht zur Gänze auf den Unterhaltsanspruch angerechnet werden, wenn der Unterhaltsberechtigte dann nicht mehr in der Lage ist, seine sonstigen Lebenskosten zu decken.142 Auch die bisherige Verteilung der Wohnungskosten zwischen den Ehegatten,143 die Gründe, die zur Aufhebung der Hausgemeinschaft geführt haben (s sogleich unten) oder die Gefahr, dass der Unterhaltsberechtigte ohne entsprechende Zahlungen des Unterhaltspflichtigen die Wohnung verlieren könnte,144 können dabei berücksichtigt werden. OGH 16. 12. 1993, 8 Ob 595/93, EFSlg 70.599. Die Aussage in LGZ Wien 18. 11. 1987, 44 R 5008/87, EFSlg 53.002, dass es sich bei der Prämienzahlung nicht um eine Unterhaltsleistung handeln könne, weil der unterhaltsberechtigten Frau erst bei Eintritt des Versicherungsfalls ein Sachwert zukomme, verkennt das Wesen des Versicherungsvertrags und ist deshalb abzulehnen. 139 So zutr OGH 28. 7. 1988, 7 Ob 626/88, EFSlg 55.927. 140 OGH 16. 12. 1993, 8 Ob 595/93, EFSlg 70.596; 14. 10. 1999, 1 Ob 237/99f, RZ 2000, 20/3; 9. 11. 2000, 2 Ob 354/99v, EFSlg 91.788; LGZ Wien 8. 1. 2001, 44 R 601/00h, EFSlg 95.198; 26. 7. 2002, 42 R 244/02x, EFSlg 99.115; LG Salzburg 15. 9. 2003, 21 R 262/03f, EFSlg 103.147. 141 OGH 9. 11. 2000, 2 Ob 354/99v, EFSlg 91.793, 91.799; 29. 11. 2001, 6 Ob 258/01m, EFSlg 95.210. 142 OGH 10. 5. 1995, 7 Ob 550/95, EFSlg 76.680; 29. 11. 2001, 6 Ob 258/01m, EFSlg 95.210. 143 OGH 29. 11. 2001, 6 Ob 258/01m, EFSlg 95.210. 144 OGH 27. 5. 1987, 3 Ob 520/87, SZ 60/97. 137 138

145

§ 94

Hinteregger

Die Analyse der bisherigen Judikatur ergibt folgendes Bild: Jedenfalls als Naturalunterhaltsleistungen gelten alle Aufwendungen, um die Wohnung in einem gebrauchsfähigen Zustand zu halten,145 wie Betriebskosten146, Aufwendungen für Versicherungen, Telefon und die Kosten für Strom,147 Gas und Heizung148. Diese sind auf alle Unterhaltsberechtigten (Ehegatte, Kinder), die in der Wohnung wohnen, im Zweifel nach Köpfen zu verteilen und auf den jeweiligen Unterhaltsanspruch anzurechnen.149 Dies gilt auch nach Scheidung der Ehe bis zur rechtskräftigen Beendigung des Aufteilungsverfahrens über die Ehewohnung weiter.150 Soll ein anderer Aufteilungsschlüssel angewendet werden, etwa weil eine in der Wohnung ausgeübte Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten höhere Betriebskosten verursacht,151 so ist derjenige, der diesen anstrebt, dafür behauptungs- und beweispflichtig.152 Leistet der Unterhaltspflichtige einem Kind bereits vollen Geldunterhalt, kann das Kind natürlich nicht mehr in die Kopfteilanrechnung einbezogen werden.153 Wird die Wohnung auch von Personen benützt, für die keine Unterhaltspflicht besteht (zB selbsterhaltungsfähiges Kind, Kinder aus der Vorehe des Unterhaltsberechtigten), so sind die diesen zurechenbaren Aufwendungen auf die unterhaltsberechtigten Wohnungsnutzer aufzuteilen.154 Wohnt der Unterhaltspflichtige ebenfalls in der Wohnung, so ist er in den Aufteilungsschlüssel einzubeziehen.155 Hat der Unterhaltspflichtige die Wohnung verlassen, dann ist eine Anrechnung der Wohnungsbenützungskosten auch auf seine Person an sich nicht gerechtfertigt.156 Allerdings differenziert die Rechtsprechung hier teilweise 145 OGH 17. 3. 1993, 7 Ob 529/93, EvBl 1993, 657/161; 6. 9. 1995, 1 Ob 570/95, JBl 1996, 442; 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.792; 19. 10. 2000, 2 Ob 259/00b; 25. 1. 2001, 2 Ob 1/01p, EFSlg 95.201; 20. 12. 2004, 2 Ob 264/04v, EvBl 2005, 511/108; LGZ Wien 8. 1. 2001, 44 R 601/00h, EFSlg 95.199; 26. 7. 2002, 42 R 244/02x, EFSlg 99.119; 9. 4. 2003, 42 R 222/03p, EFSlg 103.152. Dasselbe müsste für Mietzinszahlungen gelten. 146 LGZ Wien 29. 8. 2001, 45 R 451/01h, EFSlg 95.204. 147 LG Salzburg 18. 12. 2002, 21 R 353/02m, EFSlg 99.120. 148 LGZ Wien 11. 3. 1999, 43 R 973/98a, EFSlg 88.812. 149 OGH 24. 10. 1991, 7 Ob 616, 617/91, RZ 1992, 123/46; 13. 7. 1998, 7 Ob 194/98z, JBl 1999, 178 (Thiele); 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.800; 18. 4. 2002, 6 Ob 22/02g, EFSlg 99.118, 99.121; 20. 12. 2004, 2 Ob 264/04v, EvBl 2005, 511/108; OLG Wien 27. 11. 1984, 12 R 257/84, EFSlg 44.836; LG Salzburg 3. 10. 2001, 21 R 158/01h, EFSlg 95.206; LG Linz 10. 4. 2003, 15 R 120/03b, EFSlg 103.153; LGZ Wien 6. 7. 1993, 44 R 2031/93, EFSlg 70.577; 22. 1. 1996, 44 R 2145/95, EFSlg 79.829. 150 OGH 17. 3. 1993, 7 Ob 529/93, EvBl 1993, 657/161; 12. 10. 1999, 5 Ob 10/99b, EFSlg 88.811, 91.791. 151 OGH 18. 4. 2002, 6 Ob 22/02g, EFSlg 99.123. 152 OGH 24. 10. 1991, 7 Ob 616, 617/91, RZ 1992, 123/46. 153 LGZ Wien 27. 2. 1985, 43 R 2197/84, EFSlg 47.432. 154 LG Salzburg 18. 12. 2002, 21 R 353/02m, EFSlg 99.122; LGZ Wien 29. 3. 1995, 47 R 2234/94, EFSlg 76.672. 155 OGH 25. 1. 2001, 2 Ob 1/01p, EFSlg 95.207; OLG Wien 28. 10. 1983, 13 R 227/83, EFSlg 42.527; LGZ Wien 7. 9. 1999, 44 R 505/99m, EFSlg 88.818. 156 OGH 17. 3. 1993, 7 Ob 529/93, EvBl 1993, 657/161; 14. 12. 1994, 7 Ob 607/94, EFSlg 76.682.

146

Art der Unterhaltsleistung

§ 94

zwischen den verbrauchsabhängigen Aufwendungen, die dem Unterhaltsverpflichteten nicht angerechnet werden, und den vermögensbezogenen Fixkosten. Diese werden wie bei aufrechter Hausgemeinschaft,157 bei bestehendem Miteigentum im Zweifel zur Hälfte,158 zwischen den Ehegatten verteilt. Bei dieser Anrechnung werden auch die Gründe, die zur Aufhebung der Hausgemeinschaft geführt haben, berücksichtigt.159 Verlässt der unterhaltspflichtige Ehegatte grundlos die Ehewohnung und bleibt der Unterhaltsberechtigte dort allein zurück, dann wird der Unterhaltspflichtige so behandelt, als wäre er in der Wohnung verblieben. Dies bedeutet, dass die von ihm geleisteten Mietzinszahlungen dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nur zur Hälfte als Naturalunterhalt angerechnet werden.160 Die Aussage des LGZ Wien, dass dies nach Rechtskraft der Scheidung nicht mehr gelten soll, weil ab diesem Zeitpunkt keine Pflicht zum gemeinsamen Wohnen mehr besteht,161 verkennt, dass die Anrechnung der Wohnungskosten als Naturalunterhalt kein Instrument zur Sanktionierung von ehewidrigem Verhalten eines Ehegatten darstellt. Ziel ist vielmehr, die Wohnungskosten zwischen den Ehegatten angemessen, und zwar entsprechend den Kriterien der Leistungsfähigkeit und des Bedarfs, zu verteilen. Diese können aber auch nach der Scheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Aufteilung eine Teilanrechnung rechtfertigen. Bei einvernehmlicher Aufhebung der Hausgemeinschaft richtet sich die Verteilung der Wohnungskosten nach der Vereinbarung. Diese kann auch konkludent erfolgen. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, so kann es angemessen sein, die für die Wohnung anfallenden vermögensbezogenen Fixkosten (Kreditrückzahlungen, Steuern, Aufwendungen für die Verwaltung und Erhaltung der Wohnung) wie bei aufrechter Hausgemeinschaft zu verteilen und die verbrauchsabhängigen Kosten dem Wohnungsbenützer anzurechnen.162 Zieht der Unterhaltsberechtigte aus der Wohnung aus, so können die Wohnungskosten nicht auf den Unterhaltsanspruch angerechnet werden,163 weil sie dem Unterhaltsberechtigten nicht mehr zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse zu Gute kommen. Die Tatsache, dass der Unterhaltsverpflichtete diese Kosten weiterhin tragen muss, kann aber jedenfalls bei Vorliegen außerSo LGZ Wien 7. 10. 2000, 44 R 521/00v, EFSlg 91.803. OGH 29. 5. 2001, 1 Ob 108/01s, JBl 2002, 449 (Kerschner) oder auch im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Unterhaltspflichtigen, da es sich dabei überwiegend um Fixkosten handelte: OGH 16. 12. 1993, 8 Ob 595/93, EFSlg 70.598. S auch LGZ Wien 29. 4. 1988, 44 R 5004/88, EFSlg 55.929: Die Grundsteuer hat der alleinige Eigentümer zu zahlen. 159 OGH 9. 11. 2000, 2 Ob 354/99v, EFSlg 91.793, 91.799; LGZ Wien 29. 1. 2002, 42 R 18/02m, EFSlg 99.124. 160 OGH 9. 11. 2000, 2 Ob 354/99v, EFSlg 91.801; 25. 1. 2001, 2 Ob 1/01p, EFSlg 95.208; LG Salzburg 5. 12. 2001, 21 R 279/01b, EFSlg 95.211; LGZ Wien 30. 9. 2003, 44 R 598/03x, EFSlg 103.154. 161 LGZ Wien 17. 7. 2001, 42 R 116/01x, EFSlg 95.209. 162 LGZ Wien 21. 6. 1999, 44 R 869/97p, EFSlg 88.822. 163 OGH 20. 6. 1991, 6 Ob 1577/91, EFSlg 64.900; 25. 1. 2001, 2 Ob 1/01p, SZ 74/12; LGZ Wien 15. 10. 1998, 43 R 452/98b, EFSlg 85.871; 7. 5. 2003, 42 R 257/03k, EFSlg 103.155. OGH 14. 4. 1999, 9 Ob 353/98x, EFSlg 88.865: auch keine Anrechnung auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage. 157 158

147

§ 94

Hinteregger

gewöhnlicher Umstände seine Leistungsfähigkeit schmälern und die Unterhaltsbemessungsgrundlage mindern.164 Dies wäre beispielsweise dann berücksichtigungswürdig, wenn der Unterhaltsverpflichtete die Wohnung selbst gar nicht nutzen kann oder wenn es sich um eine verhältnismäßig kostspielige Wohnung handelt, die seinerzeit auf Wunsch und im Interesse des Unterhaltsberechtigten angeschafft wurde. Auch Kreditrückzahlungen können den Geldunterhaltsanspruch min31 dern,165 wenn sie dem Unterhaltsberechtigten zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse dienen,166 insbesondere wenn diesem damit der Verbleib in der Ehewohnung ermöglicht wird.167 Abzugsfähig sind deshalb Kreditraten, wenn der Kredit zur Anschaffung, Bereitstellung und Erhaltung der Ehewohnung aufgenommen wurde.168 Steht die Wohnung im Miteigentum, so werden die Kreditraten meist zur Hälfte auf den Unterhalt angerechnet,169 ja sogar, wenn die Wohnung im Alleineigentum des Unterhaltspflichtigen steht.170 Zum Teil wurden Kreditraten auch nur von der Bemessungsgrundlage abgezogen171 oder, weil sie der Vermögensbildung des Eigentümers dienen, gar nicht als Naturalunterhalt angerechnet172 oder nur teilweise von der Bemessungsgrundlage abgezogen.173 Jede dieser Lösungen kann im Einzelfall gerechtfertigt sein, weil es bei der Anrechnung als Naturalunterhalt eben auch darauf ankommt, dass beide Ehegatten ihre laufenden Lebensbedürfnisse befriedigen können und ein Wohnungsverlust vermieden wird. Der Umstand, dass die Schuldenrückzahlung als Naturalunterhalt bewertet oder als unterhaltsmindernd bei der Bildung der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt wurde, ist bei Eheauflösung im Aufteilungsverfahren (§§ 81ff EheG) entsprechend zu berücksichtigen.174 164 Für Kreditrückzahlungen: OGH 7. 11. 1994, 7 Ob 624/94, EFSlg 73.822; LGZ Wien 7. 5. 2003, 42 R 257/03k, EFSlg 103.197. 165 OGH 6. 9. 1995, 1 Ob 570/95, JBl 1996, 442; LGZ Wien 15. 3. 2000, 45 R 142/00s, EFSlg 91.794. 166 OGH 17. 3. 1993, 7 Ob 529/93, EvBl 1993, 657/161; LGZ Wien 7. 9. 1999, 44 R 505/99m, EFSlg 88.815. 167 OGH 14. 10. 1999, 1 Ob 237/99f, RZ 2000, 20/3; LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.170, 99.171. 168 LGZ Wien 25. 10. 1999, 44 R 646/99x, EFSlg 88.816. 169 OGH 17. 3. 1993, 7 Ob 529/93, EvBl 1993, 657/161; 10. 5. 1995, 7 Ob 550/95, EFSlg 76.681; 10. 9. 1998, 6 Ob 194/98t, EFSlg 85.868 (ohne Rekurs auf Miteigentum); 14. 10. 1999, 1 Ob 237/99f, RZ 2000, 20/3; 29. 11. 2001, 6 Ob 258/01m, EFSlg 95.202; 18. 4. 2002, 6 Ob 22/02g, EFSlg 99.116; LG Linz 10. 4. 2003, 15 R 120/03b, EFSlg 103.148. 170 OGH 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.802 (Naturalunterhalt). LGZ Wien 30. 4. 1986, 47 R 2026/86, EFSlg 50.235: Abzug von der Bemessungsgrundlage. 171 OGH 11. 3. 1994, 1 Ob 514/94, EFSlg 73.800; OLG Wien 29. 3. 1983, 12 R 210/82, EFSlg 42.540; LGZ Wien 31. 10. 1985, 47 R 2093, 2095/85, EFSlg 47.435; 30. 4. 1986, 47 R 2026/86, EFSlg 50.236; 23. 2. 1989, 43 R 1003/89, EFSlg 58.687; 30. 6. 1989, 44 R 1015/89, EFSlg 58.690; 25. 10. 1999, 44 R 646/99x, EFSlg 88.871; 14. 11. 2000, 42 R 439/00w, EFSlg 91.856; 20. 12. 2000, 42 R 453/00d, EFSlg 91.855. 172 LGZ Wien 24. 11. 1987, 47 R 2102/87, EFSlg 53.000. 173 LGZ Wien 29. 9. 1989, 43 R 2047/89, EFSlg 58.688. 174 OGH 17. 3. 1993, 7 Ob 529/93, EvBl 1993, 657/161; 6. 9. 1995, 1 Ob 570/95, JBl 1996, 442; 27. 5. 1998, 6 Ob 18/98k, EFSlg 85.869.

148

Art der Unterhaltsleistung

§ 94

Kreditrückzahlungen betreffen immer nur die Ehegatten und nicht die unterhaltsberechtigten Kinder. Sie können den Kindern deshalb nicht als Naturalunterhalt angerechnet werden.175 Dem ist zuzustimmen, soweit die betreffenden Kreditrückzahlungen der Vermögensbildung dienen, weil hier im Wege der Aufteilung ein vermögensrechtlicher Ausgleich erfolgen kann, in den die Kinder nicht einbezogen sind. Dies kann allerdings für Mietzinszahlungen nicht gelten, da diese der Wohnungserhaltung und nicht der Vermögensbildung dienen. Diese sind wie die sonstigen Wohnungserhaltungskosten zu behandeln. Sonstige Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen können nur von der Be- 32 messungsgrundlage abgezogen werden. Dies gilt beispielsweise für die Bezahlung der Versicherungsprämien und der halben Kreditrückzahlungsraten für ein im gemeinsamen Eigentum stehendes Landhaus,176 oder für sonstige Investitionen in die Wohnung, die auch dem Unterhaltsberechtigten zu Gute kommen.177 Die Anrechnung eines Benützungsentgelts oder eines fiktiven Mietwer- 33 tes für die vom Unterhaltspflichtigen beigestellte Wohnung wird in ständiger Rechtsprechung abgelehnt.178 Die durch die Nutzung der Wohnung entstehende Wohnungskostenersparnis kann aber als Naturalunterhalt angerechnet werden,179 da der Unterhaltsverpflichtete mit der Zurverfügungstellung der Wohnung bereits einen Teil der Lebensbedürfnisse des Berechtigten befriedigt.180 Lebt dagegen der Unterhaltsverpflichtete in einer Wohnung, die dem Unterhaltsberechtigten gehört, so kann es im Einzelfall angemessen sein, die dadurch entstehende Wohnungskostenersparnis zur Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen und den Unterhalt von diesem erhöhten Betrag zu bemessen. 175 OGH 13. 7. 1998, 7 Ob 194/98z, JBl 1999, 178 (Thiele); 8. 9. 1999, 7 Ob 193/99d, ÖA 1999, 297; 12. 10. 1999, 5 Ob 10/99b, EFSlg 88.819; 4. 11. 2004, 2 Ob 220/04y, ÖA 2005, 253; LGZ Wien 5. 7. 2000, 45 R 336/00w, EFSlg 91.797. Krit Gruber in Harrer/Zitta, Familie 720ff; Deixler-Hübner, ecolex 2001, 110. 176 OGH 14. 10. 1999, 1 Ob 237/99f, RZ 2000, 20/3; LGZ Wien 28. 5. 1985, 47 R 2001/85, EFSlg 47.500. 177 OGH 7. 10. 2003, 10 Ob 34/03b, EFSlg 103.149. 178 OGH 16. 12. 1993, 8 Ob 595/93, EFSlg 70.597; 6. 9. 1995, 1 Ob 570/95, JBl 1996, 442; 30. 10. 1998, 1 Ob 79/98v, MietSlg 50.001; 14. 10. 1999, 1 Ob 237/99f, RZ 2000, 20/3; 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.798; 18. 4. 2002, 6 Ob 22/02g, MietSlg 54.004; 1. 8. 2003, 1 Ob 159/03v, EFSlg 103.150; LGZ Wien 28. 6. 1999, 44 R 71/99p, EFSlg 88.814; 8. 1. 2001, 44 R 601/00h, EFSlg 95.199. Für die Anrechnung eines Benützungsentgelts aber: OGH 8. 3. 1994, 4 Ob 510/94, EFSlg 76.221. 179 OGH 21. 6. 2001, 2 Ob 230/00p, EFSlg 97.273; 9. 9. 2002, 7 Ob 178/02f, RZ 2003, 137/16; 12. 8. 2004, 1 Ob 123/04a, JBl 2005, 309. Ähnlich auch OGH 1. 8. 2003, 1 Ob 159/03v, EFSlg 103.151: wirtschaftlicher Vorteil der Frau durch Nutzung des dem Mann gehörigen Hälfteanteils am Haus. IdS auch Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 582. Für die Anrechnung beim Kindesunterhalt: Deixler-Hübner, ecolex 2001, 110; vgl nun auch OGH 24. 5. 2005, 4 Ob 41/05s, ÖA 2005, 246. 180 In diesem Sinne wurde die Tatsache, dass die Unterhaltsberechtigte ihren Wohnbedarf durch ein Fruchtgenussrecht an der ehemaligen Ehewohnung befriedigt, als bedarfsmindernd angesehen: OGH 8. 2. 1994, 10 Ob 1502/94, EFSlg 76.714. Vgl auch LGZ Wien 18. 6. 1986, 43 R 2020/86, EFSlg 50.208: Wert des unentgeltlichen Wohnrechts ist sowohl beim Unterhaltsverpflichteten als auch beim Unterhaltsberechtigten anzurechnen.

149

§ 94

Hinteregger

IV. Bemessung 1. Bemessungsgrundlage a) Einkommen aa) Allgemeines 34

Unterhaltsbemessungsgrundlage ist das gesamte Einkommen des Unterhaltspflichtigen.181 Unter dem Einkommen ist die Summe aller verfügbaren Mittel zu verstehen,182 also alles was einer Person an Natural- und Geldleistungen auf Grund eines Anspruchs zukommt183 und zu ihrer freien Verfügung steht,184 vermindert um die unterhaltsrechtlich beachtlichen Abzüge und Aufwendungen.185 Als Einkommen gelten demzufolge das Arbeitseinkommen, Pensionen, Renten, Vermögenserträgnisse und verschiedene öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Sozialleistungen, soweit diese nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands dienen.186 Dabei kann nicht einfach von der Steuerbemessungsgrundlage ausgegangen werden. Diese ist nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zu korrigieren.187 35 Der Unterhaltsbemessung ist ein möglichst aktuelles und repräsentatives Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu Grunde zu legen.188 Grundsätzlich ist von dem Einkommen auszugehen, welches der Unterhaltspflichtige bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bezogen hat.189 Besteht die Möglichkeit einer Verzerrung durch Einkommensschwankungen, ist auf einen längeren Zeitraum abzustellen und ein Durchschnittseinkommen zu bilden.190 Die Länge des Zeitraums richtet sich nach dem Ausmaß der Ein181

LGZ Wien 8. 9. 1999, 45 R 472/98i, EFSlg 88.844; 21. 11. 2001, 45 R 456/01v, EFSlg

95.240. 182 OGH 18. 3. 1992, 1 Ob 535/92, JBl 1992, 702; 7. 10. 1992, 6 Ob 614/92, SZ 65/126; 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, ÖA 1993, 145; 26. 4. 2000, 3 Ob 308/98k, JBl 2001, 55 (Schober); LG Salzburg 5. 12. 2001, 21 R 279/01b, EFSlg 95.242; LGZ Wien 29. 10. 2002, 44 R 490/02p, EFSlg 99.155 etc. 183 OGH 6. 9. 1995, 1 Ob 570/95, JBl 1996, 442; 27. 5. 1998, 6 Ob 18/98k, EFSlg 85.872; 2. 10. 2003, 6 Ob 8/03z, EFSlg 103.183; LGZ Wien 23. 7. 2001, 42 R 164/01f, EFSlg 95.241 etc. 184 LGZ Wien 17. 2. 1976, 45 R 28/76, EFSlg 26.083. 185 26. 4. 2000, 3 Ob 308/98k, JBl 2001, 55 (Schober); LG Salzburg 5. 12. 2001, 21 R 279/01b, EFSlg 95.242. 186 OGH 27. 5. 1998, 6 Ob 18/98k, EFSlg 85.873; 2. 10. 2003, 6 Ob 8/03z, EFSlg 103.183; LGZ Wien 30. 11. 1993, 47 R 2034/93, EFSlg 70.613 etc. 187 OGH 18. 3. 1992, 1 Ob 535/92, JBl 1992, 702; OLG Wien 13. 12. 1977, 7 R 227/77, EFSlg 28.616; LGZ Wien 30. 3. 1976, 45 R 79/76, EFSlg 26.084; 27. 4. 1987, 43 R 1004/87, EFSlg 53.052; 28. 9. 1988, 43 R 1066/88, EFSlg 55.936; 11. 7. 1995, 44 R 2066/95, EFSlg 76.712. 188 LGZ Wien 28. 9. 1988, 43 R 1066/88, EFSlg 55.937; 3. 4. 2002, 45 R 8/02p, EFSlg 99.162. 189 OLG Wien 21. 11. 1985, 12 R 287/85, EFSlg 47.484; LGZ Wien 30. 8. 1985, 47 R 2048/85, EFSlg 47.480. 190 OLG Wien 18. 3. 1986, 12 R 24, 25/86, EFSlg 50.211; LGZ Wien 18. 4. 1985, 47 R 2012/85, EFSlg 47.482; 30. 8. 1985, 47 R 2048/85, EFSlg 47.483; 26. 11. 1987, 47 R 2092/87

150

Bemessung

§ 94

kommensschwankungen.191 Ein sechsmonatiger Beobachtungszeitraum wird meist ausreichend sein.192 Auf bloß mögliche zukünftige Einkommensänderungen kann keine Rücksicht genommen werden.193 Für die Beurteilung der Unterhaltspflicht für vergangene Zeitabschnitte sind die tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen in der jeweiligen Periode zu ermitteln.194 bb) Unselbstständig Erwerbstätige Bei unselbstständig Erwerbstätigen ist die Bemessungsgrundlage das Net- 36 toeinkommen (Bruttolohn minus Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge).195 In die Bemessungsgrundlage sind alle Einkommensbestandteile einzubeziehen. Diese umfassen das Gehalt samt allen Nebengebühren,196 wie Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld),197 Überstundenentgelte,198 Mehrleistungsentschädigungen,199 Urlaubsablöse200 bzw Urlaubsentschädigung,201 Nachtdienstzulage,202 Sonn- und Feiertagszulage,203 Erschwerniszulage,204 Haushaltszulage,205 Leistungen des Dienstgebers für eine Krankenzusatz- oder Unfallversicherung,206 Kinder- und Familienzulagen,207 eine „SparEFSlg 53.049; 14. 1. 1988, 47 R 2001/88, EFSlg 55.941, 55.942; 18. 9. 2001, 44 R 410/01x, EFSlg 95.243; 16. 9. 2003, 42 R 606/03h, EFSlg 103.185. 191 LGZ Wien 18. 4. 1985, 47 R 2012/85, EFSlg 47.482. 192 LGZ Wien 31. 1. 1986, 43 R 2128/85, EFSlg 50.213; 29. 4. 1999, 45 R 553/98a, EFSlg 88.852; 3. 4. 2002, 45 R 8/02p, EFSlg 99.162; OLG Wien 14. 5. 1986, 11 R 75/86, EFSlg 50.212: ein Jahr ist jedenfalls ausreichend. 193 LGZ Wien 30. 8. 1985, 47 R 2048/85, EFSlg 47.480. 194 LGZ Wien 3. 4. 2002, 45 R 8/02p, EFSlg 99.156. 195 OGH 18. 3. 1992, 1 Ob 535/92, JBl 1992, 702; 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.154; LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.160. 196 OGH 2. 4. 1992, 7 Ob 546/92, RZ 1993, 260/91; LGZ Wien 18. 12. 1979, 43 R 2067/79, EFSlg 32.798. 197 OGH 23. 2. 1994, 3 Ob 28/94, JBl 1994, 830; 26. 4. 2000, 3 Ob 308/98k, JBl 2001, 55 (Schober); OLG Linz 19. 5. 1983, 5 R 92/83, EFSlg 42.600; OLG Wien 28. 11. 1977, 7 R 219/77, EFSlg 28.623; 18. 1. 1985, 12 R 10/85, EFSlg 47.497; LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.160; LGZ Wien 17. 11. 1998, 44 R 786/98h, EFSlg 85.878. 198 OLG Linz 19. 5. 1983, 5 R 92/83, EFSlg 42.602; OLG Wien 20. 6. 1977, 7 R 107/77, EFSlg 28.624; 18. 1. 1985, 12 R 10/85, EFSlg 47.497; LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.160. 199 LGZ Wien 3. 11. 1983, 44 R 1079/83, EFSlg 42.597. 200 LGZ Wien 28. 2. 1989, 47 R 2050/88, EFSlg 58.699. 201 OGH 23. 5. 1995, 4 Ob 1577/95, EFSlg 76.708. 202 LG Salzburg 9. 8. 2001, 21 R 254/01a, EFSlg 95.251. 203 LG Salzburg 9. 8. 2001, 21 R 254/01a, EFSlg 95.252. 204 LGZ Wien 11. 3. 1977, 45 R 87/77, EFSlg 28.617. 205 OLG Wien 13. 5. 1981, 18 R 84/81, EFSlg 37.595; LGZ Wien 19. 6. 1984, 43 R 2075/84, EFSlg 44.881. 206 LGZ Wien 30. 8. 1985, 47 R 2048/85, EFSlg 47.495. Dies kann aber nur gelten, soweit es sich dabei um eine Abgeltung für einen berufsbedingten Mehraufwand handelt, weil der Arbeitnehmer auf Grund der Art der Arbeitsleistung ein höheres Risiko hat. 207 LGZ Wien 3. 12. 1979, 44 R 1013/79, EFSlg 32.811.

151

§ 94

Hinteregger

förderungszulage“208 sowie Jubiläumsgelder.209 Auch Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung,210 einer weiteren Beschäftigung211 und Trinkgelder werden als Einkommen bewertet. Deren Höhe kann nach § 273 ZPO festgesetzt werden.212 Aufwandsentschädigungen werden zur Hälfte in die Unterhaltsbemes37 sungsgrundlage einbezogen, sofern der Unterhaltsverpflichtete nicht nachweist, dass diese darüber hinaus der Abdeckung berufsbedingter Mehrausgaben dienen.213 Dies gilt für Diäten,214 Taggelder,215 Nächtigungsgelder,216 eine Reisekostenentschädigung217 oder eine Schmutzzulage218. Bei einer Gefahrenzulage, die ebenfalls als Einkommen gilt,219 ist die damit finanzierte Lebensversicherungsprämie abzuziehen.220 Ein Auslandszuschlag ist ebenfalls als Einkommen anzurechnen, soweit es sich dabei nicht um die Abgeltung von effektiven Mehrauslagen handelt,221 wie zB höhere Lebenshaltungskosten im Ausland,222 notwendige Repräsentationskosten oder die Kosten für die Beibehaltung der Wohnung zu Hause.223 Dasselbe muss für den Erziehungskostenbeitrag eines im Ausland tätigen Beamten für seine im Inland befindlichen Kinder gelten.224 Kleinere geschenkartige Einmalzahlungen sind in dem Monat anzurech38 nen, in dem sie angefallen sind.225 Größere Einmalzahlungen („Stockablöse“, Remunerationen oder Treueprämie) werden auf einen längeren Zeitraum verteilt, weil anzunehmen ist, dass der Unterhaltspflichtige die Beträge nicht soLGZ Wien 20. 4. 1982, 43 R 2022/82, EFSlg 40.021. LGZ Wien 21. 1. 1991, 44 R 2002/91, EFSlg 64.922. 210 LGZ Wien 3. 6. 1977, 45 R 216/77, EFSlg 28.621. 211 OGH 26. 11. 1992, 8 Ob 1676/92, EFSlg 67.673. 212 Für eine Kellnerin: LGZ Wien 5. 1. 1994, 43 R 2105/93, EFSlg 73.820. 213 OLG Wien 28. 9. 1983, 13 R 189/83, EFSlg 42.594; LGZ Wien 25. 4. 1985, 43 R 2035/85, EFSlg 47.492; LG Salzburg 9. 8. 2001, 21 R 254/01a, EFSlg 95.249. 214 LG Salzburg 30. 1. 2003, 21 R 236/02f, EFSlg 103.187; LGZ Wien 16. 9. 2003, 42 R 606/03h, EFSlg 103.188. 215 OLG Wien 28. 9. 1983, 13 R 189/83, EFSlg 42.594; LGZ Wien 20. 10. 1983, 43 R 2116/83, EFSlg 42.601; 3. 12. 1984, 44 R 1073/84, EFSlg 44.883; 30. 6. 1989, 44 R 1024/89, EFSlg 58.698. 216 OLG Wien 28. 9. 1983, 13 R 189/83, EFSlg 42.594. 217 LG Linz 10. 4. 2003, 15 R 120/03b, EFSlg 103.201. 218 LGZ Wien 30. 6. 1989, 44 R 1024/89, EFSlg 58.701; anders KG Korneuburg 6. 6. 1979, 5 R 150/79, EFSlg 32.810: nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. 219 LGZ Wien 30. 1. 1986, 43 R 2135/85, EFSlg 50.223. 220 LGZ Wien 30. 1. 1986, 43 R 2135/85, EFSlg 50.224. 221 OGH 16. 3. 2000, 2 Ob 318/99z, EFSlg 91.844; OLG Wien 30. 6. 1977, 5 R 152/77, EFSlg 28.614; LG Salzburg 9. 8. 2001, 21 R 254/01a, EFSlg 95.250; LGZ Wien 17. 9. 1992, 43 R 2072/92, EFSlg 67.677 (Anrechnung zur Hälfte); 27. 1. 1994, 43 R 2087/93, EFSlg 73.823 (Festsetzung nach § 273 ZPO). 222 Für eine „Kaufkraft-Ausgleichszulage“: OGH 6. 12. 1990, 7 Ob 640/90, EFSlg 61.760; OLG Wien 20. 2. 1987, 12 R 15/87, EFSlg 53.060. 223 LGZ Wien 27. 1. 1994, 43 R 2087/93, EFSlg 73.824. Ablehnend für Repräsentationsspesen: LGZ Wien 15. 7. 1977, 45 R 334/77, EFSlg 28.634. 224 Undifferenziert LGZ Wien 27. 1. 1994, 43 R 2087/93, EFSlg 73.821, das auf volle Anrechnung erkannte. 225 OGH 10. 5. 1995, 7 Ob 550/95, EFSlg 76.706. 208 209

152

Bemessung

§ 94

fort verbraucht.226 Demzufolge kann ein jährlich gewährtes Bilanzgeld nicht auf fünf Monate, sondern muss, um Verzerrungen zu Lasten des Unterhaltspflichtigen zu vermeiden, auf 12 Monate verteilt werden.227 Die Verpflichtung, Einmalzahlungen auf einen längeren Zeitraum zu verteilen, gilt insbesondere für Zahlungen mit Versorgungscharakter, wie Pensionsabfindungen und Abfertigungen.228 Gesetzliche wie freiwillige Abfertigungen sind als Entgelt in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Soweit es sich dabei um eine größere Summe handelt, ist diese auf mehrere Unterhaltsperioden aufzuteilen. Die Methode der Aufteilung richtet sich vor allem nach dem Zweck der Abfertigung.229 Dient die Abfertigung der Überbrückung bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes, so wird sie von der Rechtsprechung eingesetzt, um das Einkommen des Unterhaltsschuldners konstant zu halten. In diesem Fall wird der Abfertigungsbetrag auf die folgenden Monate so aufgeteilt, dass der Unterhaltsverpflichtete zusammen mit seinen sonstigen Einkünften (zB Arbeitslosengeld) rechnerisch den Betrag des letzten durchschnittlichen Einkommens erreicht.230 Im Übrigen werden Abfertigungen, vor allem jene, die anlässlich der Pensionierung ausbezahlt werden, auf so viele Monate verteilt, als die Abfertigung Monatsentgelten entspricht.231 Dabei besteht ein gewisser Ermessensspielraum,232 der es erlaubt, besondere Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.233 Eine Lohnsteuerrückvergütung ist auf das Jahr aufzuteilen, in dem sie zur Auszahlung gelangt und dem Unterhaltsverpflichteten tatsächlich zur Verfügung steht.234 Handelt es sich um eine einmalige Zahlung, kann sie für das Folgejahr nicht mehr einbezogen werden.235 226

OGH 10. 5. 1995, 7 Ob 550/95, EFSlg 76.706; 24. 10. 1996, 6 Ob 2246/96d, EFSlg

79.849. OGH 14. 4. 1999, 9 Ob 353/98x, EFSlg 88.850. OGH 23. 5. 1991, 8 Ob 1562/91, EFSlg 64.920; 23. 2. 1994, 3 Ob 28/94, JBl 1994, 830; 26. 4. 2000, 3 Ob 308/98k, JBl 2001, 55 (Schober); LGZ Wien 8. 7. 1999, 44 R 984/98a, EFSlg 88.851. 229 OGH 2. 10. 2003, 6 Ob 8/03z, EFSlg 103.186. 230 OGH 23. 2. 1994, 3 Ob 28/94, JBl 1994, 830; 26. 4. 2000, 3 Ob 308/98k, JBl 2001, 55 (Schober); 2. 10. 2003, 6 Ob 8/03z, EFSlg 103.186; LGZ Wien 5. 1. 1994, 43 R 2105/93, EFSlg 73.819; wohl auch LGZ Wien 12. 1. 2000, 45 R 577/99g, EFSlg 91.841: Aufteilung auf einen längeren Zeitraum, wenn neben der Abfertigung noch weitere Einkünfte bezogen werden. 231 OGH 22. 2. 1995, 3 Ob 183/94, EFSlg 76.707; LGZ Wien 30. 6. 1983, 44 R 1049/83, EFSlg 42.585; 19. 3. 1987, 11 R 7/87, EFSlg 53.057; 28. 2. 1989, 47 R 2050/88, EFSlg 58.700; 27. 2. 2002, 45 R 655/01h, EFSlg 99.161. Dies soll auch gelten, wenn sie als Überbrückungshilfe bis zum Übertritt in den dauernden Ruhestand dienen soll: LGZ Wien 28. 2. 2001, 45 R 91/01t, EFSlg 95.248. 232 ZB LG Salzburg 25. 10. 2000, 21 R 191/00k, EFSlg 91.839: Aufteilung einer Abfertigung von ATS 580.000 auf sechs Monate ist unbedenklich. 233 OGH 27. 5. 1998, 6 Ob 18/98k, EFSlg 85.875; LGZ Wien 12. 7. 2001, 44 R 215/01w, EFSlg 95.247. 234 OGH 22. 6. 1993, 1 Ob 570/93, ARD 4569/47/94, 8; LGZ Wien 26. 11. 1987, 47 R 2092/87, EFSlg 53.061; 30. 11. 1993, 47 R 2034/93, EFSlg 70.614; 5. 9. 1995, 44 R 2103, 2104/95, EFSlg 76.709. 235 LGZ Wien 5. 9. 1995, 44 R 2103, 2104/95, EFSlg 76.710. 227 228

153

§ 94

Hinteregger

Zu den Einkünften können auch Sachbezüge,236 wie ein Dienstwagen237 oder Verpflegung, gehören. Sie sind mit dem entsprechenden Geldwert in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen.238 Der Unterhaltsschuldner muss aber einen Rechtsanspruch darauf haben. Die unentgeltliche Wohnmöglichkeit des Unterhaltsschuldners erhöht deshalb nicht die Bemessungsgrundlage, wenn es sich dabei um eine freiwillige unentgeltliche Leistung der Mutter des Unterhaltspflichtigen handelt. Dasselbe gilt für die Zurverfügungstellung eines privaten Pkw.239 Nicht in die Bemessungsgrundlage fallen Nebengebühren, die eine Ent40 schädigung für einen berufsbedingten Mehraufwand darstellen,240 wie zB Fahrtkostenzuschüsse,241 Kilometergeld242 und die Beistellung von Wohnung und Dienstwagen am ausländischen Dienstort, wenn die inländische Wohnung weiter beibehalten werden muss.243 Für einen Mietzuschuss des Dienstgebers244 kann dies aber nur gelten, wenn dieser dazu dient, dem Unterhaltspflichtigen einen berufsbedingt erhöhten Wohnaufwand abzugelten. Dass Verluste aus einer nebenberuflichen Tätigkeit das Einkommen eines unselbstständig Erwerbstätigen nicht mindern können,245 kann so allgemein nicht gesagt werden. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dasselbe gilt, wenn die Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsquellen stammen. Auch hier kann eine Verrechnung der Verluste innerhalb der Einkunftsquellen gerechtfertigt sein.246 39

cc) Selbstständige 41

Auch bei Selbstständigen ist vom tatsächlichen Einkommen im Zeitpunkt der Bemessung auszugehen. Grundlage der Unterhaltsbemessung ist das letzte steuerlich abgeschlossene Wirtschaftsjahr.247 Bei schwankendem Einkom236 OLG Wien 2. 2. 1977, 7 R 219/77, EFSlg 28.622; LGZ Wien 17. 7. 1986, 47 R 2049, 2050/86, EFSlg 50.227. 237 OLG Linz 20. 9. 1983, 3 b R 4/83, EFSlg 42.603; OLG Wien 15. 2. 1979, 11 R 17/79, EFSlg 32.809. 238 OLG Wien 28. 11. 1977, 7 R 219/77, EFSlg 28.622. 239 OGH 4. 3. 2004, 6 Ob 5/04k, ÖA 2004, 312. Anders LGZ Wien 17. 5. 2000, 45 R 99/00t, EFSlg 91.827: Zuwendungen Dritter, auch Unterstützungsbeiträge, die der Unterhaltspflichtige von seiner Familie erhält, fallen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage. 240 LGZ Wien 3. 11. 1983, 44 R 1079/83, EFSlg 42.598; 14. 4. 1987, 43 R 1010/87, EFSlg 53.055. 241 LGZ Wien 5. 10. 1983, 44 R 1051/83, EFSlg 42.595; 29. 4. 1999, 45 R 553/98a, EFSlg 88.857. 242 OLG 21. 11. 1983, 14 R 193/83, EFSlg 42.596. 243 LGZ Wien 16. 4. 1986, 43 R 2015, 2016/86, EFSlg 50.229. 244 Undifferenziert OGH 16. 3. 2000, 2 Ob 318/99z, EFSlg 91.845. 245 So LGZ Wien 8. 9. 1999, 45 R 472/98i, EFSlg 88.854. 246 Unverständlich deshalb LGZ Wien 27. 1. 1999, 45 R 335/98t, EFSlg 88.864, wo eine Verrechnung der Verluste bei Vermietung von fünf verschiedenen Objekten verneint wurde. 247 OGH 18. 3. 1992, 1 Ob 535/92, JBl 1992, 702; OLG Wien 29. 10. 1985, 12 R 269, 270/85, EFSlg 47.481; LGZ Wien 18. 3. 1980, 43 R 2036/80, EFSlg 35.219; 17. 11. 1983, 43 R 2118/83, EFSlg 42.592; 30. 11. 1988, 43 R 1078/88, EFSlg 55.938; 27. 1. 1999, 45 R 335/98t, EFSlg 88.847 etc.

154

Bemessung

§ 94

men werden die Ergebnisse der letzten drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahre herangezogen.248 Bei erheblichen Einkommensschwankungen kann es auch zweckmäßig sein, die jeweilige Höhe des Einkommens in den verschiedenen Wirtschaftsperioden festzustellen und der Bemessung zu Grunde zu legen.249 Betrifft eine Entscheidung ausschließlich die Vergangenheit, ist das effektive Einkommen des Unterhaltspflichtigen in den maßgeblichen Bezugszeiträumen ziffernmäßig exakt zu erheben, wobei es zulässig ist, innerhalb der einzelnen Perioden entsprechende Durchschnittswerte zu ermitteln.250 Maßgeblich ist nicht die Einkommenssteuerbemessungsgrundlage, sondern der wirtschaftliche Reingewinn. Bilanzmäßige Abzüge, wie Abschreibungen251 oder Investitionsrücklagen252, sind nur insoweit als gewinnmindernd anzusetzen, als ihnen effektive Ausgaben gegenüberstehen.253 Die Steuererklärung oder der rechtskräftige Einkommenssteuerbescheid sind demzufolge keine tauglichen Grundlagen für die Unterhaltsbemessung.254 Bei einem verlustbringendem Unternehmen ist auf die Höhe der Privatentnahmen, die der persönlichen Lebensführung dienen, abzustellen, weil der Unterhaltsverpflichtete den Unterhaltsberechtigten an seinen Lebensverhältnissen teilhaben lassen muss.255 Dasselbe gilt, wenn die Privatentnahmen den wirtschaftlichen Reingewinn übersteigen.256 Dies betrifft nicht nur die Barentnahmen, sondern auch Sachleistungen, wie die Verwendung eines FirmenPKW für private Zwecke.257 Bei unterschiedlicher Höhe der Entnahmen kann auch bei der Bewertung der Privatentnahmen auf die letzten drei Geschäftsjahre abgestellt werden.258 Auch Gewinnausschüttungen an Gesellschafter sind Teil des Einkommens. Sie werden auf das Wirtschaftsjahr umgelegt und voll mit den Netto248 OGH 12. 9. 1990, 1 Ob 656/90, SZ 63/153 (Kindesunterhalt); 18. 3. 1992, 1 Ob 535/92, JBl 1992, 702; 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.845; LG Salzburg 25. 10. 2000, 21 R 191/00k, EFSlg 91.830; LGZ Wien 27. 1. 1999, 45 R 335/98t, EFSlg 88.847; 26. 7. 2002, 42 R 244/02x, EFSlg 99.159. 249 LGZ Wien 24. 1. 1983, 44 R 1052/82, EFSlg 42.593. 250 OGH 16. 3. 2000, 2 Ob 318/99z, EFSlg 91.832. 251 LG Salzburg 16. 2. 2000, 21 R 522/99g, EFSlg 91.829: AfA ist dem steuerlichen Gewinn hinzuzurechnen; LGZ Wien 27. 6. 1989, 43 R 2025/89, EFSlg 58.703: vorzeitige AfA schmälert nicht die Bemessungsgrundlage. Vgl näher Salzmann, SV 1990/1, 10. 252 OGH 18. 3. 1992, 1 Ob 535/92, JBl 1992, 702. 253 LG Salzburg 16. 2. 2000, 21 R 522/99g, EFSlg 91.828; LGZ Wien 14. 2. 2001, 42 R 335/00a, EFSlg 95.245, 95.246; LG Feldkirch 16. 10. 2002, 1 R 213/02k, EFSlg 99.157. Vgl dazu Lochmann/Wachter, ÖA 2003, 62ff. 254 LGZ Wien 8. 9. 1999, 45 R 472/98i, EFSlg 88.848; 13. 10. 1999, 45 R 547/99w, EFSlg 88.849. 255 OGH 26. 6. 1990, 10 Ob S 245/90, SZ 63/113; 23. 11. 1993, 5 Ob 564/93, ARD 4554, 8; 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.846; LG Salzburg 28. 8. 2002, 21 R 202/02f, EFSlg 99.158; LGZ Wien 21. 12. 1988, 43 R 1037/88, EFSlg 55.939; 14. 11. 2000, 42 R 439/00w, EFSlg 91.833; 12. 11. 2003, 45 R 592/03x, EFSlg 103.184. 256 OGH 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.846. 257 LG Salzburg 28. 8. 2002, 21 R 202/02f, EFSlg 99.158; LGZ Wien 8. 9. 1988, 44 R 1050/88, EFSlg 55.945; 12. 11. 2003, 45 R 592/03x, EFSlg 103.184. 258 OGH 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.846.

155

§ 94

Hinteregger

beträgen angerechnet. Deren Verwendung zur Reinvestition ist unter dem Gesichtspunkt der Anspannungstheorie zu prüfen.259 Dasselbe gilt für Einkommensverschiebungen bei Beteiligung des Unterhaltsschuldners an Kapitalgesellschaften.260 dd) Öffentlich-rechtliche Leistungen 42

Öffentlich-rechtliche Leistungen sind ebenfalls als Einkommen zu veranschlagen.261 Dies gilt für alle Versicherungsleistungen, die für den Fall des Alters, der Krankheit, der geminderten Erwerbsfähigkeit oder der Arbeitslosigkeit an die Stelle von Arbeitskommen treten, wie Pensions- und Rentenzahlungen,262 Arbeitslosengeld, Krankengeld, Karenzgeld263 und Invalidenrente.264 In die Bemessungsgrundlage fallen auch das Kindergeld,265 die Notstandshilfe,266 die Ausgleichszulage,267 der lohnsteuerrechtliche Kinderzuschlag268 sowie die Wohnbeihilfe.269 Nicht berücksichtigt werden nur Sozialleistungen, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands des Unterhaltspflichtigen dienen oder die nach gesetzlichen Bestimmungen nicht anrechenbar sind.270 Nicht einbezogen werden deshalb das Pflegegeld,271 weil es sich dabei um eine pauschalierte Abgeltung des Sonderbedarfs pflegebedürftiger Personen

LG Salzburg 25. 10. 2000, 21 R 191/00k, EFSlg 91.834. Vgl Lochmann/Wachter, ÖA 2003, 209ff. 261 OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, ÖA 1993, 145; 29. 5. 2001, 1 b 108/01s, EFSlg 95.253. 262 LGZ Wien 17. 6. 1981, 43 R 2052/81, EFSlg 37.596 (Unfallpension). Dies gilt auch für eine Rente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz: LGZ Wien 4. 7. 1985, 43 R 2063/85, EFSlg 47.496. 263 OGH 7. 10. 1992, 6 Ob 614/92, SZ 65/126. 264 LGZ Wien 30. 5. 1986, 47 R 2023/86, EFSlg 50.225. 265 OGH 11. 12. 2002, 7 Ob 167/02p, JBl 2003, 107; auch Kinderbetreuungsgeld des Landes Kärnten: 11. 12. 2002, 7 Ob 147/02t, JBl 2003, 111; 11. 11. 2004, 8 Ob 82/04y, EvBl 2005, 347/75. Für den Kindesunterhalt: OGH 12. 8. 2004, 1 Ob 123/04a, JBl 2005, 309; 8. 9. 2004, 7 Ob 170/04g, JBl 2005, 252 (nicht aber der für Geschwister gewährte Zuschuss zum Kindergeld). 266 OGH 5. 7. 1991, 5 Ob 505/91, RZ 1992, 263/87. 267 OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, ÖA 1993, 145; 30. 6. 2003, 7 Ob 152/03h, EFSlg 103.494 (Kindesunterhalt); 18. 10. 2005, 10 Ob 96/05y (Kindesunterhalt). 268 OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, ÖA 1993, 145. 269 OGH 6. 9. 1995, 1 Ob 570/95, JBl 1996, 442; LGZ Wien 30. 9. 2003, 44 R 607/03w, EFSlg 103.189. 270 OGH 29. 5. 2001, 1 b 108/01s, EFSlg 95.253; 30. 6. 2003, 7 Ob 152/03h, ÖA 2004, 257; LGZ Wien 30. 9. 2003, 44 R 607/03w, EFSlg 103.189. 271 LGZ Wien 30. 9. 2003, 44 R 607/03w, EFSlg 103.189. Für den (inzwischen durch das Pflegegeld ersetzten) Hilflosenzuschuss: LGZ Wien 9. 5. 1980, 43 R 2060/80, EFSlg 35.224; 15. 7. 1982, 43 R 2080/82, EFSlg 40.019; 14. 5. 1987, 47 R 2042/87, EFSlg 53.059. In die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen wurde allerdings eine Blindenbeihilfe, weil sie im konkreten Fall nicht zur Abdeckung eines tatsächlichen Mehraufwands diente: LGZ Wien 4. 7. 1985, 47 R 2026/85, EFSlg 47.493. 259 260

156

Bemessung

§ 94

handelt,272 die Familienbeihilfe,273 der Kinderzuschuss zur Invaliditätspension,274 zur Alterspension275 oder zum Kinderbetreuungsgeld,276 und die Familienzuschläge zum Arbeitslosengeld bzw zur Notstandshilfe für den Unterhalt dritter Personen,277 weil diese Beträge der Versorgung der Personen dienen, für die sie gewährt werden. Nicht eingerechnet wurden auch die Geburtenbeihilfe278 und die Heiratsbeihilfe.279 b) Vermögen Als Einkommen zu veranschlagen sind auch Erträgnisse von Vermögen, 43 wie Zinsen,280 Dividenden, Gewinnausschüttungen, Ausschüttungen aus einer Privatstiftung,281 Miet- und Pachterlöse,282 oder Leibrentenzahlungen,283 selbstverständlich gemindert um die dafür aufgewendeten Ausgaben.284 Ein Abzug als Abgeltung für Inflation ist nicht zulässig, weil der Unterhaltspflichtige nicht verlangen kann, dass ihm die innere Kaufkraft seines Vermögens ständig erhalten bleibt.285 Auf die Art des Vermögens oder darauf, dass es der nachehelichen Aufteilung unterliegt, kommt es nach der Rechtsprechung nicht an.286 Nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft kann, wie Zankl287 zu Recht zu bedenken gibt, eine uneingeschränkte unterhaltsrechtliche Parti-

272 OGH 7. 12. 1993, 6 Ob 635/93, ÖA 1994, 106: Wird Pflegegeld bezogen, so begründet die Pflegebedürftigkeit keinen Sonderbedarf mehr. LGZ Wien 20. 6. 1995, 43 R 2068/95, EFSlg 76.711. 273 OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, ÖA 1993, 145; LGZ Wien 7. 9. 1987, 44 R 1039/87, EFSlg 53.058; 19. 5. 1988, 44 R 1030/88, EFSlg 55.943; 10. 10. 2001, 45 R 574/01x, EFSlg 95.254. 274 OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, ÖA 1993, 145. 275 OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, EFSlg 70.616; gegenteilig LGZ Wien 15. 7. 1982, 44 R 1024/82, EFSlg 40.020. 276 OGH 8. 9. 2004, 7 Ob 170/04g, JBl 2005, 252. 277 OGH 3. 10. 1996, 1 Ob 2292/96g, RZ 1997, 177/57; LGZ Wien 24. 6. 1986, 47 R 2053/86, EFSlg 50.226. 278 LGZ Wien 29. 4. 1999, 45 R 553/98a, EFSlg 88.855. 279 LGZ Wien 29. 4. 1999, 45 R 553/98a, EFSlg 88.856. 280 LGZ Wien 21. 11. 2001, 45 R 456/01v, EFSlg 95.271. 281 Csoklich, RdW 2000, 402/371. 282 OGH 1. 7. 2003, 1 Ob 98/03y, EvBl 2003, 893/183; LGZ Wien 29. 10. 2002, 44 R 490/02p, EFSlg 99.176. 283 OLG Wien 17. 8. 1979, 13 R 132/79, EFSlg 32.808. 284 OGH 12. 8. 1998, 4 Ob 210/98f, JBl 1999, 182 (Kindesunterhalt); LG Salzburg 26. 7. 2000, 21 R 159/00d, EFSlg 91.863. Ebenso Gitschthaler zu OGH 22. 5. 1996, 7 Ob 2085/96k, JBl 1997, 33 (Kindesunterhalt) und Hoyer zu OGH 5. 5. 1998, 7 Ob 132/98g, JBl 1998, 776 (Kindesunterhalt). Vgl auch Hoyer, JBl 1999, 201. 285 OGH 23. 11. 2000, 2 Ob 295/00x, EFSlg 91.859; LG Salzburg 30. 1. 2003, 21 R 236/02f, EFSlg 103.209. Dagegen Battlogg, AnwBl 2001, 313, der der Auffassung ist, dass die Inflation zu berücksichtigen ist, wenn der Unterhaltspflichtige nicht verpflichtet ist, den Stamm seines Vermögens anzugreifen. Dasselbe soll für Zinseneinkünfte des Unterhaltsberechtigten gelten. 286 OGH 23. 11. 2000, 2 Ob 295/00x, EFSlg 91.858; LG Salzburg 30. 1. 2003, 21 R 236/02f, EFSlg 103.208. 287 Ecolex 2001, 272.

157

§ 94

Hinteregger

zipation eines Ehegatten am Vermögenszuwachs des anderen nicht gerechtfertigt werden. Erträgnisse aus einem nachträglich erworbenen Vermögen, zu dem der Unterhaltsberechtigte keinen Beitrag geleistet hat, etwa weil es sich um geerbtes oder geschenktes Vermögen handelt, haben keinen Einfluss auf die für die Bemessung des Unterhalts ausschlaggebenden ehemaligen gemeinsamen ehelichen Lebensverhältnisse der Ehegatten. Sie sollten deshalb nicht zu einer Erhöhung des Unterhaltsanspruchs des getrennt lebenden Ehegatten führen. Vermögen ist nur zu berücksichtigen, wenn es einen Ertrag abwirft.288 Wertsteigerungen sowie Wertverminderungen (zB Kursverluste bei Wertpapieren) bleiben außer Betracht.289 Der Erlös aus einer Lebensversicherung290 oder Veräußerungserlöse von Vermögensgütern fallen deshalb grundsätzlich nicht in die Bemessungsgrundlage. Dies gilt vor allem dann, wenn bloß eine Vermögensumschichtung vorgenommen wird, wenn also ein Vermögensgut veräußert wird und mit dem Erlös ein neues angekauft wird.291 Deckt ein Unterhaltsverpflichteter allerdings die Kosten seiner eigenen Lebensführung zum Teil aus der Substanz seines Vermögens, dann muss er den unterhaltsberechtigten Ehegatten an diesem „Lebenszuschnitt“ teilhaben lassen.292 Dies bedeutet, dass in diesem Fall der Verkaufserlös des Vermögensgutes, etwa einer Liegenschaft, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist.293 Kann der Unterhaltsverpflichtete die notwendigen Unterhaltszahlungen nicht aus seinem laufenden Einkommen bestreiten, so muss er, soweit zumutbar, auch auf den Stamm des Vermögens greifen.294 Ob und inwieweit die Heranziehung des Vermögensstammes zumutbar ist, ergibt sich nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls im Wege einer Interessenabwägung.295 c) Abzüge, Ausgaben 44

Von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden Steuern und Abgaben.296 Steuerliche Abschreibungen vermindern die Bemessungsgrundlage jedoch nur, soweit ihnen effektive Ausgaben gegenüberstehen, oder wenn sie daOGH 4. 3. 2004, 6 Ob 5/04k, ÖA 2004, 312. LGZ Wien 29. 10. 2002, 44 R 490/02p, EFSlg 99.176. 290 LGZ Wien 27. 2. 1984, 44 R 1065/83, EFSlg 44.882. 291 LGZ Wien 18. 12. 2000, 44 R 547/00t, EFSlg 91.861. 292 OGH 1. 7. 2003, 1 Ob 98/03y, EvBl 2003, 893/183; LGZ Wien 15. 3. 2000, 43 R 123/00g, EFSlg 91.860; ähnlich LG Salzburg 20. 11. 2002, 21 R 326/02s, EFSlg 99.177. 293 OGH 1. 7. 2003, 1 Ob 98/03y, EvBl 2003, 893/183; OLG Wien 5. 3. 1980, 17 R 33/80, EFSlg 35.211. 294 OGH 29. 1. 1998, 6 Ob 8/98i, ÖA 1998, 216 = EFSlg 87.533; OGH 27. 8. 1998, 2 Ob 84/97k, EFSlg 85.876 (Verpflichtung zum Abverkauf eines ertraglosen Erbhofes); 1. 7. 2003, 1 Ob 98/03y, EvBl 2003, 893/183; OLG Wien 27. 6. 1986, 13 R 163/86, EFSlg 50.220; LGZ Wien 25. 10. 1999, 44 R 646/99x, EFSlg 88.875. 295 OGH 29. 1. 1998, 6 Ob 8/98i, ÖA 1998, 216. 296 Einkommenssteuer: OGH 18. 3. 1992, 1 Ob 535/92, JBl 1992, 702; 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.154; Lohnsteuer: LGZ Wien 30. 10. 1991, 44 R 2062, 2063/91, EFSlg 64.918. 288 289

158

Bemessung

§ 94

zu dienen, um einen abgenützten Vermögenswert wieder zu beschaffen.297 Abzuziehen sind auch die Beiträge zur Sozialversicherung.298 Dies gilt auch für private oder freiwillige Versicherungen, so weit diese dazu dienen, den Standard der gesetzlichen Sozialversicherung zu gewährleisten.299 Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage können auch sonstige Auf- 45 wendungen des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt werden, die seine Existenzgrundlage sichern, soweit dabei die Interessen des Unterhaltsberechtigten in vernünftiger Weise gewahrt werden.300 Derartige beruflich oder privat bedingte Mehrausgaben sind vom Unterhaltspflichtigen zu behaupten und zu beweisen. Ihre Höhe kann im Einzelfall nach § 273 ZPO geschätzt werden.301 Ein Abzug kommt aber nur in Frage, wenn sie tatsächlich für den widmungsgemäßen Zweck verwendet werden.302 Anzurechnen sind nur lebens- und existenznotwendige Ausgaben.303 Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab einzuhalten. Anerkannt wurde der Abzug von beruflich bedingten PKW-Kosten304 (bei auch privater Nutzung die Hälfte der Aufwendungen305), die Rechts- und Steuerberatungskosten eines Selbstständigen (unverständlicherweise nicht aber eines Unselbstständigen),306 Krankheitskosten,307 die wegen berufsbedingter Abwesenheit anfallenden Kinderbetreuungskosten,308 und die Parteisteuer für einen politischen Mandatar.309 Aufwendungen zur Tilgung von Schulden werden nach billigem Ermes- 46 sen auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage angerechnet. Beurteilungskriterien sind Zeitpunkt und Art ihrer Entstehung, ihr Zweck, das Einverständnis

297 LGZ Wien 6. 10. 1981, 43 R 2103/81, EFSlg 37.599; 28. 9. 1988, 43 R 1066/88, EFSlg 55.946; 3. 4. 2002, 45 R 8/02p, EFSlg 99.165; bejaht für die steuerliche Abfertigungsrückstellung: OGH 10. 9. 1996, 3 Ob 56/95, JBl 1997, 260. Zu undifferenziert deshalb LGZ Wien 27. 4. 1987, 43 R 1004/87, EFSlg 53.069. Nicht vorzeitige AfA: LGZ Wien 10. 10. 1990, 43 R 2056/90, EFSlg 61.763; eine Investitionsrücklage: OGH 18. 3. 1992, 1 Ob 535/92, JBl 1992, 702; LGZ Wien 10. 10. 1990, 43 R 2056/90, EFSlg 61.764; Werbungskostenpauschale: LGZ Wien 4. 10. 1977, 45 R 373/77, EFSlg 28.640. 298 OGH 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.863; LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.160. 299 OLG Wien 26. 3. 1987, 13 R 29, 44/87, EFSlg 53.063: für eine in der BRD abgeschlossene freiwillige Krankenversicherung. Zu Unrecht abl LG Linz 10. 4. 2003, 15 R 120/03b, EFSlg 103.196. 300 OGH 2. 4. 1992, 7 Ob 546/92, RZ 1993, 260/91. 301 OGH 2. 4. 1992, 7 Ob 546/92, RZ 1993, 260/91; LGZ Wien 22. 3. 1990, 47 R 2077/89, EFSlg 61.762; 9. 10. 1991, 43 R 2079/91, EFSlg 64.924. 302 Vgl auch OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, ÖA 1993, 145. 303 LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.166. 304 LG Linz 27. 12. 2001, 14 R 521/01p, EFSlg 95.265; LGZ Wien 28. 5. 1985, 47 R 2001/85, EFSlg 47.494 (Kilometergeld). Dasselbe müsste entgegen LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.172 auch für die Pendlerpauschale gelten. 305 LGZ Wien 29. 8. 2001, 45 R 451/01h, EFSlg 95.266. 306 LGZ Wien 3. 4. 2002, 45 R 8/02p, EFSlg 99.173. 307 OLG Wien 5. 9. 1979, 13 R 143/79, EFSlg 32.817. 308 LGZ Wien 26. 1. 1989, 47 R 2090/88, EFSlg 58.702. 309 LGZ Wien 25. 1. 1994, 44 R 2081/93, EFSlg 73.826.

159

§ 94

Hinteregger

des Ehepartners, die Dringlichkeit der Bedürfnisse von Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigtem und das Interesse an der Schuldtilgung.310 Rückzahlungen von Darlehen und sonstigen Schulden sind demnach von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, wenn diese der Erhaltung der Arbeitskraft oder der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen dienen.311 Die Berücksichtigung von Kreditrückzahlungen kommt weiters in Betracht, wenn der Kredit Zwecken des Unterhaltsberechtigten dient.312 Dies ist der Fall, wenn der Kredit für die Gestaltung der ehelichen Gemeinschaft aufgenommen wurde und der andere Ehegatte damit einverstanden war.313 Angerechnet wurden auch Kreditrückzahlungen, die für den Ankauf eines gemeinsamen Grundstücks angefallen sind,314 nicht aber, wenn der Kredit der Schaffung eigenen Vermögens des Unterhaltspflichtigen diente.315 Nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen wurden Kirchenbeiträ47 ge,316 Prämien für Lebensversicherung,317 Haushaltsversicherung318 und private Zusatzkrankenversicherung,319 Leistungen für die Pensionsvorsorge320 und sonstige Vorsorgeversicherungen,321 Sterbefondsbeiträge,322 Steuerschul310 OGH 7. 11. 1994, 7 Ob 624/94, EFSlg 73.822; 10. 9. 1998, 6 Ob 194/98t, EFSlg 85.879; LGZ Wien 27. 9. 2000, 45 R 517/00p, EFSlg 91.854. 311 OLG Wien 27. 6. 1986, 13 R 97/86, EFSlg 50.233; 25. 9. 1987, 12 R 184/87, EFSlg 53.064; LGZ Wien 4. 8. 1983, 43 R 2092/83, EFSlg 42.604; 25. 1. 1994, 44 R 2081/93, EFSlg 73.826 (Leibrentenzahlung für den beruflich bedingten Erwerb eines Geschäftsanteiles an einer GmbH); 13. 10. 1999, 45 R 547/99w, EFSlg 88.870; LG Salzburg 28. 11. 2001, 21 R 353/01k, EFSlg 95.267. Dies gilt auch für die Zahlung von Schulden nach dem im Schuldenregulierungsverfahren festgelegten Zahlungsplan: OGH 17. 5. 2004, 1 Ob 86/04k, ecolex 2004, 859. 312 OLG Linz 3. 1. 1984, 3 a R 217/83, EFSlg 44.886; OLG Wien 17. 8. 1979, 13 R 125/79, EFSlg 32.822; 27. 6. 1986, 13 R 97/86, EFSlg 50.232; 25. 9. 1987, 12 R 184/87, EFSlg 53.068; LG Salzburg 22. 11. 2000, 21 R 265/00t, EFSlg 91.857; 28. 11. 2001, 21 R 353/01k, EFSlg 95.270; LGZ Wien 3. 12. 1979, 44 R 1013/79, EFSlg 32.820; 13. 10. 1999, 45 R 547/99w, EFSlg 88.870. 313 OLG Wien 30. 8. 1983, 13 R 174/83, EFSlg 42.605; 25. 9. 1987, 12 R 184/87, EFSlg 53.065; LGZ Wien 16. 12. 1986, 11 R 269/86, EFSlg 50.231; 23. 12. 1986, 47 R 2129/86, EFSlg 50.234. 314 LGZ Wien 18. 11. 1987, 44 R 5008/87, EFSlg 53.067. 315 OLG Wien 25. 9. 1987, 12 R 184/87, EFSlg 53.066; LGZ Wien 17. 5. 1979, 45 R 164/79, EFSlg 32.821. 316 LGZ Wien 21. 11. 1985, 43 R 2105, 2107/85, EFSlg 47.499. 317 OGH 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.860; OLG Linz 20. 9. 1983, 3 b R 4/83, EFSlg 42.606; LGZ Wien 9. 5. 1986, 47 R 2020/86, EFSlg 50.230. 318 OLG Linz 20. 9. 1983, 3 b R 4/83, EFSlg 42.606; LGZ Wien 29. 4. 1988, 44 R 5004/88, EFSlg 55.948 (Haus- und Rechtschutzversicherung). 319 OLG Linz 20. 9. 1983, 3 b R 4/83, EFSlg 42.606; OLG Wien 15. 2. 1979, 11 R 17/79, EFSlg 32.830; 20. 2. 1987, 12 R 15/87, EFSlg 53.070; LGZ Wien 21. 11. 1985, 43 R 2105, 2107/85, EFSlg 47.502; 9. 5. 1986, 47 R 2020/86, EFSlg 50.230. Die Zahlungen für eine freiwillige, der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzuhaltende Versicherung müssen aber absetzbar sein. 320 LG Linz 10. 4. 2003, 15 R 120/03b, EFSlg 103.199. Dies kann aber nur für Vorsorgeleistungen gelten, die über das allgemeine gesetzliche Sozialversicherungsniveau hinausgehen. 321 LGZ Wien 28. 1. 2003, 42 R 51/02i, EFSlg 103.207. 322 LG Linz 10. 4. 2003, 15 R 120/03b, EFSlg 103.203.

160

Bemessung

§ 94

den,323 Unterhaltsrückstände,324 die Kosten des täglichen Lebens,325 wie die Betriebskosten für die eigene Wohnung,326 namentlich die Kosten für Miete,327 Gas,328 Strom,329 Heizkosten330 und private Telefonkosten,331 private PKW-Kosten,332 die Kosten der Fahrten zum Arbeitsplatz,333 Bekleidungskosten,334 Kreditraten für den Hausrat,335 außerdem berufliche Fortbildungskosten, die nicht existenznotwendig sind,336 Gewerkschaftsbeiträge,337 Kammerbeiträge,338 die Betriebsratsumlage,339 Vereinsbeiträge,340 Rezeptgebühren,341 der Verkehrsabsetzbetrag,342 die Beträge zur Bildung einer Mietzinsreserve nach § 20 MRG,343 einbehaltene Gehaltsvorschüsse und exekutive Lohnpfändungen,344 Mediationskosten345 und die Kosten von Polizeistrafen.346 Nicht berücksichtigt wurden auch die Kosten gesonderter Wohnungsnahme, die nicht vom Unterhaltsberechtigten veranlasst war,347 sowie Mitgliedsbeiträge 323 OGH 7. 10. 1997, 4 Ob 284/97m, EFSlg 83.053; LGZ Wien 6. 7. 1983, 44 R 1043/83, EFSlg 42.607; 29. 9. 1986, 47 R 2067/86, EFSlg 50.237. 324 OLG Wien 2. 2. 1979, 17 R 18/79, EFSlg 32.825; LGZ Wien 14. 6. 1977, 45 R 239/77, EFSlg 28.637. 325 OLG Wien 15. 2. 1979, 11 R 17/79, EFSlg 32.819; LGZ Wien 16. 9. 2003, 42 R 606/03h, EFSlg 103.205. 326 LGZ Wien 4. 8. 1999, 43 R 527/99i, EFSlg 88.866; 20. 12. 1999, 42 R 453/00d, EFSlg 91.851. 327 LGZ Wien 16. 9. 2003, 42 R 606/03h, EFSlg 103.198. 328 LGZ Wien 29. 5. 1979, 45 R 242/79, EFSlg 32.814; 4. 8. 1999, 43 R 527/99i, EFSlg 88.868; 16. 9. 2003, 42 R 606/03h, EFSlg 103.194. 329 LGZ Wien 29. 5. 1979, 45 R 242/79, EFSlg 32.814; 26. 7. 2001, 43 R 368/01p, EFSlg 95.264; 16. 9. 2003, 42 R 606/03h, EFSlg 103.204. 330 LGZ Wien 5. 9. 1980, 43 R 2113/80, EFSlg 35.217. 331 LGZ Wien 31. 1. 1991, 47 R 2080, 2081/90, EFSlg 64.927; 4. 8. 1999, 43 R 527/99i, EFSlg 88.869. 332 LGZ Wien 16. 9. 2003, 42 R 606/03h, EFSlg 103.200. 333 OLG Wien 2. 2. 1977, 7 R 15/77, EFSlg 28.629; 17. 8. 1979, 13 R 125/79, EFSlg 32.813. Anderes müsste aber gelten, wenn diese das übliche Ausmaß überschreiten. 334 OLG Wien 18. 1. 1985, 14 R 308/84, EFSlg 47.498: für einen Versicherungsangestellten im Außendienst. 335 OLG Wien 15. 2. 1979, 11 R 17/79, EFSlg 32.818. 336 LGZ Wien 28. 9. 1988, 43 R 1066/88, EFSlg 55.947. 337 LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.168; 10. 4. 2003, 15 R 120/03b, EFSlg 103.195; LGZ Wien 29. 5. 1979, 45 R 242/79, EFSlg 32.815; 10. 10. 2001, 45 R 574/01x, EFSlg 95.269. 338 LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.169. 339 LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.167. 340 OGH 2. 4. 1992, 7 Ob 546/92, RZ 1993, 260/91; LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.174; LGZ Wien 29. 5. 1979, 45 R 242/79, EFSlg 32.826. 341 LGZ Wien 16. 9. 2003, 42 R 606/03h, EFSlg 103.202. 342 LG Linz 27. 11. 2002, 15 R 225/02t, EFSlg 99.175. 343 OGH 16. 12. 1993, 8 Ob 595/93, JUS-Extra 1994, 26. 344 OLG Wien 8. 5. 1985, 12 R 118/85, EFSlg 47.501; LGZ Wien 15. 2. 2000, 44 R 67/00d, EFSlg 91.853. 345 OGH 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.862. 346 LGZ Wien 26. 7. 2001, 43 R 368/01p, EFSlg 95.268. 347 OLG Wien 2. 12. 1977, 7 R 220/77, EFSlg 28.633; 12. 9. 1979, 13 R 144/79, EFSlg 32.828; LGZ Wien 31. 1. 1991, 47 R 2080, 2081/90, EFSlg 64.926; 7. 12. 1995, 44 R 2126/95, EFSlg 76.713.

161

§ 94

Hinteregger

im Sportklub und Reitverein oder die zusätzlichen Heimaturlaube für einen Diplomaten in einem arabischen Land.348 Dasselbe gilt auch für die Raten für den im Rahmen der Aufteilung zur Rückzahlung übernommenen Kredit.349 Zur Berücksichtigung von Versicherungsleistungen, die der Unterhaltspflichtige für den Unterhaltsberechtigten leistet, als Naturalunterhalt s Rz 29 und zur unterhaltsrechtlichen Bewertung der Kreditrückzahlung für die Ehewohnung s Rz 31. d) Einkommen des Berechtigten 48

Grundsätzlich gilt das für die Bemessung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen Ausgeführte entsprechend. Auch beim Unterhaltsberechtigten ist alles, was dem Unterhaltsberechtigten an Naturalleistungen oder Geldleistungen aufgrund eines Anspruchs zukommt, als Einkommen zu bewerten, sofern gesetzliche Bestimmungen die Anrechenbarkeit bestimmter Einkünfte nicht ausschließen350 oder sofern damit nicht ein erhöhter Bedarf abgedeckt werden soll. Bei stärkeren Einkommensschwankungen ist es ebenfalls zulässig, auf ein längerfristig ermitteltes Durchschnittseinkommen abzustellen.351 Wie beim Unterhaltsverpflichteten bleibt auch beim Unterhaltsberechtigten ein ertragsloses Vermögen außer Betracht.352 Eigenes Vermögen des Berechtigten steht deshalb der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs nicht entgegen.353 Anzurechnen sind nur Erträgnisse und nicht der Vermögensstamm,354 wie etwa der Erlös aus dem Verkauf einer Liegenschaft.355 Im Einzelfall kann der Unterhaltsberechtigte allerdings verpflichtet sein, seinen Vermögensstamm zur Befriedigung seines Unterhalts heranzuziehen, wobei sich diese Verpflichtung nach der im Wege einer umfassenden Interessenabwägung zu bestimmenden Zumutbarkeit ergibt.356 Der Anspannungsgrundsatz kann

OGH 2. 4. 1992, 7 Ob 546/92, RZ 1993, 260/91. OGH 22. 6. 1993, 1 Ob 568/93, RZ 1994, 222/65. 350 OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, EFSlg 70.607; 6. 9. 1995, 1 Ob 570/95, EFSlg 76.702; 12. 10. 1999, 5 Ob 10/99b, EFSlg 88.883; LG Salzburg 2. 8. 2000, 55 R 108/00d, EFSlg 91.872; LGZ Wien 21. 10. 2003, 42 R 744/03b, EFSlg 103.219. 351 LGZ Wien 18. 11. 1988, 43 R 1092/88, EFSlg 55.931. 352 OLG Wien 3. 10. 1980, 12 R 151/80, EFSlg 35.213; 13. 5. 1981, 18 R 84/81, EFSlg 37.586; 17. 3. 1987, 12 R 32, 33/87, EFSlg 53.046; 15. 4. 1987, 12 R 74/87, EFSlg 53.044; LGZ Wien 5. 11. 1982, 43 R 2167/82, EFSlg 40.014; 30. 6. 1983, 44 R 1049/83, EFSlg 42.591; 28. 4. 1987, 47 R 2035/87, EFSlg 53.047; KG Krems an der Donau 7. 7. 1989, 1a R 91/89, EFSlg 58.697. 353 OGH 23. 6. 1982, 3 Ob 575/82, EFSlg 40.013; LGZ Wien 25. 7. 1985, 47 R 2040/85, EFSlg 47.477. 354 OGH 4. 4. 2000, 10 Ob 53/00t, EFSlg 91.879; OLG Wien 6. 8. 1980, 12 R 130/80, EFSlg 35.212; 24. 1. 1985, 15 R 290/84, EFSlg 47.479; LGZ Wien 23. 1. 1986, 43 R 2125/85, EFSlg 50.210; 3. 9. 1987, 43 R 1034/87, EFSlg 53.045; 23. 2. 1989, 47 R 2100/88, EFSlg 58.693; 25. 10. 1999, 44 R 646/99x, EFSlg 88.882; 24. 1. 2000, 44 R 902/99v, EFSlg 91.878; 21. 10. 2003, 42 R 744/03b, EFSlg 103.220 uva. 355 LGZ Wien 26. 11. 1985, 47 R 2112/85, EFSlg 47.478. 356 OGH 22. 2. 1994, 6 Ob 653/93, EFSlg 73.818. 348 349

162

Bemessung

§ 94

außerdem dazu berechtigen, dem Unterhaltsberechtigten Erträge, die dieser in einer nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten zumutbaren Weise erzielen könnte, als Eigeneinkommen anzurechnen.357 Als Einkommen angerechnet wurden beispielsweise die Abfertigung,358 Mieterträge,359 die Leibrentenzahlung aus einem Liegenschaftsverkauf,360 die Ratenzahlung für die Veräußerung des Unternehmens361 oder der tatsächlich geleistete Wohnungskostenbeitrag der die Wohnung mitbenützenden Söhne.362 Auch öffentlich-rechtliche Leistungen gelten als Einkommen.363 Außer 49 Betracht bleiben nur Einkünfte, die dem Ausgleich von Mehraufwendungen dienen,364 wie das Pflegegeld365 und ein Behindertengeld.366 Bezieht der Unterhaltsberechtigte Pflegeelterngeld, so ist dieses zum Teil als Einkommen anzurechnen. Da damit auch die Aufwendungen für das Pflegekind abgedeckt werden müssen, ist der Betrag um den Regelbedarfsbetrag für das Kind zu vermindern.367 Als Einkommen angerechnet wird das Arbeitslosengeld,368 Karenzgeld,369 Kindergeld,370 die Mietzinsbeihilfe,371 eine Rente nach dem KriegsopferversorgungsG,372 Leistungen nach dem Stmk BehindertenG,373 eine Versehrtenrente,374 eine Berufsunfähigkeitspension375 und die Notstands357 OGH 16. 5. 1991, 6 Ob 645/91, EFSlg 64.915; 4. 4. 2000, 10 Ob 53/00t, EFSlg 91.881; LGZ Wien 21. 10. 2003, 42 R 744/03b, EFSlg 103.221. Dies kann auch für Wohnungskostenbeiträge von Familienangehörigen gelten, soweit dies nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist. Die Judikatur ist hier jedoch eher zurückhaltend: LGZ Wien 28. 4. 1987, 47 R 2035/87, EFSlg 53.048 (abl); 6. 10. 1999, 44 R 570/99w, EFSlg 88.877 (abl); LG Salzburg 6. 6. 2001, 21 R 323/00x, EFSlg 95.286 (Mieterträge). 358 OGH 31. 8. 1995, 6 Ob 1627/95, ÖA 1996, 99. 359 OGH 1. 7. 2003, 1 Ob 98/03y, EvBl 2003, 893/183; 12. 8. 2004, 1 Ob 123/04a, JBl 2005, 309. 360 LGZ Wien 6. 3. 1989, 44 R 1006/89, EFSlg 58.694. 361 LGZ Wien 13. 10. 1983, 43 R 2097/83, EFSlg 42.584. 362 LGZ Wien 17. 7. 1986, 47 R 2049, 2050/86, EFSlg 50.209. 363 OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, EFSlg 70.609; 2. 10. 2003, 6 Ob 8/03z, EFSlg 103.158. 364 OGH 12. 10. 1999, 5 Ob 10/99b, EFSlg 88.883. 365 OGH 12. 10. 1999, 5 Ob 10/99b, EFSlg 88.883; LG Salzburg 12. 10. 2000, 21 R 165/00m, EFSlg 91.877. Zum seinerzeitigen Hilflosenzuschuss: OGH 12. 10. 1999, 5 Ob 10/99b, EFSlg 88.883; LG Salzburg 12. 10. 2000, 21 R 165/00m, EFSlg 91.875; LGZ Wien 19. 3. 1981, 43 R 2191/80, EFSlg 37.588. 366 LGZ Wien 19. 10. 1984, 43 R 2168/84, EFSlg 44.870. 367 OGH 12. 10. 1999, 5 Ob 10/99b, EFSlg 88.886. 368 OLG Wien 15. 2. 1979, 11 R 17/79, EFSlg 32.793. 369 LG Salzburg 2. 8. 2000, 55 R 108/00d, EFSlg 91.876; LGZ Wien 3. 6. 1976, 45 R 219/76, EFSlg 26.082. 370 OGH 11. 12. 2002, 7 Ob 167/02p, JBl 2003, 107; 11. 12. 2002, 7 Ob 147/02t, JBl 2003, 111; 12. 8. 2004, 1 Ob 123/04a, JBl 2005, 309; 8. 9. 2004, 7 Ob 170/04g, JBl 2005, 252; 11. 11. 2004, 8 Ob 82/04y, EvBl 2005, 347/75 (Kinderbetreuungsgeld des Landes Kärnten). 371 OGH 6. 9. 1995, 1 Ob 570/95, EFSlg 76.703. Anders noch LGZ Wien 25. 8. 1988, 43 R 1058/88, EFSlg 55.932. 372 OGH 28. 2. 1991, 7 Ob 503/91, EFSlg 64.917; LGZ Wien 15. 9. 1988, 43 R 1043, 1065/88, EFSlg 55.944. 373 OGH 20. 10. 2004, 7 Ob 225/04w, ÖA 2005, 249 (Kindesunterhalt). 374 LGZ Wien 17. 2. 1976, 45 R 28/76, EFSlg 26.085. 375 LGZ Wien 31. 12. 1976, 45 R 591/76, EFSlg 26.081.

163

§ 94

Hinteregger

hilfe.376 Besteht ein Anspruch auf Notstandshilfe, so ist der Unterhaltsberechtigte im Rahmen der Anspannung verpflichtet, um diese anzusuchen.377 Anzurechnen ist auch die Ausgleichszulage.378 Ob Sozialhilfeleistungen den ehelichen Unterhalt schmälern, ist durch Auslegung des jeweiligen LandessozialhilfeG zu beurteilen. Soweit die Sozialhilfeleistung nach dem jeweiligen LandessozialhilfeG bloß subsidiär zum ehelichen Unterhaltsanspruch gewährt wird, ist sie auf den Unterhaltsanspruch nicht anzurechnen.379 Nicht berücksichtigt werden bloß geringfügige Einkünfte, die nur einen kaum ins Gewicht fallenden Bruchteil der Einkünfte des anderen Ehegatten ausmachen,380 sowie Einkünfte aus einem durch eine Unterhaltsverletzung erzwungenen Erwerb.381 Die Familienbeihilfe für ein Kind stellt kein Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten dar. 382

376 OGH 5. 7. 1991, 5 Ob 505/91, EFSlg 64.914; 10. 11. 1994, 6 Ob 642/94, EFSlg 73.815, 73.816; 27. 5. 1998, 6 Ob 18/98k, EFSlg 85.874; LGZ Wien 30. 4. 1996, 45 R 178/96a, EFSlg 79.847. Anders noch: LGZ Wien 18. 11. 1985, 43 R 2088/85, EFSlg 47.475; 6. 11. 1989, 44 R 1066/89, EFSlg 58.696. 377 Anders OGH 10. 11. 1994, 6 Ob 642/94, EFSlg 73.816: Der Unterhaltspflichtige kann den Unterhaltsberechtigten nicht zur Abwehr eines Unterhaltsanspruchs auf eine bisher noch nicht in Anspruch genommene Notstandshilfe verweisen. 378 OGH 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, EFSlg 70.610; 29. 5. 2001, 1 Ob 108/01s, JBl 2002, 449 (Kerschner); 2. 10. 2003, 6 Ob 237/03a, EFSlg 103.158; krit OGH 18. 2. 2005, 10 Ob S 190/04w, RdW 2005, 635/719. Anders die ältere Rechtsprechung, die eine Anrechnung der Ausgleichszulage ausschloss, soweit der Anspruch auf Ausgleichszulage bloß subsidiär zum Unterhaltsanspruch ist: LGZ Wien 7. 3. 1980, 43 R 2044/79, EFSlg 35.215; 20. 1. 1983, 43 R 2168/82, EFSlg 42.586; 31. 10. 1985, 47 R 2093, 2095/85, EFSlg 47.473; 6. 12. 1990, 47 R 2091/90, EFSlg 63.516; 9. 4. 1992, 8 Ob 503/92 (diesbezüglich unveröff); ebenso Dullinger zu OGH 2. 12. 1997, 10 Ob S 264/97i, DRdA 1998, 426/61. 379 Vgl dazu OGH 2. 10. 2003, 6 Ob 237/03a, EFSlg 103.158; 2. 10. 2003, 6 Ob 8/03z, EFSlg 103.159; 23. 1. 2004, 8 Ob 126/03t, EvBl 2004, 557/115; 15. 9. 2004, 9 Ob 23/04d; OLG Wien 8. 5. 1985, 12 R 118/85, EFSlg 47.476; LG Linz 1. 7. 2003, 15 R 235/03i, EFSlg 103.160; LGZ Wien 19. 10. 1984, 43 R 2168/84, EFSlg 44.872; 28. 1. 1987, 43 R 2129/86, EFSlg 53.043; 16. 2. 1988, 44 R 5010/87, EFSlg 55.933; 25. 10. 1999, 44 R 646/99x, EFSlg 88.828. Anders noch LGZ Wien 20. 10. 1994, 43 R 2084/94, EFSlg 73.817. 380 OLG Linz 19. 5. 1983, 5 R 92/83, EFSlg 42.583; LGZ Wien 30. 8. 1985, 47 R 2084/85, EFSlg 47.471; 24. 2. 1993, 43 R 2015/93, EFSlg 70.604; KG Krems an der Donau 7. 7. 1989, 1a R 91/89, EFSlg 58.695. 381 OGH 29. 5. 1996, 4 Ob 2019/96g, SZ 69/129; LGZ Wien 18. 4. 1985, 47 R 2012/85, EFSlg 47.472; 24. 2. 1993, 43 R 2015/93, EFSlg 70.603, 70.605; 17. 5. 2000, 45 R 99/00t, EFSlg 91.873. 382 Dies war bislang ständige Rechtsprechung: OGH 20. 6. 1991, 6 Ob 1577/91, EFSlg 64.921; OLG Wien 12. 12. 1983, 16 R 245/83, EFSlg 42.589; 26. 9. 1986, 13 R 156/86, EFSlg 50.207; LGZ Wien 29. 9. 1983, 43 R 1069/83, EFSlg 42.588; 28. 11. 1985, 47 R 2087, 2088/85, EFSlg 47.474; 31. 1. 1995, 47 R 2160/94, EFSlg 76.705; 2. 5. 2000, 44 R 221/00a, EFSlg 91.874 und gilt auch weiterhin. S OGH 12. 8. 2004, 1 Ob 123/04a, JBl 2005, 309: Der Teil der Familienbeihilfe, der nicht der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltsschuldners dient, ist kein frei verfügbares Einkommen des betreuenden Elternteils, sondern Betreuungshilfe für die mit der Pflege und Erziehung von Kindern verbundenen Lasten.

164

Bemessung

§ 94

e) Sonstiges Nicht in die Bemessungsgrundlage fallen Schmerzengeld,383 die Aus- 50 gleichszahlung nach § 94 EheG mitsamt Zinsen384 sowie durch Betrug herausgelockte Gelder.385 Einkommen aus Pfuschertätigkeit, das tatsächlich erzielt wird, ist dagegen auf die Bemessungsgrundlage anzurechnen.386 2. Höhe Die Unterhaltsbemessung ist eine Ermessensentscheidung im Einzel- 51 fall,387 die sich an den ehelichen Lebensverhältnissen zu orientieren hat.388 Ausschlaggebende Kriterien für die Höhe des Unterhalts sind die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und der Bedarf des Berechtigten.389 Um diesen Erfordernissen gerecht zu werden, erfolgt die Bemessung des Unterhalts in einem Prozentsatz der Unterhaltsbemessungsgrundlage. Die Rechtsprechung hat für die Bemessung bestimmte Prozentsätze 52 herausgebildet, wobei aber betont wird, dass diese eine bloße Orientierungshilfe darstellen, um eine Gleichbehandlung in ähnlich gelagerten Fällen zu gewährleisten.390 Sie sind an die individuellen Verhältnisse anzupassen.391 Eine Abweichung ist insbesondere bei unüblichen Verhältnissen geboten.392 OGH 7. 12. 1994, 6 Ob 615/94, ÖA 1995, 124. OGH 18. 9. 1991, 1 Ob 595/91, EFSlg 65.306; 17. 11. 1993, 1 Ob 622/93, JUS-Extra 1994, 33. Für den Unterhaltsberechtigten: OGH 4. 4. 2000, 10 Ob 53/00t, EFSlg 91.880. 385 LGZ Wien 24. 4. 1996, 45 R 200/96m, EFSlg 79.848. 386 LG Salzburg 26. 7. 2000, 21 R 159/00d, EFSlg 91.835. Eine Anspannung auf Pfuschertätigkeit ist allerdings nicht zulässig. S Rz 58. 387 LGZ Wien 4. 8. 1983, 43 R 2092/83, EFSlg 42.578; 6. 10. 1983, 43 R 2109/83, EFSlg 42.575; 21. 11. 1985, 43 R 2105, 2107/85, EFSlg 47.461; KG Krems an der Donau 19. 2. 1987, 1a R 505/86, EFSlg 53.032; 20. 10. 1988, R 300/88, EFSlg 55.923. 388 OGH 18. 3. 1992, 1 Ob 529, 530/92, JUS-Extra 1992, 29; 27. 4. 1999, 1 Ob 288/98d, ARD 5124, 9; 23. 11. 2000, 2 Ob 295/00x; LGZ Wien 11. 2. 1983, 43 R 2004/83, EFSlg 42.580; KG Krems an der Donau 19. 2. 1987, 1a R 505/86, EFSlg 53.029. In diesem Sinne betont das LGZ Wien immer wieder, dass Unterhalt ausgemessen und nicht berechnet werde: 25. 11. 1993, 43 R 2088/93, EFSlg 70.601; 19. 4. 1994, 43 R 2023/94, EFSlg 73.813; 22. 3. 1995, 45 R 2037/95, EFSlg 76.699; 29. 5. 1998, 44 R 218/98d, EFSlg 85.866. 389 OLG Wien 25. 4. 1978, 5 R 61/78, EFSlg 30.675; 29. 9. 1983, 11 R 180/83, EFSlg 42.576; LGZ Wien 17. 6. 1981, 43 R 2052/81, EFSlg 37.571; KG Krems an der Donau 20. 10. 1988, R 300/88, EFSlg 55.922. 390 OGH 28. 2. 1991, 7 Ob 503/791, EFSlg 64.911; 22. 5. 1991, 3 Ob 1520/91, EFSlg 64.909; 19. 5. 1999, 9 Ob 87/99f, EFSlg 88.878; 16. 3. 2000, 2 Ob 318/99z, EFSlg 91.865; 29. 5. 2001, 1 Ob 108/01s, JBl 2002, 449 (Kerschner); 24. 9. 2003, 9 Ob 99/03d, EFSlg 103.215; LGZ Wien 29. 9. 1983, 43 R 1069/83, EFSlg 42.577; 28. 8. 1986, 43 R 2073/86, EFSlg 50.202; 27. 11. 1986, 47 R 2096/86, EFSlg 50.203; 28. 4. 1987, 47 R 2035/87, EFSlg 53.031; 25. 11. 1993, 43 R 2088/93, EFSlg 70.602; 5. 9. 1995, 44 R 2103, 2104/95, EFSlg 76.700; LG Salzburg 13. 3. 2002, 21 R 20/02s, EFSlg 99.182; KG Krems an der Donau 20. 10. 1988, R 300/88, EFSlg 55.924 uva. 391 LGZ Wien 29. 12. 1978, 45 R 411/78, EFSlg 30.676; KG Krems an der Donau 19. 2. 1987, 1a R 505/86, EFSlg 53.033. 392 OGH 29. 8. 1990, 3 Ob 563/90, EFSlg 61.752, 61.753; LGZ Wien 3. 4. 1986, 47 R 2002/86, EFSlg 50.204. 383 384

165

§ 94

Hinteregger

So können geringere Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten zu einer Reduktion des Prozentsatzes führen.393 Bei sehr niedrigem Einkommen kann dem Unterhaltsberechtigten zur Sicherung des Existenzminimums auch ein höherer Prozentsatz zugesprochen werden,394 wobei der Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 ASVG als Richtschnur herangezogen werden kann.395 Besondere Umstände396 oder erhöhte Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten können ebenfalls einen höheren Prozentsatz rechtfertigen. Dies gilt für einen krankheitsbedingten Mehrbedarf,397 oder die Kosten der Unterbringung in einem Pflegeheim,398 nicht aber bei Geldunterhaltspflichten des Unterhaltsberechtigten gegenüber den Kindern.399 Auf der anderen Seite ist darauf zu achten, dass dem Unterhaltsverpflichteten ausreichende Mittel zur Sicherung seines eigenen Lebensunterhalts,400 oder, bei einem sehr hohen Einkommen, dass ihm weiterhin Leistungsanreize verbleiben.401 Nach ständiger Rechtsprechung erhält der Einkommenslose 33% des Einkommens des Unterhaltspflichtigen,402 der schlechter Verdienende dagegen 40% des Familieneinkommens (gemeinsames Einkommen beider Ehegatten) verringert um das eigene Einkommen des Unterhaltsberechtigten.403 Damit 393 Beispielsweise wenn der Wohnbedarf des Unterhaltsberechtigten bereits gedeckt ist. Selbstverständlich ist auch während eines Kuraufenthalts Unterhalt zu leisten. OGH 4. 4. 2000, 10 Ob 53/00t, EFSlg 91.811. 394 OGH 22. 5. 1991, 3 Ob 1520/91, EFSlg 64.912; 26. 9. 1991, 8 Ob 635/90, SZ 64/135; 27. 1. 1994, 2 Ob 603/93, EvBl 1994, 736/148; KG Krems an der Donau 19. 2. 1987, 1a R 505/86, EFSlg 53.036; 20. 10. 1988, R 300/88, EFSlg 55.924. 395 LGZ Wien 12. 9. 1978, 45 R 357/78, EFSlg 30.672. 396 LGZ Wien 11. 7. 2000, 44 R 319/00p, EFSlg 91.869: Erhöhung auf 44%, wenn die Unterhaltsberechtigte aufgrund der Ehestreitigkeiten ihren Arbeitsplatz im Unternehmen des Mannes verloren hat. 397 OLG Wien 26. 6. 1978, 5 R 111/78, EFSlg 30.677; LGZ Wien 11. 3. 1977, 45 R 87/77, EFSlg 28.608; 15. 7. 1982, 43 R 2080/82, EFSlg 40.012; 21. 11. 1985, 43 R 2105, 2107/85, EFSlg 47.470; 31. 1. 1986, 43 R 2143/85, EFSlg 50.247. 398 OGH 24. 2. 1994, 8 Ob 503/94, RZ 1995, 254/77; LGZ Wien 27. 6. 1979, 45 R 264/79, EFSlg 32.781. 399 OGH 22. 2. 2005, 1 Ob 288/04s. 400 OGH 11. 5. 2004, 5 Ob 48/04a, JBl 2004, 734 (Kindesunterhalt) und LG Salzburg 12. 10. 2000, 21 R 165/00m, EFSlg 91.866: Unterschreitung des Existenzminimums nach Maßgabe des § 292b EO; absolute Leistungsgrenze ist jener Betrag, den der Unterhaltspflichtige zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit unbedingt benötigt; LGZ Wien 25. 8. 1998, 45 R 466/98g, EFSlg 85.867. Zum Kindesunterhalt: Gitschthaler, ÖJZ 1994, 14. 401 OLG Wien 20. 7. 1987, 11 R 136/87, EFSlg 53.035; LGZ Wien 4. 7. 1985, 43 R 2063/85, EFSlg 47.464; 25. 7. 1985, 43 R 2081/85, EFSlg 47.465; 3. 4. 1986, 47 R 2002/86, EFSlg 50.205. 402 OGH 26. 4. 1991, 8 Ob 635/90, EFSlg 64.928; 26. 9. 1991, 8 Ob 635/90, SZ 64/135; 16. 12. 1993, 8 Ob 595/93, EFSlg 70.620; 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.183; LGZ Wien 18. 7. 1985, 43 R 2057/85, EFSlg 47.503; 29. 12. 1988, 44 R 1079/88, EFSlg 55.949; 20. 12. 2000, 42 R 453/00d, EFSlg 91.867; 24. 9. 2003, 9 Ob 99/03d, EFSlg 103.216; LG St. Pölten 25. 9. 2001, 37 R 301/01t, EFSlg 95.277 uva. 403 OGH 28. 2. 1991, 7 Ob 503/91, EFSlg 64.929; 26. 9. 1991, 8 Ob 635/90, SZ 64/135; 2. 6. 1993, 7 Ob 531/93, EFSlg 70.619; 26. 4. 2000, 3 Ob 308/98k, JBl 2001, 55; 18. 4. 2002, 6 Ob 22/02g, EFSlg 99.184; 24. 9. 2003, 9 Ob 99/03d, EFSlg 103.217; OLG Wien 30. 5. 1985,

166

Bemessung

§ 94

soll erreicht werden, dass auch der selbst, aber schlechter verdienende Ehegatte am höheren Einkommen des anderen Ehegatten und damit am erhöhten gemeinsamen Lebensstandard angemessen teilhaben kann.404 Diese Berechnung gilt grundsätzlich auch bei erheblich überdurchschnittlichem Einkommen des besser verdienenden Ehegatten.405 Bei einem sehr geringen Einkommen des Unterhaltsberechtigten wendet die Rechtsprechung dagegen die 33%-Regel an, um Verzerrungen zu Lasten des Unterhaltspflichtigen zu vermeiden.406 Konkurrierende Sorgepflichten werden nicht durch Abzug der tatsächlichen Unterhaltsleistungen von der Bemessungsgrundlage, sondern durch angemessene Herabsetzung des Unterhaltsprozentsatzes berücksichtigt.407 Für jedes unterhaltsberechtigte Kind wird der Prozentsatz um 4% verringert.408 Auch die Leistung einer Ausstattung an ein Kind berechtigt zu einer den Umständen des Einzelfalls angemessenen Verminderung des Prozentsatzes, verteilt auf die Anzahl der Monate, die sich aus der Division der angemessenen Ausstattungssumme durch den dem Kind theoretisch zustehenden gesetzlichen Unterhaltsbetrag ergibt.409 Ist der Unterhaltspflichtige auch einem ehemaligen Ehegatten unterhaltspflichtig, so vermindert sich der Prozentsatz, je nach der Höhe des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten, um 1 bis 3%.410 Die Gesamtbelastung des Unterhaltsschuldners darf insgesamt ohne 11 R 127/85, EFSlg 47.504; 20. 6. 1988, 15 R 132/88, EFSlg 55.950; LGZ Wien 16. 1. 1995, 44 R 2070/94, EFSlg 76.716; 25. 3. 1997, 43 R 78/97g, EFSlg 83.054; 23. 11. 1999, 43 R 893/99p, EFSlg 88.879; LG Salzburg 1. 8. 2001, 21 R 81/01k, EFSlg 95.278 uva. 404 OGH 26. 9. 1991, 8 Ob 635/90, SZ 64/135; 27. 4. 1999, 1 Ob 288/98d, ARD 5124/20/2000. 405 OGH 27. 4. 1999, 1 Ob 288/98d, ARD 5124/20/2000: keine „Luxusgrenze“ beim Ehegattenunterhalt; LGZ Wien 29. 8. 1986, 47 R 2056/86, EFSlg 50.243; 30. 4. 1997, 45 R 261/97h, EFSlg 83.055. 406 OGH 16. 12. 1993, 8 Ob 595/93, EFSlg 70.621; 19. 5. 1999, 9 Ob 87/99f, EFSlg 88.880; 18. 4. 2002, 6 Ob 22/02g, EFSlg 99.185; OLG Linz 11. 9. 1979, 3 R 100, 101/79, EFSlg 32.787; OLG Wien 15. 9. 1986, 11 R 210/86, EFSlg 50.246; 13. 6. 1988, 11 R 81/88, EFSlg 55.952; LGZ Wien 29. 11. 1991, 43 R 2077/91, EFSlg 64.930; 11. 9. 1992, 47 R 2068/92, EFSlg 67.680; 30. 4. 1997, 45 R 261/97h, EFSlg 83.056; 30. 11. 2001, 42 R 387/01z, EFSlg 95.279. 407 OGH 20. 6. 1991, 6 Ob 1577/91, EFSlg 64.897; 13. 11. 2001, 4 Ob 129/01a, EvBl 2002, 262/60; OLG Wien 23. 3. 1981, 14 R 4/81, EFSlg 37.579; LGZ Wien 9. 1. 1985, 43 R 2213/84, EFSlg 47.467; 4. 8. 1999, 43 R 527/99i, EFSlg 88.881. 408 OGH 26. 4. 2000, 3 Ob 308/98k, JBl 2001, 55; 24. 9. 2003, 9 Ob 99/03d, EFSlg 103.217; LGZ Wien 28. 11. 1985, 47 R 2087, 2088/85, EFSlg 47.505; 19. 5. 1988, 44 R 1030/88, EFSlg 55.951; 22. 3. 1995, 45 R 2037/95, EFSlg 76.715; 30. 4. 1997, 45 R 261/97h, EFSlg 83.057; 2. 9. 2002, 43 R 483/02a, EFSlg 99.187; 11. 6. 2003, 42 R 629/02i, EFSlg 103.218 uva. Uneinheitlich noch die ältere Rechtsprechung: LGZ Wien 31. 1. 1986, 43 R 2143/85, EFSlg 50.247: 2%; OLG Wien 21. 11. 1983, 14 R 193/83, EFSlg 42.611; LGZ Wien 17. 12. 1997, 45 R 424/97d, EFSlg 83.058: 3%; LGZ Wien 20. 1. 1983, 43 R 205/83, EFSlg 42.609; 4. 12. 1986, 47 R 830/86, EFSlg 50.240: 3–4%. 409 OGH 13. 6. 2005, 10 Ob 92/04h, EvBl 2005, 889/182. 410 OGH 26. 9. 1991, 8 Ob 635/90, SZ 64/135: 2% Abzug bei bloß teilweiser Unterhaltspflicht; 16. 3. 2000, 2 Ob 318/99z, EFSlg 91.871: kein Abzug von 4% (so LGZ Wien 24. 1. 2000, 44 R 902/99v, EFSlg 91.870); 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.186 und LG Salzburg 16. 3. 2001, 21 R 315/00w, EFSlg 95.280 (3% für die einkommenslose frühere Ehegattin).

167

§ 94

Hinteregger

weiteres 50% seines Einkommens übersteigen. Es ist dabei lediglich im Wege einer Kontrollrechnung zu prüfen, ob ihm ein für seinen notwendigen Unterhalt ausreichender Betrag verbleibt.411 Die von der Rechtsprechung entwickelten Unterhaltsquoten von 33% und 53 40% werden von einem Großteil der Lehre412 als zu gering betrachtet, weil dem nicht erwerbstätigen oder schlechter verdienenden Ehegatten damit die angemessene Beteiligung am Einkommen des anderen vorenthalten werde. Diese Kritik wird von der Rechtsprechung mit der Begründung413 zurückgewiesen, dass die 33%- und 40%-Quoten im statistischen Durchschnitt ohnedies eine Basisbeteiligung beider Ehegatten von 50% unterstellen würden. Es werde bloß dem Einkommensbezieher ein Rekreationsbonus zugestanden und berücksichtigt, dass dieser arbeitsbedingte Aufwendungen habe. Außerdem sei zu beachten, dass weitere Unterhaltspflichten nicht in absoluter Höhe, sondern nur durch geringere Prozentabzüge abgerechnet würden.414 Diese Argumente sind nachvollziehbar. Sie rechtfertigen allerdings bloß, dem allein oder besser verdienenden Ehegatten einen etwas höheren Anteil am Gesamteinkommen zuzusprechen, nicht aber das von der Rechtsprechung erzielte Ausmaß der Differenzierung.415 Der Umstand, dass Unterhaltsverpflichtete mehrere Sorgepflichten haben können, ist außerdem kein ausreichendes Argument, um der gesamten Gruppe der nicht erwerbstätigen oder schlechter verdienenden Ehegatten, unabhängig davon, ob im konkreten Fall weitere Sorgepflichten bestehen, eine niedrigere Unterhaltsquote zuzuweisen.416 Freiwillige417 oder freiwillig erhöhte Unterhaltszahlungen für einen an54 deren Unterhaltsberechtigten können den Unterhaltsanspruch nicht schmälern.418 Leistet der Unterhaltspflichtige allerdings mit Zustimmung der unterhaltsberechtigten Ehegattin erhöhte Unterhaltszahlungen an den gemeinsamen Sohn und erfüllt er damit auch die Unterhaltspflicht der Mutter, so kann es angemessen sein, diesen Umstand bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts zu berücksichtigen.419

411 OLG Wien 23. 3. 1981, 14 R 4/81, EFSlg 37.580; LGZ Wien 25. 10. 1979, 44 R 1009/79, EFSlg 32.779. 412 Lackner, RZ 1992, 62; derselbe, RZ 1999, 194; Kerschner, RZ 1995, 272; derselbe, Familienrecht2 Rz 2/54; Gimpel-Hinteregger in Floßmann, Recht 198ff; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 94 Rz 6; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 94 Rz 13 (Gleichbeteiligung nur für jenen Teil des Einkommens, der dem Konsum dient, nicht zur Vermögensbildung). 413 Im Anschluss an Schwimann in Schwimann, ABGB I2 § 94 Rz 12; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 125f. 414 OGH 27. 4. 1999, 1 Ob 288/98d, JBl 1999, 725. OGH 29. 5. 2001, 1 Ob 108/01s, JBl 2002, 449 (krit Kerschner) referiert die Vorentscheidung, lässt die Frage aber offen. 415 In diesem Sinne auch Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 94 Anm 35, die vorschlagen, grundsätzlich an den Prozentquoten festzuhalten, aber die Interessen des Unterhaltsberechtigten durch eine stärkere Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu wahren. 416 Zutr Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 94 Rz 6; Lackner, RZ 1999, 194. 417 OLG Wien 9. 5. 1977, 7 R 85/77, EFSlg 28.631: Unterhalt für die Lebensgefährtin. 418 LGZ Wien 4. 1. 1979, 45 R 686/78, EFSlg 32.823. 419 LGZ Wien 5. 9. 1995, 44 R 2103, 2104/95, EFSlg 76.701.

168

Anspannungsgrundsatz

§ 94

Der zugesprochene Unterhaltsbetrag ist zu runden. Ein Zuspruch unrunder 55 Beträge ist zu vermeiden.420 Leistet der Unterhaltspflichtige eine Pauschalabfindung, so ist dieser Betrag auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen. Für diesen Zeitraum sind die Unterhaltsansprüche anderer Berechtigter entsprechend zu mindern.421 Neben den laufenden Unterhaltszahlungen kann auch ein Anspruch auf ei- 56 ne Sonderzahlung zur Abdeckung eines bestimmten Mehrbedarfs bestehen. Dies gilt beispielsweise für Prozess- und Anwaltskosten, wenn diese aus dem laufenden Unterhalt nicht bezahlt werden können.422 In Frage kommen auch andere existenznotwendige einmalige Bedürfnisse. Die Kosten für Bekleidung,423 die Kosten eines Kuraufenthalts oder die durch die natürliche Abnützung anfallenden Renovierungs- und Neuanschaffungskosten für Wohnung und Einrichtung,424 sowie die Kosten der Umstellung der Energieversorgung der Wohnung auf Gas425 sind kein gesondert einklagbarer Sonderbedarf, sondern aus den laufenden Unterhaltszahlungen zu bestreiten.

V. Anspannungsgrundsatz Der für den Kindesunterhalt entwickelte Anspannungsgrundsatz426 findet 57 auch im Ehegattenunterhalt Anwendung. Rechtsgrundlage ist § 94 Abs 1 S 1, der die Ehegatten verpflichtet, „nach ihren Kräften“ zur Deckung ihrer Bedürfnisse beizutragen.427 Im Ehegattenunterhalt steht die Anspannungsverpflichtung in einem engen Zusammenhang mit dem Recht auf einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, die über den von den Ehegatten festgelegten „Lebenszuschnitt“ entscheidet.428 Eine Anspannung kann deshalb von vornherein nur gefordert werden, soweit der Beitrag eines Ehegatten hinter der einvernehmlich festgelegten Beitragspflicht zurück bleibt. Haben die Ehegatten etwa Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung so verteilt, dass ein Ehegatte allein erwerbstätig und der andere allein für den Haushalt 420 LGZ Wien 14. 9. 1989, 43 R 1050/89, EFSlg 58.692; LG Linz 27. 12. 2001, 14 R 521/01p, EFSlg 95.281. 421 OGH 13. 11. 2001, 4 Ob 129/01a, EvBl 2002, 262/60. 422 OGH 27. 1. 1994, 2 Ob 603/93, EvBl 1994, 736/148 (Prozesskostenvorschuss als einstweiliger Unterhalt); 12. 4. 2005, 1 Ob 67/05t, JBl 2005, 713 (auch für bereits entstandene Prozesskosten); OLG Innsbruck 1. 2. 1985, 6 R 24/85, EvBl 1985, 657/142; ebenso für den Kindesunterhalt: OGH 31. 5. 1994, 4 Ob 540/94, NRsp 1994/211; 24. 11. 1994, 2 Ob 595/94, EvBl 1995, 627/126; Gitschthaler, ÖJZ 1994, 17. 423 OLG Linz 20. 4. 1977, 3 R 76, 77/77, EFSlg 28.609. 424 OGH 26. 11. 1992, 8 Ob 580/92, ÖA 1993, 104. 425 LGZ Wien 14. 6. 1977, 45 R 239/77, EFSlg 28.610. 426 Pichler, ÖA 1976, 53; Gitschthaler, ÖJZ 1996, 553. 427 OGH 1. 7. 1993, 6 Ob 552/93, EFSlg 70.573. 428 S Rz 3 und die Ausführungen zu § 91. Beim gesetzlichen Kindesunterhalt kann diesem Gesichtspunkt nur eine eingeschränkte Wirkung zukommen, da hier das Kindeswohl gebietet, auf die effektive Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen abzustellen.

169

§ 94

Hinteregger

zuständig sein soll, so kann, solange diese Gestaltungsvereinbarung wirksam ist, vom Haushaltsführenden keine Erwerbstätigkeit eingefordert werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft einseitig abänderbar ist (s § 91 Rz 6ff). Zur Verpflichtung des Haushaltsführenden, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, s ausführlich Rz 21. Eine wichtige praktische Rechtsfolge der Anspannungsverpflichtung liegt im Unterhaltsrecht. Bleibt die Leistung eines Ehegatten hinter der auf der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft basierenden Leistungsverpflichtung zurück, so kann dies bei der Beurteilung eines allfälligen Unterhaltsanspruchs dergestalt berücksichtigt werden, dass sowohl dem Unterhaltsverpflichteten als auch dem Unterhaltsberechtigten nicht das tatsächliche, sondern das erzielbare Einkommen angerechnet wird.429 Voraussetzung für die Anspannung ist, dass die betreffende Person ein Verschulden daran trifft, dass sie unzureichende Einkünfte erzielt.430 Leichte Fahrlässigkeit ist ausreichend. Als Vergleichsmaßstab dient der ordentliche „familiengerechte und pflichtbewusste“ Ehegatte in der Lage des konkreten Unterhaltspflichtigen bzw Unterhaltsberechtigten.431 Ob eine Anspannung vorzunehmen ist, bestimmt sich immer nach dem 58 Einzelfall.432 So kann länger dauernde Erfolglosigkeit einer selbstständigen Tätigkeit zur Aufnahme einer unselbstständigen Tätigkeit verpflichten.433 Besteht ein Anspruch auf Firmenpension, muss der Unterhaltsverpflichtete um sie ansuchen.434 Erzielt der Unterhaltspflichtige bereits ein überdurchschnittliches Einkommen, so darf ihm nicht ein früher erzieltes Überstundenentgelt weiter angerechnet werden.435 Reicht bereits das laufende Einkommen für den angemessenen Unterhalt, so kann der Unterhaltspflichtige nicht auf einen aus Nebenbeschäftigungen erzielbaren Erwerb angespannt werden.436 Eine Anspannung eines bereits voll Erwerbstätigen auf zusätzliche Nebenbeschäftigungen oder Überstunden darf nur ausnahmsweise erfolgen,437 weil eine lauVgl OLG Wien 21. 11. 1985, 12 R 287/85, EFSlg 47.485. OGH 12. 6. 2003, 8 Ob 44/03h, ÖA 2004, 330; 10. 9. 2003, 7 Ob 205/03b, ÖA 2005, 99; LGZ Wien 14. 1. 1997, 43 R 1052/96s, EFSlg 83.039; 14. 2. 2001, 42 R 335/00a, EFSlg 95.255; 28. 1. 2003, 42 R 51/02i, EFSlg 103.192; LG Salzburg 26. 7. 2000, 21 R 159/00d, EFSlg 91.847; 30. 1. 2003, 21 R 236/02f, EFSlg 103.190; Gitschthaler, ÖJZ 1996, 555; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 148. 431 OGH 14. 7. 1998, 4 Ob 181/98s; LGZ Wien 30. 9. 1987, 44 R 1019/87, EFSlg 53.053; 14. 1. 1997, 43 R 1052/96s, EFSlg 83.039; 14. 2. 2001, 42 R 335/00a, EFSlg 95.256; LG Salzburg 5. 12. 2001, 21 R 279/01b, EFSlg 95.287; 20. 11. 2002, 21 R 278/02g, EFSlg 99.163; 30. 1. 2003, 21 R 236/02f, EFSlg 103.191; Gitschthaler, ÖJZ 1996, 555. 432 OGH 1. 7. 1993, 6 Ob 552/93, EFSlg 70.574. 433 LGZ Wien 4. 7. 1985, 47 R 2029/85, EFSlg 47.488, 47.489, 47.490; 19. 10. 1988, 47 R 2059/88, EFSlg 55.940. 434 LGZ Wien 16. 10. 1986, 44 R 1021/86, EFSlg 50.214, 50.215. 435 LGZ Wien 9. 5. 1980, 43 R 2065/80, ÖA 1981, 76. 436 OGH 10. 10. 1991, 7 Ob 582/91, EFSlg 64.894. 437 LGZ Wien 28. 2. 1979, 45 R 8/79, EFSlg 32.802 und 9. 5. 1980, 43 R 2065/80, EFSlg 35.223 (keine Anspannung auf Überstundeneinkünfte); 14. 2. 2001, 42 R 335/00a, EFSlg 95.257. 429 430

170

Anspannungsgrundsatz

§ 94

fende berufliche Überlastung mit einem vorzeitigen gesundheitlichen Verschleiß und einem frühzeitigen Verlust der Arbeitskraft verbunden ist.438 Überhaupt kann nicht verlangt werden, dass sich der Unterhaltspflichtige über gesundheitliche Beeinträchtigungen hinweg setzt.439 Selbst wenn der Unterhaltspflichtige eine bislang ausgeübte Nebenbeschäftigung440 nur deshalb aufgegeben hat oder ein Angebot zur Leistung von Überstunden441 nur deshalb ausschlägt, um seine Unterhaltspflicht zu reduzieren, darf ihm das daraus erzielbare Einkommen nur dann angerechnet werden, wenn ihm die weitere Ausübung dieser Nebenbeschäftigung oder die Leistung der Überstunden zumutbar ist.442 Eine Anspannung auf ein Einkommen, das nur durch eine der GewO widersprechende Tätigkeit („Pfusch“) erzielt werden kann, ist ebenfalls unzulässig.443 Die Inanspruchnahme eines Karenzurlaubs ist nur dann Grund für eine Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung, wenn der Verzicht auf die Erzielung eines höheren Einkommens durch besonders berücksichtigungswürdige Umstände erzwungen wurde. Dabei sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je umfangreicher die Sorgepflichten sind.444 Die Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses berechtigt nur dann zur Anrech- 59 nung der daraus bislang erzielten Einkünfte, wenn der betreffenden Person ein Vorwurf gemacht werden kann. Dies ist bei einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht der Fall, wenn der Weiterbeschäftigung betriebliche Gründe entgegenstehen.445 Doch auch eine provozierte Kündigung oder Entlassung rechtfertigt noch keine Anrechnung der bisher erzielten Einkünfte,446 weil ein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften nicht automatisch eine Verletzung der unterhaltsrechtlichen Verpflichtung zur Anspannung aller Kräfte zur Erzielung von Unterhalt darstellt.447 Eine Anspannung bei Verlust des Arbeitsplatzes kommt deshalb vor allem dann in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige entweder den Arbeitsplatz aufgegeben hat, um sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen, oder wenn er sich nicht aktiv bemüht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden448 oder wenn er ein konkretes Arbeitsangebot ohne ausreichende Gründe ablehnt.449 Eine Anspannung auf das früher erzielte Einkommen ist deshalb ausgeschlossen, wenn sich der Unterhaltspflichtige

OGH 10. 10. 1991, 7 Ob 582/91, EFSlg 64.894. LG Salzburg 20. 11. 2002, 21 R 278/02g, EFSlg 99.164. 440 OGH 26. 6. 1991, 2 Ob 532/91, JBl 1992, 173 (Hoyer); LGZ Wien 14. 2. 2001, 42 R 335/00a, EFSlg 95.257. 441 LGZ Wien 11. 5. 2000, 44 R 247/00z, EFSlg 91.848. 442 So zutr Hoyer zu OGH 26. 6. 1991, 2 Ob 532/91, JBl 1992, 173. 443 LG Salzburg 26. 7. 2000, 21 R 159/00d, EFSlg 91.849. 444 LGZ Wien 29. 4. 1999, 45 R 553/98a, EFSlg 88.858. 445 OGH 23. 2. 1994, 3 Ob 28/94, JBl 1994, 830. 446 LGZ Wien 17. 7. 2001, 42 R 147/01f, EFSlg 95.262. 447 Gitschthaler, ÖJZ 1996, 560. 448 OGH 10. 9. 2003, 7 Ob 205/03b, ÖA 2005, 99; OLG Wien 13. 4. 1984, 11 R 81/84, EFSlg 44.874; LGZ Wien 30. 4. 1999, 44 R 187/99x, EFSlg 88.859. 449 LGZ Wien 14. 1. 1997, 43 R 1052/96s, EFSlg 83.040. 438 439

171

§ 94

Hinteregger

beim Arbeitsamt zur Arbeitsvermittlung gemeldet hat.450 Dasselbe gilt entsprechend für den Unterhalt Fordernden. Bei Beschäftigungslosen ist somit nicht entscheidend, ob sie den Beschäftigungsverlust selbst herbeigeführt oder sogar verschuldet haben.451 Ausschlaggebend ist vielmehr, ob ein Arbeitsloser alle zumutbaren und sinnvollen Anstrengungen zur Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes unternimmt.452 Eine Anspannung auf bloß fiktive, in Wirklichkeit gar nicht erzielbare Einkünfte ist nicht zulässig.453 Die Erzielung der angerechneten Einkünfte muss dem Betroffenen tatsächlich möglich und auch zumutbar sein. Bei der Anspannung müssen deshalb die konkreten Berufsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Maßgebende Gesichtspunkte sind das Alter, der Gesundheitszustand, bestehende Betreuungspflichten, die Kenntnisse des Betroffenen sowie die Lage am Arbeitsmarkt.454 Eine Anspannung kann somit nicht erfolgen, wenn die betreffende Person am Arbeitsmarkt gar nicht vermittelt werden kann455 oder wenn sie aufgrund einer Disziplinarmaßnahme der beruflichen Standesvertretung oder aufgrund von Haft nicht in der Lage ist, das frühere Einkommen weiter zu erzielen.456 Sowohl Unterhaltsverpflichteter als auch Unterhaltsberechtigter haben 60 das Recht auf berufliche Veränderung. Maßstab für die Anerkennung eines daraus resultierenden Einkommensverlustes ist die Frage, ob auch ein pflichtbewusster und familiengerechter Ehegatte diesen Wechsel vollzogen hätte. Dies gilt auch für einen Wechsel von einer unselbstständigen zu einer selbstständigen Tätigkeit. Wechselt der Unterhaltsverpflichtete von einer unselbstständigen zu einer selbstständigen Tätigkeit, so hat der andere Ehegatte eine dadurch bedingte vorübergehende Einschränkung seines Unterhaltsanspruchs zu ertragen,457 nicht aber einen länger dauernden Einkommensver450 OLG Wien 23. 9. 1985, 12 R 219/85, EFSlg 47.486; LGZ Wien 7. 3. 1980, 43 R 2044/79, EFSlg 35.222. 451 ZB OGH 8. 7. 2004, 6 Ob 91/04g, ÖA 2005, 101: Verlust des Arbeitsplatzes wegen Alkoholismus. 452 OGH 3. 10. 1996, 1 Ob 2292/96g, RZ 1997, 177/57; OLG Wien 23. 9. 1985, 12 R 219/85, EFSlg 47.487; LGZ Wien 30. 4. 1999, 44 R 187/99x, EFSlg 88.859; 17. 7. 2001, 42 R 147/01f, EFSlg 95.262. 453 OGH 29. 5. 2001, 1 Ob 56/01v, EFSlg 95.289; LGZ Wien 16. 8. 1999, 43 R 695/99w, EFSlg 88.890; LG Salzburg 6. 6. 2001, 21 R 323/00x, EFSlg 95.288. 454 OGH 28. 3. 2000, 1 Ob 58/00m, ARD 5185/31/2001; OLG Linz 7. 10. 1976, 3 R 120/76, EFSlg 26.031; LGZ Wien 16. 6. 1976, 45 R 272/76, EFSlg 26.032; 23. 7. 2001, 42 R 164/01f, EFSlg 95.290. 455 OGH 8. 7. 2004, 6 Ob 91/04g, ÖA 2005, 101; LGZ Wien 25. 10. 1999, 44 R 646/99x, EFSlg 88.888: dann ist auch keine Meldung beim Arbeitsmarktservice notwendig; LG Salzburg 18. 12. 2002, 21 R 357/02z, EFSlg 99.190. 456 LGZ Wien 13. 2. 2001, 43 R 730/00x, EFSlg 95.263; verfehlt LGZ Wien 22. 6. 1989, 44 R 1023/89, EFSlg 58.691, wonach bei Einkommensminderung eines Beamten durch Disziplinarmaßnahmen vom früheren höheren Einkommen auszugehen sei. Die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes bei Haftentlassenen ist vor allem für den Kindesunterhalt von praktischer Bedeutung. Vgl dazu Gitschthaler, ÖJZ 1996, 559. 457 LGZ Wien 4. 7. 1984, 44 R 1088/84, EFSlg 44.878, 44.879; 4. 4. 2000, 44 R 173/00t, EFSlg 91.850; 14. 2. 2001, 42 R 335/00a, EFSlg 95.259.

172

Anspannungsgrundsatz

§ 94

lust.458 Welcher Zeitraum für die Konsolidierung zur Verfügung steht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.459 Auch Einkommenslosigkeit eines hauptberuflichen Geschäftsführers während des Zeitraums, der für die Schließung eines Unternehmens nötig ist, muss akzeptiert werden.460 Entsprechendes gilt für den Unterhaltsanspruch eines selbstständig Erwerbstätigen. Ein selbstständig berufstätiger Ehegatte kann gegen den anderen einen Unterhaltsanspruch erheben, wenn seine Erwerbstätigkeit keinen Ertrag abwirft, sofern in absehbarer Zeit wieder Einkünfte erwartet werden können. Besteht allerdings binnen angemessener Frist keine Aussicht auf Konsolidierung des Unternehmens, ist der selbstständig erwerbstätige Ehegatte verpflichtet, zur Erreichung eines eigenen Einkommens umgehend eine andere, allenfalls auch unselbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen.461 Auch in diesem Fall ist dem Betreffenden eine Zeitspanne zuzubilligen, um wieder im unselbstständigen Bereich Fuß zu fassen.462 Ein Unterhaltsverpflichteter muss auch das ihm zur Verfügung stehende 61 Vermögen unter Berücksichtigung von Risiko und Ertrag möglichst erfolgversprechend anlegen.463 Demgemäß können ihm fiktive Erträgnisse eines sorgfaltswidrig verbrauchten Vermögens angerechnet werden.464 Kann der angemessene Unterhalt jedoch schon aus den laufenden Einnahmen bestritten werden, ist eine Anspannung auf Vermietung nicht zulässig.465 Der Unterhaltspflichtige muss sich auch nicht die Kenntnisse eines Steuerberaters aneignen oder sich eines Steuerberaters bedienen, um seine steuerlichen Absetzmöglichkeiten optimal auszuschöpfen,466 oder als Gemeinderat aus seiner Partei austreten, um sich die Zahlung der Parteiabgabe zu ersparen.467 Hat der geldunterhaltspflichtige Ehegatte einen wesentlichen Teil seines Vermögens in 458 LGZ Wien 20. 1. 1993, 43 R 2109/92, EFSlg 70.611; 14. 2. 2001, 42 R 335/00a, EFSlg 95.261. Strenger OLG Wien 27. 6. 1986, 13 R 163/86, EFSlg 50.217: Auch im Anfangsstadium darf sich das Einkommen im neuen Beruf nicht in unrealistischen Größenordnungen (Gewinn von ATS 41.870,— bei Unterhaltspflicht für drei Personen: EFSlg 50.218) bewegen. 459 LGZ Wien 14. 2. 2001, 42 R 335/00a, EFSlg 95.260. Der in dieser Entscheidung ausgesprochenen Wertung, dass grundsätzlich eine dreijährige Anlaufzeit angemessen sei, kann nicht gefolgt werden, da die Frist sowohl von den konkreten Erfolgsaussichten der selbstständigen Tätigkeit als auch von der Dringlichkeit des Unterhaltsbedarfs des anderen Ehegatten abhängt. Beide Gesichtspunkte können nur im konkreten Fall beurteilt werden. 460 OGH 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.191. 461 OGH 13. 10. 1994, 8 Ob 598/93, JBl 1995, 259; 26. 6. 1997, 8 Ob 2335/96g, EFSlg 83.037. 462 OGH 29. 5. 2001, 1 Ob 56/01v, EFSlg 95.294. 463 OGH 21. 5. 1997, 3 Ob 89/97b, JBl 1997, 647 (Kindesunterhalt); LG Salzburg 30. 1. 2003, 21 R 236/02f, EFSlg 103.210. 464 LGZ Wien 21. 11. 2001, 45 R 456/01v, EFSlg 95.272; LG Salzburg 30. 1. 2003, 21 R 236/02f, EFSlg 103.210. 465 OGH 1. 7. 2003, 1 Ob 98/03y, EvBl 2003, 893/183; LGZ Wien 22. 11. 1984, 44 R 1070/84, EFSlg 44.875 (keine Verpflichtung zur Erzielung jedes nur möglichen Einkommens). 466 LGZ Wien 23. 6. 1998, 45 R 404/98i, EFSlg 85.877: monatliche Steuergutschrift für krankheitsbedingten Mehraufwand. 467 LGZ Wien 25. 1. 1994, 44 R 2081/93, EFSlg 73.797.

173

§ 94

Hinteregger

eine Privatstiftung eingebracht, deren Erträgnisse ihm nicht zufließen, dann ist er auf die fiktiven Erträgnisse des gestifteten Vermögens468 oder auf jenes Einkommen, das er sonst erzielen könnte,469 anzuspannen. Entsprechendes gilt auch für den Übergabsvertrag. Hat der Übergeber zu Lasten der unterhaltsberechtigten Ehegattin auf eine Gegenleistung verzichtet, so sind ihm die bei der Übergabe eines solchen Betriebes üblichen Ausgedingsleistungen als Einkommen anzurechnen.470 Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen 62 zur Anspannung richten sich nach dem im Zivilprozess geltenden Günstigkeitsprinzip.471 Danach hat die durch den Anspannungsgrundsatz begünstigte Partei zu behaupten und zu beweisen, dass der andere Ehegatte zumutbarerweise ein höheres Einkommen erzielen kann.472 Die Beweislast dafür, dass die Beibehaltung des Arbeitsplatzes nicht möglich oder nicht zumutbar ist, trifft denjenigen, der sich darauf beruft.473 Bezieht der betreffende Unterhaltspflichtige oder Unterhaltsberechtigte eine Arbeitslosenunterstützung, so steht fest, dass er vom Arbeitsamt nicht vermittelt werden konnte. Es ist deshalb Aufgabe des anderen Ehegatten nachzuweisen, dass es ihm trotzdem möglich gewesen wäre, einen Arbeitsplatz zu erlangen.474

VI. Rechtsmissbrauch 1. Rechtsprechung a) Allgemeines 63

§ 94 Abs 2 S 2 bestimmt, dass der Unterhaltsanspruch des Haushaltsführers auch nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts weiterbesteht, „sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre.“ Da § 94 Abs 2 nur den Unterhaltsverlust des ehemaligen Haushaltsführers regelt, schließt die Rechtsprechung daraus, dass es sich bei § 94 Abs 2 um keine abschließende Regelung handle. Der Unterhaltsverlust wegen Rechtsmissbrauchs wird demzufolge auf alle Arten des ehelichen Unterhaltsanspruchs, also auch auf den in § 94 Abs 2 S 3 gereOGH 23. 11. 2000, 2 Ob 295/00x, EFSlg 91.862. Csoklich, RdW 2000, 402. 470 OGH 22. 10. 1997, 7 Ob 2420/96z, EFSlg 83.052. 471 Rechberger in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen III2 (2004) Vor § 266 ZPO Rz 32. 472 OGH 29. 5. 2001, 1 Ob 56/01v, EFSlg 95.308; 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.195; LGZ Wien 26. 6. 1985, 43 R 2045/85, EFSlg 47.468. 473 LGZ Wien 28. 1. 2002, 44 R 511/01z, EFSlg 99.196. Vgl auch LGZ Wien 20. 1. 1993, 43 R 2109/92, EFSlg 70.612: Es ist Sache des Unterhaltsverpflichteten, seine Unfähigkeit zur vollen Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht trotz Anspannung all seiner Kräfte zu behaupten und zu beweisen. 474 LGZ Wien 18. 4. 1985, 43 R 2013/85, EFSlg 47.469. 468 469

174

Rechtsmissbrauch

§ 94

gelten Unterhalt des schlechter verdienenden oder beitragsunfähigen Ehegatten, erstreckt.475 Er kommt auch für den einstweiligen Unterhalt zur Anwendung.476 Aus dem Umstand, dass es sich bei § 94 Abs 2 um keine abschließende Regelung handelt, leitet die Rechtsprechung überdies ab, dass „kein Anlass“ bestehe, von der zu § 91 aF entwickelten Rechtsprechung über die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs abzugehen.477 Diese wird mit dem in § 94 Abs 2 geregelten Rechtsmissbrauch argumentativ verschmolzen und weitergeführt.478 Die Rechtsprechung verwendet auch den Begriff der „Verwirkung“ des Unterhalts weiter, obwohl das Gesetz den Begriff der „Verwirkung“ nur für den nachehelichen Unterhaltsanspruch verwendet (§ 74 EheG). Nach ständiger Rechtsprechung verliert der unterhaltsberechtigte Ehegat- 64 te seinen Unterhalt nicht durch das Setzen einer schweren Eheverfehlung,479 sondern nur wenn er sich einer besonders schweren Eheverfehlung schuldig macht.480 Als besonders schwere Eheverfehlung werden Ehebruch, fortgesetzte empfindliche Verletzungen der ehelichen Treue, schwere körperliche Misshandlungen oder Drohungen, die sich unmittelbar gegen die körperliche oder seelische Integrität des Ehepartners richten, oder das Verlassen der häuslichen Gemeinschaft ohne zureichende Gründe481 genannt.482 Bei der Prüfung der 475 OGH 29. 7. 1981, 6 Ob 653/81, EFSlg 37.542. Zurückhaltend OGH 11. 12. 1979, 5 Ob 682/79, EFSlg 32.740: § 94 Abs 2 S 2 letzter HS normiert einen Verwirkungstatbestand nur bezüglich des Unterhaltsanspruches aus der früheren Haushaltsführung. 476 OGH 26. 2. 1997, 3 Ob 48/97y, EFSlg 83.045 = EvBl 1997, 789/161; 9. 10. 1997, 2 Ob 258/97y EFSlg 85.516 = 2 Ob 256/97y [sic], ÖA 1998, 165; 13. 2. 2001, 4 Ob 9/01d, JBl 2001, 582. 477 OGH 9. 3. 1976, 5 Ob 522/76, EFSlg 26.057; 22. 12. 1977, 2 Ob 575/77, EFSlg 28.579; 7. 11. 1978, 5 Ob 708/78, EvBl 1979, 267/83; 16. 1. 1979, 2 Ob 566/78, EvBl 1979, 435/156; 15. 9. 1982, 1 Ob 663/82, EFSlg 39.970; 9. 6. 1983, 8 Ob 503/83, EFSlg 42.549; 3. 11. 1983, 6 Ob 550/83, EFSlg 42.548; 27. 11. 1984, 5 Ob 600/84, EFSlg 44.847. 478 ZB OGH 7. 11. 1978, 5 Ob 708/78, EvBl 1979, 267/83 („Auch nach der Neuregelung des Unterhaltsrechtes der Ehegatten rechtfertigen daher – soweit nicht, …, die Verwirkung des Unterhaltsanspruches im Gesetz ausdrücklich geregelt wurde – nach wie vor nur besonders krasse Fälle (zB wenn die Ehefrau ihren Mann grundlos verlassen hat), in denen die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches wegen des Verhaltens des betreffenden Gatten grob unbillig, also iS des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB mißbräuchlich erschiene, die Annahme einer Unterhaltsverwirkung des betreffenden Gattenteiles.“); 14. 9. 1983, 3 Ob 571/83, EFSlg 42.556. 479 OGH 10. 9. 1980, 1 Ob 670/80, EFSlg 35.186; OLG Wien 2. 11. 1977, 9 R 165/77, EFSlg 28.580. 480 OGH 15. 2. 1978, 1 Ob 530/78, EFSlg 30.647; 7. 11. 1978, 5 Ob 708/78, EvBl 1979, 267/83; 24. 3. 1983, 7 Ob 546/83, EFSlg 42.555; 9. 6. 1983, 8 Ob 503/83, EFSlg 42.551; 3. 11. 1983, 6 Ob 550/83, EFSlg 42.550; 26. 11. 1984, 1 Ob 679/84, EFSlg 44.848, 44.853; 1. 9. 1987, 2 Ob 624/87, EFSlg 53.013; 27. 4. 1988, 3 Ob 5/88, EFSlg 55.914; OLG Linz 1. 2. 1979, 5 R 11/79, EFSlg 32.752; OLG Wien 2. 6. 1976, 4 R 100/76, EFSlg 26.055; 6. 8. 1976, 4 R 157/76, EFSlg 26.062; 21. 11. 1984, 17 R 267/84, EFSlg 44.854; 2. 8. 1985, 13 R 179/85, EFSlg 47.443; LGZ Wien 5. 2. 1976, 45 R 597/75, EFSlg 26.056; 18. 7. 1984, 43 R 2082/84, EFSlg 44.849 uva. 481 OGH 11. 2. 1976, 1 Ob 523/76, EFSlg 26.053; 10. 9. 1980, 1 Ob 670/80, EFSlg 35.188; 20. 1. 1982, 6 Ob 506/82, EFSlg 39.982; 12. 10. 1982, 5 Ob 738/82, EFSlg 39.983; 9. 6. 1983, 6 Ob 823/82, EFSlg 42.566; OLG Wien 25. 3. 1976, 10 R 56/76, EFSlg 26.058; 9. 7. 1976, 7 R 143/76, EFSlg 26.054; 23. 12. 1983, 11 R 275/83, EFSlg 42.567. 482 OGH 22. 12. 1977, 2 Ob 575/77, EFSlg 28.586; 23. 11. 1978, 2 Ob 558/78, EFSlg 30.648; 14. 7. 1982, 6 Ob 686/82, EFSlg 39.974; 8. 5. 1985, 1 Ob 522/85, EFSlg 47.438; OLG

175

§ 94

Hinteregger

Frage, ob ein Missbrauch des Rechts vorliegt, wird ein strenger Maßstab angelegt.438 Es ist dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen,484 und auch das Verhalten des anderen Ehegatten darf nicht vernachlässigt werden.485 Demzufolge führen selbst schwerwiegende Eheverfehlungen nicht zum Verlust des Unterhaltsanspruchs, wenn der andere Ehegatte die Ehe durch schwerwiegende Eheverfehlungen bereits weitgehend zerrüttet hat486 oder wenn die nachfolgende schwerwiegende Eheverfehlung des Unterhaltsberechtigten nur eine Reaktion auf das vorangegangene Fehlverhalten des anderen Ehegatten darstellt.487 Die Annahme einer „Unterhaltsverwirkung“ ist nur in besonders krassen Fällen gerechtfertigt, in denen die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten grob unbillig erscheint.488 Die Bedeutung des Fehlverhaltens muss so groß sein, dass dem anderen Teil dadurch die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft und die Leistung des Unterhalts unzumutbar wird.489 Es sind dabei einerseits das objekWien 2. 6. 1976, 4 R 100/76, EFSlg 26.055; LGZ Wien 5. 2. 1976, 45 R 597/75, EFSlg 26.056; 11. 2. 1980, 44 R 1006/80, EFSlg 35.187; 19. 1. 1982, 43 R 2149/81, EFSlg 39.973; KG Wels 4. 4. 1979, R 192/79, EFSlg 32.751. 483 OGH 19. 4. 1983, 5 Ob 573/83, EFSlg 42.553; 27. 11. 1984, 5 Ob 600/84, EFSlg 44.856; 1. 9. 1987, 2 Ob 624/87, EFSlg 53.012; 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.831; OLG Wien 25. 6. 1979, 17 R 98/79, EFSlg 32.749; LGZ Wien 15. 7. 1977, 45 R 334/77, EFSlg 28.583; 23. 3. 1978, 45 R 113/78, EFSlg 30.653; 21. 7. 1981, 43 R 2072/81, EFSlg 37.543; 19. 1. 1982, 43 R 2149/81, EFSlg 39.971; 18. 1. 1984, 43 R 2146/83, EFSlg 44.852 etc. 484 OGH 22. 12. 1977, 2 Ob 575/77, EFSlg 28.587; 16. 1. 1979, 2 Ob 566/78, EFSlg 32.747 = EvBl 1979, 435/156; 10. 9. 1980, 1 Ob 670/80, EFSlg 35.190; 9. 9. 1981, 3 Ob 582/81, EFSlg 37.544; 12. 10. 1982, 5 Ob 738/82, EFSlg 39.972; 9. 6. 1983, 8 Ob 503/83, EFSlg 42.551; 8. 5. 1985, 1 Ob 522/85, EFSlg 47.441; 29. 1. 1987, 7 Ob 505/87, EFSlg 53.015; 22. 3. 1988, 10 Ob 537, 538/87, EFSlg 55.915; 4. 10. 1995, 1 Ob 608/95, EFSlg 76.689; 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, JBl 2004, 45 (Kerschner) etc. 485 OGH 22. 12. 1977, 2 Ob 575/77, EFSlg 28.587; 10. 9. 1980, 1 Ob 670/80, EFSlg 35.190; 5. 3. 1981, 7 Ob 552/81, EFSlg 37.546; 24. 3. 1983, 7 Ob 546/83, EFSlg 42.558; 9. 6. 1983, 8 Ob 503/83, EFSlg 42.551; 26. 2. 1985, 2 Ob 530/85, EFSlg 47.439; 29. 1. 1987, 7 Ob 505/87, EFSlg 53.016; 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, JBl 2004, 45 (Kerschner); OLG Wien 21. 11. 1984, 17 R 267/84, EFSlg 44.855; LGZ Wien 25. 11. 1982, 43 R 2185/82, EFSlg 39.978; 14. 4. 2004, 42 R 835/03k, EFSlg 106.923; KG Wels 4. 4. 1979, R 192/79, EFSlg 32.748 etc. 486 OGH 10. 2. 2004, 1 Ob 306/03m, EFSlg 106.924; 21. 4. 2005, 6 Ob 2/05w; LGZ Wien 7. 6. 1994, 44 R 3012, 3013/94, EFSlg 73.808; 30. 4. 1997, 45 R 175/97m, EFSlg 83.046; 27. 8. 2002, 44 R 93/02f, EFSlg 99.138. Insbesondere für den Ehebruch: Berka-Böckle, JBl 2004, 232. 487 LGZ Wien 17. 7. 2001, 42 R 116/01x, EFSlg 95.226; 27. 8. 2002, 44 R 93/02f, EFSlg 99.138. Vgl auch unten bei der Wiedergabe der Einzelfälle. 488 OGH 23. 5. 1977, 6 Ob 615/77, EFSlg 28.581; 1. 9. 1977, 7 Ob 608/77, EFSlg 28.585; 7. 11. 1978, 5 Ob 708/78, EvBl 1979, 267/83; 16. 1. 1979, 2 Ob 566/78, EvBl 1979, 435/156; 19. 11. 1980, 3 Ob 624/80, EFSlg 35.197; 5. 3. 1981, 7 Ob 552/81, EFSlg 37.541; 9. 9. 1981, 3 Ob 582/81, EFSlg 37.544; 15. 9. 1982, 1 Ob 663/82, EFSlg 39.975; 9. 6. 1983, 8 Ob 503/83, EFSlg 42.549, 42.551; 26. 2. 1985, 2 Ob 530/85, EFSlg 47.440; 19. 3. 1986, 8 Ob 529/86, EFSlg 50.180; 4. 10. 1995, 1 Ob 608/95, EFSlg 76.686; 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, JBl 2004, 45 (Kerschner); LGZ Wien 19. 1. 1982, 43 R 2149/81, EFSlg 39.976. 489 OGH 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.835; LGZ Wien 11. 12. 1986, 44 R 1046/86, EFSlg 50.184; 29. 6. 2000, 43 R 357/00v, EFSlg 91.817.

176

Rechtsmissbrauch

§ 94

tive Gewicht der ehewidrigen Verhaltensweise und andererseits das Maß der subjektiven Verantwortlichkeit des Ehegatten, der auf Unterhalt Anspruch erhebt, in Betracht zu ziehen.490 Die Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, spielen dabei eine wichtige Rolle,491 doch können auch Umstände, die mit der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts nicht in Zusammenhang stehen, die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen.492 Grobe Unbilligkeit liegt vor allem dann vor, wenn sich aus dem Verhalten des Unterhalt begehrenden Ehegatten ergibt, dass er sich nicht nur über einzelne aus dem ehelichen Verhältnis entspringende Verpflichtungen hinwegsetzt, sondern selbst jeglichen Ehewillen verloren hat und nicht bereit ist, die ihn treffenden Pflichten aus dem ehelichen Verhältnis zu erfüllen.493 Es muss dann als ein Missbrauch des Rechtes gesehen werden, wenn dieser dessen ungeachtet vom anderen Ehegatten die Erfüllung der Unterhaltspflicht fordert.494 Für den Unterhaltsanspruch während des Bestandes der Ehe ist die Be- 65 stimmung des § 94 allein maßgeblich, ohne dass allenfalls vorausschauend der mögliche Ausgang des Scheidungsverfahrens zu beurteilen wäre.495 Die zu erwartende Verschuldensaufteilung im künftigen Ehescheidungsurteil ist deshalb nicht entscheidungswesentlich.496 Wurde über das Scheidungsverschulden bereits rechtskräftig abgesprochen, so entfaltet dies auch Rechtskraftwirkung für den Unterhaltsstreit.497 Ein allfälliger Verlust des Unterhaltsanspruchs wäre dann allerdings nach § 74 EheG zu beurteilen. Unterhaltsverlust tritt nur ein, wenn den Unterhaltsberechtigten ein Ver- 66 schulden an seinem Fehlverhalten trifft. Fehlt es dem unterhaltsberechtigten Ehegatten infolge einer geistigen Erkrankung oder sonstigen Störung an der 490 OGH 15. 12. 1977, 6 Ob 717/77, RZ 1978, 86/45; 19. 11. 1980, 3 Ob 624/80, EFSlg 35.191; 24. 3. 1983, 7 Ob 546/83, EFSlg 42.557; 29. 1. 1987, 7 Ob 505/87, EFSlg 53.018; LGZ Wien 23. 8. 1996, 43 R 589/96b, EFSlg 79.840. 491 OLG Wien 25. 3. 1976, 10 R 56/76, EFSlg 26.052. 492 OGH 8. 11. 2001, 6 Ob 228/01z, EvBl 2002, 265/62; LGZ Wien 21. 12. 1982, 43 R 2191/82, EFSlg 39.979; LG Salzburg 24. 7. 2002, 21 R 66/02f, EFSlg 99.135. 493 OGH 24. 3. 1983, 7 Ob 546/83, EFSlg 42.559; 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, JBl 2004, 45 (Kerschner); LGZ Wien 15. 7. 1981, 43 R 2079/81, EFSlg 37.547 („völlige Negation der Ehegemeinschaft“); 14. 2. 1985, 44 R 1005/85, EFSlg 47.446; 29. 8. 1985, 43 R 2071/85, EFSlg 47.442; 30. 9. 2003, 44 R 607/03w, EFSlg 103.162; 1. 10. 2004, 43 R 566/04k, EFSlg 106.920. 494 OGH 20. 1. 1982, 6 Ob 506/82, EFSlg 39.981; 30. 3. 1982, 5 Ob 558/82, EFSlg 39.985; 4. 3. 1987, 1 Ob 717/86, EFSlg 53.006; 30. 7. 1987, 6 Ob 630, 631/87, EFSlg 53.007; 1. 9. 1987, 2 Ob 624/87, EFSlg 53.008, 53.009; 20. 10. 1988, 7 Ob 660/88, EFSlg 55.911, 55.912; 21. 2. 1991, 8 Ob 563/90, EFSlg 64.901, EFSlg 64.902; 8. 4. 1997, 4 Ob 92/97a, EFSlg 83.042, 83.043; 11. 7. 2001, 9 Ob 158/01b, EFSlg 95.217; 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, JBl 2004, 45 (Kerschner); OLG Wien 21. 11. 1984, 17 R 267/84, EFSlg 44.850; LG Wels 7. 1. 2004, 21 R 381/03h, EFSlg 106.921; LGZ Wien 27. 5. 1986, 43 R 2141, 2142/85, EFSlg 50.181; 21. 11. 1990, 44 R 2070/90, EFSlg 61.743; 23. 2. 1993, 44 R 2002/93, EFSlg 70.584; 4. 5. 1994, 47 R 2065/94, EFSlg 73.803 uva. 495 OLG Linz 23. 11. 1983, 1 R 207/83, EFSlg 42.554. 496 LGZ Wien 1. 3. 1984, 44 R 1009/84, EFSlg 44.857. 497 OGH 30. 8. 1988, 2 Ob 554/88, EFSlg 55.917.

177

§ 94

Hinteregger

Fähigkeit, die Ehewidrigkeit seines Verhaltens zu erkennen und dieser Einsicht gemäß zu handeln, so kann die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches nicht als Rechtsmissbrauch gewertet werden.498 Rechtsmissbrauch führt zum völligen Verlust, nicht bloß zur Schmälerung 67 des Unterhaltsanspruchs.499 Der einmal eingetretene Verlust des Unterhaltsanspruchs ist endgültig. Er lebt auch bei nachträglicher Änderung der Umstände, etwa bei eintretender Bedürftigkeit,500 nicht wieder auf.501 Daran hat sich auch durch den durch das EheRÄG 1999 neu geschaffenen § 68a EheG nichts geändert.502 Ein allfälliger Rechtsmissbrauch ist nicht von Amts wegen, sondern nur 68 auf Einwendung des Unterhaltspflichtigen wahrzunehmen.503 Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen von Eheverfehlungen, die die Annahme eines Rechtsmissbrauchs rechtfertigen könnten, trifft den unterhaltspflichtigen Ehegatten.504 Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann nicht verfristen. Die für das 69 Recht auf Scheidung wegen Verschuldens geltenden Fristen des § 57 EheG können nicht auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs erstreckt werden.505 Auf den Einwand kann aber verzichtet werden. Gesteht der Unterhaltspflichtige trotz Kenntnis der Eheverfehlungen vertraglich Unterhalt zu oder leistet er dennoch den Unterhalt weiter, so kann dies, bei Vorliegen der von § 863 ge-

498 OGH 19. 10. 1976, 3 Ob 81/76, EFSlg 26.061; 15. 2. 1977, 6 Ob 717/77, EFSlg 28.589 = RZ 1978, 86/45; 27. 2. 1979, 5 Ob 762/78, EFSlg 32.746; 24. 3. 1983, 7 Ob 546/83, EFSlg 42.559; 30. 7. 1987, 6 Ob 630, 631/87, EFSlg 53.007; 20. 10. 1988, 7 Ob 660/88, EFSlg 55.911; 8. 4. 1997, 4 Ob 92/97a, EFSlg 83.044; 25. 2. 1999, 8 Ob 307/98z, EFSlg 88.832; OLG Wien 3. 8. 1976, 6 R 152/76, EFSlg 26.060; 30. 1. 1978, 7 R 8/78, EFSlg 30.654; 11. 6. 1979, 11 R 61/79, EFSlg 32.745; LG Salzburg 15. 12. 1999, 21 R 392/99i, EFSlg 88.830; LGZ Wien 26. 11. 1985, 47 R 2112/85, EFSlg 47.449, 47.452; 4. 5. 1994, 47 R 2065/94, EFSlg 73.807; 29. 9. 2000, 42 R 409/00h, EFSlg 91.813; 1. 10. 2004, 43 R 566/04k, EFSlg 106.922; LG Linz 26. 3. 2003, 15 R 253/02k, EFSlg 103.166; 1. 7. 2003, 15 R 235/03i, EFSlg 103.167. 499 OGH 30. 7. 1987, 6 Ob 630, 631/87, EFSlg 53.017; 4. 10. 1995, 1 Ob 608/95, EFSlg 76.684; LG Salzburg 6. 6. 2001, 21 R 323/00x, EFSlg 95.232; LGZ Wien 17. 3. 2004, 43 R 149/04m, EFSlg 106.927. 500 LGZ Wien 18. 3. 1980, 43 R 2036/80, EFSlg 35.192. 501 OGH 30. 1. 2001, 1 Ob 303/00s, EvBl 2001, 467/109. 502 OGH 30. 1. 2001, 1 Ob 303/00s, EvBl 2001, 467/109. 503 OGH 8. 11. 2001, 6 Ob 228/01z, EvBl 2002, 265/62; LG Salzburg 23. 1. 2003, 21 R 380/02g, EFSlg 103.170. 504 OGH 15. 9. 1982, 1 Ob 663/82, EFSlg 39.980; 3. 11. 1983, 6 Ob 550/83, EFSlg 42.560; 25. 9. 1984, 2 Ob 609/84, EFSlg 44.858; 26. 2. 1985, 2 Ob 530/85, EFSlg 47.448; 28. 11. 1989, 5 Ob 635/89, EFSlg 58.684; 13. 2. 2001, 4 Ob 9/01d, JBl 2001, 582; LG Salzburg 24. 7. 2002, 21 R 176/02g, EFSlg 99.140; LG Wels 7. 1. 2004, 21 R 381/03h, EFSlg 106.926; LGZ Wien 22. 9. 1987, 47 R 2083/87, EFSlg 53.020; 14. 10. 2003, 42 R 719/03a, EFSlg 103.165, 103.171. 505 LGZ Wien 9. 11. 1999, 44 R 841/99y, EFSlg 88.836. Anders OGH 19. 10. 1976, 3 Ob 81/76, EFSlg 26.067, in der der OGH die Unterhaltsverwirkung der Frau davon abhängig machte, ob der Mann die schwere Eheverfehlung der Frau (Eingehen einer Lebensgemeinschaft) noch gem § 57 EheG als Scheidungsgrund geltend machen konnte. Dies erscheint aber nicht angemessen. Ebenso Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 94 Anm 32.

178

Rechtsmissbrauch

§ 94

forderten Eindeutigkeit des Willens, einen konkludenten Verzicht auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs darstellen.506 b) Einzelfälle Als ausreichende Gründe für den Verlust des Unterhaltsanspruchs wur- 70 den bewertet: Ehebruch;507 fortgesetzter Ehebruch;508 Ehebruch und Sich Abwenden vom Ehemann;509 ehebrecherisches Verhältnis oder sonst krass ehewidriges Verhalten510 selbst nach gerechtfertigter gesonderter Wohnungsnahme511 oder Aufhebung der Hausgemeinschaft;512 fortgesetzte empfindliche Verletzung der ehelichen Treue;513 Ehebruch der Ehefrau und grundloses Aussperren des Ehemannes aus der Ehewohnung;514 Aussperren des anderen Ehegatten515 aus nichtigem Anlass;516 Aussperren aus einzelnen Wohnräumen verbunden mit einem insgesamt völlig unleidlichen Verhalten;517 fortgesetzter Ehebruch und Geheimprostitution;518 schwere körperliche Misshandlungen519 oder Drohungen,520 die sich unmittelbar gegen die körperliche und seelische Integrität des Ehepartners richten;521 das Eingehen einer Lebensgemeinschaft,522 auch wenn diese erst nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft 506 OGH 8. 11. 2001, 6 Ob 228/01z, EvBl 2002, 265/62; LGZ Wien 25. 1. 2000, 44 R 905/99k, EFSlg 91.818. 507 OGH 28. 2. 1984, 5 Ob 1507/84, EFSlg 44.860; 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, JBl 2004, 45 (krit Kerschner: nur bei kausalem Ehebruch); LGZ Wien 9. 11. 1999, 44 R 841/99y, EFSlg 88.839; 13. 6. 2001, 44 R 275/01v, EFSlg 95.234; 25. 9. 2002, 45 R 547/02b, EFSlg 99.142. Ehebruch führt aber nicht automatisch zum Unterhaltsverlust (s unten). Krit zur Bewertung des Ehebruchs auch Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 596/4; Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 712f; BerkaBöckle, JBl 2004, 232. 508 OGH 5. 5. 1981, 5 Ob 593/81, EFSlg 37.552; OLG Linz 5. 3. 1981, 1 R 42, 43/81, EFSlg 37.553; OLG Wien 27. 1. 1976; 4 R 10/76, EFSlg 26.063; LGZ Wien 5. 6. 1981, 43 R 2057/81, EFSlg 37.554. 509 LGZ Wien 11. 7. 1986, 47 R 2058/86, EFSlg 50.198. Auch für den Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG: OGH 30. 6. 2004, 7 Ob 158/04t, JBl 2005, 42. 510 OGH 21. 2. 1991, 8 Ob 563/90, EFSlg 64.903. 511 OGH 21. 2. 1991, 8 Ob 563/90, EFSlg 64.905. 512 OGH 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, JBl 2004, 45 (Kerschner). 513 LGZ Wien 14. 10. 2003, 42 R 719/03a, EFSlg 103.174; LG Linz 10. 10. 2002, 15 R 148/02v, EFSlg 99.144. 514 OLG Wien 14. 10. 1976, 5 R 252/76, EFSlg 26.064. 515 LGZ Wien 29. 9. 2000, 42 R 409/00h, EFSlg 91.823; 27. 8. 2002, 44 R 93/02f, EFSlg 99.148. 516 OGH 7. 11. 1978, 5 Ob 708/78, EvBl 1979, 267/83. 517 OGH 9. 6. 1983, 8 Ob 503/83, EFSlg 42.569. 518 LGZ Wien 29. 1. 1976, 45 R 19/76, EFSlg 26.065. 519 OLG Wien 6. 3. 1979, 12 R 11/79, EFSlg 32.767; LGZ Wien 14. 10. 2003, 42 R 719/03a, EFSlg 103.181; LG Linz 10. 10. 2002, 15 R 148/02v, EFSlg 99.149. 520 OLG Wien 6. 3. 1979, 12 R 11/79, EFSlg 32.767. 521 OGH 22. 12. 1977, 2 Ob 575/77, EFSlg 28.586; LGZ Wien 14. 10. 2003, 42 R 719/03a, EFSlg 103.182. 522 OGH 2. 9. 1981, 6 Ob 698/81, EFSlg 37.558; LGZ Wien 21. 12. 1978, 45 R 583/78, EFSlg 30.659; 24. 1. 2000, 43 R 1065/99g, EFSlg 91.821. In LG Salzburg 23. 1. 2003, 21 R

179

§ 94

Hinteregger

mit dem Ehegatten begründet wurde (allerdings nur, wenn der andere diesen Umstand noch als Scheidungsgrund geltend machen kann)523 oder nur kurz gedauert hat524 oder geschlechtliche Kontakte nicht erwiesen sind;525 Eingehen einer lesbischen Lebensgemeinschaft;526 nicht durch Eheverfehlungen des anderen oder sonst begründetes Verlassen der häuslichen Gemeinschaft;527 völlige Separierung innerhalb der gemeinsamen Wohnung;528 wenn eine bisher den Haushalt führende Ehefrau ihren Mann mit den Kindern grundlos allein lässt und zu einem anderen Mann zieht;529 Imstichlassen des Mannes und der Kinder;530 Einstellen der Beziehungen zum Mann;531 Abbrechen der Beziehung mit dem Ehemann verbunden mit dem vermehrten Umgang mit einem anderen Mann, ohne auf den durch ein MS-Leiden in seiner Lebensführung eingeschränkten Ehemann besser einzugehen;532 der Versuch, eine „Dame“ zu organisieren, welche gegen den Unterhaltspflichtigen wahrheitswidrig ein ehewidriges Verhältnis bezeugen sollte;533 grundlose Verweigerung der Begründung eines gemeinsamen Haushalts;534 grundlose Weigerung, den gemeinsamen Haushalt wieder aufzunehmen;535 wiederholte Misshandlung und böswilliges Verlassen des anderen;536 Verwehrung der Fortsetzung der Ehe oder auch nur des Zutritts zur Ehewohnung, obgleich der Beklagte seine Beziehun-

380/02g, EFSlg 103.176, LGZ Wien 21. 11. 1990, 44 R 2070/90, EFSlg 61.747 und 20. 1. 2004, 44 R 880/03t, EFSlg 106.930 wurde an die Lebensgemeinschaft nur das Ruhen des Unterhaltsanspruchs geknüpft. 523 OGH 19. 10. 1976, 3 Ob 81/76, EFSlg 26.067. 524 OGH 3. 11. 1983, 6 Ob 550/83, EFSlg 42.563. 525 OGH 3. 11. 1983, 6 Ob 550/83, EFSlg 42.564. 526 OGH 4. 3. 1987, 1 Ob 717/86, EFSlg 53.026. 527 OGH 16. 1. 1979, 2 Ob 566/78, EvBl 1979, 435/156; 19. 11. 1980, 3 Ob 624/80, EFSlg 35.198; 5. 5. 1981, 5 Ob 593/81, EFSlg 37.552; 2. 6. 1982, 1 Ob 568/82, EFSlg 39.986; 7. 3. 1989, 5 Ob 534/89, EFSlg 58.685; 7. 12. 1993, 5 Ob 569, 570/93, JUS-Extra 1994, 17; 8. 4. 1997, 4 Ob 92/97a, EFSlg 83.047; 2. 2. 1999, 8 Ob 307/98z, EFSlg 88.837; 13. 2. 2001, 4 Ob 9/01d, JBl 2001, 582; 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, JBl 2004, 45 (Kerschner); OLG Wien 1. 6. 1976, 5 R 141/76, EFSlg 26.070; 29. 3. 1977, 5 R 65/77, EFSlg 28.596; 15. 6. 1978, 6 R 131/78, EFSlg 30.656; 24. 8. 1979, 18 R 138/79, EFSlg 32.772; 31. 1. 1984, 13 R 256/83, EFSlg 44.863; 21. 11. 1984, 17 R 267/84, EFSlg 44.862; 11. 9. 1985, 11 R 210/85, EFSlg 47.451; LGZ Wien 18. 3. 1980, 43 R 2036/80, EFSlg 35.199; 15. 3. 2000, 43 R 123/00g, EFSlg 91.819; 29. 10. 2002, 44 R 490/02p, EFSlg 99.146; 10. 2. 2004, 44 R 525/03m, EFSlg 106.929. 528 OLG Wien 16. 1. 1987, 14 R 307, 308/86, EFSlg 53.024. 529 OLG Wien 6. 3. 1979, 12 R 11/79, EFSlg 32.770. 530 OGH 25. 11. 1980, 4 Ob 566/80, EFSlg 35.195. 531 OGH 1. 9. 1987, 2 Ob 624/87, EFSlg 53.027. 532 LGZ Wien 3. 12. 2003, 42 R 642/03b, EFSlg 103.177. 533 LGZ Wien 9. 11. 1999, 44 R 841/99y, EFSlg 88.843. 534 OGH 20. 9. 1977, 3 Ob 604/77, EFSlg 28.590; LGZ Wien 27. 5. 1986, 43 R 2141, 2142/85, EFSlg 50.190; 21. 10. 2003, 44 R 653/03k, EFSlg 103.180. 535 OGH 2. 6. 1982, 1 Ob 568/82, EFSlg 39.987; 12. 10. 1982, 5 Ob 738/82, EFSlg 39.988; 13. 2. 2001, 4 Ob 9/01d, EFSlg 95.235 = JBl 2001, 582; nicht aber wenn die Aufforderung durch den anderen Ehegatten nicht ernst gemeint war: LGZ Wien 27. 3. 1996, 45 R 190/96s, EFSlg 79.843. 536 OLG Wien 30. 1. 1978, 7 R 8/78, EFSlg 30.657.

180

Rechtsmissbrauch

§ 94

gen zu anderen Frauen beendet hat;537 wenn eine Frau mehr ihrem Vergnügen als ihren Pflichten als Frau und Mutter nachgegangen ist und während der beruflichen Abwesenheit ihres Gatten ehebrecherische Beziehungen zu anderen Männern unterhalten hat;538 wiederholte gröbliche Beschimpfungen, Misshandlungen und Aufrechterhalten von Kontakten mit einem anderen Mann, die über das übliche gesellschaftliche Ausmaß hinausgehen;539 wenn eine Frau dem Mann den Aufenthalt in der Ehewohnung unerträglich macht und ihn öffentlich herabsetzt, um ihm die berufliche Existenzgrundlage zu entziehen;540 wenn eine Frau den Mann durch fortgesetzte Eheverfehlungen geradezu absichtlich zur Aufhebung der Ehegemeinschaft gedrängt hat;541 wenn eine Frau den Mann ohne Grund aus der Ehewohnung verweist;542 wenn eine Landwirtin aufgrund dauernder Streitigkeiten und einer einmaligen Tätlichkeit, bei der sie keine Verletzung erlitt, den gemeinsamen Haushalt aufhebt und damit bewirkt, dass ein wesentlicher Teil des Familieneinkommens wegfällt;543 bei jahrelangen wiederholten schweren Drohungen und Misshandlungen durch den Mann und dem Fehlen seiner Bereitschaft, zum ehelichen Unterhalt auch nur geringfügig beizutragen;544 schwere Verfehlungen gegen die wirtschaftliche Sphäre des Verpflichteten,545 auch wenn sie nicht erfolgreich waren;546 schwere Beeinträchtigung der Berufsausübung und damit der wirtschaftli-chen Existenz des Unterhaltspflichtigen (hier: schikanehaftes Verhalten gegenüber den Angestellten im Friseursalon des Mannes; äußerst unfreundliches Verhalten gegenüber den Kunden);547 jahrelange buchhalterische Manipulationen zu Lasten des Mannes;548 das Unterschieben eines Kindes549 sowie die grundlose, böswillige Verhinderung des elterlichen Besuchsrechts.550 Angriffe, die nicht gegen den anderen Ehegatten, sondern gegen dessen Angehörige gerichtet waren, können im Allgemeinen nur dann einen geeigneten Verwirkungsgrund darstellen, wenn ihnen nach den Umständen des Ein-

OGH 15. 2. 1978, 1 Ob 530/78, EFSlg 30.658. OGH 11. 12. 1979, 5 Ob 682/79, EFSlg 32.771. 539 OGH 1. 6. 1982, 5 Ob 619/82, EFSlg 39.995. 540 LGZ Wien 19. 10. 1982, 43 R 2109/82, EFSlg 39.996. 541 LGZ Wien 19. 1. 1982, 43 R 2149/81, EFSlg 39.997. 542 LGZ Wien 25. 8. 1998, 45 R 484/98d, EFSlg 85.863. 543 OGH 9. 6. 1983, 6 Ob 823/82, EFSlg 42.568. 544 OGH 22. 3. 1988, 10 Ob 537, 538/87, EFSlg 55.920. 545 OGH 29. 6. 2004, 3 Ob 147/04w, EFSlg 106.932; OLG Wien 29. 8. 1986, 13 R 207/86, EFSlg 50.199 (schwere Verleumdung gegenüber dem Arbeitgeber des Mannes); LGZ Wien 23. 2. 1993, 44 R 2002/93, EFSlg 70.586; 7. 2. 2001, 45 R 14/01v, EFSlg 95.238; 29. 10. 2002, 44 R 490/02p, EFSlg 99.151. 546 LGZ Wien 24. 5. 2000, 45 R 119/00h, EFSlg 91.824. 547 LGZ Wien 31. 1. 1991, 47 R 2101/90, EFSlg 64.908. 548 LGZ Wien 23. 2. 1993, 44 R 2002/93, EFSlg 70.595. 549 LGZ Wien 7. 2. 2001, 45 R 14/01v, EFSlg 95.237. 550 LG Salzburg 24. 7. 2002, 21 R 66/02f, EFSlg 99.150. 537 538

181

§ 94

Hinteregger

zelfalles ein besonderes Gewicht zukommt;551 wie etwa die Misshandlung der minderjährigen Tochter der Frau durch den Mann.552 Nicht ausreichend waren die Aufnahme einer kurzfristigen Lebensge71 meinschaft553 oder eines sexuellen Verhältnisses554 durch die vom Mann verlassene Frau; das Eingehen einer Liebesbeziehung, nachdem der Mann die Frau durch sein liebloses Verhalten zur Aufhebung der Ehegemeinschaft veranlasst und ihre Rückkehr verhindert hat;555 das Erwecken eines Anscheins ehewidriger Beziehungen;556 der Ehe widerstreitende sexuelle Verhaltensweisen;557 ein einmalig gebliebener Ehebruch im Zuge eines feucht-fröhlichen Abends;558 die Aufnahme von freundschaftlichen Kontakten zu einem anderen Mann nach der gerechtfertigten gesonderten Wohnungsnahme durch die Frau;559 unerwünschter Kontakt der Frau zu einem anderen Mann;560 ein nach der durch den Mann verursachten Zerrüttung der Ehe begangener Ehebruch der Frau;561 die Aufnahme einer ehebrecherischen Beziehung nach Aufhebung der Ehegemeinschaft;562 Ehebruch im Glauben, die Ehe wäre im Ausland rechtskräftig aufgelöst worden;563 ein verziehener564 oder zumindest vom anderen akzeptierter565 Ehebruch; wenn der andere Ehegatte ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig zu erkennen gegeben hat, dass er seinen ernstlichen Willen, die Ehe fortzusetzen, aufgegeben und dadurch die andernfalls zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führende schwere Pflichtverletzung seines Ehepartners gebilligt, veranlasst oder gefördert hat;566 ein Ehebruch der Frau, wenn der Mann die häusliche Gemeinschaft trotzdem fortsetzt;567 die Verweigerung der Nachkommenschaft und des ehelichen Verkehrs

551 552 553 554

LGZ Wien 1. 10. 1979, 43 R 2028/79, EFSlg 32.768. LGZ Wien 24. 8. 2004, 44 R 289/04g, EFSlg 106.931. OLG Wien 21. 5. 1976, 7 R 108/76, EFSlg 26.068. LGZ Wien 29. 8. 1985, 43 R 2071/85, EFSlg 47.454; 24. 2. 1993, 43 R 2010/93, EFSlg

70.594. OGH 31. 3. 2004, 9 Ob 32/04b, EFSlg 106.925. LGZ Wien 21. 8. 1984, 43 R 2129/84, EFSlg 44.861. 557 LGZ Wien 29. 8. 1985, 43 R 2071/85, EFSlg 47.453. 558 LGZ Wien 25. 7. 1990, 43 R 2047/90, EFSlg 61.748. 559 OGH 15. 6. 1980, 6 Ob 724/80, EFSlg 35.193. 560 LGZ Wien 12. 11. 2003, 45 R 592/03x, EFSlg 103.175: Dass die Ehefrau mit einem anderen Mann in der gemeinsamen Wohnung gesessen ist, kann in dieser Allgemeinheit auch bei serbischen Staatsangehörigen nicht als Unterhaltsverwirkungstatbestand angesehen werden. 561 OGH 26. 11. 1984, 1 Ob 679/84, EFSlg 44.866; 26. 2. 1997, 3 Ob 48/97y, EFSlg 83.048 = EvBl 1997, 789/161; OLG Wien 8. 4. 1986, 12 R 77/86, EFSlg 50.194; LGZ Wien 13. 5. 1981, 44 R 1010/81, EFSlg 37.555; 21. 12. 1982, 43 R 2191/82, EFSlg 39.989; 21. 3. 1991, 47 R 2011/91, EFSlg 64.906 (viele Jahre nach Verlassen durch den anderen Ehegatten); 21. 11. 1995, 43 R 2152/95, EFSlg 76.696; 25. 9. 2002, 45 R 547/02b, EFSlg 99.143. 562 LGZ Wien 15. 2. 2000, 44 R 67/00d, EFSlg 91.820. 563 OGH 29. 1. 1987, 7 Ob 505/87, EFSlg 53.022. 564 OLG Wien 24. 9. 1976, 6 R 176/76, EFSlg 26.066. 565 LGZ Wien 22. 9. 1983, 44 R 1062/83, EFSlg 42.565. 566 OGH 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, JBl 2004, 45 (Kerschner). 567 OGH 18. 11. 1981, 3 Ob 575/81, EFSlg 37.556. 555 556

182

Rechtsmissbrauch

§ 94

durch die Frau bei ehewidrigen Beziehungen des Mannes;568 liebloses Verhalten;569 wegen schon länger zurückliegender schwerer Eheverfehlungen;570 das Verlassen der Ehewohnung nach einem Streit für mehrere Tage;571 die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft aus einem nachvollziehbaren Grund, etwa im Rahmen einer gerechtfertigten gesonderten Wohnungsnahme572 aus persönlichen Gründen;573 wegen des Bestehens von Spannungen zwischen den Ehegatten;574 wegen Unzumutbarkeit aufgrund von Verfehlungen des anderen;575 wegen Misshandlungen;576 Tätlichkeiten577 oder einer Drohung des Ehemanns;578 wegen Problemen mit den im gleichen Haushalt lebenden Schwiegereltern;579 aber auch ohne Bezug auf eine konkrete Rechtfertigung580 und jedenfalls dann, wenn die Frau nicht das alleinige Verschulden trifft;581 Verlassen der Ehewohnung unter Weiterführung des Haushalts;582 Verlassen der Ehewohnung nach Hinauswurf durch den Mann nach einem Streit;583 dass die Frau nach Eheverfehlungen des Mannes an einer Fortführung der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr interessiert ist;584 bei schlüssigem Einverständnis zur Trennung;585 dass sich die Frau der Aufhebung der Hausgemein568 569

LGZ Wien 31. 1. 1991, 47 R 2101/90, EFSlg 64.907. LGZ Wien 17. 2. 1976, 45 R 28/76, EFSlg 26.069; 19. 7. 2001, 42 R 4/01a, EFSlg

95.223. 570 OGH 4. 10. 1995, 1 Ob 608/95, EFSlg 76.688 (Ehebruch); LGZ Wien 20. 6. 1995, 43 R 2060, 2069/95, EFSlg 76.695 (Hineinschütten von Urin in den Kaffee, um dem Mann gesundheitlich zu schaden). 571 LGZ Wien 27. 2. 1986, 47 R 2130/85, EFSlg 50.197. 572 LGZ Wien 17. 2. 1976, 45 R 28/76, EFSlg 26.059; 13. 6. 1986, 47 R 2048/86, EFSlg 50.196. 573 OGH 29. 9. 1981, 5 Ob 698/81, EFSlg 37.564. 574 LGZ Wien 19. 10. 1984, 43 R 2112/84, EFSlg 44.864; 25. 4. 1995, 44 R 2037, 2038/95, EFSlg 76.694; 19. 2. 1998, 43 R 54/98d, EFSlg 85.860; 9. 11. 1999, 43 R 822/99x, EFSlg 88.838; 29. 10. 2002, 44 R 490/02p, EFSlg 99.139. 575 OGH 29. 5. 1996, 4 Ob 2019/96g, SZ 69/129; OLG Linz 26. 11. 1979, 2 R 167/79, EFSlg 32.763. 576 OGH 3. 7. 1979, 2 Ob 548/79, EFSlg 32.762; 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.147; LGZ Wien 8. 11. 1979, 43 R 2048/79, EFSlg 32.765. 577 OGH 7. 5. 2002, 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.147; OLG Wien 30. 6. 1977, 5 R 158/77, EFSlg 28.591; 28. 4. 1978, 7 R 94/78, EFSlg 30.665; OLG Linz 5. 2. 1979, 4 R 13/79, EFSlg 32.764 (auch einmalige Tätlichkeit, bei der eine besondere Agressivität sichtbar wurde). 578 OGH 12. 5. 1976, 1 Ob 596, 597/76, JBl 1976, 481. 579 LGZ Wien 14. 3. 1979, 45 R 78/79, EFSlg 32.766 (Zieheltern). 580 OLG Wien 9. 7. 1976, 7 R 143/76, EFSlg 26.073; 30. 1. 1978, 7 R 8/78, EFSlg 30.655; 11. 6. 1979, 11 R 61/79, EFSlg 32.755; LGZ Wien 3. 4. 1981, 43 R 2029/81, EFSlg 37.549. 581 OGH 9. 9. 1981, 3 Ob 582/81, EFSlg 37.551; OLG Linz 5. 2. 1979, 4 R 13/79, EFSlg 32.756; OLG Wien 13. 2. 1987, 11 R 22/87, EFSlg 53.023; LGZ Wien 24. 2. 1993, 43 R 2010/93, EFSlg 70.593; 25. 4. 1995, 44 R 2037, 2038/95, EFSlg 76.692: ohne Grund und subjektiv vorwerfbar. 582 LGZ Wien 22. 1. 1996, 44 R 2145/95, EFSlg 79.844. 583 LGZ Wien 16. 1. 1995, 44 R 2070/94, EFSlg 76.693. 584 OGH 25. 11. 1981, 3 Ob 634/81, EFSlg 37.562. 585 LGZ Wien 4. 5. 1994, 47 R 2065/94, EFSlg 73.809; LG Wels 7. 1. 2004, 21 R 381/03h, EFSlg 106.928.

183

§ 94

Hinteregger

schaft durch den Mann nicht widersetzt;586 auch dann, wenn der verbliebene Ehegatte dem anderen lediglich eine Überlegungsfrist von 24 Stunden einräumte, sich zu entscheiden, ob er den gemeinsamen Haushalt wieder aufnehmen will;587 eine vorübergehende einverständliche Aufhebung der Hausgemeinschaft588 und Verzicht des Mannes auf die Haushaltsführung durch die Frau;589 die Weigerung der Frau, aus Angst vor Tätlichkeiten, den Mann wieder in die Wohnung aufzunehmen;590 der Hinauswurf des Mannes durch die Frau;591 der Ausspruch der Frau, dass es Zeit sei, dass er sich „schleicht“, nachdem der Mann erklärte, dass er die häusliche Gemeinschaft auflöst;592 die Weigerung der Frau, für den Mann zu kochen;593 das Aussperren des Mannes aus dem ehelichen Schlafzimmer;594 das Beziehen einer anderen Wohnung mit Zustimmung des Mannes nach dessen Auszug aus der Ehewohnung;595 das Nichtmitziehen mit dem Mann, wenn dieser selbst die Gemeinschaft nicht mehr sucht;596 das Aussperren des Mannes als Reaktion auf sein gröbliches Fehlverhalten;597 das Aussperren des bereits ausgezogenen Mannes aus der Wohnung, um die Wegschaffung von Hausrat zu verhindern;598 das Auswechseln des Türschlosses nach dem Auszug des anderen Ehegatten;599 ein nicht gravierender Familiendiebstahl;600 die Vernachlässigung von Familienpflichten durch die Frau als Reaktion auf die Gewalttätigkeit des Mannes;601 ein für die vom Mann vorgenommene Auflösung der Hausgemeinschaft nicht kausaler Ehebruch der Frau;602 eher als geringfügig zu beurteilende Eheverfehlungen,603 wie Vernachlässigung des Haushaltes,604 soweit es sich dabei nicht um eine beharrliche Verweigerung der Beitragsleistung nach § 94 Abs 1 handelt;605 Provokationen, Beschimpfungen und geringfügige Tätlich-

OGH 23. 6. 1982, 3 Ob 575/82, EFSlg 39.984. LGZ Wien 29. 10. 2002, 44 R 490/02p, EFSlg 99.146. 588 OLG Wien 6. 3. 1979, 12 R 11/79, EFSlg 32.754. 589 OGH 2. 10. 1979, 2 Ob 566/79, EFSlg 32.761. 590 OLG Linz 4. 10. 1977, 4 R 123/77, EFSlg 28.593. 591 LGZ Wien 21. 5. 1976, 45 R 174/76, EFSlg 26.072: Einpacken seiner Wäsche und Hinausweisen aus der Wohnung. 592 OGH 24. 6. 1981, 3 Ob 537/81, EFSlg 37.561. 593 OGH 16. 9. 1977, 5 Ob 635/77, EFSlg 28.594. 594 OGH 1. 9. 1977, 7 Ob 608/77, EFSlg 28.597. 595 OGH 6. 9. 1977, 5 Ob 642/77, EFSlg 28.598 = EvBl 1978, 182/64. 596 OGH 14. 9. 1983, 3 Ob 571/83, EFSlg 42.570. 597 LGZ Wien 8. 7. 1999, 44 R 984/98a, EFSlg 88.840. 598 OLG Wien 28. 3. 1978, 10 R 43/78, EFSlg 30.661. 599 OGH 27. 4. 1988, 3 Ob 5/88, EFSlg 55.919; LGZ Wien 30. 9. 2003, 44 R 607/03w, EFSlg 103.179. 600 LGZ Wien 24. 3. 1978, 45 R 29/78, EFSlg 30.662. 601 OLG Linz 16. 10. 1978, 1 R 177/78, EFSlg 30.663. 602 OLG Wien 7. 6. 1978, 10 R 90/78, EFSlg 30.664. 603 LGZ Wien 3. 4. 1981, 43 R 2029/81, EFSlg 37.548. 604 LGZ Wien 22. 9. 1987, 47 R 2083/87, EFSlg 53.025; 18. 9. 2001, 42 R 364/01t, EFSlg 95.239. 605 LGZ Wien 11. 4. 2000, 43 R 132/00f, EFSlg 91.825. 586 587

184

Rechtsmissbrauch

§ 94

keiten,606 insbesondere wenn diese als Reaktionshandlungen anzusehen sind;607 Beschimpfungen,608 wenn die Situation bereits angespannt ist;609 das Zufügen einer kleineren Verletzung im Rahmen einer Rangelei;610 eine einmalige leichte Körperverletzung;611 die Erklärung eines Ehegatten, den anderen nicht mehr sehen zu wollen;612 die Unterlassung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit613 oder die Aufgabe einer eigenen, nur kurz ausgeübten Erwerbstätigkeit;614 die Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs trotz erheblichen eigenen Liegenschaftsvermögens;615 der Abschluss eines Übergabsvertrages hinsichtlich jenes Hauses, in dem sich die Ehewohnung befindet, wenn sich an der Gebrauchsordnung hinsichtlich der Ehewohnung selbst nichts ändert;616 vorübergehender übermäßiger Genuss von Alkohol und Nikotin, Selbstmorddrohungen und Streitigkeiten;617 dass die Frau gegen Zahlung eines Geldbetrags bereit wäre, in die Scheidung einzuwilligen;618 die Vernachlässigung des Mannes nach seiner Inhaftierung619 oder wegen seines Alkoholmissbrauchs;620 die Unterlassung eines Krankenbesuchs auf Anraten des Arztes;621 Alkoholmissbrauch,622 insbesondere, wenn er durch Eheprobleme begünstigt wurde623 oder die Folge einer krankhaften Störung ist;624 die Weigerung der Frau, mit dem Mann eine von der Haushaltsversicherung geleistete Entschädigungssumme zu teilen;625 die Mitnahme eines, wenn auch wertvollen Gegenstandes der ehelichen Ersparnisse;626 eigenmächtiges Ansichbringen von Sparbüchern zur Sicherung eines Aufteilungsanspruchs und Einbringung einer Besitzstörungsklage nach Änderung des Losungswortes durch den ande606

LGZ Wien 26. 4. 1979, 45 R 10/79, EFSlg 32.757; 11. 2. 1980, 44 R 1006/80, EFSlg

35.194. OGH 29. 7. 1981, 6 Ob 653/81, EFSlg 37.565. OLG Wien 13. 2. 1987, 11 R 22/87, EFSlg 53.021; LGZ Wien 30. 5. 1986, 47 R 2023/86, EFSlg 50.191; 19. 7. 2001, 42 R 4/01a, EFSlg 95.223. 609 OGH 14. 9. 1983, 3 Ob 571/83, EFSlg 42.570. 610 LGZ Wien 27. 2. 1986, 47 R 2130/85, EFSlg 50.192. 611 LGZ Wien 14. 7. 1998, 43 R 462/98d, EFSlg 85.861. 612 LGZ Wien 14. 7. 1998, 43 R 462/98d, EFSlg 85.862. 613 OGH 14. 11. 1979, 3 Ob 605/79, EFSlg 32.760; 14. 7. 1982, 6 Ob 686/82, EFSlg 39.990; 15. 9. 1982, 1 Ob 663/82, EFSlg 39.991; LGZ Wien 5. 3. 1982, 43 R 2016/82, EFSlg 39.992; 19. 10. 1993, 44 R 3037/93, EFSlg 70.592. 614 OLG Wien 11. 6. 1979, 11 R 44/79, EFSlg 32.759. 615 OGH 26. 6. 1985, 1 Ob 601/85, EFSlg 47.455. 616 LG Salzburg 15. 12. 1999, 21 R 392/99i, EFSlg 88.841. 617 LGZ Wien 14. 1. 1981, 44 R 1041/81, EFSlg 37.557. 618 OGH 25. 11. 1981, 3 Ob 634/81, EFSlg 37.563. 619 OGH 14. 7. 1982, 6 Ob 626/82, EFSlg 39.994. 620 LGZ Wien 11. 8. 1992, 43 R 2030/92, EFSlg 67.663. 621 LGZ Wien 30. 10. 2000, 44 R 454/00s, EFSlg 91.822. 622 OLG Wien 20. 12. 1985, 12 R 326/85, EFSlg 47.450. 623 OGH 19. 4. 1983, 5 Ob 573/83, EFSlg 42.562; 7. 7. 1983, 7 Ob 658/83, EFSlg 42.561. 624 OGH 27. 4. 1988, 3 Ob 5/88, EFSlg 55.918; LGZ Wien 20. 10. 1994, 43 R 2084/94, EFSlg 73.810; 23. 8. 1996, 43 R 589/96b, EFSlg 79.845. 625 LGZ Wien 31. 1. 1984, 43 R 2133/83, EFSlg 44.865. 626 LGZ Wien 27. 2. 1986, 47 R 2130/85, EFSlg 50.193. 607 608

185

§ 94

Hinteregger

ren Ehegatten;627 die dem Arbeitsverhältnis zuzuordnende eigenmächtige Überweisung von 280.000 ATS vom Firmenkonto auf das Privatkonto;628 die Abfrage von Verbindungsdaten beim Handynetzbetreiber sowie die Einsicht in den e-mail-Verkehr des Ehemanns bei Verdacht auf dessen Untreue.629 2. Kritik und eigene Lösung 72

Der Wortlaut des § 94 Abs 2 Satz 2 geht auf den JA630 zurück. In der RV631 war noch eine umfassende Regelung über den Verlust des Unterhaltsanspruchs vorgesehen, mit der die RV die zum § 91 aF entwickelte Rechtsprechung zur Unterhaltsverwirkung aufgreifen und in das Gesetz aufnehmen wollte.632 Danach sollte der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch verlieren, wenn er sich in schwerster Weise gegen den Unterhaltsverpflichteten verging.633 Das Setzen von schweren Eheverfehlungen iSd § 49 EheG sollte nicht ausreichen. Der Verlust des Unterhaltsanspruchs sollte nicht unbedingt endgültig sein. Er sollte wieder aufleben, wenn der andere Ehegatte das Fehlverhalten verzieh. Die Verzeihung sollte auch konkludent erfolgen können, was insbesondere dann angenommen werden könnte, wenn der durch die Verfehlung verletzte Ehegatte bereit wäre, die Ehe fortzusetzen. Der JA ist von diesem Vorschlag der RV bewusst abgewichen. Er wollte ausdrücklich keine allgemeine Unterhaltsverwirkungsklausel in den § 94 aufnehmen, sondern nur den Fall der Unbilligkeit des Weiterbestehens des Unterhaltsanspruchs des Haushaltsführers nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft regeln. Wie sich aus dem JAB ergibt, war eine solche Regelung für den Gesetzgeber deshalb vordringlich, weil der ehemalige Haushaltsführer auch nach Beendigung des gemeinsamen Haushalts nicht auf eigene Erwerbstätigkeit verwiesen werden sollte, selbst wenn ihm diese zumutbar wäre (s Rz 15). Nach dem Willen des JA soll der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, bei aufrechter häuslicher Gemeinschaft den Unterhaltsanspruch auch durch eine Eheverfehlung nicht verlieren. Der andere Ehegatte könne aufgrund dieses Fehlverhaltens vielleicht die Scheidungsklage erheben, dürfe aber nicht dem anderen durch Verweigerung des Unterhalts die Lebensgrundlage entziehen.634 Nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts könne, so der JA, das uneingeschränkte Weiterbestehen des Unterhaltsanspruchs des ehe-

LGZ Wien 17. 6. 1992, 43 R 2058/92, EFSlg 67.666. OGH 13. 4. 1999, 5 Ob 38/99w, EFSlg 88.842. 629 LGZ Wien 29. 10. 2002, 44 R 490/02p, EFSlg 99.152. 630 JAB 1662 BlgNR XIII. GP. 631 851 BlgNR XIII. GP. 632 RV 851 BlgNR XIII. GP 18. 633 RV 851 BlgNR XIII. GP: § 92 Abs 2: „Wer sich gegen den anderen Ehegatten in schwerster Weise verfehlt, verliert den Unterhaltsanspruch, solange der andere Ehegatte dieses Verhalten nicht verziehen hat“. 634 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 6. 627 628

186

Rechtsmissbrauch

§ 94

mals Haushaltsführenden allerdings zu unbilligen Ergebnissen führen. Lässt beispielsweise eine Ehefrau ihren Mann, dem sie bisher den Haushalt geführt hat, mit den Kindern grundlos allein, und zieht sie zu einem anderen Mann, so müsse die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs durch die Frau als Rechtsmissbrauch betrachtet werden. In diesen und ähnlichen Fällen solle der Unterhaltsanspruch nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft nicht fortbestehen. Die Rechtsprechung zieht aus dem Umstand, dass § 94 Abs 2 nur den Unterhaltsanspruch des ehemaligen Haushaltsführers regelt, den Schluss, dass die alte Rechtsprechung zur Unterhaltsverwirkung fortgeschrieben werden könne. Diese hatte sich auf der Grundlage des § 74 EheG, der allerdings den Verlust des nachehelichen Unterhaltsanspruchs regelt, zu § 91 aF entwickelt. Dieser Meinung der Rechtsprechung ist nicht zuzustimmen, da sie weder im Gesetzeswortlaut Deckung findet noch dem Willen des Gesetzgebers entspricht. § 94 Abs 2 S 2 spricht nicht von „Verwirkung“, sondern von Rechtsmissbrauch. Sie widerspricht außerdem dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der, entgegen den Ausführungen in der RV, für den Unterhaltsanspruch bei aufrechter Ehe eben gerade keine allgemeine Unterhaltsverwirkungsklausel vorsehen wollte. Der JAB verweist für die Auslegung des § 94 Abs 2 S 2 nicht auf § 74 EheG, sondern auf verschiedene Bestimmungen des ABGB zum Rechtsmissbrauch,635 insbesondere auf § 1295 Abs 2. Daraus muss wohl geschlossen werden, dass ein Fortschreiben der alten Verwirkungsjudikatur nicht im Sinne des Gesetzgebers war. Dieser hat mit dem EheRwG 1975 die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe insgesamt völlig neu gestaltet und auch den Unterhaltsverlust bei aufrechter Ehe neu geregelt. Die Frage des Unterhaltsverlusts bei aufrechter Ehe kann deshalb nicht unter Rückgriff auf die alte Verwirkungsjudikatur, sondern nur durch Auslegung des § 94 Abs 2 S 2 ermittelt werden. Der Wortlaut des § 94 Abs 2 S 2 regelt nur den Unterhaltsverlust des ehe- 73 maligen Haushaltsführers. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Bestimmung auch auf die beiden anderen Fälle des ehelichen Unterhaltsanspruchs, den Unterhaltsanspruch des Haushaltsführers und den Unterhaltsanspruch des schlechter verdienenden oder beitragsunfähigen Ehegatten, erstreckt werden kann. Dies ist zu bejahen. Wie sich aus dem JAB ergibt, hatte der JA vor allem die Möglichkeit der Unbilligkeit der Unterhaltsforderung des ehemaligen Haushaltsführers im Auge, weil dessen Unterhaltsanspruch auch nach Auflösung des gemeinsamen Haushalts auch dann weiterbestehen soll, wenn diesem eine eigene Erwerbstätigkeit zumutbar war. Wie die Rechtsprechung in weiterer Folge herausgearbeitet hat, liegt dem § 94 Abs 2 S 2 vor allem die Überlegung zugrunde, dass ein Ehegatte nicht Unterhalt fordern darf, wenn er 635 § 178 Abs 3 betrifft die rechtsmissbräuchliche Ausübung der Informations- und Äußerungsrechte durch den nicht mit der Obsorge betrauten Elternteil und § 217 betraf das Beschwerderecht des Mündels bei Machtmissbrauch des Vormunds. § 217 wurde durch BGBl I 135/2000 aufgehoben.

187

§ 94

Hinteregger

sich selbst von allen ehelichen Verpflichtungen losgesagt hat. In diesem Fall hat er kein Recht mehr, vom anderen Ehegatten zu verlangen, dass dieser weiterhin seinen Beitrag nach § 94 Abs 1 leistet. Dieser Gedanke ist analogiefähig und auch auf den Unterhaltsanspruch des schlechter verdienenden oder beitragsunfähigen Ehegatten anwendbar.636 Für den Unterhaltsanspruch des Haushaltsführers bei aufrechter Hausgemeinschaft gilt dies nicht, weil dieser Ehegatte ja mit der Haushaltsführung seinen Beitrag nach § 94 Abs 1 leistet. Außerdem hat der JA ausdrücklich erklärt, dass ein Unterhaltsbegehren des Haushaltsführers bei aufrechter Hausgemeinschaft grundsätzlich nicht als rechtsmissbräuchlich bewertet werden darf. Der Unterhaltspflichtige ist bei Eheverfehlungen des Haushaltsführers auf die Geltendmachung seines Scheidungsanspruchs verwiesen. Angesichts dieser klaren Aussage des historischen Gesetzgebers kann ein Unterhaltsverlangen eines Haushaltsführers nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen als rechtsmissbräuchlich bewertet werden. Für die Auslegung der Wortfolge „Mißbrauch des Rechtes“ verweist der JA auf § 1295 Abs 2. Zu dieser Bestimmung hat sich inzwischen die Meinung herausgebildet, dass eine missbräuchliche Rechtsausübung nicht nur dann vorliegt, wenn der einzige Grund der Rechtsausübung darin liegt, den anderen zu schädigen. Rechtsmissbrauch ist auch dann gegeben, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig überwiegt,637 oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht.638

636 In diesem Sinne auch Mader, Rechtsmissbrauch 282f. Mader sieht § 94 Abs 2 S 2 als spezifische Form des Rechtsmissbrauchs, der zum Rechtsverlust aufgrund missbilligtem Verhalten führt. Dies mag für § 74 EheG stimmen, für § 94 Abs 2 S 2 ist dies aus dem Gesetz nicht ableitbar, sondern nur aus der dazu ergangenen, an § 74 EheG orientierten Rechtsprechung. 637 Reischauer in Rummel, ABGB II2 § 1295 Rz 58f; OGH 7. 3. 1995, 4 Ob 519/95, EvBl 1995, 783/155; 18. 12. 1996, 7 Ob 2314/96m, JBl 1997, 452; 17. 12. 2003, 7 Ob 271/02g; 14. 7. 2005, 6 Ob 72/05i. 638 In OGH 12. 1. 1993, 4 Ob 501/93, EvBl 1993, 425/101; 20. 4. 1993, 1 Ob 11/93, JBl 1994, 471; 13. 7. 1993, 4 Ob 58/93, RdW 1994, 102; 23. 11. 1995, 2 Ob 1587/95; 5. 12. 1995, 1 Ob 1649/95, wobl 1996, 257/91; 18. 12. 1996, 6 Ob 2330/96g; 10. 7. 1997, 2 Ob 569/95, JBl 1998, 123; 7. 6. 1999, 8 Ob 291/98x, JBl 2000, 456; 13. 8. 2002, 1 Ob 91/02t; 18. 9. 2002, 9 Ob 32/02z, immolex 2003, 307/173; 26. 6. 2002, 6 Ob 102/03y; 17. 12. 2002, 5 Ob 200/02a; 14. 7. 2005, 6 Ob 80/05s, ecolex 2005, 908/429 wurde nur auf den zweiten Satzteil abgestellt. In vielen anderen Entscheidungen wird auf beide Begründungsformeln verwiesen: OGH 15. 7. 1997, 1 Ob 215/97t, RZ 1998, 18/3; 22. 10. 1997, 9 Ob 334/97a; 27. 1. 1998, 1 Ob 371/97h, EFSlg 87.209; 28. 4. 1998, 10 Ob 77/98s, ecolex 1998, 838; 11. 11. 1998, 9 Ob 272/98k; 24. 11. 1998, 10 Ob 384/98p; 14. 7. 1999, 3 Ob 291/97h ; 15. 7. 1999, 6 Ob51/99i, RdW 1999, 713; 9. 3. 2000, 6 Ob 150/99y; 28. 3. 2001, 9 Ob 35/01i, MietSlg LIII/11; 23. 1. 2002, 9 Ob 274/01m; 26. 2. 2002, 5 Ob 28/02g, MietSlg 54.457; 26. 8. 2003, 5 Ob 82/93z, wobl 2005, 247/87; 26. 5. 2004, 7 Ob 21/04w, immolex 2005, 28/12; 25. 5. 2005, 7 Ob 103/05f, bbl 2005/154. Vgl auch Karner in KBB, § 1295 Rz 22. Dass Rechtsmissbrauch nur bei Schädigungsabsicht vorliegt, wurde in einzelnen älteren Entscheidungen auch zu § 94 Abs 2 S 2 vertreten: OLG Wien 20. 1. 1977, 7 R 10/77, EFSlg 28.582; LGZ Wien 26. 4. 1979, 45 R 10/79, EFSlg 32.744; 27. 3. 1980, 43 R 2040/80, EFSlg 35.196; 21. 7. 1981, 43 R 2072/81, EFSlg 37.545. Diese Ansicht hat sich aber nicht durchgesetzt.

188

Rechtsmissbrauch

§ 94

Auch für den Unterhaltsanspruch ist es am Zielführendsten, den Rechts- 74 missbrauch im Wege einer Interessenabwägung zu bestimmen. Dies ergibt sich aus dem Wesen der Ehe als einem umfassenden Beziehungsgeflecht, deren maßgebende Grundpfeiler die Verpflichtung zur wechselseitigen Beistandsleistung, die Gleichbehandlung der Ehegatten und ihre Verpflichtung darstellt, ihre eheliche Lebensgemeinschaft nach dem Grundsatz der Gleichbeteiligung zu gestalten (§§ 89ff). Ein Unterhaltsbegehren ist demzufolge rechtsmissbräuchlich, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte seine Verpflichtungen aus dem Ehevertrag so krass verletzt hat, dass dem anderen die Leistung des Unterhalts nicht mehr zumutbar ist. Unterhalt steht dann nicht mehr zu, wenn das Interesse des Unterhaltspflichtigen, keinen Unterhalt zu leisten, das Interesse des Unterhaltsberechtigten, Unterhalt zu bekommen, ganz wesentlich überwiegt. Der Verlust des Unterhaltsanspruchs sollte somit nicht einfach an das Vorliegen einer besonders schweren Eheverfehlung durch den Unterhaltsberechtigten geknüpft werden, sondern es ist eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Maßgebende Kriterien für diese Interessenabwägung sind die ganz allgemein für die Bewertung von Unterhaltsansprüchen maßgeblichen Umstände, nämlich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und das Ausmaß der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten. Nach dem Vorbild des § 68a EheG sollte dabei vor allem berücksichtigt werden, inwiefern der Unterhalt begehrende Ehegatte seine Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit oder aus dem Stamm seines Vermögens befriedigen kann. Weitere Kriterien sind die Schwere des Verstoßes gegen die aus dem Ehevertrag resultierenden Verpflichtungen durch den Berechtigten, das Verhalten des Unterhaltspflichtigen, besonders inwieweit dieser die Eheverfehlung des anderen veranlasst und inwieweit dieser selbst seine Verpflichtungen aus dem Ehevertrag erfüllt hat. Zu berücksichtigen sind auch die Dauer der Ehe und das Wohl der Kinder. Wie § 68a EheG zeigt, misst der Gesetzgeber diesen Umständen eine sehr hohe Bedeutung für den nachehelichen Unterhaltsanspruch zu. Umso mehr müssen sie auch beim ehelichen Unterhalt Beachtung finden.639 Wie die oben dargestellte Rechtsprechung zeigt, legt die Rechtsprechung bereits jetzt der Auslegung des § 94 Abs 2 S 2 eine Interessenabwägung zu Grunde. Dies zeigt der Verweis auf die „Umstände des Einzelfalls“, auf „Unbilligkeit“ oder „Unzumutbarkeit“ der Unterhaltsleistung. Auch bei vielen Einzelfallentscheidungen ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen erkennbar. Es wäre aber dogmatisch wünschenswert, dies offenzulegen und in die Abwägung alle wesentlichen Wertungen einzubeziehen. Die Beurteilung des Rechtsmissbrauchs im Wege einer Interessenabwä- 75 gung ermöglicht auch eine höhere Flexibilität in Bezug auf die daran geknüpfte Rechtsfolge. Die bisherige Rechtsprechung geht davon aus, dass der Rechtsmissbrauch den Unterhaltsanspruch endgültig zum Erlöschen bringt.

639

In diesem Sinne auch Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 94 Rz 36.

189

§ 94

Hinteregger

Diese Auslegung fußt auf dem auf § 74 EheG beruhenden Verständnis einer „Verwirkung“ des Unterhalts, sie wird allerdings auch vom Wortlaut des § 94 Abs 2 S 2 gestützt, der mit dem „sofern“ eher einen Entfall als eine Verminderung des Unterhaltsanspruchs anzeigt. Dagegen wird in der Literatur640 jedoch zu Recht eingewendet, dass sich dadurch Wertungswidersprüche zu dem durch das EheRÄG 1999 neu geschaffenen § 68a Abs 3 EheG ergeben, der trotz schwerstem Fehlverhalten des Unterhalt fordernden Ehegatten auch die Verminderung der Unterhaltshöhe ermöglicht. Angesichts dieser Rechtsentwicklung sollte dies auch beim rechtsmissbräuchlichen Unterhaltsverlangen bei aufrechter Ehe anerkannt werden.

VII. Unterhaltsvereinbarung 1. Vertrag Im ehelichen Unterhaltsrecht besteht weitreichende Privatautonomie. Die Ehegatten können den Unterhaltsanspruch vertraglich gestalten. Soweit dies erfolgt, gehen die vertraglichen Regelungen dem § 94 vor.641 Den Parteien steht es somit frei, einen rein vertraglichen Unterhaltsanspruch zu begründen642 oder den gesetzlichen Unterhalt näher auszugestalten. Sie sind dabei nicht an den § 94 und an seine Auslegung durch die Rechtsprechung gebunden.643 Soweit eine Vereinbarung den gesetzlichen Unterhaltsanspruch bloß konkretisiert, behält er allerdings seine Rechtsnatur als gesetzlicher Unterhaltsanspruch.644 Unterhaltsvereinbarungen zwischen Ehegatten sind nicht formpflichtig.645 77 Die vertragliche Regelung kann ausdrücklich, aber auch schlüssig erfolgen. Eine schlüssige Unterhaltsvereinbarung liegt nur vor, wenn das Verhalten der Parteien und die sonstigen Umstände so eindeutig sind, dass gem § 863 kein vernünftiger Grund besteht, daran zu zweifeln, dass eine Unterhaltsvereinbarung besteht.646 Das Bestehen einer lang andauernden unbeanstandeten Un76

Ferrari in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform 62f; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 137. OGH 29. 7. 1981, 6 Ob 675/81, EFSlg 37.566; 26. 8. 1999, 2 Ob 190/99a, EFSlg 88.892; 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.885; LG Salzburg 4. 7. 2001, 55 R 196/00w, EFSlg 95.295; LGZ Wien 15. 1. 1980, 43 R 2083/79, EFSlg 35.167; 11. 6. 2002, 44 R 287/02k, EFSlg 99.192; 21. 10. 2003, 44 R 653/03k, EFSlg 103.227. 642 ZB LGZ Wien 21. 10. 2003, 44 R 653/03k, EFSlg 103.228: Zugeständnis von Unterhalt trotz Kenntnis des Vorliegens von Unterhaltsverwirkungstatbeständen. 643 LGZ Wien 25. 7. 1985, 43 R 2081/85, EFSlg 47.456. 644 LGZ Wien 18. 11. 1998, 43 R 582/98a, EFSlg 85.864; 21. 10. 2003, 44 R 653/03k, EFSlg 103.228. 645 OGH 9. 9. 1953, 3 Ob 468/53, SZ 26/222; 13. 11. 1968, 7 Ob 205/68, SZ 41/149; 13. 12. 1988, 5 Ob 526/88, EFSlg 57.607, 57.608; LGZ Wien 21. 11. 1994, 44 R 2059/94, EFSlg 75.815. 646 OGH 1. 9. 1977, 7 Ob 619/77, EFSlg 28.603 (solches Maß an Eindeutigkeit, dass eine andere Auslegung vernünftigerweise nicht in Frage kommt); 26. 8. 1999, 2 Ob 190/99a, EFSlg 640 641

190

Unterhaltsvereinbarung

§ 94

terhaltsübung genügt somit für sich allein noch nicht für die Annahme einer Unterhaltsvereinbarung. Hat der Berechtigte beispielsweise über einen längeren Zeitraum keinen höheren Unterhalt eingefordert, so kann nur dann das Bestehen einer Unterhaltsvereinbarung angenommen werden, wenn sich aus den Umständen zweifelsfrei ergibt, dass sich der Unterhaltsempfänger als voll befriedigt erachtet.647 Auch die bloße Leistung von Unterhalt spricht noch nicht für ein Anerkenntnis der Unterhaltsverpflichtung.648 Bleiben Zweifel, so ist auf den gesetzlichen Unterhalt nach § 94 zurückzugreifen.649 Für Unterhaltsvereinbarungen gelten die in den §§ 914f festgelegten Re- 78 geln der Vertragsauslegung.650 Dies gilt auch für gerichtliche Unterhaltsvergleiche.651 Unterhaltsvereinbarungen unterliegen den allgemeinen Regeln des Schuldrechts. Sie können demzufolge wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit eines Ehegatten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (§ 865),652 wegen ihres Charakters als Scheingeschäft,653 Dissens (§ 869) oder Sittenwidrigkeit (§ 879 Abs 1) nichtig sein. Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn dem Unterhaltspflichtigen die Unterhaltsleistung nicht zumutbar ist, weil ein krasses Missverhältnis zwischen den Gesamteinnahmen des Unterhaltsberechtigten und dem verbleibenden Einkommensrest des Unterhaltspflichtigen besteht, oder wenn durch die vereinbarte Unterhaltspflicht dem unterhaltspflichtigen Ehegatten die Existenzgrundlage entzogen wird.654 Auch eine Anfechtung wegen 88.893; 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.888; LGZ Wien 18. 9. 2001, 42 R 364/01t, EFSlg 95.298. 647 OGH 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.889. Zurückhaltung ist deshalb bei der Verallgemeinerung der Rechtsprechung des LGZ Wien angebracht, wonach es schon ausreicht, dass die Unterhaltsberechtigte trotz Kenntnis des Einkommens des Verpflichteten nie mehr Unterhalt verlangte (14. 2. 1995, 44 R 2071/94, EFSlg 76.698). Dies gilt auch für die Annahme, dass sowohl die Art der Unterhaltsgewährung als auch die Höhe des Unterhalts konkludent vereinbart sind, wenn der eine Ehegatte in jahrelanger Übung das Wirtschaftsgeld teils in natura, teils in Geld bezahlt und der unterhaltsberechtigte Ehegatte nie eine andere Art der Zahlung verlangt (LGZ Wien 19. 9. 1985, 43 R 2094/85, EFSlg 47.457; 10. 7. 1997, 43 R 483/97s, EFSlg 83.050; 8. 5. 2002, 43 R 182/02m, EFSlg 99.193). 648 ZB Weiterleistung durch den Verpflichteten, obwohl er Kenntnis davon hat, dass der andere Ehegatte einen Unterhaltsverwirkungsgrund gesetzt hat: OGH 30. 7. 1987, 6 Ob 630, 631/87, EFSlg 53.028; LGZ Wien 17. 2. 1999, 43 R 908/98t, EFSlg 88.894. Eine vorbehaltlose Weiterleistung über einen längeren Zeitraum kann aber als Anerkenntnis gewertet werden: LGZ Wien 21. 10. 2003, 44 R 653/03k, EFSlg 103.229. 649 OGH 26. 8. 1999, 2 Ob 190/99a, EFSlg 88.893; 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.888. 650 ZB LGZ Wien 26. 3. 1991, 43 R 2003/91, EFSlg 64.919: Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe „Arbeitseinkommen“ und „Pensionseinkommen“ gleichgesetzt. Vgl zu einem konkludenten Widerruf einer einvernehmlichen Unterhaltsvereinbarung: OGH 15. 9. 2000, 7 Ob 171/99v, EFSlg 91.806. 651 LGZ Wien 12. 11. 1996, 45 R 948/96m, EFSlg 79.846. 652 OGH 26. 11. 1985, 5 Ob 604/84, JBl 1986, 778; 25. 6. 1996, 1 Ob 2131/96f, NZ 1997, 181; LGZ Wien 11. 6. 1984, 44 R 1049/84, EFSlg XXI/14 (jeweils zum nachehelichen Unterhaltsanspruch). 653 OGH 8. 11. 1995, 3 Ob 7/95, JBl 1996, 578; 16. 9. 2003, 10 Ob S 207/03v, ZAS 2004, 235/40 (jeweils zum nachehelichen Unterhaltsanspruch). 654 LG Salzburg 16. 3. 2001, 21 R 315/00w, EFSlg 95.296, 95.307.

191

§ 94

Hinteregger

Irrtums,655 List oder Drohung ist möglich. Diese Rechtsinstrumente kommen in der Praxis aber kaum zur Anwendung, weil die Rechtsprechung die Möglichkeit einer Neubemessung wegen Umstandsänderung gewährt, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die der Vereinbarung zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage nicht richtig ist (s Rz 86). 2. Verzicht Gem § 94 Abs 3 letzter Satz kann auf den Unterhaltsanspruch an sich im Vorhinein nicht verzichtet werden. Die RV656 hielt diese Regelung für notwendig, weil die bisherige Rechtsprechung die Zulässigkeit des Unterhaltsverzichts bei aufrechter Ehe unterschiedlich bewertet habe. Die Rechtsprechung leitet daraus ab, dass für die Vergangenheit unbeschränkt auf Unterhalt verzichtet werden kann. Für die Zukunft kann nur auf einzelne Unterhaltsbeiträge, nicht aber auf den Unterhaltsanspruch dem Grunde nach verzichtet werden.657 Der Verzicht muss sich hier auf konkrete oder zumindest konkretisierbare Teilleistungen beziehen. Enthält er keinen Endtermin, so ist Widerruflichkeit des Verzichts anzunehmen.658 Zulässig ist demzufolge die Vereinbarung eines Unterhaltsverzichts bis zur Auflösung der Ehe659 (was wohl nur dann mit den obigen Grundsätzen vereinbar ist, wenn diese absehbar ist), oder die Vereinbarung, dass die unterhaltsberechtigte Frau eine Starthilfe für die ersten sechs Monate des Alleinwohnens erhalten, für das restliche Jahr aber finanziell auf sich allein gestellt sein soll.660 Überhaupt gilt der Verzicht auf den ehelichen Unterhaltsanspruch nur bis zur Ehescheidung, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird.661 Im Übrigen prüft die Rechtsprechung die Zulässigkeit des Verzichts nach 80 inhaltlichen Kriterien. Anerkannt wird ein Unterhaltsverzicht, wenn der verzichtende Ehegatte in der Lage ist, seinen Unterhalt aus seinem eigenen Einkommen zu bestreiten.662 Selbst die Vereinbarung, dass jeder Ehegatte für sich selbst sorgen müsse, wurde als zulässig bewertet.663 Dies gilt insbesondere für den Fall der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft.664 Für den Unterhalt 79

OGH 8. 11. 1995, 3 Ob 7/95 (nachehelicher Unterhaltsanspruch). RV 851 BlgNR XIII. GP 17f. 657 OGH 6. 10. 1977, 6 Ob 722/77, SZ 50/128; 24. 2. 1982, 6 Ob 684/81, EvBl 1982, 435/127; 26. 6. 1985, 1 Ob 601/85, EFSlg 47.459; 30. 3. 1989, 8 Ob 516/89, EFSlg 58.686; 20. 10. 1998, 7 Ob 214/98s, EFSlg 85.865; OLG Wien 23. 12. 1986, 12 R 262/86, EFSlg 50.200. Vgl Ent in Ent/Hopf, Neuordnung § 94 Anm 16. Krit zur Betonung der zeitlichen Komponente Rabl, ÖJZ 2000, 591. Einschränkend Schwind, Eherecht2 § 94 Anm 7, nach dem nur auf bereits fällige Ansprüche verzichtet werden kann. 658 OGH 20. 10. 1998, 7 Ob 214/98s, EFSlg 85.865. 659 OLG Wien 8. 7. 1983, 11 R 132/83, EFSlg 42.571. 660 OGH 30. 3. 1989, 8 Ob 516/89, EFSlg 58.686. 661 OGH 31. 8. 1977, 1 Ob 645/77, EFSlg 28.601. 662 OGH 31. 8. 1977, 1 Ob 645/77, EFSlg 28.601; LGZ Wien 9. 1. 1985, 43 R 2213/84, EFSlg 47.458; 18. 3. 1999, 45 R 641/98t, EFSlg 88.895. 663 LG Salzburg 25. 10. 2000, 21 R 191/00k, EFSlg 91.887. 664 OLG Wien 23. 12. 1986, 12 R 262/86, EFSlg 50.200. 655 656

192

Unterhaltsvereinbarung

§ 94

nach § 69 Abs 2 EheG wird die Auffassung vertreten, dass ein Verzicht nur insoweit unwirksam ist, als ein Ehegatte für die Zukunft auch den notwendigen Unterhalt aufgibt.665 Diese inhaltliche Schranke muss auch für den Verzicht auf den ehelichen Unterhalt gelten.666 Rechtsdogmatisch handelt es sich bei diesen Überlegungen um die Über- 81 prüfung der Wirksamkeit des Verzichts unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 1.667 Schwimann/Ferrari668 plädieren für die Beurteilung der möglichen Reichweite eines Verzichts für eine flexible Abwägung verschiedener Gesichtspunkte, wie Länge des Verzichtszeitraums, Höhe des Betrags, auf den verzichtet wird, Sicherung der Existenz des Verzichtenden während der Dauer des Verzichts und die Lebensumstände der Ehegatten, insbesondere die Tatsache, ob die Ehegatten bereits dauernd getrennt leben oder nicht. Dem ist zuzustimmen. Der Verzicht kann auch konkludent erklärt werden. Ob ein stillschwei- 82 gender Verzicht vorliegt, ist aber mit besonderer Vorsicht zu beurteilen.669 Er kann nur angenommen werden, wenn er sich aus den abgegebenen Erklärungen und den ganzen Umständen eindeutig und zweifelsfrei ergibt.670 Demnach liegt kein Verzicht vor, wenn die Frau die Annahme des Wirtschaftgeldes mit der Bemerkung verweigert, sie brauche vom Mann keine Almosen671 oder wenn die Klägerin dem Beklagten oft vorgehalten hat, dass sie mit den von ihm zur Verfügung gestellten Mitteln nicht das Auslangen findet.672 Nicht als Verzicht wird außerdem bewertet, wenn die Unterhaltsberechtigte über Jahre hindurch nicht von der vereinbarten Wertsicherung Gebrauch macht673 oder den Unterhalt teilweise674 oder zur Gänze675 nicht einfordert oder eine Unterhaltserhöhung jahrelang nicht geltend macht676. Ein derartiges Untätigbleiben lässt nach Ansicht des OGH nur auf einen Verzicht während dieser Zeit 665 OGH 23. 10. 2002, 3 Ob 74/02g, EvBl 2003, 188/37; 18. 12. 2003, 8 Ob 119/03p, EFSlg 103.230. 666 Ent in Ent/Hopf, Neuordnung § 94 Anm 16; Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 31 („notwendige und angemessene Unterhalt“ „allenfalls unter Ausschluss von gehobenen und Luxusbedürfnissen“); Steininger in Ruppe, Handbuch2, 9. 667 In diese Richtung auch Rabl, ÖJZ 2000, 596 und diesem folgend Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 471f. 668 In Schwimann, ABGB I3 § 94 Rz 9. 669 OGH 20. 5. 1981, 3 Ob 35/81, SZ 54/83. 670 OGH 17. 3. 1977, 7 Ob 544/77, EFSlg 28.602; 18. 11. 1981, 3 Ob 575/81, EFSlg 37.569; 13. 1. 1983, 7 Ob 813/82, EFSlg 42.574; 26. 6. 1985, 1 Ob 601/85, EFSlg 47.459; LGZ Wien 29. 1. 1988, 44 R 5009/87, EFSlg 55.921; 28. 3. 1995, 43 R 2023/95, EFSlg 76.697; KG Krems an der Donau 4. 4. 1990, 1 R 31/90, EFSlg 61.750. 671 OGH 26. 6. 1985, 1 Ob 601/85, EFSlg 47.459. 672 LGZ Wien 8. 9. 1999, 45 R 472/98i, EFSlg 88.896. 673 LGZ Wien 27. 2. 1985, 43 R 2196/84, EFSlg 47.460. 674 LGZ Wien 28. 1. 2003, 42 R 400/02p, EFSlg 103.231. 675 OGH 13. 1. 1983, 7 Ob 813/82, EFSlg 42.572; OLG Wien 25. 2. 1977, 7 R 37/77, EFSlg 28.604; LGZ Wien 28. 3. 1995, 43 R 2023/95, EFSlg 76.697. 676 OLG Linz 18. 9. 1978, 1 R 153/78, EFSlg 30.666; LGZ Wien 18. 9. 2001, 42 R 364/01t, EFSlg 95.299; KG Krems an der Donau 4. 4. 1990, 1 R 31/90, EFSlg 61.751.

193

§ 94

Hinteregger

schließen.677 Legt der Unterhaltsberechtigte dem Unterhaltsvergleich irrtümlich ein zu geringes Einkommen des Unterhaltsverpflichteten zu Grunde678 oder lehnt er ein Unterhaltsangebot ab679, so kann daraus ebenfalls kein Unterhaltsverzicht abgeleitet werden. Findet sich ein Ehepartner dagegen mit dem zur Verfügung gestellten Wirtschaftsgeld ab und verlangt er nie ausdrücklich mehr, ist dies als Verzicht auf einen zustehenden höheren Unterhalt zu verstehen.680 Dasselbe gilt, wenn ein Unterhaltsberechtigter erklärt, mit einem bestimmten monatlichen Betrag einverstanden zu sein.681 3. Umstandsklausel Nach allgemeiner Ansicht unterliegt jede Unterhaltsfestsetzung der Umstandsklausel (clausula rebus sic stantibus). Dies gilt sowohl für die Unterhaltsfestsetzung durch Gerichtsentscheidung682 als auch durch vertragliche Vereinbarung.683 Dies bedeutet, dass jeder Ehegatte bei einer wesentlichen Änderung der für die Unterhaltsbemessung relevanten Umstände eine Neubemessung des Unterhalts begehren kann.684 Dies betrifft alle Umstände, die für die Unterhaltsbemessung ganz allgemein Bedeutung (Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, Bedarf des Berechtigten) haben oder denen von den Parteien beim Abschluss der Vereinbarung Bedeutung zugemessen wurde.685 Die Änderung muss erheblich sein.686 Eine wesentliche Änderung auf der Seite des Verpflichteten liegt demzu84 folge vor, wenn sich sein Einkommen, etwa durch Pensionierung, Arbeitslosigkeit oder Krankheit, wesentlich vermindert oder wesentlich erhöht oder wenn er durch neue gesetzliche Unterhaltspflichten belastet bzw von einer bestehenden Unterhaltspflicht entlastet wird. Relevante Umstände auf der Seite 83

OGH 13. 1. 1983, 7 Ob 813/82, EFSlg 42.573. OGH 26. 8. 1981, 1 Ob 636/81, EFSlg 37.568. 679 OGH 17. 3. 1977, 7 Ob 544/77, EFSlg 28.605. 680 OGH 25. 3. 2003, 1 Ob 171/02g, ecolex 2003, 592/245. 681 OGH 20. 10. 1998, 7 Ob 214/98s, EFSlg 85.865. 682 OGH 16. 3. 1977, 1 Ob 548/77, JBl 1978, 539; 2. 5. 1979, 3 Ob 181/78, EFSlg 32.854; LGZ Wien 9. 1. 1976, 45 R 583/75, EFSlg 26.092; 29. 12. 1978, 45 R 411/78, EFSlg 30.705. 683 OGH 16. 1. 1979, 2 Ob 566/78, EvBl 1979, 435/156; 22. 2. 1994, 6 Ob 653/93, EFSlg 73.832; OLG Linz 22. 10. 1981, 5 R 176/81, EFSlg 37.608; LGZ Wien 24. 4. 1979, 45 R 177/79, EFSlg 32.842; 18. 7. 1985, 43 R 2057/85, EFSlg 47.506; 22. 5. 1987, 43 R 1015/87, EFSlg 53.078; 26. 3. 1991, 43 R 2003/91, EFSlg 64.931; 11. 8. 1993, 43 R 2064/93, EFSlg 70.623; 12. 11. 1996, 45 R 948/96m, EFSlg 79.855 uva. 684 OGH 26. 4. 1989, 3 Ob 540/89, JBl 1989, 724; 22. 2. 1994, 6 Ob 653/93, EFSlg 73.833; LGZ Wien 4. 7. 1985, 47 R 2026/85, EFSlg 47.507; 26. 3. 1991, 43 R 2003/91, EFSlg 64.932; 21. 10. 2003, 44 R 653/03k, EFSlg 103.228. Solange sich die Umstände nicht geändert haben, steht ein Unterhaltsvergleich oder ein rechtskräftiges Unterhaltsurteil einer Neubemessung entgegen: OGH 6. 11. 1980, 8 Ob 525/80, EFSlg 35.237; LGZ Wien 18. 5. 1982, 43 R 2064/82, EFSlg 40.040. 685 OGH 29. 7. 1981, 6 Ob 675/81, EFSlg 37.610; LGZ Wien 24. 9. 1979, 44 R 1003/79, EFSlg 32.845 (nicht nur vermögensrechtliche Verhältnisse und Sorgepflichten, sondern jede Änderung der Sachlage). 686 KG Korneuburg 6. 6. 1979, 5 R 150/79, EFSlg 32.846. 677 678

194

Unterhaltsvereinbarung

§ 94

des Berechtigten werden ebenfalls wesentliche Veränderungen des Einkommens oder der Bedürfnisse (zB durch Krankheit, Alter, Behinderung) sein. Beispiele aus der Rechtsprechung sind: Einkommensverringerung durch Pensionierung,687 die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft,688 der Verlust der Ehewohnung durch den Verkauf des Hauses durch den Ehemann689 und eine Neuregelung des gesetzlichen Unterhaltsrechts,690 soweit sich diese auf die Unterhaltsbemessung auswirkt.691 Dasselbe gilt für eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung zur Unterhaltsbemessung.692 Keine wesentliche Änderung liegt vor, wenn bloß Überstunden in einem Monat wegfallen.693 Die Geldentwertung kann eine Neubemessung rechtfertigen,694 wenn sie zu einer Verschiebung der Relation zwischen Leistungsfähigkeit und Unterhaltsbetrag führt, nicht aber, wenn beide Teile gleichmäßig davon betroffen sind695 oder wenn der Unterhalt ohnedies nach dem Lebenshaltungskostenindex wertgesichert ist.696 Die Berufung auf die Umstandsklausel ist nicht zulässig, wenn jemand be- 85 wusst einen unverhältnismäßig hohen Unterhalt versprochen hat,697 weil hier gar keine Umstandsänderung vorliegt. Eine Anpassung wegen Umstandsänderung kann auch nicht gefordert werden, wenn die Änderung einen Umstand betrifft, der von der Bereinigungswirkung des Vergleichs erfasst wird.698 Dass die Parteien beim Abschluss der Vereinbarung von der sicheren Erwartung ausgegangen sind, dass die Änderung eintreten wird, nimmt das Recht auf Unterhaltsanpassung nur dann, wenn die Umstandsänderung in der Vereinbarung ausdrücklich geregelt wird oder diese doch zumindest im Wege der Auslegung der Vereinbarung unterstellt werden kann.699 Dass die Parteien bloß mit der 687 Der Unterhaltsberechtigten: OGH 16. 1. 1979, 2 Ob 566/78, EvBl 1979, 435/156; des Unterhaltspflichtigen: LGZ Wien 18. 10. 1990, 47 R 2068/90, EFSlg 61.768. 688 OLG Linz 18. 8. 1981, 5 R 129/81, EFSlg 37.615; LGZ Wien 18. 4. 1978, 45 R 183/78, EFSlg 30.707; 28. 6. 1979, 45 R 372/79, EFSlg 32.851; 15. 1. 1980, 43 R 2083/79, EFSlg 35.239. 689 LGZ Wien 10. 3. 1977, 45 R 27/77, EFSlg 28.646. 690 OGH 16. 3. 1977, 1 Ob 548/77, JBl 1978, 539; 20. 9. 1977, 3 Ob 604/77, EFSlg 28.647; 2. 5. 1979, 3 Ob 181/78, EFSlg 32.854; 2. 12. 1981, 6 Ob 726/81, EFSlg 37.613, 37.616; 29. 6. 1983, 1 Ob 635/83, EFSlg 42.619; 3. 9. 1986, 3 Ob 48/86, EFSlg 50.249; LGZ Wien 9. 3. 1978, 46 R 25/78, EFSlg 30.704; 11. 3. 1980, 46 R 128/80, EFSlg 35.238. Dies kann aber nur dann zu einer Neubemessung des Unterhalts führen, wenn die seinerzeitige Vereinbarung auf dem gesetzlichen Unterhaltsrecht beruht hat: OGH 14. 7. 1982, 3 Ob 101/82, EFSlg 40.042ff; LGZ Wien 29. 12. 1978, 45 R 411/78, EFSlg 30.705. 691 OGH 22. 3. 2001, 4 Ob 42/01g, JBl 2001, 645: Dies gilt nicht für die Änderung des § 94 Abs 3 durch das EheRÄG 1999, weil der eheliche Unterhaltsanspruch damit nur der Art (Recht auf Geldunterhalt bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft), jedoch nicht der Höhe nach geändert wurde. 692 OGH 12. 11. 1992, 8 Ob 663/92, AnwBl 1993, 510 (Müller): Kindesunterhalt; Hopf/ Kathrein, Eherecht2 § 94 Anm 51. 693 LGZ Wien 13. 3. 1996, 44 R 175/96b, EFSlg 79.856. 694 OGH 29. 7. 1981, 6 Ob 675/81, EFSlg 37.612; Reinl, JBl 1977, 179. 695 OGH 6. 11. 1980, 8 Ob 525/80, EFSlg 35.240. 696 OLG Wien 30. 5. 1985, 11 R 59/85, EFSlg 47.511. 697 LGZ Wien 21. 9. 1982, 43 R 2108/82, EFSlg 40.046. 698 OGH 26. 4. 1989, 3 Ob 540/89, JBl 1989, 724. 699 So zu Recht Reinl, JBl 1977, 176ff.

195

§ 94

Hinteregger

Möglichkeit einer bestimmten Umstandsänderung gerechnet haben, reicht jedenfalls noch nicht.700 Nach Auffassung der Rechtsprechung kann eine Neubemessung wegen Um86 standsänderung auch gefordert werden, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen im Vereinbarungszeitpunkt bereits eingetreten, aber zu diesem Zeitpunkt zumindest einem Teil noch unbekannt waren.701 Demnach berechtigt das nachträgliche Bekanntwerden des Bestehens einer höheren Bemessungsgrundlage die Neubemessung, ohne dass dazu eine Irrtumsanfechtung erforderlich wäre.702 Diese Lösung mag im Einzelfall praktikabel sein, ist aber dogmatisch unscharf. Die Geltung der Umstandsklausel kann vertraglich ausgeschlossen wer87 den.703 Ein solcher Ausschluss der Umstandsklausel ist jedoch wegen Sittenwidrigkeit unwirksam, wenn der Verpflichtete durch das Beharren auf Erfüllung des Vergleichs in seiner Existenz vernichtet oder der Not ausgesetzt würde oder wenn hiedurch ein krasses Missverhältnis zwischen dem dem Verpflichteten verbleibenden Einkommen und dem nunmehrigen Unterhalt der Berechtigten entstünde und der Verpflichtete hiedurch in seiner Lebensführung extrem eingeschränkt wäre.704 Dasselbe gilt, wenn dem Unterhaltsberechtigten ohne Erhöhung des Unterhaltsbetrags die Existenzgrundlage entzogen würde.705 Demnach kann trotz Ausschlusses der Umstandsklausel bei einem erheblichen Kaufkraftverlust des Geldes eine Unterhaltsanpassung gefordert werden.706 Die Vereinbarung, dass ein allfälliges höheres Einkommen des Unterhaltsberechtigten nicht zu einer Herabsetzung des Unterhalts berechtigen soll, ist allerdings nicht sittenwidrig.707 Der Ausschluss der Umstandsklausel kann auch konkludent erfolgen. Es ist dabei aber ein strenger Maßstab anzulegen. Dass eine Umstandsänderung von beiden Seiten erwartet wurde, ist dafür noch nicht ausreichend.708 700 LGZ Wien 9. 3. 1978, 46 R 25/78, EFSlg 30.706. Zu weitgehend LGZ Wien 18. 7. 1985, 43 R 2057/85, EFSlg 47.510, das darauf abstellt, dass die Änderungen weder vorhersehbar noch abschätzbar noch selbst verschuldet sein dürfen. Dies ist nicht zutreffend, weil es darauf ankommt, ob die Parteien die Umstandsänderung der Vereinbarung tatsächlich zu Grunde gelegt haben, nicht ob diese in der Lage gewesen wären, dies zu tun. 701 OLG Wien 2. 2. 1977, 7 R 15/77, EFSlg 28.645. 702 OGH 26. 8. 1981, 1 Ob 636/81, EFSlg 37.614; LGZ Wien 28. 10. 1986, 47 R 2102/86, EFSlg 50.251; für den Kindesunterhalt: OGH 4. 4. 1990, 1 Ob 524/90, ÖA 1991, 136. 703 OGH 10. 9. 1980, 1 Ob 663/80, EFSlg 35.242; LG Salzburg 12. 10. 2000, 21 R 165/00m, EFSlg 91.896; LGZ Wien 15. 3. 1989, 43 R 1001/89, EFSlg 58.710; 21. 11. 1994, 44 R 2059/94, EFSlg 73.834. 704 LG Salzburg 12. 10. 2000, 21 R 165/00m, EFSlg 91.896; LGZ Wien 20. 10. 1981, 43 R 2118/81, EFSlg 37.618; 15. 3. 1989, 43 R 1001/89, EFSlg 58.711 (Beharren auf dem Ausschluss der Umstandsklausel); 21. 11. 1994, 44 R 2059/94, EFSlg 73.835. Ähnlich OGH 24. 3. 1982, 3 Ob 527/82, EFSlg 40.045 (unzumutbare Belastung). 705 OGH 10. 9. 1980, 1 Ob 663/80, EFSlg 35.241. Zur Zulässigkeit eines Verzichts auf nachehelichen Unterhalt für den Fall der Not: OGH 24. 11. 1999, 3 Ob 229/98t, JBl 2000, 513 (F. Bydlinski) = ecolex 2000, 426/173 (Spunda); vgl dazu auch Ferrari, JBl 2000, 609; DeixlerHübner, ecolex 2000, 638; Fucik, RZ 2000, 266; Maurer, RZ 2000, 267. 706 OGH 4. 11. 1981, 6 Ob 778/81, EvBl 1982, 549/170. 707 LGZ Wien 20. 10. 1981, 43 R 2118/81, EFSlg 37.617. 708 OGH 26. 4. 1989, 3 Ob 540/89, JBl 1989, 724.

196

Sonstiges

§ 94

Unterhaltsvereinbarungen fallen durch eine Umstandsänderung nicht ein- 88 fach weg, sondern sind an die geänderten Umstände anzupassen.709 Dies erfolgt im Wege der Vertragsauslegung (§§ 914, 915). Häufig wird ergänzende Vertragsauslegung erforderlich sein, bei der unter Berücksichtigung der Gesamtvereinbarung und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu erforschen ist, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien getroffen hätten.710 Stellt die Unterhaltsvereinbarung jedoch nur eine Konkretisierung des gesetzlichen Unterhalts dar, so ist der Unterhalt neu zu bemessen.711 Dasselbe gilt, wenn die von den Parteien ihrer Vereinbarung zu Grunde gelegten Faktoren oder die Relation zwischen Einkommen und Unterhalt nicht mehr festgestellt werden können.712

VIII. Sonstiges 1. Konkurs Wird über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen der Konkurs eröffnet, 89 so sind der Gemeinschuldner und seine Unterhaltsberechtigten zu einer bescheidenen Lebensführung verpflichtet (§ 5 KO). Die Konkurseröffnung kann somit Anlass für eine Anpassung des geschuldeten Unterhalts sein, wenn sich dadurch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen wesentlich verringert.713 Laufende Unterhaltsforderungen sind gegen den Gemeinschuldner zu erheben und aus dem konkursfreien Vermögen zu befriedigen.714 Unterhaltsrückstände für gesetzliche Unterhaltsansprüche für die Zeit vor Konkurseröffnung sind Konkursforderungen. Da Alimente gem § 1418 S 2 wenigstens einen Monat im Voraus zu bezahlen sind, gilt dies auch für den im Monat der Konkurseröffnung fällig gewordenen Unterhaltsbetrag.715 LGZ Wien 6. 11. 1979, 46 R 655/79, EFSlg 32.843. OGH 20. 10. 1981, 5 Ob 681/81, EFSlg 37.611; OLG Linz 22. 10. 1981, 5 R 176/81, EFSlg 37.609; OLG Wien 30. 5. 1985, 11 R 59/85, EFSlg 47.512; LG Salzburg 30. 5. 2001, 21 R 10/01v, EFSlg 95.302; LGZ Wien 24. 9. 1979, 44 R 1003/79, EFSlg 32.844; 19. 1. 2002, 42 R 511/01k, EFSlg 99.194. 711 OGH 11. 1. 1995, 9 Ob 502/95, SZ 68/3; LGZ Wien 31. 12. 1976, 45 R 591/76, EFSlg 26.093; 8. 1. 1986, 44 R 1029/85, EFSlg 50.250; 29. 1. 1992, 47 R 2077/91, EFSlg 67.683. 712 OGH 29. 7. 1981, 6 Ob 675/81, EFSlg 37.612; LGZ Wien 18. 7. 1985, 43 R 2057/85, EFSlg 47.509; 30. 5. 1988, 43 R 1011/88, EFSlg 55.953. 713 Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen (1999) § 5 KO Rz 8; Buchegger in Buchegger (Hrsg), Österreichisches Insolvenzrecht4 I (2000) § 5 KO Rz 5ff. Dies wird meist der Fall sein: vgl dazu OGH 17. 8. 2001, 1 Ob 191/01x, SZ 74/138; 28. 10. 2002, 1 Ob 242/02y, JBl 2003, 461; 21. 5. 2003, 6 Ob 284/02m, ÖA 2004, 269; 12. 6. 2003, 2 Ob 90/03d, EvBl 2004, 30/6; 10. 11. 2003, 7 Ob 260/03s, ÖA 2005, 52; 2. 6. 2004, 8 Ob 50/04t, ÖA 2005, 59; 24. 6. 2004, 6 Ob 51/04z, ÖA 2005, 56. 714 OGH 6. 9. 1988, 5 Ob 605/88, EFSlg 55.956. Ausgenommen sind nur Unterhaltsforderungen, für die der Gemeinschuldner als Erbe des Unterhaltspflichtigen haftet (zB gem § 796). Diese sind Konkursforderungen (§ 51 Abs 2 Z 1 KO). 715 Vgl Reckenzaun, ÖJZ 1994, 113; H. Pichler, ÖA 1995, 43; Buchegger in Buchegger, Insolvenzrecht4 I § 5 KO Rz 10f (dass Unterhalt nicht für die Vergangenheit gefordert werden kann, 709 710

197

§ 94

Hinteregger

2. Unterhalt für die Vergangenheit Unterhalt kann nicht nur für die Zukunft, sondern auch für vergangene Unterhaltsperioden gefordert werden.716 Er kann rückwirkend festgesetzt, erhöht, eingeschränkt oder aufgehoben werden.717 Wurde beispielsweise kein oder nur teilweise Unterhalt geleistet, so kann der entgangene Unterhalt rückwirkend eingeklagt werden.718 Bei einer Änderung der Umstände (s Rz 83ff) hindert das Vorliegen einer Vereinbarung oder einer gerichtlichen Entscheidung für den betreffenden Zeitraum eine rückwirkende Erhöhung, Verminderung oder den Entfall des Unterhalts nicht.719 Eine Nachforderung von Unterhalt ist nur dann nicht möglich, wenn in einem Urteil zweifelsfrei über den gesamten Unterhaltsanspruch entschieden worden ist, weil dann das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vorliegt.720 Entsprechendes gilt für eine vertragliche Unterhaltsvereinbarung. Einstweiliger Unterhalt kann nicht für die Vergangenheit zugesprochen werden.721 Zu Unrecht geleisteter Unterhalt kann mittels Leistungskondiktion zu91 rückgefordert werden, soweit er noch im Vermögen des Unterhaltsgläubigers vorhanden ist oder nicht gutgläubig verbraucht wurde.722 Dies gilt auch für den einstweiligen Unterhalt nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO.723 90

ist allerdings unrichtig); Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar § 5 KO Rz 7; Kodek, Handbuch Privatkonkurs Rz 224ff; derselbe, Der Rechtspfleger 1/2004, 17. Dies gilt auch für das Schuldenregulierungsverfahren: OGH 17. 5. 2004, 1 Ob 86/04k, ecolex 2004, 859/405; 28. 7. 2004, 7 Ob 169/04k, JBl 2005, 113. 716 Vgl OGH 9. 6. 1988, 6 Ob 544/87 (verst Senat), JBl 1988, 586 (H. Pichler und Hoyer, JBl 1989, 199) = AnwBl 1989, 294 (Heller) und die umfangreiche Folgejudikatur. Ausdrücklich für den ehelichen Unterhaltsanspruch: OGH 21. 11. 1990, 2 Ob 608, 609/90, EvBl 1991, 170/38; LGZ Wien 28. 7. 1989, 43 R 1020/89, EFSlg 58.712; 22. 12. 2000, 45 R 739/99f, EFSlg 91.808; KG Krems an der Donau 4. 4. 1990, 1 R 31/90, EFSlg 61.770. 717 OGH 18. 3. 1992, 1 Ob 529, 530/92, EFSlg 69.310; 10. 12. 1992, 7 Ob 614, 615/92, EFSlg 69.308; 6. 9. 1995, 1 Ob 570/95, JBl 1996, 442; 30. 9. 1996, 6 Ob 2190/96v, EvBl 1997, 428/78. Eine analoge Anwendung des § 72 EheG wurde immer abgelehnt. § 72 EheG HS 3 und 4 wurden vom VfGH aufgehoben: 25. 2. 2004, G 76/01. 718 Vgl zB LG Salzburg 3. 10. 2001, 21 R 158/01h, EFSlg 95.212 für eine teilweise Unterhaltsleistung. 719 OGH 3. 10. 1989, 5 Ob 610/89, EFSlg 61.502 (Kindesunterhalt). Zu verfahrensrechtlichen Fragen in Bezug auf die materielle Rechtskraft von gerichtlichen Unterhaltsentscheidungen: Reischauer, JBl 2000, 421. 720 OGH 26. 6. 2003, 6 Ob 46/03p, EFSlg 103.233. 721 OGH 21. 11. 1990, 2 Ob 608, 609/90, SZ 63/205. 722 OGH 23. 4. 1929, Präs 1025/28, SZ 11/86 (Judikat 33); 9. 12. 1931, 4 Ob 579/31, SZ 13/262; 12. 8. 1964, 7 Ob 174/64, JBl 1965, 37; 16. 4. 1985, 2 Ob 514/85, SZ 58/57; 30. 6. 1998, 1 Ob 1/98y, EFSlg 87.416; 15. 7. 1999, 6 Ob 18/99m, EFSlg 70.227 etc. Diese Einschränkung gründet sich auf § 1437; vgl dazu mwN Honsell/Mader, ABGB VII2 § 1437 Rz 18ff; Rummel in Rummel, ABGB II/33 § 1437 Rz 12; Koziol in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger, ABGB § 1437 Rz 5. Gitschthaler, ÖJZ 1995, 652 spricht sich für eine analoge Anwendung des § 399b Abs 1 EO auf alle Fälle aus, in denen die Unterhaltsleistung auf Grund eines nachträglich veränderten Titels erbracht worden ist. AA Rummel in Rummel, ABGB II/33 § 1437 Rz 12. 723 OGH 27. 3. 1996, 3 Ob 2065/96i, JBl 1996, 727; 28. 9. 1999, 4 Ob 217/99m, EFSlg 91.244; Huber, JBl 1984, 182.

198

Allgemeines

§ 95

3. Verjährung Der gesetzliche Unterhaltsanspruch zwischen Ehegatten kann nicht ver- 92 jähren (§ 1481). Rückständige Unterhaltsbeiträge verjähren in drei Jahren ab Fälligkeit (§ 1480). Für Ansprüche zwischen Ehegatten sieht § 1495 S 1 jedoch eine Verjährungshemmung vor. Danach kann, solange die Ehe aufrecht ist, die Ersitzung oder Verjährung weder anfangen noch fortgesetzt werden. In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass § 1495 S 1 teleologisch zu reduzieren sei. Schon Klang724 vertrat die Ansicht, dass mit Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft der Grund für die Hemmung entfalle.725 Eypeltauer726 schlägt vor, § 1495 S 1 auf Unterhaltsansprüche gar nicht anzuwenden und für sonstige Ansprüche zwischen Ehegatten die Hemmungswirkung nur bis zur Erhebung der Scheidungs-, Nichtigkeits- oder Aufhebungsklage oder auf sechs Jahre nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zu begrenzen. Reischauer727 lehnt zwar die Ansicht Eypeltauers, § 1495 S 1 nicht auf Unterhaltsansprüche anzuwenden, ab, spricht sich jedoch im Übrigen ebenfalls für eine teleologische Reduktion des § 1495 S 1 aus. An sich solle die Verjährungshemmung erst mit rechtskräftiger Auflösung der Ehe beendet sein. Allerdings soll sich der, der die Scheidungsklage erhebt, nicht auf die Verjährungshemmung berufen können. Auch bei der einvernehmlichen Scheidung soll die Verjährungshemmung im Zeitpunkt der Antragstellung enden. Außerdem stimmt Reischauer dem Vorschlag Eypeltauers zu, dass die Verjährungshemmung beendet sein soll, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit sechs Jahren aufgelöst ist. Der OGH hat diesen Vorschlag nach einer umfassenden rechtsvergleichenden und rechtstheoretischen Analyse aus Rechtssicherheitsüberlegungen abgelehnt,728 in einer Folgeentscheidung aber aufgenommen.729

§ 95. Die Ehegatten haben an der Führung des gemeinsamen Haushalts nach ihren persönlichen Verhältnissen, besonders unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Belastung, mitzuwirken. Ist jedoch ein Ehegatte nicht erwerbstätig, so obliegt diesem die Haushaltsführung; (BGBl 1975/412) der andere ist nach Maßgabe des § 91 zur Mithilfe verpflichtet. (BGBl I 1999/125)

In Klang2 VI, 647. Offenbar zust H. Pichler, ÖA 1988, 70. 726 RZ 1991, 27. 727 JBl 1991, 562f. 728 OGH 13. 4. 1994, 3 Ob 17/94, JBl 1994, 751; ebenso OGH 17. 4. 1997, 8 Ob A 67/97d, infas 1997, A 90. 729 OGH 23. 5. 1996, 8 Ob A 250/95, EFSlg 81.600. 724 725

199

Hinteregger

§ 95

BGBl 1975/412 (Mat.: NR: RV 851 BlgNR XIII. GP; JAB 1662 BlgNR XIII. GP; BR: AB 1396 BlgBR); BGBl I 1999/125 (Mat.: NR: RV 1653 BlgNR XX. GP; JAB 1926 BlgNR XX. GP; BR: AB 5974 BlgBR) Lit: s bei § 91.

§ 95 war in der RV zum EheRwG 1975 noch nicht enthalten. Er wurde erst durch den JA in das EheRwG 1975 eingefügt. Die Normierung einer ausdrücklichen Verpflichtung zur gemeinsamen Haushaltsführung sollte dem gesellschaftlichen Missstand begegnen, dass in vielen Ehen die Last der Haushaltsführung trotz eigener Berufstätigkeit den Frauen verbleibt.1 Das EheRÄG 1999 hat die gemeinsame Verantwortung für die Hausarbeit durch die Festlegung des Gleichbeteiligungsgrundsatzes in § 91, der sehr wesentlich auf die gerechte Verteilung der Haushaltslasten hinzielt, noch weiter verstärkt. Im neuen letzten Halbsatz des § 95 wurde außerdem klargestellt, dass auch der allein erwerbstätige Ehegatte zur Mithilfe im Haushalt verpflichtet ist. Die Führung des gemeinsamen Haushalts ist Teil der Gestaltung der ehe2 lichen Lebensgemeinschaft. Nach § 91 sind die diesbezüglichen Entscheidungen von den Ehegatten einvernehmlich zu treffen. Sie haben dabei jeweils auf die Interessen des anderen und auf das Wohl der Kinder Rücksicht zu nehmen und auf eine gleichwertige und gerechte Verteilung der Lasten zu achten. § 95 stellt allgemeine Regeln über die Verpflichtung jedes Ehegatten, an 3 der Führung des gemeinsamen Haushalts mitzuwirken, auf. Diese Regeln sind im Rahmen des § 91 (Einvernehmlichkeit, Rücksichtnahmepflicht, Gleichbeteiligungsgrundsatz) dispositiv. § 95 bezieht sich nur auf den gemeinsamen Haushalt. Bei getrennten Haushalten kommt er nicht zur Anwendung. Mangels anderslautender Vereinbarung obliegt hier die Pflicht zur Führung des Haushalts dem jeweiligen Inhaber. Dies gilt auch, wenn ein Ehegatte den gemeinsamen Haushalt verlassen hat. Er kann dann nicht verlangen, dass der andere weiterhin Leistungen erbringt, die zur Führung eines gemeinsamen Haushalts gehören.2 Grundsätzlich haben beide Ehegatten an der Führung des Haushalts mit4 zuwirken. Dies gilt, wenn beide Ehegatten erwerbstätig sind oder beide keinem Erwerb nachgehen, etwa weil sie von ihrem Vermögen oder von einem Pensionseinkommen leben. Der Erwerbstätigkeit ist die Absolvierung einer Ausbildung gleichzuhalten, wenn diese ähnliche zeitliche Belastungen wie eine Erwerbstätigkeit mit sich bringt. Maßgebliche Gesichtspunkte für die Verteilung der Haushaltslasten sind die persönlichen Verhältnisse jedes Ehegatten, wie Alter, Gesundheitszustand, Fähigkeiten und seine berufliche Belastung. Zu berücksichtigen sind auch eine Belastung durch Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen. 1

1 2

200

JAB 1662 BlgNR XIII. GP 6f. OLG Wien 6. 8. 1980, 12 R 130/80, EFSlg 35.165.

Allgemeines

§ 95

Ist nur ein Ehegatte nicht erwerbstätig, dann obliegt ihm die Haushaltsführung. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn die Ehegatten die Führung einer Hausfrauen- bzw Hausmannehe vereinbart haben. Die Verpflichtung zur Haushaltsführung ist aber nicht auf diesen Fall beschränkt, sondern besteht auch dann, wenn ein Teil aus einem anderen Grund nicht erwerbstätig ist, etwa weil er arbeitslos ist oder weil er auf die Erträgnisse von Vermögen oder auf ein Pensionseinkommen zurückgreifen kann. In allen Fällen ist der erwerbstätige Ehegatte verpflichtet, im Haushalt mitzuhelfen. Diese Mithilfeverpflichtung steht unter der Maßgabe der in § 91 aufgestellten Grundsätze. Die Verletzung der Pflicht zur Haushaltsführung kann eine schwere Ehe- 5 verfehlung darstellen.3 Dies gilt für den Ehegatten, der den Haushalt führen muss, weil er nicht erwerbstätig ist, aber auch für den Ehegatten, der bei gemeinsamer Haushaltsführung seinen Anteil nicht leistet, und für den erwerbstätigen Ehegatten, der seiner Pflicht zur Mithilfe nicht nachkommt. Als eine den rein persönlichen Rechtswirkungen der Ehe zugehörige Verpflichtung kann ihre Erfüllung aber nicht gerichtlich erzwungen werden (s § 89 Rz 3), auch nicht über den Umweg der Vereinbarung eines Schadenersatzanspruchs für die Verletzung dieser Verpflichtung.4 An die Haushaltsführung werden weitreichende Rechtsfolgen geknüpft. 6 So kann der Haushaltsführende oder der ehemals Haushaltsführende vom erwerbstätigen Ehegatten den angemessenen Unterhalt verlangen (§ 94 Abs 2) und er kann ihn bei Rechtsgeschäften des täglichen Lebens rechtsgeschäftlich verpflichten (§ 96, sog Schlüsselgewalt). Die Haushaltsführung gilt als Beitragsleistung zur Ansammlung des Ehevermögens (§ 83 Abs 2 EheG). Gem § 140 Abs 2 erfüllt der Ehegatte, der den Haushalt führt, in dem das Kind betreut wird, seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind. Ein Anspruch auf ein „Wirtschaftsgeld“ ist nicht ausdrücklich vorgese- 7 hen. Laut JA5 wurde er deshalb nicht vorgesehen, weil die Möglichkeit, über Wirtschaftsgeld zu verfügen, ohnedies „selbstverständliche Voraussetzung für das Tätigwerden des haushaltsführenden Ehegatten zum Nutzen des anderen ist“. Dies bedeutet, dass die Vereinbarung einer Hausfrauen- bzw Hausmannehe auch das Recht des Haushaltsführenden mit einschließt, vom erwerbstätigen Ehegatten die notwendigen finanziellen Mittel für die Führung des Haushalts zur Verfügung gestellt zu bekommen. In welcher Form das zu geschehen hat, bleibt dem Einvernehmen der Eheleute überlassen, allerdings muss diese Gestaltungsvereinbarung den für die persönlichen Rechtswirkungen geltenden Grundsätzen entsprechen. Aus dem in § 89 festgelegten Gleichheitsgrundsatz, der Pflicht zur anständigen Begegnung (§ 90) und dem in § 91 normierten partnerschaftlichen Prinzip ist abzuleiten, dass dem haushaltsführenden Ehegatten selbstständige Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die

3 4 5

OGH 26. 4. 1988, 4 Ob 520/88, EFSlg 57.113; 23. 5. 1989, 2 Ob 543/89, EFSlg 60.151. LGZ Wien 26. 1. 1989, 44 R 1078/88, EFSlg 58.673. JAB 1662 BlgNR XIII. GP 7.

201

§ 96

Hinteregger

Haushaltsführung zukommen müssen. Dies schließt auch einen eigenverantwortlichen Umgang mit Geld mit ein.6 Der daraus resultierende Anspruch auf Wirtschaftsgeld ist aber während aufrechter Ehe nicht einklagbar. Stellt der erwerbstätige Ehegatte die nötigen Geldmittel nicht zur Verfügung, kann der haushaltsführende Ehegatte nur seinen Unterhaltsanspruch (§ 94) geltend machen. Gehören dem Haushalt gemeinsame minderjährige Kinder an, dann gilt dies auch für diese (§ 140). Die Weigerung, dem haushaltsführenden Ehegatten die für die Wirtschaftsführung angemessenen Geldmittel zukommen zu lassen, kann eine schwere Eheverfehlung (§ 49 EheG) darstellen.

§ 96. Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und keine Einkünfte hat, vertritt den anderen bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er für den gemeinsamen Haushalt schließt und die ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigen. Dies gilt nicht, wenn der andere Ehegatte dem Dritten zu erkennen gegeben hat, daß er von seinem Ehegatten nicht vertreten sein wolle. Kann der Dritte aus den Umständen nicht erkennen, daß der handelnde Ehegatte als Vertreter auftritt, dann haften beide Ehegatten zur ungeteilten Hand. BGBl 1975/412 (Mat.: NR: RV 851 BlgNR XIII. GP; JAB 1662 BlgNR XIII. GP; BR: AB 1396 BlgBR) Lit: Allg Lit zu §§ 89–100 und Rummel Peter, Zur Lehre von der Schlüsselgewalt nach österreichischem Recht, JBl 1969, 315; Welser Rudolf, Vertretung ohne Vollmacht (Wien 1970); Rummel Peter, Die Schlüsselgewalt nach neuem österreichischem Recht, JBl 1976, 136; Koziol Helmut, Entschuldbare Fehlleistungen des Gesetzgebers? JBl 1976, 169.

Übersicht I. Allgemeines II. Die Regelung im Einzelnen 1. Rechtsnatur 2. Tatbestandsvoraussetzungen a) Handelnder Ehegatte b) Rechtsgeschäft III. Innenverhältnis

1–2 3–12 3 8 8 10 13–14

6 Dies verkennt Thöni in Harrer/Zitta, Familie 14ff, wenn er es für zulässig hält, dass das Wirtschaftsgeld durch Naturalleistungen substituiert werden kann.

202

Allgemeines

§ 96

I. Allgemeines § 96 regelt die sog „Schlüsselgewalt“. Vor dem EheRwG 1975 verstand 1 man darunter die Berechtigung der Ehefrau, den Ehemann bei haushaltsbezogenen Rechtsgeschäften zu vertreten und zu verpflichten. Diese Berechtigung wurde aus § 92 aF iVm § 1029 abgeleitet. Nach § 92 aF war die Frau verpflichtet, dem Mann „in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beyzustehen“, und es wurde daher gem § 1029 vermutet, dass sie die Geschäfte, die die Haushaltsführung gewöhnlich erfordert, in Vertretung und auf Rechnung des – für den Unterhalt allein verantwortlichen – Mannes besorgte.1 Die RV zum EheRwG 1975 erkannte ganz richtig, dass eine solche Vertretungsregel mit dem partnerschaftlichen Ehemodell nicht vereinbar ist.2 Sie sah deshalb in § 95 eine wechselseitige Vertretungsregel für Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens mit Solidarhaftung beider Ehegatten vor. Diese Regelung wurde vom JA verworfen und durch den neuen § 96 er- 2 setzt. Dahinter stand einerseits die Absicht, den haushaltsführenden Ehegatten, der kein eigenes Einkommen hat, vor Zahlungsverpflichtungen gegenüber Dritten zu schützen. Andererseits sollte dem Dritten der unmittelbare Zugriff auf den wirtschaftlich leistungsfähigen, erwerbstätigen Ehegatten ermöglicht werden. Diese Regelung ist aber in mehrfacher Hinsicht missglückt. Da § 96 nur einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich hat, kann er weder das eine noch das andere Ziel erreichen. Außerdem widerspricht § 96 dem partnerschaftlichen Prinzip, weil er festlegt, dass der Haushaltsführende die mit der Haushaltsführung zusammenhängenden Rechtsgeschäfte nicht in eigener Verantwortung, sondern nur als Vertreter des erwerbstätigen Ehegatten abschließt. Damit wird der haushaltsführende, nicht erwerbstätige Ehegatte dem erwerbstätigen Ehegatten untergeordnet und in eine von diesem abhängige Rechtsposition gedrängt.

II. Die Regelung im Einzelnen 1. Rechtsnatur § 96 normiert einen Fall der gesetzlichen Vertretung. Sie kommt bereits 3 zur Anwendung, wenn die in § 96 festgelegten Voraussetzungen vorliegen. Der handelnde Ehegatte braucht nicht den Willen zu haben, als Vertreter zu handeln, und er braucht das Vertretungsverhältnis gegenüber dem Dritten nicht offen zu legen.3 Das Rechtsgeschäft kommt dann nicht mit dem handelnden Ehegatten, sondern mit dem anderen Ehegatten zustande.4 Dieser wird Ver-

Wentzel in Klang, ABGB2 I/1, 391ff; Ent in Ent/Hopf, Neuordnung 143f. RV 851 BlgNR XIII. GP 21. 3 OGH 20. 10. 1981, 5 Ob 535/81, SZ 54/148; LGZ Wien 22. 10. 1991, 45 R 603/91, EFSlg 64.937. 4 LGZ Wien 23. 8. 1978, 42 R 553/78, EFSlg 30.710; 1. 3. 1984, 45 R 128/84, EFSlg 44.898. 1 2

203

§ 96

Hinteregger

tragspartner des Dritten. Er hat damit das Recht, die aus dem Geschäft geschuldeten Leistungen zu fordern, und ist verpflichtet, eine allfällige Gegenleistung zu erbringen. 4 Nach dem Wortlaut des § 96 kommt es dann nicht zur Stellvertretung, wenn der „andere“ Ehegatte dem Dritten zu erkennen gegeben hat, dass er von seinem Ehegatten nicht vertreten sein will. Dazu bedarf es einer ausdrücklichen oder konkludenten Willenserklärung, die dem Dritten vor Abschluss des Geschäfts zugegangen sein muss.5 Die Stellvertretungswirkung ist auch ausgeschlossen, wenn der handelnde Ehegatte erklärt, nicht als Vertreter des anderen Ehegatten, sondern im eigenen Namen zu handeln.6 Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 96, ist aber dennoch anzunehmen, weil sonst der haushaltsführende Ehegatte in seiner Geschäftsfähigkeit unangemessen beschränkt wäre, was nicht vertretbar ist.7 Kein Vertretungsfall liegt auch vor, wenn beide Ehegatten gemeinsam den Vertrag abschließen.8 § 96 letzter Satz legt fest, dass beide Ehegatten solidarisch haften, wenn 5 der Dritte aus den Umständen nicht erkennen kann, dass der handelnde Ehegatte als Vertreter auftritt. Nach den Erläuterungen des JA9 tritt die Solidarhaftung ein, wenn für den Dritten nicht erkennbar war, dass die in S 1 angeführten Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Gemeint ist offenbar der Fall, dass der Dritte bei Abschluss eines haushaltsbezogenen Rechtsgeschäfts nicht erkennen kann, dass es sich bei seinem Geschäftspartner um einen verheirateten Haushaltsführer ohne wesentliche eigene Einkünfte handelt. Nach allgemeiner Ansicht tritt die Solidarhaftung jedoch nur ein, wenn den Dritten kein Verschulden an der Unkenntnis trifft.10 Hegt der Dritte Zweifel an Haushaltsführung und Einkommenslosigkeit des handelnden Ehegatten, wird ihm deshalb zugemutet nachzufragen.11 Bestehen für den Dritten keine besonderen Anhaltspunkte für eine Vertretereigenschaft des handelnden Ehegatten, so kann keine Nachforschungspflicht angenommen werden, sodass Solidarhaftung beider Ehegatten eintritt. Dasselbe gilt für Situationen, in denen ein Nachfragen unüblich oder unangebracht ist. Dies ist beispielsweise der Fall beim Einkauf im Supermarkt oder Kaufhaus, bei Bestellungen im Internet, per Telefon oder im Postweg. Auch hier kommt es zu einer Solidarhaftung beider Ehegatten.12 Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 96 Rz 4; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 96 Anm 5. Ent in Ent/Hopf, Neuordnung 150; Rummel, JBl 1976, 139 FN 13. 7 Koziol, JBl 1976, 170. 8 OGH 20. 10. 1981, 5 Ob 535/81, SZ 54/148. 9 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 7. 10 Rummel, JBl 1976, 138; Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 49; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 96 Rz 5; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 96 Anm 6. 11 LGZ Wien 22. 10. 1991, 45 R 603/91, EFSlg 64.937; 24. 8. 1993, 45 R 361/93, EFSlg 70.627. 12 Da derartige Einkaufssituationen bei haushaltsbezogenen Geschäften überwiegen, ist die Einschätzung von Schwind, Kommentar2 § 96 Anm 5 und Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 96 Anm 6 zu teilen, dass die Solidarhaftung beider Ehegatten in der Praxis die Regel sein wird. AA Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 96 Rz 5, der offenbar von einer unbedingten Nachforschungs5 6

204

Die Regelung im Einzelnen

§ 96

Das rechtsgeschäftliche Stellvertretungsrecht bleibt von § 96 unberührt.13 6 Ein Ehegatte kann demzufolge für den anderen handeln, wenn ihm dieser rechtsgeschäftlich Vollmacht (§§ 1002ff) erteilt hat oder die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht (§ 1029) vorliegen. § 96 ist für Lebensgefährten weder direkt noch analog anzuwenden 7 (s § 44 Rz 11). Die Vertretung eines Lebensgefährten durch den anderen kann sich nur aus dem allgemeinen Vertretungsrecht ergeben (§§ 1002ff, 1029).14 2. Tatbestandsvoraussetzungen a) Handelnder Ehegatte Die Vertretungsregel des § 96 setzt voraus, dass der handelnde Ehegatte 8 den gemeinsamen Haushalt führt.15 Sie kommt also nicht zur Anwendung, wenn kein gemeinsamer Haushalt besteht, weil die Eheleute getrennt wohnen,16 oder sie zwar in derselben Wohnung leben, aber völlig getrennt wirtschaften. Dasselbe gilt, wenn keiner der beiden den Haushalt führt, weil sie beispielsweise noch in den elterlichen Haushalt voll integriert sind. Nach dem Zweck des § 96 sollte es ausreichend sein, wenn der handelnde Ehegatte an der Haushaltsführung wesentlich mitwirkt. Eine alleinige Haushaltsführung ist nicht zu fordern.17 Dass die Hausarbeit tatsächlich durch Angestellte ausgeführt wird oder dass der andere Ehegatte im Haushalt tatkräftig mithilft, schadet jedenfalls nicht, weil es auf die Führung des Haushalts, das heißt auf die Organisation des Haushalts, und nicht auf die tatsächliche Ausführung der Hausarbeit ankommt.18 § 96 setzt weiters voraus, dass der handelnde Ehegatte keine Einkünfte 9 hat. Dies ist nicht wörtlich zu verstehen. Nach allgemeiner Auffassung19 ist die Vertretungsregel des § 96 auch anzuwenden, wenn der haushaltsführende Ehegatte zwar eigene Einkünfte hat, aber diese im Verhältnis zu den Einkünften des anderen Ehegatten nicht ins Gewicht fallen.20 Begründet wird dies damit, dass haushaltsführender Ehegatte und Dritter in diesem Fall genauso schutzbedürftig sind, wie wenn der haushaltsführende Ehegatte gar keine Einpflicht des Dritten ausgeht. Eine solche ist aber lebensfremd und unangemessen und mit einer Verschuldensprüfung nicht zu vereinbaren. 13 OGH 10. 10. 1994, 10 Ob 526/94, JBl 1995, 324. 14 OGH 15. 4. 1971, 1 Ob 94/71, SZ 44/46. 15 LGZ Wien 4. 3. 1993, 45 R 645/92, EFSlg 70.628. 16 LGZ Wien 11. 9. 1985, 45 R 505/85, EFSlg 47.515. 17 So auch Rummel, JBl 1976, 137; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 96 Rz 3; aA Ent in Ent/Hopf, Neuordnung 145; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 96 Rz 2; Hopf/ Kathrein, Eherecht2 § 96 Anm 2. 18 Insofern etwas missverständlich Rummel, JBl 1976, 137. 19 Koziol, JBl 1975, 170; Ent in Ent/Hopf, Neuordnung 146; Rummel, JBl 1976, 137f; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 96 Rz 2; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 96 ABGB Anm 2; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 96 Rz 3. 20 LGZ Wien 28. 4. 1981, 45 R 131/81, EFSlg 37.621.

205

§ 96

Hinteregger

künfte hat. Diese Einkünfte müssen tatsächlich erzielt werden. Das bloße Bestehen von Forderungen, beispielsweise einer Gehaltsforderung,21 reicht nicht. Die Vertretungsregel kommt nicht zur Anwendung, wenn beide Ehegatten eigene Einkünfte haben.22 In diesem Fall schließt jeder Ehegatte die haushaltsbezogenen Geschäfte im eigenen Namen. Eine Vertretung des anderen kann nur auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erfolgen. b) Rechtsgeschäft § 96 erfasst nur haushaltsbezogene Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens, die ein die Lebensverhältnisse der Ehegatten entsprechendes Maß nicht überschreiten. Dies bedeutet, dass jedes Rechtsgeschäft auch immer in Relation zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten zu setzen ist. So werden beispielweise aufwändige Zeitungskäufe23 oder eine teure private Krankenbehandlung nur bei guten finanziellen Verhältnissen gedeckt sein.24 Dasselbe gilt für die Einstellung einer Haushaltshilfe.25 Bei der Beurteilung, welche Art von Rechtsgeschäften unter § 96 fallen, 11 ist darauf abzustellen, was für die reibungslose Abwicklung des jeweiligen Haushalts (entsprechend den Lebensverhältnissen der Ehegatten) erforderlich ist.26 Dabei ist auf einen zeitgemäßen Standard und auf die heutigen Lebensverhältnisse abzustellen.27 Erfasst sein müssen somit jedenfalls die regelmäßigen Ausgaben für die Wohnung, wie die Ausgaben für Reinigung, Beleuchtung und Heizung, sowie das Ausmalen und die Vornahme von kleineren Reparaturen, nicht aber eine aufwändige Wohnungsreparatur (zB Sanierung des Badezimmers oder Reparatur der Fußböden) oder der Einbau einer neuen Heizung. Sollen diese Rechtsgeschäfte im Namen des anderen Ehegatten abgeschlossen werden, ist eine rechtsgeschäftliche Vollmacht notwendig. Fehlt diese, kommt das Geschäft mit dem handelnden Ehegatten zustande. Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens sind weiters die Beschaffung der Nahrung und der Kleidung für die Familienmitglieder und die Ausgaben für die Freizeitgestaltung (zB Anschaffung von Spielzeug oder Sportgeräten), nicht aber der Kauf eines teuren Mountainbikes oder Computers. Auch Aufwendungen für die Krankenbehandlung fallen unter § 96.28 Soweit es sich dabei um 10

LGZ Wien 24. 8. 1993, 45 R 361/93, EFSlg 70.626. OGH 10. 10. 1994, 10 Ob 526/94, JBl 1995, 324; OLG Linz 23. 6. 1980, 1 R 91/80, EFSlg 35.248. 23 LGZ Wien 4. 12. 1990, 45 R 345/90, EFSlg 61.771. 24 LGZ Wien 19. 1. 1984, 45 R 708/83, EFSlg 44.904. 25 VwGH 16. 4. 1991, 90/08/0153, ZfVB 1992, 477/1584; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 96 Rz 3; aA Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 96 Rz 4. 26 OLG Wien 3. 12. 1991, 11 R 217/91, EFSlg 64.938; LGZ Wien 19. 1. 1984, 45 R 798/83, EFSlg 44.900: „ordentliche und standesgemäße Haushaltsführung“. 27 Aus diesem Grund wird auf die Darstellung von Entscheidungen, die noch vor dem EheRwG 1975 ergangen sind, verzichtet. 28 Anders unverständlicherweise Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 96 Rz 3 und Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 96 ABGB Anm 3 unter Verweis auf die neuere Rechtsprechung: LGZ 21 22

206

Innenverhältnis

§ 96

übliche Ausgaben handelt, die in einem angemessenen Verhältnis zu den Lebensverhältnissen der Ehegatten stehen, ist der Einkauf von Medikamenten in der Apotheke und der Abschluss eines Behandlungsvertrags ein Rechtsgeschäft des täglichen Lebens. Bei gehobenen finanziellen Verhältnissen fallen auch die Kosten für eine private Krankenbehandlung darunter. Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass es sich dabei nicht um die Anschaffung von Hausrat handelt und dass diese Aufwendungen vom Unterhaltsanspruch gedeckt sind.29 Denn § 96 bezieht sich gar nicht vorrangig auf die Anschaffung von Hausrat, sondern auf Rechtsgeschäfte zur Beschaffung des täglichen Lebensaufwands, und er erfasst ganz typischerweise Ausgaben, die vom Unterhaltsanspruch des Ehegatten und der Kinder erfasst sind. Von der bisherigen Rechtsprechung wurden unter § 96 subsumiert: Ein- 12 kauf von Kleidungsstücken, Schuhen, kleineren Einrichtungsgegenständen oder Spielzeug30, von Bettwäsche und Handtüchern,31 Kauf und die Montage einer Eingangstür32; nicht aber der Kauf einer Kücheneinrichtung33 oder eine größere Küchenreparatur,34 der Kauf von Oberbekleidung und Schmuck,35 die Anmeldung eines Kindes im Internat,36 die Eröffnung eines Kontos37 sowie Klags- und Exekutionskosten.38 Die Vertretungsbefugnis umfasst auch die Vereinbarung der näheren Vertragsbestimmungen, wie die Festlegung des Erfüllungsorts39 oder üblicher Zinsen,40 sowie deren spätere Modifikation.41

III. Innenverhältnis § 96 regelt nur die Beziehung der Ehegatten gegenüber dem Dritten und 13 nicht das interne Verhältnis der Ehegatten untereinander. Dieses wird durch die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse (§§ 91, 95)

Wien 26. 11. 1985, 45 R 653/85, EFSlg 47.517; 3. 10. 1989, 45 R 585/89, EFSlg 58.714; anders aber OGH 10. 10. 1994, 10 Ob 526/94, JBl 1995, 324, wo die Anwendbarkeit des § 96 auf die Zahnbehandlungskosten für den Sohn wegen des Vorliegens von eigenen Einkünften der Mutter verneint wurde. 29 So Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 96 Rz 3. 30 LGZ Wien 14. 9. 1984, 45 R 489/84, EFSlg 44.901. 31 OLG Wien 24. 7. 1984, 11 R 99/84, EFSlg 44.902. 32 LGZ Wien 22. 10. 1991, 45 R 603/91, EFSlg 64.937. 33 LGZ Wien 24. 1. 1989, 45 R 802/88, EFSlg 58.715. 34 LGZ Wien 22. 3. 1994, 45 R 81/94, EFSlg 73.841. 35 LGZ Wien 28. 4. 1981, 45 R 131/81, EFSlg 37.622: Die Aussage, dass es sich dabei nicht um Rechtsgeschäfte für den gemeinsamen Haushalt handelt, ist allerdings in dieser Allgemeinheit unzutreffend. 36 OGH 18. 10. 1995, 7 Ob 537/95, EFSlg 76.721. 37 OLG Wien 3. 12. 1991, 11 R 217/91, EFSlg 64.936. 38 LGZ Wien 10. 10. 1985, 45 R 585/85, EFSlg 47.516. 39 LGZ Wien 18. 12. 1980, 45 R 748/80, 29. 12. 1980, 45 R 794/80, EFSlg 35.247. 40 OLG Wien 24. 7. 1984, 11 R 99/84, EFSlg 44.903. 41 LGZ Wien 1. 3. 1984, 45 R 128/84, EFSlg 44.898.

207

§ 97

Hinteregger

bestimmt. Meinungsverschiedenheiten über die Tragung des ehelichen Lebensaufwands können nicht vor Gericht ausgetragen werden (s § 89 Rz 4), sodass auch wechselseitige Aufwandersatzansprüche nicht erhoben werden können (im Übrigen s § 95 Rz 7). Gründet sich das Vertretungsverhältnis auf eine rechtsgeschäftliche 14 Grundlage, sind die Regeln über den Aufwandersatzanspruch (§ 1014) anzuwenden. Auch ein Anspruch auf Aufwandersatz wegen Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 1035ff) kann möglich sein.

§ 97. Ist ein Ehegatte über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt, so hat dieser einen Anspruch darauf, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Dies gilt nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird. BGBl 1975/412 (Mat.: NR: RV 851 BlgNR XIII. GP; JAB 1662 BlgNR XIII. GP; BR: AB 1396 BlgBR) Lit: Allg Lit zu §§ 89–100 und Schimetschek Bruno, Die besonderen Rechtsprobleme der „Ehewohnung“, ImmZ 1979, 35; Binder Martin, Der Wohnungsschutz des Ehegatten und des Kindes, in Harrer/Zitta, Familie 53; Jesser Helga, Der Anspruch des Ehegatten auf Ausschluß anderer Personen, auch eigener Kinder, vom Aufenthalt in der Ehewohnung, in Harrer/Zitta, Familie 729; Mohr Martina, Das absolute Schuldrecht, ecolex 1994, 157; Binder Martin, Der Schutz der Familienwohnung in Österreich, in Henrich Dieter/Schwab Dieter (Hrsg), Der Schutz der Familienwohnung in Europäischen Rechtsordnungen (Bielefeld 1995) 79; Giefing Thomas, Die familien- und exekutionsrechtlichen Aspekte des ehelichen Wohnens (Wien 1998).

Übersicht I. Allgemeines II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Familienrechtlicher Wohnanspruch 2. Dringendes Wohnbedürfnis 3. Verfügungsberechtigung III. Inhalt des Anspruchs IV. Drittwirkung V. Zwingende Umstände VI. Erlöschen

208

1–6 7–15 7 9 13 16–19 20–23 24 25–28

Allgemeines

§ 97

I. Allgemeines Die RV zum EheRwG 1975 sah in § 96 erstmals einen gesonderten An- 1 spruch auf Wohnungsschutz im Eherecht vor. Danach hat der Ehegatte, der über die Wohnung, die dem dringenden Wohnbedürfnis des anderen dient, verfügungsberechtigt ist, alles zu unterlassen, was zu einem Verlust dieser Wohnung führen könnte. Diese Verpflichtung sollte nicht bestehen, wenn der verfügungsberechtigte Ehegatte durch die Umstände zu dem Verhalten gezwungen ist. Bei Verletzung dieser Unterlassungspflicht war ausdrücklich eine Schadenersatzpflicht vorgesehen. Ziel dieser Bestimmung sollte sein, den auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten vor Willkürakten des Verfügungsberechtigten zu schützen.1 Denn „nicht selten benützt ein Ehegatte sein Verfügungsrecht über die Wohnung dazu, zum Schaden des anderen Ehegatten und sehr oft auch der Kinder Verfügungen zu treffen, zu denen er wirtschaftlich in keiner Weise genötigt ist.“2 Der JA übernahm die vorgeschlagene Bestimmung im Wesentlichen in den neuen § 97. Er nahm einige sprachliche Präzisierungen vor und ergänzte den ursprünglich vorgesehenen Unterlassungsanspruch um einen Anspruch auf aktives Tun. Die ausdrückliche Verpflichtung zu Schadenersatz wurde gestrichen, weil eine solche schon aus den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen folge.3 Der in § 97 geregelte Anspruch auf Wohnungsschutz gründet sich auf die 2 eheliche Beistandspflicht (s § 44 Rz 10, § 90 Rz 16ff) und ist deshalb nicht vom Bestehen eines Unterhaltsanspruchs gegenüber dem über die Wohnung verfügungsberechtigten Ehegatten abhängig.4 Die in § 44 und § 90 festgelegte Verpflichtung, sich gegenseitig beizustehen, erstreckt sich auch auf die Wohnversorgung.5 Verfügt ein Ehegatte über keine angemessene Wohnung, dann ist der andere im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, ihn bei sich aufzunehmen oder sonst bei der Erlangung einer Wohnmöglichkeit zu unterstützen. Die Verletzung dieser allgemeinen Beistandspflicht kann eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG darstellen und zur Erhebung einer Scheidungsklage berechtigen. § 97 regelt einen praktisch besonders bedeutsamen Teilaspekt dieser 3 Pflicht, nämlich die Verpflichtung des über die Wohnung verfügungsberechtigten Ehegatten, alles zu tun und zu unterlassen, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliert, und sieht dafür einen eigens durch-

1 RV 851 BlgNR XIII. GP 23. OGH 28. 6. 2000, 6 Ob 124/00d, EFSlg 91.902; 30. 1. 2001, 1 Ob 162/00f, EFSlg 95.318; 18. 12. 2002, 9 Ob 226/02d, EFSlg 99.200; LGZ Wien 26. 11. 1997, 45 R 385/97v, EFSlg 83.060; 28. 5. 2003, 7 Ob 86/03b, JBl 2003, 927. 2 RV 851 BlgNR XIII. GP 23. 3 JAB 1662 BlgNR XIII. GP 7f. 4 OGH 18. 12. 1991, 3 Ob 541/91, wobl 1993, 26/19; 9. 11. 1995, 6 Ob 611/95, AnwBl 1996, 247; OLG Wien 24. 3. 1983, 15 R 8/83, JBl 1992, 704; LGZ Wien 24. 8. 2000, 42 R 331/00p, EFSlg 91.908; LG Salzburg 23. 2. 2001, 55 R 65/00f, EFSlg 95.313. AA zu Unrecht Giefing, Aspekte 98f. 5 Binder zu OGH 17. 7. 1996, 7 Ob 2061/96f, wobl 1997, 256 (258).

209

§ 97

Hinteregger

setzbaren Sonderanspruch vor. Bei § 97 handelt es sich um eine vorübergehende Notmaßnahme. Eine endgültige Lösung des Nutzungskonflikts um die Wohnung kann nur einvernehmlich oder nach erfolgter Eheauflösung im Rahmen des Aufteilungsverfahrens (§§ 81ff EheG) bzw nach dem Tod des Verfügungsberechtigten über die Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche erfolgen. 4 Der Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 gilt als persönliche Rechtswirkung der Ehe vermögensrechtlicher Natur (s § 89 Rz 4). Er hat aber seine Grundlage in der ehelichen Beistandspflicht und ist an die Person des Ehegatten gebunden. Es handelt sich dabei deshalb um einen höchstpersönlichen Anspruch, der weder abgetreten noch gepfändet oder verpfändet werden kann. 5 Der aus § 97 resultierende Anspruch auf Wohnungsschutz ist während aufrechter Ehe unabhängig von einem allfälligen Scheidungsverfahren gesondert durchsetzbar. Er kann durch Klage im streitigen Verfahren geltend gemacht und durch einstweilige Verfügung gesichert werden (s Rz 17ff). 6 Zur analogen Anwendung des § 97 auf den Hausrat s § 90 Rz 19. Eine analoge Anwendung des Wohnungserhaltungsanspruchs nach § 97 auf das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern6 ist nicht angemessen, weil zwischen Eltern und Kindern kein vergleichbarer Wohnanspruch besteht.7 Den Interessen zwischen Eltern und Kindern auf Wohnversorgung kann über das Unterhaltsrecht ausreichend Rechnung getragen werden.8 Räumungsklagen zwischen Eltern und Kindern, die der zwischen Eltern und Kindern bestehenden lebenslangen und von einem konkreten Unterhaltsanspruch unabhängigen Beistandspflicht widersprechen, können außerdem wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sein.

II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Familienrechtlicher Wohnanspruch 7

Voraussetzung für den Wohnungsschutzanspruch nach § 97 ist das Bestehen eines familienrechtlichen Wohnanspruchs.9 Dieser ergibt sich aus der in § 90 geregelten Verpflichtung zur umfassenden Lebensgemeinschaft, die eine Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen und zum Beistand mit einschließt. 6 Steininger, FamRZ 1979, 782f; derselbe in Ruppe, Handbuch2, 12; Binder in Harrer/ Zitta, Familie 66ff; derselbe in Henrich/Schwab, Familienwohnung 80f. 7 Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 97 Rz 3. 8 Vgl OGH 19. 2. 1992, 1 Ob 541/92, EFSlg 67.687, wo dem Kind ein Anspruch auf Verbleib in der Familienwohnung im Rahmen des Naturalunterhalts zugesprochen wurde. 9 OGH 30. 1. 1986, 7 Ob 691/85, MietSlg 38.003; 22. 10. 1986, 1 Ob 588/86, EFSlg 50.253f; 30. 1. 2001, 1 Ob 162/00f, EFSlg 95.312; 22. 3. 2001, 4 Ob 49/01m, immolex 2001, 332/181; 30. 1. 2002, 3 Ob 71/01i, immolex 2002, 294/108; 18. 12. 2002, 9 Ob 226/02d, EFSlg 99.199. LGZ Wien 19. 9. 2000, 39 R 254/00t, MietSlg 52.005: Keine Schutzbedürftigkeit (mangels Vorliegens eines familienrechtlichen Wohnanspruchs), wenn die Ehegatten in verschiedenen Wohnungen leben und nur fallweise gemeinsam übernachten.

210

Tatbestandsvoraussetzungen

§ 97

Der familienrechtliche Wohnanspruch entsteht somit mit der Eheschließung. Seine nähere Konkretisierung erhält er durch die Ehegatten im Rahmen der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 90 Rz 4ff, § 92 Rz 1ff). Der Schutzanspruch des § 97 bezieht sich auf alle Arten von Wohnun- 8 gen.10 Es kann sich um eine Miet-, Eigentums-, Genossenschafts- oder Dienstwohnung11, aber auch um ein Einfamilienhaus12 oder ein Schloss13 handeln. § 97 setzt nicht voraus, dass es sich um die Ehewohnung handelt, oder dass die Wohnung von beiden Ehegatten gemeinsam benutzt wird oder jemals gemeinsam benutzt wurde.14 Entgegen den EB in der RV ist es auch nicht notwendig, dass die Wohnung jemals als Ehewohnung bestimmt war.15 Denn nach dem Zweck des § 97 kommt es auf das Bestehen des familienrechtlichen Wohnanspruchs an der jeweiligen Wohnung an. Dieser kann sich aus der Widmung der Wohnung als Ehewohnung ergeben. Dies muss aber nicht sein. Der familienrechtliche Wohnanspruch besteht auch dann, wenn beide Ehegatten vereinbaren, dass ein Ehegatte eine bestimmte Wohnung alleine benützen soll, oder wenn ein Ehegatte berechtigter Weise die Ehewohnung verlässt und in einer anderen Wohnung gesondert Wohnung nimmt (§ 92). Dann bezieht sich der Wohnungserhaltungsanspruch des § 97 auf diese Wohnung. Hat der Ehegatte bereits auf seinen familienrechtlichen Wohnanspruch verzichtet, etwa weil die häusliche Gemeinschaft einvernehmlich aufgehoben wurde, dann kann er sich nicht mehr auf § 97 stützen.16 2. Dringendes Wohnbedürfnis Der Wohnungserhaltungsanspruch des § 97 besteht nur für die Wohnung, 9 die dem schutzsuchenden Ehegatten zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient. Dies setzt einmal voraus, dass dieser die Wohnung tatsächlich benutzt.17 Eine bloß beabsichtigte oder mögliche Nutzung der

10 OGH 26. 5. 1976, 8 Ob 523/76, EFSlg 26.096; 25. 1. 2000, 1 Ob 221/99b, ÖBA 2000, 925/911; 26. 2. 2001, 3 Ob 70/00s, JBl 2001, 583. 11 Zur Dienstwohnung s Rz 13. 12 OGH 17. 11. 1987, 4 Ob 523/87, EFSlg 53.081 = JBl 1988, 237; OLG Wien 29. 12. 1976, 7 R 240/76, EFSlg 26.097: auch Einfamilienhaus im Miteigentum der Ehegatten; LG Salzburg 23. 2. 2001, 55 R 65/00f, EFSlg 95.313. 13 OGH 19. 3. 1981, 7 Ob 760/80, SZ 54/37. 14 OGH 17. 2. 1983, 7 Ob 522/83, EFSlg 42.625; 11. 12. 2003, 2 Ob 274/03p, immolex 2004, 118/79; OLG Wien 24. 3. 1983, 15 R 8/83, MietSlg 35.003; LGZ Wien 12. 2. 1986, 41 R 1214/85, MietSlg 38.004; 7. 5. 1986, 48 R 11/86, MietSlg 38.005; 30. 6. 1987, 44 R 1021/87, EFSlg 53.083. 15 RV 851 BlgNR XIII. GP 23. Als obiter dicta ohne nähere Diskussion auch in OGH 11. 12. 2003, 2 Ob 274/03p, immolex 2004, 118/79 (Sommerhäuschen); LGZ Wien 30. 6. 1987, 44 R 1021/87, EFSlg 53.083. Zu Recht abl Giefing, Aspekte 120. 16 OGH 4. 3. 1981, 1 Ob 559/81, SZ 54/29. Zur Beendigung des Anspruchs nach § 97 s Rz 25ff. 17 OGH 17. 7. 1996, 7 Ob 2061/96f, wobl 1997, 256/102 (Binder).

211

§ 97

Hinteregger

Wohnung wird von § 97 nicht erfasst. Der Schutzanspruch des § 97 kommt deshalb nicht für Räumlichkeiten zum Tragen, die vom Ehegatten gar nicht selbst benutzt werden, sondern von ihm vermietet wurden.18 Bei der Beurteilung der Frage, ob ein dringendes Wohnbedürfnis vorliegt, ist auch auf das Wohl der Kinder und deren Wohnbedürfnis Bedacht zu nehmen.19 Ob ein dringendes Wohnbedürfnis besteht, wird nicht unter Rückgriff 10 auf die Judikatur zum Verständnis des dringenden Wohnbedürfnisses nach dem MRG20, sondern nach dem Zweck des § 97 beurteilt. Dem schutzsuchenden Ehegatten soll jene Wohnmöglichkeit erhalten bleiben, die ihm bisher zur Deckung der den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gedient hat.21 Er muss deshalb sein Wohnbedürfnis nicht auf das Allernotwendigste beschränken22 und sich ohne wirtschaftliche Notwendigkeit nicht auf eine andere Wohnmöglichkeit verweisen lassen. Ein dringendes Wohnbedürfnis kann auch vorliegen, weil das Zusammenleben mit dem Ehegatten in der Ehewohnung nicht zumutbar ist.23 Die Absicht, die Wohnung als Ausweichquartier zu benutzen, begründet jedenfalls kein dringendes Wohnbedürfnis.24 Der Wohnungserhaltungsanspruch greift nur ein, wenn der schutzsuchen11 de Ehegatte auf die Benutzung der Wohnung angewiesen ist. Ein Anspruch nach § 97 kann deshalb nicht geltend gemacht werden, wenn eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft zur Verfügung steht25 oder wenn sich der schutzsuchende Ehegatte diese aus eigenen Mitteln problemlos beschaffen kann. Eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft liegt vor, wenn sie den nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Wohnbedarf nicht unterschreitet26 und auch sonst, etwa aus persönlichen Gründen (Alter, Gesundheit, Beruf), nicht unzumutbar ist. Bei dieser Abwägung ist auch der Bedarf eines Kindes, das mit dem wohnungsbedürftigen Ehegatten im gemeinsamen Haushalt lebt, angemessen zu berücksichtigen.27 Eine völlige tatsächliche Gleichwertigkeit der Ersatzwohnung ist allerdings nicht erforderlich.28 Auf ei-

OGH 18. 6. 1991, 4 Ob 537/91, wobl 1993, 25/18. OGH 23. 1. 2002, 9 Ob 286/01a, EFSlg 102.493. 20 ZB § 14 Abs 3, § 30 Abs 2 Z 5 und 6 MRG. Dazu Binder in Harrer/Zitta, Familie 54f. 21 OGH 21. 12. 1983, 3 Ob 622/83, MietSlg 35.002; 18. 6. 1991, 4 Ob 537/91, wobl 1993, 25/18; 24. 4. 2001, 1 Ob 102/01h, MietSlg 53.007 (Weiterbenützung des als Abstellraum verwendeten Nachbarobjekts); 18. 12. 2002, 9 Ob 226/02d, EFSlg 99.201; LGZ Wien 23. 5. 2000, 42 R 157/00z, EFSlg 91.907; 28. 2. 2003, 44 R 132/03t, EFSlg 103.236. 22 OGH 18. 6. 1991, 4 Ob 537/91, wobl 1993, 25/18. 23 OGH 17. 2. 1983, 7 Ob 522/83, EFSlg 42.630. 24 LGZ Wien 28. 9. 1988, 43 R 1063/88, WR 356. 25 OGH 28. 6. 2000, 6 Ob 124/00d, EFSlg 91.904; LGZ Wien 20. 6. 1985, 47 R 2035/85, EFSlg 47.520; 30. 6. 1987, 44 R 1021/87, EFSlg 53.085. 26 OGH 28. 6. 2000, 6 Ob 124/00d, EFSlg 91.905. 27 Binder in Henrich/Schwab, Familienwohnung 82. Dieser Gedanke wurde mit der Neufassung des § 82 Abs 2 EheG durch das EheRÄG 1999 noch verstärkt. Dieser sieht nun vor, dass eine in die Ehe eingebrachte Wohnung in die Aufteilung einzubeziehen ist, wenn ein gemeinsames Kind einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat. 28 OGH 19. 3. 1981, 7 Ob 760/80, SZ 54/37; 28. 6. 2000, 6 Ob 124/00d, EFSlg 91.905. 18 19

212

Tatbestandsvoraussetzungen

§ 97

ne Wohnmöglichkeit bei den Eltern braucht sich der Ehegatte nicht verweisen zu lassen.29 Die Rechtsprechung hat bereits mehrfach festgehalten, dass die Beweis- 12 last in Bezug auf das dringende Wohnbedürfnis beim verfügungsberechtigten Ehegatten liegt. Dieser hat nachzuweisen, dass es im konkreten Fall nicht besteht.30 Dies erscheint etwas weitgehend zu sein. Als anspruchsbegründende Tatsache ist das Bestehen eines dringenden Wohnbedürfnisses an sich vom wohnungsbedürftigen Ehegatten zu beweisen. Wird die Wohnung vom wohnungsbedürftigen Ehegatten tatsächlich benützt und stellt sie seinen Lebensmittelpunkt dar, so spricht allerdings bereits der Anschein dafür, dass er auch ein dringendes Wohnbedürfnis daran hat. Handelt es sich bei der Wohnung etwa um ein Ferienhaus, so obliegt dem wohnungsbedürftigen Ehegatten der Beweis, dass er auf das Objekt zur Deckung seines dringenden Wohnbedürfnisses angewiesen ist.31 3. Verfügungsberechtigung Nach dem Wortlaut des § 97 steht der Anspruch dem auf die Wohnung an- 13 gewiesenen Ehegatten gegenüber dem verfügungsberechtigten Ehegatten zu.32 Die Art der Verfügungsbefugnis ist nicht entscheidend. Sie kann sich auf dingliche Berechtigungen, wie Eigentum, Miteigentum, Baurecht oder Dienstbarkeit, aber auch auf obligatorische Rechte (Miete, Leihe) stützen33 oder sich aus einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise (zB Stellung des Ehegatten als Organ der KG, der die Wohnung gehört)34 ergeben. Auch die Verfügungsbefugnis auf Grund eines Prekariums35, eines familienrechtlichen Wohnanspruchs gegenüber Verwandten oder an einer Dienstwohnung36 ist ausreichend. § 97 begründet ja nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Wohnungserhaltung zwischen den Ehegatten und reicht nur so weit wie die Berechtigung des Verfügungsberechtigten. Soweit es an der Verfügungsberechtigung fehlt,37 etwa weil das Prekarium bereits widerrufen wurde38 oder die Berechtigung an der Dienstwohnung vom Dienstgeber entzogen wurde, geht der Anspruch ins OGH 7. 6. 1977, 1 Ob 615/77, SZ 50/81. OGH 25. 1. 1994, 4 Ob 503/94, EFSlg 73.843; 28. 5. 2003, 7 Ob 86/03b, JBl 2003, 927; LGZ Wien 30. 7. 2003, 42 R 392/03p, EFSlg 106.262. 31 OGH 13. 6. 1995, 4 Ob 541/95, wobl 1996, 201/64. 32 ZB OGH 5. 2. 1987, 6 Ob 621/86, EFSlg 53.079 = JBl 1987, 518; 30. 1. 2001, 1 Ob 162/00f, EFSlg 95.314; 26. 2. 2001, 3 Ob 70/00s, JBl 2001, 583; LGZ Wien 25. 10. 1989, 44 R 1043/89, EFSlg 58.716: Schutz des Wohnbedürfnisses des Ehegatten, dem die Wohnung nicht oder nicht allein gehört. 33 OGH 26. 5. 1976, 8 Ob 523/76, EFSlg 26.096; 25. 1. 2000, 1 Ob 221/99b, ÖBA 2000, 925/911; 28. 5. 2003, 7 Ob 86/03b, JBl 2003, 927. 34 OGH 28. 5. 2003, 7 Ob 86/03b, JBl 2003, 927. 35 OGH 25. 2. 1988, 7 Ob 732/87, MietSlg 40.078; 25. 1. 1996, 6 Ob 507/96, wobl 1998, 122/82; Giefing, Aspekte 117; aA Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 36. 36 OLG Wien 17. 8. 1977, 7 R 151/77, EFSlg 28.652. 37 Vgl dazu auch OGH 25. 1. 2000, 1 Ob 221/99b, ÖBA 2000, 925/911. 38 OGH 25. 1. 1996, 6 Ob 507/96, wobl 1998, 122/82. 29 30

213

§ 97

Hinteregger

Leere. Eine Gefährdung der Interessen des Dienstgebers ist deshalb nicht zu besorgen. Die Befürchtung, dass der wohnbedürftige Ehegatte den verfügungsberechtigen Ehegatten über § 97 zwingen könnte, seine Arbeitsstelle nicht zu wechseln,39 spricht ebenfalls nicht gegen die Anwendung des § 97 auf Dienstwohnungen.40 Denn § 97 schützt nur vor Willkürakten des verfügungsberechtigten Ehegatten. Soweit die Aufgabe der Arbeitsstelle und damit der Wohnung durch die Umstände erzwungen ist, kann dies der andere Ehegatte nicht verhindern. Außerdem ist zu bedenken, dass § 97 nicht nur vor rechtlichen Verfügungen schützt, sondern einen umfassenden Anwendungsbereich hat, der auch faktische Verhaltensweisen mit einbezieht. Eine pauschale Herausnahme von Dienstwohnungen aus dem Anwendungsbereich des § 97 würde den auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten auch gegenüber solchen Eingriffen schutzlos stellen, was keinesfalls zu rechtfertigen wäre. Wird über das Vermögen des verfügungsberechtigten Ehegatten der Kon14 kurs eröffnet, so verändert sich auch der Wohnanspruch des wohnungsbedürftigen Ehegatten. Da sein Anspruch auf Wohnungserhaltung nur so weit reichen kann wie die Verfügungsbefugnis des anderen Ehegatten, hat er alle Einschränkungen des Rechts auf Wohnungsnutzung, die den verfügungsberechtigten Ehegatten treffen, hinzunehmen. Soweit sie der verfügungsberechtigte Ehegatte nicht abwehren kann, sind sie iSd § 97 letzter Satz durch die Umstände erzwungen. Da § 97 nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Wohnungserhaltung gegenüber dem anderen Ehegatten gewährt, stehen dem wohnungsbedürftigen Ehegatten weder ein Aussonderungs- noch ein Absonderungsrecht zu.41 Aus § 1 KO, der anordnet, dass dem Gemeinschuldner durch die Eröffnung des Konkurses die freie Verfügung über die Konkursmasse entzogen wird, ist aber nicht abzuleiten, dass der Anspruch nach § 97 ab der Konkurseröffnung gar nicht mehr besteht und erst wieder aufleben kann, wenn dem Gemeinschuldner die Benützung der Wohnung nach § 5 Abs 3 (oder Abs 4) KO eingeräumt wird.42 Es ist vielmehr anzunehmen, dass der Gemeinschuldner weiterhin alles tun muss, was (noch) in seiner Macht steht, um dafür zu sorgen, dass der andere Ehegatte die Wohnung nicht verliert. Er hat sich beispielsweise faktischer Eingriffe zu enthalten und ist nicht berechtigt, auf seine Ansprüche auf Überlassung unentbehrlichen Wohnraums nach § 5 Abs 3 und 4 KO zu verzichten. Fällt der wohnungsberechtigte Ehegatte in Konkurs, so stellt sich die Frage, ob sein Anspruch nach § 97 auf Wohnungserhaltung gegenüber dem anderen Ehegatten in die Konkursmasse fällt. Da es sich um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt (s Rz 4), ist dies zu verneinen.

39 40 41 42

214

So Giefing, Aspekte 115ff unter Berufung auf Schwind, Kommentar2 § 97 Anm 2.3. Binder in Henrich/Schwab, Familienwohnung 81. OGH 26. 5. 2004, 9 Ob 148/03k, ecolex 2004, 784/356. So aber OGH 26. 5. 2004, 9 Ob 148/03k, ecolex 2004, 784/356.

Inhalt des Anspruchs

§ 97

§ 97 schützt nicht nur vor der Gefährdung der Wohnungsnutzung durch die 15 Ausübung rechtlicher Verfügungsmacht (Kündigung der Mietwohnung, Verkauf des Einfamilienhauses), sondern auch vor rein faktischem Verhalten (zB Aussperren des anderen Ehegatten). Ein solches Verhalten kann auch vom nicht verfügungsberechtigten gegen den verfügungsberechtigten Ehegatten gerichtet werden. Der verfügungsberechtigte Ehegatte kann sich gegen solche Eingriffe zwar mit den Mitteln des allgemeinen Zivilrechts (Unterlassungsoder Besitzstörungsklage) besser wehren als der nicht verfügungsberechtigte. Soweit dies aber nicht der Fall ist, ist es angemessen, auch dem verfügungsberechtigten Ehegatten den Anspruch nach § 97 zuzugestehen.

III. Inhalt des Anspruchs § 97 hat einen umfassenden Anwendungsbereich. Er kann sowohl gegen 16 ein tatsächliches Handeln oder Unterlassen als auch gegen die Vornahme oder die Unterlassung von Rechtshandlungen geltend gemacht werden. Er erstreckt sich somit auf alle Handlungen, durch die dem anderen die Wohnmöglichkeit entzogen wird,43 wie die Aufgabe von Mietrechten, Rechtsverzichte und bewusst nachteilige Verkäufe von Eigentumswohnungen oder Eigenheimen44 oder rein tatsächliche Handlungen, wie die Verhinderung des Zutritts zur Wohnung durch den Austausch des Wohnungsschlosses.45 § 97 ist auch anzuwenden, wenn der andere Ehegatte die Nutzung der Wohnung unerträglich macht, indem er dem Geliebten/der Geliebten den Zutritt zur Wohnung erlaubt.46 Der Anspruch nach § 97 ist durch Klage im streitigen Verfahren zu ver- 17 folgen.47 Es kann sowohl ein Unterlassungs- als auch ein Leistungsanspruch geltend gemacht werden.48 Der gefährdete Ehegatte kann beispielsweise untersagen, dass der andere das Haus verkauft, das Mietrecht kündigt49 oder auf ein familienrechtliches Wohnrecht verzichtet. Er kann auch ein positives Handeln einfordern, wie die Erhebung von Einwendungen gegen die Aufkündi-

43 44 45

OLG Wien 26. 7. 1983, 18 R 154/83, EFSlg 42.624. OLG Wien 6. 10. 1983, 12 R 195/83, EFSlg 42.626. OGH 4. 3. 1981, 1 Ob 559/81, SZ 54/29; LGZ Wien 3. 4. 1985, 43 R 2238/84, EFSlg

47.521. 46 LGZ Wien 11. 10. 1990, 47 R 2045/90, EFSlg 61.772; 12. 3. 1991, 47 R 2013/91, EFSlg 64.883. Bei einer besonders großen Wohnmöglichkeit (Schloss) muss die Aufnahme der Freundin durch den Mann nach Ansicht des OGH nicht zur Unzumutbarkeit führen: OGH 19. 3. 1981, 7 Ob 760/80, SZ 54/37. Zur Aufnahme dritter Personen in die Wohnung durch einen Ehegatten s § 90 Rz 6ff. 47 OGH 7. 11. 1990, 6 Ob 665/90, EFSlg 61.774; OLG Wien 13. 3. 1987, 13 R 47/87, EFSlg 53.082; LGZ Wien 25. 10. 1989, 44 R 1043/89, EFSlg 58.717; 8. 5. 2001, 43 R 223/01i, EFSlg 95.326. 48 OGH 18. 12. 2002, 9 Ob 226/02d, EFSlg 99.204. 49 LGZ Wien 8. 5. 2001, 43 R 223/01i, EFSlg 95.324: dies gilt auch für die Aufgabe eines Mitmietrechts.

215

§ 97

Hinteregger

gung,50 die Übergabe eines Wohnungsschlüssels51, die Zahlung des Mietzinses an den Vermieter52 oder die Weiterzahlung der Kreditraten und der sonstigen Fixkosten, wenn der Kläger diese nicht aus Eigenem leisten kann.53 Ein Anspruch auf Bezahlung der Betriebskosten für die Wohnung kann nicht auf § 97,54 sondern nur auf § 94 gestützt werden (zur Berücksichtigung der Wohnungskosten im Unterhaltsrecht s § 94 Rz 27, 30). Auch die Erhebung einer Feststellungsklage kann möglich sein.55 Der Wohnungserhaltungsanspruch des § 97 kann überdies die Exekutionsführung eines Ehegatten in die gemeinsame Eigentumswohnung verhindern.56 Ist der Eingriff in das Wohnrecht bereits erfolgt, so besteht ein Anspruch auf Schadenersatz.57 Dieser richtet sich vorrangig auf Naturalrestitution (Wiederherstellung der Wohnmöglichkeit).58 Soweit diese nicht mehr möglich ist, ist Geldersatz zu leisten.59 Der Anspruch auf Schadenersatz setzt Rechtswidrigkeit und Verschulden voraus. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der verpflichtete Ehegatte in das Wohnrecht des anderen Ehegatten eingegriffen hat, dieser Eingriff nicht durch zwingende Umstände gerechtfertigt und das Verhalten auch subjektiv vorwerfbar war. 18 § 97 deckt nur die Erhaltung der bestehenden Wohnmöglichkeit und gibt keinen Anspruch auf die Zuweisung weitergehender Rechte. Nicht gefordert werden kann deshalb: die Übergabe der geräumten Wohnung,60 die Übertragung der Mietrechte61 oder gar die Begründung eines dinglichen Rechts.62 Derartige Ansprüche können erst nach Eheauflösung, vor allem im Aufteilungsverfahren nach §§ 81ff EheG, erhoben werden.

OGH 23. 2. 1999, 1 Ob 368/98v, JBl 1999, 728. OGH 4. 3. 1981, 1 Ob 559/81, SZ 54/29; 23. 2. 1999, 1 Ob 368/98v, JBl 1999, 728; LGZ Wien 3. 4. 1985, 43 R 2238/84, EFSlg 47.521. 52 OGH 6. 7. 2004, 7 Ob 100/04p, EWr III/97 A/15; LGZ Wien 8. 5. 2001, 43 R 223/01i, EFSlg 95.333. 53 OGH 9. 11. 1995, 6 Ob 611/95, AnwBl 1996, 247; LG Linz 8. 1. 2000, 14 R 427/00p, EFSlg 94.720; LG Salzburg 23. 2. 2001, 55 R 65/00f, EFSlg 95.332. 54 OGH 20. 10. 2004, 3 Ob 231/04y, JBl 2005, 468. 55 ZB Klage auf Feststellung des Weiterbestehens des Hauptmietrechts des anderen Ehegatten, weil die Voraussetzungen des § 12 MRG für die Abtretung des Mietrechts gefehlt haben: LGZ Wien 23. 2. 1989, 47 R 2010/89, EFSlg 58.720. Feststellung, dass die Übertragung der Hauptmietrechte der Ehefrau gegenüber unwirksam ist: OGH 18. 12. 1991, 3 Ob 541/91, JBl 1992, 704 (noch abl: LGZ Wien 29. 11. 1990, 47 R 2066/90, EFSlg 64.939). 56 OGH 16. 2. 2005, 3 Ob 304/04h, JBl 2005, 522. 57 OGH 22. 3. 2001, 4 Ob 49/01m, immolex 2001, 332/181. 58 LGZ Wien 25. 10. 1989, 44 R 1043/89, EFSlg 58.718; 8. 5. 2001, 43 R 223/01i, EFSlg 95.331. 59 LGZ Wien 25. 10. 1989, 44 R 1043/89, EFSlg 58.719: Ersatz des Aufwands für die Beschaffung einer gleichwertigen Wohnmöglichkeit. 60 LGZ Wien 9. 3. 1987, 48 R 53/87, MietSlg 39.006. 61 OGH 23. 2. 1999, 1 Ob 368/98v, JBl 1999, 728. 62 OGH 3. 11. 1982, 1 Ob 741/82, EFSlg 40.052; LGZ Wien 11. 9. 1986, 43 R 419/86, EFSlg 50.262. 50 51

216

Drittwirkung

§ 97

Der Anspruch nach § 97 kann gegenüber dem anderen Ehegatten durch 19 einstweilige Verfügung nach § 382e EO gesichert werden. Gegenüber dritten Personen richtet sich das Recht zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 381 EO.63 § 382e EO wurde durch das EheRÄG 1999, BGBl I 125 in die EO eingefügt.

IV. Drittwirkung § 97 verschafft dem wohnungsberechtigten Ehegatten einen schuldrecht- 20 lichen Anspruch gegenüber dem anderen Ehegatten. Gegenüber dritten Personen kann dieser Anspruch deshalb grundsätzlich nicht geltend gemacht werden.64 Allerdings kann der wohnungsberechtigte Ehegatte gegenüber Dritten ei- 21 nen Anspruch auf Schadenersatz nach den Grundsätzen der Schadenersatzpflicht wegen Eingriffs in ein Forderungsrecht65 erheben. Der wohnungsberechtigte Ehegatte hat demnach Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Dritte den anderen Ehegatten wissentlich zur Forderungsverletzung verleitet hat, wenn beide zum Nachteil des Wohnungsberechtigten arglistig zusammenwirken (Kollusion) sowie bei Vorliegen von Schädigungsabsicht.66 Da es sich beim Wohnungsrecht um ein durch Besitz verstärktes Forderungsrecht handelt,67 kommt der Schadenersatzanspruch bereits zum Tragen, wenn der Dritte das Wohnungsnutzungsrecht des Ehegatten tatsächlich kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste.68 Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn der Dritte die Kenntnisnahme bewusst verweigert hat.69 Dem Dritten wird an sich keine Nachforschungspflicht auferlegt,70 sondern nur wenn bedenkliche Umstände vorliegen, etwa wenn der Dritte bei einem LiegenOGH 28. 5. 2003, 7 Ob 86/03b, JBl 2003, 927. OGH 22. 10. 1986, 1 Ob 588/86, EFSlg 50.256; 5. 2. 1987, 6 Ob 621/86, JBl 1987, 518; 19. 9. 1990, 3 Ob 94/90, JBl 1991, 719; 10. 11. 1993, 3 Ob 87/93, SZ 66/141 = ecolex 1994, 161 (dazu Mohr, ecolex 1994, 157). 65 Zum Schadenersatz bei Verletzung fremder Forderungsrechte im Allgemeinen: Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte (1967); derselbe, Haftpflichtrecht II2, 40ff; Schilcher/Holzer, Der schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerung von Liegenschaften, JBl 1974, 445, 512. 66 OGH 16. 12. 1987, 3 Ob 155/87, ÖJZ 1988, NRsp 88; 18. 4. 1989, 5 Ob 25/89, EFSlg 58.721; 16. 12. 1993, 8 Ob 547/93, MietSlg 45.004/32; 29. 5. 2001, 5 Ob 88/01d, immolex 2002, 79/28; LGZ Wien 31. 10. 1989, 48 R 67/89, MietSlg 41.002. 67 Der Anspruch nach § 97 setzt ja voraus, dass der berechtigte Ehegatte die Wohnung tatsächlich benutzt. S Rz 9. 68 OGH 22. 10. 1986, 1 Ob 588/86, EFSlg 50.257; 18. 12. 1991, 3 Ob 541/91, JBl 1992, 704; 31. 5. 1994, 4 Ob 529/94, NZ 1995, 178; 25. 1. 2000, 1 Ob 221/99b, ÖBA 2000, 925/911; 11. 7. 2001, 3 Ob 61/01v, immolex 2002, 54/19; 28. 5. 2003, 7 Ob 86/03b, JBl 2003, 927; 10. 2. 2004, 4 Ob 16/04p. Zur Bedeutung des Besitzes für den Anspruch auf Schadenersatz s Schilcher/Holzer, JBl 1974, 512. 69 OGH 11. 7. 2001, 3 Ob 61/01v, immolex 2002, 54/19. 70 Vgl zB OGH 5. 2. 1987, 6 Ob 621/86, JBl 1987, 518; 19. 9. 1990, 3 Ob 94/90, JBl 1991, 719. 63 64

217

§ 97

Hinteregger

schaftskauf nicht die Möglichkeit zur Besichtigung bekommt oder keinen Wohnungsschlüssel erhält.71 Einsicht in das Grundbuch reicht nicht, weil das eherechtliche Benutzungsrecht dem Grundbuch nicht zu entnehmen ist.72 Hat der Dritte die Liegenschaft besichtigt und hat die wohnungsberechtigte Ehegattin auf Nachfrage erklärt, ausziehen zu wollen, besteht kein Schadenersatzanspruch.73 Die Rechtsprechung will den Schadenersatzanspruch wegen fahrlässiger Verletzung des Wohnungsanspruchs durch den Dritten auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb beschränken. Erwirbt der Dritte die Wohnung im Wege der Zwangsversteigerung, so soll er dem wohnberechtigten Ehegatten nicht haften, wenn er das Wohnrecht zwar kannte oder kennen musste, ihm aber kein weitergehender Vorwurf, insbesondere arglistiges Zusammenspiel mit dem anderen Ehegatten, gemacht werden kann. Begründet wird diese Ansicht damit, dass der Ersteher nur jene Lasten zu übernehmen habe, die in den Versteigerungsbedingungen (seit EO-Novelle 200074: Versteigerungsedikt) angeführt sind.75 Diese Begründung übersieht, dass es sich bei dem Anspruch des wohnberechtigten Ehegatten gegenüber dem Ersteher nicht um eine exekutionsrechtliche Lastenübernahme, sondern um einen nach allgemeinem Schadenersatzrecht zu beurteilenden Schadenersatzanspruch handelt. Der Schadenersatzanspruch steht nur zu, wenn der wohnungsberechtigte Ehegatte dem Ersteher einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in sein Wohnrecht nachweisen kann. Gelingt dies, besteht kein Grund, den exekutiven Erwerber anders zu behandeln als den rechtsgeschäftlichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Erwerber ohne Vorliegen von Bedenken nicht zu Nachforschungen verpflichtet ist. Eine Haftung des Erstehers wird deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn er die Verhältnisse des Verpflichteten näher kennt. Bestand für den Ersteher kein Grund anzunehmen, dass mit der Versteigerung in das Wohnrecht des Ehegatten des Verpflichteten eingegriffen werden könnte, so entfällt eine Haftung des Erstehers schon mangels Rechtswidrigkeit. 22 Der Anspruch ist primär auf Naturalrestitution gerichtet. Der Dritte hat den Ehegatten so zu stellen, wie er ohne die rechtswidrige und schuldhafte Handlung stünde. Der Wohnungsberechtigte kann demzufolge vom Dritten die Unterlassung des Eingriffs76 und wenn dieser bereits geschehen ist, die Wie71 OGH 17. 2. 1983, 7 Ob 522/83, SZ 56/26. S den bei der Doppelveräußerung angewendeten Sorgfaltsmaßstab: Hinteregger in Schwimann, ABGB II3 (2005) § 440 Rz 19. Unverständlich Giefing, Aspekte 138ff, der den Schadenersatzanspruch bei bloßer Fahrlässigkeit des Dritten ablehnt, weil dieser sonst nachforschen müsste, ob ein Anspruch nach § 97 besteht. Eine solche Nachforschungspflicht wird von der Rechtsprechung eben grundsätzlich nicht angenommen. Sie wird nur bei Vorliegen von Bedenken bestehen. 72 OGH 17. 2. 1983, 7 Ob 522/83, EFSlg 42.627, 42.629. 73 OGH 10. 11. 1993, 3 Ob 87/93, SZ 66/141 = ecolex 1994, 161 (dazu Mohr, ecolex 1994, 157). 74 BGBl I 2000/59. 75 OGH 25. 1. 2000, 1 Ob 221/99b, ÖBA 2000, 925/911; 26. 2. 2001, 3 Ob 70/00s, JBl 2001, 583. 76 OGH 28. 5. 2003, 7 Ob 86/03b, JBl 2003, 927.

218

Zwingende Umstände

§ 97

derherstellung und Duldung der ungehinderten Wohnungsbenutzung fordern.77 Der Dritte kann keine auf das Miteigentum gestützte gerichtliche Benützungsregelung fordern,78 und der berechtigte Ehegatte muss dem Dritten kein Benützungsentgelt leisten.79 Erhebt der Dritte ein Räumungsbegehren, so kann der Wohnungsberechtigte den Anspruch nach § 97 im Räumungsverfahren als Einwendung geltend machen.80 Im Zwangsversteigerungsverfahren des Dritten kann er Widerspruch nach § 37 EO erheben.81 Bei mehreren aufeinander folgenden Veräußerungen kann der Anspruch 23 auch gegen den letzten Erwerber geltend gemacht werden.82 Die Rückabwicklung des zwischen dem Ehegatten und dem Dritten abgeschlossenen Vertrags kann nicht gefordert werden.83

V. Zwingende Umstände Der verfügungsberechtigte Ehegatte hat das Interesse des anderen an der 24 Wohnungsbenutzung so zu wahren wie ein verständiger und vorsorglicher Benützer die eigenen Interessen.84 Der Anspruch auf Wohnungserhaltung steht gem § 97 letzter Satz nicht zu, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird. Diese können tatsächlicher oder wirtschaftlicher Natur85 sein. Ausreichend sind jedenfalls Umstände von großer, Existenz bedrohender Tragweite, die auf andere Weise als durch Aufgabe der Wohnung nicht abgewehrt werden können.86 Im Übrigen ist die Zumutbarkeit der Wohnungserhaltung durch eine Interessenabwägung zu ermitteln.87 Eine wirtschaftliche Zwangslage, die erst durch die OGH 9. 7. 1997, 3 Ob 121/97h, immolex 1998, 108/64. OGH 21. 12. 1983, 3 Ob 622/83, MietSlg 35.002; 18. 6. 1991, 4 Ob 537/91, wobl 1993, 25/18: Dies gilt aber nicht für Räume, die vom Wohnberechtigten vermietet werden; OGH 24. 4. 2003, 3 Ob 51/03a, JBl 2003, 929. 79 OLG Wien 24. 3. 1983, 15 R 8/83, MietSlg 35.003. 80 OGH 30. 1. 1986, 7 Ob 691/85, EFSlg 50.258; OLG Wien 10. 5. 1985, 11 R 99/85, EFSlg 47.523; LGZ Wien 12. 2. 1986, 41 R 1214/85, MietSlg 38.004; 7. 5. 1986, 48 R 11/86, MietSlg 38.005; 20. 4. 1990, 48 R 146/90, MietSlg 42.004. 81 OGH 16. 12. 1987, 3 Ob 155/87, SZ 60/281; 10. 11. 1993, 3 Ob 87/93, SZ 66/141 = ecolex 1994, 161 (dazu Mohr, ecolex 1994, 157); 11. 7. 2001, 3 Ob 61/01v, immolex 2002, 54/19; LGZ Wien 26. 2. 1985, R 1207/84, MietSlg 37.004. 82 OGH 11. 7. 2001, 3 Ob 61/01v, immolex 2002, 54/19 (Schenkung an die schlechtgläubige Schwester und sodann Weiterveräußerung durch diese). 83 OGH 9. 7. 1997, 3 Ob 121/97h, immolex 1998, 108/64. 84 OGH 21. 12. 1983, 3 Ob 622/83, MietSlg 35.002; 30. 1. 2001, 1 Ob 162/00f, EFSlg 95.319; 24. 4. 2001, 1 Ob 102/01h, MietSlg 53.007. 85 LGZ Wien 30. 11. 1982, 43 R 2136/82, EFSlg 40.054; 26. 11. 1997, 45 R 385/97v, EFSlg 83.062. 86 Schwind, Kommentar2 § 97 Anm 5; OLG Wien 13. 5. 1983, 15 R 108/83, MietSlg 35.004; 6. 12. 1988, 11 R 235/88, EFSlg 55.957. 87 OGH 30. 1. 2001, 1 Ob 162/00f, EFSlg 95.322. Zwangslage auf Grund wirtschaftlicher Umstände: OGH 28. 6. 2000, 6 Ob 124/00d, EFSlg 91.903; 22. 3. 2001, 4 Ob 49/01m, immolex 2001, 332/181; 6. 7. 2004, 7 Ob 100/04p, EWr III/97 A/15. 77 78

219

§ 97

Hinteregger

unrechtmäßige Verlegung der Wohnung entstanden ist, ist dabei nicht zu berücksichtigen.88 Die Aufgabe der Wohnung kann auch dann berechtigt sein, wenn dem anderen Ehegatten die Wohnung zur alleinigen Nutzung durch EV zugewiesen war.89 Bloße Unannehmlichkeiten oder der Umstand, dass die Wohnung im vom Vater geerbten Haus liegt, reichen selbstverständlich nicht.90

VI. Erlöschen Der Anspruch nach § 97 ist Teil der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe. Er ist deshalb an den aufrechten Bestand der Ehe geknüpft91 und unterliegt der einvernehmlichen Gestaltung durch die Ehegatten. Auf ihn kann wirksam verzichtet werden.92 Er steht außerdem nicht zu, wenn seine Geltendmachung als Rechtsmissbrauch zu bewerten ist.93 Da sich der Wohnungserhaltungsanspruch auf die eheliche Beistandspflicht gründet, ist Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn der wohnungsbedürftige Ehegatte seine Beistandspflicht selbst gröblich vernachlässigt hat. Der verfügungsberechtigte Ehegatte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, 26 bei Lebzeiten dafür Sorge zu tragen, dass der andere Ehegatte die Wohnung nach seinem Tod weiter benutzen kann.94 Das Eigentumsrecht an der Wohnung vertraglich aufzugeben und sich auf ein Fruchtgenussrecht zu beschränken, kann aber nach Ansicht des OGH einen Verstoß gegen § 97 darstellen, weil das Fruchtgenussrecht grundsätzlich mit dem Tode erlischt.95 Dies hat nämlich zur Folge, dass der überlebende Ehegatte sich nicht mehr auf sein Wohnrecht im Rahmen des gesetzlichen Vorausvermächtnisses nach § 758 stützen kann. Soweit ein solches Verhalten nicht durch zwingende Umstände gerechtfertigt ist, stellt es eine krasse Verletzung der ehelichen Beistandspflicht dar. Wird diese Vorgangsweise vom verfügungsberechtigten Ehegatten nur deshalb gewählt, um dem anderen seine Wohnmöglichkeit zu entziehen, so kann es sogar als Rechtsmissbrauch gewertet werden. Eine Übergabe der Wohnung bei Lebzeiten des verfügungsberechtigten Ehegatten an eine dritte Person wird somit nur dann nicht gegen § 97 verstoßen, wenn entweder zwingende Umstände dafür sprechen oder wenn dem Wohnbedürfnis des anderen Ehegatten ausreichend Rechnung getragen wird. 25

88 OGH 31. 5. 1994, 4 Ob 529/94, NZ 1995, 178; LGZ Wien 23. 5. 2000, 42 R 157/00z, EFSlg 91.906; 18. 12. 2003, 43 R 875/03z, EFSlg 103.240. 89 OGH 22. 3. 2001, 4 Ob 49/01m, immolex 2001, 332/181. 90 OGH 26. 5. 1976, 8 Ob 523/76, EFSlg 26.096. 91 OGH 11. 7. 1985, 6 Ob 598/85, EFSlg 47.518; 22. 10. 1986, 1 Ob 588/86, EFSlg 50.261. 92 LGZ Wien 17. 4. 1984, 43 R 2084/83, EFSlg 44.905. 93 Binder in Henrich/Schwab, Familienwohnung 83. OGH 6. 10. 1980, 6 Ob 727/80, EvBl 1981, 317/95; OLG Wien 27. 1. 1982, 13 R 222/81, MietSlg 34.005; LGZ Wien 17. 4. 1984, 43 R 2084/83, EFSlg 44.905. 94 OLG Wien 30. 5. 1983, 14 R 93/83, EFSlg 42.628. 95 OGH 30. 1. 2001, 1 Ob 162/00f, EFSlg 95.323; anders noch OLG Wien 30. 5. 1983, 14 R 93/83, EFSlg 42.628.

220

Allgemeines

§ 98

Der Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 erlischt mit dem Tod des 27 Verfügungsberechtigten.96 Der überlebende Ehegatte braucht die Wohnung aber erst auf Verlangen des neuen Eigentümers zu räumen und ist nicht verpflichtet, diesem bis zu diesem Zeitpunkt ein Benützungsentgelt zu zahlen.97 Das Recht auf Weiterbenützung der Wohnung nach dem Tod des Verfügungsberechtigten kann sich aber aus anderen Rechtsgrundlagen ergeben (vgl insb § 758, § 14 MRG, § 14 WEG). Bei Auflösung der Ehe unter Lebenden durch Scheidung, Aufhebung 28 oder Nichtigerklärung der Ehe endet der Anspruch mit Rechtskraft der Entscheidung über die Eheauflösung. Wird jedoch rechtzeitig ein Aufteilungsanspruch nach den §§ 81ff EheG erhoben, lebt der Anspruch nach § 97 im Aufteilungsanspruch weiter.98 Der wohnungsbedürftige Ehegatte kann demnach dem Räumungsbegehren des anderen seinen Aufteilungsanspruch entgegenhalten.99 Dies kommt aber nicht mehr in Frage, wenn die Wohnung gar nicht in die Aufteilung fällt100 oder wenn der Aufteilungsanspruch bereits erloschen ist.101

§ 98. Wirkt ein Ehegatte im Erwerb des anderen mit, so hat er Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der Art und Dauer der Leistungen; die gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten, besonders auch die gewährten Unterhaltsleistungen, sind angemessen zu berücksichtigen. BGBl 1978/280 (Mat.: NR: RV 136, 289 BlgNR XIV. GP; JAB 916 BlgNR XIV. GP; BR: AB 1838 BlgBR) Lit: Allg Lit zu §§ 89–100 und Bydlinski Franz, Zur Neuordnung des Ehegüterrechts, FS Schwind (1978) 27; Berger Franz, Verfahrensrechtliches zu den neuen eherechtlichen Gesetzen, RZ 1978, 257; Goriany Michael, Gesellschaftsrechtliche Aspekte des neuen Ehegüterrechts, AnwBl 1978, 498; Knell Heribert, Die neuen vermögensrechtlichen Ansprüche von (ehemaligen) Ehegatten, RPflSlg A 5997; Ent Herbert, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 117; Fenyves Attila, Zur Abgeltung der Mitwirkung 96 OGH 9. 11. 1983, 1 Ob 733/83, EFSlg 42.631; 13. 4. 1994, 8 Ob 513/94, EvBl 1995, 61/7 = ecolex 1994, 536 (Hausmann). 97 OGH 17. 11. 1987, 4 Ob 523/87, JBl 1988, 237. 98 OGH 11. 7. 1985, 6 Ob 598/85, EFSlg 47.519; 30. 1. 1986, 7 Ob 691/85, EFSlg 50.260; 4. 6. 1987, 6 Ob 645/85, MietSlg 39.005; 17. 3. 1993, 7 Ob 529/93, EvBl 1993, 657/161; 30. 10. 1998, 1 Ob 79/98v, EFSlg 85.881; 25. 1. 2000, 1 Ob 221/99b, ÖBA 2000, 925/911; 28. 3. 2000, 1 Ob 68/00g, EFSlg 91.911; 25. 1. 2001, 2 Ob 1/01p, EFSlg 95.329; 26. 2. 2001, 3 Ob 70/00s, JBl 2001, 583; 9. 9. 2002, 7 Ob 178/02f, EFSlg 99.205; 24. 4. 2003, 3 Ob 51/03a, JBl 2003, 929. 99 OGH 11. 7. 1985, 6 Ob 598/85, MietSlg 37.003. 100 OGH 30. 1. 1986, 7 Ob 691/85, EFSlg 50.260. 101 OGH 30. 1. 1986, 7 Ob 691/85, EFSlg 50.259 (Schluss der mündlichen Streitverhandlung im Räumungsverfahren).

221

Hinteregger

§ 98

eines Ehegatten im Erwerb des anderen nach § 98 ABGB, in Ostheim, Schwerpunkte 141; Floretta Hans, Die familieneigenen Arbeitskräfte im österreichischen Recht, insbesondere im Arbeitsrecht, DRdA 1979, 257; Pichler Helmut, Einige Probleme des neuen Eherechts, JBl 1981, 281; Torggler Hellwig, Zur steuerlichen Behandlung des Entgelts für die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten (§ 98ff ABGB), ÖStZ 1980, 124; Holzer Wolfgang, Zivilrechtliche Konsequenzen der Angehörigenmitarbeit, in Ruppe, Handbuch2, 159; derselbe, Sozialrechtliche Konsequenzen der Angehörigenmitarbeit, in Ruppe, Handbuch2, 265; Scherdoner Helmut/Taucher Otto, Steuerrechtliche Konsequenzen der Angehörigenmitarbeit, in Ruppe, Handbuch2, 199; Schimetschek Bruno, Eherechtsreform und Ehegattenbesteuerung, ÖStZ 1986, 275; Feil Erich/Holeschofsky Peter, Unterhalt und Vermögensrechte nach der Scheidung2 (Eisenstadt 1991); Neumayr Matthias, Zur Höhe des Abgeltungsanspruchs nach § 98 ABGB, in Harrer/Zitta, Familie 479; derselbe, Sind die Regelungen über die Verjährung und das anzuwendende Verfahren beim Abgeltungsanspruch (§ 98 ABGB) sachgerecht? In Harrer/Zitta, Familie 499; Resch Reinhard, Ehegattenmitarbeit – bürgerlich-rechtliche Abgrenzungsfragen, ASoK 1998, 92.

Übersicht I. Allgemeines II. Inhalt 1. Anwendungsbereich 2. Höhe des Anspruchs 3. Verzicht III. Geltendmachung

1–3 4–12 4 7 11 13–15

I. Allgemeines 1

Die §§ 98–100 wurden durch das BG vom 15. Juni 1978 über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts, BGBl 1978/280, in das ABGB eingefügt. Sie waren in den dazugehörigen RV1 noch nicht vorgesehen und wurden erst vom JA2 ausgearbeitet. Das EheRwG 1975 hatte zwar die Verpflichtung zur Mitwirkung im Erwerb festgelegt, die Entscheidung über die Entgeltlichkeit der Mitwirkung jedoch der Neuordnung des ehelichen Güterrechts überlassen.3 2 Die Mitwirkung im Erwerb beruht auf der ehelichen Beistandspflicht und kann von den Ehegatten einvernehmlich gestaltet werden (s § 90 Rz 16ff). Seit dem EheRÄG 1999 können die Ehegatten die Verpflichtung zur Mitwirkung auch gänzlich ausschließen (s § 90 Rz 16). Der Abgeltungsanspruch des § 98 geht über die von § 90 festgelegte Mitwirkungsverpflichtung hinaus. Er be-

1 2 3

222

RV 136, 289 BlgNR XIV. GP. JAB 916 BlgNR XIV. GP. JAB 1662 BlgNR XIII. GP 2.

Inhalt

§ 98

zieht sich auf alle Mitwirkungsleistungen, unabhängig davon, ob sie in Erfüllung einer Verpflichtung nach § 90 erbracht werden oder nicht.4 Der Anspruch auf Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb ist Teil der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe und auf Ehegatten beschränkt. Eine analoge Anwendung des § 98 auf Beistandsleistungen zwischen Eltern und Kindern und zwischen Lebensgefährten kommt nicht in Frage.5 Der Abgeltungsanspruch nach § 98 kommt nur zum Tragen, soweit kein 3 vertraglicher Anspruch, ausgenommen ein Anspruch aus einem Dienstvertrag, besteht (§ 100). Die Abgrenzung zu vertraglichen Ansprüchen kann im Einzelfall schwierig sein. Sie ist aber von großer Bedeutung, weil sich der Abgeltungsanspruch in mehrfacher Hinsicht von vertraglichen Ansprüchen unterscheidet.6 Dies gilt insbesondere für die Bemessung (s Rz 7ff), den Rechtsweg (s Rz 13) und die Verjährung (s Rz 14). Die eherechtliche Mitwirkung im Erwerb begründet kein Arbeitsverhältnis und keine Sozialversicherungspflicht.7

II. Inhalt 1. Anwendungsbereich Der Begriff der Mitwirkung im Erwerb wird im Gesetz nicht näher defi- 4 niert. Aus dem Wort „Erwerb“ ist abzuleiten, dass sich der Abgeltungsanspruch des § 98 nur auf Aktivitäten zur Erzielung von Einkommen bezieht. Ob dieses Einkommen dann für den Lebensunterhalt, für Investitionen im Betrieb oder die private Vermögensbildung verwendet wird, ist nicht von Bedeutung.8 Nicht anspruchsbegründend sind demzufolge die Mitwirkung bei der Haushaltsführung und Kindererziehung oder die Erzielung von Ersparnissen durch besonders wirtschaftliche Haushaltsführung oder Konsumverzicht,9 weil es sich dabei nicht um erwerbsbezogene Aktivitäten handelt. Dasselbe gilt für das Zusammenwirken der Ehegatten zur Schaffung von Wohnraum zur eigenen Wohnversorgung (zB Mitwirkung beim Hausbau) oder bei Anschaffungen zur Freizeitgestaltung (Mitwirkung beim Ankauf oder Bau eines Wochenendhauses, eines Segelboots oder einer Gemäldesammlung).10 Eine Abgeltung

OGH 8. 4. 1986, 2 Ob 662/85, EFSlg 50.264; 24. 9. 1987, 7 Ob 671/87, EFSlg 53.090. Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 147. Nach Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 41 und Steininger, FamRZ 1979, 782 sollte eine analoge Anwendung auf den Beistand zwischen Eltern und Kindern dagegen erwogen werden. 6 Dazu krit Neumayr in Harrer/Zitta, Familie 501ff. 7 Floretta, DRdA 1979, 268. Dazu ausführlich Holzer in Ruppe, Handbuch2, 159ff, 265ff und Neumayr in Harrer/Zitta, Familie 499ff. 8 Zu eng deshalb Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 146 und Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 426, die nur auf Tätigkeiten zur Erlangung des Lebensunterhalts abstellen wollen. 9 Schwind, Kommentar2 § 98 Anm 2.1.; Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 146. 10 Insofern unrichtig Schwind, Kommentar2 § 98 Anm 2.1., der Eigenleistungen beim Hausbau unter § 98 subsumieren möchte. 4 5

223

§ 98

Hinteregger

derartiger Leistungen kann nur nach allgemeinen schuldrechtlichen Regeln und bei Eheauflösung unter Lebenden im Wege der Aufteilung nach den §§ 81ff EheG erfolgen. Eine Mitwirkung im Erwerb setzt voraus, dass ein Ehegatte den anderen in dessen Erwerbstätigkeit unterstützt. Sie liegt demnach nicht vor, wenn beide Ehegatten gemeinsam als Mitunternehmer anzusehen sind.11 Die Mitwirkung kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Aus dem JAB 5 ergibt sich, dass der JA bei den Beratungen zu den §§ 98–100 vor allem an die Mitarbeit eines Ehegatten im Unternehmen des anderen dachte.12 Dennoch wird § 98 heute auf alle Arten von Mitwirkungsleistungen erstreckt.13 Erfasst sind die Erbringung von Arbeitsleistungen im und für das Unternehmen des anderen sowie die Unterstützung des anderen Ehegatten bei seiner unselbstständigen beruflichen Tätigkeit, etwa durch die Erbringung von Chauffeurdiensten, Sekretariatsarbeiten, Beratungsleistungen oder die Erfüllung von gesellschaftlichen Aufgaben, wie die Bewirtung von Geschäftsfreunden. Auch die Erfüllung eines Auftrags, die Herstellung eines Werks oder die Überlassung von Kapital14 kann – soweit nicht durch Vertrag gedeckt – unter § 98 fallen. Auf die Dauer der Mitwirkung kommt es nicht an. Auch einmalige Leis6 tungen können als Mitwirkung im Erwerb angesehen werden. Die erbrachten Leistungen müssen aber einen bestimmten Mindestumfang aufweisen.15 Bloß gelegentliche und nicht sehr aufwändige Leistungen fallen unter die allgemeine Beistandspflicht und begründen noch keinen Abgeltungsanspruch. 2. Höhe des Anspruchs 7

Die Mitwirkung im Erwerb begründet keinen Entlohnungsanspruch, sondern einen Anspruch auf „angemessene Abgeltung“. Mit dieser Formulierung wollte der JA den familienhaften Charakter des Anspruchs betonen und von den wirtschaftlichen Ansprüchen eines Dienstnehmers oder Unternehmers abheben.16 Die Höhe des Anspruchs richtet sich deshalb nicht nur nach Art und Dauer der Leistungen, sondern nach den gesamten Lebensverhältnissen der Ehegatten, wie die beiderseitigen Einkommen, die Ertragslage des Erwerbs,

11 OGH 15. 6. 1983, 1 Ob 636/83, SZ 56/95: Privatzimmervermietung; 26. 4. 1989, 1 Ob 555/89, EFSlg 58.723: gemeinsam gepachtete Fremdenpension; 14. 11. 2000, 4 Ob 281/00b, JBl 2001, 309 (Pfersmann): landwirtschaftliches Unternehmen in Gütergemeinschaft. 12 JAB 916 BlgNR XIV. GP 3ff. In diesem Sinne noch Schwind, Kommentar2 § 98 Anm 2.1., der § 98 nur auf den Faktor Arbeit und nicht auf den Faktor Kapital beziehen möchte. 13 Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 98 Rz 1; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 98 Rz 2; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 469. 14 OGH 24. 9. 1987, 7 Ob 671/87, EFSlg 53.091: Ermöglichung von Investitionen durch Verzicht auf die Auszahlung des Lohns; 14. 12. 1988, 3 Ob 151/88, RZ 1989, 85/31: Investitionen in die Betriebsliegenschaft des anderen; 27. 7. 2005, 3 Ob 292/04v, ecolex 2005, 387. 15 Für eine Bagatellgrenze: Knell, RpflSlgA 5997, 5. 16 JAB 916 BlgNR XIV. GP 4.

224

Inhalt

§ 98

aber auch die Belastung des Mitwirkenden durch Haushaltsführung und Kindererziehung.17 Die Rechtsprechung leitet daraus ab, dass dem mitwirkenden Ehegatten 8 kein Vergütungsanspruch wie bei einem Arbeitsverhältnis, sondern ein angemessener Anteil am gemeinsam erzielten Gewinn zusteht.18 Bei guter Ertragslage des Erwerbs kann der Abgeltungsanspruch deshalb höher sein als der am Markt durch vergleichbare Leistungen erzielbare Lohnanspruch,19 er kann aber auch geringer sein und ganz entfallen, wenn kein Gewinn erzielt wird.20 Diese Konsequenz ergibt sich nach Ansicht der Rechtsprechung aus dem Wesen der Ehe als umfassende Lebens- und Risikogemeinschaft. Dem ist zuzustimmen. Der mitwirkende Ehegatte nimmt im Ausmaß seiner Mitwirkung verhältnismäßig am guten oder schlechten Geschäftserfolg des anderen teil. Dass der andere Ehegatte durch mehr Einsatz21 oder bessere Fähigkeiten höhere Erträge hätte erwirtschaften können, ist nicht von Bedeutung. Da das Gesetz auf die „Angemessenheit“ der Abgeltung abstellt, besteht ein gewisser Ermessensspielraum und somit die Möglichkeit, im Einzelfall, etwa bei einem krassen Fehlverhalten des anderen Ehegatten, unbillige Ergebnisse zu vermeiden. Bei der Berechnung des Gewinns wird auf den Nettogewinn abgestellt, der nach Abzug der zur Erzielung des Gewinns erwachsenen Ausgaben verbleibt.22 Auch Schwarzgeld ist zu berücksichtigen.23 Auf den abgabenrechtlichen Gewinnbegriff kann es nicht ankommen.24 Es erscheint angemessen, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Feststellung der Bemessungsgrundlage im Unterhaltsrecht entsprechend anzuwenden (s § 94 Rz 34ff). § 98 letzter Halbsatz hebt die gewährten Unterhaltsleistungen besonders 9 hervor. Diese sind bei der Bemessung des Abgeltungsbetrags angemessen zu JAB 916 BlgNR XIV. GP 4. StRspr: OGH 15. 6. 1983, 1 Ob 636/83, SZ 56/95; 10. 4. 1985, 3 Ob 510/85, GesRZ 1985, 147; 2. 4. 1986, 3 Ob 505/86, EFSlg 50.265; 28. 8. 1986, 6 Ob 593/86, EFSlg 50.266; 24. 2. 1987, 2 Ob 10/87, JBl 1987, 575; 31. 5. 1989, 6 Ob 550/89, EFSlg 58.724; 21. 12. 1995, 6 Ob 643/95, EFSlg 76.731; 27. 7. 2005, 3 Ob 292/04v, ecolex 2005, 387; 6. 10. 2005, 8 Ob A 44/05m, DRdA 2006, 149; LGZ Wien 30. 11. 1993, 44 R 505/93, EFSlg 70.632; auch der VwGH ist dieser Auffassung gefolgt: VwGH 17. 12. 1987, 87/08/0245, ARD 4003/32/88; 16. 11. 1993, 90/14/0045, ÖStZB 1994, 383. Die Meinung der Lehre ist geteilt: dafür F. Bydlinski in FS Schwind 34; Schwind, Kommentar2 § 98 Anm 2.4.; Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 147f; Kerschner, DRdA 1994, 398; aA Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 40f; Holzer in Ruppe, Handbuch2, 163f; Neumayr in Harrer/Zitta, Familie 483ff. 19 OGH 2. 4. 1986, 3 Ob 505/86, EFSlg 50.269. 20 OGH 15. 6. 1983, 1 Ob 636/83, SZ 56/95; 10. 4. 1985, 3 Ob 510/85, GesRZ 1985, 147: Mitarbeit in einer Landwirtschaft, die keinen Gewinn abwirft; 14. 4. 1988, 7 Ob 514/515/88, EFSlg 55.958. 21 OGH 10. 4. 1985, GesRZ 1985, 147: Keine Anwendung des unterhaltsrechtlichen Anspannungsgrundsatzes. 22 OGH 15. 6. 1983, 1 Ob 636/83, SZ 56/95. 23 LGZ Wien 30. 11. 1993, 44 R 505/93, EFSlg 70.631. 24 OGH 31. 5. 1989, 6 Ob 550/89, EFSlg 58.725; 27. 7. 2005, 3 Ob 292/04v, ecolex 2005, 387. 17 18

225

§ 98

Hinteregger

berücksichtigen. Dies bedeutet, dass sie, wie bereits der JA betont, nicht einfach vom Abgeltungsbetrag abgezogen werden dürfen.25 Als Berechnungsmethode hat Schwind26 empfohlen, den ermittelten Abgeltungsbetrag den jeweiligen Unterhaltsperioden zuzuordnen, diesen für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs als eigene Einkünfte des Mitwirkenden zu bewerten und sodann den errechneten Unterschiedsbetrag (tatsächlich geleisteter minus eigentlich zustehender Unterhalt) vom Abgeltungsbetrag abzuziehen. Hat der mitwirkende Ehegatte dagegen laufend Abgeltungsbeträge erhalten, so mindern diese den Unterhalt, weil sie bei der Unterhaltsbemessung als eigene Einkünfte zu berücksichtigen sind. In beiden Fällen erscheint es angemessen, für die Anrechnungsmethode (volle Anrechnung oder bloß angemessene Berücksichtigung) auf die zu § 94 entwickelten Grundsätze zurückzugreifen. Dies bedeutet aber, dass der mitwirkende Ehegatte unterhaltsrechtlich wie ein erwerbstätiger Ehegatte zu behandeln ist, wenn die Abgeltungsbeträge so hoch sind, dass sie als eigenes Einkommen zu werten sind. Eine bloß angemessene Berücksichtigung der Abgeltungsbeträge bei der Bemessung des Unterhalts iSd § 94 Abs 2 S 1 kommt demzufolge nur in Frage, wenn der mitwirkende Ehegatte den Haushalt führt und die Abgeltungsbeträge eher von untergeordneter Bedeutung sind (s § 94 Rz 19 zum Unterhaltsanspruch des Haushaltführenden).27 Auf den von Fenyves28 und Schwind29 aufgeworfenen Gesichtspunkt der Freiwilligkeit der Mitarbeit kann es bei der Bemessung nicht mehr ankommen, weil das EheRÄG 1999 die Mitarbeit im Erwerb insgesamt der Disposition der Ehegatten überantwortet hat. Folgt man der von Schwind vorgeschlagenen Berechnungsmethode, kann der Umstand, dass der mitwirkende Ehegatte einen erhöhten Unterhalt erhalten hat, auch im Zweifel nicht den Schluss rechtfertigen, dass eine gesonderte Abgeltung nicht zustehen soll.30 10 Bei der Bemessung ist zu berücksichtigen, inwiefern der mitwirkende Ehegatte durch die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht ohnehin entsprechend seiner Mitwirkung am Gewinn des anderen partizipiert hat.31 Ein Anspruch auf Abgeltung kann demzufolge nicht mehr bestehen, wenn der mitwirkende Ehegatte laufend, durch die Mitwirkung motivierte teure „Geschenke“ erhält32 oder wenn der ganze Gewinn nicht in das Unternehmen, sondern in das gemeinsame Haus der Ehegatten geflossen ist.33

OGH 2. 4. 1986, 3 Ob 505/86, EFSlg 50.268. Kommentar2 § 98 Anm 3.3.2. In Anwendung der von Schwind vorgeschlagenen Berechnungsmethode: LGZ Wien 23. 5. 1991, 47 R 153/91, EFSlg 64.941. 27 Diese Differenzierung wurde weder vom JA noch von Schwind angesprochen, weil beide bei ihren Ausführungen primär den Haushaltsführer, der noch zusätzlich im Betrieb des anderen mitwirkt, im Auge hatten. 28 In Ostheim, Schwerpunkte 149f. 29 Kommentar2 § 98 Anm 2.1. 30 So Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 150 unter Berufung auf F. Bydlinski in FS Schwind 36. 31 OGH 24. 9. 1987, 7 Ob 671/87, EFSlg 53.091; 31. 5. 1989, 6 Ob 550/89, EFSlg 58.727. 32 Schwind, Kommentar2 § 98 Anm 3.3.3. 33 OGH 25. 1. 1984, 3 Ob 501/84, EFSlg 44.907. 25 26

226

Geltendmachung

§ 98

3. Verzicht Der Anspruch auf Abgeltung steht zur Disposition der Ehegatten. Diese 11 können nicht nur über die Mitwirkung an sich (§ 90 Abs 2), sondern auch über den Abgeltungsanspruch vertraglich verfügen. Derartige Vereinbarungen unterliegen den allgemeinen Regeln des Schuldrechts und damit auch den vom Schuldrecht gezogenen Grenzen der Wirksamkeit von vertraglichen Vereinbarungen.34 Umstritten ist, ob auf den gesamten Anspruch im Vorhinein verzichtet 12 werden kann. Dies wird von einigen Autoren bejaht, allerdings wird eine solche Vereinbarung als Ehepakt bewertet und der Notariatsaktspflicht unterstellt.35 Auf Grund der engen Nahebeziehung des Abgeltungsanspruchs zum Unterhaltsrecht ist es aber angemessener, § 94 Abs 3 analog anzuwenden und nur den Vorausverzicht auf einzelne Teilansprüche, nicht aber den Vorausverzicht auf den gesamten Anspruch zuzulassen.36

III. Geltendmachung Der Abgeltungsanspruch kann schon bei aufrechter Ehe und zwar im Ver- 13 fahren außer Streitsachen geltend gemacht werden.37 Wird ein Abgeltungsanspruch im streitigen Verfahren eingebracht, so ist die Klage in einen Antrag umzudeuten und gem § 44 JN in das Verfahren außer Streitsachen zu überweisen.38 Der Anspruch kann durch einstweilige Verfügung nach § 379 Abs 2 EO gesichert werden.39 Der Anspruch verjährt in sechs Jahren vom Ende des Monats, in dem die 14 Leistung erbracht worden ist (§ 1486a). Ursprünglich war eine Frist von drei Jahren vorgesehen.40 Da sich diese als zu kurz erwiesen hat, wurde sie durch das EheRÄG 1999 auf sechs Jahre verlängert.41 Die Verjährungsregel des § 1486a ist eine Ausnahme zur allgemeinen Regel des § 1495, wonach An34 ZB Unwirksamkeit wegen Vorliegens von Nichtigkeitsgründen, etwa mangelnde Geschäftsfähigkeit oder Sittenwidrigkeit, Anfechtbarkeit wegen Wuchers oder eines Willensmangels. 35 Für die Möglichkeit des Vorausverzichts: Goriany, AnwBl 1978, 499; Schwind, Kommentar2 § 98 Anm 7; Hopf/Kathrein, Kommentar2 § 98 Anm 7. Einschränkend Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 156ff, der für einen solchen Verzicht die Umstandsklausel anwenden möchte. Eher zurückhaltend auch Steininger, FamRZ 1979, 778ff, der darauf verweist, dass ein Verzicht auf den Abgeltungsanspruch bei der Berücksichtigung der Mitwirkung im Erwerb als Beitragsleistung bei der Aufteilung des Ehevermögens nur eingeschränkte Wirksamkeit hat, weil auf den Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Voraus rechtswirksam nicht verzichtet werden kann (§ 97 Abs 1 S 1 EheG). 36 Pichler, JBl 1981, 282; ebenso Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 98 Rz 6. 37 JAB 916 BglNR XIV. GP 3. S §§ 93f AußStrG, BGBl I 2003/111. 38 Fucik/Kloiber, Außerstreitgesetz (2005) § 1 Rz 3. 39 OGH 7. 5. 1981, 7 Ob 595/81, EvBl 1981, 494/171. 40 Krit zur Durchbrechung der allgemeinen Verjährungsregel Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 148; Steininger, FamRZ 1979, 778; Holzer in Ruppe, Handbuch2, 164f. 41 JAB 1926 BlgNR XX. GP 2.

227

§ 99

Hinteregger

sprüche zwischen Ehegatten nicht verjähren. Da § 1495 auch für die vertraglichen Ansprüche nach § 100 gilt, hat dies zur Folge, dass vertragliche Ansprüche nach § 100 und Abgeltungsansprüche nach § 98 im Hinblick auf die Verjährung unterschiedlich behandelt werden. Die Verjährung des Abgeltungsanspruchs nach § 98 ist gehemmt, solange zwischen den Ehegatten ein gerichtliches Verfahren zur Entscheidung über einen Anspruch nach § 100 anhängig ist und gehörig fortgesetzt wird. Damit wird vermieden, dass ein Ehegatte, der einen Anspruch nach § 100 einklagt, während der Verfahrensdauer seinen Anspruch nach § 98 verliert. Dies ist deshalb besonders wichtig, weil die Abgrenzung von vertraglichen Ansprüchen und Ansprüchen nach § 98 im Einzelfall schwierig sein kann. Ansprüche auf Mitwirkung im Erwerb, die bei aufrechter Ehe nicht abge15 golten wurden, sind nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe bei der Aufteilung als Beitragsleistung zu werten (§ 83 Abs 2 EheG).42 Dies gilt auch für bereits verjährte Ansprüche.43 Bei Tod des anderen Ehegatten kann der Anspruch gegen den Erben des verpflichteten Ehegatten gerichtet werden. In Bezug auf verjährte Ansprüche bleibt der mitwirkende Ehegatte auf seine erbrechtlichen Ansprüche beschränkt.44 Der Abgeltungsanspruch nach § 98 fällt unter den Schutzbereich des § 1325. Verliert der mitwirkende Ehegatte durch eine Körperverletzung die Fähigkeit, im Erwerb des anderen weiterhin mitzuwirken, so hat er Anspruch auf Ersatz der dadurch entgangenen und zukünftig entgehenden Abgeltungsbeträge.45

§ 99. Ansprüche auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98) sind vererblich, unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar, soweit sie durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind. BGBl 1978/280 (Mat.: NR: RV 136, 289 BlgNR XIV. GP; JAB 916 BlgNR XIV. GP; BR: AB 1838 BlgBR) Lit: s § 98 und Berger Franz, Vermischte exekutionsrechtliche Fragen, ÖJZ 1982, 431.

1

Auf Grund des eherechtlichen Charakters des Abgeltungsanspruchs nach § 98 hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die Verkehrsfähigkeit des An-

42

OGH 17. 2. 1982, 1 Ob 534/82, RZ 1983, 66/16; 25. 8. 1981, 7 Ob 699, 700/81, SZ

54/114. OGH 29. 1. 1991, 8 Ob 695, 696/89, JBl 1991, 458. Krit Steininger, FamRZ 1979, 779. 45 Ungenau OGH 24. 2. 1987, 2 Ob 10/87, JBl 1987, 575, der für die Bemessung des Schadens auf das am Arbeitsmarkt übliche Entgelt abstellte. Krit Neumayr in Harrer/Zitta, Familie 492. 43 44

228

Allgemeines

§ 100

spruchs an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu knüpfen.1 Gem § 99 kann der Abgeltungsanspruch nur vererbt oder unter Lebenden oder von Todes wegen übertragen oder verpfändet werden, soweit er durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht ist. Fenyves2 und Migsch3 haben diese Beschränkung als unsachlich kritisiert, weil es zum Beweis, dass der mitwirkende Ehegatte seinen Anspruch ernstlich durchsetzen möchte, dieser Voraussetzungen nicht bedürfe. Eine gewisse Rechtfertigung für diese Verkehrsbeschränkung könnte allerdings darin gesehen werden, dass die Bestimmung der Höhe des Abgeltungsanspruchs eng mit den sonstigen persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (Beistand, Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft) verknüpft ist und mit dieser Beschränkung erreicht wird, dass der Abgeltungsanspruch nur dann an eine dritte Person weitergereicht werden kann, wenn entweder beide Ehegatten über den Anspruch Einigung erzielt haben oder über den Anspruch gerichtlich entschieden wird. Die vertragliche Anerkennung des Abgeltungsanspruchs während aufrechter Ehe ist nach allgemeiner Ansicht als Schuldanerkenntnis zu werten und bedarf gem § 1 Abs 1 lit b NotaktsG eines Notariatsakts.4 Die passive Vererblichkeit des Anspruchs wird durch § 99 nicht beschränkt.5 Die in § 99 normierte Verkehrsbeschränkung gilt nur für Ansprüche nach 2 § 98, nicht für vertragliche Ansprüche nach § 100. Die ursprünglich in § 291 EO vorgesehene Pfändungsbeschränkung6 3 wurde durch die EO-Novelle 1991 beseitigt. Der Abgeltungsanspruch ist somit auch ohne Vorliegen der in § 99 genannten Voraussetzungen pfändbar. Diese erfolgt im Wege der Exekution auf Geldforderungen durch Pfändung und Überweisung (§ 294 EO). Erbringt der Mitwirkende Arbeitsleistungen und haben die Ehegatten Unentgeltlichkeit oder eine unverhältnismäßig geringe Gegenleistung vereinbart, kommt unter bestimmten Voraussetzungen auch § 292e EO (verschleiertes Entgelt) zum Tragen.7

§ 100. Der § 98 berührt nicht vertragliche Ansprüche eines Ehegatten an den anderen aus einem Mit- oder Zusammenwirken im Erwerb. Solche Ansprüche schließen einen Anspruch nach § 98 aus; bei einem DienstverJAB 916 BlgNR XIV. GP 4. In Ostheim, Schwerpunkte 150ff. 3 In Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 42. 4 Schwind, Kommentar2 § 99 Anm 1.1.; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 98 Rz 2; Hopf/Kathrein, Kommentar2 § 99 Anm 1; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 99 Rz 2. 5 Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 151f. 6 Diese wurde von der Lehre als unsachlich eingestuft und stark kritisiert: Berger, RZ 1978, 257 und ÖJZ 1982, 431 (434); Migsch in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht 43; Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 154f; Steininger, FamRZ 1979, 778; Holzer in Ruppe, Handbuch2, 165f. 7 OGH 5. 5. 1999, 9 Ob A 109/99s, infas 1999, 160/A 109: Anwendung des § 292e EO, wenn der Verpflichtete im Betrieb des Ehegatten einen Arbeitnehmer ersetzt. 1 2

229

§ 100

Hinteregger

hältnis bleibt dem Ehegatten jedoch der Anspruch nach § 98 gewahrt, soweit er seine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis übersteigt. BGBl 1978/280 (Mat.: NR: RV 136, 289 BlgNR XIV. GP; JAB 916 BlgNR XIV. GP; BR: AB 1838 BlgBR) Lit: s § 98.

Übersicht I. Allgemeines 1. Subsidiarität 2. Geltendmachung II. Besondere Vertragsarten 1. Dienstvertrag a) Abschluss b) Abgeltung 2. Gesellschaftsvertrag

1–2 1 2 3–5 3 3 4 5

I. Allgemeines 1. Subsidiarität 1

Haben die Ehegatten die Mitwirkung des einen im Erwerb des anderen vertraglich geregelt, so wird der Abgeltungsanspruch des § 98 durch das Vertragsverhältnis verdrängt.1 In Betracht kommen alle Vertragsarten, insbesondere Gesellschafts-, Dienst-, Werk-, Darlehensvertrag und Auftrag. Der Vertrag kann ausdrücklich oder stillschweigend (§ 863) abgeschlossen worden sein.2 Bei Bestehen eines Vertrags sind die Ansprüche des Mitwirkenden ausschließlich nach dem Vertrag zu beurteilen,3 auch wenn die vertraglichen Ansprüche weniger günstig sind als der Anspruch nach § 98 oder wenn diese bereits verjährt sind.4 Eine Ausnahme stellt der Dienstvertrag dar. Hier kann der Abgeltungsanspruch erhoben werden, soweit er den vertraglichen Anspruch übersteigt (s Rz 3). Die Subsidiarität des Abgeltungsanspruchs gilt nicht in Bezug auf gesetzliche Schuldverhältnisse. Der mitwirkende Ehegatte kann sich also auf § 98 stützen, obwohl ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Bereicherung besteht.5 Gar nicht unter § 100 fallen Ansprüche aus Verträgen 1 OGH 16. 1. 1979, 4 Ob 116/78, EvBl 1979, 348/110; 15. 6. 1983, 1 Ob 636/83, SZ 56/95; 25. 1. 1984, 3 Ob 501/84, EFSlg 44.907; 14. 4. 1988, 7 Ob 514,515/88, EFSlg 55.959; 22. 9. 1993, 9 Ob A 169/93, RdW 1994, 152 = DRdA 1994, 395/35 (Kerschner) etc. 2 JAB 916 BlgNR XIV. GP 5. 3 OGH 16. 1. 1979, 4 Ob 116/78, EvBl 1979, 348/110; 22. 9. 1993, 9 Ob A 169/93, RdW 1994, 152 = DRdA 1994, 395/35 (Kerschner). 4 OGH 10. 6. 1986, 7 Ob 602/86, EFSlg 50.271. 5 Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 100 Rz 2; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 100 Anm 1.

230

Besondere Vertragsarten

§ 100

über ein Zusammenwirken der Ehegatten zur Erreichung eines beschränkten wirtschaftlichen Zwecks außerhalb des Erwerbs.6

2. Geltendmachung Die Sonderregeln für den Abgeltungsanspruch in Bezug auf das Verfahren 2 (s § 98 Rz 13), die Verjährung (s § 98 Rz 14) und die Verkehrsfähigkeit (s § 99) kommen auf vertragliche Ansprüche nicht zur Anwendung. Diese sind im streitigen Verfahren geltend zu machen und unterliegen den allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen (zur Verjährung von vertraglichen Ansprüchen s § 98 Rz 14).

II. Besondere Vertragsarten 1. Dienstvertrag a) Abschluss Ehegatten können die Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen 3 durch Dienstvertrag regeln.7 Für das schlüssige Zustandekommen eines Dienstvertrags zwischen Ehegatten verlangt die Rechtsprechung allerdings, dass der Vertragswille eindeutig zum Ausdruck kommt (§ 863).8 Als Indizien für einen derartigen Vertragswillen werden vor allem die Anmeldung zur Sozialversicherung,9 der Abzug der Lohnsteuer oder die regelmäßige Auszahlung eines Entgelts gewertet.10 Im Zweifel ist anzunehmen, dass die Leistungen in Erfüllung familiärer Beistandspflichten erbracht werden.11 Haben die Ehegatten jedoch einen Arbeitsvertrag geschlossen, so nimmt der OGH 6 ZB Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für den Bau eines Hauses zur eigenen Wohnversorgung, s § 44 Rz 42, § 98 Rz 4. 7 Holzer in Ruppe, Handbuch2, 181f. 8 OGH 27. 4. 1988, 9 Ob A 87/88, SZ 61/107; 10. 1. 1989, 10 Ob S 139/88, ARD 4088/4/89; 22. 9. 1993, 9 Ob A 169/93, RdW 1994, 152 = DRdA 1994, 395/35 (Kerschner); 28. 3. 2001, 9 Ob A 25/01v, ecolex 2001, 766/285; OLG Wien 28. 4. 1999, 7 Rs 96/99, ARD 5235/22/2001; 25. 9. 2000, 10 Ra 205/00s, ARD 5241/3/2001; 6. 10. 2005, 8 Ob A 44/05m, ARD 5643/6/2005. 9 OGH 25. 2. 1998, 9 Ob A 351/97a, ARD 4937/3/98: Die Anmeldung zur Sozialversicherung ist nur ein Indiz für das Vorliegen eines Dienstvertrags (ebenso: 6. 10. 2005, 8 Ob A 44/05m, ARD 5643/6/2005). Weicht die Mitarbeit von der üblichen Gestaltung eines Dienstverhältnisses in mehrfacher Hinsicht ab, so liegt kein Dienstvertrag vor. OGH 10. 6. 1986, 7 Ob 602/86, EFSlg 50.271: Scheinanmeldung bei der Sozialversicherung begründet keinen Dienstvertrag. 10 Dazu Holzer in Ruppe, Handbuch2, 167f, 182; Neumayr in Harrer/Zitta, Familie 503; Resch, ASok 1998, 94f, der auch auf die Weisungsgebundenheit des mitwirkenden Ehegatten abstellen will. Wie Holzer in Ruppe, Handbuch2, 167 ausführt, eignen sich Kriterien wie Weisungsgebundenheit, persönliche Arbeitspflicht oder Eingliederung in den Betrieb nicht für die Abgrenzung, weil diese meist auch bei Arbeitsleistungen vorliegen, die als Mitwirkung im Erwerb nach § 98 erbracht werden. So nun aber OGH 6. 10. 2005, 8 Ob A 44/05m, ARD 5643/6/2005. 11 OGH 27. 4. 1988, 9 Ob A 87/88, SZ 61/107 = DRdA 1990, 283/26 (Holzer); 10. 1. 1989, 10 Ob S 139/88, ARD 4088/4/89; 22. 9. 1993, 9 Ob A 169/93, RdW 1994, 152 = DRdA 1994, 395/35 (Kerschner); 28. 3. 2001, 9 Ob A 25/01v, ecolex 2001, 766/285; OLG Wien 25. 9. 2000,

231

§ 100

Hinteregger

mangels anderslautender Anhaltspunkte an, dass sie die Tätigkeit des mitwirkenden Ehegatten zur Gänze dem Arbeitsvertragsrecht unterwerfen wollten.12 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, weil der Wille der Parteien gerade auf ein Nebeneinander von Dienstvertrag und Mitwirkung gerichtet sein kann. Dies entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers, der in § 100 letzter Satz beim Dienstvertrag von einem möglichen Nebeneinander von arbeitsrechtlichen Ansprüchen und dem Abgeltungsanspruch ausgeht.13 Die Frage nach dem Vorliegen eines Dienstvertrags zwischen Ehegatten ist auch im Sozialversicherungs- und Steuerrecht von Bedeutung. Ihre Beurteilung richtet sich nach den besonderen Vorschriften dieser Rechtsbereiche.14 b) Abgeltung 4

Das Bestehen eines vertraglichen Lohnanspruchs schließt in dessen Umfang einen Abgeltungsanspruch nach § 98 aus.15 Gem § 100 letzter Satz hat der mitwirkende Ehegatte aber das Recht, über den vertraglichen Lohnanspruch hinaus den nach § 98 zustehenden Gewinnanteil zu fordern.16 Diese Sonderstellung des Dienstvertrags wird von der Lehre kritisiert, die diese Regelung auch für andere vertragliche Ansprüche analog anwenden möchte.17 Ob ein Verzicht auf den Abgeltungsanspruch nach § 98 auch allfällige vertragliche Ansprüche mit einbezieht, hängt von der Auslegung der Verzichtserklärung ab.18 2. Gesellschaftsvertrag

5

Der Vorrang der vertraglichen Regelung gilt auch für Gesellschaftsverträge. Haben die Ehegatten ihren gemeinschaftlichen Erwerb durch einen Gesellschaftsvertrag geregelt, so beurteilen sich die Ansprüche ausschließlich 10 Ra 205/00s, ARD 5241/3/2001; 28. 7. 2004, 7 Ra 97/04t, ARD 5535/2/2004; ASG Wien 5. 11. 2001, 29 Cga 76/01k, ARD 5351/12/2002. 12 OGH 22. 9. 1993, 9 Ob A 169/93, RdW 1994, 152 = DRdA 1994, 395/35 (krit Kerschner). 13 Zutr Kerschner zu OGH 22. 9. 1993, 9 Ob A 169/93, RdW 1994, 152 = DRdA 1994, 395/35. 14 Vgl dazu Scherdoner/Taucher in Ruppe, Handbuch2, 199ff; Holzer in Ruppe, Handbuch2, 265ff; Torggler, ÖStZ 1980, 124ff; Schimetschek, ÖStZ 1986, 275ff; Resch, ASok 1998, 94. 15 OGH 25. 1. 1984, 3 Ob 501/84, EFSlg 44.907; 14. 4. 1988, 7 Ob 514, 515/88, EFSlg 55.959. 16 OGH 25. 1. 1984, 3 Ob 501/84, EFSlg 44.907; 13. 2. 1986, 8 Ob 642/85, EFSlg 50.270; 29. 1. 1991, 8 Ob 695, 696/89, JBl 1991, 458. 17 Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte 155; Migsch in Floretta, 42; Holzer in Ruppe, Handbuch2, 166f; Steininger in Ruppe, Handbuch2, 13; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 100 Rz 2; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB I3 § 100 Rz 3; für den Werkvertrag Schwind, Kommentar2 § 100 Anm 4. AA Kerschner zu OGH 22. 9. 1993, 9 Ob A 169/93, RdW 1994, 152 = DRdA 1994, 395/35 (398). 18 Für die Erstreckung des Verzichts auf die vertraglichen Ansprüche in Folge konkreter Vertragsauslegung: LG Feldkirch 6. 11. 1984, Cga 33/84, Arb 10.403 (die Generalisierung im Leitsatz ist unrichtig).

232

§§ 101–136 nach dem Gesellschaftsvertrag und ein Anspruch nach § 98 steht nicht zu.19 Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 1175), die auch stillschweigend erfolgen kann.20 Anders als beim Dienstvertrag (s Rz 3) stellt die Rechtsprechung an den stillschweigenden Abschluss einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur geringe Anforderungen (s § 44 Rz 42). Für den Anwendungsbereich der §§ 98–100 entspricht dies dem Willen des Gesetzgebers, der die alte Rechtsprechung zur Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch Ehegatten ausdrücklich unberührt lassen wollte.21 Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommt zwischen Ehegatten zustande, wenn sie über die eheliche Beistandspflicht hinaus Mühe, Kapital und Sachwerte zur Erreichung eines beschränkten wirtschaftlichen Zwecks vereinigen. Zusätzlich verlangt die Rechtsprechung die Vereinbarung einer minimalen Gemeinschaftsorganisation, die den Ehegatten gewisse, zumindest faktische Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte verschafft.22 Bloße Geldzuwendung oder Mitarbeit ohne eigene Entscheidungsgewalt reicht nicht für die Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.23 Typische Fälle einer erwerbsbezogenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind der Erwerb und Betrieb eines Unternehmens.24 §§ 101–136 sind außer Kraft. § 124 wurde durch § 1 der Kaiserlichen Verordnung vom 29. November 1859 (RGBl 1859/217), §§ 101–106, 108–109, 111, 115–116, 119–120, 122–136 wurden durch § 128 G vom 6. Juli 1938 zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet (dRGBl 1938 I 807), §§ 112–114 durch § 55 G vom 4. Juli 1939 über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit (dRGBl 1939 I 1186) und §§ 107, 110, 117–118, 121 durch Art I Z 2 BG vom 1. Juli 1975 über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (BGBl 1975/412) aufgehoben.

19 Für die Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung: OGH 10. 10. 1983, 1 Ob 630/83, EFSlg 42.633. 20 OGH 15. 6. 1983, 1 Ob 636/83, SZ 56/95; 5. 3. 1987, 6 Ob 634/86, EFSlg 53.094. 21 JAB 916 BlgNR XIV. GP 5. 22 OGH 6. 6. 1973, 1 Ob 99/73, SZ 46/62; 14. 5. 1975, 8 Ob 38/75, SZ 48/59; 18. 12. 1984, 4 Ob 525/84, EFSlg 46.034; 2. 12. 1986, 7 Ob 635/86, wbl 1987, 12. Dieses Erfordernis wird von der Lehre abgelehnt (s § 44 Rz 42). 23 OGH 3. 5. 1983, 5 Ob 588/82, EFSlg 43.484; 15. 6. 1983, 1 Ob 636/83, SZ 56/95. 24 ZB OGH 2. 3. 1955, 2 Ob 95/55, JBl 1955, 521: Bauunternehmen; 12. 4. 1961, 1 Ob 171/61, JBl 1961, 634; 17. 3. 1993, 3 Ob 515/92, HS 24.613: Landwirtschaft; 20. 12. 1967, 5 Ob 264/67, SZ 40/170: Süßwarengroßhandel; 15. 6. 1983, 1 Ob 636/83, SZ 56/95: Privatzimmervermietung.

233

Stichwortverzeichnis Abgeltungsanspruch siehe Mitwirkung im Erwerb Anspannungsgrundsatz siehe Unterhalt Anständige Begegnung § 90 Rz 15 Außereheliche Lebensgemeinschaft siehe Nichteheliche Lebensgemeinschaft Außerstreitverfahren siehe Verfahren außer Streitsachen Beistand § 44 Rz 1, 3, 9, 10, 19, § 45 Rz 7, § 89 Rz 2, § 90 Rz 2, 7, 16–20, § 91 Rz 1, 2, § 94 Rz 74, § 97 Rz 2, 4, 6, 7, 25, 26, § 98 Rz 2, 6, § 100 Rz 1, 3, 5 Beitragsleistung § 90 Rz 1, § 91 Rz 3, § 94 Rz 1, 3–4, 11, 19–22, 25, 43, 57, 71, 73, § 95 Rz 6, § 98 Rz 15 Bemessungsgrundlage siehe Unterhaltsbemessungsgrundlage Clausula rebus sic stantibus siehe Unterhaltsvereinbarungen, Umstandsklausel Dienstvertrag § 89 Rz 6, § 98 Rz 3, § 100 Rz 1, 3–5 Dringendes Wohnbedürfnis siehe Wohnbedürfnis, dringendes Ehe, Begriff § 44 Rz 1–10, § 45 Rz 6, § 94 Rz 74 Ehebuch § 93 Rz 4, 6, 15, 24, 25, § 93a Rz 3 Ehename siehe Familienname Eheverfehlung § 44 Rz 8, § 90 Rz 12, § 91 Rz 9, § 92 Rz 5, 7, § 94 Rz 25, 64, 68–74, § 95 Rz 5, 7, § 97 Rz 2 Ehevertrag siehe Ehe, Begriff Ehewohnung siehe Wohnung Europäische Menschenrechtskonvention § 44 Rz 11, 23, § 92 Rz 16 Familienname § 93, § 93a – Ableitung aus früherer Ehe § 93 Rz 1, 7, 14, 25, § 93a Rz 5, 6 – Adoption § 93 Rz 18 – Änderung siehe Namensänderung – Diskriminierung § 93 Rz 1, 11, 12 – Doppelname § 93 Rz 1, 2, 7, 12–17, 20, 24, 25, 26, § 93a Rz 5 – Formvorschriften § 93 Rz 5, 9, 15, 18, 23, 24, 25, § 93a Rz 3 – Fristen § 93 Rz 1, 4, 10, 15, 17, 18, 23, § 93a Rz 3 – Gemeinsamer Familienname § 93 Rz 2, 7–10, 11, § 93a Rz 4 – Gesetzlicher Familienname § 93 Rz 11 – Getrennte Namensführung § 93 Rz 2, 18, 21–23, § 93a Rz 4 – Gleichheitsgrundsatz siehe Diskriminierung – Kindesname § 93 Rz 4, 11, 16, 18, 22 235

Stichwortverzeichnis

– – – – – – – –

Legitimation § 93 Rz 18 Mehrfachname § 93 Rz 7, 13, 20 Namensänderung § 93 Rz 4, 7, 10, 12, 14, 17, 18–20 Namensänderungsgesetz § 93 Rz 10, 12, 14, 17–20, 23 Namenseinheit siehe Gemeinsamer Familienname Namenswahl § 93 Rz 2 Übergangsbestimmungen (§§ 72–72e PStG) § 93 Rz 24–26 Unwirksame Namenswahl § 93 Rz 8, 9–10, siehe auch Formvorschriften, Fristen – Wiederannahme eines früheren Namens § 93a – Zuständigkeit § 93 Rz 6, 20

Familienrechts-Änderungsgesetz 2006 (Regierungsvorlage) § 44 Rz 9, 31, § 90 Rz 18 Gemeinsame Wohnung siehe Wohnung Geschlechtsumwandlung § 44 Rz 6 Geschlechtsverschiedenheit § 44 Rz 1, 5, 13, 15, § 92 Rz 15 Gesellschaft bürgerlichen Rechts § 44 Rz 33, 42, § 89 Rz 6, § 100 Rz 1, 5 Gesellschaftsvertrag siehe Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesetzliche Vertretung siehe Vertretung, gesetzliche Gesonderte Wohnungsnahme siehe Gewaltschutzgesetz, siehe Wohnung Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft § 91, siehe auch Lebensgemeinschaft, eheliche – Änderung § 90 Rz 2, 12, § 91 Rz 7–10, § 92 Rz 3, 4, § 94 Rz 14, 16, 57 – Einvernehmlichkeitsgrundsatz § 44 Rz 8, 16, § 89 Rz 2, 7, § 90 Rz 2, 6, § 91 Rz 2, 5, 7, 9, § 92 Rz 3, § 94 Rz 3, 14, 21, 25, 57, § 95 Rz 2, 3, § 96 Rz 13, § 97 Rz 7, 25, § 98 Rz 2 – Rechtsnatur § 91 Rz 6 Gewaltschutzgesetz § 92 Rz 11–37 – Aufenthaltsverbot siehe Einstweilige Verfügung – Ausweisung siehe Einstweilige Verfügung – Betretungsverbot § 92 Rz 12, 13–20, 21, 34, 35 – Dringendes Wohnbedürfnis § 92 Rz 11, 15, 21, 22, 27 – Einstweilige Verfügung § 92 Rz 11, 12, 16, 17, 18, 19, 20, 21–37 – Geltungsdauer von Maßnahmen § 92 Rz 19, 32, 34 – Interventionsstellen § 92 Rz 11, 12, 17 – Jugendwohlfahrtsträger § 92 Rz 12, 17, 35 – Kontaktaufnahmeverbot siehe Einstweilige Verfügung – Organe der öffentlichen Sicherheit siehe Sicherheitspolizeigesetz – Personenkreis § 92 Rz 11, 21, 24–26 – Rechtsschutz § 92 Rz 18 – Rückkehrverbot siehe Einstweilige Verfügung – Sicherheitspolizeigesetz § 92 Rz 11, 12, 13–20, 21, 34, 35 236

Stichwortverzeichnis

– Unzumutbarkeit des Zusammenlebens § 92 Rz 21, 22, 27, 28–31 – Verhältnismäßigkeit § 92 Rz 16, 23 – Vollzug § 92 Rz 11, 17, 23, 33–37 – Wegweisung § 92 Rz 12, 13 ff, 22, 23, 31, 35 – Wohnung, Begriff § 92 Rz 15, 27 – Zwangsgewalt § 92 Rz 13, 16, 37 Gewaltverbot § 90 Rz 15, siehe auch Gewaltschutzgesetz Gleichbehandlung von Mann und Frau § 89 Rz 7, § 94 Rz 1, 3, 74 Gleichbeteiligungsgrundsatz § 89 Rz 7, § 91 Rz 3, 4, 8, § 94 Rz 3, 19, 74, § 95 Rz 1, 3 Gleichheitsgrundsatz § 44 Rz 15, 23, 24, § 89 Rz 7, § 93 Rz 1, 11, 12, § 95 Rz 7 Hausfrauenehe § 91 Rz 3, 5, § 94 Rz 13, 14, § 95 Rz 4, 7 Haushaltsführung § 91 Rz 5, § 94 Rz 12, 13, § 95 – Ableitbare Ansprüche/Rechte § 94 Rz 1, 11–19, 63, 72, 73, § 95 Rz 6, 7, § 96 – Mithilfeverpflichtung § 44 Rz 10, § 91 Rz 3, § 94 Rz 12, § 95 Rz 1, 3–5 – Wirtschaftsgeld § 94 Rz 25, § 95 Rz 7 Hausmannehe siehe Hausfrauenehe Hausrat § 90 Rz 19, § 94 Rz 47, 71, § 96 Rz 11, § 97 Rz 6 Interessensabwägung § 90 Rz 7, 8, § 91 Rz 8, 9, § 92 Rz 3, 6, 23, 33, § 94 Rz 43, 48, 74, 75, § 97 Rz 24 Kinderzeugung § 44 Rz 8 Kindeswohl § 91 Rz 3, § 92 Rz 4, 6, 27, § 94 Rz 74, § 95 Rz 2, § 97 Rz 9 Konkurs § 44 Rz 29, § 94 Rz 89, § 97 Rz 14 Kreditrückzahlungen siehe Unterhalt Künstliche Befruchtung siehe Medizinisch unterstützte Fortpflanzung Lebensgefährten siehe Nichteheliche Lebensgemeinschaft Lebensgemeinschaft siehe Nichteheliche Lebensgemeinschaft Lebensgemeinschaft, eheliche § 89 Rz 2–4, 7, § 90 Rz 1 ff, § 91 Rz 1 ff, § 94 Rz 3, 13, 15, 18, 21, 25, 43, 57, 74, § 95 Rz 2, § 97 Rz 7, § 100 Rz 1 Lebenspartnerschaft siehe Nichteheliche Lebensgemeinschaft Medizinisch unterstützte Fortpflanzung § 44 Rz 31, § 91 Rz 2 Mitwirkung im Erwerb §§ 98–100 – Abgeltung § 91 Rz 10, § 98 Rz 1 ff – Begriff § 98 Rz 4–6 – Bemessung des Anspruchs § 98 Rz 7–10 – Subsidiarität § 98 Rz 3, § 100 237

Stichwortverzeichnis

– Übertragbarkeit des Anspruchs § 99 – Verjährung § 98 Rz 14–15 – Verzicht § 98 Rz 11–12 Nichteheliche Lebensgemeinschaft § 44 Rz 11–42 – Anfechtungsrecht (KO, AO, AnfO) § 44 Rz 22, 29 – Arbeitsleistungen § 44 Rz 33, 34, 36, 37, 38, 40, 42 – Auflösung § 44 Rz 11, 12, 21, 24, 33–42 – Aufwendungen § 44 Rz 18, 19, 33, 34, 35, 38, 39 – Beendigung siehe Auflösung – Befangenheit § 44 Rz 30 – Begriff § 44 Rz 12–21 – Beistand § 44 Rz 11, 19 – Condictio causa data, causa non secuta siehe Leistungskondiktion – Eheähnlichkeit § 44 Rz 14, 15, 20 – Entlohnungsanspruch siehe Arbeitsleistungen – Erbrecht § 44 Rz 11 – Europäische Menschenrechtskonvention § 44 Rz 11, 15, 23 – Familienrechts-Änderungsgesetz 2006 (RV) § 44 Rz 31 – Gemeinsame Obsorge § 44 Rz 31 – Gemeinsames Wohnen siehe Wohngemeinschaft – Geschlechtsgemeinschaft § 44 Rz 13, 16, 17, 18, 20 – Geschlechtsverschiedenheit § 44 Rz 11, 13, 15, 23, 24 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts § 44 Rz 33, 42 – Gesetzliche Berücksichtigung § 44 Rz 11, 22–32 – Gesetzliche Vertretung § 44 Rz 31 – Hausbau siehe Aufwendungen, siehe Gesellschaft bürgerlichen Rechts, siehe Leistungskondiktion – Homosexuelle Lebensgemeinschaft § 44 Rz 11, 15, 23, 24 – Investitionen siehe Aufwendungen – Krankenversicherung § 44 Rz 15, 24 – Legaldefinition § 44 Rz 12, 22, 23, 25 – Leistungen von dritter Seite § 44 Rz 38 – Leistungskondiktion § 44 Rz 34–41 – Medizinisch unterstützte Fortpflanzung § 44 Rz 31 – Monogamie siehe Treuepflicht – Pensionsrecht § 44 Rz 26 – Pflege- und Familienhospizfreistellung § 44 Rz 27 – Rückforderungsansprüche siehe Arbeitsleistungen, siehe Sachzuwendungen – Sachzuwendungen § 44 Rz 33, 34, 35, 37, 39, 42 – Schenkung § 44 Rz 33, 34, 35 – Sozialleistungen § 44 Rz 25 – Steuerrecht § 44 Rz 28 – Treuepflicht § 44 Rz 11, 14 238

Stichwortverzeichnis

– – – – – –

Unterhalt § 44 Rz 11, 19, 26, 31 Unverbindlicher Charakter § 44 Rz 11, 21, 37 Wirtschaftsgemeinschaft § 44 Rz 13, 16, 17, 18, 19, 20 Wohn- und Pachtrecht § 44 Rz 23 Wohngemeinschaft § 44 Rz 13, 16, 17, 18, 20, 34, 36, 38, 42 Zuwendungen siehe Arbeitsleistungen, siehe Sachzuwendungen

Partnerschaftsprinzip § 89 Rz 7, § 91 Rz 2, § 94 Rz 25, § 95 Rz 7, § 96 Rz 1, 2 Patriarchalisches Familienmodell § 91 Rz 2, § 93 Rz 11 Personenstandsgesetz § 93 Rz 4, 5, 6, 15, 16, 18, 24–26, § 93a Rz 3, 5 Persönliche Rechtswirkungen der Ehe § 44 Rz 1, 11, § 89 Rz 1–4, § 90 Rz 1–2, 3–20, § 91 Rz 6, 9, 10, § 92 Rz 1, 9, § 94 Rz 72, § 95 Rz 5, 7, § 97 Rz 25, § 98 Rz 2, § 99 Rz 1 Rechtsmissbrauch § 94 Rz 16, 63–75, § 97 Rz 6, 25, 26 Rein persönliche Rechte und Pflichten siehe Persönliche Rechtswirkungen der Ehe Schadenersatz § 45 Rz 7, § 46, § 89 Rz 4, 6, § 90 Rz 13, 20, § 91 Rz 2, § 95 Rz 5, § 97 Rz 1, 17, 21, § 99 Rz 15 Schlüsselgewalt § 96 Sexualfreiheit § 90 Rz 12 Taschengeld siehe Unterhalt Treuepflicht § 44 Rz 11, 14, § 45 Rz 7, § 89 Rz 2, § 90 Rz 11–14, § 91 Rz 7, § 94 Rz 64, 70 Unterhalt § 94 – Abfertigung § 94 Rz 38, 48 – Anspannungsgrundsatz § 91 Rz 9, § 94 Rz 3, 8, 15, 21, 48, 57–62 – Anspruch des Beitragsschwächeren § 94 Rz 10, 20–23, 52, 53, 63, 73 – Anspruch des Beitragsunfähigen § 94 Rz 10, 20–23, 52, 53, 63, 73 – Anspruch des Haushaltsführenden § 94 Rz 1, 10, 11–19, 52, 53, 63, 72, 73, § 95 Rz 6, 7 – Aufhebung des gemeinsamen Haushalts § 94 Rz 10, 11, 15, 16, 17, 18, 23, 24, 30, 63, 64, 70, 71, 72, 80, 84, 92 – Auslandszuschlag § 94 Rz 37 – Bemessungsgrundlage siehe Unterhaltsbemessungsgrundlage – Definition § 94 Rz 9 – Eigeneinkommen des Berechtigten § 94 Rz 11, 19, 48, 49, 52, § 98 Rz 9 – Erlöschen § 94 Rz 6, 13, 63–67, 70, 72–75 – Fiktiver Mietwert § 94 Rz 33 – für die Vergangenheit § 94 Rz 90–91 239

Stichwortverzeichnis

– – – – – – – – – – – – – – – – –

Geldunterhalt § 94 Rz 8, 10, 18, 24–26, 27, 29, 31 Höhe § 94 Rz 18, 24, 51–56, 75, 81 Kreditrückzahlung § 94 Rz 30, 31, 32, 46, 47 Naturalunterhalt § 94 Rz 24–33, 47 Sonderzahlung § 94 Rz 36, 56 Sorgepflichten, weitere § 94 Rz 52, 53 Studium § 94 Rz 15 Taschengeldanspruch § 94 Rz 8, 24, 25 Unterhaltsvereinbarung § 94 Rz 6, 76–88, 90 Unterhaltsverletzung § 92 Rz 7, § 94 Rz 24, 25, 26, 49 Unterhaltsverwirkung siehe Rechtsmissbrauch Unterhaltsverzicht § 94 Rz 2, 10, 79–82 Verjährung § 94 Rz 92 Versicherungsprämien § 94 Rz 29, 32, 37 Wirtschaftsgeld § 94 Rz 25, 26, 82, § 95 Rz 7 Wohnungskosten, Anrechnung § 94 Rz 27, 30–33, § 97 Rz 17 Zumutbarkeit § 94 Rz 1, 8, 15, 21, 43, 48, 58, 59, 62, 64, 71–74, 78

Unterhaltsbemessungsgrundlage § 94 Rz 34–50 – Abfertigung § 94 Rz 38, 48 – Abzüge, Ausgaben § 94 Rz 34, 41, 43, 44–47 – Aufwandsentschädigung § 94 Rz 37 – Einkommen, Begriff § 94 Rz 34–35 – Einkommen des Berechtigten § 94 Rz 48–49 – Lohnsteuerrückvergütung § 94 Rz 38 – Öffentlich-rechtliche Leistungen § 94 Rz 34, 42, 49 – Sachbezüge § 94 Rz 39 – Selbstständige § 94 Rz 41, 45 – Unselbstständig Erwerbstätige § 94 Rz 36–40, 45 – Vermögen § 94 Rz 34, 43, 48 Unterhaltsvereinbarungen § 94 Rz 76–88 – Form § 94 Rz 77 – Umstandsklausel § 94 Rz 78, 83–88 – Verhältnis zum gesetzlichen Unterhalt § 94 Rz 76 – Verzicht § 94 Rz 79–82 – Wirksamkeitsvoraussetzungen § 94 Rz 78 Unzumutbarkeit des Zusammenlebens siehe Gewaltschutzgesetz, siehe Wohnung Verfahren außer Streitsachen § 92 Rz 9, § 98 Rz 13 Verlobte siehe Verlöbnis Verlöbnis § 45, § 46 – Abschluss § 45 Rz 3–4 – Beendigung § 45 Rz 5, 8 – Begriff § 45 Rz 1, 2 240

Stichwortverzeichnis

– Inhalt § 45 Rz 7 – Schadenersatzanspruch des Verlobten § 45 Rz 8, § 46 Rz 1–4 – Schadenersatzanspruch dritter Personen § 46 Rz 5 Versicherungsprämien § 94 Rz 29, 32, 37 Vertretung, gesetzliche § 44 Rz 31, § 96 Wirtschaftsgeld § 44 Rz 19, § 94 Rz 25, 26, 82, § 95 Rz 7 Wohnbedürfnis, dringendes § 90 Rz 10, § 92 Rz 11, 15, 21, 22, 27, § 97 Rz 1, 9–12 Wohnung § 92 – Aufnahme dritter Personen § 90 Rz 6 ff – Besitzstörungsklage § 89 Rz 6, § 90 Rz 7, 8, 10, § 97 Rz 15 – gesonderte Wohnungsnahme § 89 Rz 3, § 90 Rz 4, § 92 Rz 1, 4–10, 28, § 94 Rz 47, 70, 71, § 97 Rz 8 – Pflicht zum gemeinsamen Wohnen § 44 Rz 18, § 90 Rz 4, § 92 Rz 1, 3, 9, § 94 Rz 30, § 97 Rz 7 – Räumungsanspruch § 44 Rz 42, § 90 Rz 6 ff, § 97 Rz 22, 28 – Unterlassungsanspruch § 89 Rz 6, § 90 Rz 7, 8, § 97 Rz 1, 15–17, 22 – Verfügungsbeschränkung § 90 Rz 19 – Wohnsitzverlegung § 91 Rz 10, § 92 Rz 1, 3, 9, § 97 Rz 24 Wohnungskosten siehe Unterhalt Wohnungsschutz § 97, siehe auch Gewaltschutzgesetz – Drittwirkung § 97 Rz 20–23 – Erlöschen § 97 Rz 25–28 – Inhalt § 97 Rz 2–4, 16–19 – Verfügungsberechtigung § 97 Rz 13–15 – Verletzung § 97 Rz 1, 2, 21, 26 – Wohnanspruch, familienrechtlicher § 90 Rz 7, § 97 Rz 7–8, 13, 14 – Wohnbedürfnis, dringendes § 90 Rz 10, § 97 Rz 1, 9–12 – Zwangsversteigerung § 97 Rz 21, 22

241